Bericht_Islam und Menschrechte-Islamophobire oder legitime Kritik

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Islam und Menschrechte im Diskurs – Islamophobie oder legitime Kritik?
von Laura Thieme
Das Thema ist heute aktueller denn je. Besonders seit dem 11. September 2001 sind der
Islam und die Muslime wieder vermehrt ins Blickfeld der Medien und der Öffentlichkeit
gerückt. In dieser Diskussion werden verschiedene Begriffe wie zum Beispiel jüdischchristliche Werte, Terrorismus, Islamist und auch Menschenrechte oft benutzt, ohne vorher
genau darüber nachzudenken und manchmal sogar deren genaue Bedeutung zu kennen.
Am 04. 02. wurde der Referent
Karim Khayal im Allerweltshaus
Köln begrüßt.
Die Veranstaltung wurde von
Nadine Leygraf eingeführt, welche
die Person des Referenten
vorstellte und somit den Abend
eröffnete. Karim Khayal studiert im
Hauptfach Politik und in den
Nebenfächern Orientalistik und
Geschichte an der Universität zu
Köln. Er selbst lebte viele Jahre
seines Lebens im Mittleren Osten,
unter anderem in Ägypten, Saudi
Arabien und im Gazastreifen.
Der Referent eröffnete seinen
Vortrag mit einer Definition des Begriffs Islamophobie, welche er als die Befürchtung der
Ausbreitung des Islams, als Angst vor dem Islam beschrieb. Er gab an, der Islam würde
heutzutage nicht selten als feindliche, im Vergleich zu anderen oft als gewalttätige Religion
angesehen. Dabei sieht er vor allem das Problem des In-die-Schublade-stecken, da seiner
Meinung nach zwischen dem Islam als Religion und Kultur nicht unterschieden wird und
somit Vergleiche angebracht werden, die meist nicht genug begründet sind. Khayal bemerkt,
dass die Menschen mit der Konfrontation mit einer neuen Kultur beginnen, ihre eigene zu
definieren und dabei meist in gut oder nicht gut kategorisieren. Die Gefahr besteht in dem
Wunsch der Abgrenzung zu „dem Anderen“.
Hat nun die Islamophobie seit dem 11. September 2001 zugenommen? Nach Worten des
Referenten gab sie es vorher gar nicht und stieg seit dem, Studien nach, kontinuierlich an.
Den Grund dafür sieht er vor allem in den visuellen Medien. Eine Studie, welche mehrere
Gesellschaften diesbezüglich analysierte, brachte Luxemburg als Land mit der niedrigsten
Rate von Islamophobie hervor. Daraufhin bemerke Khayal, dass es in Luxemburg jedoch auch
keine Moscheen, sowie Kopftücher gäbe.
Ihm erscheint es sehr seltsam in Deutschland in den Debatten von einer christlich- jüdischen
Kultur zu sprechen, die sich im Gegensatz zu dem Islam sieht und somit die Menschrechte
für sich beansprucht. Zu sagen, diese Rechte beziehen sich auf die westliche Welt ist
schlichtweg eine eurozentrische Sicht und dient dem Zweck der Abgrenzung. Schließlich
wurde gerade ein Land wie Deutschland durch viele Dinge geprägt, wobei er als Beispiel den
Kapitalismus nennt.
In Ägypten leben 10 % der Bevölkerung nach dem christlichen Glauben. Der Referent fragt,
ob irgendjemand deshalb von christlich- islamisch spricht? Die Antwort ist „Nein“. Er weist
nochmals darauf hin, dass Kulturen immer verschiedene Aspekte sowie verschiedene
Auswirkungen haben, wobei er als Beispiel auch den Einfluss der griechischen Kultur auf den
Islam nennt.
Welche Rolle spielen die Menschenrechte?
Der Kern des Streits liegt Khayals Meinung nach in der Idee der Menschrechte. Diese Idee
verbindet die griechische, jüdische und christliche Kultur. Gerne wird der Anschein erweckt,
die Menschenrechte seien schon immer in der westlichen Kultur vorhanden gewesen,
gehören ihr an. Bei dieser Ansicht wird jedoch stets die Entwicklung verschiedener Aspekte,
sowie die unterschiedlichen Einflüsse außer Acht gelassen. Was sagt der Islam? Woher
kommt er? Diese Fragestellungen bleiben umstrittene Punkte.
Das
islamische
Menschenbild
bestehe aus dem Versuch, etwas
Besseres zu schaffen, laut Khayal.
Beispiele dafür findet man im Recht
auf Besitz, das Recht sich scheiden zu
lassen, Recht auf Bildung und der
Ablehnung der Diskriminierung.
Diese Ausführungen bringt einige
dazu zu sagen, der Islam bräuchte
die europäischen Menschrechte
nicht, er habe seine eigenen Rechte
und ist in sich selbst geschlossen. Im
Konflikt um die Menschenrechte kommt auch die Befürchtung eines kolonialen Einschnitts,
eines weiteren Versuchs europäischer Hegemonie auf. Im Gegenzug dazu bleibt auch bei
vielen die Meinung, der Islam sei nicht vereinbar mit der modernen Demokratie, da er
fundamental anders ist. So werden die Menschenrechte oft sogar als Waffe gesehen, als
Versuch die Kultur zu vereinnahmen, weshalb der Islam eine eigene Fassung der
Menschrechte entwarf um sich unabhängig zu machen, welche 1990 in Kairo deklariert
wurde und laut des Referenten ein politischer Misserfolg war, da die Fassung niemals
ratifiziert wurde. Als Unterstützung dessen wirft er die Frage auf, welche Länder teilnahmen
und warum? So nennt er den Iran als Beispiel sich lediglich von der jüdisch- christlichen
Kultur abgrenzen zu wollen.
Doch wo liegt der Unterschied der beiden Menschrechtsdeklarationen, der islamischen von
1990 und der von 1949? Der Referent nennt hier als Kernunterschied der Ansicht zwischen
Mensch und Religion: „Die Deklarationen klingen gleich, sagen aber etwas anderes.“ In der
von 1949 wird betont, der Mensch ist frei, in Würde und es gibt keine Kompromisse
bezüglich dessen. In der Deklaration von 1990 wird ebenfalls die Freiheit des Menschen
erwähnt, er ist jedoch frei und gut aufgrund der Religion. So ist es nicht erlaubt Leben zu
nehmen, außer für religiöse Gründe, es gibt in keinerlei Hinsicht Restriktionen bezüglich der
Hautfarbe und Religion, die Familie ist die Basis der Gesellschaft und Hochzeit gilt als
Gründung dieser Basis. Der große Unterschied liegt in der Religion, denn die religiöse
Identität bestimmt den Menschen
Aktuelle Islamkritik
Als Mängel der aktuellen Islamkritik bringt der Referent Khayal nun auch neben den
visuellen Medien, den fehlenden historischen Hintergrund der Entwicklung der Religion
sowie den Begriff der Kulturverflachung ein. Ohne sich detailliert mit dem Thema zu
beschäftigen, werden in den Debatten Begriffe verwendet oder Behauptungen aufgestellt,
die nicht belegt werden, was zu einer einseitigen Sicht führt. Khayal kritisiert die verflachte
Darstellung der Debatte in den Medien, jeder kann sich dazu äußern, ohne Frage nach
Qualifikation (Einruf aus dem Publikum: „Das ist die Meinungsfreiheit.“). Die stellt er auch
nicht in Frage, bringt jedoch ein Spiegelauftritt der Schriftstellerin Monika Maron an, in
welchem sie über die Freundschaft zwischen Lessing und Mendelssohn spricht und im Zuge
dieser beiden Aufklärer einen aufgeklärten Islam fordert (Der Spiegel, Essay „Das Licht des
Wissen“, Monika Maron, 24.01.2011: www.spiegel.de/spiegel/print/d-76551170.html). Der
Referent stellt die Frage: Weshalb ist sie zur Kritik am Islam berechtigt? Er hebt folgendes
Zitat hervor: „Während das Christentum und das Judentum nach zähen Kämpfen den
säkularen Gedanken und die Gültigkeit universaler Menschenrechte in ihre Heilslehre
integriert haben, hat der Islam seit dem 12. Jahrhundert jeden Versuch einer philosophischen
Auseinandersetzung mit seinen religiösen Schriften verhindert.“ (Der Spiegel, 24.02.2011).
Doch eine Frage stellt er immer wieder: Von welchem Islam ist die Rede? Den, den wir
glauben, zu kennen? Das, was wir nicht sind? Hier schließt sich seiner Meinung nach der
Kreis, man grenzt sich ab von dem, was man nicht genau kennt. Das Problem sieht Khayal in
der eigenen Kontrolle, darin, dass die Themen, über die man spricht, nicht überdacht
werden müssen. Doch als noch schlimmer, ist die politische Instrumentalisierung des
Andersseins zum Feindbild. Er sieht Ähnlichkeiten zum Antisemitismus: in der Krise stark,
Anbringen verflachter historischer Beispiele zur Legitimation, angeblich weiß jeder wovon er
spricht und Kulturen werden vereinfacht und zur Darstellung eines bestimmten Bildes
benutzt. Dazu zählt auch das Aufkommen von Verschwörungstheorien, wozu zum Beispiel
die Idee eines Eurabien gehört. Demnach soll eine Allianz führender Europäer und reichen
Arabern über Verhandlungen unter anderem, die unlimitierte Einwanderung aus der
islamischen Welt nach Europa und somit die Islamisierung Europas als Folge haben.
Laut einer Studie der Friedrich- Ebert- Stiftung sind bereits 58% der Deutschen dafür, die
Rechte der islamischen Mitbürger auf die Religionsfreiheit zu begrenzen. Solche Zahlen
zeigen, dass das entstandene Feindbild längst keine Randerscheinung mehr ist, sondern die
Menschen sich dadurch angesprochen fühlen und dadurch die Möglichkeit besteht, damit
Politik zu machen. Allein das Lesen oder Hören verschiedener Begriffe ruft bestimmte
Assoziationen hervor.
Fazit
„Der Glaube, nur unsere Werte sind demokratiefähig, macht uns blind andere Entwicklungen
zu sehen und zu akzeptieren.“
Karim Khayal stellt ein letztes Mal die Frage von welchem Islam gesprochen wird, da es den
Islam nicht gibt. Vielmehr sollte man doch auch beachten, wie viele Faktoren in
Gesellschaften eine Rolle spielen, sowie der Wunsch der Menschen in islamischen Ländern
nach Rechten, die ihnen zustehen. Es darf nicht der Fehler gemacht werden, lediglich die
Religion Islam zu sehen. Zum Abschluss bezeichnet er den Islam als ursprüngliche
Reformreligion, dem jedoch auch viele Chancen auf Entwicklung untersagt werden, da ihm
die große Mehrheit ein Bild aufdrückt, das ihn nur als Gegensatz darstellt. Wichtig sei es
daher immer den historischen Kontext zu kennen bevor man debattiert.
Diskussionsrunde
Ein Zuschauer bringt die Kultur der Erziehung zum Nachfragen im Westen an und meint, im
Islam gäbe sie es nicht. Khayal gibt ihm Recht, dass das kritische Denken in vielen
europäischen Ländern weiter entwickelt ist, weist aber auch daraufhin, dass es weder den
Westen noch den Islam gibt. Diesen Fakt sollte man immer beachten.
Eine andere Zuschauerin fragt,
weshalb der Islam heute so wenige
Reformansätze hervorbringt um ihn
neu zu definieren? Sie sagt, dass
der Islam revolutionär bleiben
muss wie vor 1400 Jahren um
mitgestalten zu können. Khayal gibt
ihr Recht, bemerkt aber die
Schwierigkeit dessen, das dem
Islam in den deutschen Medien
keine große Stimme gegeben wird.
Er stellt die Frage, was genau
reformiert werden soll.
Ein Zuschauer bringt ein Zitat Himmlers aus der Internetplattform Wikipedia an, indem es
darum geht, dass man aus dem Koran die Ideologie des Nationalsozialismus ziehen kann. Der
Zuschauer weist darauf hin, dass er diese Aussage nicht unterstützt oder wissen möchte, ob
sie wahr ist. Vielmehr möchte er wissen, was der Referent denn denkt, welche Ängste
daraus entstehen können, wenn Leute ohne großes Hintergrundwissen so etwas lesen?
Khayal geht darauf ein und sagt, wenn man an die Zeit und Ideologie im Nationalsozialismus
denkt, muss einem klar sein, dass Himmler nichts vom Islam versteht. Er bezeichnet dieses
Zitat als wertlos.
Eine weitere Zuschauerin glaubt, dass nicht der 11. September 2001 Schuld trägt an der
entstehenden Angst, sondern die Geschichten, die man hört. Als Beispiel bringt sie die
Zwangsheirat an.
Ein anderer Zuschauer geht auf das jüdisch- christliche Menschenbild ein, welches von
Gottes Ebenbild ausgeht. Er spricht von einem zwar christlich geprägten, aber
säkularisiertem Kulturkreis. Seit den Ideen der französischen Revolution rückte der
Individualismus bei uns in den Vordergrund, während im Islam das Kollektiv eine größere
Rolle spielt. Deshalb ist es seiner Meinung nach nur schwer möglich zu begreifen, welche
enorme Energie bei dem islamischen Widerstand freigesetzt wird. Er stellt die Frage, ob
universelle Menschenrechte überhaupt möglich sind. Referent Khayal bemerkt, dass die
Individualisierung ein moderner Gedanke ist und das eine politisch motivierte Religion nur
das Kollektiv kennt. Er weist aber auch darauf hin, dass Individualismus nicht vor Zerstörung
oder Menschenrechtsverletzungen schützt.
Das Problem der Verallgemeinerung, der fehlenden Differenzierung und dem historischen
Unwissen trifft allgemein auf Zustimmung. Es werden mehr Hinterfragungen bei
Diskussionen gefordert.
Die Frage nach der Entstehung der Islamophobie scheint noch nicht für alle klar zu sein. Ein
Zuschauer bemerkt, dass es kein Wettkampf bezüglichen den verschiedenen Schriften der
Religionen gibt, in dem es darum geht, wer ist besser, wer ist schlechter. Jeder sollte mit
absoluter Vorsicht darauf achten, eigene Ideale nicht mit Schattenseiten anderer zu
vergleichen. Khayal meint, Kritik am Islam soll möglich sein. Jeder sollte jedoch aufpassen,
nicht den Moslem, sondern den Menschen dahinter zu sehen und somit selbst Veränderung
eine Chance zu geben. Die Nachricht des Rechtes auf Würde jedes Menschen ist seiner
Meinung nach im Islam angekommen.
Weiterhin bemerkt ein Zuschauer, dass man die Menschen, die hier leben und ihre Religion
ausleben möchte, integrieren kann, die Integration eines politischen Systems ist im
Gegensatz dazu aber nicht möglich. Wie kann man vorgehen, was ist zu tun?
Der Referent Khayal stellt eine Gegenfrage, die zum Nachdenken anregt: Wie können wir
Demokratie in anderen Ländern durchsetzen wollen, bevor wir unsere eigene in Frage
stellen?
Zum Schluss bedankt sich Karim Khayal herzlich für das Kommen der Zuschauer.
Fotos: Lara Buchmann
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