nummer 46 - alternativen

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liberalsozialen Arbeitskreis in der SPD oder
von den Liberalsozialen in den GRÜNEN gesagt wird, sich so verhalten wie die drei Affen,
die nichts sehen, nichts hören und nichts wissen wollen, weil e c h t e Reformen eben
doch von den Kapitalkräften zu torpedieren
sind und Regierungen, die das wagen, von einem Generalstreik des Geldes hinweggefegt
werden können?
Damit sollen keine Gespenster an die Wand
gemalt werden, dass unsere Demokratie nur
so lange geduldet wird, wie sie den Kapitalkräften hörig ist. Dafür gibt es einen guten
Beleg: Haben nicht Bundeskanzler Willy Brandt
und Wirtschaftsminister Prof. Karl Schiller vor
dem SPD-Sonderparteitag 1972 in Saarbrükken, bei dem Finanzmittel für die Politik der
inneren Reformen zu erschließen waren, die
Delegierten vor dem Antrag des Bezirks Hannover gewarnt, den Spitzensteuersatz von 53%
auf 56% zu erhöhen? Gerhard Schröder, damals führender Juso im Bezirk, erinnert sich
gewiss daran: Wenn wir das machen, haben da
die beiden Obergenossen nicht gesagt, dann
werde das Kapital anlageunlustig, werde nicht
mehr genug investiert, und die Arbeitslosen
werden die SPD abwählen?
Doch zurück zur Realität: Die von der Agenda 2010 sozial herabgestuften Empfänger von
Sozialhilfe und Arbeitslosengeld – künftig Arbeitslosenhilfe I und II – haben künftig noch
weniger Geld in der Tasche, können noch weniger konsumieren, also die Konjunktur auch
nicht anschieben! Diese Überlegungen zeigen,
dass die Regierung mit der Steuer-„Reform“
auf dem Treibsand der Hoffnung baut, die
davon Begünstigten werden das Geld ausgeben.
Die „Reform“ reisst ein Loch in die Staatsklasse und muss mit Abbau von Subventionen und mit Schulden finanziert werden. Wird
damit nur Geld von den Subventionsempfängern zu den Steuerzahlern verschoben,
also keine zusätzliche Gesamtnachfrage geschaffen? So verhält es sich auch mit den Schulden. Das Geld geht nur aus der Hand der (reichen) Geldverleiher in die Staatskasse. Und der
Staat muss dafür den Steuerzahlern die Zinsen
abknöpfen und dreht weiter an der Schraube
der Spaltung des Volkes in mehr Arme und
wenige immer Reichere.
Wäre es da nicht sinnvoller, der Staat behält
das Geld, statt die Steuern zu senken, und gibt
es selbst s i n n v o l l aus oder lässt es für
sinnvolle Aufgaben in den Bereichen Umwelt
und Naturschutz, erneuerbare Energie, ökologische Landwirtschaft, Soziales, Kinder und
Jugend, Senioren, Gesundheit, Bildung, Kultur, Breitenssport u. u. u. durch die Initiativen
der Bürger ausgeben? All diese wichtigen Projekte liegen seit Jahrzehnten brach und die
Mängel werden immer größer! Allein die Absenkung des Spitzensteuersatzes von 48 auf
42% würde dem Staat jährlich 6 Mrd. kosten,
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und die Reichen um diesen Betrag reicher machen. Und das unter einer Koalition, die sich
in Programmen beider Parteien der sozialen
Gerechtigkeit verpflichtet haben!
Sozialer und ökologischer Umbau
der Gesellschaft durch öffentliche
Programme
und bei der Erbschaftssteuer muss kräftig zugelegt
werden, bei entsprechenden Freigrenzen für kleine Vermögen, z. B. Einfamilienhaus. Die LIBERALSOZIALEN stellten dazu einen Antrag zur Sonder-BDK der GRÜNEN in Cottbus. Dies forderten
viele Kreisverbände, so dass der Antrag abgeschwächt
angenommen wurde. Nur von der Übernahme ins Regierungsprogramm ist bisher nichts zu hören.
Jetzt fordern dies Gewerkschaften, z.B. IGMetall, VERDI, viele Initiativen, z.B. AUFBRUCH Dresden, Arbeitslosengruppen und
Wissenschaftler der gewerkschaftsnahen MEMORANDUM-Gruppe. Viele Gruppen schlagen öffentliche Beschäftigungsprogramme, finanziert aus Steuern auf Vermögen, aber auch
aus Schulden, was auch Teile der
GRÜNENfordern – näheres im Brief der
LIBERALSOZIALEN an grüne Gremien und
Mitglieder, veröffentlicht im Beilagenteil dieser Zeitschrift.
So schreibt z.B. VERDI in „Wirtschaftspolitische Informationen“ 7/03 nach der Forderung
auf die Senkung des Spitzensteuersatzes zu
verzichten: „Keinesfalls dürfen die Steuerausfälle durch Kürzungen von Sozialleistungen
und zu Lasten niedriger und mittlerer Einkommen finanziert werden. Das wäre ein weiterer
Schlag gegen die soziale Gerechtigkeit und ist
schädlich für Wachstum und Beschäftigung,
weil dann die Binnennachfrage weiter geschwächt würde. Stattdessen muss ein vorübergehend höheres Staatsdefizit in Kauf genommen werden, um aus der gegenwärtigen Krise
herauszukommen.“ (Leichte Kürzungen d. Redaktion)
VERDI fordert ein groß angelegtes
ZUKUNFTSPROGRAM: für 4 Jahre den Einsatz von 20, 30, 35 und 40 Mrd. Euro, um öffentliche Investitionen, die von 2,9% des Brutto-Inlndsproduktes(1992) bis 2002 auf 1,6%
gesenkt wurden, auf 3,2% in 2006 anzuheben.
Einzelheiten s. Graphik.
Sie, liebe LeserInnen, meinen die Annulierung
der Steuerreform reiche bei weitem nicht um
all Fehlentwicklungen zu korrigieren oder sie
umfassend zu sanieren? Da stimmen wir Ihnen als LIBERALSOZIALE der BÜNDNISGRÜNEN und als liberalsoziale A3W – AKTION DRITTER WEG, den herausgebenden
Gruppen der ALTERNATIVEN, zu. Jahrzehntelang wurde in der BRD – West, aber
auch in der DDR unter der Wachstumsideologie des immer mehr und immer mehr
einseitig auf den materiellen Zuwachs gesetzt.
Angesichts der kriegsbedingten Mängel und
Zerstörungen war dies auch verständlich. In
der kapitalistischen BRD funktionierte die Produktion unter der Peitsche des Zinseszinsgesetzes ja auch. Dagegen legte die Planokratie
der DDR-Staatswirtschaft der Produktion eher
Fesseln an, so dass die DDR nach dem Aufstieg auf Rang 7 der führenden Industriestaaten in ihren letzten zwei Jahrzehnten an die
Entwicklung des Westens in nicht mehr heranreichte und vor allem im ökologischen Bereich, aber auch im Städtebau, wie im privaten
Konsum so stark zurückfiel, dass nach dem
Anschluss an den Kapitalismus des Westens
eine starke Nachholewelle einsetzte, bei der
unter kapitalistischen Bedingungen auch die
Errungenschaften der DDR wie Gleichberechtigung der Frauen, Fortschritte im Gesundheitswesen und im Kinder- und Jugendbereich
(hier allerdings ideologisch einseitig eingeengt),
aber auch die Vollbeschäftigung, verloren gingen.
Geld ist massiv da, es ist nur in
Um die vernachlässigten Aufgaben zu finanzieren,
den Kassen ohne Bedarf:
bedarf es mehr als die sozial einseitige Steuerreform
aufzuheben. Hier muss die von der Regierung Kohl Für 1997 hat H. Creutz in DAS GELD-SYN1997 ausgesetzte Vermögenssteuer verschärft erneuert DROM auf Grund der Vermögenszahlen der
Bundesbank für 1997 berechnet, dass bei einem zu verzinsenden Gesamtvermögen von
13,5 Bill. DM bei einem Durchschnittszins von
7% die Zinseinkommen aus Geld- und
Sachvermögen 945 Mrd. DM brutto betrugen.
Nach Abzug der Bankenmarge wurde 1997
eine Nettozinslast von der Wirtschaft, also von
den Arbeitenden für die Besitzenden von ca.
900 Mrd. DM erarbeitet, was 25 – 30% der
Wertschöpfung entsprach. Die Gruppe, die
diese Last aus ihrer Arbeit aufbrachte, umfasst
85 – 90% der Bürger und die Gruppe, die ohne
eigene Arbeit dieses Kapitaleinkommen bezog,
15 – 10%.
Es ist schon etwas dran, wenn der französische Philosoph, Ökonom und Anarchist Pierre
Proudhon um 1850 den Zins Diebstahl nannte. Es ist den Arbeitenden vorenthaltener
Lohn. Daraus setzte sich die von Jahr zu Jahr
steigende Vermögenskonzentration und ihr
ständiges Wachstum in wenigen Händen seit
den großen Kriegszerstörungen und der die
Sparguthaben vernichtenden Währungsreform
von 1948 zusammen. Dieses Wachstum der
Vermögen bewirkte die Armut der Gesellschaft: Überall fehlte Geld um die Umweltzerstörung durch umweltgerechte Produktionsweisen zu vermeiden, bzw. zu sanieren, um
Bildung, Kultur, Gesundheit und viele zu kurz
gekommenen sozialen Anliegen zu finanzieren.
Der verstorbene Augsburger Rechtsgelehrte
Prof. Dr. Dieter Suhr prägte dafür das Wort:
Das Geld fließt per Zinseszins in die Taschen
ohne Bedarf und es fehlt in den Taschen mit
Bedarf, auch in den öffentlichen Kassen.
Es kann nicht deutlich genug gesagt werden, dass diese Riesenvermögen nicht auf eigener Arbeitsleistung ihrer Eigentümer beruhen, sondern auf der Leistung der Arbeitenden. Insofern ist es berechtigt, wenn die Finanzierung der durch diese Verschiebung großer Teile des Volkseinkommens „von den Arbeitenden zu den Besitzenden“ (H. Creutz)
aufgetretenen Öko- und Sozialschäden nachträglich durch hohe Erbschafts- und Vermögenssteuern saniert werden.
Der Haken der Besteuerung der
Großvermögen
So weit, so gut und wir befinden uns mit den
Gruppen, die diese Umverteilung fordern, in
Überseinstimmung und unterstützen diese
politisch, z. B. über Anträge in den GRÜNEN,
durch Resolutionen und Briefe an politische
Verantwortungsträger. Die Sache hat nur einen Haken: Es wurde bereits auf die große
Macht des Geldkapitals hingewiesen durch
Geldstreik Wirtschaften und Staaten zu lähmen und zu beherrschen. Das Geldstreikmonopol ist aufzuheben, damit hohe Einkommen, große Vermögen und Erbschaften hoch
besteuert werden können, ohne dass das Geldkapital mit Kapitalflucht drohen kann. Dazu
bedarf es der von den Liberalsozialen propa-
gierten Umlaufsicherung des Geldes, die in
regionalen Versuchen in der Weltwirtschaftskrise bewies, dass Umlaufgeld funktioniert, die
Arbeitslosigkeit in kurzer Zeit überwindet und
die öffentlichen Finanzen saniert.
Ohne auf Einzelheiten einzugehen, das geschieht im Buch von H. Creutz, hier nur kurz:
Die EZB – Europäische Zentralbank brauchte nur 1-2 mal im Jahr, später in größeren Abständen, die großen Stückelungen des Euro,
die 1000er, 500er, ab und an auch 200er und
100er zum gebührenpflichtigen Umtausch in
neue Serien aufzurufen. Die Serien müssen
deutlich unterscheidbar gestaltet werden (Farben, Buchstaben oder Zahlen). Wer seine Einnahmen regelmäßig ausgibt, Überschüsse auf
das Sparbuch bringt oder direkt investiert, wird
diese Gebühr oder Geldnutzungssteuer n i e
zu zahlen brauchen, denn ihr/sein Geld läuft
ja um und hält Nachfrage nach Waren und nach
Arbeit. Wer aber Geld, besonders bei den jetzigen niedrigen Renditen in der Wirtschaft aus
dem Verkehr zieht, um damit zu spekulieren,
verursacht Arbeitslosigkeit und muss daran
durch die Geldnutzungssteuer gehindert werden.
Geld darf unter keinen Umständen aus dem
Kreislauf ausbrechen und die Geldnutzungssteuer, der man durch Konsumieren und Investieren entgehen kann, schließt den Geldkreislauf, denn welcher Millionär verliert gern
5% Geldsteuer, wenn er Geld hortet? Diese
Methode fasst auch Steuersünder und
Wirtschaftskriminelle wie Drogen- WaffenFrauenhändler: Große Summen werden von
den Banken nur gegen Versteuerungsschein der
Finanzämter umgetauscht. Und von auf Girokonten geparkten Geldern wird automatisch
die Geldnutzungssteuer abgebucht. So ist die
gesamte Geldmenge im Umlauf und hält
Nachfrage nach Waren und Arbeitskräften.
„Geld muss rollen, wenn wir leben wollen“,
heißt es im Volksmund oder „Taler, Taler, du
musst wandern, von dem einen zu dem anderen“ im Kinderlied. DANN STIFTET GELD
SEGEN UND DIE MACHT DES GELDES
WIRD DURCH ROLLENDES GELD GEBROCHEN.
Es können dann hohe Einkommen und Vermögen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden, bei steuerlicher
Entlastung unten. Die Arbeitslosigkeit kann
wirksam in Richtung null gesenkt werden, wenn
bei der Produktion verdientes Geld für Konsum- oder Investitionsgüter ausgegeben werden muss. Weil bei hoher Produktivität der
Arbeit weniger Zeit gebraucht wird um die
ökologisch vertretbare Produktionsmenge zu
erarbeiten, kann die notwendige Arbeit gerecht
auf alle verteilt werden. Und der große Nebeneffekt: Wenn Geld infolge der Geldnutzungssteuer nicht mehr gehortet werden
kann, muss es Nachfrage nach Waren und Arbeitskräften halten - auch dann noch, wenn
unter dem Druck dieses Angebotszwanges für
Geld, sein Preis, der Zins, immer mehr in den
Bereich null sinkt. Die Real-Löhne würden mit
jedem sinkendem Zins-Prozent auf die volle
Höhe des Arbeitsertrages steigen und der Kapitalismus kann so abgebaut werden.
Die 50-jährige Fehlentwicklung des Kapitalismus in der BRD-West und seit 1990 in Gesamtdeutschland ist durch zwei Geldpolitiken
bewirkt worden: In der Zeit der SPD/FDPRegierungen von 1969 – 1982 durch Nachfragepolitik nach Keynes und unter der CDU/
CSU/FDP-Regierung von 1982 - 1998 durch
Angebotspolitik des „Neoliberalismus“ nach
Milton Friedman. Ausführlich beschrieben wir
beide falschen Politiken in “Der Dritte Weg
der Geldpolitik zur gescheiterten Nachfrageund Angebotspolitik“ in Nr. 43/02 dieser Zeitschrift.
Rot-Grün versucht vergeblich beide falschen
Ansätze „klug zu mischen“, wie es Superminister Clement ausdrückte und m u s s t e
damit scheitern und wird damit auch in den
nächsten Jahren die Krise nicht beenden. Der
hier vorgestellte dritte Weg der Geldpolitik ist
kein fauler Kompromiss zwischen den gescheiterten Politiken, sondern ein qualitativ höherer Ansatz auf der Grundlage eigenständiger
wissenschaftlicher Überlegungen, der mit dem
Angebotszwang für Geld gleichzeitig die Nachfrage nach Waren und Arbeit vereint. Er ist
Angebots- und Nachfragepolitik zugleich und
löst durch sein dynamisches Geld die Zinszwänge des Kapitalismus in einer Marktwirtschaft ohne Kapitalismus — oder in einem
Sozialismus ohne planwirtschaftliche Staatswirtschaft, in einer LIBERALSOZIALEN
ORDNUNG - LSO auf.
Scheinbar ist gegen die herrschende Machtkoalition aus Nutznießern des Zinseszins-Systems und ihren Statthaltern in Parlamenten
und Regierungen kein Kraut gewachsen und
viele Menschen stecken den Kopf in den Sand.
A3W zielt darauf, den drohenden Kollaps unserer Gesellschaft zu vermeiden, indem wir
zusammen rechtzeitig so stark werden, dass wir
Einfluss auf Politik und Wirtschaft nehmen
und die Entwicklung umsteuern können.
Übrigens sollten Zweifler das Wort von Prof.
Harms, ehem. Direktor des Weltwirtschafts
Instituts Kiel, bedenken: Man kann die Lehre
Silvio Gesells nicht widerlegen – man kann sie
Georg Otto
bloß ablehnen.“
Seite 3
Haben „die“ Deutschen über ihre Verhältnisse
gelebt?
Oder hat eine Minderheit von Reichen zu viel dazubekommen?
Die privaten Geldver mögen in
Deutschland haben im Laufe der
Jahrzehnte lawinenartig zugenommen. 1969 betrugen sie 0,5 Billionen
Mark, 1979 1,35 Billionen Mark, 1989
2,80 Billionen Markt und 2000 7,1 Billionen Mark (einschließlich Ostdeutschland). An diesem Trend ändern Niedrig-zinsphasen grundsätzlich nichts, sie verlangsamen lediglich
vorübergehend die Gewinnzuwächse.
Unternehmensgewinne, Löhne und
Gehälter sind hinter jener Entwicklung weit zurückgeblieben. Während
zum Beispiel von 1970 bis 1997 die
Zinsausschüttungen der Banken um
das Zwölffache zugenommen haben,
stiegen die Bruttolöhne und -gehälter
nur um das 3,6fache. Das Bruttosozial-produkt nahm in jenem Zeitraum um das Fünffache zu.
Die Geldvermögen sind sehr ungleich verteilt. Der einen Hälfte der
privaten Haushalte gehören nur 4
Prozent der privaten Geldvermögen.
Der anderen Hälfte der privaten
Haushalte gehören die „rest-lichen“
96 Prozent.
Höchstens 15 Prozent der privaten
Haushalte erzielen aufgrund ihrer
großen Geldvermögen mehr Zinsgewinne als sie Zinslasten zu tragen
haben. Bei der großen Mehrheit der
Haushalte ist es umge-kehrt: Sie hat
über Preise, Steuern und Mieten mehr Zinslasten zu tragen als sie mit ihren Spargut-haben (soweit vorhanden) Zinsgewinne erzielen
kann.
Das Wachstum der Geldvermögen beruht zu
ca. 80% auf Zins und Zinseszins. Die Minderheit von Reichen hat zuviel dazu bekommen,
je höher die Zinsen desto mehr, und das, ohne
dafür einen Finger krumm zu machen. Ihre
großen Geldvermögen saugen das Geld auf
wie Schwämme, wobei diese immer größer wer-
den und somit immer noch mehr aufsaugen und auf der Schuldnerseite tür-men sich die
Zinslasten. Steuerlich fließt viel zu wenig zurück (die neue Zinssteuerregelung wird daran
nicht viel ändern), ganz zu schweigen von den
bisherigen Steuerhinterziehungen großen Stils.
Die Behauptung, die Deutschen (im allgemeinen) hätten über ihre Verhältnisse gelebt, trifft
nur dann zu, wenn als ein heiliges, unantastbares Prinzip gelten soll, dass die Reichen überproportional immer noch reicher werden. (Ein
solches „Grundrecht“ ist aber in
der Verfassung des BRD-Sozial-staates nicht vorgesehen.)
Denn dann bleibt selbstverständlich für die große Mehrheit
immer weni-ger übrig. Anders
gesagt: Ein immer größerer Teil
des Sozialprodukts und damit
auch der Arbeits-einkommen
muss dann vor allem zur Zinsbedienung der großen Geldvermögen abgezweigt werden.
Eine solche Entwicklung ist seit
vielen Jahren in vollem Gange.
Jene Behauptung, die Bevölkerung habe über ihre Verhältnisse
gelebt, ist eine Popagandalüge,
mit der man die große Mehrheit
davon überzeugen will, dass sie
den Gürtel enger schnallen müsse, (wobei dann der Reichtum
einer Minderheit - vor allem aufgrund des Zinseszinseffektes weiter wachsen kann und offenbar auch soll.) Die im allgemeinen ahnungslose Bevölkerung
wird mit einer derartigen Propaganda an der Nase herumgeführt. Statt zum Wohle des Volkes tätig zu sein, verfolgen die
meisten Politiker konsequent
den Weg, an der progressiven
Ungleichheit der Einkommensverteilung festzuhalten
und damit das Wohl der Bevölkerungsmehrheit kontinuierlich zu min-dern und den Reichtum der Reichen überproportional zu vermehren. Diese Kritik hat nichts mit „Sozialneid“
zu tun, sie erfolgt berechtigterweise angesichts
der Tatsache, dass es in vielen Berei-chen unaufhörlich den Bach runter geht.
Faustregel einer Alternative: Die Zinsgewinnraten dürfen die Wachstumsraten der Wirtschaft nicht übersteigen. Dann bleiben auch
die Zinslasten der privaten und öffentlichen
Verschuldungen in erträglichen Grenzen.
Josef Hüwe, Berlin
Seite 4
Verteidigung des Dollar mit anderen Mitteln Der „Ölkrieg“
im Kontext der kommenden Währungsbipolarität
Von Behrooz Abdolvand und Matthias Adolf
Dieser Artikel erschien vor dem Golfkrieg in „Blätter für deutsche und internationale Politik“Nr.2/2003, S.
175 - 185, Blätter-Verlagsgesellschaft Bonn
Seit den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon sowie dem Sieg über die
Taliban haben die USA ihre Militärpräsenz in
Mittelasien und im Kaukasus etabliert. Mit dem
bevorstehenden Irakkrieg wird eine weitere
Ausdehnung der US-Stützpunkte in der Golfregion erwartet. Heftig umstritten ist die Frage nach den zugrundeliegenden Motiven. Immer häufiger wird bei der Suche nach Kriegsursachen eines möglichen Irakkrieges auf das
Interesse der USA am Zugriff auf die Ölvorkommen der Großregion vom Golf über den
Kaukasus bis Mittelasien verwiesen, die in USStrategiepapieren unter dem Namen Greater
Middle East firmiert.1
Wenn allein schlichtes Ausbeutungsinteresse an
den Ölvorhaben als Triebfeder der US-Kriegspolitik angenommen wird, greift diese Einschätzung jedoch zu kurz. Vielmehr spielen
neben energie- auch finanzpolitische und
geostrategische Überlegungen eine Rolle. Entscheidende Bedeutung kommt dabei der Funktion des Öls für die Stabilität des Dollar zu.
Seit 1945 basiert der Reichtum der USA nicht
zuletzt auf der Hegemonie ihrer Währung.
Zunächst wurde diese durch das an den Dollar gebundene System fester Wechselkurse gewährleistet, nach dem Ende des Systems von
Bretton Woods übernahm jedoch das Öl die
Rolle des Stabilisators. Dass Öl während der
vergangenen 50 Jahre global nur in Dollar gehandelt wurde, sicherte die Dominanz der USWährung. Seit dem Ende der Ost-West-Bipolarität ist diese Bindung jedoch fragil geworden. Im Folgenden soll dargelegt werden, dass
die Sicherung der Dollarstabilität durch
Einfluss auf die Ölvorkommen der eigentliche Grund des US-amerikanischen Interesses
an den weltgrößten Öl-Ressourcen in der
Nahostregion sein dürfte. Um die geopolitischen Interessen der USA und der anderen
Hauptakteure in der Region genauer zu analysieren, müssen wir zunächst untersuchen, woher die USA ihr Öl beziehen und ob bzw. in
welcher Form sie explizit vom Öl aus der Region des Greater Middle East abhängen.
BP Amoco zufolge verfügten die USA Ende
2001 über 3,7 Mrd. t Öl- und 4,74 Trio. m3
Gasreserven. Bei einer Jahresproduktion von
351,7 Mio. t Öl und 555,4 Bio. m3 Gas wären
ihre eigenen Vorkommen in etwa acht Jahren
erschöpft.2 BP rät deshalb den USA, die derzeit schon 543,9 Mio. t Öl im Jahr importieren, sich schnellstens nach neuen Einfuhrmöglichkeiten umzusehen. 3 Dies könne ne-
ben der Golfregion die Kaspische Region sein.4
Vor dem Hintergrund der Steigerung des
Ölbedarfs der USA stellte die National Energy
Policy Development Group am 16. Mai 2001
den so genannten Cheney-Report vor, der die
Konsequenzen des prognostizierten wachsenden Energieimports erörtert. Von 2001 bis
2020 werde der Anteil importierten Erdöls am
Gesamtverbrauch der USA von 52 auf etwa
66% steigen.5 Aber nicht nur in den USA, sondern weltweit werde der Ölverbrauch in den
nächsten Jahren deutlich zunehmen,6 so in
China um 91% zwischen 2000 und 2020 und
in Indien gar um 116%. Da jedoch keine andere Wirtschaft derart globalisiert ist wie die
amerikanische, dürften die USA nicht nur an
den eigenen Verbrauch denken, sondern sollten sich um die weltweite Sicherung des Ölmarktes kümmern, da die heimische Wirtschaft
davon am meisten profitiert.7
Der Cheney-Report empfiehlt deshalb, wachsenden Ölimporten Priorität in der Handelsund Außenpolitik einzuräumen. Hierbei solle
eine Doppelstrategie verfolgt werden. Zum
Ersten müssten die Vereinigten Staaten mit
allen Mitteln die Investitionen der US-Ölfirmen in der Golfregion unterstützen.8 Zum
Zweiten müsse die Diversifizierung der Ölquellen vorangetrieben werden. Als Alternativen
nennt der Report die Kaspische Region, Afrika, Mittelund Südamerika.9 Dabei handelt es
sich vornehmlich um Regionen, die politisch
instabil sind oder bei denen eine antiamerikanische Stimmung in der Bevölkerung auszumachen ist. Ein stärkeres Engagement der USA
in diesen Ländern dürfte dort auf Widerstand
stoßen. Der Cheney-Report impliziert daher
Auswirkungen der Energiepolitik auf die
Sicherheits- und Außenpolitik in Form einer
Ausweitung US-Militäretats.10
Da die Vereinigten Staaten selbst nur 3,4% der
Welterdölreserven besitzen, benötigen sie vor
allem eines: zuverlässige Lieferanten.11 Vor diesem Hintergrund ist gerade die Öl-Sicherung
in der kaspischen Region und am Golf ein
Unterfangen mit geringem energiepolitischen
Vorteil. Allein die Bewachung der Zufahrt zu
den Ölreserven des Persischen Golfs kostet
jedes Jahr rund 50 Mrd. Dollar. Der Preis der
amerikanischen Ölimporte aus der Golfregion,
die im Jahr 2000 ein Zehntel des amerikanischen Verbrauchs deckten, machte mit etwa
11 Mrd. Dollar kaum mehr als ein Fünftel der
eben genannten Sicherungskosten aus.12 Da die
US-Regierung ihre Militärpräsenz in der Regi-
on Mittelasien und Kaukasus verstärkt hat,
werden die Militärkosten zur Sicherung der
Erdölquellen in Zukunft sogar noch steigen.
Unter rein energiepolitischen Aspekten erscheint somit das starke Interesse der USA an
der Golfregion wenig überzeugend, zumal es
in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft Öl und
Gas in reichlichen Mengen gibt. Allein die kanadischen Reserven im Umfang von 300 Mrd.
Barrel übersteigen die gesicherten Ölreserven
Saudi- Arabiens um ca. 15%.13 Der Anstieg der
Öl- und Gasimporte aus Kanada zeigt, dass
die USA die Bedeutung der kanadischen Energiereserven erkannt haben: „Insgesamt 22
Milliarden Dollar wollen die US-Ölkonzerne
bis zum Ende dieses Jahrzehnts in die kanadischen Öllagerstätten investieren.“14
Laut BP Statistic Review sind die USA somit
energiepolitisch in Zukunft keineswegs von den
Ölvorkommen der Kaspischen Region und
weit weniger als andere Staaten von der Golfregion abhängig.15 Während die USA im Jahre
2001 insgesamt nur 25% ihres Öls aus dem
Nahen Osten und überhaupt keine nennenswerte Menge aus der Kaspischen Region importierten, stammen 38% der Importe der EU
und der osteuropäischen Länder aus dem Nahen Osten. Japan weist mit inzwischen 85%
seiner Importe die größte Abhängigkeit von
der Golfregion auf, auch die ostasiatischen
Staaten und China decken dort bis zu 81% ihres Ölbedarfs.16
Deshalb wird die Golfregion auf lange Sicht
der wichtigste Ölexporteur der Welt bleiben.
Die Kontrolle dieser Ölfelder garantiert den
USA eine energie- sowie finanzpolitische Kontrolle anderer Abnehmer, zumal dann, wenn
sie selber nicht unmittelbar von diesen Feldern
versorgt werden müssen. Dadurch wiederum
kann die Stabilität des Dollar gewährleistet
werden, dessen Rolle seit Anfang der 70er Jahre
vom Öl abhängt. Mit dem Zusammenbruch
der Finanzmärkte und der daraus resultierenden Abwanderung aus dem Dollar wird das Öl
zum letzten Rettungsanker für die Stabilität der
US-Währung.
Finanzblase und Dollar-Flucht
Der drohende Zusammenbruch der DollarDominanz hängt eng mit dem Einsturz des
Finanzmarktes zusammen. Durch das Platzen
der Finanzblase geriet das globalisierte Wirtschaftssystem nicht nur in eine Konjunktur-,
sondern in eine Systemkrise – letztlich durch
die Deregulierung der Finanzmärkte ausgelöst.
Seite 5
Schon lange vor dem 11. September waren die
Finanzmärkte massiv verzerrt.17 Seit Januar
2000 sind insgesamt für mehr als 7,5 Bio. Dollar Börsenwerte vernichtet worden. Der Dow
Jones verlor seit seinem Höchststand im Januar 2000 bis heute mehr als 35% an Wert, der
Technologie-Index Nasdaq stürzte seit März
2000 um über 75% ab, Tendenz weiter fallend.18 Der Dax fiel von 7 118 Punkten im Jahre 2000 auf 3 687 Punkte am 11. September.
Seitdem verlor er „nur“ 687 Punkte.19 Das
belegt, dass fundamentale Systemschwächen
und nicht der Terrorangriff der Krise zu Grunde liegen.
Was aber folgte aus dem Absturz des amerikanischen Finanzmarktes für die Rolle der USÖkonomie? Bedeutet es wirklich das „Ende der
US-Hegemonie“, wie Robert Peloski, Mitarbeiter von Morgan Stanley düster prognostizierte? 20 Unmittelbar führten die Finanzskandale
in den USA jedenfalls zu enormem Vertrauensverlust und Kapitalflucht aus der Dollarzone
in den stabileren Euro-Wirtschaftsraum, was
wiederum die Talfahrt des Dollar nach sich zog.
Der Euro, der jüngst erstmals seit zwei Jahren
die Parität mit dem Dollar erreichte, macht
diesem seine Rolle als alleinige Weltwährung
streitig. 21 Deren Verlust aber hätte für die USWirtschaft verheerende Folgen.
Betrachtet man die Schieflage der US-Wirtschaft, so stellt man fest, dass die Wirtschaftspolitik der letzten 30 Jahre auf einem durch
Schulden finanziertem Konsum basierte.22 Die
Weltmacht USA ist vom Rest der Welt so abhängig wie kaum ein anderes Industrieland. Seit
Anfang der 80er Jahre geben die US-Amerikaner mehr Geld aus, als sie erwirtschaften. Im
Jahr 2000 betrug das Handelsbilanzdefizit rund
450 Mrd. Dollar; für das Jahr 2001 gab Morgan
Stanley einen Anstieg auf über 600 Mrd. Dollar bekannt. Die USA erhalten demnach jedes
Jahr ausländische Güter im Wert von gut 400
bis 600 Mrd. Dollar über den Gegenwert ihrer
Exporte hinaus, wofür sie sich in Form von
Anteilsscheinen und anderen Papierwerten in
etwa gleicher Höhe „revanchieren“. 23 Kurzum: „Amerika lebt auf Kosten des Auslands.“24
Wie ist dies möglich?
Die Lösung ist denkbar einfach: nur mit Hilfe
des Dollars als globaler Leitwährung. Denn
trotz aller Schwankungen ist der Dollar bis
heute die anerkannte Weltwährung und gegenüber konkurrierenden Währungen weitgehend
stabil. In einer auf Dauer defizitären Volkswirtschaft wie der gegenwärtigen US-amerikanischen könnte sich eine Währung jedoch nicht
stabil behaupten, geschweige denn globale
Leitwährung bleiben. Deshalb müssen die USA
ein vordringliches Interesse an der Stabilisierung ihrer Währung haben, denn seit dem
Ende des Zweiten Weltkriegs basieren Vormacht und Reichtum der USA auf dem so genannten Seignoragevorteil, der aus der Funktion des Dollars als Weltwährung entspringt.25
Seite 6
Nach 1945 sicherte das System von Bretton
Woods die Vormachtstellung der Vereinigten
Staaten in den globalen Finanz- und Handelstätigkeiten. Das eingeführte „Goldsystem“
band die Währung eines jeden Mitglieds in einem System fester Wechselkurse an den Dollar. Dessen Kurs wiederum wurde auf den Wert
von 35 Unzen Feingold festgelegt, was seine
Stabilität sicherte.26 Da die US-Wirtschaft nach
dem Zweiten Weltkrieg über 60% des gesamten Weltbruttosozialprodukts produzierte, war
die maßgebliche Rolle des Dollars zunächst
gerechtfertigt.
Dollar-Hegemonie
Damit kam dem Dollar als einziger Weltwährung die Rolle des internationalen Zahlungsmittels zu – mit fundamentaler Bedeutung für den Erhalt der US-Hegemonie: „Das
nationale Geld ist zugleich als Weltgeld internationales Kaufmittel. […] Die Doppelfunktion des Dollars als nationales und als
Weltgeld erlaubt es den USA, durch ihre Geldund Kreditschöpfung Ansprüche auf das Wertprodukt anderer Volkswirtschaften zu produzieren“ 27 : Indem die USA jederzeit frische
Dollars drucken können, um damit ihre Auslandsschulden zu bedienen, partizipieren sie
direkt am Reichtum der anderen Nationen.
„Die Optionen der USA sind allerdings nur so
lange offen, wie der Dollar wirklich als Weltgeld, in dem die internationalen Kontrakte
denominiert werden, akzeptiert wird.“ Verlöre der Dollar seine Weltgeldfunktion an andere Währungen – an den Yen oder den Euro –
, verlören die USA ihre Möglichkeiten, diese
Seignoragevorteile zu realisieren. „Daher balanciert die Politik der geld- und
fiskalpolitischen Instanzen der USA auf dem
Grat zwischen Abwertungsoption, die
Schuldenentlastung bedeutet, und Versuchen
der Wertsicherung des Dollars, die die
Seignoragevorteile der Hegemonialwährung
erhält und das System insgesamt stabilisiert.“28
In der Nachkriegsära verloren die USA jedoch
Jahr für Jahr Anteile am globalen Bruttosozialprodukt – womit die Rolle des Dollars als
Leitwährung bis heute zunehmend prekärer
wurde. In den Jahren des Wiederaufbaus erholten sich die europäische und die japanische
Wirtschaft und erhöhten ihren Anteil am globalen BSP, wofür teilweise auch der Korea- und
der Vietnamkrieg sorgten.29 Da die USA einen Dominoeffekt des Vietnamkrieges auf
weitere asiatische Länder verhindern wollten,
sorgten sie für die wirtschaftliche Stabilität
Ostasiens, indem sie in die Länder der Region
investierten und Anteile des US-Marktes an
diese Staaten abgaben.30 Das führte zu einer
Verlagerung der Arbeitsplätze nach Asien und
zum Abbau industrieller Arbeitsplätze in den
USA.
Im Laufe der Zeit produzierte das US-Kapital
vermehrt in Billiglohnländern, die Produkte
wurden auf den kaufkräftigen Märkten der
USA, Europas und Japans abgesetzt. Dies war
die Geburtsstunde der jüngsten, primär von
den Vereinigten Staaten hervorgerufenen
Globalisierung, die von den europäischen Ländern und Japan durch massiven Kapitalexport
noch forciert wurde. Die Verlagerung großer
Produktionskapazitäten ins Ausland verursachte ein wachsendes Handelsdefizit, da die USNationalökonomie kontinuierlich weniger produzierte als verbrauchte.
Das Auseinanderdriften von Finanz- und Realwirtschaft wurde durch den Kalten Krieg noch
verstärkt. Die USA investierten intensiv in ihre
Rüstungsindustrie, wodurch sich ihr Militäretat
auf Kosten der anderen Wirtschaftszweige erhöhte. Das daraus resultierende Haushaltsdefizit wurde überwiegend durch Schuldenaufnahme finanziert. Mit den stetigen Anteilsverlusten des US-Wirtschaft am Weltbruttosozialprodukt büßte auch der Dollar an
Wert gegenüber anderen Währungen ein. Die
durch Ausschöpfung des Seignoragevorteils in
Umlauf gebrachten inflationären „Eurodollars“, mit denen die USA ihre Schulden beglichen, forcierten den fortgesetzten Wertverlust
des Dollars noch.31 Schließlich wurde unter
massivem Druck der deutschen und französischen Regierung Anfang der 70er Jahre ein freier Devisenkurs eingeführt. Dennoch blieb die
Leitwährungsrolle des Dollar erhalten und
machte die Hegemonie der USA auf dem Weltmarkt unanfechtbar. Hierbei spielte der Ölmarkt die entscheidende Rolle: Die USA hatten den Dollar als Zahlungsmittel für den strategischen Rohstoff Öl etabliert, der so zum
Ersatz für die einstige Golddeckung wurde.
Dollarstabilisator Erdöl
Da die USA aus dem Zweiten Weltkrieg als
stärkste Militärmacht hervorgegangen waren
und zudem ihre Produktion 60% des globalen
BSP ausmachte, konnten sie dafür sorgen, dass
internationale Ölrechnungen in US-Dollar bezahlt wurden, und so das britische Pfund verdrängen. 32 Da sie ihren Ölimport in Dollar
bezahlten und der US-Dollar gleichzeitig ihr
nationales und ein internationales Zahlungsmittel ist, hatte ein erhöhter Ölpreis auf ihre
Wirtschaft logischerweise keine nennenswerten Auswirkungen.33
Dann kam die Erdölkrise. Die Ereignisse von
1973 hatten nicht nur energie-, sondern auch
massive finanzpolitische Folgen. Durch das
Ölembargo und den daraufhin in die Höhe
geschossenen Ölpreis vergrößerte sich das
Leistungsbilanzdefizit der ölimportierenden
Staaten, die nun mit inflationären Eurodollars
den erhöhten Ölpreis bezahlen mussten. Andererseits wuchs der Berg der Petrodollars in
den Ölförderländern, da es dort nicht genügend Absorbierungsmöglichkeiten gab. Um
diesem Dilemma zu entgehen, entstand das
„Petrodollarrecycling“34 , das die erneute mas-
sive Ausweitung des „Eurodollar-Marktes“ zur
Folge hatte: „Bis 1981 brachten es die OPECLänder auf einen verfügbaren Überschuss von
475 Mrd. Dollar, von denen sie 400 Mrd. Dollar in die Industrieländer verbracht hatten.“35
In Folge dessen stellen die Ölmonarchien heute
einen größeren ökonomischen als energiepolitischen Faktor für die westlichen, insbesondere für die angloamerikanischen Banken dar.
Die Ölmonarchien investierten bis 1990 rund
eine Billion Dollar in die Vereinigten Staaten.36
Diese gewaltige Geldmenge wiederum suchte
Gewinn bringende Anlagemöglichkeiten, daher forcierten die großen Banken die Liberalisierung der Finanzmärkte. Inzwischen halten
die ausländischen Kapitalgeber 36% der USStaatsanleihen, 18% der Unternehmensanleihen und 7% der amerikanischen Aktien.37
Erst mit dem wieder steigenden Ölpreis und
der vermehrten Nachfrage nach dem Dollar
konnte der vom Handelsbilanzdefizit herbeigeführte Abwertungsdruck von der US-Währung genommen werden. Wie maßgeblich auch
heute der Wert des Öls für die Stabilität des
Dollars ist, zeigt die ungewöhnlich starke Nachfrage nach Dollars, die weitgehend unabhängig von der Lage der angeschlagenen US-Wirtschaft ist, bei einem gleichzeitig ungewöhnlich
hohen Ölpreis, der weitgehend unabhängig von
der angeschlagenen Welt- Konjunktur ansteigt.
Der Währungsökonom bei Morgan Stanley,
Stephen L. Jen, stellt fest, „dass der Dollar die
einzige Währung der Welt mit einem
‘hegemonialen’ Status ist, die – unabhängig von
ihrer Bewertung – in Perioden extremer Gier
und extremer Furcht nachgefragt wird. Ein
Beispiel ist die Stabilität des Dollars in den
Monaten nach den Terroranschlägen vom 11.
September vergangenen Jahres. Vor allem aus
Asien werden in Perioden geopolitischer Spannungen Dollar nachgefragt. Ein Krieg gegen
den Irak würde denn auch dem Dollar helfen,
zumal dann mit einem Ölpreisanstieg zu rechnen wäre. Der Dollar war in der Vergangenheit stets ein Nutznießer steigender Ölpreise.“38
Andererseits erleben wir derzeit erstmalig, dass
die Leitwährung Dollar auf dem Ölmarkt
grundsätzlich in Frage gestellt wird. So verkauft
der „Schurkenstaat“ Iran sein Öl zum Großteil in Euro und nicht mehr in Dollar.39 Schon
Ende des Jahres 2000 hatte sich der Irak dazu
entschlossen, seine tägliche Ölförderung von
2,4 Mio. Barrel in Euro zu berechnen. Obwohl
auch US-Firmen mitverdienen, ist es das erste
Mal, dass sich die europäische Währung in die
Dollar-Domäne hineindrängt und somit dem
Dollar die Leitwährungsrolle streitig macht.
Auch China kündigte bereits im November
2001 an, seine Devisenreserven in Höhe von
200 Mrd. Dollar zu einem beträchtlichen Teil
in Euro eintauschen zu wollen.40 Nordkorea
hat inzwischen seine gesamten Devisen in Euro
eingewechselt.41
Damit laufen die USA Gefahr, ihre privilegierte Position als alleinige Inhaber des
Seignoragevorteils mit den Euro-Staaten teilen zu müssen. Dies war überhaupt erst mit
dem Ende der Blockkonfrontation möglich
geworden. Indem die kapitalistische Hemisphäre nicht mehr von außen bedroht wurde, war
der Weg frei, um aus der Zwangssolidarität des
westlichen Lagers zur „Normalität“ unterschiedlicher nationaler Interessen zurückzukehren. Da die europäischen Länder darauf bedacht waren, ihre Energieversorgung weitestgehend unabhängig vom Dollar zu decken,
boten europäische Ölfirmen Ölförderländern
Verträge zu günstigeren Konditionen als
angloamerikanische Unternehmen an. Die EUUnternehmen setzten so auf einen Gegenkurs
zum D’Amato-Gesetz, das Ende der 90er Jahre vom US-Senat verabschiedet wurde und
besagt, dass keine ausländische Firma mehr als
20 Mio. Dollar pro Jahr in die iranische Ölindustrie investieren dürfe. Gleiches gilt für die
Ölfelder des Iraks und Libyens.42 Die europäischen und japanischen Wirtschaften, die bis
dahin als US-Verbündete galten, wurden folglich von den Vereinigten Staaten zu Konkurrenten erklärt.43 Dabei kommt es ihnen keineswegs darauf an, die Erdöllagerstätten allein
zu bewirtschaften. Vielmehr gründen sie zusammen mit Ölfirmen aus aller Welt internationale Konsortien – unter ihrer Leitung. Auf
diese Weise können die USA energiepolitische
Vorteile abschöpfen und zusätzlich finanzpolitisch dafür sorgen, dass das Erdöl weiter mit
Dollar gehandelt wird.
Die wichtigste Säule der US-Strategie bleibt
deshalb die Kontrolle über das Nahost-Öl, um
so die Quelle ihres Reichtums dauerhaft zu stabilisieren. Allein die energiepolitische Rolle des
Öls und nicht gleichzeitig die fiskalpolitische
Interaktion zwischen Dollar und Öl zu sehen,
greift zu kurz. Abschließend muss deshalb die
Rolle des Erdölpreises für die USA und die
weiteren Hauptakteure präziser analysiert werden, um die divergierenden Interessen der
Großmächte an der Ölproduktion in der Golfregion zu begreifen.
Weltwirtschaft am Öl-Tropf ?
Noch immer herrscht die Annahme vor, dass
der Ölpreis primär von der Dosierung der
Erdölförderung durch die OPEC-Staaten abhängt. Die Angst vor der Ölpreissteigerung,
die viel diskutierte Gefahr eines Ölembargos
und damit Versorgungsengpasses der westlichen Länder durch die OPEC wirken bis heute mentalitätsprägend. Seit der Ölkrise von
1973 existiert die Befürchtung, dass sich dieses Ereignis wiederholen könnte.44 Tatsächlich
ist jedoch das Interesse der verschiedenen großen Öl-ex- und importierenden Staaten keineswegs nur auf die Alternative „teures oder
billiges Öl“ fixiert, sondern wesentlich komplexer – woraus sich wiederum die unterschied-
lichen Haltungen in der aktuellen Irakkrise erklären.
Die Ölpreissteigerung ist keineswegs nur auf
die Ölkrise der 70er Jahre und die Drosselung
der Ölquellen durch die OPEC zurückzuführen, sondern auch auf eine zielgerichtete USKampagne zur Ölpreiserhöhung. Die Strategie bestand darin, eigene Ölquellen sowie Ölvorkommen in der Nordsee konkurrenzfähig
zu machen und damit die europäische Wirtschaft zu schwächen. Dies geschah und geschieht auf der Basis der wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeit des modifizierten Wertgesetzes.
Denn auf dem derzeitigen Ölmarkt ist es weniger die Masse, die den Profit macht; entscheidend ist vielmehr der erzielbare Extraprofit.45
Zu den derzeitigen Strategien der Hauptakteure
auf dem Ölmarkt – und in der Irakkrise: Am
Persischen Golf betragen die Produktionskosten drei Dollar pro Barrel. In den sibirischen
Ölfeldern Russlands liegen sie hingegen bei
zwölf Dollar pro Barrel.46 Bei einem derzeitigen Ölpreis von 25 bis 30 Dollar pro Barrel
erhalten nicht nur die Anrainer des Persischen
Golfs aus der Ölproduktion eine höhere Rente, sondern auch für Russland wurde die Produktion rentabel, so dass es seinen Marktanteil auf dem Weltmarkt problemlos vergrößern
konnte.
Das war möglich, weil die OPEC durch
Produktionseinschränkungen einerseits den
Markt vor einer Überschwemmung mit eigenem billigem Öl bewahrte und andererseits der
Ölpreis dadurch stieg. Russland erhielt somit
die nötigen Gelder für die Investition in die
eigenen Ölfelder.47 So konnte Russland, dass
im Jahre 1998 128,4 Mio. t Öl exportierte, im
Jahre 2001 rund 181,2 Mio. t Öl ausführen und
einen 40prozentigen Exportanstieg erzielen.
Der Energieexport hat für Russland eine so
immense Bedeutung erlangt, dass die Regierung ihre Außenpolitik zusammen mit den
Energieunternehmen gestaltet.48
Um aber weiter konkurrenzfähig zu bleiben,
muss Russland verhindern, dass die OPEC ihre
Produktion wie Mitte der 80er Jahre erhöht
und dadurch den Ölpreis um ca. 10 bis 12
Dollar pro Barrel reduziert. Da der Irak seit
dem zweiten Golfkrieg nicht in den Ölmarkt
integriert ist, und US-Ölfirmen nicht in die
Ölfelder des Iran investieren, ist die OPEC nur
begrenzt fähig, ihre Produktion aufzustocken.
Also muss Russland alles daran setzen, dass der
Irak auch weiterhin nicht mit voller Produktionskapazität in den Ölmarkt eingegliedert
wird.49 Tatsächlich ist Russland viel mehr auf
die Preispolitik der OPEC als auf eigene Anteile an der irakischen Ölindustrie bedacht.
Hieraus erklärt sich auch die Verweigerungshaltung Russlands bezüglich der UNSicherheitsratsresolution 1441 gegen den Irak:
Weil Russland die Integration des irakischen
Öls in den Weltmarkt nach der Beseitigung
Husseins befürchtet, blieb es bis kurz vor der
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Verabschiedung beim „Nein“ zur Resolution.
Die westlichen Länder bemühen sich dagegen
primär um eine Diversifizierung ihrer Lieferanten. Dabei kann es vorkommen, dass es
sogar zur Zusammenarbeit der alten Rivalen
des Kalten Krieges kommt. So verschlingt der
Neubau einer Pipeline, der die Ölfelder
Kasachstans und Sibiriens mit Murmansk verbinden soll, 1,5 Mrd. Euro. Diese Pipeline wird
gebaut, damit Russland Öl an die USA liefern
kann.50 Damit sich der Transfer des Öls überhaupt rechnet, muss sich der Ölpreis auch für
solch kostspielige Investitionen auf einem hohen Niveau befinden. Die Finanzierung solcher und ähnlicher Projekte ist nur dann möglich, wenn Öllagerstätten, wie diejenigen in der
Nordsee und in Russland, durch einen erhöhten Ölpreis, der über den Produktionskosten
von 12 Dollar pro Barrel liegt und im Durchschnitt mehr als 15 Dollar pro Barrel beträgt,
gestützt werden. Liegt der Ölpreis darunter,
erhöht sich aufgrund der geringen Produktionskosten (2 bis 3 Dollar pro Barrel), die Chance der OPEC, ihre Marktanteile zu steigern und
den Westen in Abhängigkeit zu bringen. Daher liegt die untere Toleranzgrenze der westlichen Länder für den Ölpreis zwischen 15 und
20 Dollar pro Barrel,51 während die Golfanrainer auch weniger akzeptieren können, vorausgesetzt, ihr Marktanteil erhöht sich und ihr
Einkommen bleibt stabil.52
Krisenprofiteure
Da sich als Folge der Diversifizierungspolitik
der OPEC-Anteil am gesamten Weltmarkt reduzierte, interessieren sich schließlich auch diese Länder für politische Krisen, die den Ölpreis in die Höhe treiben. Aus diesem Grunde
exportieren sie weniger, schonen damit ihre
Reserven, verdienen jedoch genug, um ihre
Volkswirtschaften in Gang halten zu können.
Eine politische Krise dieser Art zeigt einen
zusätzlichen Vorteil – in Form einer „Krisenprämie“. Infolge der Produktionsdrosselung
der OPEC stieg seit 1999 der Ölpreis, der sich
bis dahin in einer Preisspanne zwischen 15 und
20 Dollar pro Barrel bewegte, bis heute auf 22
bis 28 Dollar pro Barrel. Ziel der OPEC war
es, einen Ölpreis von etwa 25 Dollar pro Barrel zu etablieren.53 Bis zum 11. September bewegte sich der Ölpreis in der unteren Hälfte
der Preisspanne. Danach überstieg der Ölpreis
sogar zeitweilig die 30 Dollar-Marke.54
Die Differenz zwischen Zielpreis und erreichtem Ölpreis auf dem Weltmarkt ist jene Prämie, die dank der Krise realisiert wird. Daher
sind außer Russland auch zahlreiche andere
Ölförderländer im Falle des Irak an der Aufrechterhaltung der Krise interessiert und nicht
an der Beseitigung der Krisenursache. Die
USA, Großbritannien sowie Norwegen können ebenfalls mit einem erhöhten Ölpreis zurecht kommen, da ihre Ölfirmen von einem
erhöhten Ölpreis profitieren55 und sie selbst
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Teilhaber an Öllagerstätten sind. Die übrigen
EU-Länder, die asiatischen Staaten und Japan
hingegen leiden unter den Folgen jeder Ölpreiserhöhung. Die erste Ölkrise wirkte wie ein
Schock auf diese Wirtschaften. Seither entwikkelte sich der Ölpreis in seiner Dollarbindung
immer mehr zu einem wirkungsvollen Finanzinstrument. Solange nämlich der Dollar alleinige Weltwährung bleibt, legen Länder wie
Saudi-Arabien ihre Ersparnisse in Dollar an
und ermöglichen damit eine finanzpolitische
Kontrolle durch die USA. Sie können durch
Ab- oder Aufwertung des Dollars Druck ausüben oder Ersparnisse blockieren. Abgesehen
davon haben die vom Dollar profitierenden
Finanzmärkte einen permanenten Zugang zu
den Devisenüberschüssen sämtlicher Staaten.
Daher ist es für die US-Wirtschaft überlebensnotwendig, möglichst viele Öl-Ressourcen zu
kontrollieren. Im Irakkonflikt geht es folglich
um die finanzpolitische Vorherrschaft der
USA. Dass die Vereinigten Staaten dafür andere Großmächte einbinden oder eindämmen
müssen, versteht sich von selbst.
Das Beharren der Vereinigten Staaten auf dem
Dollar als Leitwährung hat jedoch die systemimmanenten Probleme des Kapitalismus bis
heute nur verschoben, nicht aber gelöst. Das
Versagen des bestehenden Weltfinanzsystems
führte dazu, dass der Wirtschaftsboom der 90er
Jahre in den USA zu Ende ging und die Welt
momentan vor einer deflationären Phase steht,
die auch mit einem ölgestützten Dollar nicht
verhindert werden kann. Diese Phase hat gigantische Verluste auf den Aktienmärkten hinterlassen und zudem in großem Ausmaß Kapital vernichtet. In den vergangenen Jahren
haben die Verantwortlichen der G 8-Staaten
deshalb wiederholt beschlossen, eine neue
Weltfinanzarchitektur aufzubauen. Geschehen
ist bis zum heutigen Tage wenig. Ein zuverlässigeres System ist jedoch dringend notwendig.
Der Dollar hat als Leitwährung versagt; die USRegierung hat die Weltwährungsrolle des Dollars für ihre eigenen Interessen missbraucht.
Ein Währungspool, bestehend aus Euro, Dollar und Yen, der vor allem anteilsmäßig an die
Produktivität der Realwirtschaften dieser drei
Regionen gebunden sein müsste, wäre deshalb
die bessere, da gerechtere und stabilere, Alternative.
Anmerkungen
1 Ronald D. Asmus und Kenneth M.Pollack, Transformation des Mittleren
Ostens. Das neue transatlantische Projekt, in: „Blätter“, 12/2002, S. 14571466; vgl. auch Zbigniew Brzezinski, Die einzige Weltmacht, Weinheim/Berlin 1997, S. 15, 181-215.
2 BP Amoco Statistical Review of World Energy, 2002; S. 4, 7, 18, 20, 22.
3 Ebd., S. 7, 10, 18.
4 Nick Reimer, Im Hintergrund lockt das Öl, in: „die tageszeitung“,
16.10.2001.
5 National Energy Policy Development Group, National Energy Policy,
16.5.2001, Kap. 8, S. 3.
6 Ebd.
7 Elaine L. Morton, The Geopolitics of Energy into the 21st Century, Vol. 3,
The Geopolitical Outlook 2000-2020, CSIS, 11/2000, S. 21.
8 Ebd.
9 National Energy Policy Development Group, a.a.O., S. 6.
10 Michael Klare, Das Zeitalter der US-Hegemonie, in: „Le Monde
diplomatique“, 9/2002.
11 Ebd.
12 Chalmers Johnson, Ein Imperium verfällt, München 2000, S. 120.
13 Rainer Paul, Der Geruch des Geldes, in: „Der Spiegel“, 14/2001, S.192193.
14 Ebd. Die USA haben im Jahre 2000 74,4 Mio. t Öl und 94,7 Bio. m3
Gas aus Kanada importiert, im Folgejahr 88 Mio. t Öl und 109,02 Bio. m3
Gas. Obwohl die kanadischen Produktionskosten derzeit noch
mit 5,5 Dollar pro Barrel doppelt so hoch sind wie die in Saudi-Arabien, lohnt
sich der Abbau im Nachbarstaat wegen des kürzeren Transportwegs und der
geringen Sicherheitskosten.
15 BP Amoco Statistical Review, a.a.O., S. 4.
16 Ebd.
17 Rezessionsangst: Chaos an der Börsen, in: „Die Welt“, 11.9.2002; Pascal
Lamy, Unsere Märkte sind nicht offen, in: „Die Zeit“, 6.9.2002; Carl Graf
Hohental, Der lange Atem des Kapitalismus, in: „Die Welt“, 5.9.2001.
18 Peter Gruber, Unruhiger Ruhestand, in: „Focus“, 31/2002, S. 156-157.
19 „Wirtschaftswoche“, 45/2002, S. 47; „Euronews“, 27.12.2002.
20 Vgl. Thomas Fischermann, Kleine Zeitbomben im System, in: „Die Zeit“,
4.4.2002.
21 Talfahrt des Dollars stärkt den Euro, in: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ), 25.6.2002; Dollar-Schwäche schüttelt Finanzmärkte durch, in:
FAZ, 25.6.2002.
22 Robert Samuelson, US-Wirtschaft droht eine schwere Krise, in: „Handelsblatt“, 20.9.2001.
23 Martin Hesse, Investoren kehren dem Dollar den Rücken, in: „Süddeutsche
Zeitung“, 1./2.6.2002.
24 Thomas Fischermann und Wolfgang Uchatius, Amerika will Ihr Geld, in:
„Die Zeit“, 14.2.2002, S. 17.
25 Michael Bodro, A Retrospective on the Bretton Woods System, Chicago/
London 1993.
26 Ebd.
27 Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf, Grenzen der Globalisierung, Münster 1997, S. 426.
28 Ebd.
29 Elmar Altvater, Die Weltwährungskrise, Frankfurt a. M. 1969, S. 23.
30 Chalmers Johnson, a.a.O.
31 Elmar Altvater, a.a.O.
32 Franz Stolp, Das Öl auf dem Weltmarkt, in: „Zeitschrift für Geopolitik“,
1961, S. 365-368.
33 Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf, a.a.O., S. 426.
34 Hajo Hasenpflug, Wirtschaftsstrukturen und Kooperationsansätze im europäisch-arabischen Raum, in: IEP (Hg.), Europa und die arabische Welt,
Bonn 1975, S. 135-178.
35 Karin Lissakers, Bankers, Borrowers, and the Establishment, New York,
Basic Books 1991, zit. n. Bello Walden et al., Die Krisen sind systembedingt,
in: „E+Z“, 12/2001, S. 367.
36 Craig Hulet, The Secret U.S. Agenda in the Gulf War, in: „Open Magazine Pamphlet Series“, 14.2.1991, S. 10; Peter Gowan, The Gulf War, Iraq
and Western Liberalism, in: „New Left Review“, 5-6/1991, S. 47-49; Simon
Bromley, Crisis in the Gulf, in: „Capital & Class“, 2/1991, S. 7-14.
37 Wer ner Rügemer, Das Märchen von der Schuldenfreiheit,
www.home.pages.at/goldinfo/geschichte/schulden.htm.
38 Folker Dries, Die niedrigen Zinsen in Amerika und der gesunkene Ölpreis
helfen dem Euro, in: FAZ, 18.11.2002.
39 „Der Spiegel“, 15/2002, S. 95.
40 FAZ, 2.11.2001, S. 1.
41 Nordkorea schafft den US-Dollar ab, dpa, 12.11.2002, 6:49 Uhr; Nordkorea fordert von USA nochmals Nichtangriffspakt, AP, 24.11.2002, 13:11
Uhr.
42 FAZ, 2.11.2001, S. 1.
43 Jeffrey Garten, Der kalte Frieden, Frankfurt a. M./New York 1993.
44 Mohsen Massarrat, Die Krise am Persischen Golf, Osnabrück 1991.
45 Im industriellen Produktionsprozess wird der Preis der Waren normalerweise durch jene Waren bestimmt, die unter günstigen Produktionsbedingungen produziert werden; ungünstige Bedingungen führen zum Marktausschluss. Anders
verhält es sich im Bereich der extraktiven Industrie: Dehnt sich der Bedarf des
Marktes dermaßen aus, dass die ergiebigeren und damit billigeren Produktionseinheiten ihn nicht mehr allein decken können, wird der Preis der Ware durch die
schlechteren Produktionsbedingungen bestimmt. Dies ist insbesondere bei rapide
abnehmenden Ressourcen der Fall. Auf der Basis dieses modifizierten Wertgesetzes springt aus der Differenz zwischen dem Preis der Produkte, die unter
besseren Produktionsbedingungen, und jenen, die unter schlechteren Produktionsbedingungen produziert werden, ein Extraprofit für erstere heraus. Dieser Extraprofit ist die entscheidende Kategorie bei der Preisregulierung des Erdöls.
46 Jürgen Krönig, Barrel außer Kontrolle, in: „Die Zeit“, 6.12.2001.
47 Ebd.
48 Igor Iwanow, Keiner muss Angst vor einer Achse Berlin-Moskau haben, in:
„Die Welt“, 23.11.2000.
49 Markus Wehner, Russlands Spiel mit dem Öl, in: FAZ, 18.12.2002.
50 „Wirtschaftswoche“, 17.10.2002.
51 Heinz Jürgen Schürmann, Irak weckt Begierde der Öl-Strategen, in: „Handelsblatt“, 13./14.9.2002.
52 Heshmatollah Razavi, OPEC and I.R. of Iran oil policy, Teheran 2001.
53 FAZ, 19.3.2001.
54 Michael Fabricius, Teures Öl lähmt den Aktienmarkt, in: „Berliner Morgenpost“, 6.9.2002.
55 Dieter Janke, Daumenpeilung: Spritpreis sinkt um ein bis zwei Pfennige,
in: „Neues Deutschland“, 30.3.2000.
Heiligtum Eigentum
Versuch einer Analyse aus der Sicht der Armen im Kontext des
Konziliaren Prozesses der Kirchen
für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung
1. Das Eigentums-Tabu
2. Wachstumszwang
3. Fallbeispiel: Enteignung, Zueignung
und Aneignung im Einigungsprozeß
4. Die Eigentumsordnung und die Ziele
des Konziliaren Prozesses
1.
Das Eigentums-Tabu
„Hast Du was, dann bist Du was, weiß der
Volksmund und hat wie immer recht. Der logischen Umkehrung „hast Du nichts, dann bist
Du nichts“ verweigern wir die Anerkennung
aus Gründen der Moral, denn das darf ja nicht
wahr sein. Etwas gibt es ja doch, das (fast)
jeder hat, nämlich seine Arbeitskraft, so daß
er als homo oeconomicus doch etwas ist. Aber
wenn er die auf dem Arbeitsmarkt nicht „los“
wird? Arbeitskraft ist es ja nicht, was der Volksmund meint, sondern Eigentum, und die Armen sind es, die (fast) nichts haben und folglich (fast) nichts sind. Aber ist das nicht eine
Übertreibung? Denn irgend etwas hat doch
jeder. Ganz ohne Eigentum kann man nicht
leben. Selbst Jesus, der „nicht hatte, wo er sein
Haupt hinlegte“, hatte doch wenigstens jenen
Rock, um den die Soldaten unterm Kreuz würfelten.
Artikel 26 der französischen „Erklärung der
Menschen- und Bürgerrechte“ von 1789 bezeichnet Eigentum als unverletzliches und geheiligtes Recht“. In Art. 14 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland heißt es
lapidar: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“
Aber was ist alles Eigentum? In einem Kommentar zum Grundgesetz 1 heißt es: „Der
Eigentumsbegriff des Art. 14 ist erheblich
weiter als der des bürgerlichen Rechts“, das
unter Eigentum nur die rechtliche Herrschaftsmacht über Sachen versteht und vermögenswerte Rechte wie Forderungen, Hypotheken,
Grundschulden, Aktien etc. davon unterscheidet. Der Eigentumsbegriff des Grundgesetzes hingegen macht diese Unterscheidung
nicht. Er „umfaßt alle privaten vermögenswerten Rechte“, wie es in dem zitierten Kommentar heißt.
Damit wird in einen Topf geworfen, was dringend unterschieden werden muß. Im folgenden soll ein solcher, wenn auch etwas anderer
Unterschied gemacht und Zwischen Eigentum
1 und Eigentum 2 unterschieden werden.
Zuvor aber muß ein dritter Unterschied im
Eigentumsbegriff aus der Sicht der Armen
gemacht und wenigstens am Rande betrachtet
werden. Der Eigentumsbegriff des Artikels
14 umfaßt offenbar nicht den eigenen Körper
eines Menschen oder dessen Teile, weil diese
in Übereinstimmung mit dem allgemeinen
Sittlichkeitsempfinden nicht als verfügbar und
handelbar angesehen werden. Deshalb scheint
diese Art des „Eigentums“ nicht in diese Betrachtung über die ökonomische Rolle des Eigentums hineinzugehören. Neuere biotechnische und medizintechnische Entwicklungen
haben die Situation aber geändert, und die
Rechtslage ist noch nicht wirklich klar. Deshalb soll doch kurz vom primären „Eigentum“
an dem, was auch der Ärmste hat, nämlich im
eigenen Körper und seinen Teilen als Eigentum 0 die Rede sein. Zu unterscheiden ist
weiter zwischen nachwachsendem Gewebe
(Knochenmark) oder Körperflüssigkeit (Blut),
paarigen (Nieren, Hornhäute) und unpaarigen
Organen sowie Föten.
Ohne daß es zu einem rechtlichen Problem
gemacht wurde, wird Blutplasma seit längerem
gehandelt. Die Bundesrepublik importiert die
Hälfte ihres Bedarfs an Blutplasma. Arme verkaufen ihr Blut an die Pharmaindustrie und das
Gesundheitswesen der reichen Länder. Sie
bluten buchstäblich für die Reichen.
Seit Organtransplantationen möglich wurden,
entstand eine beträchtliche Nachfrage an
Transplantaten. Zwar ist der Handel mit Organen in keinem Land der Welt legalisiert, er
findet aber entweder illegal oder in Grauzonen
der Legalität oder in Staaten statt, die ihre Legalität nicht durchsetzen können oder wollen:
Arme bieten eine ihrer Nieren oder eine ihrer
Hornhäute zum Verkauf, um zu überleben,
sehr häufig auch, um ihre erdrückenden Schulden zu bezahlen, und das heißt, Eigentum 2
anderer zu bedienen. Sie versuchen, ihr Eigentum 0, das eigentlich heilig ist, umzuwandeln
in lebensnotwendigstes Eigentum 1. Ungeachtet der eigensten Zugehörigkeit des je eigenen
Genoms zu einer Person - im Sinne dieser
Betrachtung ist das Eigentum 0 - sind schon
in mehreren Fällen spezifische Gene ohne
Wissen und gegen den nachträglich erklärten
Willen ihrer Träger patentiert und damit zu
Eigentum 2 anderer erklärt worden.
Eigentum 1 ist die ursprüngliche Form des
Eigentums an dem, was jeder zum Leben
braucht: Nahrung, Kleidung, Wohnung. Selbst
wenn letztere nur gemietet ist, spricht jeder
doch von „seiner“ Wohnung und deutet damit an, daß volles Verfügungsrecht nicht immer notwendig ist.
Eigentum 1 kann durch Arbeit erworben, erhalten und gemehrt werden. Daneben ist na-
türlich auch Schenkung möglich. Wegen seiner Lebensnotwendigkeit ist ein Rechtsanspruch auf einen Mindestbestand an Eigentum gerechtfertigt. Die Quelle von Eigentum
1 ist das, was jeder hat, nämlich Arbeitskraft.
Eigentum 1 ist proportional zur aufgewendeten Mühe und zum eingesetzten Können. Es
wird mit Recht in der menschlichen Gesellschaft rechtlich geschätzt. „Du sollst nicht
stehlen“ sagt schon das 7. Gebot.
Auch Arme haben etwas von solchem Eigentum, wenn auch oft viel zu wenig. Was sie jedoch bestimmt nicht haben, das ist jene zweite Form von Eigentum an „vermögenswerten
Rechten“, die Eigentum 2 genannt werden soll.
Eigentum 2 gibt es nicht ursprünglich, sondern erst durch rechtliche Konvention. Es hat
die wundersame Eigenschaft der Selbstvermehrung: Die Quelle von Eigentum 2 ist
Eigentum 2. Verschleiert wird dies, wenn es
heißt, daß „Geld arbeitet“. Eigentum 2 ermöglicht automatische Bereicherung von Rechts
wegen. Es spendet leistungslose Einkünfte
durch selbsttätige Umverteilung von den Arbeitenden zu den Besitzenden mit Hilfe des
Zinsmechanismus. Eigentum 1 in Form von
Geld kann, wenn es das Lebensnotwendige
übertrifft, leicht in Eigentum 2 umgewandelt
werden, in dem es „angelegt“ wird.
Es gibt mehrere Formen von Eigentum 2:
Geldvermögen, Aktienbesitz Grundbesitz und
Patentbesitz. Aktienbesitz, Grundbesitz und
Patentbesitz (sog. geistiges Eigentum) wachsen zwar als solche nicht selbsttätig, wenn gleich
ihr Marktwert wachsen kann, aber sie können
eine ständig sprudelnde Quelle von Geld sein,
das seinerseits zinstragend exponentiell wachsen kann. Anlagevermögen soll hier nicht zum
Eigentum 2 gerechnet werden, weil es das Produkt von Arbeit ist, nur durch Arbeit erhalten
werden kann und nur durch Arbeit Gewinne
erbringt. Der Trend zur Automation und damit zur Verdrängung menschlicher Arbeit rückt
es jedoch mehr und mehr in die Nähe von
Eigentum 2. Auch bäuerlicher Grundbesitz
soll, obwohl er nicht Produkt von Arbeit ist,
nicht zum Eigentum 2 gerechnet werden, weil
er i.a. nur durch eigene Arbeit Erträge erbringt.
Aktienbesitz hingegen ist vom Typ 2 auch
dann, wenn es sich auf Anlagevermögen erstreckt, da er i.a. ohne eigenes Zutun Anteile
aus Reingewinn eines Unternehmens-, (Dividende) beschert.
Eigentum in beiden Formen steht unter dem
Schutz des Staates. In Bezug auf Eigentum 1
entspricht dies fraglos dem allgemeinen sittli-
Seite 9
chen Konsens. Nicht so unbestritten ist dies
in Anwendung auf Eigentum 2, wird dieses
doch Oberhaupt erst durch rechtliche Konventionen und deren staatliche Garantie ermöglicht. Erinnert sei an eine Kampfparole,
die in der Arbeiterbewegung Verbreitung fand:
„Eigentum ist Diebstahl“. Offenbar war damit wesentlich das gemeint, was hier mit Eigentum 2 bezeichnet worden ist. Erst unlängst
sah sich Otmar Issing, Chefvolkswirt im Direktorium der Deutschen Bundesbank, genötigt, sich in einem Artikel der FAZ vom
20.11.93, überschrieben mit „Der Zins und sein
moralischer Schatten“, mit solchen Zweifeln
auseinanderzusetzen.
Im Unterschied zu Arbeitslosen ist in jüngster
Zeit häufig von Arbeitsplatzbesitzern gesprochen worden. Dieses Wort täuscht ein Besitzverhältnis vor. Der Arbeitsplatz abhängig Beschäftigter kann systembedingt kein „Besitz“
sein und steht folglich auch nicht unter dem
Schutz des Staates. Da Arbeit nach unserer
Definition die Quelle von Eigentum 1 ist, verschärft auch dieser Umstand noch den Unterschied zwischen beiden Formen des Eigentums. Ökonomisch betrachtet, ist die Garantie von Eigentum 2 die wohl wichtigste Funktion des Staates, wie schon John Locke erkannte.
Eigentum 2 und die daraus fließende ökonomische und politische Macht ist, wie es sich
für ein Heiligtum gehört, von einem Tabu
umgeben. Die Frage nach seiner Legitimität
würde nämlich an die Grundfesten der „westlichen Wertegemeinschaft“ rühren. Diese wird
meist mit den Worten Demokratie und Marktwirtschaft so umschrieben, als sei die bestehende Form von beiden die einzig mögliche,
sozusagen naturgegebene. Immerhin bezeichnen sie die grundlegende und unabdingbare
Dichotomie von Staat und Markt. Tabuisiert
aber ist, daß auch der demokratisch verfaßte
Staat eine Form des Eigentums garantiert, ja
in gewissem Sinne kreiert, die Macht schafft
und laufend verstärkt, welche nicht demokratisch legitimiert ist. Tabuisiert ist auch, daß so
eine bestimmte, nämlich die „kapitalistische“
Form der Marktwirtschaft fundiert wird, die
aber keineswegs die einzig mögliche ist.
Es ist nicht zu bestreiten, daß diese Ordnung schon als das Ende der Geschichte gefeiert
(Fukuyama) - so beschaffen ist, daß in ihr die
Reichen reicher und die Armen ärmer werden.
Aktuelle Belege dafür finden sich beispielsweise
im Wort „Mehr soziale Gerechtigkeit wagen“
der westfälischen Kirchenleitung, wonach die
Zahl der Vermögens- und Einkommensmillionäre in der alten Bundesrepublik in nur
drei Jahren (86-88) um 20 % bzw. 30 % auf ’
106 000 bzw. 18 100 anstieg, während derzeit
im alten Bundesgebiet etwa 4 Mill. Haushalte
als überschuldet gelten (epd ZA, 06.10.94).
Dieses Wort spricht von einer doppelt gespaltenen Gesellschaft: „Neben die sich vertiefenden Spaltung in Arme und Reiche tritt ein deut-
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liches West-Ost-Armutsgefälle“. Ganz ähnliche Tendenzen zeigen sich in den USA (epd
ZA, 7.11.94). Das reichste Fünftel der Gesellschaft bezieht dort etwa die Hälfte des Nationaleinkommens, während das ärmste Fünftel
nur 3,6 % desselben verdient. Dies sind deutliche Indizien für ein ungefähres
Exponentialgesetz in der Einkommensverteilung. Noch krasser äußert sich dies in der Vermögensverteilung. Im Jahre 1989 verfügte in
der Bundesrepublik das reichste Zehntel der
Gesellschaft über fast die Hälfte des privaten
Nettovermögens, während die untere Hälfte
nur 2,4 % davon besaßen.
Die sich vertiefende weltwirtschaftliche Spaltung zwischen armen und reichen Ländern ist
hinlänglich bekannt. Auch sie ist wesentlich
eine Schuldenkrise. Auch hier hat sich der
Kapitalstrom durch den Schuldendienst längst
umgekehrt und fließt per Saldo von den armen Ländern zu den reichen. Es kann nicht
bezweifelt werden, daß auch dies die Folge der
Selbstvermehrungseigenschaft von Eigentum
2 ist, die mikro- und makroökonomisch die
Armen ärmer und die Reichen reicher macht.
Das stellt die Legitimität von Eigentum 2 aus
der Sicht der Armen - und das ist die Sicht, die
sich die Kirche nach dem Gebot Jesu zu eigen
zu machen hat massiv in Frage. Die Kirche
hat also, will sie Anwältin der Armen sein, das
Eigentums-Tabu zu brechen und die Legitimität leistungsloser Einkommen aufgrund sich
selbst vermehrenden Eigentums in Frage zu
stellen.
2.
Leistungslose Einkommen
Eigentum 1 ist dadurch charakterisiert, daß es
nur durch Arbeit geschaffen, erhalten und gemehrt
werden kann. Seine Quelle ist Arbeit. Eigentum 2 hingegen wächst von selbst. Mehrere
Formen wurden genannt: Geldvermögen, Aktienbesitz, Grundbesitz und Patentbesitz.
Natürlich kann Eigentum 2 aus Arbeitseinkommen hervorgehen, in dem es zinstragend angelegt wird (Umwandlung von Eigentum 1 in
Eigentum 2). Insofern kann das „Startkapital“ für Eigentum 2 aus Arbeit kommen. Insbesondere ist dies bei Patentbesitz (meist) der
Fall. Dann aber vermehrt es sich von selbst.
Unter leistungslosen Einkommen verstehen
wir solche, die ohne Arbeit aus bloßen Besitztiteln fließen.
2.1 Geldvermögen
Die wichtigste weil universelle und wandelbare Form des sich selbst vermehrenden Eigentums ist Geldvermögen. Durch Zins und Zinseszins vermehrt es sich exponentiell, d. h. je
größer das Vermögen ist, um so schneller
wächst es.
Die wesentlichste ökonomische Funktion des
Zinses ist die eines Preises (d. h. eines
Knappheitsindikators) am Kapitalmarkt. Die
Zinsforderung des Kreditgebers setzt sich zu-
sammen aus der Inflationsrate, einer Risikoprämie und einer Liquiditätsverzichtsprämie
(Keynes). Der Kreditnehmer hat zusätzlich
noch die Bankmarge zu zahlen. Der kritische
Anteil des Zinses ist die Liquiditätsverzichtsprämie, denn sie bringt die Übermacht des
Geldkapitals, die in seiner Universalität und
Beweglichkeit liegt, zum Ausdruck. Mit ihr läßt
sich der Geldvermögensbesitzer diesen Vorteil auf Zeit abkaufen, um ihn dann durch
Rück- und Zinszahlung vermehrt zurückzugewinnen. Sie ist der eigentliche Bereicherungsanteil des Zinses.
Läßt sich am Kapitalmarkt eine Liquiditätsverzichtsprämie von 2,5 - 3 % nicht mehr erzielen, weil die durchschnittliche Rendite des
Anlagenkapitals dies nicht erlaubt, dann zieht
sich das Geldkapital erfahrungsgemäß vom
Angebot zurück, was zu Rationalisierungsdruck
aber auch zu Insolvenzen und Konkursen,
dann aber aus Knappheitsgründen wieder zu
höheren Zinsen führt.
Die beschriebene Preisfunktion des Zinses ist
in einer Marktwirtschaft unverzichtbar. Daher wird der damit verbundene exponentielle
Selbstvermehrungseffekt als unvermeidlich
akzeptiert. Die systematischen Nebenwirkungen - Ungerechtigkeit und Wachstumszwang
(s. Abschnitt 3) - aber sind so gravierend, ja
auf längere Sicht katastrophal, daß es höchste
Zeit ist, eine ernstzunehmende und auch von
Keynes als solche anerkannte Alternative zu
diskutieren und regional oder sektoral zu erproben. Die Rede ist von dem auf Silvio Gesell zurückgehenden Vorschlag, die unausgewogene Vorteilsstellung des Geldkapitals dadurch zu beheben, daß es mit einer Rückhaltegebühr (negativer Zins) etwa in Höhe der
Liquiditätsverzichtsprämie belastet wird. Der
Geldwert ließe sich unter diesen Bedingungen
stabil halten (Null-Inflation), der Zins enthielte nur noch die Risikoprämie, die sich so einstellt, daß Gewinne und Verluste sich die Waage halten. Eine automatische Selbstbereicherung der Besitzenden auf Kosten der
Arbeitenden wäre nicht mehr möglich.
Es ist nun keineswegs so, daß jeder Inhaber
eines Sparguthabens bereits zu den Nutznießern der automatischen Einkommensumverteilung von unten nach oben gehört. Da in
allen Preisen für Mieten, Waren und Dienstleistungen Zinsanteile (Kapitalkosten) enthalten
sind, zahlen etwa 90 % der Bevölkerung mehr
Zinsen, als sie aus Ihren Bankguthaben einnehmen. Sie leben mehr von ihrer Arbeit als
aus ihrem Vermögen. Nach dieser Überlegung
wären etwa 10 % der Bevölkerung auch per
Saldo Bezieher leistungsloser Einkommen und
zu den eigentlich Reichen zu rechnen.
In einer Illustrierten war kürzlich zu lesen, daß
die Witwe eines deutschen Industriellen täglich um 170 000 DM reicher wird. Sie gewinnt
an einem Tag, wofür andere drei Jahre arbeiten. Das demonstriert eindrucksvoll den
Selbstvermehrungsmechanismus des Geldes als
Eigentum 2. Aber, so kann man mit einigem
Recht sagen, selbst bei luxuriösem Lebenswandel kann sie davon nur einen kleinen Bruchteil
ausgeben. Alles übrige bleibt, sich selbst vermehrend, auf der Bank und folglich als Kredit
in der Wirtschaft. Soll man ihr den Luxus nicht
gönnen? Warum also die Kritik? Das Gefährliche daran ist die wachsende soziale Polarisierung. Das Ungerechtfertigte ist die Macht, die
mit der Verfügung über ein solches Milliardenvermögen verbunden ist, selbst wenn sie delegiert wird. Festzuhalten ist, daß die aus Geldvermögen fließende Macht nicht demokratisch
legitimiert ist. Sie wird zudem immer größer
und trachtet nicht selten danach - längst nicht
alle Beispiele werden öffentlich bekannt - sich
politische Macht, die demokratisch legitimiert
sein sollte, zu kaufen. „Geld regiert die Welt“
- stellt der Volksmund im Widerspruch zu
hehren Verfassungsgrundsätzen dazu fest.
Eigentum 2 kann, wenn auch belastet durch
eine Steuer, vererbt werden. Auf diese Weise
entsteht, was man den Geldadel nennt: Reichtum durch Geburt. „Furchtbar, wenn ich arm
wäre. Ich habe mein ganzes Leben Geld gehabt“ - so die Tochter eines Großindustriellen
in der o. e. Illustrierten. Es wäre wohl zynisch,
die Gefühle einer alleinstehenden Mutter, die
mit ihren Kindern von Sozialhilfe leben muß,
angesichts solcher Äußerungen als Sozialneid
abzutun.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß große
Geldvermögen zuweilen auch in Stiftungen
umgewandelt werden, z. B., wenn kein Erbe
da ist. In diesem Fall werden die Zinsen für
gemeinnützige Zwecke verwendet, so daß das
Stiftungsvermögen aus dem Selbstvermehrungsmechanismus herausfällt.
2.2 Grundbesitz
Auch Grundbesitz ist eine Rechtskonstruktion,
die auf das römische Recht und auf das europäische Feudalsystem zurückgeht. Naturvölker kennen kein Privateigentum an Grund und
Boden. Daher ist die koloniale Oktroyierung
europäischen Rechts ein Landraub größten
Ausmaßes. Der daraus resultierende private
(privare = rauben) Großgrundbesitz ist noch
heute eine schwere Hypothek der Ungerechtigkeit für viele Länder des Südens.
Auf Grundbesitz treffen alle drei Kriterien für
Eigentum 1 nicht zu: Grund und Boden wird
durch Arbeit weder geschaffen, noch erhalten,
noch gemehrt. Natürliches Rechtsgefühl sagt,
daß alle Menschen gleiches Anrecht auf die
haushälterische Nutzung von Gottes Erde haben. „Die Erde ist des Herrn“ sagt Psalm 24,1.
„Darum sollt ihr das Land nicht verkaufen für
immer, denn das Land ist mein“ folgert und
bestätigt 3. Mos.25,23. Nicht zuletzt deshalb
gibt es - von kleinen Restbeständen aus osmanischer Zeit abgesehen - im Staat Israel keinen
privaten Grundbesitz. Grundbesitz erlaubt
leistungsloses Einkommen nicht nur durch den
ständig fließenden Pachtzins, sondern auch
durch Bodenspekulation. Zudem erfährt
Grund und Boden, weil er immer knapper
wird, in den dichtbesiedelten Industrieländern
eine ständige Wertsteigerung.
Wie das Beispiel Israel zeigt, setzt eine marktwirtschaftliche Ordnung privaten Grundbesitz
keinewegs voraus. Sie ist mit der marktgerechten Vergabe von Nutzungsrechten in Erbpacht,
die den Nutzungsvorteil ausgleicht und der
Allgemeinheit zugute kommt, voll vereinbar.
Damit würde auch die Allgemeinheit Nutznießerin dieses allen gegebenen Geschenkes Gottes sein.
2.3 Patentbesitz
Auch Patentbesitz ist eine Rechtskonstruktion.
In Deutschland wurde sie erst im vorigen Jahrhundert eingeführt. Zwar muß ein Patent erarbeitet werden, aber ist es einmal anerkannt,
so sind mit diesem „geistigen Eigentum“
besitzartige Verfügungsrechte verbunden.
Wird es von anderen genutzt, so können für
20 Jahre pachtartige Lizenzgebühren erhoben
werden. „Geistiges Eigentum“ ist meistenteils
nicht im Besitz derer, die es erarbeitet haben,
sondern Eigentum der Firmen oder Institutionen, bei denen sie angestellt sind. Jedoch
haben sie einen gewissen Anteil an den erzielten Gewinnen. Wissenschaftlich-technisches
Wissen ist seinem Wesen nach objektiv und
reproduzierbar. d. h. unabhängig von der Person dessen, der es gefunden hat. Es ist daher
im Prinzip jedem Fachmann oder jeder Fachfrau zugänglich. Solches Wissen zu patentieren ist fragwürdig. Es gehört wie die Bodenschätze im Grunde der ganzen Menschheit.
Zwar macht das Patentrecht in seiner ursprünglichen Intention mit dem Grundsatz der Nichtoffensichtlichkeit einen Unterschied zwischen
Entdeckung und Erfindung, wobei nur die letztere patentfähig sein soll, aber dieser Unterschied ist in jüngster Zeit in Anwendung auf
biotechnologische „Erfindungen“ immer mehr
verwischt worden.
Die Art und Weise, wie sich große Firmen des
Nordens mit Hilfe des durch GATT internationalisierten Patentrechts (TRIPS) die genetischen Ressourcen des Südens aneignen, erinnert an die kolonialistische Landnahme.
So sichert das internationalisierte Patentrecht
die technologische Vorherrschaft der reichen
Länder gegenüber den armen. Auch hier wirkt
ein exponentieller Selbstverstärkungsmechanismus. Nur die reichen Länder können sich ein entsprechendes Bildungssystem
und wissenschaftlich technische Forschung leisten, die durch Geheimhaltung und
Patentierung im eigenen Interesse genutzt wird.
Dies führt zu weiterer Verstärkung der
Forschungskapazität und zusätzlich noch zum
sog. brain drain aus den armen Ländern in die
reichen.
Die kritischen Ausführungen dieses Abschnitts
richten sich ausschließlich gegen die Selbstvermehrungseigenschaft des Eigentums 2,
nicht aber gegen das auf Arbeit gegründete
Eigentum 1. Das Recht auf erarbeitetes Eigentum ist ein allgemeines Menschenrecht, das
Autonomie und Freiheit des Einzelnen sichern
soll. Es wird zu Recht verfassungsmäßig geschätzt. Aber gerade weil es ein allgemeines
Menschenrecht ist, sind milliardenfache Unterschiede, wie sie durch Eigentum 2 entstehen, zutiefst fragwürdig.
3.
Wachstumszwang
Noch schwerer aber wiegt der Einwand, daß
die exponentielle Selbstvermehrung der Geldvermögen einen ökonomischen Wachstumszwang hervorruft, der letztlich zum ökologischen Kollaps der Ökosphäre der Erde führen muß. Daß ökonomisches Wachstum nicht
unbegrenzt weitergehen kann, wird immer
mehr erkannt. An Forder ungen, die
Wachstumsideologie aufzugeben, und an Appellen, zu einem bescheideneren Lebensstil
zurückzukehren, fehlt es nicht. Sie werden
immer häufiger und drängender erhoben, übersehen aber fast immer, daß es nicht eine Sache
des guten Willens ist, vom Wachstum Abstand
zu nehmen. Wachstum ist eben nicht nur eine
Ideologie, sondern auch ein systemischer
Zwang. Es ist von vorneherein aus systemtheoretischer Sicht undenkbar, daß ein System
stabil sein kann, dessen zentrale Verteilungsund Steuergrüße exponentiellen Wachstumsprozessen ohne Dämpfung unterliegt.
In der Geschichte verlief das vom Wachstum
der Geldvermögen ausgehende Wirtschaftswachstum im wesentlichen in zwei Modi. Der
anfängliche noch unausgereifte Modus war der
der zyklischen Krisen, bei dem die Spitzen des
exponentiellen Wachstums durch „Überproduktionskrisen“ - besser wäre es, von Unternachfragekrisen als Folge gestörter Geldkreisläufe zu sprechen, die man auch als Kapitalvernichtungskrisen ansehen kann - abgeschnitten wurden. Die wohl wirkungsvollste Form
von Kapitalvernichtung aber ist der Krieg. Die
„Grenzen des Wachstums“ waren noch nicht
die Belastungsgrenzen des Ökosystems, sondern die Aufnahmefähigkeit des Marktes, vielleicht auch Beschränkungen der Rohstoffzufuhr.
Der zweite, fortgeschrittene Modus ist der
Wachstumsmodus, der durch eine stetige
Produktions- und Verbrauchssteigerung gekennzeichnet ist. Er entwickelte sich nach dem
Zweiten Weltkrieg in dem Bestreben, die zyklischen Krisen mit ihren sozialen und politischen Erschütterungen zu vermeiden. Er wird
hierzulande als Soziale Marktwirtschaft bezeichnet und ist nur durch das Zusammenwirken von Staat, Wirtschaft und Gewerkschaft
möglich. Das Wesentliche ist die tarifvertraglich vereinbarte und staatlich organisierte
Seite 11
Umverteilung der Wachstumsgewinne zur Erhaltung und Steigerung der Massenkaufkraft,
um so der Mehrheit der Gesellschaft Anteil
am Wachstum zu geben, sie dadurch zu stabilisieren und das stetige Wachstum zugleich erst
zu ermöglichen. Der Wachstumszwang entsteht aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren, so daß man besser von einer Wachstumsspirale spricht.
Da ist zuerst der autonom wirkende Faktor der
exponentiellen Selbstvermehrung der Geldvermögen durch den Zinsmechanismus.
Wachsende Geldvermögen bedeuten zugleich
als verzinste Kredite noch stärker wachsende
Schulden. Kredite aber müssen investiert werden, damit sie durch Rationalisierung, Kapazitätserweiterung und/oder Innovationen sowohl die Rückzahlung der Schulden einschließlich der Zinsen als auch steigende Löhne und
Gehälter ermöglichen. Letzteres ist notwendig, um mit der Warenflut auch die Kaufkraft
zu deren Konsum wachsen zu lassen, soweit
sie nicht über den Außenhandel abfließen kann.
Mit den Einkommen und den Umsätzen wachsen auch die Sozialabgaben und Steuern, die
zum einen Kaufkraft in die nichtproduktiven
Bereiche der Gesellschaft lenken und zum anderen dem Staat die Möglichkeit zum ständigen Ausbau einer wachstumsfördernden Infrastruktur geben (Bildung, Verkehr, Telekommunikation etc.). Wachstum ist auch notwendig,
um die durch ständige Rationalisierung freigesetzten Arbeitskräfte entweder durch Kapazitätserweiterung oder neue Produktionen und
Dienstleistungen zu beschäftigen, damit Kaufkraft entsteht und die Soziallast der Arbeitslosigkeit nicht zu groß wird. Ein starker Faktor
der Forcierung des Wachstums ist der marktwirtschaftliche Wettbewerb, der unter den beschriebenen Bedingungen wesentlich ein Wettbewerb um Wachstumsraten ist. Wer nicht
wächst, kommt unter den Rückzahlungszwängen in Liquiditätsschwierigkeiten, die sich
oft durch weitere Kredite nicht mehr auffangen lassen. Höchst gefährlich sind Kredite,
die konsumtiv und nicht investiv (d. h.
wachstumsorientiert) verwendet werden, weil
so deren zinsbelastete Rückzahlung nicht gewährleistet ist. Des Pudels Kern der
Wachstumsproblematik ist also der Zwang,
ständig anschwellende Geldmengen als Kredite vorwiegend investiv zu verwenden. „Wachsen oder weichen“ - so heißt die Devise unter
diesen „kapitalistischen“ Bedingungen.
Ohne Wissenschaft und Technik kann sich die
Wachstumsspirale nicht drehen, denn sie sind
die Lieferanten für patentiertes geistiges Kapital, jener dritten Form des Eigentums 2, das
der Selbstvermehrung fähig ist. Es ermöglicht
sowohl die Rationalisierung der Produktion
durch neue Verfahren als auch die Entwicklung neuer Produkte. Genau dies ist der
Grund, warum Forschung und Entwicklung
von der Industrie finanziert werden. Aber auch
Seite 12
staatliche Forschungsförderung ist bestrebt, im
„vorwettbewerblichen Bereich“ Wachstumsvoraussetzungen für die Wirtschaft zu schaffen, wo immer es geht.
Das von der Selbstvermehrung der Geldvermögen angetriebene Wachstum fülirt zu
einem Expansionszwang. Die ursprüngliche,
primitive Form der Expansion war die koloniale Landnahme um der Rohstoffe willen. Mit
der Einsicht, daß es viel effizienter ist, statt der
Territorien die Märkte zu beherrschen, folgte
die „Landnahme der Märkte“. Nun erstreckt
sich die Landnahme auf ganz andere „Territorien“, nämlich auf Felder von Forschung und
Entwicklung, die von großen Konzernen durch
Patente geradezu besetzt werden. Hier, so
meint der technologische Fortschrittsglaube,
besteht Aussicht auf unbegrenztes Wachstum.
Neue Produkte sollen neue Märkte schaffen.
Die Kommerzialisierung dringt in nahezu alle
Bereiche vor. Alles soll künstlich, alles soll käuflich werden.
Für neue Produkte aber ist meist der Bedarf
gar nicht vorhanden. Er muß durch immer
aggressivere Werbung erst künstlich erzeugt
werden. Modetrends werden erzeugt, damit
eigentlich noch brauchbare Güter künstlich
veralten. Die wachsende Warenflut erfordert,
wie schon gesagt, wachsende Massenkaufkraft.
Steigende Arbeitskosten bei eher sinkenden
Rohstoffkosten führten zur ständigen Steigerung der Arbeitsproduktivität, nicht aber zur
ökologisch notwendigen Steigerung der Ressourcen-Produktivität. So verbraucht das reiche Fünftel der Menschheit vier Fünftel ihrer
Ressourcen.
Nun aber scheint das Ende der Fahnenstange
in Sicht zu sein. Es sieht so aus, als ließen sich
die freigesetzten Arbeitskräfte nicht mehr
durch neue Produktionen und Dienstleistungen beschäftigen. Selbst wenn es gelänge, die
Massenarbeitslosigkeit durch Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich und mehr Teilzeitarbeit abzubauen, so steigerte dies die Massenkaufkraft doch nicht. Die trotzdem steigende
Produktion kann nur im Ausland abgesetzt
werden. In der Tat erhofft man eine
Konjunkturerholung in Deutschland ausschließlich von der Auslandsnachfrage aus. Das
ist kein Ausweg aus der strukturellen Krise. Die
endgültigen Grenzen des Wachstums sind die
ökologischen und sozialen Stabilitätsgrenzen
der Biosphäre. In Deutschland wären die ökologischen Belastungsgrenzen längst überschritten, wenn nicht noch immer Entropieexport
möglich wäre. Bliebe beispielsweise das in
Deutschland erzeugte CO2 im Lande, wären wir
schon daran erstickt.
Auch Biedenkopf erkennt, daß das System der
Sozialen Marktwirtschaft nur als Wachstumsmodell möglich ist 2 . Der vom Wirtschaftswachstum ausgehenden Res-sourcen- und
Naturverbrauch veranlaßt Hans Mohr, Mitglied
der baden-württembergischen Akademie für
Technikfolgenabschätzung zu der Feststellung:
„Unsere Ökonomie ist nicht nachhaltig. Das
derzeit praktizierte Wirtschaftsmodell ist nicht
zukunftsfähig. „ 3
4.
Enteignung, Zueignung und Aneignung im Prozeß der Wiedervereinigung
Deutschlands
Ein einzigartiges Beispiel großer Tragweite für
die konstitutive Rolle der Rechtsordnung für
den Begriff des Eigentums und die Herstellung von Eigentumsverhältnissen ist die Wiedervereinigung Deutschlands durch den Anschluß der DDR an die Bundesrepublik. Es
bedarf keiner näheren Erläuterung, daß zwischen der DDR und der BRD tiefgreifende
Unterschiede in der Rechtsauffassung, der Verteilung und der ökonomischen Rolle des Eigentums bestanden.
Es ist wohlbekannt, daß über das Produktionsvermögen (Sachkapital) der DDR, in dem die
Arbeit von Millionen Menschen steckte, in
zentralistischer Weise von der Politbürokratie
verfügt wurde. Das Geldsystem der DDR war
ein völlig anderes als im Westen. Der Geldumlauf verlief im wesentlichen „nach Plan“,
nur bei Abweichungen spielten Kredit und Zins
eine vergleichsweise geringe Rolle. Bargeldeinnahmen der Geschäfte mußten täglich auf
zentral verwaltete Konten eingezahlt werden.
Die eigentliche Schwäche des staatssozialistischen Wirtschaftssystems aber war
nicht seine Geldordnung, sondern die zentralistisch-politbürokratische Organisationsform
(„Kommandowirtschaft“), die auf der Verstaatlichung aller Produktionstnittel beruhte. Jedoch trug auch das Geldsystem der DDRStaatsbank politbürokratische Züge.
Vermögensbildung in privater Hand war im
wesentlichen nur durch die Ansammlung der
Erträge aus eigener Arbeit möglich. Solche
Geldvermögen aber wurden mit Einführung
der Währungsunion halbiert. Die Bildung von
zinstragendem „Eigentum 2“ (Geldkapital,
Grund- und Patentbesitz) in privater Hand war
so gut wie unmöglich.
Es versteht sich von selbst, daß die Rechtsauffassung und die ökonomische Rolle des Eigentums mit dem Untergang der DDR, der ja
wesentlich ökonomisch bedingt war, hinfällig
wurden und daß eine neue Zuordnung und
Neuregelung der Verfügung (= „Eigentum“)
über Produktivvermögen, Immobilien sowie
Grund- und Boden notwendig war. Was bei
dem strukturellen Zusammenbruch der
Rechts- und Wirtschaftsordnung übrig blieb,
das waren die natürlichen Eigentums— und
Verfügungsrechte derer, die in diesem Land 40
Jahre lang gelebt, gelitten und hart gearbeitet
hatten. Für sie hätte eine marktwirtschaftlich
geeignete Rechtsform gefunden werden müssen. In erster Linie hätte das sog. Volkseigentum - eine Rechtskonstruktion der DDR - wirklich Eigentum ihrer Bürger werden müssen, mit
deren Hände Arbeit es, wenn auch von der
SED betrogen, geschaffen worden ist. Dies
sah ein Vorschlag vor, den die Bürgerbewegung
Demokratie Jetzt im Februar 1990 am Runden Tisch machte. Allen Bürgern der DDR
sollte ein gleicher Anteil am Volkseigentum,
das von einer Treuhandanstalt marktwirtschaftlich verwaltet und schließlich bewertet werden
sollte, als Rechtsanspruch zugesprochen werden. Für eine Übertragung von Grundstükken und Wohnhäusern in das Eigentum derer,
die sie bewohnt und erhalten haben hätte
§ 927 des BGB, das die Möglichkeit des Ersitzens einer Immobilie durch dreißigjährige gutgläubige besitzartige Nutzung vorsieht, das
Modell abgeben können. Die Bundesregierung, die seit Februar 1990 das Heft der
Einigungpolitik in der Hand hatte, beachtete
diese elementaren, aus Arbeit und Leben hervorgehenden Eigentums- und Verfügungsrechte nicht. Die zentrale Bedeutung der
Eigentumgsfrage war ihr mit Sicherheit voll
bewußt. Sie aber wollte offenbar in erster Linie das von der SED mit ihrer Enteignungspolitik begangene Sakrileg rückgängig machen,
indem die alten und uralten Eigentumsansprüche ungeachtet der in 40 Jahren erworbenen wiederhergestellt und soweit als möglich
erfüllt werden sollten. Zugleich wurde natürlich die alte Rechts- und Eigentumsordnung,
deren Gültigkeit für 40 Jahre im Gebiet der
DDR unterbrochen war, mit dem Anschluß
der DDR wiederhergestellt. Dementsprechend
war und ist Restitution - Restitution der Besitz- und Rechtsverhältnisse des Eigentums einer der Schlüsselbegriffe des Einigungsvertrages. Er findet seinen Ausdruck in dem viel
zitierten Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“.
Es gelang der Bundesregierung mit ihrer DMVerheißung einer frühestmöglichen Währungsunion nicht nur die Volkskammerwahlen vom
18.04.1990 zu gewinnen, sondern auch jede
besonnene Diskussion so zentraler Fragen wie
der des Eigentums eines ganzen Volkes in den
Hintergrund zu drängen. Der von der Bundesregierung im wesentlichen diktierte Einigungsvertrag enthielt das „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“ als Anhang.
Es konnte (schon aus Zeitgründen) im Parlament nicht diskutiert werden und wurde im
Zusammenhang des ganzen Vertrages kurz vor
dem Ende der DDR von der Volkskammer angenommen. Auch das schon im Juni 1990 von
der Volkskammer beschlossene Gesetz über
die Treuhandanstalt entsprach zweifellos den
Bonner Vorstellungen. Der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ des Einigungsvertrages und seine rechtliche Fassung im „Gesetz
zur Regelung offener Vermögensfragen“ sowie das Gesetz über die Treuhandanstalt, ebenfalls als „fortgeltendes Recht“ bestätigt durch
den Einigungsvertrag, sind die wesentlichen
Grundlagen für einen Vorgang, den man nur
als beispiellose Veruntreuung des „Volkseigentums“ und im Ergebnis als Enteignung
der Ostdeutschen bezeichnen kann. Schon im
Juni 1990, nachdem die Volkskammer das von
Bonn inspirierte Treuhandgesetz beschlossen
hatte, erklärte Günther Nooke, Abgeordneter
des Bündnis 90 und zeitweilig Mitglied des
Treuhand-Verwaltungsrats „Das erste aus demokratischen Wahlen hervorgegangene Parlament gab den Freibrief für die totale Enteignung seiner Bürgerinnen und Bürger. „
Dieser Freibrief des Treuhandgesetzes wurde
in der Tat nach Kräften genutzt, und zwar gegen die Intentionen des deshalb nur fünf Wochen amtierenden ersten Vorstandsvorsitzenden der Treuhand nach der Währungsunion,
Reiner-Maria Gohlke, der sich gegen eine Verschleuderung des Treuhandvermögens zur
Wehr setzte.
Man muß diesen Vorgang natürlich im Zusammenhang sehen mit dem Bonner Beschluß
vom Februar 1990, die Währungsunion zum
frühestmöglichen Zeitpunkt durchzufahren.
Allen Eingeweihten - nur den Wählern der
DDR nicht - war klar, daß dies ein Beschluß
zur Ruinierung des Volksvermögens war, das
in der Tat über Nacht den größten Teil seines
noch im Februar 1990 auf 1 400 Mrd. DM
geschätzten Wertes verlor. Der Darstellung in
den Medien ist es zu verdanken, daß das Volksvermögen der DDR in der öffentlichen Wahrnehmung vollständig reduziert wurde auf die
„maroden Anlagen“, während der den Ökonomen wohlbewußte Wert, der im Grundvermögen, in der Qualifikation und Motivation
der Arbeitenden sowie in den Zuliefer- und
Absatzbeziehungen des Binnenmarktes und
des Außen-, besonders des Osthandels steckte, „übersehen“ wurde. Vor allem letzterer
wurde durch die Währungsunion zerstört, so
daß auch Investitionen zur Erneuerung der
„maroden Anlagen“ nicht mehr ohne weiteres rentabel zu werden versprachen. Deshalb
mußte die Treuhand weiteres immer wieder zuschießen, um zu verhindern, daß am Ende fast
gar keine Arbeitsplätze mehr übrig blieben.
Dennoch wurden im Verlauf ihrer Tätigkeit
drei von vier Arbeitsplätzen vernichtet. Immerhin schätzte Rohwedder auch nach der
Währungsunion das Volksvermögen, das immerhin 60 % des Territoriums der DDR umfaßte, noch immer auf 600 Mrd. DM ein.
Mindestens die Liegenschaften und viele Gebäude haben ja einen unverlierbaren, zum Teil
sogar drastisch steigenden Wert. Die Treuhand
- von vielen als Selbstbedienungsladen der
westdeutschen Industrie charakterisiert, weil
deren Schlüsselpositionen von Managern dieser Industrie besetzt waren - hat es unter Birgit Breuels Führung vermocht, diesen Wert von
600 Mrd. DM auf minus 270 Mrd. DM Schulden herunterzuwirtschaften. Nimmt man die
Schulden des Kreditabwicklungsfonds dazu, so
wird die Abschlußbilanz nahezu 400 Mrd. DM
Schulden erreichen, die die deutschen Steuerzahler zu tragen haben. Wo ist der Differenzbetrag von 1 000 Mrd. DM geblieben’? Man
wird sagen können: Er ist verschenkt und verschleudert und auf diese Weise privatisiert
worden. Ein gewaltiger Ost-West-Vermögenstransfer hat stattgefunden. Die DDR hat ihre
Besitzer gewechselt. Zugleich hat eine
Vermögensumverteilung von unten nach oben
stattgefunden.
Die Steuer- und Versicherungsbeitragszahler
vor allem Westdeutschlands haben nicht nur
diese 400 Mrd.-Zeche zu zahlen. Sie haben
überdies seit 1991 auf noch nicht absehbare
Zeit einen West-Ost-Finanztransfer von 120 150 Mrd. DM jährlich zu leisten, der durch
die Zerstörung eines zuvor sich selbst tragenden Wirtschaftsraums notwendig wurde. Nun
muß er weit überwiegend komsumtiv verwendet werden, um Hungersnot zu vermeiden, und
kann nur zu einem kleinen Teil investiv eingesetzt werden, etwa um „marode Anlagen“ zu
erneuern.
Festzuhalten bleibt, daß dieser Finanztranfer oft als Kosten der deutschen Einheit verschleiert - eine bedeutende Solidaritätsleistung der
westdeutschen Bevölkerung für die ostdeutsche
darstellt.
Das private Haus- und Grundeigentum der
Ostdeutschen ist nicht dem Volksvermögen zuzurechnen. Dieses zum Zeitpunkt der staatlichen Einigung Deutschlands als reales Verfügungsrecht über Häuser und Grundstücke gegebene, aber formalrechtlich entweder nicht
verbriefte oder durch die Stichtagsregelung
zum 18.lo.89 4 bestrittene Eigentumsrecht,
wird durch die Vollstreckung des „Gesetzes zur
Regelung offener Vermögensfragen“ weitgehend beseitigt durch die Rückgabe an Alteigentümer aus dem Westen. Es versteht sich
von selbst, daß diese privatrechtlichen
Eigentumsfragen das tägliche Leben von Millionen Ostdeutschen auf das engste betreffen.
Obwohl dies so ist und obwohl sehr bald klar
wurde, daß dieses Gesetz ein Investitionshindernis erster Ordnung ist, weil „offene
Vermögensfragen“ oft langwieriger gerichtlicher Klärung bedürfen, hielten die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien am
Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ eisern fest. Daraus ist zu schließen, daß er für
sakrosankt gehalten wird.
2,2 Mill. Anträge auf Rückgabe von Immobilien sind an die Ämter für offene Vermögensfragen gestellt worden. Deren Bearbeitung und
eventuelle gerichtliche Klärung wird noch lange Zeit dauern. Aus der bisherigen Entscheidungspraxis dieser Ämter schließt Daniela
Dahn:“5 Mehr als ein Viertel der Ostdeutschen
wird aus ihren Wohnungen, Häusern und
Datschen mit juristischen Mitteln verdrängt
werden. Ein weiteres Viertel wird wahrscheinlich aus finanziellen Gründen die gewohnte
Bleibe aufgeben müssen. Die Hälfte der Ost-
Seite 13
deutschen ist von Vertreibung bedroht. „
Der Rang des „Heiligtums Eigentum“ in westund ostdeutscher Sicht möge schließlich durch
zwei Zitate belegt werden. Klaus Kinkel, damals Justizminister, schrieb am 02.10.91 in der
FAZ: „Mein Bestreben mußte es sein, eine
möglichst weitgehende, an der Wertordnung
des Grundgesetzes orientierte Restitution enteigneter Grundstücke zu erreichen. Daß es
wegen des Widerstandes der Sowjetunion und der in diesem Punkt
harten Position der Regierung der
DDR nicht gelang, den Grundsatz
der Restitution des Eigentums auch
für die in den Jahren 1945-1949
unter sowjetischer Besatzungshoheit erfolgten Enteignungen
durchzusetzen, war für mich als
Verhandlungsführer außerordentlich schmerzlich. „
Lothar de Maiziere, letzter Ministerpräsident der DDR, hingegen sagte gegenüber Daniela Dahn“ . 6 Ich
habe mir nicht vorstellen können,
daß die Eigentumsansprüche mit
solcher Rigorosität und Brutalität
durchgesetzt werden würden. „
5. Die Eigentumsordnung und
die Ziele des Konziliaren Prozesses
Wie gesagt, ist Eigentum wesentlich
eine Frage der Rechtsordnung. Es
gibt ein natürliches Recht auf Eigentum an dem, was der Mensch
zum Leben braucht, und am Ertrag
seiner Arbeit. Eigentum dieser Art
wurde Eigentum 1 genannt. Seine
Quelle ist Arbeit. Es bedarf des
Schutzes der staatlich garantierten
Rechtsordnung. Darüber hinaus
gibt es Eigentum in der Form des
Eigentums 2, das nur den Reichen
als leistungsloses Einkommen automatisch von
den Arbeitenden her zufließt. Es ist rechtlich,
d. h. durch Vertragsverhältnisse konstituiert
und steht ebenfalls unter staatlicher Rechtsgarantie nach Art. 14 GG. Das bedeutet, daß
in unserer Rechtsordnung Reiche von Rechts
wegen reicher und Arme folglich ärmer werden. Eine solche Rechtsordnung kann nicht
gerecht genannt werden. Sie macht die Organe des staatlichen Gewaltmonopols zum Bestandteil struktureller ökonomischer Gewalt,
die sich gegen die Armen richtet, und zwar auf
nationaler wie auf internationaler Ebene. Die
Hoffnung, daß sich diese strukturelle Ungerechtigkeit im Konzept der sog. Sozialen
Marktwirtschaft durch staatlich geregelte Rückverteilung von oben nach unten würde ausgleichen lassen, muß als gescheitert angesehen
werden, ganz zu schweigen davon, daß ein solches Konzept global undurchführbar ist. Eine
Kirche, die sich des biblischen Zinsverbots (2.
Seite 14
Mos. 22,24; Hes. 18,13) erinnert und sich im
Konziliaren Prozeß zur vorrangigen Option für
die Armen bekennt, wird dazu nicht schweigen können.
Weil die Friedlosigkeit unserer Welt wesentlich
durch ökonomische Ungerechtigkeit hervorgerufen wird und diese strukturell bedingt ist,
wird Frieden nicht zu gewinnen sein, wenn es
nicht gelingt, die Zunahme der Kluft zwischen
dem reichen Fünftel und der armen Mehrheit
der Menschheit zu beenden und den Trend
umzukehren. Der Reichtum dieses Fünftels
soll, wie die neue NATO-Strategie befürchten
läßt, militärisch gesichert und, wie die Asyl- und
Einwanderungspolitik der reichen Länder zeigt,
gegen Armutsmigration -abgeschottet werden.
Eine Kirche, die sich die vorrangige Option
für Gewaltlosigkeit zu eigen macht, wird auch
deshalb nicht zur strukturellen Ungerechtigkeit schweigen können.
Die Rechtskonstruktion des sich selbst vermehrenden Reichtums hat, wie gezeigt, auch
den Wachstumszwang des weltweit dominierenden westlichen Wirtschaftssystems zur Folge, der zu globalen Umweltproblemen wie
Ozonloch, Treibhauseffekt und Artensterben
geführt hat. Eine zum Wachstum gezwungene Wirtschaft kann prinzipiell nicht nachhaltig sein. Eine Kirche, die als Grundorientierung in der Schöpfungsveranwortung eine vor-
rangige Option für den Schutz und die Förderung des Lebens vertritt, wird auch aus diesem Grunde zu den strukturellen Ursachen des
die Lebensgrundlagen verzehrenden Wirtschaftswachstums nicht schweigen können.
Sie wird sich der Einsicht nicht verschließen
können, daß die Ziele des Konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung
der Schöpfung in der herrschenden (Welt)Wir tschaftsordnung
nicht erreichbar sind.
Sie wird ebenfalls erkennen müssen, daß sie
durch Kirchensteuern
und Besoldungsordnung
an dieses System gekoppelt ist und in der Position des reichen Jünglings verharrt, so lange
sie nicht Schritte der Abkopplung unternimmt.
Die wundersame Selbstvermehrungsfähigkeit
von Geldvermögen in
der seit der Antike bestehenden Rechtsordnung ist es, die das Geld
von einem neutralen
Wertäquivalent zum
Zweck des indirekten
Warentauschs
zum
Mammon, zum Götzen
macht, der alles in seinen
Bann zieht und immer
mehr Bereiche menschlichen Zusammenlebens
bis in seinen Kern hinein durchdringt. Der
Mammon ist tabu, wie es
einem Heiligtum zukommt. Die EKDDenkschrift „Gemeinwohl und Eigennutz“
beachtet es mit Sorgfalt. Die westliche Welt
aber - so sehen es ostdeutsche Christen - betet ihn an 7 . Sie sehen darin den eigentlichen
Atheismus, die eigentliche Gottlosigkeit unserer Zeit! Das ist eine Erfahrung, die sie nach
dem Untergang der atheistischen Staatsdoktrin
gemacht haben.
Hans-Jürgen Fischbeck
Dieter Hesselberger: „Das Grundgesetz - Kommentar für die politische Bildung“, 5. Aufl., Luchterhand 1988, S. 137
2
Festvortrag auf der 56. Physikertagung 1992 in Berlin, Phys. Bl. Juli/Aug.
1992
3
Vortrag auf dem Dortmunder Kongreß „Wissenschaft in der Verantwortung - Politik in der Herausforderung“, Tagungsband „Fortschritt wohin?“ , Agenda-Verlag 1994, S. 64
4
Nach dem 18.10.1989 (Rücktritt Honeckers) abgeschlossene Kaufverträge
werden nicht als „redlicher Erwerb“ anerkannt.
5
Daniela Dahn: „Wir bleiben hier oder Wem gehört der Osten“, rororo aktuell
1994, S. 20
6
Ebenda S. 171
7
„Eine Hoffnung steht wieder auf“ - Texte und Materialien der 2. Konsultation des Initiativkreises „Fortsetzung des Konziliaren Prozesses“, Magdeburg,
22.-24.10.93, Brief an die Gemeinden zu Fragen der wirtschaftlichen
Entwicklung.In einem Vortrag von Richard Scherer vor Mitarbeiterin der mecklenburgischen Landeskirche heißt es: „Das Geld ist die dem Markt entsprechende Form der Anbetung“. Aus „Götze Geld und die neue Armut“, Texte von
unten 3, Verlag Beate Christmann, Ilsede 1994.
1
Geldcrash- Retten Sie Ihr Vermögen
„Der Leitzins ist reine Psychologie“
Helmut Creutz, Mitbegründer der Grünen,Wirtschaftsanalytiker und Autor des Buches „DasGeldsyndrom“, erklärt, warum die
Banken die sinkenden Zinsen der Zentralbank (EZB) nicht an ihre Kunden weitergeben.Jedenfalls nicht aus reiner Raffgier
Interview KATHARINA KOUFEN
taz: Herr Creutz, den Banken wird vorgeworfen, sie gäben die Zinssenkungen der
Zentralbank nicht weiter. Müssten sie das
überhaupt?
Nein - denn der Leitzins der EZB und die Zinsen der Banken haben nichts miteinander zu
tun. Die Leitzinsen gelten für den Geldmarkt,
wo Zentralbanken und Geschäftsbanken handeln. Und die Spar- und Kreditzinsen der Banken betreffen den Kreditmarkt. Dort handeln
die Banken mit ihren Kunden.
Wie wird die Höhe der Spar- und Kreditzinsen denn dann bestimmt?
Durch drei verschiedene Interessen: Das der
Sparer, die hohe Zinsen wollen. Das der Kreditnehmer, die niedrige Zinsen wollen, und das
der Banken, die eine ausreichende Marge zwischen diesen beiden Zinshöhen wollen.
Warum empfehlen Experten dann, dass die
EZB die Zinsen senken soll, um die Konjunktur anzukurbeln?
Das hat mit Hoffnung zu tun. Das ist reine
Psychologie. Eine Senkung der Leitzinsen ist
ein Signal - mehr nicht.
Aber die amerikanische Zentralbank hat
ihren Leitzins seit 2001 um mehr als 5 Prozentpunkte gesenkt und so angeblich einen schlimmeren Konjunktureinbruch verhindert.
Angeblich! Wie gesagt: Manchmal wirkt die
Zinssenkung als Symbol. Wir hatten schon Jahre, 1992/93 zum Beispiel, da hat die Bundes-
bank die Leitzinsen erhöht und die
Kapitalmarktzinsen sind gesunken.
Trotzdem: Wenn es für die Banken billiger
wird, sich bei der Zentralbank Geld zu leihen, können sie diese Ersparnisse an die
Kunden weitergeben.
Das tun sie ja normalerweise auch im Zuge des
Konkurrenzkampfs zwischen den Banken.
Aber da der Kreditmarkt etwa 50 bis 100 Mal
größer ist als der Geldmarkt, würde sich eine
Zinssenkung von einem Prozentpunkt des
Leitzins rein rechnerisch auf den Kreditmarkt
nur als Senkung von ein bis zwei hunderstel
Prozentpunkten auswirken - wäre also völlig
belanglos.
Und warum tun die Banken jetzt selbst das
nicht?
Die Banken müssen Filialen schließen und
Leute entlassen, weil sie die Kreditausfälle aufgrund von Firmenpleiten und Verlusten an der
Börse kaum mehr verkraften können. Und sie
kommen wegen der hohen Konkurrenz immer mehr unter die Räder. Ursprünglich galten Margen von knapp zwei Prozent - bis Anfang der Neunzigerjahre. Inzwischen ist die
Marge, also die Differenz zwischen Einnahmen aus Kreditzinsen und Ausgaben für Zinsen auf Sparguthaben, auf unter 1,2 Prozent
gesunken.
Das von Ministerin Künast und anderen
Verbraucherschützern betriebene BankenBashing ist also nicht berechtigt?
Nein. Es wäre trotzdem ein toller Erfolg, wenn
man dadurch die Banken zu Zinssenkungen
bringen würde, aber das geht nicht.
Da kann man nichts tun?
Nur wenn die Sparer bereit sind, ihr Geld für
weniger Zinsen an die Banken zu geben, sinkt
der Kreditzins. Aber der Guthabenzins hat
bereits die Untergrenze erreicht. Wenn er noch
weiter absinkt, legen die Menschen ihr Geld
gar nicht mehr an, sondern halten es zu Hause
oder auf dem Girokonto. Das aber würgt die
Konjunktur endgültig ab.
Also sind zu niedrige Zinsen gefährlich?
Im Gegenteil, sie wären eine Rettung! Aber nur,
wenn man die Menschen dann daran hindert,
ihr Geld zu Hause oder auf dem Girokonto
zu halten. Zum Beispiel durch eine Abgabe auf
Girokonten. Hohe Zinsen sind aber tödlich für
die Volkswirtschaft.
Warum?
Die Banken zahlen heute bereits fast eine Milliarde Euro täglich an die Geldgeber, und bei
höheren Zinsen explodiert diese Summe förmlich. Die Zinszahlungen vermehren das Geld-
vermögen vor allem der Reichen.
Hohe Zinsen fördern also die Umverteilung nach oben?
Alle Zinsen tun das. Denn wenn aus dem Kuchen des Volkseinkommens das Geldvermögen jedes Jahr ein größeres Stück herausschneidet, dann wird der Rest immer kleiner.
Einkommen aus Arbeit ...
... und um diesen Rest streiten Gewerkschaften und Arbeitnehmer. Das Kapitaleinkommen
bleibt unangetastet. Hinzu kommt, dass die
Kreditzinsen, die Unternehmen an die Banken zurückzahlen müssen, die gesamte Volkswirtschaft belasten, denn die Kosten werden
an die Verbraucher weitergegeben. 2001 waren es 380 Milliarden Euro - das entspricht 66
Prozent aller Nettolöhne. Oder 130 Prozent
des Bundeshaushalts. Darüber spricht kein
Mensch - aber über die drei oder fünf Milliarden Euro, die im Gesundheitsetat fehlen, wird
wochenlang diskutiert.
taz Nr. 7116 vom 29.7.2003, Seite 7
GLÜCKWUNSCH
Auch wenn schon wieder ein paar Monate ins Land gegangen sind, möchten wir es nicht versäumen, Dir, lieber
Helmut Creutz, nachträglich unseren
herzlichen Glückwunsch zu Deinem
achtzigsten Geburtstag auszusprechen.
Wir wünschen Dir und uns, dass die
Freiwirtschaft, für die Du Dich in den
letzten Jahrzehnten so engagiert eingesetzt hast, in naher Zukunft endlich
an Boden gewinnt und in immer größerem Maßstab umgesetzt wird.
An erster Stelle für Dich selbst !, aber
auch, um unser gemeinsames Anliegen
mit
Deinen
fundierten
Artikeln,Vorträgen und Interviews weiter tatkräftig voran zu treiben, wünschen wir Dir stets einen
ordentlichenÜberschuss an Gesundheit und Energie.
Das „ALTERNATIVEN“-Team
Seite 15
Den Zins abschaffen oder marktgerechte
Zinsen?
Vertretern der Freiwirtschaftstheorie und ihrem Begründer Silvio Gesell wird häufig nachgesagt, sie wollten den Zins abschaffen, beseitigen oder ausmerzen. Dieses Missverständnis
ließ sich bisher nicht ausrotten. Statt einer
Abschaffung des Zinses werden auf Dauer
marktgerechte Zinsen angestrebt.
Wer sich nicht näher mit der Freiwirtschaftstheorie befasst, mag aufgrund grob
vereinfachender Darstellungen, wie sie über gut
hundert Jahre verbreitet worden sind, den Eindruck gewinnen, es gehe um eine völlige Abschaffung des Zinses. Der Zins solle in einem
Meer von Kapital ersaufen, lautet zum Beispiel
eine verbreitete Formulierung Gesells, ein Beispiel für seinen bisweilen „absichtlich volkstümlich derben, ironischen Stil“, wie der Soziologe Franz Oppenheimer die Ausdrucksweise Gesells bezeichnet hat.1 Also keinerlei Überlebenschance für den Zins?
Nimmt man Gesells Zins-, Kapital- und
Konjunkturtheorie sowie sein Geamtkonzept
für eine natürliche Wirtschaftsordnung (NWO)
näher in den Blick: Die NWO ist eine marktwirtschaftliche Ordnung, eine wirklich freie
Wirtschaftsordnung, in der – im Unterschied
zur heutigen Marktwirtschaft – gesamtwirtschaftlich ein Gleichgewicht erreicht wird.
Gleichgewichte in einer liberalen Ordnung sind
labil. Daher ist kein starrer Nullzins zu erwarten.
Mehrere Zinsbestandteile
Und was heißt überhaupt „der“ Zins? Besteht
er nicht aus mehreren Teilen? Und gibt es nicht
unterschiedliche Zinsarten? Zum Beispiel den
Geldkapitalzins (Kreditzins), den Real- oder
Sachkapitalzins und den Bodenzins, die Bodenrente. Beim Kreditzins sind zu unterscheiden:
1. Die Bankmarge: Sie umfasst Sach- und Personalkosten, einen Betrag für die Dienstleistung
der Bank und eine Risikoprämie, deren Höhe
von den Sicherheiten abhängt, die ein Schuldner zu bieten hat. Diese Zinsbestandteile sind
selbstverständlich auch in einer NWO nicht aus
der Welt.
2. Inflationsausgleich, ein Ausgleich für Geldentwertung. Er entfällt, wenn die in der NWO gewährleistete Stabilisierung der Währung (NullInflation) realisiert wird. (Der Zins ist hier als
Mittel zur Inflationsbekämpfung entbehrlich.)
3. Der Grundzins. Gesell sprach vom Urzins.
Er entspricht der Liquiditätsprämie (J.M. Keynes)
oder der Liquiditätsverzichtsprämie (Dieter Suhr):
Der Geldverleiher verzichtet darauf, „flüssig“,
in jedem Moment zahlungsfähig zu sein und
fordert dafür Zins.
4. Der Zinsgewinn, der Betrag, der über die Summe
Seite 16
der anderen Bestandteile hinausgeht, auch Realzins Kapitalvermehrung (immer größeres Kapitalgenannt, der tatsächliche Gewinn des Sparers.
angebot) und ständiger Gütervermehrung und
zunehmender Bedarfsdeckung (relativer RückAllmählicher Prozess der
gang der Nachfrage) die Zinsen tendentiell
Zinssenkung
gegen null, eine ganz natürliche Entwicklung,
Um die unter Punkt 3 und 4 aufgeführten Bestandteile geht es, wenn in der freiwirtschaftlichen Literatur vom Abbau des
Zinses die Rede ist. Und dieser Vorgang ist ein
allmählicher Prozess. Gesell wollte offenbar
schon früh einem verbreiteten Vorurteil entgegenwirken, als er 1919 in München in einem
Flugblatt u.a. verkündete: „...dass die Senkung
des Zinsfußes unter der absoluten Währung
nichts Willkürliches, sondern das Produkt einer natürlichen Entwicklung ist...“ Und von einer „Abschaffung“ etwa durch zinsbeschränkende Verordnungen oder gar durch
Zinsverbote sei nicht die Rede.2 Der Schöpfer
des NWO-Konzeptes sah mit J.P. Proudhon
den Mehrwert, den Zins, als Produkt eines
wirtschaftlichen Zustandes, eines von Angebot und Nachfrage beherrschten Marktverhältnisses. Reformen im Geldwesen und des
Bodenrechts sollen die Arbeiter (dazu zählen
auch die arbeitenden Unternehmer) in die Lage
versetzen, „durch ihre Arbeit die Marktverhältnisse in kürzester Zeit (10 – 20 Jahre) für das
Kapital so zu gestalten, dass der Mehrwert restlos verschwindet und die Produktionsmittel die
Kapitaleigenschaft einbüssen“, d.h. keinen
Zinsgewinn mehr abwerfen.
In der Tat sinken im Laufe einer längeren
Wirtschaftswachstumsphase bei ständiger
wie sie auch J.M. Keynes in Betracht gezogen
hat.3 „Die“ Zinsen?- Ja, das betrifft, wie im Zitat angesprochen, sowohl den Geldkapitalzins
als auch den Real-oder Sachkapitalzins (als
Bestandteil des Unternehmergewinns), auch
Sachkapitalrente genannt, die der Unternehmer mit dem Einsatz seines Realkapitals (z.B.
Maschinen) erwirtschaftet.
Absichernde Maßnahmen
Im traditionellen Geldwesen können sich Geld
und Finanzkapital dem Marktgeschehen entziehen und so den Zinssenkungsprozess beenden, bevor der Wert null erreicht ist. Um
dies zu verhindern, schlägt Gesell eine Umlaufsicherung des Geldes vor, die Erhebung
von Gebühren, einer Art Parkgebühr für spekulative Geldzurückhaltung. Somit soll die
Konjunktur auf Dauer stabilisiert, der
Zinssenkungsprozess sich kontinuierlich fortsetzen können und der Zins künftig ausnahmslos von Angebot und Nachfrage bestimmt
werden.4 Wie lange jener Prozess andauert,
hängt ab von der Höhe des Zinsniveaus im
Zeitpunkt der Einführung jener Maßnahmen
und vom Tempo der weiteren Kapitalvermehrung und Bedarfsdeckung. Bei der heute in den reichen Ländern bereits geschaffenen Kapitalfülle dürfte diese Phase recht kurz
sein.
Eine weitere Voraussetzung, die nach den Erfahrungen mit dem nach 1945 praktizierten
Staatsinterventionismus zu bedenken ist: Die
Nachfrage nach Kapital darf nicht mehr durch
Interventionen des Staates und wachsende
Staatsverschuldungen quasi künstlich gesteigert
werden. Zu bedenken ist auch der häufig erhobene Einwand „Kapitalabwanderung“: Würde die Erhebung jener „Parkgebühren“ nicht
dazu führen, dass größere Kapitalsummen in
andere Währungsräume transferiert werden?
Die Meinungen in dieser Frage waren und sind
in der Freiwirtschaftsbewegung geteilt.5 Auf
das Für und Wider kann in diesem Rahmen
nicht eingegangen werden. Für den Fall drohender Kapitalflucht hat Prof. Felix G. Binn,
der frühere 1. Vorsitzende der Sozialwissenschaftlichen Gesellschaft, eine „Kapitaltransferschleuse“ vorgeschlagen.6 Die Einführung
von Kapitalverkehrskontrollen hat sich auch
die Europäische Union im Vertrag von Maastricht vorbehalten!
Kein starrer Nullzins
Wenn die Zinsen den Wert null erreicht haben, werden sie keinesfalls unbeweglich dort
verharren. Kurzfristig könnten sie sich ab und
an wieder im positiven Bereich bewegen, wenn
zum Beispiel größere Nachfrage entsteht im
Falle technischer Neuerungen, nach Schaffung
neuer Kapitalarten. Schon Ernst Winkler hat
in seinem anspruchsvollen Buch „Theorie der
natürlichen Wirtschaftsordnung“ (1952) auf
diese Möglichkeit hingewiesen (S. 148 u.155).
Er schreibt in dem Zusammenhang: „Die vorübergehende Rente für neu geschaffene
Kapitalarten kann, wenn nicht als ausgesprochenes Arbeitseinkommen, so zum wenigsten
als gerechte und zweckmäßige Sonderprämie
für besondere Leistungen angesehen werden.“
In derartigen Fällen bewirken Konkurrenz und
schnelle Bedarfsdeckung, dass der Zins alsbald
wieder auf null gedrückt wird. Infolge sehr
großen Kapitalangebotes und relativ hoher
Marktsättigung könnte das Zinsniveau bei
nachlassender Wirtschaftsleistung vorübergehend auch unter null rutschen. Aber das könnte
im Einzelfall - je nach Art der technischen
Durchführung der Umlaufsicherung - immer
noch billiger sein als die Zahlung von „Parkgebühren“ für Geldzurückhaltung. Durchweg
dürfte man es - entsprechend der Dynamik
und dem labilen Gleichgewicht eines wirklich
freien Marktes – mit einem eng um den Wert
null pendelnden Zins zu tun haben.
gegen Pachtgebühren, die der Allgemeinheit
zufließen. Die Bodenrente verschwindet also
eigentlich nicht. Sie fließt in Form der Pachtgebühren in die Staatskasse zur Verteilung an
die Bevölkerung. Von einer Abschaffung des
Zinses kann auch hier keine Rede sein. Auf
die vorrangige Bedeutung des Bodenreformgedankens, der heute oft in den Hintergrund
tritt, sei hier besonders hingewiesen. Was geschieht, wenn ohne Änderung des geltenden
Bodenrechts nach Durchführung der Geldreform Realkapital- und Geldkapitalzinsen auf
null gesunken sind, abgesehen von Bankgebühren und Risikoprämien? Bodeneigentum
bleibt als einzige Quelle gegenleistungsloser
Einkommen übrig. Ein Run auf Grundstücke
würde einsetzen und Bodenpreise und Mieten
in extreme Höhen treiben. Ohne Bodenreform
macht eine Geldreform keinen Sinn. Eine
Umgestaltung des Bodenrechts wäre der erste
entscheidende Schritt zu einer Ordnung mit
natürlichem wirtschaftlichen Gleichgewicht, in
der eine Geldreform dauerhaft marktgerechte
Zinsen ermöglichen würde
Anmerkungen:
1) Franz Oppenheimer: Freiland-Freigeld. Kritik der Geld- und
Krisentheorie Silvio Gesells. In:
Zeitschrift für schweizerische
Statistik und Volkswirtschaft. 1935, III, S. 337.
2) Silvio Gesell, Gesammelte Werke, Bd. 10, S. 270.
3) J.M. Keynes: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses
und des Geldes. 1936, S. 316 f.
4) Näheres sowie über neuzeitliche Vorschläge für erweiterte Maßnahmen siehe revolution Nr. 8, Mai 2002, S. 9 f.
5) Theophil Christen (Mitarbeiter Gesells): Währung, Zins und
Lohn. 1920, S. 11f.
Ders.: Die Währungsfrage. 1922, S. 69f.
Helmut Creutz: Kapitalflucht – was heißt das eigentlich? In: DER
DRITTE WEG,
Mai 1995.
Dirk Löhr: Kapitalflucht. In: Zeitschrift für Sozialökonomie,
108. Folge, März 1996.
6) Prof. Felix G. Binn: die Rolle des Kapitals bei der Wirtschaftswachstums- und Umweltproblematik. In: Werner Onken (Hrsg.):
Perspektiven einer ökologischen Ökonomie.1983, S. 42, Anm. 14.
7) Der bisweilen verwendete Begriff Staatseigentum trifft formalrechtlich nicht zu, weil auch der Staat den Boden weder verkaufen
noch verpfänden soll, was Eigentümern erlaubt ist, nicht aber Besitzern.
Josef Hüwe
Bodenzins
Abschließend ist noch auf die Bodenrente
(Bodenzins) einzugehen. Soll sie abgeschafft
werden? Die natürliche Wirtschaftsordnung
nach Gesell sieht kein Eigentum am Boden vor,
sondern Staatsbesitz7 und private Nutzung
Seite 17
Robinson und das Geld
Der Einfluss des Geldes im täglichen Leben !
Robinson lebt mit einem Eingeborenen auf
einer größeren Insel. Er hat sich gerade diverse Vorräte in Form von Nahrungsmitteln, Kleidung und Werkzeugen angelegt, weil er Sicherheit bei Krankheiten und für das Alter haben
möchte. Da strandet ein Fremdling auf der
Insel, dessen Boot an den Inselklippen zerschellt war. Er konnte leider nur noch sein
nacktes Leben retten und steht vollkommen
mittellos vor Robinson. Der Fremde bittet nun
Robinson, ihm Getreide, Kleider und Werkzeuge zu leihen, um leichter überleben zu können auf der Insel, die groß genug ist für einen
weiteren Bewohner. Er beteuert aber sogleich,
dass er auf keinen Fall Zinsen zahlen möchte,
sonst würde er sich doch lieber von Fischfang
und Jagd, sowie Kräutern und Beeren ernähren. Aus welchem Grund sollte wohl Robinson
seine mühsam erarbeiteten Vorräte einem mittellosen Fremdling zinslos überlassen?
Der Fremde sprach zu ihm: Ich bin hungrig
und du hast Getreide im Überfluss, ich bin
nackt und du hast Kleider im Überfluss. Wenn
du mir deine Vorräte leihst, dann bekommst
du von mir später die gleiche Menge, gleichwertige, neue Waren zurück. Robinson antwortet:
Na und, was habe ich davon, außer dem guten
Gefühl humanitär gehandelt zu haben?
Dein Vorrat wird laufend von Motten, Mäusen, Rost und Schimmelpilzen bedroht und du
brauchst zusätzliche Zeit für Konservierung
und Pflege, um die Verluste in Grenzen zu
halten. Außerdem musst du deine Lagerräume
vergrößern, falls du noch mehr lagern möchtest. Dies alles kannst du dir sparen, sagte der
Schiffbrüchige, wenn du mir deine Vorräte
leihst. Du bist schlagartig die Sorgen um deine
Lagerungsverluste los und mir hast du aus meiner momentanen Bedrängnis geholfen! Wenn
ich es recht bedenke, erwidert Robinson, hast
du recht Fremder, es ist mir lieber neue Kleider und frische Nahrungsmittel von dir zurückzubekommen, als die Unsicherheit der Verderbnis und die zusätzliche Pflege während der
Lagerung auf mich zu nehmen, außerdem spare ich den Lagerraumausbau. Ich willige ein!
Diese Geschichte zeigt die klassische Situation
des Tauschhandels. Wenn nun das Geld, das
zur Erleichterung desselben erfunden wurde,
zwischengeschaltet wird, geschieht etwas Merkwürdiges. Das Geld an sich ist keine Ware, sondern stellt nur den Gegenwert derselben dar
und ist im Unterschied dazu nicht dem
Schwund oder Verfall preisgegeben. Es ist ohne
großen Aufwand unbegrenzt lagerfähig. Dieser Umstand, beziehungsweise kleine Vorteil,
verleiht dem Geld seine allseits bekannte
Machtstellung. Die Argumente des Fremdlings
(siehe oben) sind plötzlich wertlos und
Seite 18
Robinson wäre nicht zu überzeugen gewesen,
sein „Kapital“ in Form von Geld zinslos herauszugeben. Er hätte mit Geld die Möglichkeit gehabt, Zinsen zu erpressen. In diesem
Fall müsste der Fremde mehr erarbeiten als er
erhalten hat, um das Geborgte plus Zinsen an
Robinson zurückzugeben. Wäre der Fremdling auf einer Insel gestandet, auf der das uns
bekannte Geldsystem „herrscht“, hätte er niemals, ohne Zinsen zu zahlen, an die dringend
benötigten Waren kommen können, es sei denn
jemand schenkte oder spendete ihm etwas!
Ein Beispiel von heute soll das noch einmal
verdeutlichen. Zwei Nachbarn helfen sich gegenseitig beim Hausbau. Der 1. Helfer leistet
500 Stunden Nachbarschaftshilfe im Wert von
20.000 € (500 Std. × 40 € / Std.). Nach 10 Jahren baut der andere Nachbar (1.Helfer) und
bekommt die 500 Stunden zurück. Der Wert
beträgt nun 20.000 € plus Inflationsausgleich
von durchschnittlich 3% jährlich. Das sind rund
26.880 €. Diese Summe geteilt durch 500 Stunden Hilfeleistung entspricht einem Wert von
53,76 € pro Stunde. Hätte der 1. Helfer nicht
seine Arbeitskraft, sondern 20.000 € als Geldbetrag zur Verfügung gestellt (geliehen), würden nach 10 Jahren, bei 6% Verzinsung, 35.817
€ fällig. Dieser Betrag durch 53,76 € pro Stunde geteilt ergibt eine zu erbringende Arbeitsleistung von 666 Stunden für das verzinste
Kapital!
Was würde der Nachbar, der zuerst gebaut hat
dazu sagen, wenn nun inflationsbereinigt 666
Arbeitsstunden Hilfeleistung von ihm verlangt
würden, wenn also Arbeitszeit wie Geld verzinst zurückzugeben wäre? Warum wird bei
Geldgaben von leihen gesprochen und bei direkter Hilfeleistung in Form von Arbeit nicht?
Die 20.000 € wurden auch erarbeitet, nur eben
nicht am Bau des Nachbarn, sondern wahrscheinlich am eigenen Arbeitsplatz im erlernten Beruf. Warum hat die Arbeit, wenn sie in
Geld umgewandelt ist, plötzlich einen ganz
anderen Stellenwert? Der Ursprung ist jedenfalls der gleiche, nämlich die erbrachte Arbeitsleistung! Die 35.817 € wären jedenfalls ohne
Murren beglichen worden.
In der Regel borgt man sich das Geld ja auch
nicht vom Nachbarn, sondern vermittelt durch
die Bank, von einem oder mehreren anonymen Geldanlegern. Vielleicht ist ja der Nachbar zufällig darunter. Man weiß es nur halt
nicht, da dies das Geheimnis der vermittelnden Bank bleibt. Der erste Hausbauer hätte
seinem helfenden Nachbarn auch einen
Schuldschein über den Wert seiner geleisteten
Arbeit geben können. Er würde dann diesem
direkt den Gegenwert in Höhe des Schuldscheines, in einem festgelegten Zeitrahmen
zurückerstatten müssen. Falls er aber die
Schuldscheinbegleichung an einen anderen
weitergibt, der ihm selbst den gleichen Betrag
schuldet, muss dieser dann den Schuldscheinbetrag stellvertretend für ihn an den helfenden Nachbarn zahlen. Nichts anderes ist eigentlich Geld! Geld ist ein gesellschaftlich anerkannter, kollektiver Schuldschein für bereits
geleistete Arbeit. Der Anspruch hieraus richtet sich nicht gegen einen Einzelnen, sondern
gegen die im Währungsgebiet ansässige Gesellschaft oder den Staat. Es wird garantiert,
dass die mit Geld bezahlte Arbeitsleistung überall im Währungsgebiet und darüber hinaus auch
bei denen, die die Währung anerkennen, gegen andere Arbeitsleistungen eingetauscht
werden kann, solange die Zentralbanken dessen Gültigkeit nicht widerrufen. Für die Deutsche Mark war der Währungsraum Deutschland, für den Euro sind es die, an der
Währungsgemeinschaft teilnehmenden europäischen Staaten.
Für die Hilfe des Nachbarn kann sich dieser
bei Bezahlung mit Geld seinen „Schuldscheinanspruch“ beim Autohändler in der nächsten
Stadt, beim Metzger um die Ecke oder im
Urlaubshotel in Übersee, in der Regel nach einem Währungstausch, erstatten lassen. Bei der
Begleichung der Hilfeleistung des einen Nachbarn durch die Hilfeleistung des anderen Nachbarn 10 Jahre später ist der Tausch auch ohne
Geld vollzogen und die Schuld abgegolten. Das
Geld hat den unbestreitbaren Vorteil, dass ich
sofort über vielfältige Tauschmöglichkeiten im
Umfang meiner bescheinigten Arbeitsleistung
frei verfügen kann. Nur Steuern und gut versteckte Zinszahlungen fordern von jedem Bürger einen nicht unerheblichen Tribut an Staat
und Großkapitalbesitzer. Allein der Zinsanteil
in den Steuern, Waren, Dienstleistungen, Mieten u.ä. beträgt im Durchschnitt bereits ca. 40%
(!). Das ist beileibe kein Pappenstil. Warum
schreit keiner auf ? Wer weiß überhaupt wer
uns da abzockt?
Noch einmal zur Klarstellung: Ein Geldschein
ist also nichts anderes als eine allgemein gültige Bescheinigung über die vom Besitzer erbrachte Arbeitsleistung in Form von Waren,
die sich jetzt nicht mehr in seinem Besitz befinden, also verkauft wurden, oder Dienstleistungen die bereits abgeleistet sind. Waren verkörpern somit immer neben ihrem materiellen Wert Arbeitsleistungen, die man entweder
selbst erbracht hat oder geschenkt bekam. In
diesem Falle haben andere dafür arbeiten müssen, genauso wie bei den Zinseinnahmen aus
Kapitalanlagen, den Aktiengewinnen aus Kursvorteilen und Dividenden, sowie den Pachtzinsen und Immobilienrenditen aus
Mietobjekten.
Wachstum, Wachstum über alles
Neues Wirtschaftswachstum Soll Deutschland
wieder auf die Beine bringen, doch niemand
macht sich Gedanken, was das langfristig bedeutet und wie es funktionieren soll.
Mehr Wachstum! Am liebsten 3%, das nennt man
dann „Boom“. Politiker, Wirtschaftler, die Gewerkschaften, „echte“ und „Hobby“-Experten fordern es.
Auf der Strecke bleibt der gesunde Menschenverstand.
Wenn von Wirtschaftswachstum gesprochen
wird, ist immer eine Steigerung des Bruttoinlandsproduktes BIP bzw. des Bruttosozialproduktes (BSP = BIP + Exportüberschüsse) gemeint - auch wenn längst nicht alle
Wachstumsbefürworter sich dessen bewusst
sind. Das BIP gibt in Euro gemessen an, wie
viele Güter und Dienstleistungen wir produzieren. Zur Zeit sind es etwa 24.000 Euro pro
Kopf und Jahr. Bei 3% erwünschtem jährlichem Wachstum (bezogen aufs Vorjahr) wären das 24.720 Euro im Jahr 2004, 25.460 Euro
im Jahr 2005, 26.220 Euro 2006, 27.000 Euro
2007. In etwa 5 Jahren also 3.000 Euro MEHR
als bisher.
Titelillustration der Erstausgabe
Eine Binsenweisheit ist: Ohne Arbeit keine
Ware, das heißt aber ebenso, ohne Arbeit auch
kein Geld! Es muss nur eben nicht immer die
eigene Arbeitsleistung sein, was verschämt verschwiegen wird, z.B. dann, wenn man Sozialhilfe bezieht oder ausschließlich von seinen
Anlage-Zinsen leben kann. Wie gerecht ist das
in einer christlich, solidarischen Leistungsgesellschaft nie mehr arbeiten zu müssen? Einmal Millionär, immer Millionär, auch die Kinder und Kindeskinder, falls man keine gravierenden Fehler macht. Die Zinsgutschriften
aber, werden mit den Schuldzinsen derer, die
sich Geld leihen mussten bezahlt. Somit werden ganz automatisch Reiche immer reicher
und Arme immer zahlreicher.
Daher lautet meine Forderung: Wenn die
Schulden auf alle Bürger umgelegt werden,
sollen auch alle Bürger an den Zinseinnahmen
daraus teilhaben! Da dies besitzrechtlich nicht
geht und die auf Dauer verheerende Exponentialfunktion des Zinses nicht unterbrochen
würde, ist die Umlaufgebühr die einzige mir
bekannte plausible Alternative zur Lösung des
Problems. Vom Gegenteil will ich mich gerne
überzeugen lassen, wenn mir ein weiterer Lösungsvorschlag unterbreitet wird, der ebenfalls
die Auswirkungen der Exponentialfunktion, die
im Zinseszins steckt, unterbindet und gleichzeitig die wirtschaftliche Tätigkeit nicht behindert, aber dennoch die Wirtschaftsgemeinschaft vom Wachstumsdruck befreit, ohne ein
finanzielles Desaster zu hinterlassen.
Karl Ernst Gundlach
Quantitatives und qualitatives
Wachstum
Die Kritiker unbedingtem Wachstums verweisen auf den massiven Ressourcenverbrauch
durch mengenmäßiges (quantitatives) Wachstum und auf die Begrenztheit der Ressourcen
unserer Erde, die Begrenztheit der Zeit der
Menschen, die gleichzeitig dieses Wachstum
produzieren und konsumieren müssen und
auch auf die Begrenztheit der materiellen Bedürfnisse eines sehr großen Teils der Bevölkerung. Und auch darauf, dass ein höheres
Bruttoinlandsprodukt nicht gleichzeitig höhere Lebensqualität darstellen muss.
Die Wachstumsbefürworter verweisen auf
„qualitatives Wachstum“, also auf Wachstum
durch Fortschritt, Weiterentwicklung. Aber
erhöht qualitatives Wachstum allein das BIP?
Nein. Ein Beispiel: Ein Computer, hergestellt
im Jahr 1993, kostete z.B. 3000 DM, also etwa
1500 Euro. Entsprechend ging er mit diesem
Wert ins BIP ein. Ein heutiger Computer ist
Dank qualitativem Wachstum um ein Vielfaches leistungsfähiger, kostet aber auch nur 1500
Euro. Effekt dieses einen betrachteten Computers auf das BIP ist also gleich Null (und
inflationsbereinigt sogar unter Null!). Eine
Wirkung auf das BIP hat dieser Fortschritt
(qualitatives Wachstum) also nur gehabt, weil
neue Märkte erobert wurden und Millionen
neuer Computer gebaut wurden, was aber
Hand in Hand mit quantitativem Wachstum
ging. Nur weil heute ein Vielfaches der Computer von 1993 verkauft werden, schlägt sich
dies auf das BIP nieder. Damit sind wir aber
wieder beim ressourcenverbrauchenden quantitativem Wachstum, welches die Wachstumskritiker bemängeln.
Das gleiche Szenario trifft auf andere Industriezweige zu, wie z.B. die Autoindustrie. Ein
Neuwagen von heute ist technisch mit einem
von vor 10 Jahren kaum mehr vergleichbar,
doch sind die Preise der Autos nicht ähnlich
gestiegen. Wenn aber die Preise gleich bleiben,
muss ein mengenmäßiges Wachstum erfolgen,
um Auswirkungen auf das BIP zu haben. Denn
nur mit real gesteigertem Umsatz steigert man
das BIP - was ja Sinn unseres Wirtschaftswachstums sein soll.
In den letzten 10 Jahren sind neue Märkte entstanden, die vorher nie denkbar waren: Die
Bedienung dieser riesigen Märkte für Elektronik (Computer, Handys, Computerzubehör,
Software, Internet usw.) führte zu einer riesigen Steigerung des BIP, verbrauchte aufgrund
ihrer materiellen Eigenschaften aber Ressourcen in ungeheurem Ausmaß. Und was das
Wichtigste ist: Sie ersetzten keine bedeutenden alten Märkte, deren Verschwinden ja das
BIP geschmälert hätte. Die Elektronikmärkte
sind jetzt nahezu gesättigt, fast jeder Haushalt
hat Computer und Handy, selbst DVD-Player
gehören fast zur Standardausstattung.
Wachstum! Wachstum bedeutet nicht, dass wir
das Gleiche kaufen wie letztes Jahr, sondern
es bedeutet, dass wir MEHR kaufen müssen
als letztes Jahr. Es bedeutet also nicht, dass wir
z.B. alle 3 Jahre unsere Technik ERSETZEN,
sondern dass wir ZUSÄTZLICH zum Ersatz
konsumieren müssen. Welche Märkte sehen die
Wachstumsbefürworter in der nahen Zukunft
(denn wir wollen ja JETZT mehr Wachstum)
nur ansatzweise in ähnlichem Maße wachsen,
wie die der Elektronikmärkte in den letzten
Jahren?
Das Wachstum immaterieller
Märkte
Das oben genannte Stichwort „DVD-Player“
könnte die Hoffnung auf „kreatives Wachstum“ schüren: „Die Fantasie der Menschen ist
grenzenlos, also wird es immer neue Filme und
Musik geben, die man kaufen und konsumieren kann“. Zum einen gilt auch hier: Um
Wachstum zu produzieren, muss man wertmäßig nicht nur das Gleiche wie im letzten Jahr
kaufen, sondern mehr ausgeben als im letzten
Jahr.
Der Konsum von Musik und Filmen ist aber
mit Zeit verbunden, die man dafür braucht.
Doch während diejenigen, die sich Dank Arbeit solche Dinge finanziell leisten können,
keine Zeit dafür haben, haben die Arbeitslosen zwar die Zeit, aber nicht die finanziellen
Mittel. Zudem konkurrieren „zeitverbrauchende“ Güter miteinander: Wenn
DVD- und Musikmärkte wachsen und mehr
Zeit der Konsumenten in Anspruch nehmen,
müssen Bücher-, Kino-, Fernseh-, Sport- und
Freizeitmärkte schrumpfen, weil der Tag nur
Seite 19
24 Stunden hat. Wie groß wäre saldiert also
die Auswirkung aufs BIP?
Hoffnung auf ein Wachstum dieser Märkte
besteht nur, wenn die Konsumenten mehr Zeit
haben. Bei Rufen nach „Rente erst mit 67“ und
„die Deutschen sollen 1-2 Stunden pro Woche mehr arbeiten“ zur Zeit aber undenkbar.
Neues Wachstum müssen wir uns
leisten können!
Ein weiterer Kritikpunkt am reinen
Wachstumsdenken ist, dass wir, wenn unsere
Wirtschaft im Ganzen um 3% wachsen soll,
nicht nur 3% mehr erarbeiten oder die Produktivität um 3% steigern, sondern auch 3%
mehr verdienen müssen, um unser Wachstum
auch kaufen zu können. Wann gab es die letzten JÄHRLICHEN Einkommenserhöhungen
über alle Branchen und Konsumentengruppen
(Rentner, Staatsangestellte und Arbeitslose eingeschlossen!) um 3%?
Hoffen auf den Export
„Deutschland ist eine Exportnation.“ Wenn
Deutschland mehr exportieren könnte, würde
„das Ausland“ die Steigerung des deutschen
BSP bezahlen. Unsere Erde ist aber (noch?)
ein Binnenmarkt. Was das eine Volk an Exportüberschüssen erwirtschaftet, muss ein anderes durch Importüberschüsse bezahlen. Das
dauernde Handelsbilanzdefizit der USA der
letzten Jahre ist ein Beispiel dafür, trug auf
Seiten der USA aber auch zur immensen Verschuldung bei. Kurz- bis mittelfristig ist solch
ein Szenario also denkbar, langfristig funktioniert es nicht, weil eine Nation, die mehr importiert als exportiert, diese Differenz
(Außenhandelsbilanzdefizit) irgendwie bezahlen muss. Schließlich will der Exporteur seine
Leistung doch bezahlt haben.
Auf der anderen Seite streben die meisten anderen Nationen der Welt ebenfalls Wachstum
an und wollen deshalb ebenso lieber ex- als
importieren. Vielleicht aber sollten die Vertreter der ewigen exponentiellen Wachstumstheorie ja für mehr Entwicklungshilfe in Form
von Hilfe zur Selbsthilfe für die sogenannte
„3. Welt“ eintreten, damit diese sich deutsche
Produkte endlich leisten kann?
Was bedeutet prozentuales
Wirtschaftswachstum?
Das BIP der BRD betrug 1970 inflationsbereinigt ca. 750 Milliarden Euro. Ein Wirtschaftswachstum um 3% zu diesem Zeitpunkt
entspricht also etwa 22,5 Mrd. Euro. Eine Steigerung des BIP um 22,5 Mrd. Euro, entspräche aufgrund des hohen Niveaus aber gerade
mal ca. 1% des heutigen BIP. Um also eine Steigerung um 3% zu erzielen, müsste Deutschland heute auch das Dreifache produzieren, als
1970 für die gleiche Wachstumsrate notwendig gewesen wäre.
ten Tisch - von uns erarbeitet und von uns
bezahlt. Und man zwingt uns als Gemeinschaft
(niemand fragt uns, ob wir wollen! Alternativen werden keine angeboten!) unter Androhung des volkswirtschaftlichen Kollaps, nächstes Jahr einen Teller mehr zu essen - und natürlich zu produzieren und zu bezahlen.
Im übernächsten Jahr wird man uns zwingen,
einen weiteren Teller mehr zu essen, also schon
2 Teller mehr als heute. Doch damit nicht genug. Man wird uns sagen: Weil wir letztes Jahr
einen Teller mehr gegessen haben, müssen wir
noch einen Bissen extra nehmen, denn das
Wachstum des Vorjahres muss selbst mitwachsen. Das ganze nennt man exponentielles
Wachstum und wird von den Wenigsten in Frage gestellt.
Es ist, als würden wir - je mehr wir essen noch mehr Hunger bekommen und entsprechend mehr essen.
Und wenn dieser Teller MEHR des ersten Jahres unserem Wunschwachstum von 3% entspricht, so bedeutet es, dass wir in 23 Jahren
das Doppelte von heute verspeisen (vielleicht
nicht mengen- aber zumindest wertmäßig),
erarbeiten und kaufen müssen. In ca. 94 Jahren das Sechzehnfache von heute und erneute
23 Jahre später das Zweiunddreissigfache, also
64 Billionen Euro im Vergleich zum heutigen
BIP von 2 Billionen Euro. In weniger als 4
Generationen.
Also bei gleichbleibender Bevölkerungszahl
etwa eine dreiviertel Million Euro pro Kopf.
Natürlich inflationsbereinigt. JÄHRLICH!
Oder sagt uns jemand heute, wann wir mit dieser langfristig offensichtlich tödlichen Spirale
aufhören und warum ausgerechnet zu diesem
Zeitpunkt?
Aber langfristiges Denken ist spätestens seit
der Erfindung von Optionsscheinen,
Daytrading und „Wahlkampf“ zu einem Spielfeld für realitätsfremde Träumer verkommen.
Norbert Rost
Die Finanzen müssen
stimmen!
Nicht nur in der Kasse von Hans Eichel,
sondern auch in der Kasse von ALTERNATIVEN, aus der auch die laufende politische Arbeit der Liberalsozialen in den
GRÜNEN und der liberalsozialen AKTION DRITTER WEG – A 3 W finanziert
wird. Alle organisatorischen, redaktionellen, Layout- und Versandarbeiten werden
weiter ehrenamtlich erledigt. Und unsere
liberale Abo-Ordnung, dass jede/r selbst
einschätzt, was sie/er im Rahmen der persönlichen Wirtschaftslage für unsere Arbeit zur Verfügung stellen kann, wollen wir
auch weiter beibehalten. Wir übernehmen
sie auch für die Beitragsordnung von A3 W.
In den letzten Jahren konnte die Zahl der
Abonnenten/Spender deutlich gesteigert
werden. Wir hatten darüber in der letzten
Nummer berichtet. Wer für 2003 noch
nichts überwiesen hat oder noch nicht bestellt hat, sei hiermit daran erinnert, dass
das Jahr in Kürze zu Ende geht. Bitte überprüfen Sie auch, ob Sie für 2002 und frühere Jahre noch Rückstände haben. Unsere Kasse kann sie gut gebrauchen.
Mit der Winternummer (Februar 2004)
versenden wir individuelle Mahnungen.
Das bereitet zusätzliche Verwaltungsarbeit,
die wir gern auf null reduzieren möchten.
Helfen Sie uns bitte dabei, indem Sie Ihr
Konto ausgleichen. Ein Wort auch an langjährige Dauer-Interessenten: Da müssen
wir, wie unser Finanzminister bei den Subventionen, kräftig streichen. Das Mindeste was wir von ihnen erwarten, ist eine
Meldung, dass sie weiter interessiert sind.
Vielleicht reicht es auch für ein Halb-Abo?
Sonderkonto Georg Otto
Nr. 25 00 42 – 303, Postbank Hannover
BLZ: 250 100 30
AKTION Ölalarm in Ecuador
Alarm-Aktion
AKTION Ölalarm in Ecuador
Sarayacu bitten die Welt um Hilfe
Sieben Jahre kämpfen die indigenen Amazonasbewohner vom Volk der Sarayacu
schon gegen das Eindringen von Ölkonzernen auf ihr traditionelles
Stammesgebiet. Jetzt droht ein Militäreinsatz gegen die Ureinwohner. Bitte
protestieren Sie beim Präsidenten von Ecuador unter
Rettet den Regenwald e. V.
http://www.regenwald.org
Friedhofsweg 28
22337 Hamburg
Mit besten Dank und freundlichen Grüßen
Tel. 040 - 4103804
Reinhard Behrend
Langfristig Denken
Fax: 040 - 4500144
Wir Bewohner des Landes, das sich [email protected]
land nennt, sitzen an einem reichlich gedeckwww.regenwald.ORG
Seite 20
Für eine internationale Friedensregelung im
Irak...
... setzen sich die Liberalsozialen in Bündnis
90/Die Grünen in einem Schreiben an den Parteivorstand ein.
Beigelegt wird der Aufsatz „Von der Diktatur
Husseins unter die Diktatur des Dollars“ aus
der gemeinsam mit A 3 W – AKTION DRITTER WEG herausgegebenen Zeitschrift „ALTERNATIVEN“. Dort werden als Kriegsziele des US-Imperialismus genannt: 1. Herrschaft
über den Irak/Nahost als geostrategische
Schaltstelle zu den Kontinenten Afrika, Asien,
Europa, - 2. Ausbau des US-Welt-Ölmonopols,
- 3. Sicherung der Weltherrschaft des Dollars
und Ausschaltung des Euros aus der NahostRegion als Verrechnungseinheit für Öl, - 4.
Steigerung der Profite der Rüstungsindustrie.
Der Blitzsieg
der USA und
Englands ist inzwischen in einen Partisanenkrieg mit vielen
Toten, auch auf
der Seite der Sieger, und mit steigenden Besatzungskosten
übergegangen.
An diesen möchte die Kriegskoalition gern
andere Staaten
auf Basis der alten UN-Resolution beteiligen,
gegen die sie im
März den Krieg
begann, obwohl
die UN-Waffenkontrolleure feststellten, dass es keine Massenvernichtungswaffen im Irak gibt. Sie wurden
auch bis heute nicht vom CIA gefunden, obwohl dieser den letzten Winkel des Landes
durchsuchen kann.
Die USA wollten diesen Krieg um die vier
Hauptkriegsziel zu erreichen. Inzwischen gesteht die US-Regierung ein, die Welt belogen
zu haben und die englische Regierung ist darüber zeitweise ins Straucheln geraten. Rot-grün
und andere Regierungen lehnten ein Beteiligung an diesem Krieg und auch an der Besetzung des Landes ab. Das wird von den Liberalsozialen unterstützt.
Darüber hinaus sollte eine internationale
Untersuchung dieses völkerrechtswidrigen
Krieges klären, dass eine friedliche Lösung im
Irak unter der Regie der Kriegsstaaten nicht
möglich ist. Wenn überhaupt, so ist das Lei-
den der Menschen im Irak nach der Diktatur
Husseins und ihren zahlreichen Verbrechen
und unter den Kriegsfolgen einer völlig zerbombten Infrastruktur nur unter UN-Leitung
zu beenden. Nur sie, nicht die USA und England, die die Verantwortung für weitere tausende Tode und Verletzte dieses Krieges tragen, können die Demokratisierung und den
Wiederaufbau gemeinsam mit den ethnischreligiösen Gruppen des Landes einleiten.
Das geht auf Dauer nur durch Ablösung
der anglo-amerikanischen Kriegs- und
Besatzungs-Truppen durch Friedenskräfte der
UN. Als Kriegsschuldige sind die USA und
England zu Reparationen zu verpflichten und
diesen die Kontrolle über das Irak-Öl zu ent-
ziehen. Dieses sollte vorläufig durch die UN
verwaltet und zum Nutzen der Befriedung der
Region zur Nutzung vergeben werden. Es
könnte der Kern eines künftigen Weltenergieund Rohstoffpools unter UN-Kontrolle werden, das künftig die Rohstoffe dieser Erde zum
Nutzen aller Menschen der Erde verwaltet und
zur Nutzung unter ökologischen, sozialen und
friedenspolitischen Kriterien vergibt. Immer
mehr Kriege in aller Welt wurden in den letzten Jahrzehnten um die Beherrschung und
Aneignung der Weltrohstoffe und um die Kontrolle der Transportmittel (Pipelines) und
Transportwege geführt. Zahlreiche indigene
Völker werden abseits der Weltöffentlichkeit
unter Duldung nationaler Regierungen durch
die Politik transkontinentaler Rohstoffkonzerne ausgerottet und große Teile äußerst
empfindlicher Ökosysteme oft für immer zer-
stört. Einzelheiten dazu in „ALTERNATIVEN“ Nr. 44, „Globalisierung der Energiemärkte“ von Prof. Rolf Bertram und DRITTER WEG der Weltrohstoffordnung.
Wer, wenn nicht die Grünen, hat die moralische Kraft die Weltöffentlichkeit für eine
neue, den Frieden besser garantierende Weltrohstoff-Ordnung zu mobilisieren? Eine internationale Friedensregelung im Irak könnte dafür die Weichen stellen. Die Grünen könnten
dadurch das Vertrauen der Friedensbewegung
und zahlreicher friedensbewegten Menschen
zurückerringen, das sie durch ihre Zustimmung
zu den Kriegen um den Kosovo und um Afghanistan verloren, Ist nicht der Schulterschluss
mit Friedenbewegung viel wichtiger als der
Schulterschluss mit
den für den Krieg
Verantwor tlichen,
um den sich rot-grün
derzeit so sehr bemüht? Sollten diese
Kräfte nicht vielmehr weltöffentlich
isoliert werden?
Wenn dies nicht geschieht, werden sie
nur eingeladen weiter unter dem Deckmantel der Humanität, der Menschenrechte, des Kampfes
gegen den Terrorismus oder der so oft
beschworenen Freiheit (für wen?) ihre
Kriege um die Weltherrschaft vorzubereiten und zu führen.
Der Bundesvorstand der Grünen wird ersucht in Partei und Umfeld die Debatte über
die ökonomischen Hintergründe der letzten
Kriege, für eine Friedensregelung im Irak und
Nahost und für ein neues Weltrohstoffrecht
durch Veröffentlichung dieses Briefes in der
Mitgliederzeitschrift “Schrägstrich“ zu eröffnen.
Liberalsoziale in BÜNDNIS/DIE GRÜNEN, 31079 Eberholzen, Gänseberg 11,
alter [email protected] —
homepage:www.alternativen.biz
Seite 21
Atompolitik
Mit Deutschland als Komplize zu atomaren Minibomben
Die Gefahr des Atomwaffeneinsatzes wird wieder größer
Eine Analyse von Sebastian Pflugbeil
In der Hochzeit des kalten Krieges waren die
Atomwaffenarsenale so weit ausgebaut, daß
auch die Militärs und Politiker kalte Füße bekamen. Ende der 70er und Anfang der 80er
Jahre hatte es in allen Teilen der Welt große
Proteste der Bevölkerung dagegen gegeben.
Militärs und Politiker begannen zu verstehen,
daß sie mit ihrer eigenen Vernichtung spielten, daß ein Atomkrieg beginnen konnte, ohne
daß das jemand ernstlich wollte. Es entstand
eine gewisse Bereitschaft, durch internationale
Verträge die schlimmsten Auswüchse der
Atomrüstung ein wenig einzudämmen.
Zum Beispiel gab es den ABM-Vertrag, der
den Verzicht auf Abwehrsysteme gegen ballistische
Raketen,
gegen
die
Interkontinentalraketen beinhaltet. Der Besitz
solcher Abwehrsysteme wäre gleichwertig mit
einer scharfen Aufrüstung. Man wäre faktisch
unangreifbar für den Gegner gewesen. Das
fragwürdige, aber auf gewisse Art trotzdem
funktionierende System der nuklearen
Abschrekkung wäre zerbrochen. Der ABMVertrag war deshalb ein vernünftiger und ein
wichtiger Schritt. Es gab auch einige Abrüstungsschritte in Richtung auf die Vernichtung von Atomwaffen. Allerdings bedeutete
das in der Praxis meistens, daß man Atomwaffen, die ohnehin nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik waren, aus dem Verkehr gezogen hat. Das hat nicht weiter weh
getan. Und das, was übrig war, reichte immer
noch aus, um die ganze Erde mehrfach in
Schutt und Asche zu legen. Wenn man von
25-facher Overkill-Kapazität auf 20-fache
Overkill-Kapazität abrüstet, ist das noch kein
relevanter Unterschied und nur von begrenztem Wert.
Was in der letzten Zeit unter der Regierung
von George W. Bush junior beunruhigt, ist, daß
sie nicht nur versucht, internationale Verträge
zu kündigen und sich zum Beispiel neben vielen anderen wichtigen internationalen Verträgen auch aus dem ABM-Vertrag verabschieden will, sondern daß sie auch ganz offen ankündigt, neue Atomwaffen entwickeln zu wollen. Das ist ein Tabubruch und der ganzen
Vorgeschichte nach unanständig. Kein anderer Staat hat so etwas in solcher Direktheit
verkündet. Auch deutliche Kritik hält die Regierung Bush junior offenbar nicht auf.
Wer die Atomwaffen-Literatur verfolgt, kann
deutlich sehen, daß bestimmte Themen nicht
mehr zu recherchieren sind, sie sind gesperrt.
Bestimmte Bereiche auf der Homepage des
Departement of Energy der USA, unter dem
diese Atomwaffenentwicklung läuft, sind seit
Seite 22
einigen Monaten nicht mehr zugänglich. Das
ist ein Hinweis darauf, daß man jetzt zur Sache
kommen will und geheime Kommandosachen
weiterbetreibt. Das finde ich sehr beunruhigend im Zusammenhang mit dem, was
nun im Irak geschehen ist, im Kontext von
Bushs Präventivkriegsdoktrin und der offenen
Androhung des Einsatzes von Atomwaffen
sowie im Kontext der Äußerungen von Bush
junior über die sogenannten Schurkenstaaten.
Das ist eine sehr unglückliche Entwicklung. Sie
provoziert, daß man außerhalb der USA, in den
Schwellenländern und in den Ländern, die bereits ebenfalls angefangen haben, mit Atomwaffen zu spielen, versucht nachzuziehen oder
zumindest den Eindruck zu erwecken, daß man
Atomwaffen hat, um einen gewissen Schutz
vor leichtfertigen Angriffen von Außen zu
haben. Das ist sehr gefährlich.
Die militärische Macht der USA ist ungeheuer
groß. Sie bringt in wesentlichen Punkten aber
keine Sicherheit für die USA und provoziert
Angriffe einer besonderen Art, gegen die sie
überhaupt nichts ausrichten können. Man
könnte in die Vereinigten Staaten Atomwaffen hineinschmuggeln, in handlichen Kalibern,
die transportabel sind. Dagegen können sich
die Vereinigten Staaten nicht wehren. Solche
Waffen kann man natürlich nicht im Flugzeug
transportieren und durch die Zollkontrolle
bringen, aber die Grenzen sind ja weit. Damit
müssen sie rechnen. Die Vorstellung, daß man
durch den Besitz von Atomwaffen den Einsatz von Atomwaffen im eigenen Land verhindern kann, ist naiv. Dann kann man höchstens noch zurückschlagen, wenn man dazu
noch in der Lage ist und weiß, wer angegriffen
hat. Ein Schutz vor Atomwaffen ist das aber
gerade nicht.
Atomwaffen sind niemals Verteidigungswaffen.
Sie sind immer aggressiv. Wenn man Atomwaffen besitzt, bedeutet das außerdem, daß die
Gegend, in der diese Waffen stationiert sind,
eine zusätzliche Anziehungskraft für Attacken
von Außen darstellt. Jeder Angreifer wird als
erstes versuchen, die Atomwaffenstandorte des
Gegners auszuschalten. Der eigene Raketenstandort ist also eine doppelte und dreifache
Gefahr auch für die eigene Sicherheit. Militärisch ist der Besitz und der Einsatz von Atomwaffen deshalb völliger Unsinn. Das ist auch
ein Grund dafür, daß sie nach dem Abwurf
auf Hiroshima und Nagasaki nicht mehr eingesetzt wurden. Aber man kann und muß mit
der Dummheit der Menschen rechnen, insbesondere mit der Dummheit hochrangiger Militärs und Präsidenten.
Die Drohung mit Atomwaffen ist vor allem
aus folgendem Grund überaus leichtsinnig:
Gegen Terrorangriffe auf kerntechnische Anlagen gibt es bisher nur hilflose Phantasien. Ein
Atomkraftwerk, eine Wiederaufarbeitungsanlage, ein Lager für hochradioaktive Abfälle kann
von Terroristen mit leicht zu beschaffenden
Hilfsmitteln zu einer schrecklichen Atomwaffe gemacht werden. Die Drohung mit Atomwaffen ist nicht nur menschenverachtend und
völkerrechtswidrig, sie ist auf eine abenteuerliche Weise dumm.
Mit dem Gerede von der “Achse des Bösen”
ist der fatale Eindruck entstanden, Saddam
Hussein angreifen zu können, weil er offensichtlich keine Atomwaffen besitzt, obwohl
Behauptungen über ein Atomwaffenprogramm Husseins ein offizieller Grund für
den Krieg waren. Mit Nordkorea aber gehen
die USA ganz anders um, unter anderem mit
der Fußnote, daß Nordkorea ja Atomwaffen
besitzt. Diese Logik kann dazu führen, daß
auch Staaten, die im Prinzip in der Lage sind,
so etwas zu bauen, Atomkraftwerke zu haben
und an das Material heranzukommen, die Fachleute haben, die kerntechnisches Know-how
haben, daß die sich sagen: Bevor wir uns so
wie Saddam Hussein durch die Wüste jagen
lassen, bauen wir uns ein paar Atomwaffen und
schließen damit so einen Blitzkrieg wie gegen
den Irak aus.
Das Interesse von Entwicklungsländern oder
Schwellenländern an Atomtechnologie, an
friedlicher Atomtechnologie, an Kernkraftwerken, ist bisher ausnahmslos militärisch motiviert gewesen. Diese Länder hatten alle keine
Infrastruktur, keine industrielle Struktur, die
den Einsatz solcher punktuellen Energiegiganten, wie das Kernkraftwerke sind, energiepolitisch sinnvoll gemacht hätten. Aus der lokalen politischen Szenerie dieser Staaten geht
klar hervor, daß hinter dem Verlangen nach
Atomenergie in der Regel Hahnenkämpfe mit
den regionalen Nachbarstaaten standen. Man
wollte die Atomwaffe haben (wie die Großen)
und fand das auch aus Prestigegründen
angemessen (wie die Großen). Es ist bekannt,
daß viele Fachleute aus Deutschland, die an Hitlers Atombombe gearbeitet haben, mehr oder
weniger freiwillig nicht nur in die USA oder in
die UdSSR gebracht wurden, sondern auch in
derartige Schwellenländer gewandert sind und
dort weitergebastelt haben. Argentinien, Brasilien, Südafrika, Israel, Pakistan, Indien und
Nordkorea sind typische Beispiele dafür, wie
das Militärische den Vorrang hatte gegenüber
der Stromversorgung.
Es gibt keine Trennung zwischen friedlicher
und militärischer Nutzung der Kernenergie.
Aus mehreren Gründen ist die Trennung zwischen friedlicher und militärischer Nutzung der
Kernenergie eine Augenwischerei. Das fängt
an beim Uranabbau. Uranabbau ist eine extrem
giftige und gefährliche
Angelegenheit, selbst
wenn man es gut meint
und das sehr sorgfältig
betreibt. Die Erfahrung
hat gezeigt, daß man es
eben nicht gut meint
und auch nicht sorgfältig betreibt, sondern
der Abbau unter rücksichtsloser Umweltzerstörung stattfindet,
vor allem auch unter
ganz rücksichtslosem
Umgang mit den Bergleuten und mit der örtlichen Bevölkerung.
Das ist in Deutschland
so geschehen in der
Uranprovinz, in der
Wismut-Region in
Sachsen und Thüringen. Das ist auch in den
großen Uran-abbaugebieten in den Vereinigten Staaten, in Australien und in Afrika so gewesen.
Eigenartigerweise sind das häufig heilige Orte für die
eingeborene Bevölkerung. Dort wurde die
eingeborene Bevölkerung auch schwer durch
die Umweltschäden des Uranbergbaus geschädigt, ganz abgesehen von der Zerstörung der
Kultur in diesen Regionen. Der Uranabbau für
Kernkraftwerke wie für Atombomben ist militant und menschenverachtend. In Deutschland, in der DDR, in der Wismut-Region in
Sachsen und Thüringen, ist zuerst das Uran
für die russische Atombombe abgebaut worden. Und erst lange danach hat man angefangen, das Uran auch für die Kernkraftwerke abzubauen. Das ist ein gutes Beispiel dafür,
daß “friedlich” und “militärisch” nicht
auseinanderzuhalten ist. Es fängt an bei den
Stacheldrähten um die Uranbergbauregion.
Man kann das im Umgang mit den im Bergbau arbeitenden Leuten verfolgen. Bei der
“Wismut” ging es am Anfang ähnlich zu wie
in einem Konzentrationslager unter russischer
Militärherrschaft. Es wurde schnell geschossen und es sind viele Leute durch gefährliche
Arbeitsbedingungen umgekommen. Das war
praktisch ein Kriegszustand.
Ein Kernkraftwerk ist aber auch deshalb niemals friedlich, weil diese Technologie so gefährlich ist. Wenn ein schwerer Kernkraftwerksunfall geschieht, hat man einen Kriegs-
zustand im eigenen Land. Kein Staat der
Welt, weder die Russen, noch irgendein westlicher Staat ist mit seiner Infrastruktur in der
Lage, die Folgen aufzufangen, die Schäden auch
nur annähernd in Grenzen zu halten. Man
spielt in einer ganz unangemessenen Weise mit
Der nuklearer Bunker Buster B- 61-11 ist eine
Wasserstoffbombe und eine sogenannte Mini-Nuke. Sie
hat bei einem Eigengewicht von fast 540 kg eine variable
Sprengkraft von 300 Tonnen bis 340 Kilotonnen.
Bunker in 30m Tiefe können durch die Druckwelle
zerstört werden.
dem Feuer, mit Gesundheit und Eigentum der
Bürger des eigenen Landes.
Die Gefahr wird noch potenziert, wenn tatsächlich ein Krieg ausbricht. Es reicht ein konventioneller Krieg, ein paar “intelligente
Panzerfäuste”, panzerbrechende Waffen, um
ein laufendes Kernkraftwerk zu einer sehr
reichlich dimensionierten Atombombe umzufunktionieren. Wenn jemand mit einer Panzerfaust dort hineingeht und weiß, wie das Kraftwerk gebaut ist – es gibt genug Leute, die das
wissen, und genug Papiere, die das genau beschreiben –, dann läßt sich mit ein paar Handgriffen eine Katastrophe auslösen. So kann
auch ein militärischer Schlag geführt werden,
der noch gefährlicher und bösartiger ist als eine
Atombombe. Ein konventioneller Angriff auf
ein Atomkraftwerk in einem Atomwaffenstaat
könnte sehr wohl den Atomwaffeneinsatz auslösen – das Umgekehrte gilt aber gleichermaßen. Auch das führt die Trennung zwischen “friedlich” und “militärisch” ad ab-
surdum.
In der “Plutoniumwirtschaft” (Schneller Brüter, Wiederaufarbeitungsanlagen, Atombomben) ist die Verflechung von “friedlich”
und “militärisch” noch enger. Denn die Technologie der Wiederaufarbeitung, das Heraustrennen von Plutonium aus
a b g e b r a n n t e n
Kernkraftwerksbrennstäben,
ist genau die Marschroute,
um spaltbares Material für
Atomwaffen zu bekommen.
Die sowjetische Regierung
hatte deshalb sehr darauf geachtet und verhindert, daß
kein anderer Ostblockstaat in
den Besitz von Wiederaufbereitungsanlagen kam oder aus
eigener Kraft welche aufbaute. Die DDR wollte so eine
Wiederaufarbeitung selbst
durchführen, auch das hat die
Sowjetunion verhindert. Sie
wollten nicht, daß die DDR
waffenfähiges Material herstellen kann, ohne daß das
von Außen zu merken ist.
Wenn man die Orte sucht, an
denen die Wiederaufarbeitungsanlagen stehen, dann
findet man sie in militärischer
Nutzung, gleichgültig ob man
nach Frankreich schaut, zu
den Vereinigten Staaten,
nach England oder nach China. Die Bundesrepublik hat
dank wacher Bürger keine
Wiederaufarbeitungsanlage. Wir schaffen unser Zeug aber nach Frankreich, nach La Hague
oder nach Sellafield in Großbritannien.
Deutschland trägt damit die Überlappung von
friedlichen mit militärischen Zwecken ganz offensichtlich mit. Ich wiederhole: Die
Trennungsmöglichkeit oder die Unterscheidbarkeit von friedlicher oder militärischer
Atomenergienutzung ist eine Farce. Atomkraft
ist immer militärisch, immer menschenverachtend, sie bezweckt oder riskiert zumindest Leichenberge.
Die Bundesregierung hat kürzlich einen
Forschungsreaktor in Garching in der Nähe
von München genehmigt. Dieser Forschungsreaktor läuft mit hochangereichertem Uran.
Was steckt dahinter?
Unter der Regierung des US-Präsidenten
Jimmy Carter ist man darauf aufmerksam geworden, daß in vielen Forschungsreaktoren
weltweit Uran verwendet wird, das so hoch mit
dem Isotop Uran-235 angereichert ist, daß man
diesen Brennstoff ohne viel Schwierigkeiten
auch zu Bomben verarbeiten kann. Das war
im Kontext der Non-Proliferation, des Versuchs, die Weiterverbreitung von Atomwaffen
nach Möglichkeit zu begrenzen, eine Hinter-
Seite 23
tür, die man schließen wollte. Die Regierung
Carter hat ziemlichen Druck ausgeübt, damit
das Design der Foschungsreaktoren weltweit
dahingehend verändert wird, daß man eben
nicht mehr hochangereichertes Uran nimmt,
sondern niedriger angereichertes, das dieses
Risiko nicht birgt. Das ist in Deutschland und
auch in allen anderen Ländern umgesetzt worden.
Der Garchinger Forschungsreaktor ist unter
diesem Aspekt ein großer Rückschlag. Denn
nun setzt man wieder hoch angereichertes Uran
ein, was aus technischen Gründen nicht notwendig wäre. Es gibt keinen technischen
Grund, der das rechtfertigen könnte. Aber man
macht es trotzdem. Die Befristung des Einsatzes von hochangereichertem Uran auf zwei
Jahre, um dann erst zu weniger angereichertem Uran überzugehen, ist auch technisch gesehen eine überflüssige Schwierigkeit. Wenn
man es in zwei Jahren vernünftig machen kann,
kann man es auch gleich tun. Es ist unverständlich, die Motivation der Leute in Garching
ist für mich nicht nachvollziehbar und die der
Bundesregierung, die das genehmigt, schon gar
nicht.. Die Bundesregierung schreibt den
Atomausstieg auf ihre Fahnen und will atomkritisch sein, läßt aber jetzt waffenfähiges Material zu einem Zeitpunkt ins Spiel bringen, an
dem eine klare Position zum Umgang mit waffenfähigem Uran selbstverständlich sein sollte. Wir müssen sicher nicht lange warten, bis
andere Staaten für sich das gleiche Recht beanspruchen wie Deutschland.
Kernbrennstoffhaltige Kügelchen wie in der
Elbmarsch und in Hanau könnten der Herstellung von Mini-Atombomben dienen.
Die Atomforschung in Deutschland ist auch
an anderer Stelle seltsam. In der Elbmarsch,
in Sichtweite des Kernforschungszentrums
GKSS und außerhalb des Zauns der früheren
Nuklearanlagen in Hanau gibt es in Wohngebieten kernbrennstoffhaltige Partikel. Die gehören da nicht hin und unabhängige Experten haben lange gesucht, wo sie herkommen
könnten. Diese kugelförmigen Partikel haben,
wenn man sie unter dem Elektronenmikroskop
ansieht und kernphysikalisch und kernchemisch analysiert, eine Struktur, einen Aufbau, aus dem man mit Sicherheit schließen
kann, daß sie aus dem Bereich der Kerntechnik stammen. Es gibt umfangreiche Literatur
über solche Kügelchen. Die Standardbezeichnung ist PAC, eine Abkürzung von
Plutonium, Americium, Curium. Das sind
hochtoxische Transurane, die nur kerntechnisch hergestellt werden können. Sie kommen inder Natur nicht vor.
Es ist bekannt, daß solche Kügelchen für zwei
Hauptlinien der kerntechnischen Entwicklung
eingesetzt werden. Die eine Linie ist die Veränderung der Forschungsreaktoren von der
Verwendung hoch angereicherten Urans auf
andere Brennstoffkombinationen, die nicht mi-
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litärisch nutzbar sind. Man hat Experimente
gemacht, verschiedene Brennstoffkombinationen ausprobiert. Die zweite Linie, in der
Literatur wird sie oft mit Fusionsforschung
überschrieben, beschäftigt sich mit einem
speziellen experimentellen Vorgehen, bei dem
man Eigenschaften der Kernfusion und Eigenschaften der Kernspaltung zusammen auszunutzen versucht. Entweder macht man zuerst
eine Spaltung und mit der Spaltenergie startet
man dann eine Fusion, oder man macht erst
eine Fusion und dann eine Kernspaltung. Auf
diese Weise kann man auch winzige Mengen
von minderwertigem Spaltstoff “veredeln” das
heißt zu einem Spaltstoff machen, der bessere
Spalteigenschaften hat.
Aber das geschieht weniger, um Kraftwerke zu
bauen, sondern man macht das, um Waffen zu
entwickeln. In den Vereinigten Staaten gab es
eine Menge von relativ frei zugänglicher Literatur, die sich damit beschäftigt hat. Seit ungefähr einem halben Jahr ist der Zugang zu
solchen Quellen gesperrt. Man kann sie nicht
mehr im Internet finden. Dort war zuvor die
Janusköpfigkeit dieser Technologie, die mit
solchen kleinen Kügelchen arbeitet, recht klar
beschrieben,: Im Prinzip lasse sich schon mal
daran denken, später Kraftwerke zu bauen, aber
der Hauptakzent ist, mit Hilfe dieser Technik
neue Atomwaffen zu entwickeln. Und genau
das geschieht heute in den Vereinigten Staaten.
Der Verdacht besteht, daß auch in Deutschland in dieser Richtung gearbeitet worden ist
und daß an zwei Stellen, in der Elbmarsch und
in Hanau, den Experimentatoren bei vergleichbaren Experimenten die Anlagen um die Ohren geflogen sind, immerhin so weit, daß etliche Quadratkilometer der Umgebung mit diesen Kügelchen verseucht sind. Davon will natürlich heute niemand etwas wissen.
Die ersten Schritte zur Entwicklung von
Atomwaffen sind in Deutschland in der Nazizeit gemacht worden. Es gibt ziemlich starke Indizien dafür, daß die Nazis Atomwaffentests in Deutschland gemacht haben
und kurz vor Kriegsende im Besitz von Atomwaffen waren. Die selben Leute, die daran
gearbeitet hatten, insbesondere eine Gruppe
um Professor Diebner* vom Heereswaffenamt, haben sich nach dem Krieg in Norddeutschland gesammelt. Es gab also auch personelle Verbindungen, die diese militärische
Hypothese plausibel machen.
Es gibt noch ein weiteres Indiz, das in diese
Richtung weist: Im April 1957 entstand auf
Initiative von Carl Friedrich von Weizsäcker
die “Göttinger Erklärung”, mit der eine Reihe bekannter Kernphysiker öffentlich bekannte, daß sie sich in keinem Falle an der Entwicklung einer deutschen Atomwaffe beteiligen wollten. Das war die Zeit, als Franz Josef
Strauß Atomminister war und als von deutschen Politikern relativ unverblümt gefordert
wurde, daß Deutschland wieder gesund genug
sei, um sich eine Atombewaffnung leisten zu
können. In dieser Situation hatte die Göttinger Erklärung viel Staub aufgewirbelt.
Interessant ist dabei, daß die Kernphysiker,
die nach Kriegsende in Norddeutschland ihre
Arbeit fortgesetzt haben, diese Erklärung nicht
mitunterschrieben. Es gibt etliche bemerkenswerte Publikationen aus Norddeutschland mit
unverfänglichen Überschriften aus dem Bereich
der Fusionsforschung. Bei genauerem Hinsehen findet man heraus, daß es darin mehr um
Sprengstärken geht, um Parameter, die eher für
Atomwaffen interessant sind als für Kraftwerke. Darauf war auch die Staatssicherheitsbehörde der DDR aufmerksam geworden.
Alle Behörden, die damit von Amts wegen zu
tun haben oder hatten, streiten das heute einfach ab. Sie streiten ab, daß es diese Kügelchen überhaupt gibt, geschweige denn, daß sie
zugestehen oder klar auf den Tisch legen, welche Art Experimente mit welchem Ziel und
mit welcher Finanzierung von welchen Leuten gemacht worden sind. Das alles sind Informationen, die im handumdrehen von den
Behörden zu beschaffen sein müßten. Statt
dessen blocken sie ab und versuchen, diejenigen Wissenschaftler, die die Herkunft des
Kernbrennstoffs aufdecken wollen, zu verunglimpfen.
Normalerweise ist es so, daß man zum Bau einer Atombombe eine bestimmte Mindestmenge an Spaltmaterial, eine “kritische
Masse” benötigt. Sie liegt bei Uran um 10 bis
20 Kilogramm, bei Plutonium ist die notwen-
dige Menge geringer, aber immer noch in der
Größenordnung von etlichen Kilogramm (die
genauen Daten hängen vom Design der Bombe ab). Mit weniger geht nichts. So kann man
es in der Schule lernen. Erst wenn man diese
Menge hat, entstehen genug spontane Neutronen, die eine Kettenreaktionen in Gang setzen können. Die Bombe ist laut Schulbuchwissen so konstruiert, daß sie zunächst aus zwei
Stücken unterhalb der kritischen Masse besteht.
Werden diese Stücke schnell zusammengebracht – etwa mit Hilfe eines konventionellen Sprengsatzes – dann entsteht schlagartig diese kritische Masse, und die Kettenreaktion bricht los.
Diebner aber hatte noch vor Kriegsende mit
seiner Gruppe mit Hilfe eines Tricks zu erreichen versucht, mit einer deutlich geringeren Masse auszukommen. Dazu wurde eine
ganze Reihe von Versuchen durchgeführt, die
stets darauf hinauslaufen, daß versucht wird,
ein kleineres Stückchen Kernbrennstoff unter so hohen Druck zu setzen, daß dadurch
der Abstand der Atome in der normalen Struktur verringert wird. Dann reicht eine geringere Menge Spaltstoff aus, um die Kettenreaktion
auszulösen.
Genau das findet auch mit den Kügelchen statt.
Man kann die Kügelchen zum Beispiel durch
Laserbeschuß schlagartig einem Temperaturschock aussetzen, der im Inneren der Kügelchen eine Druckwelle auslöst. Der Spaltstoff
im Inneren des Kügelchens wird schlagartig
unter einen so hohen Druck gesetzt, daß Kernreaktionen in Gang kommen, die dem einfachen Schulwissen zufolge normalerweise nicht
vorstellbar sind. Die Verwandtschaft der
Denkweise von Diebner im “Dritten Reich”
und der Einsatz der “Kügelchen” im “Vierten
Reich” ist offensichtlich.
Mit dieser Art Technologie
entwickeln nun die USAmerikaner ihre MiniAtomwaffen, also das, was
Bush junior ganz offen angekündigt hat: Mini-Nukes.
Dabei gibt es sehr unerfreuliche Querverbindungen.
Deutsche Firmen entwikkeln zum Beispiel im Zusammenhang mit diesen
P r o j e k t e n
“Hochleistungslaser”, die
von ihrer Konfiguration her
eindeutig militärische
Zwecke haben. Deutschland beteiligt sich also direkt an der amerikanischen Atomwaffenentwicklung.
Der Atomwaffenbau ist in Deutschland schon
seit mehr als 10 Jahren wieder erlaubt.
Die Gesetzeslage in Deutschland ist insofern
überraschend und erschreckend, als 1990 das
Kriegswaffenkontrollgesetz* * dahingehend geändert worden ist, daß es in Deutschland nun
erlaubt ist, Atomwaffen zu bauen. Das ist in
der Bevölkerung und im Bundestag kaum jemandem bewußt. Mit einer Formulierung, die
sich leicht überlesen läßt, weil man der
Überzeugung ist, daß für Deutschland der Bau,
die Entwicklung, der Einsatz von Massenvernichtungswaffen, von ABC-Waffen, also von
Atom-, biologischen und chemischen Waffen
nach dem Zweiten Weltkrieg aus guten Gründen strikt verboten worden ist, ist 1990 nach
der Wiedervereinigung das Gesetz dahingehend geändert worden, daß man den Atomparagraphen extra behandelte. Dieser hat nun
einen Vorsatz, den Paragraphen 16, der sinngemäß aussagt, daß es zwar für Deutschland
weiter verboten ist, Atomwaffen zu bauen, daß
dieses Verbot aber nur für Atomwaffen gilt,
die nicht der Verfügungsgewalt eines NatoStaates unterstehen. Das bedeutet also, der Bau
von chinesischen Atomwaffen ist in Deutschland zwar weiter verboten, aber der Bau von
deutschen Atomwaffen oder die Zusammenarbeit mit den Amerikanern in der Entwicklung von Atomwaffen ist eben nicht mehr verboten. Das ist eine alarmierende Angelegenheit.
So findet eine deutsche “nukleare Teilhabe”
statt, und eine größere Anzahl von deutschen
Wissenschaftlern und deutschen Industriellen
stehen im In- und Ausland mit beiden Beinen
und ganz legal in der Atomwaffenentwicklung.
Vermutlich ist mit der “nuklearen Teilhabe im
Rahmen der Nato” auch abgedeckt, daß in
Deutschland immer noch US-amerikanische
Atomwaffen stationiert sind, daß sie von deutschen Soldaten gewartet werden und im Ernstfall auf Befehl des amerikanischen Präsidenten von deutschen Piloten mit deutschen Flugzeugen ins Ziel gebracht werden.
Bomben einsetzt, muß man nicht damit rechnen, daß sofort die Interkontinentalraketen von
der anderen Seite starten. Man kann unterhalb
der Schwelle dieses atomaren Schlagabtauschs,
den man bisher befürchtet hat, mit diesen kleinen Kalibern wildern. Das ist eine ernstzunehmende Gefahr.
Der zweite Punkt, der sie besonders gefährlich macht, ist das kleine Kaliber, das geringe
Gewicht. Bei den normalen Atomwaffen besteht das Problem, daß das ziemlich klobige
Maschinen sind. Man kann in einem
Bombenflugzeug nicht beliebig viele Atomwaffen konventioneller Art transportieren, weil sie
einfach zu schwer sind. Aber diese Mini-Atombomben kann man praktisch in unübersehbarer Stückzahl in Bewegung setzen. Die
Staatssicherheitsbehörde der DDR schrieb von
Karabiner-Geschoßgröße oder Maschinengewehr-Geschossen, von Granaten. Theoretisch
lassen sich damit Flächenbombardements
veranstalten. Man kann sie im Weltraum stationieren und zum Beispiel zur Satellitenbekämpfung einsetzen, sie dort oben kreisen lassen und dann mit Fernzündung starten. Das
würde mit großen Atomwaffen nicht so gut
gehen. Mini-Atombomben gestatten Einsatzmöglichkeiten vielfältigster Art, die mit der
Kleinkalibrigkeit verbunden sind und die sehr
schreckliche Auswirkungen haben würden.
Die gegenwärtige Situation zwingt uns, das
Wissen über Atomwaffen nachdrücklich in
Erinnerung zu rufen und an die jüngere Generation weiterzugeben. Es ist sehr bedauerlich,
daß man in dem bisher vorliegenden Entwurf
der Europäischen Verfassung den Verzicht
Europas auf Atomwaffen vergeblich sucht.
aus Strahlentelex 394-395 vom 5. Juni
2003
www.strahlentelex.de
Anmerkungen
* Dr. Karl Diebner, geboren 1905, war Leiter der kernphysikalischen Untersuchungen, die vom Heereswaffenamt zum Bau der deutschen Atombombe durchgeführt wurden. Er koordinierte den Uranverein und wurde 1939 zum kommissarischen Leiter
des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik in Berlin ernannt. 1941 wurde er von dort
durch Werner Heisenberg verdrängt und arbeitete weiter beim HWA in Berlin-Gatow. Bis zum Zusammenbruch des “Dritten Reiches” arbeiteten mehrere Gruppen
ziemlich unabhängig voneinander und streng geheim an der Atombombe. Diebners
wissenschaftliche Leistung wird heute eher unterschätzt. Anfang Mai 1945 Festnahme
durch die Alliierten Truppen in Bayern und Internierung in England. 1955/56
zusammen mit Bagge Aufbau des norddeutschen Kernforschungszentrums GKSS,
stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Gestorben 1964.
** Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, BGBl. I S.2506 von 1990, §16
Nukleare Aufgaben im Nordatlantischen Bündnis: Die Vorschriften dieses Abschnitts
und die Strafvorschriften der §§19 und 21 gelten, um Vorbereitung und Durchführung
der nuklearen Mitwirkung im Rahmen des Nordatlantikvertrages vom 4. April 1949
oder für einen Mitgliedstaat zu gewährleisten, nur für Atomwaffen, die nicht der Verfügungsgewalt von Mitgliedstaaten dieses Vertrages unterstehen oder die nicht im Auftrag solcher Staaten entwickelt oder hergestellt werden.
Wenn man die Wirkung einer Megatonnenbombe vergleicht mit der Wirkung einer MiniAtombombe, dann macht natürlich die Megatonnenbombe mehr Lärm und mehr Ärger.
Die Mini-Bomben sind aber gerade deshalb so
gefährlich, weil sie so klein sind und sehr wahrscheinlich bedenkenloser eingesetzt werden als
ihre großen Schwestern. Wenn man so kleine
Zu den Abbildungen:
S. 24: Brennelement des FRM II mit 8,4Kg waffen-fähigem, hoch dichtem, sehr
hoch angereichterem Uran
S. 25: Forschungsreaktor München FRM II in Garching: Im Reaktor des
FRM-II kommen neu entwickelte Uransilizid-Aluminium-Dispersionsbrennstoffe zum Einsatz, durch deren im Vergleich zu Uranoxid-Brennelementen
höhere Dichte bei gleichem Anreicherungsgrad die gewünschte Erhöhung der
Neutronflussdichte erzielt wird. Problematisch ist jedoch, dass man sich damit
nicht begnügt hat, sondern eine weitere Erhöhung der Neutronenflussdichte
durch den sehr hohen Anreicherungsgrad von 93% Uran 235 durchgesetzt hat,
obwohl wegen der Gefahr der Prolifera-tion international nur 20-40% Anreicherung üblich sind. Damit wurde ein Präzedenzfall geschaffen.
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Eden – mehr als nur Reform – Siedlung
Der Bericht von Thorsten Ludwig über die
Reform-Siedlung Eden nennt zwar die im Logo
von Eden symbolisierten drei Ziele: Lebensreform, Bodenreform und Wirtschaftsreform,
befasst sich aber vorwiegend mit den lebensreformerischen Zielen. Daher hier einige Ergänzungen. So stammt die bodenreformerische
Grundlegung der Siedlung von dem Berliner
Arzt und späteren Soziologie-Professor Franz
Oppenheimer, dessen Vorschläge vier Jahre
nach der Gründung Edens vom 1. Kongress
der Zionisten, 1897 in Basel, Grundlage der
zionistischen Siedlungsbewegung in Palästina
wurden und ebenfalls schon vor dem 1. Weltkrieg umgesetzt und später auf ganz Israel ausgedehnt wurden. Boden darf kein
Ausbeutungs-, Spekulations- und Herrschaftsinstrument sein. Er muss allen gehören und
darf zur Nutzung nur an Private , Genossenschaften oder Kollektivwirtschaften (Kibuz)
ausgegeben werden. Oppenheimer hat später
den antikapitalistischen Charakter von Eden
hervorgehoben: Es begann „inmitten der kapitalistischen Wüste eine Oase aufzublühen.“
– mitgeteilt in Werner Onkens Schrift „Modellversuche mit sozialpflichtigem Boden und
Geld.“
Bereits vor dem 1. Weltkrieg hielt die Geldreform Silvio Gesells in Eden, vor allem durch
den Landarzt Friedrich Landmann, Einzug, der
auch an der Entwicklung der „Eden – Butter“,
eines ernährungspolitisch wichtigen und preiswerten Grundnahrungsmittels, beteiligt war.
Auch der Brotreformer Simon transportierte
Gesells Ideen nach Eden. Gesell selbst siedelte nach Mitte der 20er Jahre nach Eden, starb
dort 1931 an einer Lungenentzündung. Sein
Grab wurde kleiner Wallfahrtsort seiner Anhänger, auch aus Westdeutschland während der
DDR-Zeit.
Ausdruck der dreifachen Ziele Edens wurde
der Welt-Vegetarierkongress (1928 ?), auf dem
die freiwirtschaftlichen Ziele der Boden- und
Geldreform nach Gesell von Werner Zimmermann (Schweiz) und Prof. Johannes Ude
(Österreich) als Hauptredner vertreten wurden.
Die Bedeutung Edens als Keimzelle einer künftigen harmonischen Gesellschaftsordnung rief
Alt-Bischof D. Kurt Scharf, Berlin, beim Kirchentag Düsseldorf, 1985, in einer Predigt und
in den Dokumenten zum Kirchentag den Besuchern ins Bewusstsein:
Die Siedlung Eden war der Versuch, in einem
Modell – zeichenhaft – wirtschaftlicher und
politischer Abhängigkeit des Menschen von anonymen oder auch zu benennenden Mächten
und Personen entgegenzuwirken. Eden war in
einer Zeit der Not und des Umbruchs gegründet worden von Anhängern der Bodenreform
Adolf Damaschkes und von Silvio Gesell, dem
Finanztheoretiker des „Freilandes“ und „Freigeldes“ ..., aber auch von bibelgläubigen Juden und Christen, die die Anweisungen des
mosaischen Gesetzes in unserer Gegenwart
und in unserem Landes verwirklichen wollten.
Die Thesen der Bodenreform und des Freilandes richteten sich gegen die Bodenspekulation, gegen die unverdienten Gewinne von
Besitzern günstig gelegener Grundstücke und
die Verarmung breiter, vom Grundbesitz ausgeschlossener Bevölkerungsgruppen; die Thesen des Freigeldes von Silvio Gesell gegen den
Kreditkapitalismus. In der Wirtschaftskrise
nach dem 1. Weltkrieg wurden die Thesen beider in den Parteien und an den Universitäten
leidenschaftlich diskutiert. Wir jungen Studenten, gerade auch wir Theologiestudenten,
drängten auf ihre Verwirklichung.“ (Der vollständige Text von Bischof Scharf befindet sich
in der Schrift W. Onkens, „Modellversuche mit
sozialpflichtigem Geld“)
r-evolution
friedlich, mitmenschlich, gerecht, nachhaltig, selbstbestimmt
„r-evolution“ ist die Zeitschrift der INWO (Internationale Vereinigung für natürliche Wirtschaftsordnung) von Deutschland, der Schweiz
und Österreich. Die deutsche Gruppe der
INWO, die Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung, ist inzwischen die größte freiwirtschaftliche Organisation in Deutschland
und vertritt das gleiche Anliegen wie die „ALTERNATIVEN“.
Der Name r-evolution ergibt sich aus einer alten schweizerischen Tradition, denn 40 Jahre
lang hieß die Zeitung der dortigen Freiwirtschaftsbewegung „evolution“. Hieran
knüpft die r-evolution an. Ein „evolutionärer“,
sprich allmählicher und friedlicher Wandel des
wirtschaftlichen und sozialen Systems fängt mit
einer „Revolution“ im Herzen und im Geiste
der Menschen an – mit der bewußten Entscheidung, aktiv zu werden für eine gerechtere, freiheitliche und nachhaltige Zukunft durch eine
Änderung des Geldsystems und der Bodenordnung.
Seite 26
Viele Autoren und auch Autorinnen schreiben
für diese Zeitschrift: Helmut Creutz, Adolf
Paster, Josef Hüwe, Walter Meier-Solfrian,
Marco Lustenberger, Beate Bockting, Alwine
Schreiber-Martens, Wera Wendnagel und Norbert Rost, um nur einige aufzuzählen.
Schwerpunktthemen der letzten Nummern der
Zeitschrift waren z. B. : Gefangen im Schuldenpfuhl, Die USA gestern, heute – und morgen?
sowie Umweltprobleme und Sozialsysteme.
Neugierig geworden?
Auf Wunsch erhalten Sie kostenlos zwei Probehefte bei:
r-evolution / INWO Versand Deutschland, Sambach
180, 96178 Pommersfelden, Telefon: 09502-921366,
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Wir würden uns freuen, wenn Sie die revolution abonnieren. Sie erscheint 6 mal im
Jahr, Jahresabo 25 Euro frei Haus.
Wera Wendnagel
James Bruges
Buchecke
Das kleine Buch der Erde. Wohin gehen wir?
Aus dem Englischen von Gisela Kretschmar
München: Riemann Verlag, 1. A., 2002, 287 Seiten, ISBN 3-570- 50030-6.
Das kleine Buch der Erde hat gerade einmal schon jetzt auf seine Weise: Ein Kapitel über
Postkartenformat, zählt aber inhaltlich zu den „Wörgl - Geld, das zu horten sich nicht lohnt“
ganz großen Büchern und ist uneingeschränkt (S. 106-108), Hinweise auf die Web-Seiten der
zu empfehlen als Vademecum auf dem Wege inwo und von geldre-form.net, Werner Onkens
zu neu-en Denkansätzen in Ökologie und Beitrag über Freigeldexperimente in dieser
Ökonomie. Auf jeweils 3 - 7 Seiten wird in Zeitschrift (ZfSÖ 58/59, Mai 1983, S. 3-20),
Abschnitten ein stichwortartig benannter Zu- auf die Bücher von Creutz und Kennedy sosammenhang dargestellt und entwickelt wie z.B. wie von Lietaer finden sich über mehrere KaFreier Handel - Gewinner und Verlierer, Die pitel verteilt. Das Thema Wachstumszwang
Schulden der Ersten Welt - aus der Sicht des wird in einem eigenen Abschnitt behandelt.
Südens oder auch: Ein Binnenmarkt für Wie Wirtschaft, Umwelt, Globalisierung und
Emissionsrechte - Für mehr Gerechtigkeit in Politik der transnationalen Unternehmen
jedem Land. Mehrere Lite-raturtips sowie ggfs. funkti-onieren und sich auf Natur und soziale
Fakten beschliessen die einzelnen Kapitel, mit Lage der Menschen auswirken, wird verdeuteiner Gesamtwiedergabe der Literatur am Ende licht. Der frühere Direktor der Bank von Engdes Buches, angereichert um Web-Adressen land, Lord Josiah Stamp, wird mit einer Äußevon Inititativen und Verei-nigungen. Die ist rung von 1937 zitiert: „Das moderne Bankenideal für denjenigen, der nicht nur lesen, son- system erzeugt Geld aus dem Nichts. Dieser
dern auch sich engagieren oder inhaltlich ver- Vorgang ist vielleicht der erstaunlichste
Taschenspielertrick, der je erfunden wurde“
tiefen will.
Ekkehard Lindner als langjähriger Vorsitzen- (S.85) und Michael Rowbotham kommt wie
der der Sozialwissenschaftlichen Gesellschaft folgt zu Wort: „Zu sagen, das Finanzsystem
1950 e.V. brachte vor einigen Jahren in einem sei verrückt, ist eine Untertreibung. Die SituaMitgliederrundbrief die Hoffnung zum Aus- tion ist unbeschreiblich, und es ist unglaublich,
druck, in einigen Jahrzehnten möge bei jeder dass keiner der Beteiligten genau hinsieht, was
Diskussionsrunde zu einem gesellschaftlichen sie da tun, und einfach nur angesichts des
Thema auch an die Einladung und Berücksich- Wahnsinns, der dem ganzen Prozess innetigung eines Vertreters der Freiwirtschafts- wohnt, in Gelächter ausbricht“ (S. 85). Bankschule gedacht werden. Bruges realisiert dies geschäfte ohne Zinsen (S. 224-227) und ein
Bretton Woods des 21. Jahrhunderts (S. 230235)
sind
ebenfalls
interessante
Thematisierungen. „Eine Hauptursache der
Ungleichheit ist ein ökonomisches System, das
Zinsen für Kredite berechnet. Das Geld fließt
von den Armen, die Darlehn brauchen, zu den
Reichen, die Teile ihres Vermögens verleihen
können“(S. 52). „Das Leitprinzip für den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank ist dies: Was auch immer geschieht, was
auch immer schief läuft, das Vermögen der
westlichen Gläubiger muss geschützt und vermehrt werden“(S. 123). Und für alle, die regionales Wirtschaften der ungehemmten
Globalisierung vorziehen, eine mir zuvor unbekannte Äußerung von Keynes aus 1933: „Ich
sympathisiere mit denen, welche die
Wirtschaftsverpflechtungen zwischen den
Nationen auf ein Minimum beschränken wollen. Ideen, Wissen, Kunst, Gastfreundschaft,
Reise - das sind Dinge, die ihrer Natur international sein sollten. Aber Waren sollten hausgemacht sein, wann immer dies vernünftigerweise möglich ist. Und vor allem das Geldwesen
sollte vorzugsweise national sein (S. 134f). “
Der Riemann Reihe One Earth Spirit ist nach
den Lietaer-Ausgaben wiederum ein echter
Treffer gelungen. Glückwunsch!
Jörg Gude
Ein Vortrag von Helmut Creutz auf
Knopfdruck?
Um Freunden und Bekannten nicht umständlich und mehr oder weniger erfolgreich den Fehler in unserem Geldsystem
und seine Auswirkungen erklären zu müssen, kann man jetzt neue Wege gehen, um
andere Menschen mit ins Boot zu holen.
Oftmals scheitern wir an der Vermittlung
der komplexen Zusammenhänge und wünschen uns heimlich einen Helmut Creutz
oder einen anderen kompetenten Freiwirtschaftler herbei, der unserem Gegenüber die Thematik einleuchtend herüber zu
bringen vermag. Seit einigen Monaten können wir diesem heimlichen Wunsch ein
ganzes Stück näher kommen, denn es gibt
ein Video, in dem Helmut Creutz und andere bekannte Freiwirtschaftler die Zusammenhänge zwischen der Beschaffenheit
unseres Geldes und den volkswirtschaftlichen Konsequenzen beleuchten. Das Video kostet erschwingliche 11,- Euro und
kann bei uns bestellt werden. Neben Helmut Creutz kommen in dem 67 Minuten
langen Video andere bekannte Autoren und
Referenten, wie Carl Amery, Barbara Creutz,
Volker Freystedt, Prof. Dr. Roland Geitmann,
Prof. Dr. Margrit Kennedy, Prof. Dr. Günther
Moewes, Werner Onken, Klaus Popp, Prof.
Winfried Radtke und Prof. Dr. Senf zu Wort.
Sollten Sie demnächst eine Veranstaltung zum
Thema Freiwirtschaft planen, so erleichtert
Ihnen möglicherweise das Video die Auswahl
des richtigen Referenten für Ihre Zielgruppe.
Am besten man bestellt gleich zwei Videos,
denn das eine ist ja sowieso ständig ausgeliehen...
Video, DVD und Bücher von Helmut Creutz
sowie weitere Informationen zur Geldreform
sind erhältlich beim INWO-Versand oder über
die Homepage www.INWO.de
INWO/Versand
Sambach 180
D-96178 Pommersfeld
Tel.: 09502 921366
Fax.: 012 12 51 25 97
Seite 27
Dialog
Vor 70 Jahren – Übernahme der Senf liegen auch richtig. Letzterer erläutert in
seinem Text ja die Wirtschaftskrise und ihre
Cunz, Steinbach-Hallenberg, wurde in der thü- Macht durch die NSDAP:
Währungsgedanken von Adolf Holland-
ringischen Zeitung „Freies Wort“ veröffentlicht und erschien bereits im CGW-Rundbrief
Juni 02.(CGW-Christen für gerechte Wirtschaft: Rudeloffweg 12, 14195 Berlin) Wir veröffentlichen ihn als Beispiel dafür wie alle in
die öffentliche Meinungsbildung durch Leserbriefe an ihre jeweilige Zeitung eingreifen können.
Wir haben eine neue Währung. Währung soll
währen, Bestand haben, dauerhaft ihren Wert
behalten. Die DM bestand 53 Jahre, doch
währte sie auch? „Freies Wort“ v. 28. 12. 01
zeigte es auf: Die Kaufkraft einer DM im Vergleich zu 1949 fiel auf 25 Pfennige. Das bewirkte eine schleichende Inflation von ca. 3%
pro Jahr. Dabei hatte doch die Bundesbank lt.§ 3 Bundesbankgesetz die Aufgabe, die Währung zu sichern.
Fritz Leutwiler, ehem. Präsident der Schweizer Nationalbank sagte einmal: „Auf keine
andere Art und Weise als durch Inflation können in so kurzer Zeit so wenige reich und so
viele arm gemacht werden.“
Der Euro soll nun so stark werden wie die DM,
nicht stärker, das wagen seine Hüter nicht zu
hoffen. Ein schwacher Trost, wenn wir in wiederum 50 Jahren weitere 75% Kaufkraftverlust haben.
Währungen sind über lange Zeiträume zu bewerten. So, wie sie heute organisiert sind, währen sie nicht. Geld ist neben seiner Funktion
als Tauschmittel auch Wertmesser,
Preisvergleicher, also eine Maßeinheit. Wenn
das Meter nun in 50 Jahren ebenfalls auf wenige Zentimeter schrumpfte? Wenn das Kilogramm jährlich 30 Gramm verlöre? Wir würden es als Betrug bezeichnen. Finden Sie diesen Vergleich absurd? Er ist bedenkenswert,
denn beim Geld als Wertmaßstab nehmen wir
den Verlust hin. Inflation ist Betrug am Volk!
Daran merkt man, dass wir über das Funktionieren von Währungen nur wenig wissen und
nicht nachdenken, ob es auch besser geht.
Autoren wie Margrit Kennedy und Helmut
Creutz belegen in ihren Büchern, dass es Lösungen für die Organisation von stabilen Währungen gab und gibt. Mündige Bürger sollten
über diese Lösungen nachlesen und sie von
ihren Politikern demokratisch einfordern.
Noch einmal Fritz Leutwiler: „Demokratie
setzt, wenn sie funktionsfähig bleiben soll, eine
stabile Währung voraus“.
Seite 28
Zu diesem grundsätzlichen Artikel von Prof.
Bernd Senf in ALTERNATIVEN Nr. 45 –
gekürzt aus seinem Buch „Der Nebel um das
Geld“ – den wir mit einer Graphik von Helmut Creutz einleiteten, schreibt Dr. Frank
Schepke, Löptin:
„Bei graphisch richtiger Darstellung der vorgegebenen Zahlen (Wählerstimmen der
NSDAP und
Arbeitslosenzahlen) ist der enge Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und steigender Zustimmung zur NSDAP keineswegs zu erkennen. Im Gegenteil, die Zunahme der Stimmen
für die NSDAP liegt verhältnismäßig über der
Zunahme der Arbeitslosenzahlen. Was will
Herr Creutz mit dieser verzerrten Graphik zum
Ausdruck bringen? Und was übernimmt Herr
Senf hier ungeprüft? Da sicherlich nicht alle
Arbeitslosen die NSDAP gewählt haben, müssen weit mehr Stimmen aus anderen Bevölkerungsgruppen gekommen sein. Warum wählten sie NSDAP? Was bewog sie, ihr Vertrauen
den anderen Parteien zu entziehen? Diese Frage sollte untersucht werden. Man würde vielleicht zu einer anderen Erklärung des Erfolges der NSDAP kommen, der nicht nur auf
die Arbeitslosigkeit zurückzuführen wäre. Hat
man sich die Sache stets zu einfach gemacht?“
Auswirkungen sehr ausführlich. Außerdem
streift er einige geschichtliche Entwicklungen
in Deutschland, deren Auswirkungen mit erklären, warum so viele Menschen auf die
NSDAP setzten. Redaktion und Autoren haben sich insofern die Erklärung für den Aufstieg der Nationalsozialisten zu einfach gemacht, dass sie - vor allem in der Graphik - die
eine Auswirkung der schweren Krise, nämlich
die Arbeitslosigkeit, optisch zu stark als Ursache für den Erfolg der N SDAP herausstellten.
Wir wollen versuchen, diese Graphik künftig
zu erweitern und z.B. Zahlen für den Anstieg
der Firmenzusammenbrüche und der Verschuldung, besonders des Mittelstandes, der
kleinen Kaufleute, Bauern und Handwerker in
die Graphik einzuarbeiten, um ein
vollständigeres Bild der Auswirkungen Krise
bereits in einer Graphik darzustellen. Evtl. suchen unsere Internetfreaks nach entsprechenden Zahlen, die vermutlich das statistische Bundesamt vom früheren Reichsamt für Statistik
übernommen hat.
Dann würde wahrscheinlich deutlich, dass es
in diesem Bevölkerungskreis, der damals einen
höheren Prozentsatz stellte als heute, einige
Millionen Krisenopfer gab. Infolge des Anstiegs der Arbeitslosenzahl auf ca. 6 Mill. Arbeitslose, deren Unterstützung damals hart an
die Existenzgrenze ging, brach für den Mittelstand die Nachfrage nach ihren Produkten
zusammen.
Mittelstand – Hauptopfer von Inflation
und Krise
Es kommt hinzu, dass sich viele Klein- und
Mittelbetriebe in der Konjunktur von 1924 bis
1928 verschuldeten, um nach Krieg- und Inflation ihre Betriebe zu modernisieren. Zwar
stand infolge der Kriegs- und Inflationsverluste
eine längere Konjunktur bevor. Der niedrige
Arbeitslosenstand von nur 300 000, ein Jahr
nach der Inflation, signalisierte den Aufschwung. Warum dann nicht auf Pump modernisieren? In der Konjunktur sind die Zinsen in den Preisen von den Verbrauchern hereinzuholen und auch diese profitieren als Arbeitnehmer bei Vollbeschäftigung von steigenDie Redaktion hält es für geboten, ausführ- den Löhnen. Wer informierte jedoch darüber,
lich auf diese Fragen einzugehen:
dass mit der Wiedereinführung der GoldwähDr. Schepke hat recht. Aber Helmut Creutz, rung im Jahre 1924, für die sich die Reichsvon dem die Graphik stammt, und Prof. Bernd bank die Golddeckung, mit einer Goldanleihe
von 800 Millionen Dollar aus den USA pumpen musste, die deutsche Wirtschaft an das
Schicksal der US-Wirtschaft gekoppelt wurde?
Und wer erklärte, dass nach den Gesetzen der
Kapitalverwertung es in den USA, die keine
Kriegszerstörungen erlebte, und als Kriegslieferant der Gegner Deutschlands beste Geschäfte machte, wesentlich früher zu einer
schweren Krise kommen muss als in Europa?
Die Folge dieser Kopplung war, dass die USA
infolge der Wirtschaftskrise ihre Kredite abzogen und zwar ihre Goldkredite, so dass die
Reichsbank die Geldmenge kürzen musste.
15% Reduzierung reichte, um ca. 6 Mill. Arbeitslose und den Gesamtzusammenbruch der
Wirtschaft zu erzeugen, da Millionen Mittelständler ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen
konnten und unter dem Hammer des Versteigerers ihr Eigentum verloren. Allein Silvio
Gesell und die Freiwirtschaftsbewegung warnten in zahlreichen Denkschriften und Aufsätzen vor dieser Entwicklung.
Millionen Mittelständler waren Opfer der
Inflation und verloren Ersparnisse und
Kriegsanleihen. Daher war die Eigendeckung
ihrer Betriebe besonders gering, als sie sich
verschuldeten. Um so tiefer stürzten sie in der
Krise ab. Wahlpolitisch stellten sie das Gros
der Wähler der bürgerlich-liberalen und bürgerlich-nationalen Parteien. Da diese, mit Ausnahme der DNVP (Deutsch-Nationale Volkspartei) meist in Koalition mit der SPD in der
ganzen Zeit der Weimarer Republik die Regierung mit stellten, und sie in den Augen ihrer
von der Krise besonders hart getroffenen
Wähler, als schuldig an ihrer Not eingestuft
wurden, entzogen diese Wähler ihnen von
Wahl zu Wahl stärker ihr Vertrauen und wählten NSDAP.
Dagegen blieb der Großteil der Arbeitslosen
auch in der Krise den Linksparteien treu—mit
leichter Verlagerung der Stimmen von der SPD
zur KPD und geringer Abwanderung zur
NSDAP.
Insofern ist die Beobachtung Dr. Schepkes
richtig, dass die Stimmenzahlen der NSDAP
weit höher waren als die Zahlen der Arbeitslosen. Die Graphik konnte die Wirtschaftskrise
insgesamt für die Zunahme der NSDAP-Stimme nicht verantwortlich machen, weil nur die
Zahl der. Arbeitslosen dazu herangezogen
werden konnte und nicht die ähnlich große
oder größere Zahl bürgerlicher Krisenopfer,
die vorwiegend auf die NSDAP umstiegen. Zu
berücksichtigen ist auch, dass von der Krise
Betroffene aus dem Haushalt größtenteils noch
eine zweite Wahlstimme einsetzen konnten, so
dass die Zahl der NSDAP-Stimmen größer war
als die Zahl der bürgerlichen Krisenopfer und
der Arbeiter-Krisenopfer, sofern diese zur
NSDAP wechselten.
Mangelndes demokratisches Bewußtsein arbeitet dem autoritären NS-Politikmodell zu.
Bernd Senf wies darauf hin, dass er in seinem
Buch als die Aufgabe sah, die ökonomischen
Hintergründe des Aufstiegs der NSDAP herauszuarbeiten, dass aber andere Faktoren nicht
übersehen werden dürfen. Das deutsche Volk
konnte nicht in wenigen Jahren sein geschichtliches Erbe überwinden und ein Volk von Demokraten werden. Durch einige Jahrhunderte
autoritär erzogen, trauerte ein großer Teil des
Volkes, besonders die durch Inflation und
Krise schwer geschädigten Mittelschichten,
dem Kaiserreich nach und konnten sich mit
der wirtschaftlich und politisch wenig erfolgreichen Demokratie nicht abfinden. Das zeigte die Abstimmung über die Fürstenentschädigung und die Wahl des greisen Generalfeldmarschalls von Hindenburg zum
Reichpräsidenten, der sich bis ans Lebensende als Statthalter des Kaisers fühlte. Jedoch
wurde diese Neigung zu einem autoritären Staat
– und das zeigen die Zahlen deutlich – erst in
der schweren Krise politisch wahlwirksam.
Bernd Senf schrieb dazu: „Die dramatische
Wirtschaftskrise und die durch autoritäre Erziehung deformierten Charakterstrukturen vieler Deutschen bildeten z u s a m m e n (gesperrt v. d. Red.) ein explosives Gemisch, an
das der Nationalsozialismus die Zündschnur
anlegte und damit einen entsetzlichen Weltbrand auslöste.“ Er sagte weiter, dass die NS
Propaganda in der Bevölkerung ebenso wenig
„einen Resonanzboden gefunden hätte, wenn
es mehr emotional gesundere, selbstbewusste
und freiheitsliebende Menschen gegeben hätte.“
.....Er ging auch davon aus, dass dann „die
Wirtschaftskrise – wenn sie nicht schon vorher abgewendet worden wäre – vermutlich
andere Lösungsformen hervorgetrieben hätte, mehr freiheitliche und lebenspositivere als
autoritäre, menschenverachtende und
völkermordende.“ Als Beispiel für eine freiheitliche Überwindung der Krise beschreibt er das
„Freigeld-Experiment von Wörgl – letzte
Chance für eine Krisenüberwindung ohne Hitler, Rüstung und Krieg“. Dort wurde mit einem umlaufgesicherten kommunalen Zweitgeld die Arbeitslosigkeit in 13 Monaten um 25
% gesenkt und die Gemeindefinanzen saniert.
Dr. W. Brunner, München findet, „die Nr.
46 besonders gut gelungen“ und schreibt weiter „Als Mitarbeiter der Münchener CGWGruppe, seit 55 Jahren der „Student der Anthroposophie“ und seit rd. 60 Jahren mit der
Lehre Silvio Gesells bekannt, erkenne ich das
immer pathologischer werdende Geld – Zins
– Zins – Zins-System in seiner immer mehr
zerstörerischen Form. Von Silvio Gesell habe
ich noch Anfang der 50er Jahre von einem seiner großen Schüler, dem Schweizer Volksschullehrer, der dann 4-facher Dr. honoris causa und
Prof. hc. wurde, von Werner Zimmermann hier
in München gehört. Auch freue ich mich über
den Artikel von Frank Bohner „Geld-unordnung und soziales Chaos“ mit Gedanken
von Rudolf Steiner“.
Günter Seiffert, Hildesheim legte einen Leserbrief an die Zeitschrift für SOZIALÖKONOMIE bei, in dem er aus seiner Kenntnis
über Wirtschaftsvorgänge in Südafrika fragt,
ob die Probleme der ersten Welt auch global
anzutreffen sind und für Zweit- und DrittweltLänder nicht eine differenziertere Betrachtungsweise angebracht ist. Anlass war die Nummer 136 der Zeitschrift, die sich ausgiebig mit
Inflation, Deflation, Liquiditätsfalle u. a. beschäftigte. Als Beispiel nennt er Südafrika/
Namibia „weil dort die Anbindung an die globalen Systeme gut ausgebildet ist. Die lange
Zeit der Apartheid verfestigte die Einkommensunterschiede – die UNO stellte fest,
dass Namibia die weltgrößten Unterschiede
zwischen den Einkommen der Schwarzen und
Weißen hat, woran auch die Black Powerment
Gesetzeso schnell nichts ändern werden..
Der Geldmangel der überwiegend schwarzen
Mehrheit bedingt, dass das Geld mit enormer
Geschwindigkeit umläuft und in kurzer Zeit in
den Kassen des Handels landet, während durch
das höhere Einkommen der wohlhabenden
kleineren Bevölkerungsschicht eine entsprechendem Erstwelt-Ökonomie unterhalten
wird. Von einer Geldhortung kann auch bei
ihr nicht ausgegangen werden,
da
selbst langfristige Sparzinsen selten die Inflationsrate übertreffen, weshalb Anlagen in Sachwerten – Grundstücke, Farmen - bevorzugt
werden. Eine Geldumlaufsicherung ist hier
abwegig.“
INWO-Mitglied Oskar Peter, Bingen: „Vor
einigen Jahren stand ich vor den Toren des
Werkes, für das ich u. a. besondere Bauteile
für die Rüstung zu entwickeln hatte – und ich
sprach mich eindeutig für eine Produktion von
friedlichen Bauteilen aus. Die Kündigung war
nicht zu vermeiden. Habe ich während der
„guten Jahre“ bis zu 10% meines Einkommens
alternativ gespendet, ist es jetzt schon recht
knapp geworden. Und mein alternatives Studium und entsprechende Tätigkeiten möchte
ich keinesfalls reduzieren - ganz ohne Ausgaben ist das leider nicht möglich. Sind Sie einverstanden, dass ich in Zukunft für ein Abo
nun regelmäßig ... E überweise?
Wir haben hier einen kleinen AK, der sich bisher vornehmlich mit Fragen menschlicher Verhaltensweisen auseinander setzte. In den nächsten Wochen möchten wir u. a. Fragen der
Sättigung der Märkte nachgehen. Die ausufernde Angebotspolitik baut ja auf der Theorie auf,
dass der menschliche Bedarf unbegrenzt sei,
und das stimmt ja vorne und hinten nicht.
Wohin letztlich beständige Gewinnmaximie-
Seite 29
rung führen muss, wird in die Überlegungen
einzubeziehen sein. Ihrem nie ermüdendem
Engagement wünsche ich zunehmend sichtbare Erfolge.“
Sybille Beckel, Würzburg, an die Aktion
Dritter Weg: „Ich habe hier Ihr Info zur Veranstaltung zum Ausstieg aus der Atomenergie
vom 19. 10. 02 in Hannover vor mir. Wie ich
sehe, hat auch die Partei Bündnis für die Zukunft das Ziel, die Zinswirtschaft zu beenden.
Daher schicke ich Ihnen das Programm zu.
Vielleicht kennen Sie es schon. Es wäre gut,
wenn Sie sich mit dieser Partei zusammentun
würden, um gemeinsamen Zielen einen Schritt
näher zu kommen. Es ist freilich noch ein weiter Weg dahin. Ich finde das Programm gut
und zukunftsweisend, bin aber trotz Enttäuschungen noch bei den Grünen, da ich auch
kleinere, mögliche Schritte wichtig finde. (Zum
strategischen Teil dieses Briefes nehme ich im
Beilagenteil unter „Warum ich noch bei den
GRÜNEN mitarbeite“ Stellung – G. O.)—
Vielleicht würden Sie auch den Protestbrief
von Robin Wood unterschreiben, bei dem es
um Einwendungen im Planfeststellungsverfahren gegen die Uranreicherungsanlage in
Gronau/NRW geht.“
Martin Immler, Leer bei Emden schickte
uns Unterlagen über eine Tagung des Reformierten Bundes „Auf dem Wege zu einem
Anti-Mammon-Programm“ in Hannover. In
den Unterlagen heißt es u. a. „Der Reformierte Bund bündelt die Aktivitäten in seinen Reihen zum Thema Gerechtigkeit, Glauben und
Geld unter dem Namen Anti-Mammon-Programm. Er verpflichtet sich in all seinen Arbeitsbereichen den Zusammenhang von Gerechtigkeit, Glauben und Geld aufzudecken
und jeweils den Einfluss und die Funktion wirtschaftlicher Hintergründe transparent zu machen. Er fördert mit seinen Mitteln und seinem Einfluss Initiativen in den Gemeinden,
die sich für ein alternatives Wirtschaften und
für die gerechte Verteilung von Reichtum einsetzen., Der Reformierte Bund macht in den
Gremien, in denen er vertreten ist, das AntiMammon Programm bekannt und lädt ein,
daran mitzuwirken.“ Interessenten wenden sich
an die Geschäftstelle: Vogelsangstr. 20 – 42 109
Wuppertal.
Friedrich von As, Riedlingen, macht auf
seine neueste Schrift „Grünes Land“ aufmerksam:, die zu 8 Euros, mit Porto, bei uns
vorbestellt werden kann. Sobald ein Besprechungsexemplar vorliegt, stellen wir die Schrift
ausführlicher vor. Die Ankündigung von Friedrich von As: „Werden die Abläufe in unserem
Land und auf der ganzen Erde inzwischen
nicht täglich verrückter? Muss das nicht im
totalen weltweiten Chaos oder Krieg enden?
Muss es nicht ... weil immer mehr Menschen
Seite 30
jetzt auf den Kern des ganzen Unsinns stoßen werden und zwar in meinem merkwürdigen neuen Taschenbuch ‚GRÜNES LAND’.
Das Buch wird zwar mir zugeschrieben, ist aber
nicht von mir. Wie das? Sein Inhalt flog mir
mysteriös zu.
Die Lösung wirtschaftlicher Probleme ist simpel, wenn wir konsequent und gnadenlos die
Geldströme betrachten: Fast die Hälfte des
Weltvermögens gehört 358 Personen. GRÜNES LAND macht demgegenüber klar, dass
Städte, Gemeinden, Landwirte, Unternehmen,
Familien, ganze Völker schuldenfrei werden
müssen. Warum? Allein alle deutschen Schulden betragen bereits 6 Billionen Euro. Und das
gilt für jedes Land der Erde so oder noch
schlimmer. Der Politik fällt nichts mehr ein.
Das Buch zeigt deshalb 1. wie die Macht des
Geldes gebrochen werden kann, 2. wie Arbeitsplätze entstehen und 3. wie der Naturraub gestoppt wird. Diese Büchlein „GRÜNES
LAND – Brich die Macht des Geldes“ entwickelt enorme Kraft.“
Aber es gab auch eine massive Kritik von
Sebastian Bischoff, Sindelfingen, unter dem
Thema „Barbarei als Alternative verkauft.“
1. „Ob es denn Zufall ist, dass Ihr bei Steiner
ständig die Zitate über die Juden überspringen
müsst?“
Lieber Sebastian Bischoff, Sie können gern einen entsprechenden Artikel schreiben. Allerdings, da die Debatte allzu häufig wenig sachlich statt findet, bitte nicht nach den Vorbild
von Jutta Dittfurth „Entspannt in die Barbarei“. Frau Dittfurth hatte nicht den Ehrgeiz,
zu verstehen, was von den Autoren, die sie
angreift, eigentlich ausgedrückt werden sollte.
Sie hält sich lieber bei Formulierungen und
Beispielen auf, die eine ihrer Meinung genehme Interpretation und Missdeutung zulassen.
Für eine sachliche und differenzierte Auseinandersetzung wäre es deshalb schon wichtig,
dass man sich die Mühe macht und untersucht,
wie denn die entsprechende Formulierung von
dem Autor gemeint war oder ist. Insbesondere im Fall von historischen Persönlichkeiten
ist eine Reflektion der damaligen intellektuellen, kulturellen, politischen und persönlichen
Situation oftmals unverzichtbar. Letztlich kann
man Zitate nur dann in den richtigen Kontext
zu setzen, wenn man auch den Gesamtkontext,
im Fall von R. Steiner, seine Philosophie,
grundsätzlich begriffen hat. Sicher sind das
hohe Ansprüche, aber mit Blick auf die seit
Jahren stattfindende Debatte halten wir diese
Ansprüche für berechtigt. Autoren, die Zitate
aus dem Kontext reißen, um die Worte sogleich
auf die Goldwaage zu legen und dann lange
darüber zu polemisieren und Hasstiraden aufzuführen disqualifizieren sich letztlich selbst.
Soweit es sich in Ihrem Artikel um eine nachvollziehbare, fundierte und sachliche Argumentation handelt, steht einer Veröffentlichung
nichts im Wege, ganz im Gegenteil, wir würden uns darüber freuen!
2. „Bodenbewußtsein – Scholle: Wie geht Eure
Abgrenzung zu Leuten, die Euch da beipflichten und die wohl auch Ihr Faschisten nennen
würdet?“
Diese Kritik bezieht sich auf den Bericht über
„Umwelt-Bundesamt will Boden-Bewußtsein
wecken“, Seite 17, Nr. 46, den Josef Hüwe
verfasste. Im größten Teil des Berichts werden wichtige ökologische Fakten aufgezählt.
Bodenzerstörung ist ja ein Teil der Umweltzerstörung und hat mit der Blut- und Bodenideologie der Nazis nichts zu tun. Wer heute
eine ökologische Bodenpolitik und auch Bodenbearbeitung fordert – und wir gehören als
Zeitschrift, als Liberalsoziale in den Grünen
und als Aktion Dritter Weg dazu – trifft keine
Aussage zur Bodenpolitik der NSDAP. Wenn
Sebastain Bischoff auch unsere Nr. 45 kennen
würde, mit dem umfassenden Aufsatz von
Bernd Senf über die ökonomischen Hintergründe des Aufstiegs der NSDAP, würde er
evtl. nicht fragen, wie wir zu Leuten stehen,
„die Euch da beipflichten, die auch Ihr Faschisten nennen würdet.“
Eine ökologische Bodenpolitik heute ist das
eine und die Bodenpolitik der Nazis war das
andere, was zwar verurteilen, aber dennoch reflektieren. Und ein drittes ist die liberalsoziale
Bodenpolitik der Beendigung der Ausbeutung
von Menschen und Natur durch das geltende
kapitalistische Boden-un-recht, das wiederum
das Umwelt-Bundesamt aus seinen Überlegungen ausklammert, wie es offensichtlich die
Bodenpolitik der Nazis aus der Debatte verschwinden lassen will.
Und wie wir „zu solchen Leuten stehen“, das
steht eindeutig im § 3 der Satzung von A3W –
AKTION DRITTER WEG: „Fremdenfeindlich-rassistische, nationalistische, faschistische
und gewalttätige Einstellungen und Handlungen sind Gründe zur Verweigerung der Aufnahme in die Vereinigung und zum
Ausschluss.“ Erwartest Du in jeder Ausgabe
der Alternativen eine explizite Distanzierung
vom sogenannten rechten Gedankengut?
3. sagt Sebastian Bischoff: „Seht Ihr nicht, dass
Geld nur allgemeines Äquivalent ist und nicht
das Böse. Dass Ihr Euch dann schon ansehen
müsstet, wie und unter welchen Umständen
hier produziert und gehandelt wird.“ Sebastian Bischoff vertritt hier die altmarxistische
Position, dass das Geld lediglich die Produktionsverhältnisse widerspiegelt, sie aber nicht
beeinflusst. In meiner Schrift zu Karl Marx und
Silvio Gesell “Warum der Marxismus scheitern
mußte. Widersprüche zwischen Mehrwerttheorie, der Grundlage der realsozialistischen
Versuche und der Geldtheorie von Marx, Basis eine Sozialismus in Freiheit” und in der
Schrift zum dritten Weg der PDS “Führt der
“Dritte Weg” der PDS in den demokratischen
Sozialismus oder in einen Sozialkapitalismus?”
habe ich aufgezeigt, wie Marx selbst von dieser marxistischen Auffassung im 3. Band „Das
Kapital“ abgerückt ist. In seiner Werttheorie
ist der Grund zu finden, warum Marx, nachdem er bereits im Kapitel über die Metamorphose (Gestaltwandel) der Ware erkannte, dass
Geld die Einheit des Warenaustausches sprengen und Krisen verursachen kann, dann doch
nicht diese Spaltfunktion des Geldes für die
Ausbeutung verantwortlich machen kann. Vielmehr muss er auf der Grundlage der Werttheorie von einer Äquivalenz (Gleichwertigkeit
von Geld und Ware, Geld und Arbeitskraft
ausgehen, so dass die Ausbeutung nicht in der
Sperrfunktion des Geldes, in der Zirkulationssphäre, zu suchen ist, sondern dass sich dort
nur gleichwertige Dinge austauschen –eben
äquivalent. Darin dürfte wohl der größte Irrtum von Marx zu sehen sein, der ihn dann
zwang, die Quelle der Ausbeutung in der Produktion und im Eigentum an Produktionsmitteln zu sehen. Daraus wieder ergab sich
seine Mehrwerttheorie und die politische Forderung nach Vergesellschaftung der Produktion, mit der in keinem Land des ehemaligen
Ostblocks der Sozialismus, eine Ordnung der
Freiheit und Gerechtigkeit, begründet wurde.
Näheres in den beiden Broschüren – s. Bücherverzeichnis. Erst durch die Gesellsche
Geldreform würde das Geld zum allgemeinen
Äquivalent aller Waren und der Arbeitskraft
und damit seinen destruktiven Charakter verlieren.
Die Lösung
John Maynard Keynes zur
Umlaufsicherung
„Jene Reformatoren, die in der Erzeugung
künstlicher Durchhaltekosten des Geldes ein
Heilmittel gesucht haben, zum Beispiel durch
das Erfordernis periodischer Abstempelungen der gesetzlichen Zahlungsmittel zu vorgeschriebenen Gebühren, sind...auf der richtigen
Spur gewesen; und der praktische Wert ihrer
Vorschläge verdient, erwogen zu werden... Der
hinter dem gestempelten Geld liegende Gedanke ist gesund.“
„Wenn ich Recht habe mit meiner Annahme,
dass es verhältnismäßig leicht sein sollte,
Kapitalgüter so reichlich zu machen, dass die
Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals null ist,
mag dies der vernünftigste Weg sein, um allmählich die verschiedenen anstößigen Formen
Kapitalismus loszuwerden. Denn ein wenig
Überlegung wird zeigen, was für gewaltige gesellschaftliche Veränderungen sich aus einem
allmählichen Verschwinden eines Verdienstsatzes auf angehäuftem Reichtum ergeben
würden.
Es würde einem Menschen immer noch freistehen, sein verdientes Einkommen anzuhäufen, mit der Absicht, es an einem späteren
Zeitpunkt auszugeben. Aber seine Anhäufung
würde nicht wachsen.“
„Obschon dieser Zustand nun sehr wohl mit
einem gewissen Maß von Individualismus vereinbar wäre, würde er doch den sanften Tod
des Rentiers bedeuten und folglich den sanften Tod der sich steigernden Unterdrückungsmacht des Kapitalisten, den Knappheitswert
des Kapitals auszubeuten...Ich betrachte daher
die Rentnerseite des Kapitalismus als eine vorübergehende Phase, die verschwinden wird,
wenn sie ihre Leistung vollbracht hat.“
Inhalt
Arbeitslosigkeit – Konjunktur – Agenda 2010
– Steuer-„Reform“............................................1
Haben „die“ Deutschen über ihre Verhältnisse gelebt?............................................................4
Verteidigung des Dollar mit anderen Mitteln
Der „Ölkrieg“ im Kontext der kommenden
Währungsbipolarität .......................................5
Heiligtum Eigentum...........................................9
Geldcrash- Retten Sie Ihr Vermögen...........15
Den Zins abschaffen oder marktgerechte Zinsen?.......................................................................16
Robinson und das Geld..................................18
Wachstum, Wachstum über alles....................19
Die Finanzen müssen stimmen! ...................20
Für eine internationale Friedensregelung im
Irak.....................................................................21
Atompolitik........................................................22
Eden – mehr als nur Reform – Siedlung.......26
r-evolution.........................................................26
„Unsere Verbündeten und ich stimmen überein, Saddam ist eine Bedrohung und muss entmachtet werden.“
Buchecke..............................................................27
Dialog..................................................................28
Veranstaltungen & Termine: ............................32
Seite 31
Veranstaltungen & Termine:
Sachsenwoche mit Georg Otto
Freitag, 7. 11. 16 Uhr 30 bis 21 Uhr Leipzig:
Der Traum vom Leben ohne Geld oder reicht
eine Reform des Geldes – zunächst nach dem
Muster von Schwanenkirchen und Wörgl ?
Heute wiederholbar? — Erfahrungen der
Tauschringe und Zweitgeldprojekte wie Haveltaler, Chiemgauer und Bremer Roland – machbar auch im Raum Leipzig? Erfolgversprechend, vor allem, wenn wie in Schwanenkirchen und Wörgl, Wirtschaft und Kommune mitmachen!
Samstag, 8. 11. von 10 – 17 Uhr Leipzig:
Weltkrisen – Geldkrisen – Gibt es Lösungen ?
50 Jahre Entwicklung in die heutigen Krisen
der Arbeit, der Finanzen, des Sozialen, der
Umwelt und des Friedens unter der Herrschaft
der Theorien der Nachfrage- und Angebotspolitik - erst unter SPD- dann unter CDURegierungen, jetzt durch Mischung beider falschen Politiken durch rot-grün. Lösung: Umlaufsicherung des Geldes als dritter Weg der
Geldpolitik.
Beide Termine können nur stattfinden,
wenn 1 Woche vorher genügend Anmeldungen bei der VHS vorliegen. Auch die
VHS muss sparen und Gebühren erheben:
Freitag E 7,-und Samstag, E: 14,Ermäßigungen lt. Leipzig-Pass 50 %. Anmeldung: VHS – Leipzig, Löhrstr. 3-7 – Tel.: 0341/
123 6054 oder 6049. Ort der Veranstaltung:
Löhrstr. 3-7, 15. Min. v. Haupt-Bahnhof. EMail: [email protected]
Sonntag, 9.11., Dresden KISS, Ehrlichstr. 3,
Vorträge Georg Otto: 10.00 Uhr „Widersprüche in der Theorie von Karl Marx“
16.30 Uhr „Wirtschaftsblüte und Kultur der
Gotik: Aufstieg - Höhepunkt und Verfall Bezüge zur Geldordnung“
Auskunft: NWO-Gruppe Dresden: Silke
Nemuth
Montag, 10. 11. Görlitz 19. 30 Uhr, Jakobstr.
24, Gemeindesaal d. Frauenkirche,
Geldprojekte früher und heute – auch in der
Lausitz möglich? Lösung der Krise auf Bundesebene durch Agenda 2010 und Steuer-Reform?
Auskunft: Bündnis 90/Grüne – Gottfried
Semmling, Nicolaistr. 3, Tel.:03581/417 386.
Mittwoch, 12. 11. Meissen
20 Uhr im Prälatenhaus, Rote Stufen 5:
Wege aus der Krise der Arbeit, der Finanzen,
des Sozialen – Helfen Agenda 2010 und Steuer-Reform? Kontakt: Die Grünen, 03521/
730577
Donnerstag, 13. 11. Mittweida,
19 Uhr Bürgerzentrum, Müllerhof, Auerweg 37
Thema wie Meissen
Kontakt. Sigrid Köhler, Tel.: 037384/17993
kooperativ von Bürgergruppe und Grünen.
Freitag, 14. 11. Stollberg 19 Uhr, Lokal „Zum
Griechen“ am alten Naturbadeteich
Das Geld der Hanse und Gotik – was lernen
wir aus der Geschichte?
Dia-Vortrag. Kreisverband Grüne
Samstag, 15. 11. Chemnitz 10 – 17 Uhr Hainstr. 109, Raum 1: Thema wie VHS Leipzig,
Auch hier findet die Veranstaltung nur bei
rechtzeitigen Anmeldungen bei der VHS statt,
die ebenfalls Gebühren verlangt.
Anmeldungen bitte umgehend: VHS
Chemnitz, Park d. Opfer des Faschismus, Tel.
0371/67420200 – Kurs-Nr. W 0311 110 –
E-Mail: [email protected]
15.-16. 11. in Bad Boll, Badstr. 35
Tagung des Seminars Fragen der Freiheit:
Thema: Reform der Altersversorgung – Keine
Rentenrefor m ohne Erneuerung des
Generationenvertrages: 37087 Bad Boll – Tel.
07164/3573 E-Mail: [email protected] — Internet:
www.sffo.de
INWO-Tagung
Freitag 7. bis Sonntag 9. November 2003
Silvio-Gesell-Tagungsstätte; Wuppertal
Thema: Das Ende der Zinswirtschaft. Behandelt werden Theorie, Geschichte und Strukturen der Geldreformbewegung; Referenten sind
Kl,aus Popp und Helmut Creutz.
Auskunft erteilt: Klaus Popp, Blasius Str. 63,
40211 Düsseldorf
Geld- und Bodenreformen - nicht ausreichende, aber unbedingt notwendige Entwicklungen
für wachstumsneutrale, sozial ausgewogene und
nach innen und außen friedliche Gesellschaften. Ein Einsteigerseminar über Ideen und
Perspektiven der “fairconomy“.
Behandelt werden die Theorie, die Geschichte und die Strukturen der Geldreform Bewegung. Darüber hinaus werden aktuelle Entwicklungen und Projekte vorgestellt. Nach seinem
Vortrag steht Helmut Creutz für eine ausführliche Diskussion zur Verfügung.
Das Ende der Zinswirtschaft
Grundlagen und Perspektiven einer zukunftsweisenden Wirtschaftsordnung
Vorträge am Samstag ab 9.30 Uhr:
ALTERNATVEN
31079 Eberholzen, Gänseberg 11
Postbank Hannover
BLZ 250 100 30
Konto Georg Otto, Kto-Nr. 25 00 42-303
PV: DP AG, Entgeld bezahlt
Klaus Popp: Von der Freiwirtschaft zur
“fairconomy”
Helmut Creutz: “Ökonomie ohne Kollaps”
Das Seminar ist so gestaltet, dass es als Tagesveranstaltung sowie als Wochenendseminar (für
mehr Hintergrundinformationen) genutzt werden kann.
Der Freitagabend steht dem gemütlichen Zusammensein, Kennenlernen und zum Informationsaustausch zur Verfügung. Das Seminar
endet am Sonntag mit dem Mittagessen.
Tagungsgebühr für Samstag 10 € (incl. Mittagessen).
Beitrag für 2 Übernachtungen und Essen beträgt zwischen 77.- und 85.- Euro (Tagungsgebühr entfällt).
Anmeldung und weitere Informationen bei
Klaus Popp,
INWO Geschäftsstelle Düsseldorf,
Blasiusstrasse 63, 40221 Düsseldorf.
Email: [email protected]
Tel. Dienstag bis Freitag 9 bis 11 Uhr : 0211304105
10. 12. Erfurt:
Vortrag vor der attack-Gruppe zur Geld- und
Demokratie-Reform : Kontakt: 0172/79 37 374
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Deutsche Ido-Gesellschaft informiert:
Jetzt haben wir den EURO als gemeinsames Geld für Europa !Haben wir
auch eine gemeinsame Sprache
(EURO-linguo) als Zweitsprache, damit wir uns ohne Schwierigkeiten verständigen können?Eine solche Sprache
gibt es schon lange und muß nur nocheingeführt werden: Die internationale
Sprache Ido!Zehn mal leichter als Englisch. Informationen für 56 Cent in
Briefmarken,
Kurzkurs
2,50
Euro.Deutsche Ido-Gesellschaft e.V.
37284 Waldkappel-Burghofen Konto
184 566 –106 Postbank Berlin – BLZ 100
100 10
IMPRESSUM: ALTERNATIVEN – Zeitschrift für eine LIBERALSOZIALE ORDNUNG – LSO – zur Verwirklichung der Freiheitsrechte des Liberalismus und des Anarchismus und der Gerechtigkeitsziele der Weltreligionen, des Humanismus und des Sozialismus. Herausgeber: AKTION DRITTER WEG – A 3 W und LIBERALSOZIALE IN BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Nachdruck und Übersetzungen sind gegen Belege, Quellen- und Adressenangabe gestattet, auch im Internet.
ALTERNATIVEN erscheinen 4 mal im Jahr, die Winternummer auch jahresübergreifend. Halb-Abos von EURO 5,- bis 15,- Voll-Abos von EURO 20,- bis 40,-. Spenden-Abos darüber hinaus sichern das
weitere Erscheinen. Diese liberale Abo-Ordnung ermöglicht jedem Geldbeutel und jeder Interessenlage den Bezug, zumal auch Frei-Abos gewährt werden. Sonderkonto: G. Otto, Nr. 25 00 42 – 303,
Postbank Hannover, BLZ: 250 100 30 – Redaktion: Georg Otto, 31079 Eberholzen, Gänseberg 11. Tel.: 05065/8132. E-Mail: [email protected] homepage: www.alternativen.biz Druck: J.
Lühmann, 31167 Bockenem. Graphiken/Fotos i.d.R.: H. Creutz/G. Otto, Artikel und Leserbriefe zur Erleichterung der Arbeit möglichst per Diskette + Text oder E-Mail.
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