Untitled - Alles aus einer Hand

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Geldmultiplikator und Bankenstrategie 1
Von Renner Kleinewefers, Zürich und St. Gallen
I. Die Mängel de� traditionellen Theorie des Geldmultiplikators
D ie üblichen Geldmultiplikatoren2 führen in der Regel ein reines Lehrbuch­
dasein. Sie werden entwickelt und erklärt, verschwinden jedoch in dem Augen­
blick, in dem die Wirkung aktueller geldpolitischer Massnahmen und geldpoli­
tisch wichtiger Ereignisse analysiert werden soll. Der Grund für diese man­
gelnde praktische Effizienz der Multiplikatortheorie für die Geldpolitik liegt
darin, dass die Geldmultiplikatoren zu einfach und zu starr sind. Die üblichen
Geldmultiplikatormodelle enthalten neben definitorischen Beziehungen zu­
meist nur zwei Parameter: den Mindestreservesatz und die Bargeldneigung. Da
der Mindestreservesatz gesetzlich festgelegt ist, während die Bargeldneigung
gewohnheitsmässig determiniert ist und sich nur langsam ändert, liegt der Wert
der Geldmultiplikatoren in einem bestimmten Land und zu einem bestimmten
Zeitpunkt eindeutig fest; und eben diese Eindeutigkeit macht die Geldmultipli­
katoren zur Untersuchung der komplexen Wirklichkeit ungeeignet. Dieser
Umstand wird häufig dadurch umschrieben, dass man sagt, die durch die Multi­
plikatormodelle beschriebenen Veränderungen der einzelnen Grössen seien
nicht die tatsächlichen Veränderungen, sondern nur die maximal möglichen.
Die wirklich wesentlichen Überlegungen über die tatsächliche Grösse dieser
Veränderungen müssen also ausserhalb des Multiplikatormodells vollzogen wer­
den und können auch nachträglich nicht in das Modell integriert werden.
Im folgenden soll versucht werden, ein etwas umfangreicheres Geldmultipli­
katormodell zu entwickeln, das geeignet ist, die Wirksamkeit geldpolitischer
Massnahmen und die Wirkung geldpolitisch relevanter Ereignisse unter der
Voraussetzung unterschiedlicher Reaktionen der Banken zu untersuchen.
Gleichzeitig wird das Modell eine geeignete Grundlage für eine Untersuchung
der Rückwirkungen solcher Vorgänge auf das Ausland und die inländische Zah­
lungsbilanz liefern. Hiermit wird die Theorie des Geldmultiplikators auf einen
1 Ich danke Herrn Prof. Dr. F. A. Lutz, der sich mit den Entwürfen zu diesem Auf­
satz kritisch auseinandergesetzt hat, für eine Reihe wichtiger Hinweise. Selbstver­
ständlich wird dadurch meine alleinige Verantwortlichkeit für den Inhalt in keiner
Weise berührt.
2 Eine Zusammenfassung der traditionellen Lehre findet man bei R. Schilcher,
Geldfunktionen und Buchgeldschöpfung, Berlin 1958. Interessante neuere Entwick­
lungen bringt A. Minguet, Multiplicateur des depöts et multiplicateur des cnidits, La
Haye 1963.
17
Stand gebracht, den die Theorie des Einkommensmultiplikators bereits seit län­
gerer Zeit erreicht hat.
Das Modell wird für die Fälle der restriktiven Offenmarktpolitik, der restrikti­
ven Mindestreservepolitik und des Kapitalexports entwickelt. Auf andere Ver­
wendungs- und Erweiterungsmöglichkeiten wird jeweils hingeweisen.
II. Die strategischen Grössen der Geldpolitik
Bevor wir darangehen, unser Modell im einzelnen aufzubauen, wollen wir uns
fragen, welche Grössen grundsätzlich die aktuelle und potentielle Liquidität des
inländischen Bankensystems widerspiegeln und daher als strategische Grössen
der Geldpolitik in unser Modell eingehen müssen. Män findet diese Grössen un­
schwer in der konsolidierten Bilanz des inländischen Bankensystems.
Aktiva
Passiva
Guthaben bei der Zentralbank (Z)
Sichtdepositen der inländischen
Kundschaft (D)
Forderungen aus Krediten an die
privaten Wirtschaftssubjekte und
an die privaten Wirtschaftsubjekte
verkäufliche Aktiva (K)
·
Sichtdepositen ausländischer Her­
kunft (E)
Zentralbankfähige und an das
Ausland verkäufliche Aktiva (A)
(Sonstige Aktiva)
(Sonstige Passiva)
Wir nehmen an, dass es in unserem Land gesetzliche Mindestreserven (Z)
auf den Bestand oder den Zuwachs (das ist für die grundsätzliche Argumen�
tation in diesem Aufsatz gleichgültig) der Sichtdepositen (D+E) gibt3• Der
Satz sei einheitlich für Depositen inländischer und. ausländischer Herkunft.
Die Mindestguthaben werden nicht verzinst. Die Banken werden daher aus
Rentabilitätsgründen immer nur das· gerade erforderliche Mindestguthaben
bei der Zentralbank halten. Ein aus irgendeinem Grund erfolgender Abfluss
von Zentralbankguthaben aus dem Bankensystem zwingt die Banken dann
1\8
3 Wir setzen voraus,. dass die Mindestguthaben zu Zahlungszwecken benutzt wer­
den dürfen und nur in einem bestimmten Zeitabschnitt eine bestimmte durchschnittliehe Höhe erreichen müssen.
·\....__/
'0
zu sofortigen Gegenmassnahmen, die geeignet sind, die erforderliche
Relation zwischen Zentralbankguthaben und Depositen wiederherzu­
stellen.
Auf der Aktivseite der konsolidierten Bankenbilanz sind weiterhin Aktiva,
die an das Ausland oder die Zentralbank verkauft werden können (A), von
solchen Aktiva zu unterscheiden, die nur im Inland zu Geld gemacht werden
können (K). Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Gruppen be­
steht darin, dass Aktiva, die an das Ausland oder an die Zentralbank verkauft
werden können, für die Banken zu 100% eine Liquiditätsreserve darstellen,
die sie von den Aktionen der Zentralbank mehr oder weniger unabhängig
macht. Hingegen stellen Aktiva, die nur im Inland zu Geld gemacht werden
können ( « Inlandsaktiva » ), für das Bankensystem als Ganzes nur insofern
eine Liquiditätsquelle dar, als diese Aktiva von den Wirtschaftssubjekten mit
Bargeld bezahlt werden. Diese Barzahlungsquote ist mit der Bargeldneigung
des Publikums identisch (Bargeldneigung = Bargeld ausserhalb des Banken­
systems j gesamte Geldmenge). Zu den an die Zentralbank verkäuflichen
Aktiva zählen in diesem Zusammenhang alle Aktiva, die bei der Zentralbank
diskontiert oder lombardiert4 werden können, sowie ausländische Devisen
und Wertpapiere, für die die inländische Zentralbank regelmässig Kurspflege
betreibt. Aktiva, die an das Ausland verkauft werden können, sind z. B. Gut­
haben im Ausland, ausländische Schatzanweisungen und sonstige ausländi­
sche Wertpapiere. Aktiva, die nur an die inländischen Wirtschaftssubjekte
verkauft werden können, sind (nur im Inland gehandelte) Wertpapiere und
vor allem auch die Forderungen der Banken an die inländischen privaten
Wirtschaftssubjekte, die allerdings nicht im eigentlichen Sinn des Worts ver­
kauft, sondern nur zurückgezogen werden können.
Die in diesem Zusammenhang interessierenden Passivposten sind die
Sichtguthaben der inländischen und ausländischen Kundschaft. Die Sichtgut­
haben der inländischen Kundschaft (D) können bei einer annahmegernäss
konstanten Bargeldneigung kurzfristig nicht erhöht werden. Hingegen steht
den Banken die Möglichkeit offen (bei entsprechendem Zinsverhältnis zwi­
schen In- und Ausland), zusätzliche Einlagen aus dem Ausland (E) hereinzu­
nehmen und auf diese Weise ihre liquiden Mittel zu erhöhen.
Mit dieser Zusammenstellung sind alle geldpolitisch wichtigen Posten der
konsolidierten Bankenbilanz erfasst. Es wäre möglich, die Grössen K und A in
ihre Komponenten zu zerlegen 5 und auf der Passivseite Depositen verschiede4 In diesem Fall gewinnen die Banken allerdings nur temporär und unter erschwerten Bedingungen neue Zentralbankguthaben.
5 Für A ist eine Zerlegung in zentralbankfähige und im Ausland verkäufliche
Aktiva unter dem Gesichtspunkt der Wirkungen der Geldpolitik auf die Zahlungsbilanz interessant. Hierauf wird noch kurz zurückzukommen sein.
·
19
ner Fristigkeit mit entsprechend unterschiedlichen Reservesätzen aufzufüh­
ren. Hierdurch würde jedoch das Modell nur unübersichtlicher gemacht,
ohne dass wesentliche neue Erkenntnisse gewonnen werden könnten.
III. Der zeitliche Ablauf in einem erweiterten Geldmultiplikatormodell
Wir beginnen nun mit der Behandlung des Falls der restriktiven Offen­
marktpolitik und nehmen an, dass die inländische Zentralbank Wertpapiere
im Betrag T an das inländische Bankensystem verkauft. Bei der Zentralbank
tritt hierdurch eine Bilanzverkürzung ein, indem auf der Aktivseite die ver­
kauften Offenmarktpapiere und auf der Passivseite Guthaben der Geschäfts­
banken in gleicher Höhe verschwinden. Die Banken haben dann verschie­
dene Möglichkeiten, auf diesen Entzug von Zentralbankgeld zu reagieren,
um wieder auf das erforderliche Soll von Mindestreserven zu kommen. Sie
können ;versuchen, neue Depositen aus dem Ausland hereinzunehmen; sie
können zentralbankfähige Aktiva an die Zentralbank verkaufen, andere
Aktiva an das Ausland verkaufen bzw., was auf das gleiche hinausläuft, Aus­
landsanlagen repatriieren. Sie können ferner Wertpapiere an die inländischen
Wirtschaftssubjekte verkaufen und, was in der Wirkung auf die Geldmenge
völlig gleich ist, Forderungen an inländische Wirtschaftssubjekte zurückzie­
hen. Von diesen Massnahmen dürfte der Rückzug von Krediten von den Ban­
ken als « ultima .ratio » angesehen werden, so dass die Verminderung der aus­
geliehenen Kredite eine in der Regel sicher sehr kleine Restgrösse ist, die sich
aus der Differenz zwischen dem Reserveerfordernis und den sonstigen Mög­
lichkeiten, sich Zentralbankgeld zu verschaffen, ergibt. Im übrigen hat man
sich die Verminderung der ausgeliehenen Kredite nicht in der Form vorzu­
stellen, dass Kredite tatsächlich gekündigt und zurückgerufen würden. Eine
solche Annahme wäre unter heutigen Bedingungen höchst unrealistisch.
Vielmehr haben die Banken die Fristen der ausgeliehenen Kredite derartig
gestaffelt, dass ständig ein Rückfluss von termingernäss abgelaufenen Kredi­
ten zu den Banken stattfindet. Zur Verminderung der Summe der ausgelie­
henen Kredite ist es daher ausreichend, wenn die zurückströmenden Gelder
nicht oder nicht in voller Höhe wieder ausgeliehen werden 6•
20
6 Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Geldpolitik in einer wachsenden Wirt­
schaft nur selten eine effektive Reduktion des Geld- und Kreditvolumens bezweckt,
sondern eher nur eine Reduktion der Wachstumsraten der Geld- und Kreditmengen
anstrebt. Diese Erkenntnis, dass heute weniger absolute Grössen als Wachstumsraten
Gegenstand der Geldpolitik sind, gilt analog auch für viele andere Zweige der Wirt­
schafts- und Finanzpolitik. In dem vorliegenden Modell soll aber von den << traditionellen » Objekten der Wirtschaftspolitik ausgegangen werden, den absoluten Grössen.
,__/
'
I
Im ersten Zug des durch die Offenmarktoperation der Zentralbank ausgelö­
sten dynamischen Prozesses findet im Bankensystem ein Aktivtausch statt:
Die Zentralbankguthaben vermindern sich um den Betrag T, während
gleichzeitig ein neuer Posten « Offenmarktpapiere » mit dem gleichen Betrag
T entsteht. Da wir angenommen haben, dass das Zentralbankguthaben der
Banken immer auf dem durch den Reservesatz und die Höhe der Sichtdeposi­
ten determinierten Pflichtniveau steht und nicht darüber hinausgeht, müssen
die Banken nach dem Kauf der Offenmarktpapiere genau den Betrag T, den
sie hierfür verwendet haben, ihrem Zentralbankguthaben wieder hinzufü­
gen, um der Mindestreservepflicht zu genügen.
Wir nehmen nun an, dass die Banken von den verschiedenen Möglichkei­
ten, die von der Zentralbank abgeschöpfte Liquidität zu ersetzen, in der fol­
genden Weise Gebrauch machen:
Einen Brt!-chteil a des ihnen fehlenden Zentralbankguthabens ver­
schaffen sie sich dadurch, dass sie an die Zentralbank 7 zentralbankfähige
Aktiva und / oder an das Ausland 8 im Ausland absetzbare Aktiva verkau­
fen bzw. Auslandsanlagen repatriieren. LI A ist also im zweiten Zug gleich
-aT.
Einen Bruchteil e des fehlenden Zentralbankguthabens verschaffen sie sich,
indem sie sich im Ausland verschulden, d. h. Depositen aus dem Ausland her­
einnehmen. LI E ist also im zweiten Zug gleich + eT.
Es sei angenommen, dass (a+e) kleiner oder höchstens gleich eins ist. Es
bleibt dann ein restliches Mindestreserveerfordernis übrig, das durch die Ver­
ringerung der ausgeliehenen Kredite und/oder durch den Verkauf von Wert­
papieren 9 an inländische Wirtschaftssubjekte gedeckt werden muss, wobei zu
berücksichtigen ist, dass in diesem restlichen Reserveerfordernis auch diejeni­
gen Mindestreserven enthalten sind, die auf die neuen Depositen aus dem
Ausland fällig werden. LIK ist dann gleich -[1 -e(1-r) -a] T, worin r der
Mindestreservesatz ist.
i
'
\......./
7 Das setzt natürlich voraus, dass die Verschuldung bei der Zentralbank weniger
kostet, als die Offenmarktpapiere an Zins einbringen.
8 Diese Möglichkeit ist für die Banken rentabel, wenn die Offenmarktpapiere mehr
einbringen als die Anlage von Geld im Ausland.
9 Diese Möglichkeit besteht in Wirklichkeit nur, wenn die Banken ausser den
Staatspapieren noch andere inländische Wertpapiere in ihrem Portefeuille halten,
wie es z. B. in Deutschland im Gegensatz zu den USA und Grosshritannien in erheb­
lichem Mass der Fall ist.
Die Möglichkeit, dass die Banken im kontraktiven Fall ausser Kreditkündigungen
auch Verkäufe von Inlandsaktiva vornehmen, wird bei W. L. Smith, Reserve Require­
ment in the American Monetary System, in: The Commission on Money and Credit:
Monetary Management, Englewood Cliffs (N.J.) 1963, angedeutet. Jedoch wird die
wichtige Trennung in Refinanzierung bei der Notenbank und Verkauf an das Publikum nicht vorgenommen.
21
22
Durch diese Massnahmen wäre im zweiten Zug das vorgeschriebene Ver­
hältnis zwischen Sichtdepositen und Zentralbankguthaben wiederhergestellt,
wenn die an das inländische Publikum verkauften Indlandsaktiva (K) zu
100 % bar bezahlt würden. LI Z wäre dann gleich + ( 1 +er) T.
Das Inland kann nun von Rückwirkungen aus dem Ausland betroffen wer­
den, die dadurch entstehen, dass durch den Kapitalimport des Inlands wie­
derum im Ausland eine Verknappung der Liquidität eintritt, die teilweise
durch Kapitalimporte des Auslands aus dem Inland wieder wettgemacht wird,
Man kann diese Rückwirkungen in einem Zwei-Länder-Modell studieren,
das modelltheoretisch keine prinzipiellen Schwierigkeiten macht, aber zu sehr
komplizierten Ausdrücken führt. Zudem kommt man im Zwei-Länder­
Modell in . die Schwierigkeit, dass man das permanente Hin- und Her�
« schwappen» von Geld und die teilweise einander zur gleichen Zeit entgegen­
laufenden Geldströme nicht mehr mit ihrer in der Wirklichkeit wichtigsten
Ursache, dem Zinsverhältnis zwischen In- und Ausland, erklären kann. Es ist
daher modelltheoretisch einfacher und der Wirklichkeit adäquater, keine
Rückwirkungen aus dem Ausland anzunehmen, was dadurch zu begründen
ist, dass die restriktive Politik der inländischen Zentralbank das inländische
Zinsniveau über das ausländische Zinsniveau anhebt, so dass Geldströme,
wenn überhaupt, nur vom Ausland in das Inland laufen.
Wenn wir also von Rückwirkungen aus dem Ausland absehen, kann der
dynamische Prozess nur noch in Gang bleiben, wenn die verkauften Inlands­
aktiva (K) nicht in voller Höhe bar bezahlt werden.
Wir nehmen an, dass nur ein Bruchteil c, der der Bargeldneigung ent­
spricht, der Inlandsaktiva von ihren Käufern in bar bezahlt wird. Hierdurch
vermindert sich die Bargeldmenge ausserhalb der Banken (LIB) um den Be­
trag c[1 -e(1-r) -a] T = CLIK.
Der Rest, also (1-c) [1-e(1-r) -a] T bzw. (1 -c) LIK, wird durch eine Ver­
minderung der Sichtdepositen -(LID+LIE) bezahlt. Es verbleibt dann unter
Berücksichtigung der Depositenverminderung ein noch nichtgedecktes Reserve­
erfordernis in Höhe von (1-r) (1-c) [1-e (1-r) -a] T= (1-r) (LID+ LIE) .
Wir haben gerade gesagt, dass die von den Banken verkauften Inlandsak­
tiva zum Teil mit Sichtdepositen bezahlt werden, und wir haben implizit an­
genommen, dass sowohl Sichtguthaben inländischer als auch Sichtguthaben
ausländischer Herkunft hierfür verwendet werden. Diese Annahme stützt
sich darauf, dass die Sichtguthaben ausländischer Herkunft formal ebenso zur
inländischen Geldmenge zählen wie die Sichtguthaben inländischer Her­
kunft. Trotzdem kann man sich wohl darüber streiten, ob die ausländischen
Sichtguthaben in der gleichen Weise im Inland zu Zahlungszwecken verwen­
det werden wie die inländischen Sichtdepositen, mit anderen Worten, ob die
Umlaufsgeschwindigkeit der ausländischen Sichtdepositen ebenso gross ist wie
I
-.._/
die der inländischen Sichtdepositen. Diese Frage ist deswegen von Bedeu­
tung, weil wir die Abnahme der Sichtdepositen infolge der V eräusserung von
Inlandsaktiva durch die Banken [(LID+LIE)= ( 1-c)LIK] nun noch in die Ab­
nahme der Sichtdepositen inländischer Herkunft [LID= a(1-c) LIK] und in
dieAhnahme der Sichtdepositen ausländischer Herkunft [LIE= (1-a) (1-c)LIK]
aufteilen und den Parameter a definieren müssen.
Wenn die Sichtdepositen inländischer und ausländischer Herkunft in völlig
gleicher Weise zu Zahlungen im Inland benutzt werden, mussa =
LID
LID+LIE
-----,- --:--- und entsprechend (1 a ) =
-
E
D+E
D
D+E
=
LIE
sein. Wenn die
LID+LIE
ausländischen Sichtdepositen in gerigerem Masse als die inländischen Sichtde­
positen zu Zahlungen im Inland verwendet werden, ist a grösser und entspre­
chend (1-a) kleiner als oben definiert. Da diese Frage nur empirisch entschie­
den werden kann, soll sie hier offenbleiben.
Von dem bisher noch nicht gedeckten Mindestreserveerfordernis [(1 r)
(LID+ LIE) werden im dritten Zug des hier beschriebenen dynamischen Pro­
zesses wiederum ein Teil a durch Refinanzierung bei der Notenbank oder
beim Ausland, ein Teile durch Hereinnahme neuer Einlagen aus dem Aus­
land und der verbleibende Rest durch Veräusserung von Inlandsaktiva ge­
deckt. Da jedoch die verkauften Inlandsaktiva nur zu einem Teil in bar und
zum anderen Teil mit Sichtdepositen bezahlt werden, bleibt immer noch ein
restliches Mindestreserveerfordernis übrig, das die Banken im vierten Zug un­
seres Prozesses in der nämlichen Weise zu decken versuchen usw.
Die Ergebnisse des hier beschriebenen dynamischen Prozesses lassen sich als
Summen geometrischer Reihen eines dynamischen Modells oder durch Auflö­
sung des im folgenden Abschnitt beschriebenen Gleichungssystems berechnen.
-
IV. Analytische Darstellung eines erweiterten Geldmultiplikatormodells
In unserem Gleichungssystem werden die folgenden zum Teil schon erklärten
Symbole verwendet:
Z
D
E
LIE1
LIE2
B
-
Notenbankguthaben des Bankensystems
Sichtdepositen der inländischen Kundschaft
Sichtdepositen der ausländischen Kundschaft
die im dynamischen Prozess erfolgende Verminderung von E
die im dynamischen Prozess erfolgende Vermehrung von E
Bargeld ausserhalb des Bankensystems
25
K
A
Inlandsaktiva des Bankensystems
zentralbankfähige oder im Ausland verkäufliche Aktiva des Banken­
systems
gesamte inländische Geldmenge
durch die Offenmarktpolitik der Notenbank abgeschöpfte Liqui­
dität
G
T
c
r
-
Bargeldneigung der inländischen Wirtschaft
Mindestreservesatz
z
=
=
B
G
-
D+E
---
Ref inanzierungsquote (bei der Zentralbank oder beim Ausland)
a
Verschuldungsquote (beim Ausland)
e
Quote des Abzugs inländischer Depositen zur Bezahlung von In­
oc
landsaktiva
Quote
des Abzugs ausländischer Depositen zur Bezahlung von In­
(1-a)
landsaktiva
Unser System besteht nun aus den folgenden neun Ausgangsgleichungen mit
neun Unbekannten; die Gleichungen (a) und (b) sind von den übrigen Gleichun­
gen nicht unabhängig; sie werden jedochzum Zweck der leichteren Erläuterung
der Ausgangsgleichungen im nachfolgenden Text schon hier aufgeführt.
Da unser Modell einen Kontraktionsprozess beschreiben soll, haben die fol­
genden Variablen negative Werte: L1D, L1E1 , L1B, L1K, L1A; auch den Wert
von T definieren wir negativ. Hingegen ist L1E2 positiv.
Bei allen Grössen, in die L1 E2 eingeht, ist das Vorzeichen des Werts nicht a
priori bestimmt (L1E, L1Z, L1 G) .
L1Z =r(L1D+L1E)
L1B =cL1K
L1D=a(1 -c) L1K
L1E1=(1 -a) (1-c) LtK
-L1E2 =�(1-r) (L1D+L1E1 ) +eT
L1E =L1E1 + L1E 2
L1A =a(1 -r) (L1D+L1E1 ) +aT
L1D +L1E=L1Z+L1K+L1A -T
L1 G=L1B+L1D+L1E
L1K =L1B+L1D+L1E1
T =L1Z+L1A +L1B-L1E2
24
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
(a)
(b)
Die Gleichung (1) definiert den Mindestreservesatz r. Da in dem Glei­
chungssystem nur von Veränderungen die Rede ist, kann es sich bei r um
einen Bestandsreservesatz oder um einen Zuwachsreservesatz handeln.
'-./
Die Gleichung (2) besagt, dass von den durch die Banken veräusserten In­
landsaktiva ein Teil c in bar bezahlt wird. Gleichzeitig definiert diese Glei­
chung in Verbindung mit der Gleichung (a) die Bargeldneigung c als Quo­
tienten aus der Bargeldmenge ausserhalb des Bankensystems und der gesam­
ten Geldmenge. Wir nehmen dabei an, dass c eine Konstante ist, dass also die
marginale Bargeldneigung mit der durchschnittlichen Bargeldneigung iden­
tisch ist.
Die Gleichungen (3) und (4) zeigen, dass ein Teil (1-c) der von den Banken
veräusserten Inlandsaktiva mit Sichtdepositen bezahlt wird. Ein Teil a dieser
Sichtdepositen gehörte der inländischen, ein Teil (1�) der ausländischen
Kundschaft.
Die Gleichungen (5) und (7) besagen, dass die Banken jeweils einen Teil a
der ihnen fehlenden Mindestreserven durch Refinanzierung bei der Noten�
bank und/oder im Ausland und einen Teil e durch Verschuldung im Ausland
hereinholen. Im ersten Zug des dynamischen Prozesses ist das Reserveerfor­
dernis gleich T; multipliziert mit den Parametern a und e, ergibt sich hier­
aus der zweite Summand der Gleichungen (5) und (7). In allen übrigen
Zügen des dynamischen Prozesses ist das restliche Mindestreserveerfordernis
gleich dem Teil der veräusserten Inlandsaktiva, der mit Sichtdepositen be­
zahlt wird [(1-c)LIK bzw. (LID+LIE1)], abzüglich des durch die Verminde­
rung der Sichtdepositen verkleinerten Mindestreservesolls [r(LID+LIE1 )].
Das noch zu deckende Mindestreservesoll beträgt also in allen übrigen Zügen
des dynamischen Prozesses (1-r)(LID+LIE1 ). Multipliziert man diesen Wert
mit den Paramtern a bzw. e, so erhält man den ersten Summanden der Glei­
chungen (5) bzw. (7)1 0.
Die endgültige Veränderung der ausländischen Sichtdepositen (Gleichung 6)
ergibt sich durch die Addition der beiden Teileffekte (Gleichungen 4 und 5) .
Die Gleichung (8) ist die Bilanzidentität des inländischen Bankensystems
für die hier betrachteten Posten bzw. ihre Veränderungen.
Die Gleichung (9) ist die Definitionsgleichung der inländischen Geld'
0 menge bzw. ihrer Veränderung.
Die Gleichung (a) ergibt sich aus den Gleichungen (2) , (3) und (4). Sie
zeigt, dass die von den Banken abgestossenen Inlandsaktiva entsprechend der
Zusammensetzung der Geldmenge bezahlt werden.
,
10 Interessiert man sich für die Wirkungen der inländischen Geldpolitik auf den
internationalen Geld- und Kapitalverkehr, so muss man LIA in seine in- und auslän­
dischen Komponenten zerlegen: LIA
LIA1 + LIA2
ßLIA + (1- ß)LIA, worin ß
der Bruchteil der Refinanzierung ist, der bei der Notenbank vorgenommen wird, und
entsprechend (1- ß) der Bruchteil der Refinanzierung, der im Ausland vorgenommen
wird. Für die Veränderung der Schuldenposition des Inlandes gegenüber dem Ausland (V) ergibt sich dann der positive Wert LIV
+LIE2-LIA2+LIE1•
=
=
=
25
Die Gleichung (b) ergibt sich aus den Gleichungen (8), (6) und (a). Sie
zeigt, wie letzten Endes die vom Bankensystem gekauften Offenmarktpapiere
finanziert werden.
Die Auf lösung des Gleichungssystems (1-9) ergibt nun die Veränderungen
der einzelnen Variablen als Vielfache von T. Die Faktoren von T sind die
Multiplikatoren unseres erweiterten Geldmultiplikatormodells. Man erhält
die folgenden Werte.
r{(1-c) [1-e(1-r)-a]-e}
L1Z=
T
1-(1-c) (1-r) [1---'- e(1-r)-a]
(10)
c[1- e(1-r)-a]
T
L1B=
1-(1-c) (1-r) [1-e(1-r)-a]
(11)
1- e(1-r)-a
T
L1K=
1-:- (1-c) (1-r) [1-e(1-r)-a]
(12)
a(1-c) [1-e(1-r) -a]
T
L1D =
1-(1-c) (1-r) [1-e(1-r)-a]
(15)
(1- a) (1-c) [1- e(1-r)-a]
T
1-(1-c) (1-r) [1-e(1- r)-a]
(14)
.
L1 � =
e
,__;
T
-L1E2 =
1-(1-c) (1-r) [1-e(1-r) -a]
(15)
(1-a) (1-c) [1- e(1-r) -a]- e
T
L1E =
1-(1-c) (1-r) [1- e(1-r)-a]
(16)
a
T
L1A=
1-(1-c) (1-r) [1- e(1-r)-a]
(17)
1- e(2-r)-a
L1 G =
T
1-(1-c) (1-r) [1-e(1-r)-a]
(18)
V. Die Ergebnisse der formalen Analyse des Modells
26
Wir wollen nun die Ergebnisse der formalen Analyse des Abschnittes IV
näher untersuchen.
Wenden wir uns zunächst noch einmal den Vorzeichen der einzelnen
Werte zu, so stellen wir, da T negativ ist, wiederum fest, dass L1B, L1K, L1D,
L1E1 und L1A negative Werte haben müssen, wenn (a+e), wie angenom-
.'---.-/
men, kleiner als eins ist. LIE2 ist hingegen positiv. Es bleibt nun festzustel­
len, welche Vorzeichen vermutlich die Werte von LIZ, LIE; und LI G haben.
Als «normal» wird man es ansehen, wenn LIE positiv ist, während LIZ und
LI G negativ sind. «Anomale» Werte können vorkommen, wenn a und e
relativ gross sind und r klein ist. Hierbei ist die Möglichkeit einer anomalen
Veränderung von E als sehr unwahrscheinlich anzusehen, da a sicher ziem­
lich nahe bei eins liegt. Anomale Veränderungen von Z und G sind eher
denkbar, wobei wiederum eine anomale Veränderung von Z wahrscheinlicher
ist als eine anomale Veränderung von G; dass das so sein muss, sieht man
auch ohne weiteres aus dem Vergleich der Gleichungen (1) und (9). Die öko­
nomische Erklärung für die verschiedenen Möglichkeiten der Veränderungen
von Z und G ist ebenfalls einfach, wenn man davon ausgeht, dass LIE positiv
ist. In diesem Fall hängt die Veränderung der Zentralbankguthaben von zwei
'...__.;
unterschiedlichen Teileffekten ab: Die Depositen der inländischen Kund­
schaft nehmen ab, während die Depositen der ausländischen Kundschaft zu­
nehmen. Das Vorzeichen des Werts von LIZ richtet sich dann nach dem
.
jeweils stärkeren Effekt, und das wird in der Regel die Verminderung der
Sichtdepositen inländischer Herkunft sein. Das Entsprechende gilt für das
Vorzeichen des Werts von LI G, nur dass hier der Einfluss von LID noch durch
den gleichgerichteten Effekt LI B unterstützt wird.
Wir können nun die hier entwickelten Multiplikatoren mit den üblicher.,.
weise verwendeten Multiplikatoren vergleichen. Man erhält die traditionellen
Multiplikatoren aus unseren Multiplikatoren, indem man e und a gleich null
und a gleich eins setzt. Man sieht nun sofort, dass die hier entwickelten Mul.,.
tiplikatoren kleiner sind als die üblichen, da die Einführung von e und a. den
Nenner der Multiplikatoren vergrössert und den Zähler verkleinert. Dieses
allgemeine Ergebnis ist auch ganz selbstverständlich, weil ja in den üblichen
Multiplikatormodellen die einzige Möglichkeit für die Banken, ihre Liquidität
zu erhöhen, in der Veräusserung von Inlandsaktiva liegt, während in unse­
rem System noch die Möglichkeiten der Refinanzierung bei der Notenbank
0 oder beim Ausland und der Verschuldung im Ausland existieren. In unserem
System wird also ein· Teil des monetären Kontraktionsprozesses auf das Aus­
land abgewälzt, während ein weiterer Teil von der Zentralbank selbst neutra­
lisiert werden muss und nur der verbleibende Resteffekt die inländische
Liquidität trifft. Die Multiplikatoren müssen daher, verglichen mit dem tra­
ditionellen Schema, gedämpft sein. Als allgemeine Regel kann man formulje­
ren, dass die Multiplikatoren um so kleiner sind, je grösser a und e ·sind;
jedoch gibt es von dieser Regel gewisse Ausnahmen, die noch erklärt werden�
Zuvor sei jedoch auf zwei Spezialfälle hingewiesen, in denen überhaupt kein
Multiplikatorprozess stattfindet. Dies ist der Fall, wenn a = 1 und gleichzeitig
e = 0 ist oder wenn e (1-r) +a = 1 ist. In dem ersten Spezialfall ist LI A
T.
=
27
Im zweiten Fall ist L1A=aT, -L1E2= eT, entsprechend auch -L1 G= eT und
endlich -L1Z = reT. Alle übrigen Grössen bleiben konstant, was bedeutet,
dass die Veränderungen gleich null sind. Man sieht, dass in diesen beiden
Fällen die inländische Liquidität von der Offenmarktpolitik der Notenbank
überhaupt nicht getroffen wird.
Wir wollen nun noch die allgemeine Regel prüfen, dass die Multiplikato­
ren um so kleiner sind, je grösser a und e sind. Wir leiten zu diesem Zweck
sämtliche Multiplikatoren der Formeln (10-18) partiell nach a und e ab und
stellen das Vorzeichen dieser partiellen Ableitungen fest. Die Ergebnisse die­
ser Operationen sind in der folgenden Tabelle festgehalten; dabei bezeichnet
der Buchstabe M die einzelnen Multiplikatoren.
I I I I I I I
�I I I I I I I I I
� I <O I
<O
<O
<O
<O
<O
<O
<O
>O
<O
<O
<O
<O
<O
>O
>O
<O
<O
Man sieht aus dieser Tabelle, dass bei einer Vergrösserung von a sämtliche
Multiplikatoren kleiner werden ausser demjenigen von A. Dieses Ergebnis
entspricht auch genau dem, was man erwarten würde. Bei einer Vergrösse­
rung von e werden sämtliche Multiplikatoren kleiner ausser denjenigen von
L1E2 und, durch diesen beeinflusst, L1E . Auch dieses Ergebnis ist ganz natür­
lich. Wir müssen also stillschweigend die Multiplikatoren von L1A und L1E2
(bzw. L1 E) ausklammern, wenn wir unsere allgemeine Regel über die Verän­
derung der Multiplikatoren bei einer Änderung von a und e formulieren.
VI. Die Werte der Verhaltensparameter a und e
J
28
Wir haben nun die formale Analyse des Modells abgeschlossen und wollen
uns im folgenden der Frage zuwenden, wovon die Grösse . von a und e ab­
hängt. Dies ist in erster Linie natürlich ein empirisch zu lösendes Problem;
es gibt jedoch eine Reihe von plausiblen allgemeinen Argumenten, mit de­
nen der Grössenbereich von a und e eingegrenzt werden kann. Diese Gedan­
ken sind zumeist keineswegs neu; neu ist allenfalls ihre direkte Einbeziehung
in ein umfassendes Modell des Geldmultiplikators.
Die wichtigsten gemeinsamen EinflussgrÖssen bei a und e sind das Zinsver­
hältnis zwischen dem In- und dem Ausland und der mehr oder weniger
grosse Grad an Freiheit im internationalen Geld- und Kapitalverkehr zwi-
sehen dem In- und dem Ausland. Der Wert von e wird weiterhin von dem
insbesondere durch den Faktor «Sicherheit» geprägten «standing» des In­
lands im internationalen Kapitalverkehr beeinflusst, während der Wert von a
ganz wesentlich von der in der Vergangenheit im Inland verfolgten Geld­
und Finanzpolitik sowie von der Entwicklung der inländischen Zahlungsbi­
lanz in der Vergangenheit abhängt. Allgemein wird man sagen können, dass
der Wert von a wesentlich ein Produkt vergangener Entwicklungen ist, wäh­
rend der Wert von e hauptsächlich von aktuellen Tatsachen - insbesondere
dem Zinsverhältnis zwischen dem Inland und dem Ausland - abhängt. Diese
Aussagen sollen jetzt noch für den Fall einer restriktiven Geldpolitik der in­
ländischen Zentralbank spezifiziert werden.
Je länger im Inland eine expansive Geld- und Finanzpolitik betrieben wor­
den ist, desto grösser ist der Bestand der Banken an zentralbankfähigen
Aktiva (A). Desgleichen ist der Bestand an im Ausland verkäuf lichen Aktiva
und an bei der inländischen Zentralbank absetzbaren Devisen um so grösser,
je länger ein ins Gewicht fallender Überschuss der inländischen Leistungsbi­
lanz erzielt worden ist. Sowohl die absolute Höhe der Liquiditätsreserven des
inländischen Bankensystems (A) als auch ihre Aufteilung in zentralbankfä­
hige und im Ausland absetzbare Aktiva hängen also von der vergangeneu
Geld- und Finanzpolitik und der vergangeilen Entwicklung der Leistungsbi­
lanz ab. Man wird dabei im Normalfall annehmen-dürfen, dass die Entwick­
lungen der Geld- und Finanzpolitik einerseits und der Leistungsbilanz ander­
seits einander entgegenlaufen in dem Sinn, dass eine expansive Geld- und
Finanzpolitik mit einer passiven Leistungsbilanz verbunden ist und umge­
kehrt. Es gibt jedoch auch Sonderfälle, in denen eine interne Expansionspolitik
mit Leistungsbilanzüberschüssen einhergeht und umgekehrt; als Beispiele
aus der jüngsten Zeit lassen sich die Bundesrepublik Deutschland einerseits
und Grossbritannien anderseits anführen.
Wenn sich die inländische Zentralbank zu einer restriktiven Offenmarktpo­
litik entschliesst, kann man voraussetzen, dass die Liquidität des inländischen
Bankensystems (A) sehr gross ist, und man kann auch annehmen, dass die
Banken diese Liquiditätsreserven mobilisieren werden, dass also auch a gross
ist. Weichen Teil von A die Banken abstossen, hängt einmal von der Zusam­
mensetzung von A ab und zum andern insbesondere vom Zinsverhältnis zwi­
schen dem In- und dem Ausland. Wenn wir annehmen, dass in der Aus­
gangslage vor der restriktiven Offenmarktpolitik der inländischen Notenbank
das Zinsverhältnis zwischen dem In- und dem Ausland in der Weise ausge­
glichen war, dass keine kurzfristigen Geld- und Kapitalbewegungen aus Zins­
gründen stattfanden, und wenn wir weiter annehmen, dass durch den Ver­
kauf von Offenmarktpapieren seitens der inländischen Notenbank die inländi­
schen Zinssätze für kurzfristiges Geld ansteigen, so werden die Banken auf
29
50
dieses Ansteigen der inländischen Geldzinsen mit einer Repatriierung von
Auslandsanlagen und dem Verkauf von Aktiva an das Ausland reagieren.
Gleichzeitig wird ausländisches Geld in das Inland strömen, so dass die aus­
ländischen Einlagen bei den inländischen Banken zunehmen. Bei völlig
freiem internationalem Geld- und Kapitalverkehr brauchen die Banken also
die inländische Zentralbank praktisch gar nicht in Anspruch zu nehmen und
können doch den Wirkungen einer restriktiven Offenmarktpolitik fast ganz
ausweichen. Der Wert von (a+e) liegt dann nahe bei eins, und die Wirkungen
der restriktiven Zentralbankpolitik auf das Inland sind praktisch gleich null.
Nehmen wir andererseits an, dass entweder der internationale Geld- und
Kapitalverkehr nicht völlig frei ist oder dass das Portefeuille der inländischen
Banken nur wenige im Ausland verkäufliche Titel aufweist, so müssen sich
die Banken bei der inländischen Zentralbank refinanzieren, um den restrikti­
ven Wirkungen der Offenmarktpolitik zu entgehen. Es hängt dann von den
Refinanzierungskonditionen der Zantralbank ab, wie gross a ist. Man kann
aber annehmen, dass die Zentralbank ihr Möglichstes tun wird, um die Re­
finanzierung, die ja der von ihr gewünschten Politik zuwiderläuft, zu er­
schweren und entsprechend a so klein wie möglich zu halten. Einer solchen
Politik sind aber insbesondere bei einer von der Zentralbank betriebenen Kurs­
pflege für Staatspapiere Grenzen gesetzt.
Wenden wir uns nun der näheren Untersuchung von e zu. Wir haben
schon gesehen, dass e bei völlig freiem internationalem Kapitalverkehr sehr
stark auf Änderungen des Zinsverhältnisses zwischen dem In- und dem Aus­
land reagiert. Ist der internationale Kapitalverkehr behindert, so ist auch die
Zinsreagibilität von e herabgesetzt. Neben den grobschlächtigen Mitteln der
Devisenkontrolle gibt es nun noch das optisch etwas feinere Mittel der beson­
deren Mindestreservesätze auf einströmende Auslandsgelder, mit dem man
die Lust der Banken, sich im Ausland zu verschulden, sehr genau dosieren
kann. Auf diese Weise kann die Zentralbank die Erhöhung des inländischen
Zinsniveaus für ausländische Gelder unwirksam machen und entsprechend
den Wert von e beliebig herabsetzen. Ob derartige Massnahmen dem « stan­
ding » des Inlands im internationalen Kapitalverkehr auf die Dauer sehr för­
derlich sind, ist natürlich eine andere Frage.
Wir können nun unsere Überlegungen bezüglich der Werte von a und e zu­
sammenfassen: Wenn sich die Zentralbank zu einer restriktiven Politik ent­
schliesst und der internationale Kapitalverkehr völlig frei ist, kann man anneh­
men, dass (a+e) nahe bei eins liegt, so dass die Geldmultiplikatoren bei null lie­
gen und die Zentralbankpolitik unwirksam bleibt. Jedoch sind die Werte von a
und e durch die Zentralbank beeinflussbar. Wir haben aber gesehen, dass der
Einfluss der Zentralbank auf a begrenzt ist, während e bei entsprechenden
gesetzlichen Vollmachten der Zentralbank beliebig manipuliert werden kann.
VII: Der Nachfrageeffekt des Geldmultiplikatorprozesses
Mit einer restriktiven Offenmarktpolitik soll auf dem Umweg über die Liqui­
dität des inländischen Bankensystems die effektive Nachfrage im Inland ein­
geschränkt werden. Wir müssen daher noch untersuchen, ob und wie dieser
beabsichtigte Effekt auf die inländische Nachfrage in unserem System er­
kennbar ist.
Wir können diese Frage anhand der Veränderung der inländischen Geld­
menge studieren, die sich unter Berücksichtigung der Gleichungen (9) und
(a) als LI G = LIK+LIE2 schreiben lässt. Hierin ist LIK eine negative und
LIE2 eine positive Grösse. LI G wird in der Regel negativ sein. Je grösser a und
e sind und je kleiner r ist, desto grösser ist der absolute Wert von LIE2 , und
desto kleiner ist der absolute Wert von LIK, so dass die Wahrscheinlichkeit,
dass LI G positiv wird, sich vergrössert. Die Veränderung der inländischen
Geldmenge skizziert aber nur die Veränderung der potentiellen Nachfrage; es
besteht jedoch die begründete Wahrscheinlichkeit, dass die Veränderung der
potentiellen Nachfrage nicht identischist mit der Veränderung der tatsäch­
lichen Nachfrage. Wir kommen damit wieder auf die schon einmal behan­
delte Frage zurück, ob die Depositen der ausländischen Kundschaft in glei­
cher Weise in Inland nachfragewirksam sind wie die Sichtdepositen inlän­
discher Herkunft. Das dürfte im Hinblick auf den zinsbedingten Zustrom
ausländischen Geldes in das Inland (LIE2) sicherlich zu verneinen sein, denn
dieses Geld wird ja ausdrücklich nicht zu Umsatzzwecken in das Inland trans­
feriert, sondern zur Ausnützung einer Zinsdifferenz.
Der Nachfrageeffekt muss dann in der Veränderung von K zu suchen sein.
Wir haben früher festgestellt, dass die Verringerung der Inlandsaktiva der
Banken im wesentlichen aus zwei Teileffekten besteht; es werden Wertpa­
piere an das inländische Publikum verkauft, und es werden die ausgeliehenen
Kredite verringert, und sei es auch nur dadurch, dass die Gewährung von
neuen Krediten geringer ist als die termingernässe Liquidation früher ge­
währter Kredite. Es ist nun wohl nicht wahrscheinlich, dass die dem Publi­
kum angebotenen Wertpapiere mit eigens hierfür neu gesparten Geldern be­
zahlt werden; vielmehr wird der bei weitem grösste Teil dieser Papiere mit
Geld bezahlt werden, das aus der laufenden Ersparnis stammt, aber noch
nicht endgültig «angelegt» ist. Insofer:r� vermindert der Verkauf von Wert­
papieren seitens der Banken an das Publikum die effektive Nachfrage nicht.
Es bleibt demnach als direkter Nachfrageeffekt der Offenmarktpolitik nur die
Verminderung der ausgeliehenen Kredite, also ein Bruchteil von LIK, übrig.
Einen indirekten Effekt kann man weiterhin dadurch erklären, dass die Zins­
steigerung im Inland die Kreditnachfrage seitens der Unternehmer und Kon­
sumenten verringert, so dass die tatsächliche Reduktion der Kreditsumme
51
über den vorher ermittelten Bruchteil von L1K hinausgeht. Die Offenmarkt­
politik wirkt also direkt auf das Kreditangebot der Banken und indirekt über
die Zinserhöhung auf die Kreditnachfrage.
An den (direkten und indirekten) Nachfrageeffekt der Offenmarktpolitik kann
man nun einen Einkommensmultiplikator anhängen, der dann die endgültigen
Wirkungen der Offenmarktpolitik beschreibt. Wir wollen hierauf in diesem Zu­
sammenhang nicht weiter eingehen. Es sei nur nochmals darauf hingewiesen,
dass natürlich der Nachfrageeffekt der Offenmarktpolitik seinerseits wieder von
der Grösse von a unde abhängt; es wurden gewichtige Gründe angeführt, die
vermuten lassen, dass a und e im Fall einer restriktiven Offenmarktpolitik
ziemlich gross sein können. Wenn die Zentralbank in diesem Fall nicht die ge­
setzlichen Befugnisse hat, a und e durch entsprechende Massnahmen zu ver­
kleinern, wird der Nachfrageeffekt der Notenbankpolitik sehr klein sein und
damit das Ziel der restriktiven Offenmarktpolitik nicht erreicht.
VIII. Andere Verwendungsmöglichkeiten des analysierten
Geldmultiplikatormodells
Wir haben nun unser Grundmodell der restriktiven Offenmarktpolitik voll­
ständig abgehandelt und wollen uns im weiteren einigen anderen Verwen­
dungsmöglichkeiten der hier vorgetragenen Analyse zuwenden.
Wir können zum Beispiel annehmen, dass die Zentralbank bei einem System
von Bestandsreservesätzen auf die Sichtguthaben den Mindestreservesatz er­
höht, und zwar dergestalt, dass die Banken nach Einführung des neuen Mindest­
reservesatzes ein ihnen fehlendes Mindestreserveerfordernis in Höhe von T
feststellen müssen. Wenn wir die gleichen Verhaltensweisen der Banken und
des Auslands wie im oben beschriebenen Modell voraussetzen, ändert sich an dem
dort abgehandelten Prozess ausser dem ersten Schritt gar nichts. Der erste
Schritt des Prozesses bestand dort in einemAktivtausch der Banken, und im zwei­
ten Schritt mussten die Banken dann darangehen; das ihnen fehlende Mindest­
reserveerfordernis zu decken. In unserem jetzigen Fall der Heraufsetzung des
Mindestreservesatzes auf den Bestand an Sichtdepositen fehlt der erste Schritt
des früheren Modells, und der ganze Prozess beginnt mit dem dortigen zweiten
Schritt; ansonsten verlaufen beide Prozesse in genau der gleichen Weise.
In dem oben beschriebenen System von Ausgangsgleichungen ändern sich
infolgedessen nur die Gleichungen (1) , (8) und wegen (8) auch (b). Es erge­
ben sich die folgenden abgewandelten Gleichungen:
52
L1Z = r(L1D+L1E) -T
L1D+L1E= L1Z+L1K+L1A
L1Z = L1A-L1B+L1E2
(1')
(8')
(b')
'
.'-.../
Dem Wert für LIZ aus dem ursprünglichen Modell muss der Betrag T hin­
zugefügt werden, wenn der Mindestreservesatz erhöht worden ist (Gleichung
1'). Der Betrag T, der in dem ursprünglichen Modell in der Bankenbilanz
einen separaten Posten «Offenmarktpapiere» bildete, muss nun dem Posten
«Zentralbankguthaben» zugeschlagen werden und fällt daher als Sonderpo­
sten weg (Gleichung 8') . Hieraus ergibt sich in Verbindung mit den Glei­
chungen (6) und (a) die neue Gleichung (b'), die zeigt, wie letzten Endes die
Erhöhung der Mindestreserven finanziert wird.
Von den Ergebnisgleichungen des ursprünglichen Modells ändert sich nur
die Gleichung für L1 Z, die nunmehr lautet:
LIZ'
=
- (e+a) -c[1-e(1-r)-a]
T
1- (1-c) (1-r) [1-e(1-r) -a]
(10')
Im Fall der restriktiven Offenmarktpolitik ergab sich entweder eine Yer­
grösserung oder eine Verkleinerung der Zentralbankguthaben des Bankensy­
stems (LIZ:SO), während wir nun im Fall der restriktiven Mindestreservepo­
litik mit Sicherheit eine Erhöhung der Zentralbankguthaben des Bankensy­
stems erhalten (LIZ'>O).
Alle übrigen Ergebnisgleichungen bleiben formal unverändert. Jedoch ist
zu bedenken, dass im Fall der restriktiven Mindestreservepolitik der Mindest­
reservesatz grösser ist als im Fall der restriktiven Offenmarktpolitik. Unter­
sucht man die partiellen Ableitungen der Ergebnisgleichungen (11-18) nach
r, so kann man für die Werte der Multiplikatoren der einzelnen Variablen die
folgende Übersicht aufstellen. Hierin steht M für «Multiplikator», der Index
weist auf die betreffende Variab�e hin, und der Apostroph zeigt an, dass es
sich um den Fall der restriktiven Mindestreservepolitik handelt, während die
Multiplikatoren ohne Apostroph flir den Fall der restriktiven Offenmarktpoli­
tik gelten.
*
**
***
Wenn [1-2e(1-r) -a ]< 0; wenn also
gross sind und r klein ist.
a
und besonders
e
Wenn [1-2e(1-r)-a]>0; wenn also
klein sind und r gross ist.
a
und besonders
e
Wenn [1-2e(1-r)- a J wesentlich grösser ist als null.
Für das Verhältnis von ME' zuME gibt es kein eindeutiges
Kriterium, da die Veränderungen von E1 und E2 einander
gerade entgegenlaufen.
55
Diese Ergebnisse stehen in teilweisem Widerspruch zu der aus den üblichen
Multiplikatormodellen gewonnenen Erkenntnis, dass die Multiplikatoren um so
kleiner sind, je grösser der Mindestreservesatz ist. Diese Feststellung gilt hier
nur, wenn der Mindestreservesatz relativ hoch ist und die Verflechtung der in­
und ausländischen Geldmärkte gering ist, speziell wenn nur geringe Möglich­
keiten bestehen, zusätzliche ausländische Depositen dem inländischen Banken­
system zuzuleiten. Sind hingegen der Mindestreservesatz relativ niedrig und die
Verflechtung der in- und ausländischen Geldmärkte sehr stark, strömen also bei
einer geringen Zinserhöhung im Inland grosse Mengen ausländischen Geldes
zu, so sind die Multiplikatoren bei einer Erhöhung des Mindestreservesatzes
grösser als bei einer vergleichbaren restriktiven Offenmarktpolitik.
Eine restriktive Mindestreservepolitik kann also in unserem Modell je nach
den Umständen schärfer oder weniger scharf kontraktiv wirken als eine restrik­
tive Offenmarktpolitik, wobei wir annehmen, dass der primär abgeschöpfte Be­
trag von Zentralbankgeld in beiden Fällen gleich gross ist. In einem konventio­
nellen Multiplikatormodell wirkt hingegen die Offenmarktpolitik immer stär­
ker als die Mindestreservepolitik. Der Grund hierfür ist in erster Linie der, dass
in unserem Modell von den Banken zusätzliche Einlagen aus dem Ausland her­
eingenommen werden können, deren Wirksamkeit zur Entlastung der inländi­
schen Liquiditätsknappheit um so geringer ist, je geringer ihr absoluter Betrag
und je höher der Mindestreservesatz ist.
Formal vollkommen identisch wie der Fall der restriktiven Offenmarktpolitik
lässt sich der Fall des Kapitalexports durch die Banken behandeln. Die Aus­
gangs- und Ergebnisgleichungen sind genau die gleichen wie die hier vorgetra­
genen. Dieser Fall ist insofern interessant, als die Förderung des Kapitalexports
der Banken von der deutschen Bundesbank schon verschiedentlich aus zahlungs­
bilanz- und konjunkturpolitischen Gründen als wirtschaftspolitisches Instru­
ment benutzt worden ist. Da in den Situationen, in denen dieses Instrument bis­
her verwendet worden ist, die Parameter a und e mit Sicherheit ziemlich
grosse Werte hatten, muss man annehmen, dass ein wesentlicher konjunktur­
dämpfender Effekt aus dieser Massnahme nicht resultieren konnte.
Ein Fall, in dem das hier verwendete Modell mit geringen Modifikationen
verwendet werden kann, liegt vor, wenn ein Kapitalexport nicht von den
Banken, sondern vom Publikum vorgenommen wird. Der Unterschied zu
dem hier verwendeten Modell ergibt sich in diesem Fall daraus, dass der be­
schriebene Prozess nicht wie hier mit einem Aktivtausch, sondern mit einer
Bilanzverkürzung des inländischen Bankensystems beginnt.
Wir wollen annehmen, dass von dem Transferbetrag T ein Teil c T in bar
und der Rest (1-c)T
T1 mit Sichtdepositen bezahlt wird. Im ersten Zug
des nun wieder ablaufenden Prozesses vermindern sich dann auf der Passiv­
seite des inländischen Bankensystems die Sichteinlagen der in- und ausländi=
54
sehen Kundschaft um den Betrag T1 , während sich auf der Aktivseite das
Zentralbankguthaben um den gleichen Betrag verringert, wobei wir anneh­
men, dass der ausländische Emittent der Anleihe die ihm zur Verfügung ge­
stellten Mittel sogleich aus dem Inland abzieht11• Es lässt sich nun zeigen,
dass sowohl der Nachfrage- als auch der Zahlungsbilanzeffekt des dynami­
schen Prozesses im Fall des Kapitalexports durch das Bankensystem grösser
sind als im Fall des Kapitalexports durch das Publikum. Die Erklärung hier­
für liegt einmal darin, dass jetzt der den Prozess auslösende Betrag T1 kleiner
ist als T, und zum andern darin, dass im Fall der anfänglichen Bilanzverkür­
zung das fehlende Mindestreserveerfordernis, selbst wenn T1 = T wäre, ge­
ringer ist als im Fall des Aktivtauschs, weil die anfängliche Verminderung
der Sichtdepositen auch die erforderlichen Mindestguthaben bei der Noten­
bank vermindert.
Für den Fall des mit einer Bilanzverkürzung beginnenden Kapitalexports
durch das Publikum können wir nun das folgende System von Ausgangsglei­
chungen aufstellen.
LIZ = r(LID+LIE)
LIB = cLIK+cT
LID = 1X(1-c) LIK+1X(1-c) T
LIE1 = (1-1X) (1-c) LIK+(1-1X) (1-c) T
-LIE2 = e(1-r) (LID+LIE1)
LIE = LIE1 +LIE2
LIA = a(1-r) (LID+LIE1)
LID+LIE = LIZ+ LIK+LIA
LI G = LIB+LID+LIE
LIK = LIB+LID+ LIE1 - T
T = LIB+LIZ+LIA- LIE2
'-"
(19)
(20)
(21)
(22)
(25)
(24)
(25)
(26)
(27)
(c)
(d)
Die Gleichungen (19) , (24) , (27) und (d) entsprechen den Gleichungen (1) ,
(6) , (9) und (b) unseres früheren Modells; sie bedürfen daher keiner Erläute­
rung mehr.
Der Unterschied zwischen den Gleichungen (2) und (20) rührt daher, dass
in dem Fall, dass die Anleihe vom Publikum gezeichnet wird, die Bargeld­
menge ausserhalb des Bankensystems gleich im ersten Schritt des dynamischen
Prozesses schon um den Betrag cT gekürzt wird, was aber nicht der Fall ist,
wenn der Kapitalexport von den Banken vorgenommen wird.
Die Gleichungen (21) und (22) entsprechen mit ihren ersten Summanden
den Gleichungen (5) und (4) unseres früheren Systems. Die zweiten Sum11 Ausserdem vermindert sich natürlich im ersten Zug des Prozesses die Bargeld.
menge ausserhalb des Bankensystems um den Betrag cT.
55
manden erklären sich dadurch, dass im Fall der ursprünglichen Bilanzverkür­
zung im ersten Zug des Prozesses die Sichtdepositen um den Betrag T 1
(1 -c) T abnehmen, während im Fall des ursprünglichen Aktivtauschs im er­
sten Zug die Sichtdepositen gar nicht berührt werden.
Gerade umgekehrt verhält es sich, wenn man die Gleichungen (25) und
(25) mit den Gleichungen (5) und (7) vergleicht. Diese Gleichungen stim­
men wiederum mit ihren ersten Summanden überein. Im Fall des Aktiv­
tauschs ist aber das fehlende Mindestreservesoll, das durch eine Veränderung
der Bilanzposten A und E gedeckt werden soll, im zweiten Zug gleich T; und
erst in den folgenden Zügen errechnet es sich aus dem Teil der Verringerung
von K, der unbar bezahlt wird, abzüglich der durch die Verminderung der
Sichtdepositen gesparten Mindestreserven, also ( 1-r) (1-c) LIK (1-r) (LID
+LIE1) . Im Fall der anfänglichen Bilanzverkürzung fällt der zweite Sum­
mand der Gleichungen (5) und (7) weg. Das fehlende Mindestreservesoll er­
rechnet sich also von Anfang an als (1-r) (1-c) LIK
(1-r) (LID+ LIE1).
Wenn die Banken die Auslandsanleihe nicht selbst zeichnen, muss in ihrer
Bilanz der Aktivposten «Auslandsanleihe» ( T) wegfallen. Hieraus erklärt
sich der Unterschied zwischen den Gleichungen (8) und (26) .
Die Gleichung (c) ergibt sich durch Aufsummierung der Gleichungen (20),
(21) und (22) . Ihr Unterschied zu der Gleichung (a) resultiert aus den schon
erklärten Unterschieden zwischen den Gleichungen (20) , (21) und (22) einer­
seits und (2), (5) und (4) andererseits.
Löst man das Gleichungssystem (19-27) auf, so erhält man die folgenden
Ergebnisse.
=
=
=
=
56
LIZ=
r(1-c) [1-e(1-r) J
T
1- (1-c) (1-r) [1- e(1 -r )- a]
(28)
LIB =
c
T
1-(1 -c) (1 - r) [1-e(1-r) -a]
(29)
LIK=
(1-c) (1- r) [1- e(1- r) -a]
T
1- (1-c) (1- r) [1- e(1-r) -a]
(50)
LID =
a(1- c)
T
(
1- 1-c) (1-r) [1- e(1- r) -a]
(51)
LIE1 =
(1-a) (1-c)
T
1- (1-c) (1- r) [1- e(1-r) -aJ
(52)
-LIE2=
e(1-c) (1-r)
T
1-(1-c) (1- r) [1-e(1 -r)-a]
(55)
,..__";
(1-c) [(1-a)-e(1-r)]
L1E =
T
1- (1-c) (1-r) [1-e(1-r)-a]
(54)
a (1-c) (1-r)
T
1-(1-c) (1-r) [1-e(1-r)-a]
(55)
1-e (1-c) (1-r)
T
1-(1-c) (1-r) [1-e(1-r)-a]
(56)
·
L1A =
L1 G =
Von diesen Ergebnissen sind die Werte L1Z, LIB, LIK, LID, L1Ev LIA und
LI G negativ. LIE2 ist positiv. LIE kann positiv oder negativ sein. Da a vermut­
lich ziemlich gross ist, kann LIE bei relativ grossem e und relativ kleinem r
positiv sein; dies wird man wohl als Normalfall ansehen. Jedoch kann LIE bei
kleinem e und grossem r auch negativ werden.
Wir können nun die Ergebnisse des Modells mit anfänglichem Aktivtausch
mit den Ergebnissen des Modells mit anfänglicher Bilanzverkürzung verglei­
chen. Dieser Vergleich yvird mit der folgenden Zusammenstellung durchge­
führt, in der die absoluten Veränderungen der verschiedenen Variablen be­
trachtet werden. Hierbei bedeutet der Index A, dass die betreffende Grösse
aus dem Modell mit anfänglichem Aktivtausch stammt, während der Index B
die Herku�ft aus dem Modell mit anfänglicher Bilanzverkürzung anzeigt.
J LIZA J <
J LIBA l <
J LIDAl <
JL1 El AJ <
J LI GAl <
J LIZBJ
J LIBBI
J LIDBJ
J LIEl BJ
J LI GBJ
J LIKAJ > J LIKBJ
J LIE2 A I > J LIE2Bl
J LIAA I > J LIABI
J LIEA I S J LIEBI
Es ist klar, dass die Sichtdepositen LID und L1E1 im Fall der Bilanzverkür­
zung stärker sinken als im Fall des Aktivtauschs, da ja im ersten Fall der Pro­
zess mit einer Verminderung der Sichtdepositen beginnt, während sie im
zweiten Fall erst im dritten Zug berührt werden.
Da das jeweils noch zu deckende Mindestreserveerfordernis im Fall des
Aktivtauschs grösser als im Fall der Bilanzverkürzung ist, müssen alle Werte,
die hiervon abhängen, also LIK, LIA und LIE2 , im Fall des Aktivtauschs grös­
ser sein als im Fall der Bilanzverkürzung.
Der Wert von LIBA hängt einerseits von L1KA ab und müsste daher kleiner
sein als der Wert von LIEB , das von L1KB abhängt. Dieser Unterschied wird
jedoch dadurch überkompensiert, dass im Fall der Bilanzverkürzung schon im
ersten Schritt die Bargeldmenge um den Betrag cT vermindert wird, was im
Fall des Aktivtauschs nicht geschieht. L1BB ist daher grösser als L1BA .
Die Nettoveränderung der Auslandsverschuldung des inländischen Ban­
kensystems (LIE) ergibt sich durch Addition der beiden Teileffekte LIE 1 und
57:
L1Ez· Wir haben nun festgestellt, dass die Verminderung der Auslandsver­
schuldung L1E1 im Fall des Aktivtauschs geringer ist als im Fall der Bilanz­
verkürzung; hingegen ist die Neuverschuldung im Ausland L1E2 im Fall des
Aktivtauschs grösser als im Fall der Bilanzverkürzung. Hieraus folgt, dass die
Nettokreditaufnahme (L1E positiv) im Fall des Aktivtauschs grösser ist als im
Fall der Bilanzverkürzung; hingegen ist eine eventuelle Nettoverminderung
der Auslandsverschuldung (L1E negativ) im Fall der Bilanzverkürzung grösser
als im Fall des Aktivtauschs. In jedem Fall ist die Sekundärwirkung des Kapi­
talexports auf die inländische Auslandsverschuldung bzw. die inländischen
Auslandsforderungen im Fall des Aktivtauschs «ungünstiger» als im Fall der
Bilanzverkürzung. Die gleiche Feststellung gilt für den den internationalen
Kapitalverkehr betreffenden Teil von L1A.
Die Geldmenge als Ergebnis der Addition von L1B, L1D und L1E nimmt im
Fall des Aktivtauschs nicht so stark ab wie im Fall der Bilanzverkürzung.
Ebenfalls nehmen im Fall des Aktivtauschs die Zentralbankguthaben L1 Z
nicht so stark ab wie im Fall der Bilanzverkürzung. Die Erklärung hierfür
liegt in den schon behandelten Veränderungen von L1D und L1 E, von denen
L1Z abhängt.
Wir wollen nun noch feststellen, in welchem der beiden Modellfälle sich
die inländische Nachfrage stärker vermindert. Wir gehen wieder von den
Veränderungen der Geldmenge aus, für die wir aus den Gleichungen (9) und
(a) bzw. (27) und (c) die beiden folgenden Gleichungen erhalten.
L1 GA
L1 GB
58
=
=
L1 KA +L1 E2 A
L1KB +L1E2B +T
(e)
(f)
Der Posten T in Gleichung (f ) rührt daher, dass im Fall der Bilanzverkür­
zung die Geldmenge gleich im ersten Schritt um den Betrag T vermindert
wird, da ja das Publikum die Auslandsanleihe mit Bar- oder Buchgeld bezah­
len muss. Kaufen hingegen die Banken die Auslandsanleihe, so vermindert
sich die Geldmenge im ersten Schritt nicht. Nun ist es sicher vernünftig an­
zunehmen, dass die Auslandsanleihe aus laufenden Ersparnissen gezeichnet
wird und dass nicht speziell für diese Anleihe neue Ersparnisse gebildet wur­
den. Der Betrag T in Gleichung (f ) ist dann bereits gespartes, aber noch
nicht endgültig «angelegtes» Geld; er stellt also keine Nachfrageverminde­
rung dar.
Wir haben schon im Abschnitt VII festgestellt, dass die zur Wahrnehmung
einer Zinsdifferenz ins Inland strömenden Gelder (L1 E2 ) vermutlich nicht im
Inland zu Umsatz-, d. h. Nachfragezwecken dienen.
Es bleiben die Posten L1KA und L1KB übrig, wobei L1KA grösser ist als L1KB .
Wenn wir nun annehmen, dass von L1 KA und L1 KB ein gleich grosser Bruch­
teil in einer Verminderung der ausgeliehenen Kredite besteht, dann ergibt
sich, dass der Nachfrageeffekt im Fall der Zeichnung der Auslandsanleihe
durch die Banken grösser ist als im Fall der Zeichnung der Auslandsanleihe
durch das Publikum.
Unter unseren Voraussetzungen ergibt sich also das etwas ungewöhnliche
Ergebnis, dass die (statistische) Geldmenge im Fall des Aktivtauschs um
weniger sinkt als im Fall der Bilanzverkürzung, während die wirksame Nach­
frage im Fall des Aktivtauschs stärker zurückgeht als im Fall der Bilanzver­
kürzung. Durch die unterschiedliche Art der Finanzierung des Kapitalexports
wird also unter diesen Voraussetzungen die Umlaufsgeschwindigkeit des Gel­
. des verändert. Dieses Ergebnis dürfte sich durch statistische Untersuchungen
bestätigen lassen, wenn in der beobachteten Periode ins Gewicht fallende ein­
seitige Ströme ausländischen Geldes in das Inland bzw. umgekehrt vorgekom­
men sind.
IX. Die Asymmetrie zwischen Geldmultiplikatoren für expansive
und für kontraktive monetäre Prozesse
.,_J
In der Regel werden Multiplikatormodelle in gleicher Weise sowohl für den
expansiven als auch für den kontraktiven Fall verwendet. Dies ist bei den von
uns entwickelten Modellen nur mit gewissen Modifikationen möglich.
Wir haben bei unseren Modellen für den restriktiven Fall immer ange­
nommen, dass die Banken die Verminderung ihrer Inlandsaktiva als «ultima
ratio» betrachten, der sie nach Möglichkeit durch Refinanzierung bei der
Notenbank oder im Ausland oder durch Verschuldung im Ausland aus dem
Weg gehen. Eine solche Vehaltensweise können wir im expansiven Fall nicht
unterstellen. Wenn die Zentralbank beispielsweise durch eine expansive
Offenmarktpolitik das Bankensystem flüssiger macht, werden die Banken ver­
mutlich als erstes das für sie in der Regel besonders lukrative Kreditgeschäft
mit der inländischen Kundschaft wiederbeleben wollen. Nur die hiernach
noch übrig bleibende Liquidität werden sie zur Verminderung ihrer Aus­
landsschulden und einen letzten Rest zum Aufbau neuer Auslandsanlagen
verwenden. Diejenige Grösse, die in unserem Modell für den restriktiven Fall
die Restgrösse war, nämlich LIK, rückt nun in den Rang einer «Ziel»variablen
auf, während die Grösse LIA, die vorher eine bewusst manipulierte Grösse
war, nun zur Restgrösse wird. Die Anwendung unseres Modells für den ex­
pansiven Fall erfordert also eine Vertauschung der Grössen LIK und LIA.
Wenn wir ausserdem noch annehmen, was in der Praxis gar nicht selten ist,
dass die Banken in dem Augenblick, in dem die Notenbank mit einer expansi­
ven Geldpolitik beginnt, noch bei der Notenbank verschuldet sind, dann müssen wir, wie die Erfahrung zeigt, davon ausgehen, dass sie zuerst ihre Schul-
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den bei der Zentralbank abbauen werden, bevor sie daran denken, ihr Kredit­
geschäft auszuweiten, Auslandsschulden abzutragen und neue Auslandsanla­
gen zu bilden. Die Übertragung unseres Modells auf den expansiven Fall (un­
ter Vertauschung von L1K und L1A) ist also nur dann ohne weiteres möglich,
wenn die Banken nicht oder nur geringfügig bei der Zentralbank verschuldet
sind. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, so muss das Modell entsprechend
abgewandelt werden.
Aus der Vertauschung von L1 K und LlA im expansiven Fall folgt auch eine
Neuinterpretation des Parameters a, der jetzt nichts mehr mit dem Ausland
zu tun hat, sondern diejenige Quote der den Banken neu zugeflossenen Liqui­
dität angibt, die zur Erhöhung ihrer Inlandsaktiva verwendet wird. Wenn
wir annehmen, dass es sich bei den zu erhöhenden Inlandsaktiva in erster
Linie um auszuleihende Kredite handelt, wird sofort klar, dass die Grösse des
Parameters a nun nicht mehr nur von der Verhaltensweise der Banken ab­
hängt, sondern vielmehr von dem Verhalten der potentiellen Kreditnehmer.
Während also im kontraktiven Fall das Verhalten der Banken von ihrer
Liquidität und ihren hiervon in erster Linie beeinflussten eigenen Entschei­
dungen abhängt, hängt es im expansiven Fall in sehr wesentlichem Masse
v;on den Entscheidungen der potentiellen Kreditnehmer der Banken ab. Die­
ser wichtige Unterschied in der Entscheidungsstituation wird� durch die Neu­
interpretation des Parameters a in dem Modell berücksichtigt.
X. Zusammenfassung der Ergebnisse
Wir wollen nun noch einmal die Ergebnisse des hier vorgeführten Geldmul­
tiplikatormodells zusammenfassen.
Im Gegensatz zu den üblichen «mechanistischen» Geldmultiplikatormo­
dellen haben wir nicht nur die gesetzlich vorgeschriebenen oder gewohnheits­
mässig festliegenden Parameter r und c, sondern auch zwei variable Verhaltensparameter a und e in unser Modell mit einbezogen. Die Werte dieser
Parameter hängen von der Liquiditätslage des inländischen Bankensystems,
von dem Zinsverhältnis zwischen dem In- und dem Ausland sowie im expansiven Fall auch von der «Verschuldungswilligkeit» der potentiellen inländischen Kreditnehmer ab12• Es gelingt uns also, in unserem Modell die wichtig-
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12 Die allgemeine Bedeutung des Verhaltens der Banken und des Publikums für
die Grösse des Multiplikators wird in einer empirischen Arbeit nachgewiesen von
J. Ahrensdorf und S. Kanesathasan, Variations in the Money Multiplier and their
Implications for Central Banking, International Monetary Fund Staff Papers, Vol. VIII,
'
No. 1 (Nov. 1960).
·
J
..
sten Faktoren zu berücksichtigen, die in der Wirklichkeit die Ergebnisse der
Geldpolitik und die Wirkungen von Kapitaltransfers beeinflussen.
Wir sind daher in der Lage, nicht nur die potentiellen Veränderungen
einiger weniger inländischer Variablen zu ermitteln, wie es in den üblichen
Multiplikatormodellen geschieht, sondern je nach den Annahmen bezüglich
der Werte von a und e, die tatsächlichen Werte dieser Veränderungen sowohl
für die inländischen Variablen als auch für die Veränderung der inländischen
Forderungen bzw. Schulden beim Ausland und damit den Einfluss der in­
ländischen Geldpolitik auf das Ausland anzugeben.
Ferner gewinnen wir ein klares Bild über die Wirkungen der Geldpolitik
bzw. geldpolitisch wichtiger Ereignisse auf die wirksame Nachfrage im In­
land, wobei wir als allgemeines Ergebnis festhalten können, dass diese Wir­
kungen auf die inländische Nachfrage nach unserem Modell in der Regel viel
geringer sind, als sie nach den üblichen Geldmultiplikatoren zu sein scheinen.
Diese Feststellung ist für die Konjunkturpolitik ebenso wichtig wie für die
Transfertheorie und -politik.
Schliesslich haben wir gesehen, dass unter unseren Voraussetzungen eine
Verwendung des für den kontraktiven Fall entwickelten Modells für den ex- .
pansiven Fall nicht ohne gewisse wesentliche Modifikationen möglich ist.
Auch diese Aussage steht im Widerspruch zu den üblichen Geldmultiplikator­
modellen.
Zusammenfassung
Geldmultiplikator und Bankenstrategie
Die praktische Effizienz der üblichen Geldmultiplikatoren ist sehr gering, weil
diese Multiplikatoren zu einfach und zu starr konstruiert sind. Sie enthalten in der
Regel nur zwei Parameter, nämlich die Bargeldneigung und den Reservesatz, die ge­
wohnheitsmässig festliegen bzw. gesetzlich definiert werden. Auf diese Weise liegt
der Wert des Geldmultiplikators zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten
Land eindeutig fest. Das stimmt jedoch mit der Wirklichkeit nicht überein.
In dem hier vorgeführten Geldmultiplikatormodell werden ausser den genannten
festliegenden Parametern noch zwei von der Bankenliquidität abhängige Verhaltens­
parameter der Banken berücksichtigt. Die wesentlichen Eigenschaften des auf diese
Weise erweiterten Geldmultiplikatormodells sind folgende:
1 . Je nach der Liquiditätslage der Banken ändert sich ihre Refinanzierungs- und
Verschuldungsmöglichkeit. Damit ändert sich auch der Wert des Multiplikators.
2 . Die Multiplikatoranalyse lässt sich direkt mit der Analyse des Geldzinses und der
die Liquidität der Banken beeinflussenden Faktoren verbinden.
5 . Das Modell bezieht die Beeinflussung des inländischen Geldangebots durch die
Lage an den ausländischen Geldmärkten in die Betrachtung mit ein.
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Die beiden wichtigsten Ergehnisse dieses Modells sind folgende :
1 . Die Wirkungen der Geldpolitik auf die Nachfrage dürften in der Regel wesent­
lich geringer sein, als es nach den üblichen Geldmultiplikatoren den Anschein
hat.
2 . Man kann die Geldmultiplikatoren nicht symmetrisch für eine expansive wie für
eine kontraktive Geldpolitik verwenden. Vielmehr muss vorher eine gewisse Neu­
interpretation wichtiger Zusammenhänge erfolgen.
Das Modell wird für die restriktive Offenmarktpolitik entwickelt. Andere Applika­
tionen und die für die Verwendung bei expansiven Prozessen erforderlichen Medifi­
kationen werden ehenfalls gezeigt.
Resurne
Multiplicateur de la masse monetaire et Strategie bancaire
L'efficacite pratique des multiplicateurs usuels de la masse monetaire est fort
reduite parce qu'ils sont construits de fac;;on trop simpliste et trop rigide. Ils ne com­
portent en regle generale que deux parametres, a savoir la propension a l 'argent liquide
et le taux de reserve, qui sont fixes par l'usage ou definis par la loi. De cette fac;;on,
la valeur du multiplicateur de la masse monetaire est fixe dans une periode et pour
un pays donnes. Or, la realite est tout autre.
Dans le modele de multiplicateur de la masse monetaire dont il est question ici, on
tient compte non seulement des. deux parametres fixes precites, mais encore de deux
autres parametres de comportement des hanques, qui dependent de la liquidite han­
caire. Les caracteristiques principales du multiplicateur de la masse monetaire ainsi
elargi sont les suivantes :
1 . Suivant la situation de liquidite des hanques, leurs possihilites de refinancement et
d'endettement se modifient. Par la, la valeur du multiplicateur change aussi.
2 . L'analyse du multiplicateur se relie ainsi directement a celle du taux de l'interet
et des facteurs influenc;;ant la liquidite des hanques.
3 . Le modele englohe dans l'analyse, l'influence des marches etrangers sur l'offre
d'argent sur le marche national.
Les deux resultats principaux de ce modele sont les suivants :
1 . En regle generale, les effets de la politique monetaire sur la demande devraient
etre sensihlement moindres qu'il n'apparait d'apres les multiplicateurs usuels de
la masse monetaire.
2 . Il n'y a pas de symetrie quant a l'usage des multiplicateurs de la masse monetaire
en vue d'une politique expansive et d'une pölitique restrictive. Il faut au contraire
reinterpreter certaines relations importantes.
42
Le modele est developpe en vue d'une politique de marche lihre restrictive . L'au­
teur montre en outre d'autres possihilites d'application, ainsi que les modifications
necessaires pour des processus d'expansion.
'·J
Summary
Money multiplier and banking strategy
The practical efficiency of the usual money multipliers is much reduced because
they are conceived in too simple and too rigid a fashion. As a general rule they only
comprise two parameters, i. e. the propensity for liquid money and the rate of reserves,
which are fixed by use or defined by law. In this way the value of the money multiplier
is fixed at a given time and for a given country. However, reality is quite different.
In the model of the money multiplier which is examined here, ailowance is made
not only for the two fixed parameters mentioned above, but also for two other para­
meters of the behaviour of the banks which are dependent an the liquidity of the banks.
The principal characteristics of the multiplier theory thus extended are the foilowing:
'--.'./ 1 . According to the liquidity situation of the banks, possibilities of refinancing and of
incurring debts are modified. Because of this, the value of the multiplier also
changes.
2 . The analysis of the multiplier is thus directly related to that of the rate of interest
and factors influencing banking liquidity.
3 . The model incorporates in its analysis the influence of foreign money markets an
the supply of money in the national market.
The two principal results of this model are the foilowing:
1 . The effects of monetary policy an demand, as a general rule, should be appreciably
less than would appear in accordance with the usual money multipliers.
2 . It is not possible to apply the same money multipliers in a symmetric manner
to an expansive as weil as to a restJ::ictive monetary policy. On the contrary, im­
portant relationships must be reinterpreted.
The model is developed for a restrictive open market policy. The author also shows
other possibilities of application, as weil as the modifications, which are necessary,
when the model is applied to e:A.'}lansive processes.
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