Ein-Perioden-Modelle

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Ein-Perioden-Modelle
Die Aktienkurse zum aktuellen Zeitpunkt sind bekannt, nicht aber diejenigen in einem
Jahr. Damit ist auch ungewiss, was ein Derivat, etwa eine Call-Option, in einem Jahr
wert sein wird. Eine Call-Option beinhaltet das Recht, eine bestimmte Aktie zu einem
bereits heute festgelegten Preis K zu einem zukünftigen Zeitpunkt T kaufen zu dürfen.
Es liegt im Ermessen des Eigentümers der Call-Option, sein Kaufrecht auszuüben oder
nicht. Besitzt die Aktie zum Zeitpunkt T einen Marktwert S > K, dann kann der Inhaber
der Option sie mithilfe seines Optionsrechts zum Preis K kaufen und anschließend an der
Börse zum Preis S wieder veräußern. Auf diese Weise erzielt er einen Gewinn in Höhe von
S K > 0, und dies ist gerade der Wert der Option für diesen Fall. Liegt der Marktwert
der Aktie zum Zeitpunkt T dagegen unterhalb von K, gilt also S < K, dann kann der
Inhaber das Optionsrecht nicht vorteilhaft nutzen und wird sein Kaufrecht nicht ausüben.
Somit hängt der Wert der Option zum Zeitpunkt T vom ungewissen Aktienkurs zu diesem
Zeitpunkt ab und ist daher ebenfalls ungewiss.
Nun können zwei extreme Positionen eingenommen werden. Die erste lautet, dass niemand verlässlich in die Zukunft schauen kann, und dass daher zuverlässige Prognosen für
die zukünftigen Aktienkurse ausgeschlossen sind. Unter dieser Voraussetzung erscheint
die Entwicklung einer sinnvollen Optionspreistheorie aussichtslos. Eine zweite, entgegengesetzte Position lautet, dass es mit einem ausgefeilten ökonomischen Modell möglich
sein sollte, genaue Voraussagen für die Kurse der Zukunft zu machen. In diesem Fall wäre
der zukünftige Wert der Option bekannt, und dieser müsste zur Bestimmung des Preises
der Option lediglich auf den aktuellen Zeitpunkt abdiskontiert werden.
In der Finanzmathematik wird ein Mittelweg zwischen diesen beiden Alles-oderNichts-Positionen beschritten. Die grundlegende Annahme besteht darin, dass zwar die
Entwicklung eines betrachteten Finanzmarktes nicht vorausgesagt werden kann, dass
aber die Menge aller möglichen zukünftigen Zustände oder Szenarien dieses Marktes
bekannt ist. Es wird angenommen, dass genau eines dieser Szenarien in Zukunft eintreten
wird, dass aber zum aktuellen Zeitpunkt 0 nicht bekannt ist, welches es sein wird. Das
einfachste nichttriviale Modell besteht darin, neben dem Zeitpunkt 0 einen einzigen wei© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
J. Kremer, Preise in Finanzmärkten, DOI 10.1007/978-3-662-53726-8_1
3
4
1 Ein-Perioden-Modelle
teren zukünftigen Zeitpunkt 1 zuzulassen, an dem der Markt genau einen Zustand ! aus
einer endlichen Menge ˝ von Zuständen annehmen wird. So einfach dieses Modell auch
erscheinen mag, es ist in der Analyse – wie wir sehen werden – erstaunlich reichhaltig
und lässt sich zu komplexeren und realistischeren Modellen ausbauen.
Notation Im Folgenden wird das euklidische Skalarprodukt sowohl mit einem Punkt als
auch mit einer Klammer h ; i notiert, d. h., für x; y 2 Rn gilt
x y D hx; yi D
n
X
xi yi :
i D1
Skalarprodukte, bei denen über Finanzinstrumente summiert wird, werden mit einem
Punkt geschrieben, während für Skalarprodukte, bei denen über Zustände summiert wird,
die Klammer verwendet wird.
Für x 2 Rn schreiben wir x > 0, falls x i 0 für alle i D 1; : : : ; n und x k > 0 für
wenigstens ein k gilt. Wir schreiben x 0, falls x strikt positiv ist, d. h., falls x i > 0 für
alle i D 1; : : : ; n gilt.
1.1 Das Modell
Das grundlegende Modell eines Wertpapiermarkts mit zwei Zeitpunkten wird Ein-Perioden-Modell oder einfach Marktmodell genannt und ist durch folgende Daten gekennzeichnet:
Es gibt genau zwei Zeitpunkte, den Anfangszeitpunkt 0 und den Endzeitpunkt 1.
Zum Zeitpunkt 1 wird genau ein Zustand oder Szenario !i , i D 1; : : : ; K, aus einer
endlichen Menge
˝ D f!1 ; : : : ; !K g
von K Zuständen eintreten. Zum Zeitpunkt 0 sind alle Zustände bekannt, nicht aber,
welcher zum Zeitpunkt 1 realisiert werden wird.
Im Rahmen des Modells werden N Wertpapiere S 1 ; : : : ; S N betrachtet. Es gibt zu
diesen Wertpapieren einen Preisprozess S D fS t D .S t1 ; : : : ; S tN / jt D 0;1 g, der die
Preise der Wertpapiere zu den beiden Zeitpunkten 0 und 1 spezifiziert. Die Preise S0i ,
i D 1; : : : ; N , der Wertpapiere zum Zeitpunkt 0 sind Zahlen. Die Preise S1i , i D
1; : : : ; N , hängen dagegen vom eintretenden Zustand ab und sind Funktionen auf ˝,
S1i W ˝ ! R:
S1i .!/ bezeichnet den Kurs des i-ten Wertpapiers zum Zeitpunkt 1 im Zustand ! 2 ˝.
Sowohl die Preise S0i als auch die Werte S1i .!/, ! 2 ˝, sind den Investoren bekannt. Aber erst zum Zeitpunkt 1 entscheidet sich, welche Kurse S1i .!/ zu diesem
1.1
Das Modell
5
Abb. 1.1 Die Zustände eines Ein-Perioden-Modells
Zeitpunkt tatsächlich realisiert werden, denn erst dann stellt sich heraus, in welchen
Zustand ! 2 ˝ der Finanzmarkt übergegangen ist.
Zum Zeitpunkt 0 sind also die K Zustände der Menge ˝ D f!1 ; : : : ; !K g als Endzustände
zum Zeitpunkt 1 möglich, und zum Zeitpunkt 1 wird genau einer dieser Zustände als Endzustand realisiert. Dies wird in Abb. 1.1 veranschaulicht. Das Aufspalten der Menge ˝
in die Elementarzustände !1 bis !K bildet ein Strukturgerüst, das durch die Spezifikation
eines Preisprozesses zu einem Ein-Perioden-Modell ergänzt wird. Für jedes Finanzinstrument S 1 ; : : : ; S N ist sowohl zum Zeitpunkt 0 als auch für jeden Zustand ! 2 ˝ zum
Zeitpunkt 1 jeweils ein Preis vorzugeben. Abb. 1.2 veranschaulicht diese Ergänzung.
Abb. 1.2 Die Preise der Wertpapiere eines Ein-Perioden-Modells
6
1 Ein-Perioden-Modelle
S0 =
S1 (ω1 ) =
1,02
12
S1 (ω2 ) =
1,02
9
1
10
t=0
t=1
Abb. 1.3 Das Ein-Perioden-Modell des Beispiels 1.1
Beispiel 1.1
Wir betrachten das in Abb. 1.3 gezeigte Ein-Perioden-Modell mit den beiden Zuständen
!1 und !2 zum Zeitpunkt 1. In das Strukturgerüst wurden die Daten für zwei Finanzinstrumente S 1 und S 2 eingefügt. Das erste Finanzinstrument S 1 besitzt zum Zeitpunkt 0
den Wert S01 D 1. Zum Zeitpunkt 1 besitzt S 1 die Werte S11 .!1 / D S11 .!2 / D 1;02.
Da hier die Kurse in beiden Zuständen übereinstimmen, entspricht dieses Finanzinstrument einer festverzinslichen Kapitalanlage. Im Beispiel beträgt der Zinssatz 2 %. Das
zweite Finanzinstrument S 2 könnte als Aktie interpretiert werden, deren Kurs im ersten Szenario !1 vom Anfangskurs 10 auf den Wert 12 steigt und im zweiten Szenario
4
!2 von 10 auf den Wert 9 sinkt.
Formal werden Ein-Perioden-Modelle wie folgt definiert:
I Definition 1.2 Ein Tupel .S0 ; S1 / ¶ .b; D/ 2 RN MN K .R/ heißt Ein-PeriodenModell mit Preisvektor
0 1
S1
B :0 C
N
C
b D S0 D B
@ :: A 2 R
S0N
und Auszahlungsmatrix
0
1
S11 .!1 / S11 .!K /
B
C
::
::
C 2 MN K .R/ :
D D .S1 .!1 / ; : : : ; S1 .!K // D B
:
:
@
A
S1N .!1 / S1N .!K /
Dabei bezeichnet MN K .R/ die Menge aller
reellen N K-Matrizen. Die Komponenten von D sind definiert durch Dij D S1i !j für i D 1; : : : ; N und j D 1; : : : ; K,
sodass jede Spalte von D dieselbe Struktur besitzt wie der Preisvektor S0 .
1.2
Portfolios
7
Die Schreibweise .S0 ; S1 / ¶ .b; D/ bedeutet, dass sich ein Ein-Perioden-Modell entweder durch die Anfangs- und Endkurse .S0 ; S1 / oder auf äquivalente Weise auch durch
.b; D/ 2 RN MN K .R/ mithilfe einer Auszahlungsmatrix D beschreiben lässt. Aus
einem vorgegebenen Tupel .b; D/ 2 RN MN K .R/ lassen sich alle charakterisierenden
Bestandteile eines Ein-Perioden-Modells ableiten. Die gemeinsame Anzahl der Zeilen von
b und D entspricht der Anzahl der Finanzinstrumente, und die Anzahl der Spalten von D
entspricht der Anzahl der Zustände des Modells. Der Vektor b wird als Preisvektor S0
interpretiert, der die Preise aller N Finanzinstrumente
zum Zeitpunkt
0 zusammenfasst,
t
während die j -te Spalte von D als Preisvektor S1 !j D S11 !j ; : : : ; S1N !j aufgefasst wird, der die Preise aller Finanzinstrumente zum Zeitpunkt 1 im Zustand !j
repräsentiert.
Beispiel 1.3
Das Ein-Perioden-Modell des Beispiels 1.1 lässt sich mit Definition 1.2 schreiben als
!!
!
1;02 1;02
1
:
;
4
.b; D/ D
12
9
10
1.2 Portfolios
I Definition 1.4 Ein Portfolio ist eine Zusammenfassung von h1 Finanzinstrumenten
vom Typ S 1 , h2 Finanzinstrumenten vom Typ S 2 , : : : und hN Finanzinstrumenten vom
Typ S N zu einer Gesamtheit. Formal wird ein Portfolio definiert als ein Vektor
0 1
h1
B : C
N
C
hDB
@ :: A 2 R ;
hN
wobei hi als Stückzahl interpretiert wird, mit der das i-te Finanzinstrument S i in der
Gesamtheit vertreten ist.
Das Produkt hi S i wird als Position des i-ten Finanzinstruments S i im Portfolio h
bezeichnet. Der Wert V0 .h/ des Portfolios h zum Zeitpunkt 0 lautet
V0 .h/ D h1 S01 C C hN S0N D h S0 :
(1.1)
Der Wert des Portfolios V1 .h/ zum Zeitpunkt 1 hängt vom eintretenden Zustand !j 2 ˝
ab. Daher gilt
0
1
h S1 .!1 /
B
C
::
C 2 RK :
(1.2)
V1 .h/ D h S1 D B
:
@
A
h S1 .!K /
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1 Ein-Perioden-Modelle
Abb. 1.4 Portfoliowerte in Ein-Perioden-Modellen
Alternativ kann V1 .h/ als Abbildung von ˝ nach R aufgefasst werden, wobei V1 .h/.!/ D
h S1 .!/ für ! 2 ˝ definiert wird. Betrachten wir ein beliebiges Portfolio h 2 RN , dann
lassen sich die Werte V0 .h/ und V1 .h/ des Portfolios gemäß Abb. 1.4 veranschaulichen.
Im Folgenden wird gelegentlich die Angabe des Portfolios h in V0 .h/ oder V1 .h/ .!/
weggelassen und einfach V0 oder V1 .!/ geschrieben.
Enthält ein Portfolio eine negative Anzahl hi an Aktien, dann bedeutet dies, dass jhi j
Aktien von einer Finanzinstitution geliehen und anschließend am Markt verkauft wurden.
Damit hat derjenige, der die Aktien geliehen hat, Schulden in Höhe von jhi j Stück dieser Aktie. Eine negative Stückzahl von Finanzinstrumenten in einem Portfolio entspricht
also Schulden in diesem Finanzinstrument. Dies ist analog zu Schulden in einer Währung. Schulden werden gemacht, indem Geld geliehen und dann „verkauft“, also gegen
ein anderes Gut eingetauscht, wird. Entsprechend werden Geldschulden in einem Portfolio durch die negative Anzahl geschuldeter Einheiten des Geldes, also z. B. durch eine
negative Euro-Stückzahl, ausgedrückt.
Gilt hi > 0, dann wird hi S i als Long-Position bezeichnet, d. h., der Portfolio-Inhaber
hat die Position gekauft. Entsprechend wird hi S i als Short-Position bezeichnet, wenn
hi < 0 gilt, wenn also der Portfolio-Inhaber diese Position verkauft hat.
Lemma 1.5 Sei .b; D/ ein Ein-Perioden-Modell. Für jedes h 2 RN gilt
V0 .h/ D h b
(1.3)
V1 .h/ D h S1 D D h;
t
wobei
1
S11 .!1 / S1N .!1 /
C
B
::
::
C
Dt D B
:
:
A
@
S11 .!K / S1N .!K /
0
die Transponierte der Auszahlungsmatrix D bezeichnet.
1.2
Portfolios
9
Abb. 1.5 Portfoliowerte des Beispiels 1.6
Beweis Die erste Zeile in (1.3) folgt sofort aus (1.1). Nach (1.2) gilt V1 .h/ D h S1 , also
1
0
h S1 .!1 /
C
B
::
C
h S1 D B
(1.4)
:
A
@
h S1 .!K /
1
0
h1 S11 .!1 / C C hN S1N .!1 /
C
B
::
C
DB
:
A
@
1 1
N N
h S1 .!K / C C h S1 .!K /
D D t h:
Beispiel 1.6
Wir legen das Modell des Beispiels 1.1 zugrunde und betrachten das Portfolio
!
10
:
hD
1
Wird S 1 als festverzinsliche Kapitalanlage und S 2 als Aktie interpretiert, dann beinhaltet das Portfolio h neben einem Kredit von 10 Geldeinheiten den Bestand von einer
Aktie. Mit diesen Daten gilt
!
!
1
10
D0
V0 .h/ D h S0 D
10
1
und
!
!
!
1;8
10
1;02 12
:
V1 .h/ D h S1 D D h D
D
1;2
1
1;02 9
t
Zum Zeitpunkt 0 besitzt das Portfolio h den Wert V0 .h/ D 0, d. h., die Schulden in Höhe von 10 Geldeinheiten entsprechen gerade dem Wert der Aktie S 2 zum Zeitpunkt 0.
10
1 Ein-Perioden-Modelle
Das Portfolio könnte also durch den Kauf der Aktie mithilfe der Kreditsumme realisiert
worden sein.
Zum Zeitpunkt 1 führt das Steigen des Aktienkurses im Szenario !1 zu einem positiven Wert V1 .h/ .!1 / D 1;8 des Portfolios, während das Sinken des Aktienkurses im
Szenario !2 einen negativen Wert V1 .h/ .!2 / D 1;2 zur Folge hat, siehe Abb. 1.5.
Im Zustand !2 reicht der Wert der Aktie von 9 Geldeinheiten nicht aus, um den Kreditbetrag plus Kreditzinsen in Höhe von 10;20 zurückzuzahlen, sondern es besteht nach
4
Liquidierung des Portfolios noch eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 1;20.
1.3 Optionen und Forward-Kontrakte
Auf der Basis der Wertpapiere, die in einem Marktmodell enthalten sind, lassen sich
weitere Finanzinstrumente definieren, deren Eigenschaften von denjenigen des Marktmodells abhängen. Solche von anderen Finanzprodukten abgeleiteten Instrumente heißen
Derivate. Zu diesen zählen Optionen und Forward-Kontrakte.
Optionen
I Definition 1.7 Eine Call-Option beinhaltet das Recht,
ein bestimmtes Wertpapier, den Basiswert,
zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt,
zu einem heute schon festgesetzten Preis, dem Ausübungspreis oder Basispreis,
zu kaufen. Eine Call-Option heißt daher auch Kaufoption.
Eine Option bietet das Recht, den Basiswert zu erwerben, der Kauf ist jedoch nicht
verpflichtend. Sollte also der aktuelle Marktpreis des Basiswerts zum Fälligkeitszeitpunkt
unterhalb des Ausübungspreises liegen, dann ist es nicht vernünftig, das Optionsrecht auszuüben, da in diesem Fall für den Basiswert mehr als notwendig bezahlt werden würde.
Ist umgekehrt der Marktpreis des Basiswerts zum Fälligkeitszeitpunkt höher als der Ausübungspreis, dann ist es sinnvoll, das Optionsrecht der Call-Option auszuüben, da sich
durch den Kauf des Basiswerts zum Ausübungspreis und den sofortigen Verkauf zum –
höheren – Marktpreis ein Gewinn erzielen lässt.
Bezeichnen wir den Kurs des Basiswerts zum Fälligkeitszeitpunkt mit S und den Ausübungspreis mit K, dann lautet der Wert der Option bei Fälligkeit
.S K/C D max.S K; 0/:
Hier wird also unterstellt, dass der Investor rational handelt und nur im Falle von
S.!/ > K von seinem Optionsrecht Gebrauch macht. Daher ist der Wert einer Option
niemals negativ.
1.3
Optionen und Forward-Kontrakte
11
Betrachten wir eine Call-Option in einem Ein-Perioden-Modell, dann lassen sich die
Werte
cj D .S1 !j K/C ;
j D 1; : : : ; K, der Option bei Fälligkeit als Vektor des RK oder als Funktion c W ˝ ! R
interpretieren. In jedem Fall wird c als Auszahlungsprofil oder als zustandsabhängige
Auszahlung bezeichnet.
I Definition 1.8 Eine Put-Option beinhaltet das Recht,
ein bestimmtes Wertpapier, den Basiswert,
zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt,
zu einem heute schon festgesetzten Preis, dem Ausübungspreis oder Basispreis,
zu verkaufen. Eine Put-Option heißt daher auch Verkaufsoption.
Eine Put-Option ist bei Fälligkeit umso wertvoller, je weiter der Kurs des Basiswerts
zu diesem Zeitpunkt unterhalb des Ausübungspreises liegt. In diesen Situationen kann
der Basiswert am Markt gekauft und anschließend zum – höheren – Ausübungspreis mithilfe des Optionsrechts verkauft werden. Der Wert einer Put-Option bei Fälligkeit lautet
dementsprechend
.K S/C D max.K S; 0/;
wobei S wieder den Kurs des Basiswerts zum Fälligkeitszeitpunkt bezeichnet. Somit gilt
für das Auszahlungsprofil c 2 RK einer Put-Option in einem Ein-Perioden-Modell
cj D .K S1 !j /C
für j D 1; : : : ; K.
Beispiel 1.9
Wir wählen wieder das Ein-Perioden-Zwei-Zustands-Modell aus Beispiel 1.1 und betrachten eine Call-Option auf das Finanzinstrument S 2 mit Ausübungspreis K D 10;5.
Zum Fälligkeitszeitpunkt 1 besitzt die Option je nach eintretendem Zustand die Werte
C
c .!1 / D S12 .!1 / K D .12 10;5/C D 1;5
C
c .!2 / D S12 .!2 / K D .9 10;5/C D 0:
Die zustandsabhängige Auszahlung c der Call-Option beträgt damit
!
1;5
:
cD
0
12
1 Ein-Perioden-Modelle
Betrachten wir in diesem Beispiel dagegen eine Put-Option mit Ausübungspreis
K D 11, dann ergeben sich je nach Zustand die Auszahlungen
C
c .!1 / D K S12 .!1 / D .11 12/C D 0
C
c .!2 / D K S12 .!2 / D .11 9/C D 2;
also
!
0
:
cD
2
4
Da die Auszahlungsprofile von Call- und Put-Optionen nicht-negativ sind, hat der Käufer einer Option zum Zeitpunkt t D 1 niemals eine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem
Verkäufer. Aus Sicht des Käufers verfällt die Option im ungünstigsten Fall wertlos oder
aber er besitzt gegenüber dem Verkäufer einen Zahlungsanspruch.
Kann ein Optionsrecht wie oben definiert nur zu einem zuvor festgelegten zukünftigen
Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt, ausgeübt werden, dann heißt die Option europäisch.
Kann es dagegen zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Laufzeit bis zum Fälligkeitszeitpunkt ausgeübt werden, dann heißt die Option amerikanisch. Im Rahmen der
Ein-Perioden-Modelle, die nur einen einzigen zukünftigen Zeitpunkt beinhalten, können
europäische und amerikanische Optionen nicht voneinander unterschieden werden.
Warum könnte es sinnvoll sein, Optionen zu erwerben? Angenommen, ein Investor
möchte in der Zukunft ein Wertpapier kaufen. Mit einer Call-Option, die dieses Wertpapier
als Basiswert besitzt, kann er sich heute gegen einen unerwarteten Preisanstieg versichern.
Denn steigt der Preis des betrachteten Wertpapiers am Markt an, dann muss der Investor
aufgrund seines Optionsrechts nur den vereinbarten Basispreis bezahlen. Sinkt dagegen
der Kurs unter den Ausübungspreis, dann lässt der Investor sein Optionsrecht verfallen und
kauft das Wertpapier günstiger am Markt. Sei weiter angenommen, ein Investor verfügt
heute über einen Wertpapierbestand. Mit einer Reihe von Put-Optionen auf diesen Bestand
kann er sich gegen einen unerwarteten Preisverfall absichern. Sollte nämlich der Kurs der
Wertpapiere einbrechen, dann garantieren ihm die Optionen die Möglichkeit des Verkaufs
dieser Wertpapiere zum vereinbarten Ausübungspreis. Damit wirkt eine Put-Option wie
eine Versicherung gegenüber negativen Kursentwicklungen. Das Optionsrecht hat einen
Preis, der in diesem Fall als Versicherungsprämie interpretiert werden kann.
Optionen können nicht nur zur Reduzierung des Preisänderungsrisikos oder zur Absicherung eines Wertpapierbestands eingesetzt werden, sondern auch zu Spekulationszwecken. Erwartet ein Marktteilnehmer den Preisverfall eines Wertpapiers, dann kann
er versuchen, Put-Optionen zu erwerben, die dieses Wertpapier als Basiswert besitzen.
Bricht der Kurs daraufhin tatsächlich ein, dann können die Wertpapiere billig an der Börse gekauft und anschließend mithilfe der Put-Optionen teuer verkauft werden. Auf diese
Weise lassen sich hohe Profite erzielen. Tritt jedoch der erhoffte Kurseinbruch nicht ein,
dann können die Optionen wertlos verfallen, und das gesamte, für den Kauf der Optionen
aufgewendete Kapital ist verloren.
http://www.springer.com/978-3-662-53725-1
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