Ferienkurs Experimentalphysik 4 Vorlesung 1 Grundlagen der Quantenmechanik und Streutheorie Markus Perner, Rolf Ripszam, Christoph Kastl 15.02.2010 1 Grundlagen der Quantenmechanik 1.1 Einführung Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Phänomene wie z.B. der photoelektrische Effekt oder die Beugung von Elektronen untersucht und revolutionierten das physikalische Weltbild. Der photoelektrische Effekt führte dazu, dass Licht, welches bis dahin als eine Welle angenommen wurde, ein Teilchencharakter zugeordnet wurde. Mit der Beziehung E = ~ω = mc2 lässt sich einem Photon eine relativistische Masse und somit ein Impuls p = mv = ~ω ĉ = ~k c (1) wobei ĉ der Einheitsvektor der Lichtgeschwindigkeit ist, zuordnen, der den dualen Charakter von Licht beschreibt und andere Phänomene wie z.B. den Comptoneffekt erklärt. Diese Verknüpfung von Impuls p und Wellenzahl k wurde von Louis de Broglie auf Teilchen der Masse m, die sich mit der Geschwindigkeit v bewegen, angewendet. Auf die Weise kann man jedem Teilchen eine Wellenlänge, die de-Broglie-Wellenlänge zuordnen λ= h h h = =√ . p mv 2mEkin (2) In der quantenphysikalischen Beschreibung von Atomen, Molekülen, Elektronen und Photonen wird die eindeutige Unterscheidung zwischen Teilchen- und Wellenmodell aufgehoben. 1.2 Materiewellen und Wellenfunktion Zur Wellenbeschreibung eines Teilchens der Masse m, das sich mit der Geschwindigkeit v in x-Richtung bewegt, wählen wir für die Materiewelle eine zur Lichtwelle analoge Darstellung ψ(x, t) = Cei(ωt−kx) = Cei(Et−px)/~ (3) wobei die Frequenz ω der Materiewelle mit der kinetischen Energie Ekin des Teilchens durch ~ω = Ekin verknüpft ist. Mit den Beziehungen E = Ekin = p2 /(2m), p = ~k und ω = E/~ stellt man fest, dass die Phasengeschwindigkeit vPh = ~ 1 ω = k = vT k 2m 2 (4) vom Wellenvektor k, und somit vom Impuls p des Teilchens abhängt und gleich der halben Teilchengeschwindigkeit vT = p/m = ~k/m ist. Materiewellen zeigen also Dispersion und ihre Phasengeschwindigkeit vPh ist nicht ohne Weiteres geeignet um die Teilchenbewegung zu beschreiben. Dieses Problem wird durch die Einführung von Wellenpaketen beseitigt. 1 1.2.1 Wellenpakete Bei einer kontinuierlichen Überlagerung von ebenen Wellen ergibt sich die Wellenfunktion ˆ∞ 1 ψ(x, t) = √ A(k)e−i(ω(k)t−kx) dk, (5) 2π −∞ wobei alle vorkommenden Wellenzahlen k im Intervall [k0 − ∆k, k0 + ∆k] liegen sollen. Der Amplitudenfaktor A(k) gewichtet die einzelnen ebenen Wellen in Abhängigkeit der Wellenzahl. Wenn diese Amplitude im engen Intervall ∆k annähernd konstant bleibt, also A(k) ≈ A(k0 ) = const. gilt, und man ω(k) in eine Taylorreihe bis zur linearen Ordnung entwickelt dω (6) ω(k) = ω0 + (k − k0 ) + O k 2 dk k=k0 | {z } =:ω00 lässt sich dieses Integral elementar berechnen und für die Wellenfunktion ergibt sich r 2 sin [∆k(ω00 t − x)] . (7) A(k0 )e−i(ω0 t−k0 x) ψ(x, t) = π ω00 t − x Obige Gleichung stellt nun ein Wellenpaket dar, welches ein Maximum bei ω00 t − x = 0 besitzt, das sich mit der Gruppengeschwindigkeit dω ~k0 p vGr = = = = vT (8) dk k=k0 m m in x-Richtung bewegt, die genau der Teilchengeschwindigkeit entspricht. Somit eignet sich das Wellenpaket besser zur Beschreibung bewegter Teilchen als die ebene Materiewelle, da seine charakteristischen Eigenschaften mit den entsprechenden Größen des klassischen Teilchenmodells verknüpft werden können. 2 1.2.2 Heisenbergsche Unschärferelation Die volle (räumliche) Breite des Maximums ∆x eines solchen normierten Wellenpakets zum Zeitpunkt t = 0 und die volle Breite ∆k der zugehörigen Amplitudenverteilung folgen der Beziehung ∆x∆k ≥ 1, (9) wobei sich zeigen lässt, dass der Minimalwert ∆x∆k = 1 für eine gaußförmige Amplitudenverteilung eintritt und alle anderen Verteilungen größere Werte liefern. Je größer die Ortsunschärfe ist, desto kleiner ist die Impulsunschärfe und umgekehrt. Mit der Beziehung p = ~k folgt die Heisenbergsche Unschärferelation (oft auch Unbestimmtheitsrelation) ∆x∆p ≥ ~. (10) Für die anderen Raumrichtungen eines dreidimensionalen Wellenpaketes erhält man analoge Ungleichungen. Die Konsequenz dieser Orts-Impuls-Unschärfe ist, dass der Ort und der Impuls eines Teilchens nicht beliebig genau bestimmbar, sondern immer mit einer Unschärfe behaftet sind. Wenn man ein Teilchen nur während des begrenzten Zeitintervalls ∆t beobachtet, kann man seine Energie E nur mit einer Unschärfe ∆E ≥ ~/∆t bestimmen, woraus sich die Energie-Zeit-Unschärfe ∆E∆t ≥ ~ (11) ableiten lässt. 3 1.2.3 Statistische Interpretation Das Absolutquadrat |ψ(x, t)|2 dx = ψ ∗ (x, t)ψ(x, t)dx der Materiewellenfunktion des Wellenpakets gibt die Wahrscheinlichkeit an, das Teilchen zur Zeit t im Intervall dx um den Ort x zu finden. Man nennt |ψ(x, t)|2 die Wahrscheinlichkeitsdichte am Ort x zur Zeit t. Da die Wahrscheinlichkeit ein Teilchen, das sich entlang der x-Achse bewegt, irgendwo im Intervall (−∞, ∞) zu finden Eins betragen muss, ergibt sich die Normierungsbedingung für die Wellenfunktion ˆ∞ |ψ(x, t)|2 dx = 1. (12) −∞ Diese Normierungsbedinung lässt sich natürlich auf Bewegungen im dreidimensionalen verallgemeinern. 1.3 Fundamentale Begriffe der Quantenmechanik 1.3.1 Zustand Der Zustand eines mikroskopischen Systems in der Quantenmechanik wird als Ψ oder in der Bra-Ket-Notation als |Ψi bezeichnet und ist ein Element des abstrakten Hilbertraumes. Im Rahmen dieses Ferienkurses wird allerdings hauptsächlich die Projektion des Zustandes in den Ortsraum hr | Ψi = Ψ(r, t) (auch bekannt als Zustands- oder Wellengleichung) verwendet. Um die räumliche und zeitliche Entwicklung einer Zustandsgleichung beschreiben zu können, wird eine Differentialgleichung, die Schrödinger-Gleichung, benötigt. Um die Zustände durch messbare Eigenschaften, sog. Observablen, charakterisieren zu können werden Operatoren benötigt. 1.3.2 Observablen Die klassische Messgröße M wird in der Quantenmechanik durch die Observable A ersetzt und jeder dieser physikalischen Größen ein Operator  zugeordnet, der sie mit der Zustandsfunktion verknüpft. Aufgrund der Wahrscheinlichkeitsinterpretation sind nur Erwartungswerte von Observablen zugänglich. Für den Erwartungswert hAi einer Observable A gilt ˆ hAi = Ψ∗ (r, t)ÂΨ(r, t)d3 r (13) Dabei führt der Operator  eine bestimmt mathematische Operation an der Zustandsfunktion aus. 4 Im Ortsraum gelten folgende Zuordnungen: r −→ r̂ = r p −→ p̂ = −i~∇ L −→ L̂ = r × p̂ = −i~ (r × ∇) Epot −→ V̂ (r) = V (r) p̂2 ~2 2 Ekin −→ =− ∇ 2m 2m ~2 2 ∇ + V (r) E −→ Ĥ = − 2m (14) (15) (16) (17) (18) (19) 1.3.3 Eigenwerte, Eigenfunktion Wendet man einen Operator  auf eine Zustandsfunktion Ψ(r, t) an und erhält als Ergebnis dieser Operation die Funktion Ψ(r, t), lediglich mit einem konstanten Faktor a ∈ multipliziert, wieder, so ist Ψ(r, t) Eigenfunktion des Operators  zum Eigenwert a, der gerade den Erwartungswert bestimmt. ˆ ˆ 3 ∗ hAi = Ψ (r, t) ÂΨ(r, t) d r = a Ψ∗ (r, t)Ψ(r, t)d3 r = a. (20) | {z } {z } | =aΨ(r,t) C =1 Dabei ist a das messbare Ergebnis der Observale A, deren mittlere quadratische Schwankung h(∆A)2 i gleich Null ist, man also immer den gleichen Wert (bis auf Messfehler) misst. A ist somit eine geeignete Größe um das System zu beschreiben. Für die Standardabweichung ∆A gilt q ∆A = hA2 i − hAi2 . (21) Physikalische Größen werden ausschließlich durch Operatoren mit reellen Eigenwerten beschrieben. Man nennt diese Operatoren hermitesch. Dies bedeutet, dass der Operator  und sein Adjungiertes † gleich sind, also  = † . Falls zwei Operatoren  und B̂ die selben Eigenfunktionen besitzen, so lassen sich die Erwartungswerte hAi und hBi gleichzeitig scharf messen. Sind zwei Operatoren  und B̂ vertauschbar, also wenn der Kommutator h i Â, B̂ = ÂB̂ − B̂  (22) verschwindet, dann lassen sich die Eigenwerte gleichzeitig scharf messen. Ist der Kommutator zwischen dem Hamiltonoperator Ĥ und einem Operator  gleich Null, so ist die zum Operator  gehörende Observable A eine Erhaltungsgröße des Systems. 5 1.3.4 Schrödinger-Gleichung Die Schrödinger-Gleichung ist die Grundgleichung der nichtrelativistischen Quantenmechanik. Übertragt man die Operatorenschreibweise auf die klassische Hamilton’sche Bewegungsgleichung p2 +V (23) H=E =T +V = 2m für ein Teilchem mit Masse m, Impuls p und Gesamtenergie E, so erhält man die Schrödinger-Gleichung ∂ ~2 2 ĤΨ(r, t) = i~ Ψ(r, t) = − ∇ + V (r, t) Ψ(r, t) = EΨ(r, t). (24) ∂t 2m Dies ist die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung. Im stationären Fall, also für E = const. und V (r, t) = V (r), lässt sich mit dem Separationsansatz i Ψ(r, t) = Ψ(r, t = 0)e−iωt = ψ(r)e− ~ Et die stationäre Schrödinger-Gleichung ~2 2 Ĥψ(r) = − ∇ + V (r) ψ(r) = Eψ(r). 2m (25) (26) erzeugen. Da die Schrödinger-Gleichung eine lineare homogene DGL ist, können verschiedene Lösungen linear überlagert werden (Superpositionsprinzip), d.h. mit den Lösungen ψ1 und ψ2 ist auch ψ3 = aψ1 + bψ2 eine Lösung der Schrödinger-Gleichung. Die eigentliche Aufgabe besteht nun darin, für ein vorgegebenes Potential V (r) die Wellenfunktion zu finden, die die Schrödinger-Gleichung löst. Leider lassen sich nur wenige Potentiale exakt analytisch lösen, im Eindimensionalen jedoch gibt es eine Reihe von ’Standardtypen’ (s. Anhang) wie den unendlich hohen Potentialtopf, die Potentialbarriere oder den harmonischen Oszillator (dieser verlangt jedoch etwas mehr Rechenaufwand). 1.3.5 Drehimpuls in der Quantenmechanik Für den Drehimpulsoperator L̂ = r × p̂ = −i~(r × ∇) erhält man in kartesischen Koordinaten ∂ ∂ −z , (27) L̂x = −i~ y ∂z ∂y ∂ ∂ L̂y = −i~ z −x , (28) ∂x ∂z ∂ ∂ L̂z = −i~ x −y . (29) ∂y ∂x 6 In Kugelkoordinaten wird dies zu ∂ ∂ L̂x = i~ sin ϕ + cot ϑ cos ϕ , ∂ϑ ∂ϕ ∂ ∂ + cot ϑ sin ϕ , L̂y = i~ − cos ϕ ∂ϑ ∂ϕ ∂ L̂z = −i~ . ∂ϕ Damit ergibt sich für den Operator des Drehimpuls-Betragsquadrats 2 ∂ 1 ∂2 1 ∂ 2 2 2 2 sin ϑ + = −~2 ∇2ϑ,ϕ . L̂ = L̂x + L̂y + L̂z = −~ 2 2 sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ ∂ϕ sin ϑ (30) (31) (32) (33) 2 Offensichtlich ist L̂ proportional zum Winkelanteil des Laplace-Operators. Dies bedeu2 tet, dass die Kugelflächenfunktionen Ylm (ϑ, ϕ) Eigenfunktionen des Operators L̂ sind. Desweiteren sind die Kugelflächenfunktionen auch Eigenfunktionen zum Operator L̂z . Die Eigenwertgleichungen lauten 2 L̂ Ylm (ϑ, ϕ) = ~2 l(l + 1)Ylm (ϑ, ϕ), L̂z Ylm (ϑ, ϕ) = ~mYlm (ϑ, ϕ) (34) (35) wobei m nur ganzzahlige Werte zwischen −l und l annehmen kann. Die Operatoren 2 L̂ und L̂z haben also die gleichen Eigenfunktionen und sind somit gleichzeitig scharf messbar. Allgemein kann man zeigen, dass der Betrag und eine Richtung des Drehimpulses gleichzeitig scharf gemessen werden können. Einzelne Richtungskomponenten jedoch können nicht gleichzeitig scharf gemessen werden. L̂x und L̂y sind aber in ihren Werten über die Relation 2 L̂2x + L̂2y = L̂ − L̂2z (36) beschränkt. Dabei wurde als sog. Quantisierungsachse gemäß Konvention die z-Achse gewählt. Der Drehimpulsvektor L̂ hat nun also eine wohldefinierte Länge und Projektion auf die Quantisierungsachse, er präzediert somit um die Quantisierungsachse. 7 1.4 Spin Lässt man einen Elektronenstrahl durch ein inhomogenes Magnetfeld laufen, so stellt man eine Aufspaltung des Strahls in zwei scharf getrennte Teilstrahlen fest. Im ursprünglichen, von Otto Stern und Walther Gerlach durchgeführten, Experiment wurden Silberatome verwendet, da dort nur das 5s Elektron zum Gesamtdrehimpuls beiträgt. Dieses Experiment ließ sich aus den zuvor bekannten Eigenschaften des Elektrons nicht erklären und deutete auf eine weitere zuvor unbekannte Eigenschaft der Teilchen hin. Diese Eigenschaft, der Spin Ŝ, ist ein Eigendrehimpuls und immer mit einem magnetischem Moment µ verknüpft. Der Spin folgt somit den selben Gesetzmäßigkeiten wie der Bahndrehimpuls und besitzt daher die Erwartungswerte D E Ŝ 2 = ~2 s(s + 1), (37) D E Ŝz = ~ms . (38) Für das Elektron ist die Spinquantenzahl s = 1/2 und somit ms = ±1/2. Die Zustände mit ms = 1/2 werden als Spin-Up, die mit ms = −1/2 als Spin-Down bezeichnet. Alle anderen Eigenschaften der Zustände bleiben erhalten, der Spin kann also stets separat betrachtet werden. 1.5 Fermionen und Bosonen Allen Quantenteilchen lässt sich eine Drehimpuls-Eigenschaft, also ein Spin, zuordnen. Diese Eigenschaft, die zur Drehimpulserhaltung notwendig ist und sich wie ein Drehimpuls transformiert, hat allerdings kein klassisches Analogon. Alle Teilchen lassen sich dadurch in zwei Arten aufteilen: • Fermionen besitzen einen halbzahligen Spin und eine antisymmetrische Zustandsfunktion. Aus dieser antisymmetrischen Zustandsfunktion folgt das Pauli-Prinzip, das besagt, dass zwei Fermionen mit einem identischen Satz von Quantenzahlen (Hauptquantenzahl, Drehimpulsquantenzahl, Spinquantenzahl etc.), sich nicht am selben Ort befinden dürfen. Beispiele sind Elektronen, Protonen, Quarks, Neutrinos. • Bosonen besitzen einen ganzzahligen Spin und eine symmetrische Zustandsfunktion. Aus diesem Grund gilt für sie das Pauli-Prinzip nicht. Beispiele sind Photonen, Phononen, α-Teilchen. Die oben erwähnte Zustandsfunktion setzt sich immer aus einem Ortsanteil ϕ(r, t) und einem Spinanteil χms zusammen Ψms (r, t) = ϕ(r, t)χms . 8 (39) Fermionen und Bosonen zeigen nun ein unterschiedliches Verhalten bei Streuexperimenten. Misst man mit einem Detektor D1 unter dem Streuwinkel θ und mit einem zweiten Detektor D2 unter dem Winkel π − θ, so erhält man für die Wahrscheinlichkeit P1 (θ) irgendein Teilchen in Detektor D1 nachzuweisen folgende Fälle: • unterscheidbare Teilchen (z.B. α-Teilchen und 16 O-Kerne): P1 (θ) = |f (θ)|2 + |f (π − θ)|2 = PI + PII • ununterscheidbare Bosonen (z.B. nur 16 (40) O-Kerne): P1 (θ) = |f (θ) + f (π − θ)|2 = PI + PII + I (41) • ununterscheidbare Fermionen (z.B. nur 1 H-Kerne): P1 (θ) = |f (θ) − f (π − θ)|2 = PI + PII − I (42) In den letzten beiden Fällen bezeichnet I einen Interferenzterm. Es sei noch erwähnt, dass diese Betrachtung grundsätzlich auch für zusammengesetzte Systeme gilt. In diesem Fall zählt nur der Gesamtspin. 2 Streutheorie 2.1 Allgemeines Wir betrachten einen Strahl von Teilchen A mit einem Teilchenfluss dNA /dt = ṄA , der auf ein Target (dünne Schicht der Dicke dx), bestehend aus Teilchen B mit Dichte nB , trifft. Ein Teil dṄS der einfallenden Teilchen wechselwirkt mit den Targetteilchen und wird gestreut. Unter der Annahme, dass keine Mehrfachstreuung auftritt, wird der Wechselwirkungsbereich um ein Targetteilchen in dem eine messbare Streuung stattfindet als der integrale Wirkungsquerschnitt σ = πr2 definiert. 9 Allgemein lässt sich der integrale Wirkungsquerschnitt schreiben als σ= dṄS Zahl der gestreuten Teilchen pro Zeiteinheit = , Zahl der einfallenden Teilchen pro Zeiteinheit und Fläche ṄA /F (43) wobei F die bestrahlte Targetfläche F = NB /(nB dx) ist. Mit der Anzahl der Streuzentren NB im Streuvolumen F dx ergibt sich die Änderung des Teilchenflusses dṄA entlang der Strecke dx im Target zu − dṄA = dṄS = ṄA σ NB = ṄA σnB dx F (44) Der differentielle Wirkungsquerschnitt ist definiert durch dσ Zahl der gestreuten Teilchen pro Zeiteinheit und Raumwinkel dṄS /dΩ = = . dΩ Zahl der einfallenden Teilchen pro Zeiteinheit und Fläche ṄA /F (45) Die Zahl dṄS der entlang der Strecke dx im Target pro Zeiteinheit in den Raumwinkel dΩ um den Winkel θ gestreuten Teilchen ist dṄS = dσ dσ ṄA NB dΩ = ṄA nB dx dΩ. F dΩ dΩ (46) Setzt man den Fluss, der im kleinsten Abstand b vom Streuzentrum in den Raumwinkel dΩ = sin θdθdϕ in den Winkel θ gestreuten Teilchen, in Beziehung zum einfallenden Teilchenfluss, so erhält man für den differentiellen Wirkungsquerschnitt db 1 dσ = b , (47) dΩ dθ sin θ wobei b = b(θ) als Stoßparameter bezeichnet wird. Die Betragsstriche sind notwendig, weil der Wirkungsquerschnitt nicht negativ werden kann. 10 In den Detektor, dessen Fläche den Raumwinkel dΩ abdeckt, gelangt der Bruchteil der Teilchen dṄS dσ NB dσ = nB dx sin θdθdϕ = dΩ. (48) dΩ F dΩ ṄA Dieser Bruchteil ist also abhängig von der Anzahl der Streuzentren pro Fläche, dem differentiellen Wirkungsquerschnitt (und damit vom Stoßparameter) und der Detektorfläche. Für Streuexperimente ist die sogenannte Luminosität L eine wichtige Kenngröße. Sie ist definiert als die Teilchenstromdichte ΦA = (NA /V )vA = nA vA = ṄA /F multipliziert mit der Anzahl der im Strahl stehenden Streuzentren NB = nB dxF . Mit der Strahlgeschwindigkeit vA , der Teilchendichte im Target nB sowie der Dicke dx und der bestrahlten Fläche des Targets F . Man erhält so für die Luminosität L = ΦA NB = nA vA nB dxF = ṄA NB . F (49) Die Anzahl der pro Zeiteinheit in das Raumwinkelelement dΩ gestreuten Teilchen dṄA ist dann das Produkt aus Luminosität und differentiellem Wirkungsquerschnitt dṄS = L dσ dΩ. dΩ (50) 2.2 Rutherfordsche Streuformel Die Rutherfordsche Streuformel beruht auf der klassischen Streutheorie, in der ein Streuprozess zweier Teilchen in einem Schwerpunktsystem dargestellt wird. Daraus leitet sich eine Formel für den Stoßparameter b ab (lange Herleitung). b ist für ein kugelsymmetrisches Potential V (r) = k/r gegeben durch b(θ) = θ k cot 2 µv 2 (51) wobei µ die reduzierte Masse, v die Geschwindigkeit des Schwerpunktsystems und θ der Streuwinkel ist. Nimmt man einen punktförmigen geladenen Kern mit Ordnungszahl Z1 an, so gilt k = (Z1 Z2 e2 )/(4π0 ) und mit b(θ) = Z1 Z2 e2 θ cot 2 4π0 µv 2 ⇒ db 1 Z1 Z2 e2 1 = dθ 2 4π0 µv 2 sin2 θ 2 (52) ergibt durch einsetzten in den differentiellen Wirkungsquerschnitt die Rutherfordsche Streuformel 2 dσ 1 Z1 Z2 e2 1 = (53) 2 dΩ 4 4π0 µv sin4 2θ 11 Da die Annahme eines punktförmigen Kernes mit den experimentellen Befunden übereinstimmt (z.B. Streuung von α-Teilchen an einer Goldfolie), nahm Rutherford an, dass der Atomkern positiv geladen ist und von Elektronen mit insgesamt der gleichen negativen Ladung umgeben ist. Über die räumliche Verteilung der Elektronen ließen seine Experimenten allerdings keine Schlüsse zu. 12 2.3.4 Teilchen im Potentialkasten Teilchen im eindimensionalen, unendlich hohen Potentialkasten ­ 0 für 0 d x d a E pot x ® f sonst ¯ Wellenfunktion: x Energieeigenwerte steigen quadratisch mit Quantenzahl n an. x Sie steigen auch quadratisch mit 1 a (1/ Kastenlänge) an. x Die minimale Energie, d. h. die Energie des niedrigsten Zustandes ist nicht Null, sondern E 1 Nullpunktsenergie innerhalb des Kastens wie bei freiem Teilchen außerhalb muss sie verschwinden, \ x d 0 \ x t a \n x 0 2 nS · x ¸ für sin §¨ a © a ¹ mit n 1, 2, 3,... 0dxda Die Nullpunktsenergie tritt generell bei allen attraktiven Potentialen auf. 2a n stehende Welle mit Wellenlänge O n Endliche Potentialbarrieren Energieeigenwerte En n 2 E 1 mit E 1 bzw. E n =2 §S· 2m ¨© a ¸¹ =2 2 k mit k n 2m n PL IV, SoSe 05 S. Lochbrunner Lösung mit Produktansatz: \ x,y = 2 w 2 fx 2m wx 2 E x f x und = 2 w 2 g y 2m wy 2 E y g y \ x,y 2S On LMU Physik PL IV, SoSe 05 f sonst x Energien sind dadurch etwas abgesenkt. x Es gibt nur eine endliche Zahl von gebundenen Zuständen. PL IV, SoSe 05 S. Lochbrunner LMU Physik Harmonischer Oszillator beschreibt die führende Ordnung eines Potentials in der Umgebung eines Minimums. E \ x,y V x Vmin 1 w2 V x x min 2 2 wx 2 x min 1 Vmin D x x min 2 2 f x g y Rückstellkraft Fr D x x min G G ( F grad V r ) a=b Eigenfrequenz Z § ny Sy · 2 n Sx · sin §¨ x ¸ sin ¨ b ¸ a ab © ¹ © ¹ Energieeigenwerte: 2 = 2 S 2 § n 2x n y · ¨ ¸ E n x ,n y 2m ¨ a 2 b 2 ¸ © ¹ nx , ny ` Die Wellenfunktion dringt etwas in die Barrieren ein. 2.3.5 Harmonischer Oszillator 0 für 0 d x d a , 0 d y d b und E pot stationäre Schrödingergleichung: = 2 § w 2 w2 · ¨ 2 2 ¸¸ \ x,y E pot \ x,y ¨ 2m © wx wy ¹ x 2 Teilchen im zweidimensionalen Kasten E pot Die Nullpunktsenergie wird durch die Ortsbeschränkung des Teilchens auf 'x a hervorgerufen. Je größer a wird, desto kleiner wird die Nullpunktsenergie. Dies lässt sich auch mit der Heisenbergschen Unschärferelation zeigen. Dm Anwendungen: Eigenschwingungen von Molekülen, in Festkörpern, bei makroskopischen Körpern Stationäre Schrödingergleichung: E 1,x n 2x E 1,y n 2y Variablentransformation: [ S. Lochbrunner LMU Physik PL IV, SoSe 05 x mZ = = 2 w 2 1 \ x D x2 \ x 2 m wx 2 2 w2 w[ 2 2E \ [ §¨ [ 2 ·¸ \ [ © =Z ¹ E\ x 0 S. Lochbrunner LMU Physik Lösung durch: N v e m Z x \v x 2 2= Hv x mZ = 2.3.6 Teilchen im kugelsymmetrischen Potential z. B. Coulombpotential einer Punktladung Die Lösungen werden mit der Schwingungsquantenzahl v durchnummeriert: v G Im kugelsymmetrischen Potential E pot r 0, 1, 2, 3... x 2 y 2 z2 N v = Normierungskonstante x r < sin - < cos M r H v [ = Hermitsche Polynome: y r < sin - < sin M - arccos z r < cos - M arctan [ ; H2 [ 2 1... Energieeigenwerte: H0 1; H1 Ev v 1 =Z 2 = Z (Q klassische Frequenz). x Eigenwerte sind äquidistant und ihr Abstand ist hQ x Ein harmonischer Oszillator im v-ten Niveau enthält v Schwingungsquanten. x Aufgrund der Symmetrie des Potentials sind Eigenfunktionen abwechselnd symmetrisch und antisymmetrisch zu x = 0. x Klassische Oszillation entspricht Überlagerung vieler stationärer Zustände PL IV, SoSe 05 S. Lochbrunner Produktansatz: \ r, -, M ' § 1 w § 2 w · 1 1 w § w · w2 ¨¨ 2 ¨r ¸ 2 ¨ sin ¸ 2 w- ¹ r sin 2 - w M 2 © r w r © w r ¹ r sin - w- © LMU Physik 1 w 2I I wM2 wM 2 I C 1 I I I M q 2S , q ] Im M und somit 2S I m I n dM 0 ³ 0 LMU Physik m 2 und Umordnen der Schrödingergleichung liefert 1 w § wT m2 sin - ·¸ ¨ w- ¹ sin2 sin - T w- © C2 Linke und rechte Seite müssen wiederum konstant sein, da sie von unterschiedlichen Variablen abhängen. wT - · § 1 w § m2 · sin ¨ C2 ¸T - ¨ ¸ ¨ w- ¹ © sin - w- © sin2 - ¸¹ A e ri C 1 M 0 0 Die Lösungen der Gleichung sind die Legendrefunktionen T m l M muss im Raum eindeutig sein e ri C 1 q 2 S · 2m T E V r \ ¸¸ \ =2 ¹ S. Lochbrunner 1 w § 2 wR · 2 mT 2 ¨r ¸ 2 E V r r R wr © wr ¹ = links keine Abhängigkeit von M und rechts keine von r und - beide Seite müssen konstant sein, damit die Gleichung für alle r, -, und M erfüllt ist. (Konstante C 1) w2 y x § w · 1 w2 ¨ sin ¸ 2 2 w- ¹ r sin - w M2 © PL IV, SoSe 05 Einsetzen von C 1 Laplace-Operator: 1 w § 2 w · 1 w ¨r ¸ r 2 w r © w r ¹ r 2 sin - w- z x 2 y 2 z2 Stationäre Schrödingergleichung ( m T = Teilchenmasse): Rr T - I M sin2 - w § 2 wR · sin - w § wT 2 mT sin - ·¸ E V r r 2 sin2 ¨r ¸ T w- ¨© w- ¹ R wr © wr ¹ =2 I M Vr bietet sich die Verwendung von Kugelkoordinaten r, -, M an. 1 C1 m, m ] z0 und durch die assoziierten Legendrefunktionen T m l 1 im M e , m] 2S C2 G mn . Funktionen I m sind orthogonal zueinander. l l 1 , l ` 0 und Pl cos - für m m Pl cos - für m z 0 mit 0 l d m d l x l wird später die Drehimpulsquantenzahl genannt werden. x = l l 1 ist die Größe des Bahndrehimpulses. Wie später diskutiert wird, ist m die magnetische Quantenzahl und = m die z-Komponente des Bahndrehimpulses. PL IV, SoSe 05 S. Lochbrunner LMU Physik PL IV, SoSe 05 S. Lochbrunner LMU Physik