Konzepte Betrieblicher Umweltinformations

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WI - State of the Art
Betriebliche Umwelti nformationssysteme
Als Betriebliehe Umweltinformationssysterne (BUIS) werden organisatorisehteehnische Systeme zur systematisehen
Erfassung, Verarbeitung und Bereitstellung umweltrelevanter Informationen in
einem Betrieb bezeichnet. Sie dienen in
erster Linie der Erfassung betrieblicher
Umweltbelastungen und der Unterstiitzung von MaBnahmen zu deren Vermeidung und Verminderung [HiRa95, 296].
1m Gegensatz zu den von Behorden betriebenen bzw. iiberbetrieblichen Umweltinformationssystemen liegen die Aufgaben
von BUlS nicht ausschlieBlieh im okologischen Bereich, vielmehr sind sie als Bausteine komplexer betrieblicher Anwendungssysteme zu verstehen , die den
Unternehmenszwecken dienen .
In der Forschungslandschaft sind BUIS
im Oberlappungsbereich von Wirtschaftsund Umweltinformatik angesiedelt (siehe
Bild 1). Forschungsgegenstand der Wirtschaftsinformatik sind betriebliche Informationssysteme, zu denen auch BUIS gehoren. Forschungsaktivitaten der Umweltinformatik liegen unter anderem in der
informationstechnischen
Realisierung
von Umweltinformationssystemen, die
Behorden und Forschungsinstitutionen
von der kommunalen bis zur Bundesebene AufschluB iiber Umweltbelastungen
verschiedener Art geben. Umweltinformationssysteme dienen neben der Erfassung von Umweltdaten auch der Uoterstiitzung von MaBnahmen zur Vermeidung, Begrenzung und Beseitigung von
Umweltschaden [PaHi95b, 17].
Adressaten der von einem BUIS bereitgestellten Informationen sind Management und Mitarbeiter des Betriebs , aber
auch betriebsexterne Institutionen (Stakeholder) wie Behorden, Geschaftspartner
und Versicherungen . Auch Konsumenten
und die interessierte Offentlichkeit, haufig durch die Medien auf Problemfelder
aufmerksam gemacht, meld en immer haufiger Informationsbedarf hinsichtlich der
von Unternehmen verursachten oder vermiedenen Umweltbelastungen an. Neben
reinen Dokumentationsaufgaben unterstiitzen BUIS zunehmend auch Aufgaben
der Planung, Steuerung und Kontrolle von
MaBnahmen und operativen Aufgaben eines integrierten betrieblichen Umweltschutzes .
Konzepte Betrieblicher
Umweltinformationssysteme fur Produktion
und Recycling
Lorenz M. Hilty, Claus Rautenstrauch
Ausgangspunkt fur die Entwicklung
von BUIS in den vergangenen Jahren waren sowohl der zunehmende interne Informationsbedarf - z.B. zur Wahrnehmung gesetzlicher pflichten im Rahmen
des betrieblichen Umweltschutzes - als
auch der von au Ben an die Unternehmen
herangetragene Bedarf an Informationen
iiber Umweltbelastungen durch Produkte
und Produktionsverfahren. Aus Sicht eines Industriebetriebs dieot die (okologisehe) Umwelt auf der Inputseite als QueUe
(Abgabemedium) natiirlicher Ressourcen, die als Rohstoffe in die Produktion
eingehen, und auf der Outputseite als Senke (Aufnahmemedium) fur feste, fliissige
und gasfOrmige Stoffe_ Ferner wird die
Umwelt aueh dureh Flaehenverbrauch fur
Industrieanlagen in Ansprueh genommen. Die industrieUe Produktion ist dadurch Verursacher erheblieher Umweltbelastungen. Daher werden in diesem Beitrag BUlS behandelt, die sich explizit mit
der Reduzierung von Umweltbelastungen
in diesem Bereich befassen .
WTRTSCHAITSINFORMATIK 39 (1997) 4, S 385 - 393
2 Vom additiven zum
prod uktionsi nteg rierten
Umweltschutz
Die natiirliehe Umwelt wird aus produktionswirtsehaftlicher Sieht als Produktionsfaktor angesehen [Stev94, 68ff; Stre80,
38fJ, fur deren Erhalt folgende Maxime
einzuhalten sind [Brau92, 41]:
Orientierung an der Begrenztheit der
Umwelt,
Stabilisierung der Okosysteme,
Verringerung des Natureinsatzes und
Anwendung naturnaher Produktionsverfahren .
Fiir den Produktionsbereich bedeutet die
Einhaltung der Maxime, daB sawohl die
Entnahme von Umweltgiitern als auch die
Belastung der Umwelt durch die Abgabe
von Riickstanden reduziert werden mulS.
Dr. Lorenz M. Hilty, FAW Ulm,
Postfach 2060, 0-89010 Ulm,
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Claus Rautenstrauch, Otto-vonGuericke-UniversWit Magdeburg,
Postfach 3120, 0-39016 Magdeburg.
E-Mail: [email protected]
385
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Betriebliche Umweltinformationssysteme
Als Betriebliche Umweltinformationssysterne (BUIS) werden organisatorischtechnische Systeme zur systematischen
Erfassung, Verarbeitung und Bereitstellung umweltrelevanter Informationen in
einem Betrieb bezeichnet. Sie dienen in
erster Linie der Erfassung betrieblicher
Umweltbelastungen und der Unterstiitzung von MaBnahmen zu deren Vermeidung und Verminderung [HiRa95, 296].
1m Gegensatz zu den von Behorden betriebenen bzw. iiberbetrieblichen Umweltinformationssystemen liegen die Aufgaben
von BurS nicht ausschlieBlich im okologischen Bereich, vielmehr sind sie als Bausteine komplexer betrieblicher Anwendungssysteme zu verstehen, die den
Unternehmenszwecken dienen.
In der Forschungslandschaft sind BUIS
im Uberlappungsbereich von Wirtschaftsund Umweltinformatik angesiedelt (siehe
Bild 1). Forschungsgegenstand der Wirtschaftsinformatik sind betriebliche Informationssysteme, zu denen auch BUIS gehoren. Forschungsaktivitaten der Umweltinformatik liegen unter anderem in der
informationstechnischen
Realisierung
von Umweltinformationssystemen, die
Behorden und Forschungsinstitutionen
von der kommunalen bis zur Bundesebene AufschluB iiber Umweltbelastungen
verschiedener Art geben. Umweltinformationssysteme dienen neben der Erfassung von Umweltdaten auch der Unterstiitzung von MaBnahmen zur Vermeidung, Begrenzung und Beseitigung von
Umweltschaden [PaHi95b, 17].
Adressaten der von einem BUIS bereitgestellten Informationen sind Management und Mitarbeiter des Betriebs, aber
auch betriebsexterne Institutionen (Stakeholder) wie Behorden, Geschaftspartner
und Versicherungen. Auch Konsumenten
und die interessierte Offentlichkeit, haufig durch die Medien auf Problemfelder
aufmerksam gemacht, melden immer haufiger Informationsbedarf hinsichtlich der
von Unternehmen verursachten oder vermiedenen Umweltbelastungen an. Neben
reinen Dokumentationsaufgaben unterstiitzen BUIS zunehmend auch Aufgaben
der Planung, Steuerung und Kontrolle von
MaBnahmen und operativen Aufgaben eines integrierten betrieblichen Umweltschutzes.
Konzepte Betrieblicher
Umweltinformationssysteme fur Produktion
und Recycling
Lorenz M. Hilty, Claus Rautenstrauch
Ausgangspunkt fur die Entwicklung
von BUIS in den vergangenen Jahren waren sowohl der zunehmende interne Informationsbedarf - z.B. zur Wahrnehmung gesetzlicher Pflichten im Rahmen
des betrieblichen Umweltschutzes - als
auch der von auBen an die Unternehmen
herangetragene Bedarf an Informationen
iiber Umweltbelastungen durch Produkte
und Produktionsverfahren. Aus Sicht eines Industriebetriebs dient die (okologische) Umwelt auf der Inputseite als QueUe
(Abgabemedium) natiirlicher Ressourcen, die als Rohstoffe in die Produktion
eingehen, und auf der Outputseite als Senke (Aufnahmemedium) fur feste, fliissige
und gasfOrmige Stoffe. Ferner wird die
Umwelt auch durch Flachenverbrauch fur
Industrieanlagen in Anspruch genommen. Die industrielle Produktion ist dadurch Verursacher erheblicher Umweltbelastungen. Daher werden in diesem Beitrag BurS behandelt, die sich explizit mit
der Reduzierung von Umweltbelastungen
in diesem Bereich befassen.
WIRTSCHAITSINFORMATIK 39 (1997) 4, S. 38; - 393
2 Vom additiven zum
prod uktionsi nteg rierten
Umweltschutz
Die natiirliche Umwelt wird aus produktionswirtschaftlicher Sicht als Produktionsfaktor angesehen [Stev94, 68ff; Stre80,
38fJ, fur deren Erhalt folgende Maxime
einzuhalten sind [Brau92, 41]:
Orientierung an der Begrenztheit der
Umwelt,
Stabilisierung der Okosysteme,
Verringerung des Natureinsatzes und
Anwendung naturnaher Produktionsverfahren.
Fiir den Produktionsbereich bedeutet die
Einhaltung der Maxime, daB sowohl die
Entnahme von Umweltgiitern als auch die
Belastung der Umwelt durch die Abgabe
von Riickstanden reduziert werden muB.
Dr. Lorenz M. Hilt)', FAW Ulm,
Postfach 2060, 0-89010 Ulm,
E-Mail: hilt)[email protected]·ulm.de
Prof. Dr. Claus Rautenstrauch, Otto-vonGuericke-UniversWit Magdeburg,
Postfach 3120, 0-39016 Magdeburg.
E-Mail: [email protected]
385
Lorenz M. Hilty, Claus Rautenstrouch
betriebliche
IS
Gegenstondsbereich
der Umweltinformolik
Gegenstondsbereich
der Wirtscholtsinformalik
Bild 1 Fachliche Einordnung von BUIS
[HiRa95, 295]
Bei UmweltschutzmaBnahmen im Produktionsbereich ist heute ein Trend von
additiven zu integrierten MaBnahmen zu
beobachten [Stev92, 106; Dyck94, 293ff.;
DyS093; Lang78, 180]. Additiver Umweltschutz liegt vor, wenn die MaBnahmen
den Produktionsprozessen nachgelagert
werden, der eigentliche ProduktionsprozeB davon jedoch unberiihrt bleibt (sogenannte "end of pipe"-Technologien). Beispiele hierfur sind die Erweiterung der
Produktionsprozesse urn Reinigungsoder FiltermaBnahmen (siehe Bild 2) .
AuBerdem sind auch vorgelagerte Reinigungs- und FiltermaBnahmen dem additiven Umweltschutz zuzuordnen.
Man spricht dagegen von integriertem
Umweitschutz, wenn die Produktionsprozesse selbst dahingehend ver'andert werden, daB die materiell-energetischen Faktoreinsatzmengen und Schadstoffemission en verringert werden [Krei92 , 1] (siehe
Bild 3).
Prinzipiell kbnnen drei Strategietypen
zur Erfullung bkologischer Anforderungen an die Produktion unterschieden werden [Adam93 , 22] :
Produkte
Atmosphere
Rohstoffe
produktion
Abwosser
Energie
1 Luftreinholtung
die Veranderung der Fertigungsprozesse (prozeBintegrierter Umweltschutz) ,
die Durchfuhrung von Recycling und
die Veranderung der Erzeugnisse (produktintegrierter Umweltschutz) .
ProzeBintegrierter Umweltschutz ist Bestandteil des produktionsintegrierten Umweltschutzes. Die in Bild 3 gezeigte Umstrukturierung der Stoff- und Energiestrbme erfordert in der Regel auch weitgehende fertigungs- bzw. verfahrenstechnische
Neugestaltungen. Recycling kann als additive oder auch als integrierte MaBnahme
ausgepragt sein (siehe Abschnitt 4). Die
Neugestaltung von Produktionsprozessen
ist eine Strategie zur Velmeidung von Umweltbelastungen und soUte daher als solche hbchste Priori tat vor additiven MaBnahmen haben.
In den folgenden Abschnitten wird gezeigt, wie BUIS die Neugestaltung von
Produktionsprozessen und das Recycling
als additive oder produktionsintegrierte
MaBnahme unterstiitzen kbnnen. Auf die
bkologiegerechte Gestaltung von Prod ukten (produktintegrierter Umweltschutz)
und entsprechende Konzepte des "Life
Cycle Engineering and Design" [AILe95]
kbnnen wir in diesem Beitrag nue am Rande eingehen (siehe hierzu z.B. [Feld94;
Dewh93]).
Deponie
3 Stoffstrommanagement-
2 Abwasserreinigung
3 Geordnete Deponie
systeme fur die Gestaltung
Bild 2 Additiver Umweltschutz
von Produktionsprozessen
Stoffstrommanagement [SHHH96] umfaBt
Rohstoff-Recycl i ng
Rohstoffe
Energie
Abwosser
3
Warmeruckgewi nnung
Energie aus Ruckstanden
1 Luftreinhaltung
Deponie
2 Abwasserreinigung
3 Geordnete Deponie
Bild 3 Produktiansintegrierter Umweltschutz [nach BASF92, 24]
386
neben der Erfassung einzelner Stoffe und
Substanzen, die in Produktionsprozessen
eingesetzt werden, vor aHem die Anwendung von Planungs- und Steuerungsansatzen sowohl auf operativer als auch auf
strategischer Ebene wr Verbesserung dieser Prozesse im Hinblick auf bkologische
Zielsetzungen [KTHH95, 99]. Es bildet daher die Grundlage fur die bkologische Umgestaltung von Produktionsprozessen.
Die Enquete-Kommission "Schutz des
Menschen und der Umwelt" des Deutschen Bundestages [Enq94] hat darauf hingewiesen, daB aufgrund des unternehmens- und brancheniibergreifenden Chartakters der Stoffstrbme in der Regel mehrere Akteure am Stoffstrommanagement
beteiligt sind . Produktions- und Redistributionsnetzwerke bieten grbBere Optimierungspotentiale fUr das Stoffstromma-
Umweltinformationsysteme fur Produktion und Recycling
nagement als einzelne Betriebe [Haas96].
Dcnnoch werden die Stoffstr(jme im ersten Schritt aus der Perspektive eines Betricbes betrachtet.
Hierfiir ist zunachst der lstzustand zu
untersuchen. Erster Schritt der Untersuchung ist ein Modell, welches AufschluB
dariiber gibt, welchen Weg Stoffe und
Encrgie durch die Produktion nehmen ,
welche Transformationen auf dem Weg
stattfinden und welche Umweitwirkungen aus den Stoff- und Energiestrijmen resultieren. Fiir die Mudellierung vun Stoffund Energiestromen im Pruduktionsbereich sind sogenannte StoJfstromllel::ce
entwickelt worden [Mim94J, die 'lllfPradikat-Transitionen-Netzen (Pr/ T-Netzen) basieren. Neuere Ansiitze verwenden auch
Fuzzy-Petri-Netze , um unscharfes Steuerund Regelungswissen bzw. unscharfe Strategien adaquat abzubilden [SiTH96] . Pr/ TNetze werden vor allem aufgrund der
Mijglichkeit zur Simulation des dynamisehen Systemverha ltens durch Abfolgen
von Markierungen anderen Modellierungssprachen vorgezogen. In Stoffstromnetzen werden Material und Energie als
Marken unterschiedlichen Typs dargestellt. Die Anzahl der Marken reprasentiert
die Menge in jeweils markenindividuellen
Mengeneinheiten. Stellen reprasentieren
als statische Komponenten eines Pr/ T-Netzes (Zwischen-)Lager und Transitionen
als aktive Komponenten Transformationsprozesse. Stellen und Transitionen werden dem realen Stoffstrom entsprechend
liber gerichtete Kanten miteinander verbunden. Bild 4 zeigt ein einfaches Stoffstromnetz , das mit dem Werkzeug Umberto erstellt wurde.
Durch Stoffstromnetze konnen prinzipiell beliebige Schnitte gesetzt werden,
wobei ein transitionsberandetes Teilnetz ,
welches zwischen den Randern dieser
Schnitte dargestellt ist, eim:n ProduktionsprozeB bzw. TeilprozeB darstellt. Mit Hilfe
der Markierungen der Input- und Outputstellen dieses Teilprozesses lassen sieh fur
diesen ProzeB auf einfache Weise Input-I
Output-Bilanzen erstellen.
Derartige Sachbilanzen weisen in der
Regel einen hohen Detaillierungsgrad mit
sehr vielen Bilanzpositionen aus. Weiterhin erschwert in der Regel die Verwendung unterschiedlieher Mengeneinheiten
die Interpretation. Es ist deshalb notwendig, im nachsten Schritt die Informationen
aus den Sachbilanzen zu Kennzahlen zu
aggregieren, die ;tIs Kontroll·, Planungs-
~~~~-~~~---~~~
N-etw
-o
-rk-:PE --Folie
----------~~~~~~-II-II
P5: Emissioner
o
P I Rch!.toffe
P1: Rohste,ffe
"-
().
P7- 8tromretz
'------~
()//
P2
Hi~sstoffe
P:= : A.bf,,11
P1: Roh , bHe
P2: HilfssloHe
P3: Ablall
Bild 4 Einfaches Stoffstromnetz [HiiMS95, 128]
unci Steuerungsgrijgen des betrieblichen
Umweltmanagements dienen konnen.
Auf Basis einer Sehwachstellenanalyse
des ProzeBmodells k6nnen danaeh MaBnahmen zur Verbesserung cler Prozesse
Betriebliches
Rechnungswesen
Stoff-, Energie- und
Guterstromrechnung
formuliert werden. Mit diesen MaBnahmen wird dann das Stoffstromnetz llludifiziert und mit Hilfe simulativer und analytischer Verfahren naher untersucht. Auf Basis dieser Analysen werden wieder Input-
Emissionsmessungen,
Abfallerkliirungen
Beschaffung,
Lager,
PPS-Systeme
Schwachstellenanalyse
fr
Input-/Output-Bilanzen
Formulierung
geeigneter
Maf3nahmen
Kennzahlenberechnung
Vergleich mit Vorgabe
Maf3nahmenbeschluf3
Umweltprogramm
Bild 5 Vorgehensmodell des Stoffstrommanagement
387
Lorenz M. Hilly, Claus Rautenstrauch
Produktionsprozel3
Endprodukte
Energie
Entsorgungsguter
Moterial
Ausschul3
Reststoffe
...
Altprodukte
Abfall
Energie
Recyclingprozel3
Bild
6 Recycling als additive Umweltschutzmal3nahme
lind Outputbilanzen sowie die daraus resultierenden Kennzahlen erstellt. Diese
Werte konnen dann mit den vorher berechneten Kennzahlen verglichen werden
und fUr den Fall, daB sich tatsachlich positive Umwdtwirkllngen ergeben , in einen
MaBnahmenbeschluB zur Korrektur des
Umweltprogramms umgesetzt. Bild 5 iIlustriert den Analysezyklus des Stoffstrommanagements.
Die Stoff· lind Energiestromrechnung,
welche die Mengenstri:ime miiglichst
wertfrei in physikaJischen Einheiten darstellt, wird erganzt urn eine Giiterstromrechnung, welche die Strome in betriebswirtschaftlich bewerteter Form darstellt.
Da einige Stoffe negativ zu bewerten sind ,
weil sie El1tsorgungskosten verursachen,
andere mit Null bewertet werden, kann
man in dieser Darstellung die drei Kategorien "Gut", "Obel" und "Neutrum" unterscheiden [Dyck94]. In Okobilanzen werden zur Darstdlllng von Stoff- lind Energiefliissen haufig reine Stromrechnungen
verwendet. Sinnvoller ist jedoch, auch aus
Grunden der KompatibiliUit mit dem betrieblichen Rechnungswesen , eine integrierte Strom· und Bestandsrechnung, wie
sie im Ansatz der Stoffstromnetze vorgesehen ist [Mo1l94].
Hir die Unterstiitzung des Stoffstrommanagements ist der Einsatz verschiedener Informationssysteme erforderlich: Einerseits konnen Grunddaten fOr die Modellierung aus Produktionsplanllngs- und
388
·steuerungssystel11en zUl11indest ZUI11 Teil
entnol11l11en werden, andererseits ist flir
die Berechnung von Kennzahlen, insbesondere wenn auch KostengroBen zu erfassen sind, die Obernahl11e von Daten aus
Systemen der Kostenrechnung zweckmii·
gig. Fur die Erstellung von Okobilanzen
sind heute zahlreiche Systeme auf dem
Markt, die ebenfalls im Rahmen des Stoff·
strommanagements fUr die Bilanzierung
eingesetzt werden konnen [Atla94] . Fur
die Moddlierung von Stoffstromnetzen
kann beispielsweise das hierfiir explizit
entwickdte System Umberto [HaMS95]
eingesetzt werden . Fur die computergestOtzte Neugestaltung von Prodllktionsprozessen existieren bereits Softwareprototypen , die anhand praktischer Aufgabenstellungen erprobt wurden [Tuma94].
4 Konzepte des
computergestutzten
Recycling
4.1 Recycling als additive
UmweltschutzmaBnahme
Die heute giingigste Recyclingmethode ist
das Materialrecycling. Hierbei werden
ProduktionsrOckstande und Altprodukte
soweit geshreddert, thermisch verwertet
oder demontiert , bis Sekundiirstoffe entstehen , die wieder als Material in die Pro-
duktiol1 eingehen ki:innen. Bild 6 zeigt
den Zusammenhang von Produktiol1sund Recyclingprozessen beim Nlaterialre·
cycling.
Da shreddern, thermische Verwertung
und iihnliche Recyclingverfahren eine verhiiltnismiiBig geringe ProzeBkomplexitat
haben, ist eine rechnergestiitzte Planung
derartiger Prozesse unnotig. Anders ist
dies bei der Demontage. Da der Allfwand
fOr das Liisen schwer Iiisbarer und
schlecht zugiinglicher Verbindllngen iluBerst hoch ist, wird die Demontage zum
Hauptkostenverursacher in RecyC\ingprozessen . Daher ist die Demontage cines
Produkts nur dann sinnvoll, wenn die Produktkomplexitat eine stoffliche Verwer·
tung in einem einzigen Verfahrensschritt
verbietet. Dies gilt vor aHem fOr komplexe
technische Guter wie Fahrzeuge , Maschinen, Haushaltsgeriite usw. Der Vorteil der
Demontage gegenuber anderen Verfahren
ist , daB die Demontage einen hiiheren
Werterhalt des Altguts erlaubt [SeKr93 ,
529].
Mit Hilfe von BUIS fOr die rechnergestOtzte Demontageplanung sollen Recyc·
Iingkosten durch eine Automatisierung
von Demontageschritten und eine syste·
matische Demontageplanung gesenkt
werden .
Demontageplanungssysteme
sind Gegenstand aktueller Forschungsaktivitil ten vor all em im ingenieurwissenschaftlichen Bereich. Ein am Institut fUr
Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) in Berlin erarbeiteter Ansatz fUr
die Demontageplanung im Elektronikschrottbereich basiert auf einer Kombination vorausschauender und reaktiver Pia·
nung [HeSZ94; HeSZ95]. Hierbei werden
fiir den DemontageprozeB zunachst
Und/ Oder-Graphen konstruiert und der
gunstigste Pfad durch die Berechnung eines "Recyclingwerts" ermittelt. Es kann jedoch sein, daB der so berechnete gunstigste ProzeBverlauf aufgrund technischer
Randbedingllngen in der vorgegebenen
Form nicht durchfuhrbar ist , so daB eine
reaktive Komponente des Systems den
vorgegebenen Plan unter Beriicksichti·
gllng der Randbedingungen ggf. revidiert.
Der hier entwickelte Systemprototyp ist
speziell fur das Recycling von Bildriihren
realisiert worden unci heme produktiv im
Einsatz. Ein ahnlicher Ansatz wurde an ci·
ner Fallstudie zu Rundfunkger:iten de·
monstriert [GeZu96J. Ein damit verwand·
tes Verfahren zur Ermittlung del' optimalen Recyclingstrategie (jedoch oh11e reaktive Komponente) unterstiitzt die voralls-
Umweltinformationsysteme fur Produktion und Recycling
schauende Bewertung der Recyclingfahigkeit von Produkten in der Designphase
[ZuKS94]. Die gleichen Verfahren, die additiv eingesetzt werden, konnen also auch
zum produktintegrierten Umweltschutz
beitragen.
Die rechnergestiitzte Demontageplanung ist ebenfalls Gegenstand eines Forschungs- und Entwicklungsprojekts am
lnstitut fiir Werkzeugmaschinen und Betriebstechnik (WBK) der Universitiit
Karlsruhe [SpTH94]. Ein im Rahmen dieses Projekts realisiertes Demontageplanungssystem unterstiitzt die manuelle
und automatisierte Demontage technischer Giiter. Die Erstellung von Demontagearbeitsplanen, auf deren Basis eine Termin- und Kapazitatsplanung erfolgt, wird
in diesem System multimedial unterstiitzt.
Bei der Erstellung von Arbeitspliinen ist
die Obernahme von Konstruktions- und
Arbeitsplandaten aus dem Produktionsbereich vorgesehen. Ein RiickfluB von Daten
aus der Demontageplanung in die Produktentwicklung wird unterstiitzt [Spat94];
insofern geht auch dieser Ansatz partiell
iiber additive MaBnahmen hinaus.
Weiterhin wurde fiir die Elektronikschrottverwertung und den Gebauderiickbau am Deutsch-Franzosischen Institut fiir Umweltforschung (DFIU) in Karlsruhe ein Prototyp entwickelt, der mit dem
Ziel der Maximierung von Deckungsbeitragen die optimale Folge von Demontageaktivitaten ermittelt [SpRe94]. Hierfiir
wird zunachst ein Demontagegraph konstruiert, anhand dessen Demontagestufen
(in Analogie zu den Fertigungsstufen im
Produktionsbereich) festgelegt werden
konnen. Fiir jede Demontagestufe gilt,
daB aile Demontageaktivitaten in beliebiger Reihenfolge ausgefiihrt werden kbnnen und die Demontage auf der niichsthoheren Stufe abgeschlossen sein muB, bevor auf der betrachteten Stufe begonnen
werden kann. Danach werden Verwertungserlose fiir aile durch die Demontage
entstehenden Teile und Beseitigungs- und
Demontagekosten fiir aile Aktivitaten ermittelt, die als Parameter fiir die Berechnung der deckungsbeitragsmaximalen
Reihenfolge von Demontageaktivitiiten
herangezogen werden.
Auch aus der Wirtschaftsinformatik
stammt ein Beitrag zur rechnergestiitzten
Demontageplanung. Am Betriebswirtschaftlichen Institut der Universitat Erlangen-Niirnberg wurde ein Informationssystem zur Unterstutzung von Demontageprozessen entwickelt [Sche95]. Das dort
durchgefiihrte Projekt zielt auf die Unterstutzung des Massenrecycling abo Dabei
werden auf Basis komplexer Algorithmen
Arbeitsplane und Erzeugnisstrukturen
weitgehend {lutomatisch in Stiicklistenund Arbeitsplandaten fiir das Recycling
konvertiert. Der Schwerpunkt liegt auf
der Entwicklung der Umsetzungsalgorithmen. Bei dem Softwareprototyp handelt
es sich urn ein Stand-Alone-System; eine
technische Kopplung oder Integration mit
PPS-Systemen ist bislang nicht vorgesehen. Schnittstellen sind hier vor aHem zu
Logistiksystemen vorhanden, da auch die
logistischen Prozesse fiir die Entsorgung
nicht recyclierbarer Abfalle geplant und
Lagerbedarfsprognosen auf Basis der Daten aus der Demontage- und Entsorgungsplanung ermittelt werden.
Zum AbschluB sei betont, daB die Rentabilitat des Recycling als additive MaBnahme entscheidend vom Produktdesign
abhangt. Bei Waschmaschinen, Kuhlschranken und Fernsehern konnten die
Demontagezeiten nach einem demontagegerechten Redesign urn durchschnittlich
48 % gesenkt werden [HRKB96]. Umgekehrt kann ein okologiegerechtes Produktdesign auf Informationen zUriickgreifen, die im Rahmen additiver MaBnahmen
gewonnen wurden. Additive und integrierte UmweltschutzmaBnahmen stehen
also in einer engen Wechselwirkung.
4.2 BUIS fur die
Unterstutzung von Recycling
als MaBnahme des
produktionsintegrierten
U mweltsch utzes
Beim Recycling als MaBnahme des produktionsin tegrierten
Urn weI tsch u tzes
wird davon ausgegangen, daB einzelne
Baugruppen und Bauteile technischer Guter eine hohere "Lebenserwartung" als das
Gesamtprodukt haben konnen. In diesem
Fall ist es sinn voller, diese Baugruppen
bzw. Bauteile wieder als Sekundarbaugruppe der Produktion zukommen zu lassen, als Altprodukte bis zum Rohstoffstadium zu zedegen und erst dann wieder
der Produktion zuzufiihren. Die Riickfiihrung von gebrauchten Produkten in ein
neues Gebrauchsstadium linter Beibehaltung der Gestalt des Produkts wird Produktrecycling genannt.
Fur die Realisierung des ProduktrecyCling ist die Verfiigbarkeit von lnformatio-
nen zur Zusammensetzung des Altprodukts eine wesentliche Voraussetzung.
Diese Informationen konnen zumindest
zu einem groBen Teil aus vorhandenen Informationssystemen gewonnen werden.
Mit der Auswahl der Werkstoffe und der
Festlegung von Montageverfahren werden bereits im KonstruktionsprozeB und
in der Arbeitsplanung nicht nur die Rahmenbedingungen fiir die HersteHung , sondern auch fiir das Recycling eines technischen Produkts festgelegt. Wahrend die
produktionsrelevanten Daten aber z.B. in
Form von Teilestammdaten, Erzeugnisstrukturen und Arbeitsplanen in PPSSystem en verwaltet werden, werden Daten zur Wiedereinsetzbarkeit und Demontagetauglichkeit weder in PPS-Systemen
noch in sonstigen betrieblichen Informationssystemen systematisch abgelegt und
aufbereitet.
Diese Liicke wird durch Recyclinginformationssysteme (RIS) geschlossen.
Derartige Systeme bereiten Produktionsdaten so auf, daB mit Hilfe zusatzlicher
manueller Erganzungen Informationen fiir
die Planung und Steuerung von Recyclingprozessen sowie nachgelagerten Produktionsprozessen, in die Sekundiirbaugruppen aus Recyclingprozessen einflieBen,
geeignet sind . Beispiel fiir ein solches System ist ooRIS (objektorientiertes Recyclinginformationssystem) [KuSZ96].
Die Funktionalitat von ooRIS ist dabei
auf die Gewinnung von Recyclingerzeugnisstrukturen und -arbeitsplanen aus den
korrespondierenden Produktionsdatenstrukturen ausgerichtet. Das Problem ist
hierbei, daB ein Produkt im GebrauchsprozeB in der Form verandert werden
kann, VerschleiB die Qualitat von Sekundargutern stark beeinfluBt und daB Einzelteile wahrend des Gebrauchs an- oder abgebaut werden konnen. Daher erfolgt die
Gewinnung von Recyclinginformationen
mit einem ausgekliigelten halbautomatischen Verfahrell, bei dem aus Produktionsdaten sogenannte Recyclinggraphen
erzeugt werden, aus denen dann Recyclingerzeugnisstrukturen und -arbeitspHine
erzeugt werden [KuSE95]. Recyclinggraphen sind bipartite Graphen, dessen Knoten Teile und Montagearbeitsgange reprasentieren und dessen Kanten angeben ,
welche Teile mit welchen Verfahren montiert werden. Bild 7 zeigt den Zusammenhang von PPS-Daten und Recyclinginformationen.
ooRIS ist sowohl als Add-on-System fiir
PPS-Systeme, als auch als Stand-alone-Sy-
389
Lorenz M. Hilty, Claus Rautenstrauch
Produktionsplanung
und -steuerung
Teilestamm
Erzeugnisstrukturen
RecyclingInformationssystem
wird ergonzt
um
Entsorgungsinformationen
Recyclinggraphen
riert aus
I
Bild 7
Auswahl einer
.. Verwertungsoption
Arbeitsplone
PPS-Daten und Reyclinginformationen
stem verfUgbar. Die Add-on-Version ist als
Prototyp fUr SAP PP fertiggestellt, und die
Stand-alone-Version verfUgt uber umfassende Import!Export-Schnittstellen fUr
Dateien.
Besonders wichtige, z.B. sicherheitsrelevante Produktkomponenten, die mehrfach in Produkten eingesetzt werden, sol1-
ten im Idealfall mit einer Art "elektronischem Logbuch" ausgestattet sein, das ihren gesamten Lebenszyklus hinsichtlich
Belastungen, Anwendungsbedingungen
usw. protokolliert. Ein solches Logbuch
ware fUr das Recycling der Komponenten
von hohem Nutzen [Mass95].
produktionsprozef3
Energie
Endprodukte
Entsorgungsguter
Material
Material
...
Abfall
Energie
Recyclingprozef3
Bild
8
390
Altprodukte
Integrierte Produktions- und Recyclingprozesse
Eine weitergehende Integration von
Recycling und Produktion ist mbglich,
wenn nicht nur das Recycling von Altprodukten, sondern auch das Recycling von
Produktionsabfallen in die Planung einbezogen wird, da der Zeitabstand zwischen
Produktions- und Recyclingprozessen im
Vergleich zum Altproduktrecycling sehr
gering ist [CoRe91]. Durch die groBe zeitliche Nahe beider Prozesse gibt es sowohl
technische als auch betriebswirtschaftliche Argumente fiir eine Integration von
Produktion und Recycling auf ProzeBebene (siehe Bild 8):
Bei der Integration von Produktionsund Recyclingprozessen kbnnen aufbereitete Reststoffe oder AusschuBteile
mittel bar oder unmittelbar wieder in
den ProduktionsprozeB zuriickflieBen.
Unmittelbare RuckfUhrung bedeutet,
daB die aus dem RecyclingprozeB gewonnenen Sekundarteile in denselben
ProduktionsprozeB zuruckflieBen, aus
dem sie ursprunglich hervorgegangen
sind; bei mittelbarem Recycling werden die Sekundarteile zeitlich versetzt
in den gleichen oder einen anderen
ProduktionsprozeB eingesetzt . Beide
Varianten fUhren zu einer deutlichen
Verkiirzung der Recyclingzyklen, da
fUr derartige Prozesse nicht mehr die
vollstandige Demontage bzw. Aufbereitung von AusschuBteilen bzw. Reststoffen erforderlich ist, und durch den
m6glichst friihzeitigen Verbrauch der
Sekundarguter zu einer Verminderung
der recyclingbedingten Lagerbestande.
Voraussetzung fur mittelbares und unmittelbares AusschuB- und Reststoffrecycling ist, daB die korrespondierend en Produktionsprozesse bekannt
sind und Input- und Outputmengen sowie -zeitpunkte koordiniert werden.
Die recyclinggerechte Konstruktion
von Produkten und die Entwicklung
von leistungsfahigen Werkzeugmaschinen ermbglicht die Nutzung von Betriebsmitteln sowohl fUr Montage- als
auch Demontageprozesse. Auch wenn
es heute noch utopisch erscheint, daB
auf einem FlieBband in beliebiger Reihenfolge z.B. Altfahrzeuge und halbfertige Neuwagen zu einem Roboter geschafft werden, der diese dann je nach
Anforderung taktgenau montiert oder
demontiert, ist die Mbglichkeit, daB
Demontage und Montage eines Produkts von Maschinen gleichen Typs
abgewickelt werden, durchaus denk-
Umweltinformationsysteme fur Produktion und Recycling
bar. Damit kann Recycling auch zur
Verbesserung der Kapazitatsauslastung
beitragen.
Die Riickfuhrung von Sekundarbaugruppen in den ProduktionsprozeB
fuhrt zu einer Verkiirzung von Recyclingzyklen, da auch hier auf eine vollstandige Demontage eines Altprodukts
verzichtet werden kann, auch wenn
der Nutzung von Sekundarbaugruppen
neben technischen auch rechtliche
Probleme im Weg stehen k6nnen. So ist
z.B. die Frage, ob ein Endprodukt, das
zu einem bestimmten Anteil aus Sekundarbaugruppen besteht, noch ein Neuprodukt ist, bisher nicht allgemein beantwortbar. Dennoch sind heute bereits eine Reihe von Beispielen fur eine
Nutzung von Sekundarbaugruppen bekannt [Erte94].
Fiir die Aussch6pfung der oben genannten Vorteile sind integriel'te Produktions-
und Recyclingplanungs- und -steuerungssysteme (PRPS-Systeme) als Erweiterung
von Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen (PPS-Systemen) konzipiert worden [KuRa96; Raut97], fur die einige grundlegende Eigenschaften bereits
im Kontext des Umwelt-PPS-Ansatzes formuliert wurden [HaRe92; Haas94, 208ff].
PRPS-Systeme miissen folgende Anforderungen erfullen:
Aile planungsrelevanten Reststoffe und
AusschuBteile sind systematisch zu erfassen.
Diese Daten miissen fur eine effiziente
mittel bare und unmittelbare Riickfuhrung in die Produktion genutzt werden.
Auf der Inputseite ist die M6glichkeit zu
beriicksichtigen, daB Materialbedarfe
auch durch Sekundargiiter befriedigt werden k6nnen.
Zur Erfullung der Anforderungen sind
funktionale Erweiterungen und Modifikationen von PPS-Systemen erforderlich.
Die erste Erweiterung betrifft die Datenverwaltung. Sie muB prinzipiell alle Funktionen eines RIS umfassen und zusatzlich
Demontage- und Recyclingauftrage verwalten k6nnen.
In Bereich der Materialwirtschaft betreffen die Erweiterungen folgende Bereiche:
Lagerverwaltung: Die Liste der Bestandsverursacher (Beschaffung, Produktionsprozesse, Retouren von Kunden usw.) muB im Falle des integrier-
ten Recycling urn Recyclingprozesse
und den ZufluB von Altprodukten erganzt werden. Weiterhin k6nnen als
Lagerzugange spezielle Teile (z.B. Hilfsoder Betriebsstoffe) fur das Recycling
Bestande verursachen.
Materialdisposition: Fiir Recyclingprozesse ist eine Mengenplanung durchzufuhren, bei der die Sekundarentsorgungsbedarfe ermittelt werden. Sekundarentsorgungsbedarfe
entstehen
durch den Anfall von Recyclinggiitern
aus Produktions- oder Recyclingprozessen. Weiterhin sind bei der Mengenplanung fur die Produktion die Wirkungen des unmittelbaren Recycling
zu beriicksichtigen. Hierfur sind keine
grundsatzlich neuen Verfahren erforderlich, da Reststoffe und AusschuB als
Kuppelprodukte angesehen werden
k6nnen. Die Berechnung von Bruttound Nettobedarfen kann daher durch
Adaption von Verfahren der Mengenplanung aus der Kuppelproduktion realisiert werden.
Berechnung von Entsorgungsbedarfen: Neu hinzu kommt die Berechnung
von Entsorgungsbedarfen.
Entsorgungsbedarfe lassen sich in Recyclingbedarfe und Beseitigungsbedarfe einteilen. Recyclingbedarfe entstehen
durch den Anfall von Recyclaten in der
Produktion oder beim Altproduktrecycling. Die ermittelten Recyclingbedarfe werden bei innerbetrieblichem
Recycling zu Lagerbestanden an Sekundargiitern in der Folgeperiode. Bei zwischenbetrieblichem Recycling und Abfallen wird der Entsorgungsbedarf zum
Beseitigungsbedarf, da die Giiter in beiden Fallen das Unternehmen verlassen.
Da der Entsorgungsbedarf fur ein Entsorgungsgut sowohl bedarfs- als auch
verbrauchsgesteuert ermittelt werden
kann, muB ein eventuell verbrauchsgesteuert disponierter Entsorgungsbedarf
in die Bedarfsberechnung aufgenommen werden. Weiterhin miissen eventuelle Zusatzbedarfe fur Ungenauigkeiten eingerechnet und eventuell vorhandene Bestande aus Vorperioden beriicksichtigt werden . Eine Lagerung
von Abfallen iiber eine oder mehrere
Perioden kann z.B. sinnvoll sein, wenn
eine Senkung von Beseitigungskosten
zu erwarten ist (wie dies 1994 z.B. fur
Bildr6hren der Fall war, da neue Recyclingtechnologien verfugbar wurden),
von den zu beseitigenden Abfallen keine besondere Gefahr ausgeht und hin-
reichend Lagerkapazitaten vorhanden
sind .
Erweiterungen bestehender Terminierungsverfahren sind bei unmittelbarem
Recycling notwendig, da hier zyklische
Materialfliisse vorkommen und zeitliche
Abhangigkeiten zwischen den Produktions- und Recyclingarbeitsgangen bestehen. Hierfur k6nnen drei verschiedene
Terminierungsverfahren eingesetzt werden:
Synchrone Vorwartsterminierung: Bei
der synchronisierten Terminierung
wird davon ausgegangen, daB der ProduktionsprozeB zunachst einmal vollstandig durchlaufen wird. AnschlieBend werden fur die ausgestoBenen Recyclinggiiter Recyclingprozesse ausgefuhrt und die gewonnenen Sekundarteile wieder an den ProduktionsprozeB
zuriickgegeben, der anschlieBend erneut ablauft. Dies wird solange wiederholt, bis der ProduktionsprozeB die gewiinschte Outputmenge ausgestoBen
hat oder keine Recyclate mehr verfugbar sind. Hierbei erh6ht sich die Durchlaufzeit durch die Integration des Recycling in jedem Fall, da der ProduktionsprozeB mindestens einmal fur den
Zeitraum eines Recyclingprozesses unterbrochen wird. Die synchrone Terminierung hat allerdings den Vorteil,
daB sie selbst bei vollstandiger Ressourcenkonkurrenz zwischen Produktionsund RecyclingprozeB eingesetzt werden kann.
GepujJel'te Terminierung: Bei der gepufferten Terminierung wird der RecyclingprozeB jedesmal dann angestoBen, wenn der Output an Recyclinggiitern eine bestimmte Menge (Puffermenge) iiberschritten hat. Wird im Verlauf des Produktionsprozesses die Puffermenge eines Recyclingguts n mal erreicht bzw. iiberschritten, dann wird
der RecyclingprozeB n + I-mal durchlaufen, da am SchluB des Prozesses eine
Restmenge an Recyclinggiitern iibrigbleibt. Fiir die aus dem letzten Durchlauf ausgestoBenen Sekundargiiter
muB der ProduktionsprozeB ein weiteres mal terminiert werden, falls die gewiinschte Outputmenge noch nicht erreicht ist. Die gepufferte Terminierung
ist sinnvoll einzusetzen, wenn nur eine
partielle Ressourcenkonkurrenz zwischen Produktions- und RecyclingprozeB besteht, da dann im Vergleich zur
synchronen Terminierung kiirzere
391
Lorenz M. Hilty, Claus Rautenstrauch
Durchlaufzeiten errdcht werden kiinnen.
AsynclJrone Terminierllng: Bd der
asynchroncn Terminierung werden
Produktions- und Recyclingprozesse
unabhangig voneinander terminiert.
Voraussetzung hierfUr ist , daB der ProduktionsprozeB eine hinreichend groBe Durchlaufzeit hat und keine Ressourcenkonkurrenz zwischen Prodllktions- lind RecyclingprozcB besteht . In
diesem Fall sind kdne recyclingbedingten VerHingcrungen der Durchlaufzeiten zu erwarten .
nern unter der Bezeichnung ECO-Integral
realisiert [WSHE96]. Hier wird ein 1nformationssystem allf Basis eines Refercnzmodells, das als offencr Standard ausgelegt wird, fiir die laufende Erfassung, AlIswertung und Dokumentation von Mengen, Kosten und umweltrelevanten Merkmaien betrieblicher Stoff- und Energiefliisse fUr aile zentralen Umweltmanagementzwecke entwickelt.
Bis heutc sind keine 1mpiementierungen
von vollstandigen PRPS-Systemen bekannt. Allerdings konnen Standard-PPSSysteme, die auch Konzepte der Klippelproduktion unterstiitzen, durch cin geschicktes Customizing zumindest in der
Materialwirtschaft dahingehend angepaBt
werden , daB Ruckfliisse aus AlisschuBund Reststoffrecycling beriicksichtigt
werden .
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5 Ausblick: BUIS als Teil
eines umfassenden
Umweltinformationsmanagements
Vergieicht man den Anspruch, der sich
alls Kapitel 1 angegebenen Definition von
BurS ergibt , mit der helltigen Realitat, so
zcigt sich, daB die bisher existierenden
Ansatze lind realisiertcn Systeme, abgesehen von denen des Stoffstrommanagements , auf der operativen Ebene angesiedelt sind . Ein Umweltinformationsmanagement , das durch das Leitungshandeln in
einem Unternehmen in Bezug auf Um weltinformation und deren Bereitsteliling
fur Entscheidungsprozesse durch Kommunikation definiert ist , wird nach dem
helltigen Stand der Technik daher nur begrenzt unterstiitzt [RaSc95] . Daher ist eine
wesentliche weitere Aufgabe fur die Entwicklung betrieblicher Umweltinformationssysteme die Allfbereitung und Aggregation der verfUgbaren Umweltdaten in
Informationen , auf deren Basis das Untcrnehmensmanagement strategische Entscheidungen fUr ein nachhaltig wirkendes
Umweltmanagement treffen kann. Ein erster Ansatz zur Schaffung einer lImfassenden Informationsbasis wird in einem lallfend en Projekt an der Universitat Hohenheim zusammen mit weiteren Projektpart-
392
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