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ALTE HEILKRÄUTER
Text von Toni Potorhana /
Auf Wiesen uml Feldern, in Wäldern und Auen, in Studt- und
Bauern gürten wuchsen Pflanzen, deren Blüten, Blätter oder Wurzeln
den Menschen und Tieren ihre Heilkräfte anbieten. Die Heilkräuterkünde ist so «lt wie die Menschheit. Während Jahrtausenden waren
Heilkunde und Pflanzenkunde eng miteinander verknüpft. Botanik
und Medizin tauschen uueh heule noch ihre Erfahrungen uns. Die
ersten schriftlichen Zeugnisse rd e Pflauzenhcilkundo stammen von
ägyptischen Priesteriirzten. Die Griechen und spiiter die Römer erweiterten die Kenntnis der heilenden Kräuter. Ilippokrutes, Theophrustos, bloskurldes, Plinius und Galen haben das Wissen ihrer Zeil
schriftlich niedergelegt: ihre Werke galten bis lief in die Neuzeit hinein als unumstößlich; niemand wagte an der Autorität der Alten zu
rütteln. Als der Buchdruck erfunden wur, erschienen in Europa Krimterbücher, deren Auflngczlffern nur \nn denen der Bibel ilbcrtroffcii
wurden. Vor, während und mich der Zeit Karls des Großen waren die
wichtigsten Träger der Heilkunde gewesen. Erhalten gcMönche die
HeilkrÜutergarten, den Abt Gozhert im
Hieben ist der Plan für einen
Jahre 820 für das Kloster St. Gallen erstellen Heß, Im Bewußtsein des
magischen Kräften
Volkes waren die Pflanzen auch mit überirdischen,
ausgestattet:
ließ sich Liebe erwecken und Verhexung
mit ihrer Hilfe
von Mensch und Vieh verhindern; man konnte sich vor Tod und Verwundung in rd e Schlacht schützen; verschlossene Türen öffnen und
verborgene Schlitze heben; man konnte alles, wenn man das Kraut zur
richtigen Stunde pflückte und die richtige Zauberformel sprach.
In unserer Zeit hat die pharmuzeutisehe Industrie aus den Kenntpflanznissen und Erfahrungen von Jahrhunderten, ja Jahrtausenden
liche Präparate entwickelt. Die Wissenschaft spürt <;\m\ wirksamen
Vergangenmagischen
Stoffen nuch und befreit die Pflanzen von ihrer
syntheheit. Längst ist es buch schon gelungen, gewisse Wirkstoffe auf
tischem Weg herzustellen. Viele pflanzliche Wirkstoffe sind erforscht,
andere nur ungenügend oder gar nicht. Bei manchen Pflanzen ist die
Erkenntnis ihrer Heilkraft kaum weniger alt als die Geschichte der
Menschheit; der Gebrauch ist weit verbreite
und allgemein anerkannt.
t
Auch beute noch findet man diese Heilpflanzen in vielen Hausapotheken: es sind freundliche und gutmütige Helfer.
D'w Kamille
Nicht alles, was wir uls «Kamille» bezeichnen, ist Kamille. Der
Botaniker unterscheidet zwei Gattungen, die in rd e großen Familie
der Kompositen oder Korbblütler zwar nah miteinander verwandt, aber
Systematik berücksichtigt
doch so verschieden sind, daß dies in rd e
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von Balz Baoehi
lindert auch ullerlcy sclunertzen und nimpt hinweg die müde der gliedasselbige macht es luck, und was
der. Wus spannet und getiinet ist,
vertiertet ist, dasselbige linderts und erweyebts wiederumb.» Um die
Hieronymus
Bock,
sagte
einer der Väter rd e Botanik, duß
Bleiche Zeit
die Herren Doktoren ohne die Kamille nicht viel ausrichten könnten.
gepflückten
galten
Kamillen ab besonders
die an Joliauni
Im Volk
heilkräftig. Man glaubte uueh, duß Kamillenbüschel, die man in rd e
Stube aufgehängt hübe, sich bewegen, wenn eine Hexe eintrete.
Die getrockneten Blüten sind als Flores Chumomillae im Handel.
Sie werden als Tee, Tinkturen und Kompressen verwendet. Das Kainillenöl wird heute auch synthetisch hergestellt. Die Kamille ist eines
der volkstümlichsten Heilkräuter. Sie wirkt ausgesprochen mild, über
liefgreifend. Sie hemmt Entzündungen, treibt Schweiß und Blähungen,
löst Krämpfe, lindert Schmerzen, entspannt und beruhigt. Innerlich
wird sie als Aufguß (nur anbrüllen, niemals kochen) bei Magen- und
Darmstörungen verwendet, äußerlich für Kompressen, ZU Waschungen
und Spülungen bei Entzündungen mancherlei Art.
Das Johanniskraut
Die Speeies Ilypericum officinalis in der Fumilic der llypericaccen
oder Ilarthcugewächsc hat vielerlei volkstümliche Namen. Der hekannteste ist Johanniskraut: die Pflanze beginnt um Johannl zu blühen.
Eine Legende erzählt indessen; «Als Johannes, der Lieblingsjünger
Christi, trauernd unter dem Kreuz stund, sah er, daß das Blut des
Gekreuzigten auf Pflanzen tropfte, die rings um das Kreuz blühten;
Gläubigen uls
er sammelte sie sorgfältig und schenkte sie frommen
goldgelben
Andenken an des Heilands Tod.» Tatsächlich enthalten die
Blüten einen roten Saft, das Hyperinrot, und darum sind auch andere
Namen der Pflanze wie Blutkruut, Herrgotlsblut und Christi Kreuzblut
leicht zu verstehen. Bei Dioskurides beißt dus Gewiichs neben
liyperikon mich Androsuimon, dus wörtlich übersetzt uls «Mannshlut»
im deutschen Sprachbereich weiterlebt. In der Volksmedizin wird das
Kraut bei Blutarmut verwendet.
Auch der Teufel befaßte sich mit dem Johanniskraut: Als der
leistete,
Böse sah, wie wertvolle Dienste die Pflanze den Menschen
Eigenheit der Art sind
zerstach er wutentbrannt deren Blätter. Eine
die vielen Oeldrüsen, die, wenn iiiuii das Blnlt gegen dus Licht hält,
werden mußte. Darun ändert auch die Tutsuche nichts, daß die eine
Gattung im deutschen Sprachgebrauch Kamille, die andere Hundskamille genannt wird. Die Unterscheidung wird nus der wissenschaftlichen Bezeichnung deutlich: Mutricaria für die eine. Antbemis
für die lindere. Als Handrege) gilt: bei der Kamille ist der Blütenboden bohl, bei der Hundskamille nicht.
Die Gattung Malriruria umfaßt etwa siebzig Arten, unter denen in
diesem Zusammenhang die wichtigste Malricaria Chomomilla, die echte
Kamille, ist. Der Gattungsbegriff deutet uuf die frühere Verwendung
der Pflanze bei Frauenleiden hin; rd e Artbegriff besteht uns den zwei
griechischen Wörtern chumui, niedrig, und melon, Apfel, bedeutet also
"inen nah am Boden wachsenden Apfel. Tatsächlich erinnert der Geruch rd e frischen Kamillenblüte, wenn man sie zwischen den Fingern
zerreibt, an den eines Apfels. Kr wird niemuuden verwundern, wenn
Gegenden der Schweiz und Süddeutschman für diese Art in gewissen
lunds Nomen wie Apfelkrhut UndvApfelblume hört. Die Knmille hat
ihre Heimat ohne Zweifel in Süd- und Osteuropa uml im Vorderen
Orient. In Mitteleuropa hat sie sich schon früh eingebürgert: sie gein "Vindonissa will
hört also zu den Archüophylon. Bei
man Kamiilensümcheu gefunden haben. Die Kamille wächst hei uns
von rd e Ebene bis in die Alpentüler hinauf, im Wallis bis auf eine
Höhe von 1700, in Graubünden von 2300 Meiern über Meer. Man
findet sie auf Acckcrn und Getreidefeldern, in Weinbergen und au
Schutthalden. In Butlern- und Familiengiirten wird sie oft ausgesät. In
großen an. Man
manchen Gegenden Europas baut man sie auch im
erntet die frisch entfalteten Blütenköpfchen, die man an einem trockegrellen
Sonne beschienenen Ort ausbreitet. Der
nen, nicht von der
aromatische Geruch rührt von einem ätherischen Oel her, das sich
namentlich in den Blüten konzentriert.
Im Altertum war die Pflanze unter dem Namen Chumacmclon
bekannt. Dioskurides, Asklepias, Plinius und Galen rühmten deren
Heilkraft. Sie empfahlen sie als Tecaufguß, für Umschläge und Bäder
gegen
Kopfweh, Leber-, Nieren- und Blasenleiden. Anderthalb Jahr-
Alpen die großen Aerztc
tausende später übernahmen diesseits rd e
und Botaniker die Lehre. In einem im Jahr 1543 in Basel erschienenen Kraul erblich liest man: «Chamillcn wermen, machen subtil iinnil
bringen sie
verzeren. Wann man darvon trinckt oder darin badet, so
den frawen jre zeit unnd treiben den harn und den stein. Sie vertreiben
Reynigen
wind,
der
kleinen
därm.
den
schmertzen
auch
die bläst und
lebersüchtigen. Chamillen
die geelsüchligen und seind nützlich den
Die Zitron en m clissc
Ilypericum perforatum
wie feine Nadelstiche erscheinen. Dus Synonym
allerdings erreichte mit
erklärt sich darum fast von selbst. Der Teufel
Gegenteil,
gerade
was aus dem Pflanzennameu
das
seiner bösen Tat
«Teufelsflucht», der seinerseits aus der bpätmittelalterlichen Bezeichnung «Fuga daemonum» entstanden ist, ersehen werden kann. Das
Kraut, glaubte man, schütze vor den Anfechtungen des Teufels und
Kräuterkundigen des 16. Jahrhunderts verkünseiner Gefolgschaft. Die
deten, «daz man meynet, wo solichs kraut behalten würt, da kun rd e
mög
auch kein gespenst bleiben, und darumb heteuffcl nicht hin.
reuchert man in ettlichen landen die kiudtbctterin dmnil, lassen es
aber segnen uff unser Frawn uffurt tag und haben also ir kurtzweil
damit». Ueber die Abscheu des Teufels gegen das Johanniskraut berichtet im Jahr 1685 ein Augenzeuge: Er sei zu einem Besessenen gerufen worden, und dieser habe ihm den Trank, in den Johanniskrautgeschlagen. In manchen Gegenden
essenz gemischt war, aus der Hand
steckte man gegen Blitzschlag Johanniskraut au die Fenster, sah man
doch im Unwetter die Hand des Teufels.
In der Schweiz kommen von den rund zweihundert JohanniskrautSpeeies ist eine bis zu 90 Zentimeter
arten deren elf vor. Die offizinellc
verzweigt. Die gegenständigen,
hohe Staude, die sich nach oben sturk
elliptisch-eiförmigen Blätter werden höchstens drei Zentimeter lang.
Stengel ist zweikantig und
Die Blüten stehen in Doldentrauben. Der
hurt. Die Pflanze ist überall in unserem Land, von rd e Ebene bis in
WegränHöhen von 1700 Metern verbreitet; sie wächst an Wald- und
dern, an Bahndämmen und trockenen Hängen, zwischen locker stehendem Gesträuch und in lichten Wlildern, Gesammelt werden Blüten und
Blütenknospen für Oel, die ganze blühende Pflanze für Tee. Die wirkgeringerer Menge, ätherisches
samen Bestandteile sind Gerbstoff und, in
Oel und Harz, indessen wurden diese und andere Wirkstoffe noch nicht
genügend erforscht. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts schrieb der
Regensburger Domherr und Naturkundige Konrad von Megenberg:
«Daz kraut hat die art, daz eai duz herz sterkt und die leber, und
rainigt die nieren und haut die gesweren und allermeist die grozen
Teeaufguß aus Johannisunrainen gesweren.» In unserer Zeit wird rd e
Gallenstauungen empfohlen; die
kraut gegen träge Verdauung und
Verdauungssäftc des MagenWirkstoffe regen die Abscheidung rd e
Darm-Kanals, besonders die Gallcnahscheidung, an; sie hemmen Entzündungen und mildern Reize. Mit dem Johannisöl werden schlecht
heilende Wunden und Verbrennungen behandelt. Das Heilmittel wird
gewonnen, indem man Blüten und Blütenknospen in Olivenöl ansetzt,
zwei Wochen an rd e Sonne stehen läßt und abfiltert.
Neue Zürcher Zeitung vom 27.08.1966
«Melissen nent man mich Honigblum. Bey den Griechen würdt
sie Melissophyllon oder Mcliphyllnn, zu Latein Apiaslru und Citrugo,
in den Apotecken Melissa geheyßen. Dise minien über alle hat sie
überkommen darumb das die Immen oder Bynen ein sondere lieb
und beginl zu disem kraut haben und das honig durtmß saugen.» So
schrieb Leonhart Fuchs in seinem Kräuterbuch. Er hat diese Erklärung wie viele andere von Autoren rd e Antike übernommen. Die
Bezeichnung Melissophyllon findet man zum erstenmal bei Dioskurides; sie bedeutet wörtlich «Bienenblatt» und wird damit begründet,
daß die Blüten die Bienen anziehen. Plinius rät, man müsse, damit
die Bienen beim Stock bleiben, die Bienenstöcke mit Melissophyllum
ausreiben. Columelhi, ein Zeitgenosse Scnecas und Verfasser mehrerer
landwirtschaftlicher Lehrbücher, schreibt, man solle, wenn man die
Bienenkönigin aus dem Schwärm holen wolle, die Hände mit Melissensaft einreiben, und Vergilius bekennt sich zur Ueberzcugung, es gebe,
um Bienen anzulocken, kein wirksameres Mittel als Melissophyllum.
Noch heute reiben in manchen Gegenden die Imker ihre Bienenstöcke
mit Melisse oder andern stark riechenden Pflanzen aus, und noch
immer pflanzt man in der Nähe von Bienenhäuschen Mclissenstöcke
un, deren Blüten, wie jeder Bienenzüchter weiß, eine vortreffliche
Bienenweide sind. Einer der heute noch gebrauchten volkstümlichen
Namen ist deshalb auch Bienen- oder Immenkraut.
Die Melisse ist, wie viele andere Heil- und Gewürzkräuter, eine
Angehörige rd e Fumilic der Labiaten oder Lippenblütler. Ihre Heimut
liegt vermutlich im östlichen Mittelmeergebiet, doch hat sie sich
längst auch in der westlichen Hälfte verbreitet. Im Altertum wurde
die Melisse außer als Bienenfutter als Heilpflanze bereits kultiviert.
Dioskurides empfahl ihren Gebrauch, wenn man von Spinnen und
Hunden oder von Skorpionen gebissen wurde. «Mclisscnsuft
mit Honig vermischt ist ein vortreffliches Mittel gegen die Verdunkelung der Augen», lehrte Plinius. Die Araber brachten die Melissenkullur im 10. Jahrhundert nach Spanien. Mit den Mönchen kam
neben vielen andern mediterranen Kräutern
auch die Melisse über
die Alpen. Die Pflanze ßiusuga (Bienensaug), von der die gelehrte
Aeblissin Hildegard von Bingen schrieb, wenn man die Blätter esse,
werde die Milz erwärmt, was wiederum das Herz fröhlich mache, ist
ohne Zweifel die Melisse. Die alten Namen Herzkrant und Herztrost
gehen auf diese vermeintliche Wirkung zurück. In der Signaturlehro
ging man noch einen Schritt welter: da das Blatt herzförmig sei,
helfe es bei allen Herzkrankheiten.
Aus den Klostergärtcu wanderte die Melisse in die Bauern- und
Bürgergärten, und auch heute noch findet man sie in vielen Kl aulergärten. In manchen Gegenden wird sie im großen angebaut. An
einigen Orten des Tessins und des Wallis kommt sie auch verwildert
vor. Die Melisse ist eine bis zu einem Meter hohe Staude mit langgestielten, grobgezähnteu Blättern und quirlförmig stehenden, unscheinbar weißlichen Blüten in den oberen Blattachseln. Dank einem
ätherischen Oel strömen die Blätter einen angenehmen, Zitronenähnlichen Geruch aus, weshalb man die Pflanze präzisierend auch
Zitronenmelisse nennt. Der Teeaufguß aus den getrockneten Blättern
wirkt beruhigend und krampflösend. Er hilft bei Magen- und Darmbeschwerden und wird sogar in den neuesten Kräuterbüchern als
Mittel gegen Melancholie gepriesen. Vielfach wird rd e Tee als Allheilmittel gerühmt. Von gleicher Wirkung ist der Melissengeist, den man
als «Karmelitergeist» kennt: das Rezept geht auf die Karmcliterinnen
zurück, welche das Heilmittel zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Paris
einführten. Von diesem Melissengeist sagt Paracelsus, man könne sich
mit dessen Hilfe gänzlich verjüngen.
Die Salbei
Die Familie der Lippenblütler oder Labiatac ist groß. In ihr gibt
es eine Reibe von Arten, welche den Menschen seit alters als Heilund auch als Gewürzkräuter dienen. An der Spitze steht ohne Zweifel
die Salbei, über die im 13. Jahrhundert an der Universität Salerno
der Merkvers geprägt wurde: «Cur moriatur homo, cui Salvia crescit
in horto? Contra mortis non est medicamen in hortis.» Was etwa
heißt: «Wäre gegen den Tod ein Kraut gewachsen, wahrlich, es müßte
Salbei sein.» Hieronymus Bock lehrte: «Unter allen Stauden ist kaum
eyn gewächs über die Salbey, denn es dient artzten, koch, keller,
armen und reichen.» Viele hundert Jahre vor ihm rühmte in seinem
Lehrgedicht «Hortulus» der Mönch
Walafridus Straho vom Kloster
Reichenau: «An allererster Stelle steht leuchtend die Salbei, von
lieblichem Duft und großer Kraft, nützlich als Heiltrank; die Menschen haben in vielen Krankheiten ihre Hilfe schon oft erfahren.»
Bei Theophnit und Dioskurides wird die Pflanze unter dem Namen
«elelisphakon» als Diureticum und
blutstillendes Mittel genannt, und
I'liniiis berichtet, sie werde von den Krüulcrkundigen seiner Zeit
«Salviu» genannt. Allein schon der Name, der e
h e u t eine ganze
Gattung bezeichnet, deutet auf die Heilkraft des Krautes hin. Dia
Gattung, die größte unter den Labialen, zählt rund 500 Arten. Die
wichtigsto ist Sulvia officinulis, die Garten- oder Königssalbei. Sie
vermag sich zu einem Halbstruuc
h
von stattlichem Wuchs zu entwickeln. Die LaubblUtter sind zum Teil winterhart, stehen an langen
Stielen und sind von lUnglich-ciförmigcr bis schmal-elliptischer Gestalt.
Die Sprosse sind filzig bchuurt. Die hellviolctten Blüten bilden eino
Scheinquirle. Die gunze Pflanze strömt einen herb buleaniischen Duft
aus. Gccrntct werden die Blätter, und zwar wenn die Pflanze zu
blühen beginnt. Der wichtigste Wirkstoff ist ein ätherisches Oel; es
wirkt in kleinen Dosen entzündungswidrig, vor allem auf die SchleimMagen- und
häute, vermindert die Schweißabsonderung und linder
t
Darmstörungen. Trinkt man den Tee in zu großen Mengen, treten
Schädigungen des Zentralnervensystems ein. Als Spül- und Gurgel-'
mittcl tut Sullx'i bei Entzündungen der Mund- und Rachenhöhlen
hervorragende Dienste. Von ihrer Heilkraft abgesehen, ist die Salbei
ein liocliaromatisc'.ius Gewürz für mancherlei Gerichte. Am Rande sei
bemerkt, daß unsere heimische Wiesensalbei die Konkurrenz der
echten Salbei längst verloren hat. Die offizinellc Pflanze wächst wild
an den dürren Kalkfelsen des Mittclmcers. Bei uns kommt sie in den
südlichen Tälern Graubüudens, im Tcssin und im Rhonctal verwildert
vor. Sie sollte in keinem Kräutergarten fehlen.
Plinius empfahl die Salbei den Wanderern als Mittel gegen die
Müdigkeit. Unter unserem Himmelsstrich legte man später Salbeiblätter in das Gebetbuch, um an ihnen riechen zu können, wenn sich
während der Predigt rd e Schlaf ungebührlich bemerkbar machte,
Die angebliche Kraft der Salbei, die Lebensgeister zu wecken, mußte
dazu herhalten, duß die Pflanze den Göttern der Antike als Speise
der Unsterblichkeit zugesprochen wurde. Die Sitte, drei mit Zaubersprüchen beschriebene Salbeiblätter zu essen, um sich vor Fieber
und der Verfolgung durch böso Geister und Hexen zu schützen, hat
sirh in vielen Gegenden Europas bis ins 18. Jahrhundert hinein
erhalten. Merkwürdigerweise war die Salbei aber auch verrufen,
Kröten und ähnliches Getier hervorzubringen, ja man behauptete,
daß Blätter von einem Salbcistrauch, unter dem Kröten gehaust hätten,
tödlich wirkten. Wahrscheinlich sah man zwischen den runzeligen
wissenschaftlichen Namen Mcnlha aquatica und hat kühle Laubblätter;
dio LaubblUtter der Roßminze, die dem Botaniker als Mentha longi-
folia bekannt ist, sind unterscits mit einem weißlichen Filz bedeckt.
In der heutigen Kräuterheilkunde sind zwei Species mit ihren
zahlreichen Spielarten von Bedeutung. Dio eine ist die Pfefferminze,
Mcntha piperita, so geheißen wegen ihres scharfen Geruchs, die andere
dio Krauseminze, Mentha crispa, die ihren Namen von den ihr eigenen
gekrausten Blättern erhalten hat. Die heutigen Kulturformcn rd e
Pfefferminze sind das Produkt einer Kreuzung der Bachminze mit
rd e n
G r ü n e Roßminzo. Die erste Beschreibung, uus der sich mit
Sicherheit die Pfefferminze erkennen läßt, stammt aus dem Jahr 2696
und wurde von dem Engländer Rujus verfiil.lt. Diese Pflanze war in
Ilcrtfort entstanden. Von ihr sollen, wie man hört, sämtliche in Englund, Amerika und auf dem europäischen Kontinent gezogenen Pflanzen abstammen. Es wur auch ein Engländer, der schriftstellernde
Pharmuzcut Dale aus Esscx, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf
die heilkräftige Wirkung der Pfefferminze aufmerksam machte. Die
englische Mitcham-Minze gilt seit etwa zweihundert Jahren als besonders aromatisch, Es kommt nicht von ungefähr, daß man die Pfefferminze bei uns auch Englischminzekraut nennt.
Wichtigster Bestandteil der Pfefferminze ist ein ätherisches Oel
und in ihm das Menthol. Reich im diesem Oel sind die Blätter, am
reichsten kurz vor rd e Blüte. Die Blätter werden am Schatten getrocknet. Wie dio meisten andern ätherisches Oel enthaltenden Kräuter
sollte die Droge nicht älter als ein Jahr sein. Man trinkt den Teeuufguß bei Störungen rd e Mugcu- und Dnrmlätigkeit, bei Blähungen
und ungenügender Galleiiahsondcrung, Das Menthol wirkt desinfizierend, kratnpflösend und beruhigend.
Der Wermut
«Die vollen brüder helff.cn sich durmit, wenn sie nachts überflüssig
dem Baccho gedient haben, gegen morgen ruffen sie den Wermutwein
un, der sol die gestrig füll verdrucken.» So liest man bei Hieronymus
llurk über eine der vielen Anwendungen des W
Dioskurides hatte schon den «vollen Brüdern» des Altertums den Wermut
empfohlen. Zu Beginn unseres Jahrhunderts, in einer Zeit also, d
a
die alten Heilkräuter in der Schulincdizin kein sonderlich hohes
Ansehen genossen, sagte ein Pharmakologc: «Ich hübe in meinem
mildes und unschädliches Beruhigungsmittel. Man empfiehlt sie bei
allgemeiner Nervosität, bei nervösen Schlafstörungen und Herzbeschwerden. Der penetrante Geruch des Baldrianöls wirkt auf
menschliche Nasen ausgesprochen unangenehm, dagegen zieht er die
Katzen an, weshalb die Pflunzc auch Katzcnkraut heißt. Wie viele
andere stark riechende Gewächse gult rd e Buldrinn einst als Mittcl,
böse Geister, Teufel und Hexen uns Hof und Stull zu vertreiben. Ein
Spruch sagt: «Bei Baldrian und Dill kann die II ex' nicht, wie sie will.»
Niemand weiß genau, wie es zum Namen Buldrian gekommen ist.
Im höchsten Grud unwahrscheinlich ist die Vermutung, der nordische
Lichtgott Balder könnte mitgewirkt haben, Einige Sprachkundige
leiten die deutsche Bezeichnung vom lateinischen Namen rd e Pflunzc,
Valeriana, einer Wortschöpfung rd e Lateiner des Mittelalters, ab.
«Valeriana» wird im allgemeinen auf valerc, gesund sein, sich Wohlbefinden, zurückgeführt; Hinweise auf einen römischen Arzt namens
Valerianus oder auf die römische Kaiserin Vulcriunn, die durch «Ins
Kraut von einer schweren Krankheit geheilt worden sein soll, können
kaum ernstgenommen werden,
Die Pfefferminze
Salbeiblättern und der warzigen Krötenhaut eine gewisse Aehnlichkeit. Liebenswürdiger ist rd e alte Glaube über die Entstehung rd e
Heilkraft rd e Salbei: Als die Heilig: Familie vor den Schergen des
Herodes nach Aegypten floh, fand sie unter einem Salbeistrauch
Schutz. Da sagte die Gottesmutter zur Salbei: «Von nun an bis ans
gebe dir die
Ende der Zeiten werden dich die Menschen lieben; ich
Kraft, sie von jeder Krankheit zu heilen und sie vom Tode zu erretten,
getan
Salbei
bis heute
d
r
e
ist
Heilkraft
Die
hast.»
so wie du es mir
unbestritten geblieben,, wenn sie auch ihren Ruf als Wunderkraut
eingebüßt hat.
geschah, daß Hades, der Gott der Unterwelt, in Liebe zur
Es
Nymphe Minthe entbrannte. Seiner Gomahlin wollte solches nicht
gefallen, und sie verwandelte, wie es bei den Göttern Griechenlands
gang und gäbe war, die Nymphe in eine Pflanze. So kam die Minze
zu ihrem Namen. Schon die Autoren des Altertums machten einen
Unterschied zwischen den wild wachsenden Arten, die sie Mintha oder
Minthe nannten, und den Zuchtformen, die bei ihnen Sisymbrion
hießen. So zumindest lehren die Fachleute, fügen indessen fast im
gleichen Atemzug hinzu, eine absolut sichere Bestimmung lasse sich
nicht aufstellen. Gewiß ist, daß die Minze im östlichen Mitlclineergebiet schon früh kultiviert wurde. In Resten von Blunicngebiiulen
in altägyptischen Gräbern will man nach genauen Untersuchungen
Minzeblätter erkannt haben. Nach noch genaueren Untersuchungen
will man sogar die Art festgestellt haben: Pfefferminze; sie hat ihre
Heimat vermutlich in Ostasien.
Unter den wild wachsenden Arten rd e Gattung Mcntha, die zur
Familie der Labiaten gehört, kommen bei uns zwei Arten recht häufig
vor, die Bachminze und die Roßminze. Beide findet man vorwiegend
in Sumpfwiesen, Gräben und Auengehölzen. Die Bachminze trägt den
ßjfeÄt*'
Leben viele ältere Herren kennengelernt, die aus der Kombination
von gutem Leben mit auskömmlich Tabak und Alkohol sich, .«inen
chronischen Magenkalurrh gezüchtet hatten und, wenn .Ueser gar zu
rebellisch sich zeigte, versuchten, im stillen Kämmerlein durch das
Trinken von Wermuttee ihm hinzukommen, eine Therapie, die, wie
ich ebenso erfahren konnte, bei sonst im wesentlichen- nicht weiter
verändertem Lebenswandel als ebenso unschädlich wie unfruchtbar
sich erwies.»
Der Wermut ist wohl eine der ältesten Heilpflanzen; sie wurde
bereits bei den Aegyptcrn, den Griechen und Römern gegen Störungen
r e Verdauungsorgane gebraucht. Thcophrast berichtet, daß bei den
d
Schafen der Wermut die Galle ersetze. Ein Kräuterkundiger des
16. Jahrhunderts knüpft an diesen Aberglauben die boshafte Bemerkung, der Wermut sei «auch den bösen, zornigen und gallsüchtigen
weibern ein überauß gute Artzney, die jhren leib mit stetigen zörnen
und überlauffener Gallen kräneken und mancherley Krankheyt und
Gefahr bringen, welche Mängel dann ohn sonderlichen großen kosten
leichtlich köndten gewendet und hinweg genommen werden». Bei den
Griechen hieß die Pflanze Absinthion und Artemisia; rd e eine Name
bedeutet vielleicht unerfreulich oder untrinkbar, der andere geht auf
die Göttin Artemis, die Beschützerin rd e Frauen, zurück, denn das
Kraut ist nach Dioskurides «namentlich den Frauen gut».
Der Baldrian
«Gepulverisiert und getrunken treibt den Harn. Gekocht in Wasser
und Wein tut desgleichen. Ist ein Theriaks wider Gift und Pestilenz.
Für die Wurm im Bauch den Kindern geben. Reinigt die Augen,
übergelegt. Zeucht die
nach dem Bade ein Tüchlein genetzt und
Hitze, Dämpf und Rauch nach dem Bad heraus. Ist gut denen so
holdselig, eins und
gefallen
Macht
seind.
Glieder
entzwei
Bein und
friedsam, wo zwei das Wasser aus einem Geschirr trinken. In den
getrunken
gemischt
Man mag es auch
Gesicht.
behält
das
Wein
und
in die Augen thun. Macht schwitzen. Legt die Wehtagen der Glieder,
getrunken
gerieben.
gut
den
bösen Luft der
für
damit
Nüchtern
ist
Pestilenz.» Das sind die Ruhmestitel, die Otto Brunfels, erst
Karthäusermönch, dann Theologe Luthers und Arzt und Pflanzenkundiger in Straßburg, dem Baldrian verleiht.
Der Wermutsstrauch hat seine Heimat in rd e kleinasiatischen Mittelmeerregion oder
nach andern Autoren
in Sibirien. Diesseits der
Alpen wurde er im 9. Jahrhundert unter dem Namen werimuota
bereits angebaut. Die Herkunft des deutschen Namens ist unsicher.
Die einen erklären ihn mit «Wurm» wegen der wurmwidrigen Wirkung rd e Pflanze, die andern mit «Wärme», denn rd e Tee warme den
Bauch. Wild kommt das Gewächs in der Schweiz im Wallis und in
Graubünden vor. Der Halbstrauch mit holzigem Grundstock treibt
einen bis zu einem Meter hohen Blühstengel. Die Blüten sitzen in
kugeligen Köpfchen, sind winzig klein und gelb. Blätter und Stengel
sind dicht graufilzig behaart.
Der Wermut, von den Botanikern Artemisia abtinthium genannt,
enthält einen Bitterstoff und ätherisches Oel. Den Hauptbestandteil
dieses Oels bildet das Thujon, das in größeren Dosen ein starkes Gift
ist. Der Teeaufguß wirkt appetitanregend, er stärkt den Magen und
fördert die Verdauung. Man soll ihn aber nur löffelweise trinken.
Aus dem Kraut stellt man den bekannten Wermutwein her, der nur
die Bitterstoffe enthält. Voll des giftigen Thujons ist der Wermutschnaps, der berüchtigte Absinth: der fortgesetzte Genuß führt zu
Geistesstörungen und Verblödung. Herstellung und Ausschank von
Absinth sind in unserem Land verboten, doch die «grüne Fee» schwebt
dennoch über gewissen Gegenden.
Der Baldrian ist eine ausdauernde, bis zu einem Meter hohe Staude,
die in ganz Europa vorkommt. Wenn er auch Fluß- und Bachufer
und moorige Wiesen bevorzugt, meidet er dessenungeachtet Wälder
A u ß e r d e wird
und Gebüsche von der Ebene bis ins Gebirge nicht. m
die Pflanze auch angebaut. Die Laubblätter sind unpaarig gefiedert
und setzen sich aus fünf bis elf Paaren lanzettlicher und gezähnter
Fiederblättchen zusammen. Die doldigen Blütenstände besteben aus
kleinen, hellrosarot gefärbten, röhrenförmigen Einzelblüten. Der
Wurzelstock ist kurz und treibt meist unterirdische Ausläufer. AI«
verwendbares Organ gelten e
h e u t ausschließlich die unterirdischen
Teile. Die Wirkstoffe sind noch nicht vollständig erforscht, doch dürfte
in ihnen ein ätherisches Oel, das Oleum Valerianae, . eine wichtige
Rolle spielen. Aus der frischen Wurzel wird die Baldriantinktur
gewonnen. Aus rd e geschnittenen Droge bereitet man den Tee (in
kaltem Wasser aufsetzen, zum Sieden bringen, wegstellen, ziehen
lassen). Die ehemals lange Liste der Uebel, die mit Baldrian bekämpft
werden können, ist im Verhältnis zu früher recht kurz geworden.
Baldriantee und Baldriantropfen sind in den üblichen Dosen ein
Neue Zürcher Zeitung vom 27.08.1966
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