Panikstörung und nachfolgende Agoraphobie: Patient wirkt

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1. Vorlesung / 11.3.2002 / Berger
PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN
= Störungen, die lang anhaltend sind (im Unterschied zu akuten psychischen
Erkrankungen wie z.B. Depression oder Manie)
ALLGEMEINE KRITERIEN EINER PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG:
1) abweichende Erfahrungs- und Verhaltensmuster in mehreren
Bereichen (Wahrnehmung / Interpretation, Affektivität, Impulskontrolle1,
zwischenmenschliche Beziehungen2)
2) unflexibel in mehreren Situationen3
3) persönlicher Leidensdruck oder Auswirkungen auf andere
4) stabil, lange Dauer, Beginn in Adoleszenz
5) nicht durch andere psychische Erkrankungen oder Störungen bedingt
UNTERSCHEIDE:
•
Persönlichkeitszüge:
hat jeder Mensch; sind normalverteilt in Bevölkerung (z.B. Ängstlichkeit,
Extraversion, Introversion vgl. Eysenck); flexibles Reagieren in verschiedenen
Situationen ist möglich
•
Persönlichkeitstörungen (ICD-10 – F60):
sind in Persönlichkeit verwurzelt; betreffen vor allem das Verhalten; sind lang
anhaltend und unflexibel
•
Persönlichkeitsveränderungen:
können auftreten nach besonderer Belastung
Î andauernde Persönlichkeitsveränderungen nach Extrembelastung
(z.B. Flüchtlinge = eventuell vorsichtiger, mißtrauischer,...)
Î andauernde Persönlichkeitsveränderungen nach psychischer Erkrankung
¾ chronische Depression: negativere Einstellung, sozialer Rückzug
¾ Panikstörung und nachfolgende Agoraphobie: Patient wirkt
abhängiger, obwohl er früher viel selbstständiger war
1
2
3
z.B. Gewaltausbrüche, Geldausgaben, Substanzmißbrauch
z.B. Beziehungen werden nicht gehalten, andauernde Trennungen
d.h. jemand macht immer wieder dasselbe, vor allem bei besonderen Anforderungen -> Alltag,
Beziehungen werden dadurch ständig beeinträcht
2
¾ Schizophrenie: oft Probleme zu unterscheiden, ob jemand ein Einzelgänger
ist oder ob das schon Anzeichen einer Erkrankung ist
¾ organische / traumatische Hirnveränderung: vor allem im
Frontalhirnbereich -> Patient wird expansiver, lethargischer, rücksichtsloser
(klarer Beginn ist festzustellen)
¾ Schilddrüsenerkrankung: Patient wird nervöser bzw. fahriger
ABER: Das alles ist KEINE Persönlichkeitsstörung!
TRIADISCHES SYSTEM DER PSYCHIATRISCHEN NOSOLOGIE:
Abnorme ErlebnisBelastungs-Reaktion
(= Krise)
Abnorme
Verstandeslage
(= geistige Behinderung)
Abnorme Spielarten
seelischen Lebens
Abnorme (Persönlichkeits-)
Entwicklung (= Neurose)
Abnorme Persönlichkeiten
(= Persönlichkeitsstörung)
primäre Hirnkrankheit
(hirnorganisch)
körperlich
begründete
psychische Störungen
hirnbeteiligte Körperkrankheiten
(sympomatische)
Zyklothymie
(manisch / depressiv)
endogene psychische
Störungen
Schizophrenien
3
GESCHICHTE DER PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN:
1804 Philipp Pinel:
Manie ohne Delir (irrationales Verhalten bei normalen
intellektuellen Fähigkeiten)
1837 James Prichard:
spricht in „Treatise on Insanity” von
moral insanity: = Irrsinn, der darin besteht, dass natürliche
Gefühle, Neigungen, Anlagen, Gemütsverfassungen,
moralische Einstellungen und Triebe auf krankhafte Weise
pervertiert sind, jedoch ohne irgendwelche auffallende
Störung oder Defekt des Intellekts und ohne wahnhafte
Sinnestäuschungen oder Halluzinationen
1838 Esquinol:
Monomanie (= Impulskontrollstörungen)
1891 Koch:
psychopathische Minderwertigkeiten
1899 Kraepelin:
4 Typen von psychopathischen Personen:
o
o
o
o
1923 Kurt Schneider:
der
der
der
der
geborene Kriminelle
Labile
krankhafte Lügner und Schwindler
Pseudoquerulant
Psychopathie (viel breiteres Verständnis als heute!
[Heute: Psychopath = vor allem asozial]) Dimensionaler
Verlauf zwischen gesund und krank; Typenkonzept
entwickelt. Plastische Beschreibungen der Patienten -> ist
schwierig in Diagnostik umzusetzen; drum gibt es heute
Kriterien wie in ICD und DSM.
1978 ICD-9
1980 DSM-III
(erstmals Kriterien zur Diagnose von Persönlichkeitsstörungen)
BEZIEHUNGEN ZWISCHEN PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN UND PSYCHIATRISCHEN
ERKRANKUNGEN:
•
In den Klassifikationsschemata (ICD und DSM) befinden sich die
psychiatrischen Erkrankungen auf Achse I
•
Die Persönlichkeitsstörungen befinden sich auf Achse II -> sind schwieriger
zu behandeln; können psychiatrische Erkrankungen modulieren (z.B. wenn
jemand eine Panikstörung hat, sind die einzelnen Episoden relativ umschrieben,
zwischendurch kann auch Besserung eintreten. Bei Persönlichkeitsstörung: früher
Beginn, keine Episoden, sondern sie sind etwas Durchgehendes bzw.
Gelichbleibendes)
4
WOZU PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN DIAGNOSTIZIEREN?
wird vor allem diagnostiziert in:
•
•
•
forensischer Bereich (Gutachten, Therapie, Prognose)
klinischer Bereich (Therapie und Prognose, „komplexe Fälle“4)
Forschung (Epidemiologie, Ätiologie, kontrollierte Therapie-Studien)
z.B. Bei Patienten mit Panikstörung zu 90% Behandlungserfolg; das ist aber nicht so,
wenn Patient mit Panikstörung gleichzeitig eine Persönlichkeitsstörung hat.
Fazit: Es ist wichtig, Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren, damit man weiß, dass
Patient z.B. nicht so leicht auf Therapie ansprechen wird.
HÄUFIGKEIT:
* ambulante Patienten: 23 - 81%
* stationäre Patienten: 19-87%
* in Gesamtbevölkerung: 10-18%
} Schwankungen hängen mit Art der
} primären Störung zusammen
Î Ist primäre Störung Alkoholabhängigkeit -> höherer Prozentsatz der Patienten
mit zusätzlicher Persönlichkeitsstörung;
Î ist primäre Störung Angststörung -> Prozentsatz der Patienten mit zusätzlicher
Persönlichkeitsstörung ist geringer
Merke:
Meist hat jemand die Persönlichkeitsstörung nicht allein, sondern es ist
eine primäre Störung [eine Achse I – Störung] dabei.
EINTEILUNG DER PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN:
Man unterscheidet 3 Cluster:
•
•
•
Cluster A = sonderbar / exzentrisch
Cluster B = dramatisch / emotional / extrovertiert
Cluster C = ängstlich / furchtsam
Persönlichkeitsstörung kann Verlauf einer anderen Störung ungünstig beeinflussen; Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen sprechen z.B. verzögert auf Depressions-Behandlung an (sowohl auf
medikamentöse als auch auf Psychotherapie). Patienten mit Persönlichkeitsstörung sind of Patienten mit
schlechter Compliance (z.B. bei Diabetes). Sind sehr schwierige Patienten (z.B. sind böse, wenn sie nicht
gleich dran kommen, arbeiten nicht mit dem Arzt mit)
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Cluster A = sonderbar / exzentrisch
DSM IV
ICD -10
* paranoide PS:
* paranoide PS:
Î Mißtrauen und Argwohn, andere wären böswillig (aber keine fixen
Wahnsysteme wie bei Paranoia); besonders eifersüchtig, ständige
Verdächtigungen des Partners -> Probleme in Beziehungen, im Alltag, im Beruf.)
* schizoide PS:
* schizoide PS:
Î soziale Distanz, eingeschränkter Ausdruck von Emotionen (Patienten =
Einzelgänger, die GERN allein sind, leben allen und sind zufrieden damit.
Empfinden Emotionen nicht so stark und wenn, so können sie sie nicht ausdrücken;
Folge = Kommunikationsprobleme)
* schizotypische PS:
* (F21: schizotype Störung5):
Î soziale Angst, Verzerrung von Denken und Wahrnehmung, exzentrisch
Neigung zum Magischen, Hellsehen, Okkultismus, Zauberei; einzelne
Wahrnehmungsstörungen, die aber nicht den Grad von Halluzinationen erreichen;
sind oft seltsam exzentrisch angezogen. Sympotmatik = nur wenig ausgeprägt.
[Das ist das, was in den USA als Borderline-Cases bezeichnet wurde; schaut aus
wie Neurose, dahinter steckt aber eine Psychose; starke Beziehung zu
Schizophrenien, obwohl Patienten nicht wie Schizophrene wirken, sondern wie
Patienten mit anhaltender Neurose]
Cluster B = dramatisch / emotional / extrovertiert
DSM - IV
ICD – 10
* histrionische PS:
* histrionische PS:
Î übermäßige Emotionalität (oberflächlich!); benötigen übertriebene
Aufmerksamkeit. Will immer im Mittelpunkt stehen, auffällige Kleidung; wirken
sehr emotional, aber Emotionen sind nicht tiefgehend.
* narzißtische PS:
* narzißtische PS:
Î Großartigkeitsgefühle, Bedürfnis bewundert zu werden6, Mangel an
Empathie, benutzt andere
Ist im ICD den Schizophrenien zugeordnet.
Passiert das nicht -> Enttäuschung und Neid (Patient will z.B. immer als erster behandelt werden,
macht große Probleme als Patient; kann z.B. überhaupt nicht warten, will dauernd bewundert und
besonders behandelt werden)
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6
6
* antisoziale PS:
* dissoziale PS:
(= Psychopathie)
Î Missachtung und Verletzung der Rechte anderer, Impulsivität,
Aggressivität, auch immer wieder kriminelle Handlungen, rücksichtsloses
Verhalten, kein Vorausplanen sondern unmittelbare Bedürfnisbedfriedigung
* Borderline:
* emotional instabil:
(impulsiver und Borderline-Typ)
Î Instabilität in Beziehungen, im Selbstbild, in Affekten, Impulsivität.
Kurzfristige Beziehungen, die zwischen Idealisierung und Verachtung schwanken,
ständiger Wechsel von Trennung und Versöhnung (in ALLEN Beziehungen, auch in
beruflicher Hinsicht). Haben keine klaren Vorstellungen von ihren Erwartungen an
das Leben und sich selbst; ist deshalb schwierig zu diagnostizieren, da
Persönlichkeitsstörung in Pubertät anfängt und hier solche Schwankungen typisch
sind -> Persönlichkeitsstörung kann man erst im Erwachsenenalter sicher
diagnostizieren. Schneller Wandel in Affekten (innerhalb von wenigen Stunden);
Stimmungsverbesserung durch Alkohol und/oder Drogen; impulsive Handlungen
(z.B. auch Selbstverletzungen), auch Selbstmordversuche, Intoxikationen;
Suiziddrohungen vor allem bei Konflikten in persönlichen Beziehungen
Cluster C = ängstlich / furchtsam
DSM - IV
ICD - 10
* selbstunsichere PS:
* ängstliche PS:
Î soziale Hemmung, Unzulänglichkeitsgefühl, Angst vor negativer
Beurteilung und Zurückweisung (Angst, sich öffentlich zu präsentieren, Kontakt
aufzunehmen). Starke Überschneidung mit generalisierter Form der Sozialphobie –
ist eigentlich eine Angststörung, ABER: früher Beginn und lang anhaltendend (=
Kennzeichen einer Persönlichkeitsstörung!)
* dependente PS:
* abhängige PS:
Î unterwürfig und anklammernd, Bedürfnis versorgt zu werden (Betroffener =
unfähig, allein zu leben und zu existieren)
* zwanghafte PS:
* anankastische PS:
Î ständig beschäftigt mit Ordnung, Perfektionismus und Kontrolle. Patient
benötigt lange Zeit zur Vorbereitung – kann vor lauter Planen und Genausein nichts
durchführen; oder: stellt so hohe Ansprüche (vor allem auch moralischer Natur!) an
sich und andere, dass Zusammenleben mit ihm sehr schwierig wird.
Unterschied zu Zwangserkrankung: Bei Zwangserkrankung gibt es
Zwangshandlungen und Zwangsgedanken -> muss hier nicht vorhanden sein!
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PATHOGENESE DER PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN:
bisher ungeklärt
vermutlich biologische Disposition (biologische Befunde, „Temperament“) und
entwicklungsbedingte maladaptive Schemata -> Interaktion beider Faktoren
z.B. selbstunsichere PS: erhöhte Ängstlichkeit bereits in Kindheit feststellbar,
sorgsam aber überkritische (strafende) Eltern -> Verstärkung
z.B. antisoziale PS: biologische Befunde, keine stabilen Beziehungen in Kindheit
(wechselnde Bezugspersonen, Heimaufenthalte), dadurch verminderte
Beziehungsfähigkeit und mangelndes Wertesystem (haben kein stabiles Über-Ich)
THERAPIE VON PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN:
CLUSTER A:
Störung
Psychotherapie
Pharmakotherapie
paranoid
Realitätskontrolle,
Vertrauensbildung
niedrig dosierte
Neuroleptika
schizoid
soziale Fertigkeiten
schizotypisch
kognitive Fertigkeiten
niedrig dosierte
Neuroleptika
Störung
Psychotherapie
Pharmakotherapie
anti- / dissozial
soziale Fertigkeiten
?
Kognitionen
(weiß man nicht)
Empathie / Gruppe (meist im
forensischen Bereich)
Teamerleben
[am ehesten erfolgreich = Intervention in früher Jugend!]
Borderline
psychodynamische Therapie
(KERNBERG)
DBT = dialektische BorderlineTherapie (LINEHAN)
CLUSTER B:
SSRIs (= selektive Serotonin
Reuptake Hemmer)
gering dosierte
Neuroleptika
[Tranquilizer sind sehr ungeeignet,
bewirken noch stärkere Abnahme
der Impulskontrolle!]
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histrionisch
psychodynamische Therapie
kognitive Therapie
bei Depressiven -> Antidepressiva
narzißtisch
psychodynamische Therapie
kognitive Therapie
bei Depressiven -> Antidepressiva
Störung
Psychotherapie
Pharmakotherapie
selbstunsicher
psychodynamische Therapie
kognitive Therapie
Exposition
SSRIs, MAOIs (= Monoamin
Oxidase Hemmer)
abhängig
psychodynamische Therapie
kognitive Therapie
Antidepressiva ?
zwanghaft
psychodynamische Therapie
kognitive Therapie
?
(weiß man nicht)
CLUSTER C:
Fazit:
Es gibt durchaus Möglichkeiten, bei Persönlichkeitsstörungen etwas zu
ändern (früher glaubte man, das ginge nicht)
Persönlichkeitsstörungen werden ichsynthon erlebt (d.h. man ist halt so) ->
darum geht der Betroffene nicht von selbst in die Behandlung!
DISSOZIALE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG:
mindestens 3 Kriterien:
1) herzloses Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen anderer
2) verantwortungslose Haltung und Missachtung sozialer Normen (z.B.
betrunken oder besonders rücksichtslos Auto fahren)
3) Unfähigkeit zur Aufrechterhaltung dauerhafter Beziehungen
4) niedrige Frustrationstoleranz; Aggressivität
5) fehlendes Schuldbewusstsein und Unfähigkeit aus negativer Erfahrung zu
lernen (z.B. beuten andere aus und geben ihnen die Schuld, dass sie sich eben
ausbeuten lassen; fehlende Empathie)
6) deutliche Neigung, andere zu beschuldigen und Rationalisierungen für
das Verhalten anzubieten
ad 2) Oft begehen sie immer wieder kriminelle Delikte; ABER: kriminelles Delikt ist
KEIN Indiz für Vorliegen einer antisozialen PS, kann auch aus Drogensucht, etc.
passieren; bei 40% der Kriminellen liegt aber eine antisoziale Persönlichkeitsstörung
vor.
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Früher (vor ca. 100 Jahren) dachte man antisoziale PS = angeboren, dann gab man die
Schuld der Umwelt....
Heute weiß man: es gibt
Biologische Befunde:
Cholesterin niedrig
Serotonin niedrig
Testosteron hoch [höhere Aggressivität; größere Häufigkeit bei Männern]
MAO-Aktivität niedrig
Puls niedrig
Hautwiderstand niedrig
EEG (langsame Wellen) unteraktiviert
•
Zwillingsuntersuchungen haben ergeben, dass 42% durch genetische
•
Adoptionsstudien: biologische Riskofaktoren für antisoziale PS in Herkunfts- und
Ursachen erklärbar sind (Rest durch die Umwelt)
Adoptivfamilie hoch -> Betreffender wird ziemlich sicher antisoziale PS bekommen;
rechtzeitige positive Intervention hat Hoffnung auf Erfolg!
BORDERLINE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG (DSM IV):
mindestens 5 Kriterien:
1) panische Bemühungen, Verlassenwerden zu vermeiden (z.B.
Suiziddrohungen)
2) instabile und intensive zwischenmenschliche Beziehungen
3) Identitätsstörung (z.B. Ausbildungen beginnen und wieder abbrechen; Person
weiß keine Antwort auf die Frage „Was sind Sie für ein Mensch?“)
4) Impulsivität in mindestens 2 Bereichen (z.B. Alkohol- und/oder
Drogenmissbrauch, sexuelle Ausschweifungen, bulimische Attacken, Spielsucht)
5) wiederholte Suiziddrohungen, -gesten oder –verhalten (z.B.
Selbstverletzungen wie Schneiden, Verbrennen; mehrere Selbstmordversuche;
ABER: Suizidalität ist nicht lang anhaltend wie z.B. bei Depressionen, sondern
vergeht und entsteht sehr rasch)
6) wechselhafter Affekt (rasch, oft ohne konkreten Anlass)
7) anhaltendes Gefühl der Leere
8) unangemessene, intensive Wut (z.B. Gegenstände gegen die Wand werfen)
9) vorübergehende, reaktive paranoide oder dissoziative Symptome
(Weggetretenfühlen)
•
•
Bezug zu affektiven Störungen (z.B. vgl. Pkte. 6 und 7);
oft auch Probleme in Kindheit (z.B. sexueller oder physischer Missbrauch)
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Pathogenese:
1) psychophysiologisches Defizit der Emotionsregulation
2) nonvalidierende Umwelt (z.B. Trivialisierung von Emotionen – „Führ dich
nicht so auf!“ -> Betroffener kann seine Emotionen nicht wahrnehmen)
3) Folge: emotionale Vulnerabilität bei mangelhafter Ausprägung von
Coping-Strategien führt zu Unfähigkeit, mit intensiven Affekten umzugehen
4) erlerntes dysfunktionales Verhalten zur Spannungsreduktion
(parasuizidales Verhalten, Drogeneinnahme, Essstörung) führt zu
intrapsychischen und interaktionellen chronifizierten Störungen
5) hohe Tendenz, neue Lernerfahrungen zu vermeiden und dysfunktionale
Coping-Strategien beizubehalten
•
Kann auch als posttraumatische Störung aufgefasst werden, da ja oft
Missbrauch vorangeht!
Reaktion auf Stressor:
Borderline – PS:
•
•
Emotion
•
Selbstverletzung
(Schneiden, Verbrennen)
Drogen (Alkohol,
Medikamente)
Dissoziation
(weggetreten sein)
normal
Problem / Stressor
Ö
Erkennen / Auseinandersetzung
In Behandlung geht es darum, diesen Ablauf an konkreten Situationen
deutlich zu machen und dem Patienten Einsicht in dieses Verhalten
zu vermitteln (= wichtig, da großer Risikofaktor, der zum Selbstmord
führen kann) -> Patient kann Emotionen dann besser einordnen.
Erst in weiterer Folge Bearbeitung der zugrundeliegenden
traumatischen Erfahrungen (nicht zuerst, denn sonst kann es sein,
dass Patient die Behandlung abbricht!). Geeignete Therapie = DBT
von Linehan
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GEISTIGE BEHINDERUNG
Î deutliche unterdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit; IQ von
ca. 70 und weniger bei individuell durchgeführtem Intelligenztest (bei
Kleinkindern durch klinische Beurteilung der deutlich unterdurchschnittlichen
intellektuellen Leistungsfähigkeit)
Î gleichzeitige Defizite oder Beeinträchtigungen der gegenwärtigen
sozialen Anpassungsfähigkeit (d.h. die Fähigkeit einer Person, die sozialen
Normen ihres Umfelds altersgemäß zu erfahren, ist in mindestens 2 der
folgenden Bereiche eingeschränkt: Kommunikation, Eigenständigkeit, häusliches
Leben, soziale / zwischenmenschliche Fertigkeiten, Arbeit, Gesundheit, Schule,
usw.)
Î Beginn vor dem 18. Lebensjahr (später im Leben -> Demenz)
Intelligenz = normalverteilt -> Mittelwert = 100, Standardabweichung = 15
INTELLIGENZMINDERUNG:
2 Hauptkomponenten:
¾ niedrige kognitive Fähigkeit
¾ verminderte soziale Kompetenz
Kategorie
Intelligenzminderung
F 70
leicht
50 – 69
9 bis unter 12
F 71
mittelgradig
35 – 49
6 bis unter 9
F 72
schwer
20 – 34
3 bis unter 6
F 73
schwerst
unter 20
unter 3
F 7x.0
F 7x.1
IQ
für Erwachsene:
mentales Alter
keine oder nur geringe Verhaltensstörung
deutliche Verhaltensstörung, die Beobachtung und Behandlung erfordert
Frühere Unterscheidung:
Debilität – Imbezilität – Idiotie = heute nicht mehr gebräuchlich!
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URSACHEN:
*
*
*
*
*
*
genetische Störung (z.B. Stoffwechselstörung)
frühe Störung in Embryonalentwicklung
Schwangerschafts- und perinatale Probleme
körperliche Erkrankung im Kindesalter
Umwelt und psychiatrische Erkrankung
unbekannt
5%
30%
10%
5%
15 – 20%
30 – 40%
1) Genmutationen:
autosomal-rezessiv
autosomal-dominant
X-chromosomal-rezessiv
Phenylketonurie
2) Chromosomenabberrationen:
autosomale Trisomie
gonosomale Monosomie
gonosomale Polysomie
Down-Syndrom
Turner-Syndrom
Klinefelter-Syndrom
3) exogene Faktoren:
Viren (z.B. Röteln)
Protozoen
Chemikalien
Medikamente
Strahlen (-> Mikroencephalie)
4) perinatale Störungen:
Hypoxisch-ischämische Encephalopathie
intracerebrale und intrakraniale Blutungen
Erkrankungen des Früh- und Neugeborenen
5) postnatale Störungen:
Hirnverletzung
Intoxikation
Sauerstoffmangel
DIAGNOSE:
•
•
•
Entwicklung, Beobachtung
Intelligenztest (HAWIE, Ryven-Matrizen-Test)
Merkfähigkeit, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Orientierung, Verständnis und
Integration von Informationen
Differentialdiagnose:
Bei Diagnose der geistigen Behinderung muss ausgeschlossen werden;
•
•
•
•
•
hysterische Pseudodebilität (Ganser-Syndrom)
sozial bedingte Leistungsminderung
ausgeprägte Hospitalismusformen
Grenzformen der infantilen Demenz
(funktionelle) Intelligenzminderung im Rahmen von psychiatrischen
Erkrankungen (z.B. bei Depressionen)
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Untersuchung geistig behinderter Menschen:
•
wichtige Befunde der somatischen Untersuchung
(Kopfumfang, körperliche Anomalien, Funktion des Zentral-Nerven-Systems,
Funktion des Peripheren Nerven-Systems; Analyse des Bewegungsverhaltens;
sonstige organische Befunde (z.B. Herz, Nieren)
•
Beobachtung des Verhaltens (z.B. Kontrollfähigkeit)
SYNDROME BEI GEISTIGER BEHINDERUNG:
•
autistisches Verhalten:
kein Blickkontakt, Ablehnung von körperlicher Berührung, Rückzug
•
stereotype Verhaltensweisen:
Kopfschütteln, Masturbieren; Hyperaktivität
•
aggressives und autoaggressives Verhalten:
Selbstschädigung, Beißen, Schlagen; komplexe partielle psychomotorische Anfälle
(hier eventuell antiepileptische Behandlung notwendig)
•
psychotische Symptome:
bei 10 – 15% Pfropfpsychose (d.h. intellektuelle Behinderung mit zusätzlicher
Psychose); depressive Symptome (Schlafstörungen) [Merke: Mit Antidepressiva
kann man Verhalten und intellektuelles Niveau etwas verbessern!]
•
neurologische Störungen:
Einnässen, Einkoten, mutistisches Verhalten, Appetitstörung
BEHANDLUNG:
Es gibt keine spezielle!
•
sozial:
Î Integration nach Möglichkeit
Î Sondereinrichtungen
Î geschützter Arbeitsplatz
•
medikamentös:
Î wenn erforderlich nach Syndrom, z.B.
¾ Neuroleptika (bei psychotischen Symptomen=
¾ Antidepressiva
¾ Antiepileptika (bei Anfällen)
¾ Stimulantien [z.B. Methylphenidat] (nur bei sehr wenigen, z.B. bei
Aufmerksamkeitsstörung; ist aber mit großer Vorsicht zu genießen!)
¾ Nootropika (helfen aber wenig bis nix)
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