Physikalische Chemie für das Lehramt Vorlesungsscript Ernst-Peter Röth Version 1.2 Inhaltsverzeichnis Vorbesprechung 1. Mathematische Grundlagen Differentiale Integralrechnung 2. Der erste Hauptsatz der Wärmelehre Der Joule-Thomson-Effekt Die Temperaturabhängigkeit isobarer Prozesse Carnot-Prozeß und Stirling-Motor Aufgabenbeispiel 3. Der zweite Hauptsatz der Wärmelehre Das totale Differential der Entropie Druck- und Temperaturabhängigkeit der Freien Enthalpie Adiabatische Entmagnetisierung 4. Mehrkomponenten-Systeme Das chemische Potential Die Clausius-Clapeyron-Gleichung Osmose Destillation 5. Thermochemie Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten / Prinzip von Le Chatelier Die Richtung chemischer Reaktionen Die Bestimmung des Aktivtätskoeffizienten 6. Gasgesetze Stöße auf eine Ebene und mit Partikeln Die Ableitung des Idealen Gasgesetzes Viskositätskoeffizient und mittlere freie Weglänge Knudsenströmung Diffusion in Gasen Kinetische Gastheorie und Maxwell-Boltzmann-Verteilung 7. Formalkinetik Der monomolekulare Zerfall Bimolekulare Reaktionen Parallelreaktionen Folgereaktionen 8. Eyring-Theorie Grundlagen Die Ableitung der Eyring-Formel Der Lindemann-Hinshelwood-Mechanismus 9. Atom-Modelle Die Schrödinger-Geichung Der eindimensionale Potentialtopf Die Energieniveaus der Rotation Das Elektron im Coulombfeld Der Tunneleffekt 10. Molekül-Spektren Schwingungsspektren Die Quantenzahlen Näherungsmethoden für Molekül-Orbitale LCAO-Methode Elektronengas Morse-Potential Beispiele Rotationsspektren Normalschwingungen des NO2 Rotationsschwingungsspektrum von HI 11. Statistische Thermodynamik Die Zustandssumme Der Energieinhalt von Molekülen Vorbesprechung Plan der Lehrveranstaltung Die Vorlesung im Hauptstudium „Physikalische Chemie für das Lehramt“ schließt sich an die „Einführung in die Physikalische Chemie“ an, die im Grundstudium gelesen wird. Die dort besprochenen Themen werden als bekannt vorausgesetzt und sollen jetzt durch Beispiele vertieft werden. Da wiederum im Laufe eines einzigen Semesters die gesamte Physikalische Chemie behandelt werden muß, ist auch jetzt eine Beschränkung auf einen Überblick über die wichtigsten Themen vorgegeben. Dabei muß auf die speziellen Anforderungen des Lehramtes Rücksicht genommen werden. In der Schule wird die Physikalische Chemie nur im geringen Maße im Rahmen des Chemie-Unterrichts gelehrt. Da sie jedoch das Grundgerüst der Theorie der Chemie bildet, ist für den Lehrer ein Verständnis der grundlegenden Gleichungen und der Denkweise der Physikalischen Chemie unabdingbar. Daher soll das Ziel dieser Vorlesung die Vertiefung des Verständnisses für die wichtigsten Grundbegriffe der Physikalischen Chemie sein. In Anlehnung an die Stoffeinteilung der „Einführung“ habe ich für die 2-stündige Vorlesung folgende, mir wichtig erscheinende Punkte herausgegriffen : Einleitung : 1. Mathematische Grundlagen Thermodynamik : 2. Der 1. Hauptsatz der Wärmelehre 3. Der 2. Hauptsatz der Wärmelehre 4. Mehrkomponenten-Systeme 5. Thermochemie Kinetik : 6. Gasgesetze 7. Formalkinetik 8. Die Eyring Theorie Aufbau der Materie : 9. Atom-Modelle 10. Molekül-Spektren 11. Statistische Thermodynamik Während in der Vorlesung des Grundstudiums im Abschnitt über die mathematischen Grundlagen besonders der Begriff des Differentials heraus gearbeitet wurde, soll jetzt der Schwerpunkt auf die Lösung von Differentialgleichungen gelegt werden. Thermodynamik und Kinetik sind statistische Theorien, d.h. ihre Gesetze und Regeln gelten für große Teilchenzahlen (1 Mol = 6∗1023 Teilchen). Diese Theorien beschreiben also das makroskopische (oder molare) Erscheinungsbild der Materie. In der Kinetik wird bei der Ableitung der Gesetze jedoch bereits auf das mikroskopische oder molekulare Bild zurückgegriffen. Die Beschreibung des Aufbaus der Materie bezieht sich dann ausschließlich auf das einzelne Teilchen. Und schließlich führt die Statistische Thermodynamik dann dieses Teilchenbild unter Beachtung der statistischen Abbildungsgesetze wieder auf die makroskopischen Formeln zurück. Die Physikalische Chemie ist eine relativ abstrakte Wissenschaft. Es werden allgemeine Gesetze abgeleitet, die für ganze Klassen von Stoffen und Stoffumsätzen gelten. Dabei werden Begriffe definiert, die entweder in der Umgangssprache nicht vorkommen, wie z.B. die Entropie, oder aber dort unspezifische Bedeutungen haben (Kraft, Wärme, etc). In der Vorlesung sollen diese Begriffe erarbeitet werden. Da wir uns in der Vorlesung auf die Vermittlung der Gedankengänge und der Definitionen der Physikalische Chemie beschränken müssen, soll der Stoff in Themenkreisen abgehandelt werden. Zu Beginn jedes Themas werden die grundlegenden Formeln, die in der „Einführung“ behandelt wurden, in knapper Form rekapuliert. Die Studierenden sind gehalten, sich anhand von Lehrbüchern in den Themenkreis einzulesen, um in der Diskussion mitreden zu können. In der Diskussion sollen insbesondere auch Fragen zur Didaktik, d.h. zur Vermittlung des Stoffes, angesprochen werden. Zu der Vorlesung gehört eigentlich ein einstündiges Seminar mit Übungen. Nach der Behandlung der Theorie wird darin jeweils besprochen, welche Aufgaben aus dem Gebiet gestellt werden können, welche neuen Begriffe eingeführt wurden und wo der Praxisbezug des Stoffes liegt. Da es im Lehrplan für die Studiengänge der Sekundarstufe II nicht vorgesehen ist, wird dieses Seminar zur Zeit nicht durchgeführt. Zum Erhalt eines Leistungsscheins werden Übungen wahlfrei angeboten. Alle Studierenden müssen für den Leistungsschein mindestens eine Aufgabe an der Tafel vorrechnen. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, daß dieses Vorrechnen unter didaktischen Gesichtspunkten erfolgt. Das bedeutet, daß die verwendeten Formeln erklärt und die Ergebnisse anhand von allgemein verständlichen Beispielen diskutiert werden sollen. Das zugehörige Praktikum ist zweigeteilt. Im ersten Teil soll in einem „Experimentierkurs“ an einigen Beispielen die praktische Vorgehensweise der Physikalischen Chemie eingeübt werden. Hierbei wird besonders Wert auf die physikalischen Grundlagen der Meßtechnik gelegt. Im zweiten Teil soll das Gelernte in Schulversuche umgesetzt werden, und zwar in 4 Demonstrationen, wie sie innerhalb einer Schulstunde vorgeführt werden, und in 4 Versuche, die in einem Schülerpraktikum durchgeführt werden können. Die Teilnahme an dem Praktikum und an dem zugehörigen Seminar ist Pflicht. Literatur zu einer Vorlesung "Physikalische Chemie für das Lehramt" kann nicht angegeben werden. Insbesondere nicht zu dieser Lehrveranstaltung, da es eines meiner Ziele ist, Ihr Interesse für das Fachgebiet zu wecken und Sie zu befähigen und ermuntern, auch die Lehrbücher, egal ob für Schule oder Hochschule gedacht, kritisch zu lesen. Bei der Vorbereitung der Lehrveranstaltung habe ich im wesentlichen folgende Bücher benutzt : P.W. Atkins P.W. Atkins G. M. Barrow P. W. Atkins G. Wedler B. Harder K. J. Laidler „Kurzlehrbuch Physikalische Chemie“ „Einführung in die Physikalische Chemie“ "Physikalische Chemie I, II, III" "Physikalische Chemie" „Lehrbuch der Physikalischen Chemie“ "Einführung in die Physikalische Chemie" "Reaktionskinetik I" Dies ist nur ein kleiner Auszug aus der Vielzahl von Lehrbüchern der Physikalischen Chemie. Im Grunde ist es gleichgültig, welches Buch Sie benutzen, da alle die Grundlagen, wie wir sie besprechen werden, erläutern. Als Formelsammlung für die wenigen mathematischen Ableitungen schlage ich vor : K. Rottmann "Mathematische Formelsammlung" oder irgend eine andere Formelsammlung der Mathematik, die Integraltafeln enthält. Mathematische Grundlagen Die Mathematik zur Thermodynamik besteht fast ausschließlich aus der Umwandlung von einer Energieform in die andere. Allerdings sind diese Umwandlungen meist nicht mit den integralen Größen, sondern mit infinitesimal kleinen Werten durchzuführen, da die Gesetze der Thermodynamik nur für infinitesimale Bereiche exakt gelten. Daher werden die Regeln des Rechnens mit Differentialen benötigt. Differentiale Funktionen, die mehr als zwei Variable enthalten, wie z. B. die Allgemeine Gasgleichung p⋅V = n⋅R ⋅ T die vier Variable (p, V, n und T) enthält, können nicht abgeleitet werden, da der Operator der Ableitung d y dx sich per definitionem immer nur auf eine abhängige und eine unabhängige Größe bezieht. Faßt man die Ableitung gemäß ihrer Definition jedoch als Quotient zweier Differentiale auf, ∆y dy d = y = lim ∆x →0 ∆x dx dx mit dy=lim (∆y) und dx=lim (∆x) so kann der Begriff des Differentials ohne Schwierigkeiten auf alle Variablen einer mehrdimensionalen Funktion angewendet werden. Gegeben sei eine Funktion z, die von zwei Veränderlichen x und y abhängig ist, z= f ( x, y ) und deren Differential dz durch die Differentiale dx und dy und die Ableitungen von z nach x und nach y ausgedrückt werden soll. Hierbei ist zu beachten, daß, da eine Ableitung nur in einer Ebene definiert ist, diese Ebene angegeben werden muß, man führt also eine partielle Differentiation ein : d y → dx z =const . ∂ y ∂ x z Wie bei der Einführung der Differentiation geht man auch bei der Einführung der Differentiale von Differenzen aus, die dann gegen Null gehen : dz = lim ∆z ∆z →0 Es gilt dann für dz : ∂ z ∂z ⋅dx + ⋅dy dz = ∂ ∂ x y y x Die Definition des Differentials ist beliebig auf mehrdimensionale Funktionen erweiterbar : Für f (xi , i = 1 , ... , n) gilt : df = n ∑ i =1 ∂ f ⋅ dx i ∂ xi x j ≠i Rechenregeln ∂ x ∂ y ∂ z dx t ⋅dy t⋅ ⋅dz t = =1 ∂ y ∂ z ∂ x t t t dy t ⋅dz t ⋅dx t ∂ x ∂ y z ∂ y ∂ z x ∂ z = −1 ∂ x y Schwarz'scher Satz (Euler's reciprocity theorem) Bei der Ableitung der Gleichung für das Differential war davon ausgegangen worden, daß es gleichgültig ist, auf welchem Weg differenziert wird, da P und Q eindeutig bestimmte Punkte auf der Hyperfläche z = f(x,y) sind. In einem solchen Fall wird dz ein vollständiges oder totales Differential genannt. P und Q sind dann eindeutig bestimmte Zustände des betrachteten Systems und f(x,y) wird als Zustandsfunktion bezeichnet. Aber nicht alle Größen der Thermodynamik sind wegunabhängig. In manchen Fällen kommt es auf die Prozeßführung an. Zwar sind die Energien, mit denen wir es zu tun haben werden, immer Zustandsfunktionen, aber die (dimensiosgleiche) Arbeit, die am System verrichtet wird, ist wegabhängig. Mit Hilfe des Schwarz'schen Satzes, der hier unbewiesen bleiben muß, kann man herausfinden, ob eine Funktion einen Zustand beschreibt oder ob die Größe wegabhängig ist. Nur für Zustandsfunktionen darf die Differentiation vertauscht werden : ∂ ∂ ∂ ∂ ≡ ∂ x ∂ y ∂ y ∂ x x y y x Obwohl hier der exakte mathematische Beweis des Schwarz'schen Satzes nicht vorgeführt werden kann, so ist doch der Sinn verständlich. Die Wegunabhängigkeit muß auch für mathematische "Wege" gelten. Zweite Ableitungen sind Krümmungen der Hyperfläche. Der Schwarz'sche Satz beschreibt die Krümmung des Weges von P nach Q. Für eine Zustandsfunktion Z(x,y) ist für jedes Koordinatenpaar x und y der Wert Z eindeutig beschrieben. Erst wenn diese Eindeutigkeit dadurch aufgegeben wird, daß ein bestimmter Weg, d.h. eine genaue Reihenfolge, wie x und y durchlaufen wird, vorgegeben ist, wird auch die Krümmung vom Weg abhängen und damit die obige Gleichung nicht mehr richtig sein. Differentialgleichungen Eine Gleichung, in der Differentiale vorkommen, wird Differentialgleichung genannt. Meist können physikalische Gesetze relativ leicht zwischen infinitesimalen Größen definiert werden, beobachtbar sind jedoch nur die integralen Größen. D.h. wenn ein Vergleich zwischen Theorie und Experiment angestellt werden soll, muß die Differentialgleichung integriert werden. Hier soll nur der Fall einer einfachen Eulerschen Differentialgleichung behandelt werden. Bevor jedoch auf die Lösung von Differentialgleichungen eingegangen wird, soll ein Exkurs in die Integralrechnung durchgeführt werden. Die Integration ist die Umkehrung der Differentiation, es wird also eine Funktion gesucht, zu der eine gegebene Ableitung paßt. Dies kommt im Normalfall auf ein Erraten der richtigen Funktion hinaus, wobei eine Formelsammlung von Integralen äußerst hilfreich ist. Durch Zusammenfassen von Ausdrücken und Substitution der entsprechenden Variablen und Parameter können die meisten Integrale, mit denen wir in der Physikalischen Chemie konfrontiert werden, auf einen Ausdruck gebracht werden, dessen Lösung in einer Integralsammlung aufgeführt ist. Beispiel : Die Boltzmannfunktion n 2 f (u ) = A⋅a e −au u n −1 2 n läßt sich integrieren, wenn die Konstante A⋅a 2 aus dem Integral herausgenommen wird und für n ganze Zahlen eingesetzt werden . Mit x=u folgt dann mit Hilfe der Integraltafel : +∞ ∫e − ax 2 π dx = +∞ ∫ xe − ax 2 dx = 0 +∞ ∫x 2 1 2a e −ax dx = 2 −∞ n=1 a −∞ 1 π 2a a n=2 n=3 Ein weiteres Beispiel soll die Substitution von Funktionen, die Teil des Integranden sind, durch Variable zeigen : α α ∫ e (A+e )dz −2 z −2 z geht über in 1 2 x2 − ∫ x A + x dx = − A + x +Const α 2α 2 wenn man ersetzt e − az = x 1 ( 2 ) Da bei der Differentiation konstante Glieder wegfallen, muß bei der Integration eine Konstante addiert werden. Damit wird jede Integralfunktion zuerst einmal unbestimmt. Um die Konstante bestimmen zu können, müssen weitere Annahmen, die Randbedingungen, gemacht werden. Dies bedeutet, daß mindestens ein Punkt (meistens am Rand des Integrationsgebietes) bekannt sein muß. Wir werden bei der Integration der Eulerschen Gleichung darauf zurückkommen. In der Thermodynamik kommt manchmal ein Kreisintegral vor. Dies bedeutet, daß so integriert wird, daß man zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Für Zustandsfunktionen ist damit ein Kreisintegral also immer gleich Null. Für wegabhängige Funktionen kann ein Kreisintegral berechnet werden, wenn man es in einen Hinweg und einen Rückweg aufteilt : B A B B ∫ f dx = ∫ f dx + ∫ f dx = ∫ f dx − ∫ f dx A 1 B 2 A 1 A 2 Als Beispiel für ein physikalisches Gesetz in Form einer Differentialgleichung soll jetzt das Lambert-Beer'sche Gesetz der Lichtabsorption integriert werden. Die Abschwächung des Lichtes ist proportional zur Lichtintensität I, zur Konzentration C des Absorbens und zur Weglänge ds. Der Proportionalitätsfaktor sei σ : dI = − σ ⋅ C ⋅ I ⋅ ds Das Ergebnis dieser Differentialgleichung ist per definitionem eine e-Funktion : I = I 0 ⋅ exp(− σ C s ) Es soll jetzt eine der häufigsten Differentialgleichungen der Kinetik besprochen werden : Die Änderung einer Konzentration C mit der Zeit sei gleich einer Produktionsrate P und einer Destruktion DC, die proportional der Konzentration ist : dC =P − D ⋅ C dt Diese inhomogene Differentialgleichung wird gelöst, indem man zuerst die homogene löst : dC =− D ⋅ C dt C =C0 ⋅ e − D⋅t Durch eine Variation der Konstanten, d. h. man nimmt jetzt an, daß die Integrationskonstante C0 ebenfalls von t abhängt und Vergleich mit der Ausgangsgleichung, kann die inhomogene Gleichung gelöst werden . Den Sinn dieser Variation der Konstanten kann man leicht begreifen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß während der Abreaktion der Substanz diese gleichzeitig auch aufgebaut wird. D.h. das C0 wird sich mit der Zeit ändern. dC − Dt dC =e ⋅ − D ⋅ e − Dt ⋅ C0 = P − D ⋅ C dt dt also dC0 = P ⋅ e + Dt dt Diese Differentialgleichung wird durch Separation der Variablen gelöst : ∫ dC =∫ P ⋅ e 0 Dt dt P C0 +const.= e Dt D Einsetzen : P C = e Dt − const. e − Dt D Wie bereits gesagt, sind die Lösungen von Differentialgleichungen immer unbestimmt, da durch die Integration eine Konstante hereinkommt, die durch zusätzliche Bedingungen, die Randwerte bestimmt werden muß. Wir wollen zuerst annehmen, daß die Konzentration zum Zeitpunkt t0 = 0 verschwindet. Damit ergibt sich : P C (t0 = 0)= 0 = e 0 −const. e 0 D oder const.= P D Die Lösung unserer Differentialgleichung unter Einbeziehung der Randbedingung lautet also : C= Für sehr lange Zeiten P P − Dt P − e = (1 − e − Dt ) D D D (t → ∞ ) ergibt sich daraus C∞ = P D Für diese Bedingung gilt dann Hinreaktion = Rückreaktion und dC =0 dt d.h. das System befindet sich in einem Gleichgewicht, die Konzentration ist konstant. Wir gehen jetzt noch einmal zu der allgemeinen Lösung der Euler' schen Differentialgleichung zurück : Ct = P −Const⋅e − Dt D und nehmen an, daß zum Zeitpunkt t bereits eine endliche Konzentration Ct vorliegt. Die Konzentration zum Zeitpunkt t + ∆t ist dann C (t + ∆t )= P −Const⋅e − D (t + ∆t ) D Die Konstante wird aus der Ausgangsgleichung ausgerechnet und eingesetzt : also P − C (t )− e + Dt e − D (t +∆t ) D C (t + ∆t ) = P D C (t + ∆t ) = P P − C (t )− e − D∆t D D Mit dieser Lösung der Differentialgleichung lassen sich jetzt auch Systeme lösen, bei denen P und D selbst von der Zeit abhängen. Man hat dann nur einen so kleinen Zeitraum ∆t zu wählen, daß in diesem P und D als nahezu konstant behandelt werden können. Zum Abschluß soll noch auf eine Differentialgleichung eingegangen werden, die im Abschnitt "Aufbau der Materie" benötigt wird : d2 y =− a 2 y 2 dx Die Lösung dieser Gleichung ist eine der beiden Funktionen y = A ⋅sin(ax) oder y = B ⋅cos(ax) Laut einem Lehrsatz der Mathematik ist die allgemeine Lösung eine Differentialgleichung gleich der Linear-Kombination der speziellen Lösungen, also : y = A ⋅sin(ax) + B ⋅cos(ax) Beweis : dy dx d2 y d x2 = Aa cos(ax) − a B sin(ax) = Aa 2 sin(ax ) − a 2 Bcos( ax ) = a 2 ( A sin(ax ) + Bcos( ax ) )= − a 2 y qed. Der erste Hauptsatz der Wärmelehre Der erste Hauptsatz der Thermodynamik beschäftigt sich mit der Frage : Ist es möglich, Energie zu erzeugen ? Will man einem geschlossenen System von außen Energie zuführen, so geht dies nur über Wärmezufuhr dq und/oder Volumenarbeit dw=-pdV. Die Energie des Zustands ändert sich dann um den Betrag dU, der als Innere Energie bezeichnet wird : dU = dq + dw = dq − p⋅dV Fragt man nach der Gesamtenergie eines Systems, so muß man zur inneren Energie noch die potentielle Energie pV hinzurechnen und kommt so zur Definition der Enthalpie H = U + p⋅V Die Definition der Enthalpie ist die mathematische Formulierung des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik. Er besagt, daß Energie weder gewonnen noch zerstört, aber in andere Formen umgewandelt werden kann. Um die Wärmezufuhr eines Systems zu messen, bedient man sich der Temperaturmessung, wobei eine Proportionalitätskonstante, die molare Wärmekapazität C auftritt : ∆q = C⋅ m ∆T M M = Molmasse, m = Einwaage Da die Wärmeänderung wegabhängig ist, ist auch die Wärmekapazität C = 1 ∂q ⋅ n ∂ T n = Molzahl wegabhängig. Für adiabatische Prozesse gilt, wie in der Grundvorlesung gezeigt wurde, p ⋅ V κ = const mit κ = Cp CV Der Joule-Thomson-Effekt Normalerweise werden chemische Vorgänge entweder bei Raumtemperatur oder unter Erwärmung beobachtet. Es ist relativ einfach aus einem System Wärme abzuführen, wenn die Systemtemperatur über der Umgebungstemperatur liegt. Will man unterhalb der Umgebungstemperatur arbeiten, so trifft man auf die gleiche Schwierigkeit, die man hat, wenn z.B. der Wasserspiegel eines Brunnens gesenkt werden soll : Man braucht eine Pumpe. Für die Energie hat die Natur im Joule-Thomson-Effekt eine solche Pumpe zur Verfügung gestellt. Ein Gas, das im Raum V1unter dem Druck p1 steht, wird durch eine Drossel hindurch in einen Raum V2 mit Druck p2 gedrückt. Der Vorgang soll adiabatisch, d.h. ohne Wärmezufuhr durchgeführt werden. Für die Volumenarbeit gilt dann : ∆w = − ∫ pdV = − p ∫ dV = − p⋅∆V p = p1,p2 soll hierbei konstant sein. Das Ausgangsvolumen wird von V1 auf 0 reduziert, also gilt für die Arbeit am System : ∆w1 = − p1 (0−V1 ) = + p1⋅V1 Entsprechend gilt in der anderen Kammer : ∆w2 = − p2 (V2 −0 ) = − p2 ⋅V2 Für die Innere Energie gilt also, da dq=0 ist : ∆w ges = ∆w2 + ∆w1 ∆U = U 2 − U 1 = ∆q + ∆w = 0 − p2V2 + p1 ⋅V1 oder U 1 + p1⋅V1 = U 2 + p2V2 Dies ist gleichbedeutend mit der Aussage, daß der Vorgang isenthalpisch ist : dH ≡ 0 Abbildung 1 : Inversionstemperaturen für N2, H2 und Helium Im folgenden wird jetzt die Temperaturänderung bei diesem isenthalpischen Vorgang betrachtet : Für ideale Gase ist der Joule-Thomson Prozeß isotherm, d.h. die Temperaturen auf beiden Seiten der Drossel sind gleich. Für reale Gase ergibt sich dagegen ein Temperaturunterschied, der durch den Joule-Thomson-Koeffizienten µ ausgedrückt wird : ∂T ∂p H µ JT = Den Zusammenhang zwischen µJT und anderen Kenngrößen der Thermodynamik erhält man mit folgenden Überlegungen : ∂T ∂p p ∂ H ∂H T Mit und ∂H = −1 ∂T p ∂H = Cp ∂T p ∂H ∂V = V − T ∂T p ∂p T α= folgt µ JT = − 1 ∂V V ∂T p V − T ⋅ dV V (αT − 1) = Cp Cp Das Vorzeichen von µJT ist dabei abhängig von den jeweiligen Versuchsbedingungen. Abbildung 1 zeigt Linien für µJ-T = 0 in Abhängigkeit von Druck und Temperatur für die Gase N2, H2 und He. Bei Raumtemperatur ist µJT für Helium immer größer als Null, d.h. Helium erwärmt sich bei isenthalpischer Expansion. Stickstoff dagegen kühlt sich ab, solange der Arbeitsdruck kleiner als 400 bar ist. Diese Tatsache wird in der LindeKältemaschine zum Herstellen von flüssigem Stickstoff angewendet, die in der Abbildung 2 gezeigt wird. : Abbildung 2 : Schema einer Luftverflüssigungsanlage Ein Kompressor verdichtet das Gas. Dabei erwärmt es sich. In einem ersten Wärmetauscher wird die Überschußwärme an die Umgebung (Zimmertemperatur) abgegeben. Bei der Expansion durch eine Drossel kühlt sich das Gas dann weiter ab. Das zurückströmende Gas wird benutzt, um im 2. Wärmetauscher das zuströmende Gas unter Zimmertemperatur abzukühlen. Der Vorgang wird solange wiederholt, bis das Gas sich verflüssigt und in einen Auffangbehälter gesammelt werden kann. Die Temperaturabhängigkeit isochorer Vorgänge Der Joule-Thomson-Koeffizient erlaubt es jetzt, die Temperaturabhängigkeit der Enthalpie bei konstantem Volumen auf meßbare Größen zurückzuführen. Bei konstantem Druck gilt : ∂H = Cp T ∂ p Aus oder H = H 0 + ∫ C p dT ∂H ∂H dH = dp dT + ∂T p ∂p T : dT V folgt für konstantes Volumen : ∂H ∂p ∂H = C p + ∂ p ∂ T V T ∂T V Setzt man jetzt die isotherme Kompressibilität κ und den thermischen Ausdehnungskoeffizient α ein, α = 1 V κ =− ∂V ∂ T p 1 V ∂V ∂ p T so folgt mit ∂H = − C p ⋅ µ JT ∂ p T sofort α ∂H = C p 1 − µ JT κ ∂T V Damit ist die isochore Temperaturabhängigkeit der Enthalpie realer Gase auf die meßbaren Größen Cp, µ JT , α und κ zurückgeführt. Carnot-Prozeß und Stirling-Motor 1824 führte Carnot einen Kreisprozeß ein, der auf Isothermen und Adiabaten verläuft. Dieser Prozeß hat den höchsten Wirkungsgrad für die Überführung von Wärme in mechanische Arbeit. Der Carnot-Prozeß wurde bereits in der Vorlesung des Grundstudiums eingeführt, jetzt sollen die Änderungen der mechanischen Arbeit und der Wärme berechnet werden. In vier reversiblen Schritten wird ein ideales Gas zu seinem Ausgangszustand zurückgeführt : 1. isotherme Expansion von A nach B 2. adiabatische Expansion von B nach C 3. isotherme Kompression von D nach A 4. adiabatische Kompression von D nach A Das zugehörige Diagramm zeigt die Abbildung 3. Abbildung 3 : p-V Diagramm des Carnot Prozesses Im ersten Schritt bei Temperatur To leistet das Gas die Arbeit B + w1 = B nRT0 V dV = n RTo ln B V VA A ∫ pdV = ∫ A Diese Arbeit muß durch Wärmeaufnahme aus der Umgebung ausgeglichen werden : − w1 = Q1 Entsprechend wird im Schritt 3 die Wärme Q2 an ein Wärmereservoir der Temperatur Tu abgegeben : − w3 = − n RTu ln VD = + Q3 VC In den beiden adiabatischen Schritten wird keine Wärme aufgenommen oder abgegeben, die entsprechenden Volumenarbeiten sind dabei gegeben durch C w2 = ∫ n CV dT = n CV (Tu −To ) B und w4 = n CV (To −Tu ) Für die Volumenverhältnisse gilt, da VB und VC sowie VA und VD jeweils auf Adiabaten liegen. 1 VB Tu κ −1 V A = = VC VD To oder VB VC = V A VD Beim Durchlaufen des Carnot-Prozesses gewinnt man also die Arbeit : − wges = w1 + w2 + w3 + w4 = VB + n CV (Tu −To ) − VA V − n RTu ln C + n CV (To −Tu ) = VD n RTo ln = n R (To −Tu ) ln also VB = Q1 − Q3 VC wges = Q1 − Q3 Der Carnot-Prozeß bietet also eine Möglichkeit, bei Entnahme von Wärme aus einem Reservoir mit höheren Temperaturniveau und Abgabe auf ein niedrigeres Niveau Arbeit zu gewinnen (Wärmekraftmaschine). Umgekehrt läßt sich beim Durchlaufen des Carnot-Prozesses in entgegengesetzter Richtung durch Arbeitseinsatz eine Wärmepumpe (z.B. für Nutzung der Wärme des oberen Niveaus zu Heizzwecken) oder eine Kältemaschine (zum Abkühlen des Reservoirs des unteren Niveaus) modellhaft konstruieren. wges = − Q1 + Q3 1850 schlug Stirling einen Heißluftmotor vor, der auf Isothermen und Isochoren arbeitet. In Abbildung 4 ist das entsprechende Diagramm aufgeführt. Abbildung 4 : Vergleich des Stirling-Prozesses mit dem Carnot-Prozess Nach dem zweiten Hauptsatz der Wärmelehre ist der Wirkungsgrad des Stirling-Motors etwas kleiner als der Carnot-Prozesses. Der Unterschied ist jedoch gering, da sie Adiabaten sehr viel steiler sind als die Isothermen. Konstruktiv ist ein Stirling-Motor einfacher als ein Carnot-Motor herzustellen. Aufgabenbeispiel Ein Mensch von 70 kg produziert im Grundumsatz etwa 6 300 kJ Wärme pro Tag. Um wie viel Grad würde seine Temperatur pro Tag steigen, wenn er als isoliertes System -1 -1 betrachtet wird ? Die Wärmekapazität beträgt 4.2 JK g . ∆q = m ⋅ C ⋅ ∆T ∆T = 6.3 ×106 J / d K g = 21 K / d 7 × 10 4 g ⋅ 4.2 J Die Temperatur steigt also pro Tag um 21 K, spätsten am vierten Tag würde der Mensch kochen. In der Realität ist der Mensch aber ein offenes System, das u.a. die produzierte Wärme über die Verdunstung von Wasser abgibt. Die pro Tag verdunstete Menge an Wasser lässt sich über die Verdunstungsenthalpie von Wasser (43.4 kJ/mol bei 37°C) abschätzen. Bei isobaren Vorgängen gilt : ∆q = n ⋅ ∆H Verdunst also 6.3 × 10 6 J / d n= = 145 mol 4.34 ×10 4 J / mol Dies entspricht einer Wassermenge von 2.6 l. In der Physiologie wird mit folgenden Zahlen für die Verdunstung gerechnet: 0.375 l/d über die Haut 0.375 l/d über den Atem 0.100 l/d über den Schweiß Der Rest der Energie wird zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen benötigt. Der zweite Hauptsatz der Wärmelehre Die zentrale Größe der Thermodynamik ist die Wärme. Aber die Wärme hat den großen Nachteil, daß sie wegabhängig ist, sie ist keine Zustandsgröße. Mit dem Verfahren des integrierenden Nenners kann man aus einem nicht totalen Differential ein totales macht, oder in die Thermodynamik übersetzt : aus einer wegabhängigen Größe eine Zustandsfunktion machen. Für die auf reversiblen Wegen ausgetauschte Wärme ist der "integrierende Nenner" die Temperatur, so daß sich als Definition der neuen Größe S, die Entropie genannt wird, ergibt : dS = dqrev T Durch diese Definition bedingt ergibt sich, daß die Entropie S keine physikalische Größe ist, d.h. keine Größe, die einen Vorgang oder ein Verhalten beschreibt. Die Entropie ist vielmehr ein Maß für die Wärme, aber auch, wie anderswo gezeigt wird, ein Maß für den Ordnungszustand eines Systems. Eine Maschine, die auf reversiblen Wegen arbeitet und die maximal mögliche Arbeit leistet, ist die Carnot- Maschine, die auf Adiabaten und Isothermen arbeitet. Die geleistete Arbeit pro zugeführter Wärme, d.h. den Wirkungsgrad η , erhält man, wenn man in einem Druck-Volumen-Diagramm die vom Kreisprozeß umschlossene Fläche bestimmt : η= ∑ (−w) = n R (To − Tu ) ln q1 q1 VA VB = To − Tu To wo To die Temperatur des Reservoirs, aus dem Wärme abgeführt wird, und Tu die niedrigere Temperatur des zweiten Reservoirs ist. Da die geleistete Arbeit gleich der Differenz zwischen zugeführter und abgeführter Wärme ist, gilt auch η = und damit q1 − (− q3 ) q1 q1 q + 3 =0 To Tu oder dq ∫ T rev. = ∫ dS ist eine Zustandsgröße. Die nutzbare Energie einer Wärme-Kraft-Maschine ist die Differenz zwischen der hineingesteckten Wärme dq und der maximal entnehmbaren Energie der Größe dqrev. : dG = dq - dqrev.= dH - TdS dA= dU - TdS für isobare Vorgänge für isochore Vorgänge Diese nutzbare Energie ist als Differenz zweier Zustandsgrößen wiederum eine Zustandsgröße und wird als "Freie Enthalpie" ∆G für isobare Vorgänge, bzw. als "Freie Energie oder Helmholtz-Energie" ∆A für isochore Vorgänge bezeichnet. Der Zweite Hauptsatz der Wärmelehre kann also in Form der Gibbs-Helmholtz-Gleichungen definiert werden. Das totale Differential der Entropie Es soll jetzt die Temperatur- und die Druckabhängigkeit der Entropie abgeleitet werden. Dazu wird mit dem totalen Differential der Entropie begonnen : ∂ S ∂ S dV + dT dS = ∂ ∂ V T T V Aus den Definitionen von Innerer Energie und Entropie folgt : dU = dq − pdV dS = dq T also dS = dU pdV + T T wobei für dU gilt : ∂U ∂U dU = dV + dT ∂V T ∂T V mit ∂U = CV ∂T V Für dS ergibt sich damit : 1 dS = T ∂U C + p dV + V dT T ∂V T Aus dem Koeffizientenvergleich mit der Ausgangsformel folgt : C ∂S = V T ∂T V oder dSV = CV dT T Diese Gleichung folgt allerdings auch sofort aus der Definition der Entropie : dS = dq T C ∂S ∂q 1 = ⋅ = V T ∂T V ∂T V T Aus dem Vergleich des zweiten Koeffizienten folgt : 1 ∂U ∂S = + p T ∂V T ∂V T oder ∂U ∂S =T − p ∂V T ∂V T Aus dem Schwarz'schen Satz für die Innere Energie U folgt dann : ∂ ∂U ∂ ∂U = ∂ T ∂ V ∂ V ∂ T V T T V ∂ 2S T ∂T ∂ V ∂ ∂S ∂S ∂ 2S ∂p + T T − = = ∂V ∂T ∂ V ∂ T ∂ V ∂ T T V V T wegen ∂U ∂S = CV = T ∂T V ∂T V Also ∂S ∂p = ∂V T ∂T V Damit gilt für das totale Differential der Entropie : dS = und analog dS = CV ∂p dT + dV T ∂T V ∂V dT + dp T ∂T p Cp Druck- und Temperaturabhängigkeit der Freien Enthalpie Aus den Definitionen der Freien Enthalpie und der Enthalpie folgt : G = H - TS H = U + pV Daraus folgt dG = dU + p dV + V dp - T dS - S dT Es galt aber T dS = dq = dU + p dV, also dG = V dp - S dT Aus den Koeffizientenvergleich mit ∂G ∂G dG = dp + dT ∂T p ∂p T folgt ∂G = V ∂ p T und ∂G = −S ∂T p Die letztere Formel gibt eine Möglichkeit zum Messen der Entropie aus der Steigung der Temperaturabhängigkeit der Freien Enthalpie bei konstantem Druck. Für die Druckabhängigkeit der Freien Enthalpie bei konstanter Temperatur folgt mit : dG = V dp Für ideale Gase ergibt sich damit 2 ∆Gideal = n RT dp p2 n R T = ln ∫1 p p1 Für reale Gase kann man über diese Gleichung den Fugazitätskoeffizienten γ definieren : ∆Greal = n RT ln f2 f1 Die Fugazität f = γ ⋅ p ist ein korrigierter Druck und erlaubt das Arbeiten bei realen Verhältnissen mit den gleichen Formeln, wie die der idealen Gase. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, daß die Argumente einer Funktion immer reine Zahlen sein müssen. Eine Aufspaltung ln p2 = ln p2 − ln p1 p1 ist also mathematisch sinnlos, da man den Logarithmus von [atm] nicht bilden kann. Es muß richtiger heißen ln p2 p p = ln 2 − ln 1 p1 p0 p0 (In manchen Lehrbüchern wird p0 = 1 atm gesetzt und dann die 1 weggelassen. Aus dieser Schlamperei folgen dann manche Ungereimtheiten, die oft als "Regeln" verkauft werden.) Für die Temperaturabhängigkeit folgt analog bei konstantem Druck : 2 ∆G p = − ∫ S dT 1 Da S selbst von der Temperatur abhängt, folgt für die Temperaturabhängigkeit der freien Enthalpie : 2 ∆G p = − ∫ 1 2 Cp dT dT ∫ 1 T Adiabatische Entmagnetisierung Bisher hatten wir nur Volumenarbeit als Möglichkeit kennengelernt, an einem System Arbeit zu verrichten. Man kann jedoch auch dem System Energie zuführen über elektrische oder magnetische Arbeiten. Für letztere gilt : dw = + H dM wobei H jetzt das Magnetfeld und M die molare Magnetisierung ist. Die adiabatische Entmagnetisierung wird z.B. angewendet, wenn ein System weiter abgekühlt werden soll, als es mit dem Joule-Thomson-Effekt möglich ist. In Abbildung 5 ist dies schematisch dargestellt. Aus folgt dann dU = T dS + H dM dS = 1 H dU − dM T T (1. Hauptsatz) Abbildung 5 : Zur adiabatischen Entmagnetisierung und durch Vergleich mit ∂S ∂S dS = dT + dM ∂T M ∂M T nach Einsetzen von ∂U ∂U dU = dT + dM ∂T M ∂M T ergibt sich 1 ∂U ∂S = ∂T M T ∂T M 1 ∂U ∂S = − H ∂M T T ∂M T sowie Aus dem Schwarz'schen Satz für dS kann dann abgeleitet werden : ∂ ∂M ∂ 1 1 ∂U = T ∂ ∂ T T T M T 1 ∂ 2U 1 = T ∂M ∂T T ∂U − H ∂M T M ∂ 2U 1 ∂H − − 2 ∂M ∂T ∂T M T ∂U − H ∂M T ∂H ∂U −T = − H ∂ T M ∂M T Für das Differential der Entropie ergibt sich mittlerweile : dS = 1 ∂U ∂H dT − dM T ∂T M ∂T M M ist eine Zustandsfunktion, für die gilt : ∂M ∂M dM = dT + dH ∂ ∂ H T H T Und damit erhält man ∂U ∂H ∂M dT ∂H ∂M − dS = −T dH ∂T M ∂T H T ∂T M ∂H T ∂T M Für reversible, adiabatische Vorgänge ist dS = 0 und damit ∂H ∂M +T ∂T ∂ T M ∂H T = ∂U ∂H ∂M ∂H S −T ∂T M ∂T M ∂T H Jetzt werden folgende Wärmekapazitäten eingeführt : ∂S ∂U CM = T = ∂T M ∂T M und ∂S ∂U ∂M ∂H CH = T = −T ∂T H ∂T M ∂ T H ∂T M Damit folgt ∂M −T ∂T ∂T H = CH ∂H S Aus dem Curie’schen Gesetz M = A ⋅H T folgt A ∂M = − 2 H T ∂T H und damit A ∂T H = + CH T ∂H S Für einen reversiblen adiabatischen Prozeß ergibt sich also folgende Beziehung : T dT S = A H dH CH S beziehungsweise in integraler Darstellung T 2 2 1 A 2 = H CH 2 1 Bei einer adiabatischen Entmagnetisierung aus dem Zustand (H/To) nach (0/T) folgt damit eine Temperaturänderung (T 2 − T02 ) = − A H2 CH A H2 T = T 1 − 2 C T H 0 2 oder 2 0 Da die Curie-Konstante A und die Wärmekapazität bei konstantem Magnetfeld CH positiv sind, ergibt sich also bei der adiabatischen Entmagnetisierung eine Temperaturabnahme. Aufgabenbeispiel 1 Ein Mol eines idealen Gases durchläuft den nebenstehenden Kreisprozeß. Die nachfolgende Tabelle soll vervollständigt werden. ∆U [J] ∆H [J] ∆S [J] 0 ? ? ? -7145 2045 ? ? ? C→A 1380 -1380 ? ? ? A→A ? ? ? ? q [J] w [J] A→B 5100 B→C ? Zur Berechnung der Zustandsgrößen ∆U, ∆H und ∆S werden folgende Formeln herangezogen : ∆U = q + w ∆H = ∆U + ∆pV = ∆U + nR∆T mit R=8.314 J/Kmol C ∂S ∆S folgt für isochore Prozesse aus = V nach der Integration zu T ∂T V ∆SAB = n CV ln(TB/TA) Für den isothermen Fall C → A wird folgende Rechnung durchgeführt : dS = dq dU + dw dU pdV = = + T T T T A mit dU=0 für ideale Gase A V 1 nRT ⋅ dV = nR ln A T V VC C ∫ dS = ∆S = ∫ C Die übrigen Größen ergeben sich, wenn man ansetzt, dass im Kreisprozeß die Änderungen von Zustandsfunktionen Null sind. Damit erhält man dann die vollständige Tabelle : q [J] w [J] ∆U [J] ∆H [J] ∆S [J] A→B 5100 0 5100 7129 14.4 B→C -7145 2045 -5100 -7129 -20.2 C→A 1380 -1380 0 0 5.8 A→A -665 +665 0 0 0 Aufgabenbeispiel 2 Es soll gezeigt werden, dass nach Entfernen einer Wand zwischen zwei Kammern mit gleichen Mengen eines Gases von verschiedenen Temperaturen aber gleichen Drucks die Entropie steigt. Vorausgesetzt wird dabei, dass die Wärmekapazität temperaturunabhängig ist. Für die Entropie gilt bei konstantem Druck Ti Si = ni ∫ 0 Cp T dT Die Molzahlen vor dem Entfernen der Wand waren gleich (n1 = n2 = n), nachher befinden sich also nend = 2n Mol des Gases in der Kammer. Für die Temperaturen gilt T1 ≤ Tend ≤ T2 Damit gilt für die Entropieänderung : ∆S = S end − (S1 + S 2 ) = 2n Tend ∫ 0 Tend = 2n ∫ 0 Cp T Tend dT − n ∫ 0 Cp T Cp T T1 dT − n ∫ Cp 0 Tend ∫ dT + n T1 T Cp T T2 dT − n ∫ 0 Tend dT − n ∫ 0 Cp T Cp T dT T2 dT − n ∫ Tend Cp T dT 2 Tend dT T2 dT Tend Tend T2 = n Cp ∫ − ∫ − ln = n C p ln = n C p ln T1T2 T T T T T1 1 end Tend Mit Tend = T1 + T2 folgt 2 2 Tend ∆S = n C p ln 2 >0 Tend − ∆2T qed. Aufgabenbeispiel 3 Es sollen die theoretischen Wirkungsgrade zweier Dampfmaschinen verglichen werden. Das Kondensat besitze in beiden Fällen eine Temperatur von 30°C. Die eine Maschine arbeite bei 5 atm, die andere bei 100 atm. Die Siedepunkte des Wassers sind 152°C bei 5 atm und 312°C bei 100 atm. Der maximale Wirkungsgrad einer Wärmekraftmaschine ist η= Damit ergibt sich sofort : To − Tu To a) 5 atm b) 100 atm µ= 425 K − 303K = 29% 425 K η= 585 K − 303K = 48% 585 K Je höher die Arbeitstemperatur ist, umso größer ist der Wirkungsgrad. Mehrkomponenten - Systeme Bisher wurde die Molzahl als eine Konstante angesehen und es wurden nur Ein-StoffSysteme betrachtet. Hat man es jedoch mit Mehr-Stoff-Systemen zu tun, so tragen die einzelnen Komponenten im Verhältnis ihrer Molzahlen zu den einzelnen Zustandsfunktionen bei, also z. B. zur freien Enthalpie : ∆G = n1 µ1 + n 2 µ 2 + ... = ∑n µ i i Wobei µi das chemische Potential der i-ten Komponente ist. Im Gleichgewicht ist d ∆G = 0 oder nach Gibbs-Duhem : ∑ n dµ i i =0 Vernachlässigt man die Wechselwirkungen zwischen den Molekülen verschiedener Substanzen, was z. B. für Gase meist zulässig ist, so erhält man als Gesamtdruck eines Systems das Daltonsche Partialdruckgesetz ∑p i = p ges. ∑p i = aus RT V ∑n i = n⋅ RT = p ges. V Das Chemische Potential In der Grundstudium-Vorlesung war das chemische Potential µ eingeführt worden als molare Freie Enthalpie einer reinen Substanz : µ= G n Jetzt, wo wir es mit Gemischen aus mehreren Stoffen zu tun haben, müssen die integralen Größen G und n durch ihre Differentiale ersetzt werden, also µ= dG dn Für Mehrkomponentensysteme ergibt sich als Freie Enthalpie des Gesamtsystems : ∆G= ∑n µ i i Für das Differential dG gilt dann bei konstantem Druck und konstanter Temperatur ∂G ∂G dG = dn1 + dn 2 + ... ∂ n ∂ n 1 n ( i ≠1) 2 n ( i ≠2 ) In Anlehnung an die ursprüngliche Definition des chemischen Potentials können die Ableitungen von G nach ni als chemisches Potential der Komponenten i aufgefaßt werden. dG = ∑ µi d ni Das chemische Potential ist jetzt nicht mehr unabhängig von den anderen Komponenten des Gemischs, da zwischen den Molekülen Wechselwirkungen auftreten, die von den Konzentrationen abhängen. Für Gemische idealer Gase gilt für die individuellen Potentiale : µ i = µ i0 + RT ln pi p0 0 wobei µi das chemische Potential der reinen Substanz und pi ihr Partialdruck ist. Den Sinn des chemischen Potentials erkennt man, wenn man den Zusammenhang anderer thermodynamischen Größen mit µ untersucht. Für die Enthalpie gilt H =G+T S oder dH = dG + T dS + S dT Für die Freie Enthalpie gilt der Fundamentalsatz der Thermodynamik dG = V dp − S dT + ∑ µ i d ni Und damit ergibt sich für dH dH = V dp − S dT + ∑ µ i d ni + T dS + S dT also dH = V dp + T dS + ∑ µ i dni Bei konstantem Druck und konstanter Entropie gibt das chemische Potential also an, wie die Enthalpie einer Komponente von der Zusammensetzung der Mischung abhängt. ∂H = µi ∂ n i p , S , n ( j ≠i ) Die Clausius-Clapeyron-Gleichung Zur Ableitung der Gleichung für Phasenumwandlungen soll hier, im Gegensatz zur Ableitung in der Vorlesung des Grundstudiums, an die Definition des Wirkungsgrades eines Carnot-Prozesses angeknüpft werden. Im Druck-Volumen-Diagramm eines realen Gases können die Adiabaten als praktisch senkrecht (V = const.) angenommen werden, wenn die Isothermen nicht zu weit auseinander liegen. Wir betrachten jetzt einen CarnotProzeß, der auf den Isothermen T und T + dT abläuft und das Gebiet der vollständigen Phasenumwandlung umschließt, also von der reinen Gasphase bis zur vollständigen Verflüssigung geht. Abbildung 6 : Ableitung der Dampfdruckgleichung aus v.d.Waals-Isothermen. Laut Definition ist der Wirkungsgrad gleich dem Quotienten aus geleisteter Arbeit -∆w und hineingesteckter Wärme q. Andererseits gilt auch η= (T + dT ) − T T + dT = dT − ∆w ∆V ⋅ dp = = T + dT q q In der Summe kann dT vernachlässigt werden und die geleistete Arbeit ist die Fläche unter dem Kreisintegral. Es ergibt sich die differentielle Form der ClausiusClapeyron'schen Gleichung ∆V ⋅ dp dT = q T oder dp ∆H = dT T ⋅ ∆V für q = ∆H Verdampfun g Setzt man ∆V ≈ V (Gas ) und nimmt ideales Verhalten an, so ergibt sich die (integrale) Verdampfungsgleichung ln p ∆H =− + Const p0 RT Osmose Trennt man eine Mischung vom reinen Lösungsmittel durch eine semipermeable Wand, die nur das Lösungsmittel durchläßt, so tritt solange Lösungsmittel in die Mischung ein, bis sich ein thermodynamisches Gleichgewicht eingestellt hat. Dabei baut sich ein osmotischer Druck in der Lösung auf, der durch folgende Formel definiert ist : π = p L − p0 L :Lösung, O :reines Lösungsmittel Das chemische Potential eines Stoffes ist gegeben durch p µ = µ~ + RT ln 0 p wobei p für das reine Lösungsmittel gleich p0 ist. Im Gleichgewicht gilt µL = µ0 L p µ~ L + RT ln 0 = µ~ 0 p L oder p µ~ 0 − µ~ L = RT ln 0 = RT ln(1 − xG ) ≈ − RT xG p Die linke Seite ist gleich µ~ 0 − µ~ L = V ( p 0 − p L ) = − π V Damit gilt für verdünnte Lösungen das van t'Hoff'sche Gesetz π= RT xG V Zur Veranschaulichung der Osmose kann man sich vorstellen, dass die großen Moleküle zusammen mit der Membran wie Ventile wirken, die den Stofftransport nur in einer Richtung zulassen. (Abbildung 7) Abbildung 7 : Mechanismus der Osmose Destillation Das Raoult'sche Gesetz beschreibt die Dampfdrücke zweier flüssiger Substanzen, die in einer Mischung vorliegen : p A = x A ⋅ p A,r p B = x B ⋅ p B ,r mit xi = Zusammensetzung in der flüssigen Phase und pr = Dampfdruck der reinen Substanz Das Dalton'sche Partialdruckgesetz sagt : pA = y A ⋅ p pB = y B ⋅ p mit yi = Zusammensetzung in der Gasphase Mit p = pA + pB und xA + xB = 1 folgt yA = x A ⋅ p A, r x A ⋅ p A,r + (1 − x A ) p B ,r oder xA = p B,r ⋅ y A p A,r + ( p B ,r − p A,r )y A Für den Gesamtdruck p gilt p = xA pA,r + (1 - xA) pB,r = xA (pA,r - pB,r) + pB,r und p= p B , r ⋅ p A, r p A,r + ( p B ,r − p A,r )⋅ y A Die Kurven von p vs xA , bzw. p vs yA ergeben eine Gerade, bzw. eine Hyperbel. Oberhalb der Geraden liegt für große Drücke nur die flüssige Phase vor, unterhalb der Hyperbel nur die Gasphase. Führt man den Gesamtmolenbruch z ein, so ist für die beiden eben beschriebenen Gebiete z identisch mit x bzw. y. Dazwischen liegt ein Zweiphasengebiet, für das gilt : z ⋅ n = n g ⋅ y + nl ⋅ x oder mit n = n g + nl nl z−x = ng y−z Das bisher entwickelte p-z-Diagramm gilt für konstante Temperaturen. Eine Destillation, d.h. die Trennung des Gemisches ist hier durch Druckveränderung vorzunehmen. Das jedoch häufigere Verfahren der Destillation arbeitet bei konstantem Druck durch Variation der Temperatur. Über die Temperaturabhängigkeit des Druckes kann ein entsprechendes Diagramm abgeleitet werden. Reale Mischung haben jedoch manchmal Abweichungen von dem bisher diskutierten Verhalten. Hier kann immer nur bis zu dem azeotropen Gemisch destilliert werden. Thermochemie Die in der Chemie besonders interessierende Größe ist die Freie Enthalpie. Den Mangel, daß nur Enthalpieänderungen gemessen werden können, hilft man damit ab, daß man die Enthalpien als Standardenthalpien festlegt. T G=G + 0 ∫ dG 298 Das Hess'sche Gesetz sagt aus, daß in einem Kreisprozeß die Summe der Standardenthalpien plus der Reaktionsenthalpie gleich Null ist. Dieses Gesetz folgt aus dem 1. Hauptsatz der Wärmelehre : Für Zustandsfunktionen, also auch für die Freie Enthalpie, ist das Integral über einen Kreisprozeß gleich Null. Die Temperaturabhängigkeit der Enthalpie ergibt sich aus der Definition der Wärmekapazität ∂H (T ) C p (T ) = ∂T p T oder H T = H T0 + ∫ C p dT T0 Und entsprechend für die Innere Energie und die Entropie T U T = U T0 + ∫ CV dT T0 T Cp Cp dq = ∫ dT = ST0 + ∫ dT ST = ∫ T T T T0 Für die Freie Enthalpie ergibt sich dann aus der Definition T GT = H − T ⋅ S = H T0 − T ⋅ S T0 + ∫ C p dT − T T0 T ∫ T0 Cp T Die Druckabhängigkeit der Freien Enthalpie ergab sich für ideale Verhältnisse zu G = G 0 + nRT ln p p0 dT Für die Freie Reaktionsenthalpie oder Reaktionswärme, d.h. für die Änderung der Summe der Enthalpien aller beteiligten Substanzen, ergibt sich dann nach dem Hess'schen Satz 0 ∆GRe akt = ∑ Gi = ∆GRe akt + RT ln i Π ( pProdukt / p0 )ν Π ( pEdukt / p0 ) µ ΠpProdukt ist per definitionem gleich der aus dem MassenΠpEdukt wirkungsgesetz bekannten Gleichgewichtskonstanten Kp. Der Operand des Logarithmus Im Gleichgewicht ist ∆GReakt. für einen Kreisprozeß gleich Null und somit ∆G R0 ∆H R0 ∆S R0 ln K p = − =− + RT RT R Da in der Thermodynamik nur Gleichgewichte betrachtet werden, ist hier die die Reaktion definierende Größe die Standardreaktionsenthalpie ∆GR0 . Diese wird daher tabelliert. Das Differential dieser Gleichung ist die van t'Hoffsche Gleichung d ln K p dT = ∆H R RT 2 Die Messung thermodynamischer Größen ist meist sehr aufwendig und in einfachen Versuchen kaum darstellbar. Eine Ausnahme bilden die elektrochemischen Vorgänge Die pro Formelumsatz geleistete elektrische Arbeit ist ∆E el = U ⋅ I ⋅ t = n ⋅ N A ⋅ q − ⋅ ∆E aus I ⋅ t = n ⋅ N A ⋅ q− wo q- die Elementarladung und U= ∆E eine Potentialdifferenz (= Spannung) ist. Diese Zellspannung wird auch EMK (Elektro-Motorische Kraft) genannt. ∆Gchem = − n ⋅ F ⋅ ∆E wo F die Faraday-Konstante ( = N A ⋅ q − ) ist. Und damit gilt auch : ∂∆G ∂ ∆E ∆S = − = n⋅F ∂T p ∂T p Man kann also leicht über die Messung der Temperaturabhängigkeit der Zellspannung die Entropie des Systems bestimmen. Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten und Prinzip von Le Chatelier Zur Vereinfachung soll angenommen werden, daß die Reaktionsenthalpie nicht von der Temperatur abhängt. (In der Realität läßt sich diese Abhängigkeit durch ein A + BT + C/T2 -Gesetz beschreiben; dies würde jedoch die Gleichungen nur verkomplizieren, ohne daß etwas prinzipiell Neues beschrieben würde) Es soll die Reaktion der Ammoniak-Synthese untersucht werden : N 2 + 3H 2 → 2 N H 3 + ∆H Re aktion ← Unter Standardbedingungen (298 K, 1 atm) wurden folgende Werte gefunden : K p = 6 ⋅ 10 5 0 ∆H NH = − 46.1kJ Mol 3 (Standardbildungsenthalpie) Aus der van t'Hoff'schen Reaktionsgleichung folgt dann durch Integration : d ln K ∆H R = dT RT2 ∆H R dT ∆H 1 ∫1 d ln K = ∫1 R T 2 = ∫1 − R d T 2 oder 2 2 ln K 2 − ln K1 = − ∆H R 1 1 − R T1 T2 ln K T = ln K 298 − ∆H R 1 1 − R T 298 Für T = 500 K ergibt sich somit ln K 500 = ln6 ⋅ 10 5 + 2 ⋅ 46.1K 1 1 − 8.314 500 298 Da die Standardbildungsenthalpien von H2 und N2 definitionsgemäß gleich 0 sind, ist die 0 Reaktionsenthalpie gleich 2∆ H NH 3 . Für R wurde 8.314 JK-1 Mol-1 gesetzt. ln K500 = K500 = oder - 1,73 0,18 Die Gleichgewichtskonstante war gegeben durch p 2 (NH 3 ) ⋅ p02 Kp = p ( N 2 ) ⋅ p 3 (H 2 ) Das Prinzip des kleinsten Zwanges (LeChatelier) sagt nun aus, daß bei Druckerhöhung das System dem Zwang ausweicht. Da das Reaktionsprodukt nur 2 Mol Gasmoleküle entspricht, die Edukte jedoch 4 Mol entsprechen, wird bei Druckerhöhung also das Gleichgewicht nach NH3 verschoben (Haber-Bosch-Verfahren). Für exotherme Reaktionen ist ∆H R < 0 . Aus der van t'Hoff-Gleichung folgt nun, daß bei dln K dT Temperatur-Erhöhung kleiner wird. Und damit wird auch K kleiner, was oben gezeigt wurde. Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß mit − ∆G ∆H =− + ∆S T T bei exothermen Reaktionen − ∆G T positiv ist. Diese positive Entropie bedeutet also eine "Triebkraft" für die Reaktion. Bei Temperaturerhöhung wird also diese Triebkraft schwächer, es wird weniger NH3 gebildet. Die Richtung chemischer Reaktionen In einer allgemeinen Betrachtungsweise soll jetzt der Zusammenhang zwischen dem chemischen Potential und der Richtung, in die ein chemischer Prozeß abläuft, untersucht werden. Edukte ⇔ Produkte Zur Vereinfachung wird angenommen, daß die absolute Änderung der Eduktkonzentration gleich der der Produkte sei. d[Edukte] = - dξ d[Produkte] = + dξ (Es wird hier mit infinitesimalen Änderungen gerechnet, da das chemische Potential ja von den Konzentrationen aller beteiligten Substanzen abhängt und damit nur infinitesimale Änderungen zugelassen werden können. Sonst wäre ξ zeitabhängig.) Die Änderung der Freien Enthalpie ist damit bei konstantem Druck und konstanter Temperatur gleich : dG = µEdnE + µPdnP = - µEdξ + µPdξ oder ∂G = µ P − µ E ∂ ς p ,T Jeder spontane Prozeß verläuft in Richtung abnehmender Energie. Für chemische Prozesse glit also : Ist µE > µP verläuft die Reaktion in Richtung der Produkte. Ist µE < µP verläuft die Reaktion in Richtung der Edukte. Ist µE = µP befindet sich das System im Gleichgewicht. Die Bestimmung des Aktivitätskoeffizienten Die Kräfte zwischen neutralen Teilchen klingen etwa mit einem 1/r6-Gesetz mit der Entfernung der Teilchen voneinander ab. Geladenen Teilchen dagegen folgen den Coulomb-Gesetz mit 1/r. Daher ist einzusehen, daß schon bei relativ großen Verdünnungen von Ionen ein starkes Abweichen vom idealen Verhalten zu beobachten ist. Gleich große Verdünnungen von neutralen Partikeln folgen dann immer noch den Gesetzen idealer Mischungen. Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Für einen 1-1-Elektrolyten z.B. Ag Cl → ← Ag + + Cl − ∆G = − nF ⋅ ∆E und gilt : mit F = N A ⋅ q− ∆G = ∆G 0 + n RT ln K Abbildung 8 : Elektrodenprozesse eines 1-1 Elektrolyten Hierbei ist anstelle von Konzentrationen nun die Aktivität a zu setzen, um den Wechselwirkungen zwischen den Molekülen einer Lösung Rechnung zu tragen. a+ ⋅ a− K= a (neutral) Die Aktivität a der neutralen Substanz darf gleich 1 gesetzt werden, da Wechselwirkungen hier noch keine Rolle spielen. Es gilt also : K = a + ⋅ a − = C + ⋅ C − ⋅ γ ±2 Nach der Debye-Hückel-Theorie ist der Logarithmus des mittleren Aktivitätskoeffizienten γ ± = (γ + ⋅ γ − ) 0.5 proportional der Wurzel aus der Konzentration lnγ ± = A C0,5 Für die EMK des 1-1-Elektrolyten gilt damit ∆E = ∆E 0 − (RT F ) ln K = ∆E 0 − (RT F ) lnC 2 − (RT F ) lnγ ±2 Bringt man die meßbaren Größen nach links, ergibt sich ∆E + (2 RT F ) lnC = ∆E 0 − (2 RT F ) lnγ ± ≈ ∆E 0 − (2 RT F ) ⋅ A ⋅ C 0.5 ∆E + (2 RT F ) lnC 0.5 gegen C läßt sich somit das Standardpotential ∆E0 (unter idealen Bedingungen) und der mittlere Aktivitätskoeffizient bestimmen. Dies ist in Abbildung 9 gezeigt. Aus der Geraden der Auftragung von Die Abweichung von der Geraden bei C > 0.2 ergibt sich, da die Debye-Hückel Theorie die Proportionalität von ln γ± zu C nur in erster Näherung beschreibt. Nimmt man weitere Glieder der Funktionsentwicklung hinzu, so lässt sich der Verlauf der Messpunkte auch für größere Konzentrationen beschreiben. Abbildung 9 : Konzentrationsabhängigkeit der EMK eines 1-1 Elektrolyten Der Born-Haber Kreisprozess Als Beispiel für den Satz von Hess – in einem Kreisprozess ist die Summe der Standardenthalpien gleich der negativen Reaktionsenthalpie – soll hier die Bildung eines ionischen Festkörpers nach dem Born-Haber Kreisprozess besprochen werden. In Abbildung 10 ist dieser Prozess dargestellt. Der Festkörper Kaliumchlorid soll aus seinen Elementen gebildet werden. Dies sind festes Kalium und gasförmiges Cl2. Im ersten Schritt wird Kalium verdampft; die Verdampfungsenthalpie beträgt 89 kJ. Danach wird das Chlorgas dissoziert mit einer Dissoziationsenergie von 122 kJ. Der letzte Schritt, bei dem Verbindungen gelöst werden, ist die Ionisierung des Metalls. Hierfür werden 418 kJ benötigt. In den folgenden Schritten werden nacheinander das Elektron mit dem Chloratom und dann die Ionen miteinander verbunden. Die bei diesen Bindungen freiwerdenden Energien betragen 349 kJ und 717 kJ. Sie sind negativ zu rechnen, da sie dem System verloren gehen. Als Ergebnis findet man, dass 437 kJ Reaktionswärme frei werden, dies ist die Bildungsenthalpie von KCl. Abbildung 10 : Der Haber-Born Prozess der KCl-Bildung Gasgesetze Die Kinetische Gastheorie gilt für ein Gas, das die folgenden fünf Postulate erfüllt : 1) Die Gesetze der Statistik erfüllt sein. 2) Das Volumen der Partikel muß klein gegen das betrachtete Volumen sein. 3) Zwischen den Partikeln soll keine Wechselwirkung herrschen. 4) Inelastische Stöße (= Reaktionen ) sollen nicht vorkommen. 5) Die Teilchen sollen sich zwischen zwei Stößen gleichförmig bewegen. Aus diesen Postulaten läßt sich die Allgemeine Gasgleichung ableiten. p ⋅V = n ⋅ R ⋅ T Hierbei ist V das betrachtete Volumen und n die Molzahl, d.h. die Anzahl der Teilchen dividiert durch die Avogadro Zahl NA. Damit ist R = NA * k , wo k die BoltzmannKonstante ist. Gibt man einige der Postulate auf, so muß das Allgemeine Gasgesetz korrigiert werden. Dann ergibt sich für reale Gase die van der Waals-Gleichung n2 p + a ⋅ V 2 ⋅ [V − nb] = n RT Hierbei ist zu beachten, daß die Korrekturfaktoren a und b nicht unabhängig von Temperatur und/oder Druck sind. Die Verteilung der Geschwindigkeiten von Gaspartikeln ist die Boltzmann-Verteilung. Die allgemeine Form dieser Verteilung lautet f (u ) = A ⋅ a n 2 ⋅ exp(− au 2 ) ⋅ u n −1 A ist hier eine Konstante, die sich aus der Normierung ergibt, und n ist die Dimension für die die Gleichung aufgestellt wurde. Der Parameter a ist der Formfaktor der Verteilung : a= m 2 RT In Abbildung 11a sind die Boltzmann Verteilungen im 1-, 2- und 3-dimensionalen Raum dargestellt. Den Einfluss der Temperatur ist in Abbildung 11b für den 3-dimensionalen Fall gezeigt. Abbildung 11 : Zur Boltzmannfunktion Die Verteilungsfunktion hat die Bedeutung einer Wichtung. Jeder der möglichen Werte u wird entsprechend seiner Häufigkeit gezählt. Interessiert man sich für die Anzahl der Stöße, die ein Teilchen A mit Teilchen vom Typ B erleidet, so erhält man für die Stoßfrequenz Z A = 2 ⋅ σ AB ⋅ u ⋅ NB V u ist die Relativgeschwindigkeit zwischen dem Teilchen A und den Teilchen B. NB/V ent- spricht der Konzentration [B] und σ AB ist der Stoßquerschnitt, der sich aus den Durchmessern der Moleküle A und B ergibt : σ AB d + dB = π ⋅ A 2 2 Die Gesamtzahl der Stöße, die in der Zeit ∆ t in einem Volumen V geschieht, ist dann : Z AB = Z A ⋅ N A 0.5 N N = 2 ⋅ σ AB ⋅ u ⋅ A ⋅ B V V V Die mittlere freie Weglänge λ ist gleich λ = u ⋅ ∆t = Z A ⋅ ∆t 1 2 ⋅ σ AB ⋅ (N B V ) d.h. der Weg s = u ⋅ ∆t , den ein Teilchen in ∆t zurücklegt, dividiert durch die Anzahl der Stöße in diesem Zeitraum, ist unabhängig von der mittleren Geschwindigkeit u der Teilchen. Diese Aussage ist aber gleichbedeutend mit der Aussage, daß die mittlere freie Weglänge unabhängig von der Temperatur ist. Stöße auf eine Ebene und mit Partikeln In der Vorlesung des Grundstudiums hatten wir gesehen, dass die Stoßfrequenz, d.h. die Anzahl der Stöße pro Zeiteinheit, die ein Molekül (A) durch alle anderen (B) erfährt, gleich ist zu Z A = u rel ⋅ σ AB ⋅ C B mit u rel = 2 u Analog zu den Überlegungen zur Anzahl der Stöße auf ein Teilchen ergibt sich für die Anzahl der Stöße auf eine ebene Fläche F Z F = 12 u F ⋅ F ⋅ CB = 14 u ⋅ F ⋅ CB Hier ist wieder CB die Konzentration der stoßenden Teilchen und u deren gemittelte Geschwindigkeit. Die mittlere Geschwindigkeitskomponente senkrecht zur Fläche F ist nur halb so groß wie die mittlere Geschwindigkeit, wie aus der Integration aller Geschwindigkeiten über eine Hemisphäre folgt. Der erste Faktor ½ ergibt sich, da nur die Hälfte aller Teilchen auf die Fläche zu fliegen (die andere fliegt von der Fläche weg). Die beiden Formeln für die Stoßfrequenz sind gleichwertig und gehen in einander über, wie man am Beispiel der Stöße von Molekülen auf ein Staubkorn erkennen kann : Ist das Staubkorn groß, so ist die Relativgeschwindigkeit fast gleich der Geschwindigkeit der stoßenden Moleküle u rel = u B und der Stoßquerschnitt entspricht dem Querschnitt des großen Partikels σ AB ≈ σ A = π rA2 Für die Stoßfrequenz zwischen diesen beiden Teilchen gilt also Z A = π rA2 ⋅ u B ⋅ C B Geht man jetzt davon aus, dass das Staubkorn für ein Molekül wie eine große Fläche aussieht, deren Größe der Oberfläche einer Kugel F = 4π rA2 entspricht, dann erhält man für die Stoßfrequenz auf eine Fläche ZF = 1 4 u ⋅ 4π rA2 ⋅ C B = π rA2 ⋅ u ⋅ C B = Z A Die Ableitung des Allgemeinen Gasgesetzes Die uns zugänglichen, d.h. meßbaren Größen sind alle makroskopischer Natur. Wir leben in einer Welt, deren Größenordnung das Mol ist. In den Vorstellungen (oder Modellen) jedoch, die wir uns von dem Geschehen zwischen den Partikeln machen, betrachten wir nur einzelne Teilchen und ihr Verhalten. Um das Partikelmodell auf die molare Welt abzubilden, brauchen wir mathematische Gesetze, hier die Gesetze der Statistik. Wir nehmen an, daß wir ein mittleres Verhalten von sehr vielen Partikeln betrachten. Und damit die Abbildungsgesetze möglichst einfach werden, nehmen wir zusätzlich an, daß die Bewegung der Teilchen ungeordnet ist, also keine Vorzugsrichtung aufweist. Der Schwerpunkt unseres Gasensembles bleibt damit in Ruhe. Dies ist keine Einschränkung der Gasgesetze, es vereinfacht nur die Rechnungen. Die Kinetische Gastheorie verbindet jetzt die mikroskopischen Attribute der Molekeln : Anzahl, Masse, Impuls, Energie mit den makroskopischen, meßbaren Größen : Volumen, Druck, Molzahl und Temperatur. In der folgenden Ableitung soll insbesondere auch gezeigt werden, an welchen Stellen die einschränkenden Postulate für ein ideales Gas eingeführt werden müssen. Fangen wir mit dem Druck in einem Würfel der Kantenlänge l an. Per definitionem ist der Druck auf eine Wand der Größe A : p = F/A Und nach dem 2. Newton'schen Axiom gilt für die Kraft, die ein Teilchen auf die Wand ausübt : F = d (m ux ) / dt ux ist die Geschwindigkeitskomponente eines Teilchens senkrecht zur Wand. Bislang brauchten wir noch keine Einschränkungen machen, jetzt führen wir ein, daß nur elastische Stöße zugelassen sind (inelastische Stöße, d.h. Reaktionen der Partikel untereinander und mit der Wand sind ausgeschlossen). Damit kann das Differential d(mv) bestimmt werden : d (m ux ) = 2 m ux Außerdem nehmen wir an, daß die Partikel unendlich klein sind, also kein Volumen besitzen. Dann legen sie beim Stoß auf die Wand zwischen zwei Stößen untereinander im Mittel die Strecke 2 lx in x-Richtung zurück und damit gilt für das Zeitdifferential : dt = 2 l x u x Der Druck, den N Teilchen auf eine Wand ausüben, ist also gleich p =∑ 2mu x mu 2x mu x2 = N⋅ = N⋅ 2l x u x ⋅ A l⋅A V u bezeichnet die mittlere Geschwindigkeit aller Teilchen. Diese ist aufgrund der Maxwell- Boltzmann-Statistik identisch mit der für ein Teilchen über die Zeit gemittelten Geschwindigkeit. Für das nach Voraussetzung isotrope Medium gilt u 2x = u 2y = u 2z u 2 = u 2x + u 2y + u 2z = 3 u x2 und Und somit : p ⋅ V = N ⋅1 3 ⋅ m ⋅ u 2 = 2 3 ⋅ N ⋅ ε trans wo ε trans =1 2 ⋅ m ⋅ u 2 die Translationsenergie eines Teilchens ist. Die mittlere Tanslationsenergie bei einer Gleichgewichtsverteilung der Energien wird nun zur Definition der Temperatur herangezogen : εtrans = 3/2 kT Und da der Zusammenhang zwischen Boltzmann-Konstante k und allgemeiner Gaskonstante R gegeben ist durch R = NA k folgt aus p V = 2/3 N εtrans das Allgemeine Gasgesetz : pV = nRT mit N = n * NA Viskositätskoeffizient und mittlere freie Weglänge In dem Allgemeinen Gasgesetz hatten wir uns auf ein ruhendes Medium beschränkt. Jetzt sollen die Verhältnisse bei bewegtem Schwerpunkt des Gases betrachtet werden. Dabei soll gelten, dass die Strömungsgeschwindigkeit v sehr viel kleiner ist als die Molekülgeschwindigkeit u. Da dann immer noch das Statistik-Postulat gilt, gilt auch das Allgemeine Gasgesetz. Gase oder Flüssigkeiten, die an einer Fläche A vorbeiströmen, erfahren eine bremsende Kraft, die Reibung. Diese Kraft ist proportional der Fläche und dem Geschwindigkeitsgradienten senkrecht zu A : F =η A ∂v ∂y Der Proportionalitätsfaktor ist der Viskositätskoeffizient η . Um diese innere Reibung verständlich zu machen, geht man wieder auf die Kinetische Gastheorie zurück. Wir denken uns ein Gas aus Schichten der Dicke d aufgebaut. Diese Schichten sollen vorerst unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten v besitzen. Verläßt jetzt ein Molekül die eine Schicht und stößt mit einem Teilchen der benachbarten Schicht zusammen, so überträgt es seien gesamten Impuls auf die neue Schicht, d.h. die Schichten üben eine Kraft aufeinander aus. Im Mittel wechseln gleich viele Teilchen aus einer Schicht in die andere wie umgekehrt, so daß also nur die Impulsänderungen und nicht die Massenänderungen in Bezug auf die Strömungsrichtung betrachtet werden müssen. Für den Impulsübertrag in y-Richtung (senkrecht zur Strömungsrichtung x) ergibt sich somit : ∆I = m ⋅ ∂v ⋅d ∂y Bei einer Teilchenkonzentration von C = N / V fliegen 1 3⋅ u ⋅ C pro Sekunde durch eine Fläche A zwischen den Schichten (in beiden Richtungen !). u ist die mittlere Geschwindigkeit eines Teilchens, während v die Strömungsgeschwindigkeit ist. Damit wird der Gesamtimpulsaustausch, pro Sekunde, d.h. die Kraft, die die Schichten aufeinander ausüben, gleich F= ∂I 1 ∂v = u ⋅C ⋅ m ⋅ d ∂t 3 ∂y Dies ist aber die im Anfang definierte Reibung oder Viskosität. Für den Viskositätskoeffizienten folgt dann : η = 1 3u ⋅ m ⋅ d ⋅ C η ist also unabhängig von der Strömungsgeschwindigkeit und ihrem Gradienten. Für die Schichtdicke d wird jetzt die mittlere freie Weglänge λ eingesetzt. Denn wäre d > λ , so würden Teilchen noch innerhalb ihrer Ursprungsschicht stoßen, also nicht zur Viskosität beitragen. Und für d < λ würden einige der Teilchen über die benachbarte Schicht hinausfliegen. Also bleibt nur d = λ und damit η = 1 / 2 ⋅u ⋅ m ⋅ λ ⋅ C (Bei der Integration über den Raumwinkel anstelle einer Aufteilung der Flugrichtung in karthesische Koordinaten ergibt sich ein Faktor 1 / 2 anstatt 1/3.) Knudsenströmung Im folgenden soll an einem Beispiel gezeigt werden, daß das Allgemeine Gasgesetz nicht mehr gilt, wenn das Statistik-Postulat aufgegeben wird. (Bei Aufgabe der anderen Postulate bleibt das Gesetz prinzipiell gültig, es müssen nur die Variablen p, V, n und T durch effektive Größen ersetzt werden.) Wir betrachten jetzt ein Rohr der Länge l und mit einem Durchmesser d. Die Konzentration des Gases, das sich im Rohr befindet sei so gering, daß die mittlere freie Weglänge größer ist als der Rohrdurchmesser. Dann werden die Moleküle praktisch ausschließlich mit der Wand stoßen und nicht mehr untereinander. Somit kann sich keine aerodynamische Strömung ausbilden. Herrscht jetzt zwischen den Enden des Rohres ein Druckgefälle, d.h. sind die Konzentrationen C vor und hinter dem Rohr unterschiedlich groß, so tritt ein Partikelstrom durch das Rohr hindurch. Die Strömungsgeschwindigkeit dN/dt ist nach Knudsen gegeben durch dN 1 A = ⋅ ⋅ ∆C ⋅ d ⋅ u dt 3 l Hier ist A die Querschnittsfläche des Rohrs, l seine Länge und d sein Durchmesser. ∆C ist der Konzentrationsgradient und u die Molekülgeschwindigkeit. Aus der Definition der Temperatur, die zwar nicht mehr im Rohr, aber immer noch in den Vorratsgefäßen gilt, 1 2 ⋅ m ⋅ u 2 = 3 2 ⋅ kT erhalten wir bei konstanter Temperatur die Beziehung u ~ 1 m Somit wandern leichtere Moleküle schneller durch das Rohr als schwerere. Bei Atmosphärendruck beträgt die mittlere freie Weglänge etwa 100 nm. Ist jetzt ein Gasgemisch durch eine poröse Wand, deren Porengröße etwa 10 nm beträgt, von einem Unterdruckgebiet getrennt, so wird sich das Gas entmischen. Auf der Seite des höheren Druckes bleiben die schweren Moleküle zurück, da die leichteren eine höhere KnudsenStrömungsgeschwindigkeit besitzen. Diese Tatsache wird z.B. bei der Isotopentrennung verwendet, wobei man viele Trennstufen kaskadenförmig hintereinander schaltet. Diffusion in Gasen Nach dem 1. Fick'schen Gesetz j= dN dt dN = −D⋅ A dx ist die Teilchenstromdichte j, d.h. die Anzahl der Teilchen, die pro Zeiteinheit durch die Fläche A hindurchtreten, proportional dem Konzentrationsgradienten. Die Proportionalitätskonstante ist die Diffusionskonstante D. Wir nehmen jetzt wieder vereinfachend an, daß 1/3 aller Moleküle sich parallel zum Konzentrationsgefälle in x-Richtung bewegen. Die durch die Fläche A hindurchtretenden Moleküle sind bei I bzw. II gestartet. Der Abstand dieser Flächen von der Fläche A sei jeweils die mittlere freie Weglänge λ . Die Geschwindigkeit aller Teilchen sei u . Somit fliegen 1 6N I ⋅u ⋅ A ⋅ ∆t Teilchen von links nach rechts und 1 6N II ⋅u ⋅ A ⋅ ∆t von rechts nach links. Für die Teilchenstromdichte gilt daher : j = dN dt u = ⋅ (N I − N II ) A 6 Bei einem linearen Konzentrationsgefälle dN/dx gilt aber für die Differenz NII - NI : N II − N I = 2λ ⋅ dN dx Und damit erhalten wir für die Diffusionskonstante unter Einbeziehung des realen Wertes (1/20.5 ) für die Anzahl der Teilchen, die in x-Richtung fliegen : D= 1 ⋅u ⋅λ 2 Das 2. Fick'sche Gesetz, bzw. die Allgemeine Diffusionsgleichung beschreibt die Konzentrationsänderung in einem Volumen V. In x-Richtung fließen bei I jI Teilchen durch die Wand A pro Sekunde in das Volumen hinein und bei II jII Teilchen durch die gleich große Wandfläche wieder hinaus. (Wir haben hier also nicht mehr ein lineares Konzentrationsgefälle über den gesamten Volumenbereich angenommen). Damit ist die Änderung der Konzentration im Volumen V = A dx gleich : dN V dj =− dt dx oder dN V d 2N V = D⋅ dt dx 2 Bei dreidimensionalen Konzentrationsgefällen gilt allgemein : d N N ⋅ = D ⋅ ∇2 dt V V oder durch Konzentrationen ausgedrückt d C = D ⋅ ∇ 2C dt Kinetische Gastheorie und Maxwell-Boltzmann-Verteilung Es wurden bisher das Allgemeine Gasgesetz in karthesischen Koordinaten abgeleitet. Dabei trat der Faktor 1/3 auf, der ohne Beweis abgeändert wurde. Im folgenden soll jetzt auf die korrekte Ableitung eingegangen werden. Die kinetische Gastheorie führt die beobachtbaren Größen p und T auf molekulare Größen zurück : T ~ v2 p ~ mv 1) Um die Mittelwerte numerisch berechnen zu können, müssen die Gesetze der Statistik gelten : Das System muß sich aus vielen Teilchen mit unregelmäßiger Bewegung zusammensetzen und das Medium muß isotrop, d.h. in allen Raumrichtungen gleichartig ,sein. Für die mittlere Molekülgeschwindigkeit gilt dann v 2 = v x2 + v y2 + v z2 mit v x2 = v y2 = v z2 2) Zur Vereinfachung der Rechnung gehen wir zu Polarkoordinaten über : Für ein Element der Kugeloberfläche gilt dann dA = A sin ϑ ⋅ dϑ ⋅ dϕ 4π 3) Es wird jetzt danach gefragt, wie viele Partikel in der Zeit dt auf die Fläche dA auftreffen. Es sind dies alle Teilchen, die sich in einem schiefen Zylinder dV aufhalten : dV = dA dh mit dh = v cosϑ dt Die Konzentration ist überall gleich : N dN = V dV Aus C= folgt dN dV dA ⋅ dh = = = N V V = 1 A ⋅ sinϑ dϑ dϕ ⋅ v cosϑ dt V 4π Der Anteil der Moleküle, die aus der Richtung (dϑ,dϕ) kommen und die Geschwindigkeit v besitzen, ist also dN v ,ϑ ,ϕ = dN v ⋅ Av sinϑ cosϑ dϑ dϕ dt 4π V 4) Nun kann das Allgemeine Gasgesetz exakt abgeleitet werden : Für elastische Stöße an einer Wand gilt für die Impulsänderung d mv = 2mv cos ϑ Für alle Stöße mit der Geschwindigkeit v aus dem Raumelement (dϑ,dϕ) ergibt sich also d mv = (dN v oder Av sinϑ cosϑ dϑ dϕ dt ) ( 2 mv cosϑ ) 4π V dmv / dt 2mv 2 = dpv = dN v sinϑ cos2 ϑ dϑ dϕ 4π V A Integriert über alle Raumrichtungen ergibt sich dN v dpv = mv V 2 1 2π 2π ∫ dϕ 0 2 cos ϑ sin ϑ d ϑ ∫0 π /2 Der Ausdruck in den Klammern [ ] ist gleich 1/3, und damit ergibt sich dpv zu dpv = 1 2 dN v mv 3 V Nun wird über alle Geschwindigkeiten integriert ∞ ∞ 1m 2 1m p = ∫ dpv = v dN = N v2 v ∫ 3V 0 3V 0 oder p ⋅V = 2 N ε trans 3 da 1 2 ε trans = m v 2 5) Zur Berechnung des Mittelwerts der Translationsenergie der Teilchen muß die Verteilungsfunktion bekannt sein. Es wurde vorausgesetzt, daß das Medium isotrop ist. Dann müssen aber die drei Koordinaten des Geschwindigkeitsvektors unabhängig von einander sein und für ihre Verteilungsfunktion gilt damit dN = F ( v ) dv = f ( v x ) f ( v y ) f ( v z ) dv x dv y dv z N Da F nur von der Geschwindigkeit und nicht von der Richtung abhängig sein soll, muß auch die folgende Aussage gelten F ( v x2 + v 2y + v z2 ) = f ( v x2 ) f ( v 2y ) f ( v z2 ) Diese Forderung wird nur von der e-Funktion erfüllt. Also gilt für die Verteilungsfunktionen : f (vi ) = Ai e ± a vi und F ( v x2 + v 2y + v z2 ) = Ax Ay Az e ± a ( v x2 + v 2y + v z2 ) Die positiven Vorzeichen der Exponentialfunktion können nicht gelten, da die Menge der Möglichkeiten begrenzt sein muß. Für die Verteilungsfunktion gilt folgende Normierung ∞ ∫ F (v) dv = 1 0 und damit auch A = (a ) 3 / 2 π Setzt man jetzt noch die Definition der Temperatur ein 1 mit 2 m < v2 > = 3 2 kT < v 2 > = ∫ v 2 f ( v ) dv so erhält man für a : a= m 2kT und für F(v2) ergibt sich 3 2 m −mv F (v ) = 4π e 2πkT 2 2 2 kT v2 Formalkinetik Die Kinetik beschäftigt sich mit der Beobachtung von zeitlich veränderlichen makroskopischen Größen, wie z.B. der Konzentration. Sie führt diese Veränderungen auf molekulare Eigenschaften der untersuchten Materie zurück. Um die Einstellung des Gleichgewichts quantitativ fassen zu können, wird die Reaktionsgeschwindigkeit definiert. vA = d [A] n m = − k n [A] [B ] dt für die Reaktionen n A + m B → Produkte Der Term [A]n [B]m gibt an, wie oft A mit B zusammenstößt. k ist der Proportionalitätsfaktor und das Vorzeichen gibt die Richtung der Reaktion an. Die stöchiometrischen Größen n und m gehen als Faktoren ebenfalls in die Reaktionsgeschwindigkeit ein. k ist somit eine vom betrachteten Stoff unabhängige Reaktionskonstante, die ausreicht, die Reaktion zu beschreiben. (Selbstverständlich neben der chemischen Formulierung.) Aus der Gleichheit von Stoßzahl (s. ‚Gasgesetze’) und Reaktionsgeschwindigkeit folgt : k ~ 2 ⋅ σ AB ⋅ u ≡ k gaskinetisch mit σAB als Stoßquerschnitt und u als mittlere Molekülgeschwindigkeit. Da nicht jeder Stoß zu einer Reaktion führt, gilt hier nur eine Proportionalität, deren Konstante immer kleiner als 1 ist, wenn elektrisch neutrale Teilchen betrachtet werden. Die Reaktionswahrscheinlichkeit soll mit α bezeichnet werden, dann ergibt sich für die Arrhenius-Gleichung : k = α ⋅ k gaskin ⋅ e − E A RT = k0 ⋅ e −EA RT Der präexponentielle Faktor k0 ist also für Reaktionen von Neutralteilchen nur kleiner oder höchstens gleich der gaskinetischen Reaktionskonstanten kgaskin. Die molare Entsprechung EA zum Energieschwellwert ε0 wird als Aktivierungsenergie bezeichnet. Für Reaktionen mit geladenen Teilchen wird k0 größer als kgaskin, da die Stöße aufgrund der gegenseitigen Anziehung häufiger stattfinden. Der monomolekulare Zerfall Bevor das Zeitgesetz des monomolekularen Zerfalls abgeleitet wird, soll abgeschätzt werden, wie groß die Lebensdauer eines Moleküls ist. Wir nehmen an, daß sich der präexponentielle Faktor k0 aus der kleinst-möglichen Reaktionszeit einer Dissoziation von etwa 1 psec, d.h. einer Schwingungsperiode, ergibt. Die mittlere thermische Energie bei 300 K beträgt etwa 1/40 eV. Das sehr schwach gebundene Ozon hat eine Dissoziationsenergie von 1.1 eV, also etwa den 44-fachen Wert der thermischen Energie. Damit ergibt sich für die Reaktionskonstante : k = k 0 ⋅ e − RT0 RT = 10 +12 e −44 sec −1 bzw. für die Lebensdauer τ = 1 = 10 −12 e + 44 = 1.3 ⋅ 10 7 s = 150 d k Bei diesen schwach gebundenen Teilchen sinkt also die Konzentration in etwa 150 Tagen auf den e-ten Teil ab. Sauerstoff hat dagegen eine Bindungsenergie von 5.6 eV, d.h. dem 225fachen der thermischen Energie. Für Sauerstoff ergibt sich daraus eine Zerfallszeit von τ = 10 −12 e +255 = 5.2 ⋅ 1085 s = 1.6 ⋅ 10 78 a Das bedeutet, daß Sauerstoff dem spontanen Zerfall gegenüber inert ist. Wir wollen jetzt das Zeitgesetz für den monomolekularen Zerfall ableiten. Das klassische Beispiel für einen derartigen Vorgang ist der radioaktive Zerfall, z.B. α 226 Ra → 222 α Rd → 3.8 d 1620 a 218 Po → ... Pb 3.05 m Die Reaktionsgeschwindigkeit von Radon ergibt sich also zu v Rd = d [Rd ] = − k [Rd ] dt oder allgemein : vX = d [X ] = − k [X ] dt Diese Differentialgleichung ist die Definitionsgleichung einer e-Funktion. Ihre Lösung ist demnach [X ]t = Const e − kt Wie bei jeder Differentialgleichung ergibt sich die Integrationskonstante aus der Randbedingung : Wir nehmen an, daß zur Zeit t=0 die Konzentration des Stoffes gleich [X]0 gewesen sei. Somit gilt [X]t = [X ]0 e − kt Das Zeitgesetz für das Produkt wird aus dem Ansatz der Massenkontinuität abgeleitet : [X]t + [Prod]t = [X]0 Damit folgt dann unmittelbar : [Prod]t = [X]0 (1-e-kt) Bimolekulare Reaktionen Die größte Reaktionskonstante einer bimolekularen Reaktion ergibt sich aus der Stoßfrequenz. Häufiger als bei jedem Stoß kann diese Reaktion nicht stattfinden. Bei einem Druck von 1 atm beträgt die Stoßzeit neutraler Moleküle etwa 0,5 nsec. Damit wird die Reaktionskonstante gleich 1τ 2 ⋅ 10 9 sec −1 = k = ≈ 10 −10 cm 3 s 19 −3 2.5 ⋅ 10 cm C1atm Eine typische bimolekulare Reaktion 2. Ordnung ist die Reaktion gleichartiger Moleküle, wie z.B. OH + OH → H 2O + O Der gemessene Wert für die Reaktionskonstante beträgt k = 1.8 ⋅ 10 −12 cm 3 s Diese Reaktion läuft also nur etwa bei jedem 50. Zusammenstoß zwischen zwei OH-Radikalen ab. Die Geschwindigkeit einer Reaktion vom Typ A + A → Prod. entspricht vA = d [A] 2 = − 2 k [A] dt Die Lösung dieser Differentialgleichung erhält man durch die Separation der Variablen, hier [A] und t : 1 ∫ [A] d [A] = − 2 k ∫ dt 2 − 1 + C = − 2 kt [A] 1 = C + 2 kt [A] Die Integrationskonstante findet man wieder durch Einsetzen der Randbedingung : 1 1 = + 2k ⋅t [A] t [A] 0 Eine der Aufgaben der Kinetik ist es, eine Reaktion über die Geschwindigkeitskonstante k zu charakterisieren. Für eine Reaktion 1. Ordnung findet man : 1 [X ]t k = − ln t [X ]0 Hier muss also nur ein Signal gemessen werden, das proportional zur Konzentration einer Substanz ist. Die Proportionalitätskonstante braucht nicht unbedingt bekannt sein. Anders dagegen bei Reaktionen 2. Ordnung. In diesem Fall muß die Konzentration absolut bekannt sein, will man k bestimmen : k= 1 1 1 ⋅ − 2t [A]t [A]0 Hier tritt jetzt anstelle des Quotienten, bei dem die Proportionalitätskonstante sich heraushebt, die Differenz der Konzentrationen auf, bei der die Proportionalitätskonstante nicht herausgekürzt werden kann. Man wird es also immer möglichst so einrichten, daß die untersuchte Reaktion von pseudo-1.-Ordnung ist. D.h. man wird den einen Reaktionspartner im Überschuß ansetzen, so daß sich seine Konzentration praktisch nicht ändert und damit in die Reaktionskonstante hereingezogen werden darf. Dies gilt selbstverständlich nur, wenn die beiden Stoßpartner ungleich sind. Daher wird die Reaktion 2. Ordnung in der Praxis nur bei der Rekombination gleicher oder komplementärer Teilchen auftreten. Unter komplementären Teilchen sind z.B. Ionen unterschiedlicher Ladungsart zu verstehen : M Ar + + e − → Ar Da bei einer Rekombination immer der Energieüberschuß abgeführt werden muß, handelt es sich also praktisch immer um eine Reaktion pseudo-2. Ordnung. Es soll noch einmal deutlich darauf hingewiesen werden, dass sich die Ordnung einer Reaktion von der Molekularität unterscheidet. Die Molekularität ist die Summe der stöchiometrischen Faktoren, die Ordnung einer Reaktion gibt dagegen an, mit welcher Potenz der Konzentrationen sich die Reaktionsgeschwindigkeit merkbar ändert. Parallelreaktionen Wir wollen im folgendem stets annehmen, daß die betrachteten Reaktionen pseudo-1. Ordnung sind. Häufig tritt der Fall ein, daß eine Reaktion zwei oder mehr Reaktionskanäle besitzt, deren Geschwindigkeitskonstanten separat bekannt sein sollen : 1 → O2 + H 2 2 → OH + OH H + HO2 3 → H 2O + O 5.6 ⋅ 10 −12 cm 3 s 7.2 ⋅ 10 −11 cm 3 s 2.4 ⋅ 10 −12 cm 3 s Hier besitzt die zweite Reaktion den größten Umsatz, aber auch die beiden Seitenkanäle dürfen nicht vernachlässigt werden. Für die Reaktionsgeschwindigkeit von H ergibt sich daraus : vH = d [H ] = − k1 [H ][HO 2 ] − k 2 [H ][HO 2 ] − k 3 [H ][HO 2 ] dt Das Radikal HO2 ist gegenüber dem H-Atome meistens im Überschuß vorhanden, da es weniger reaktiv ist. Als Lösung der Differentialgleichung ergibt sich somit : [H ]t = [H ]0⋅ e − (k1 +k2 +k3 )[HO2 ]t Es ergibt sich also ein Gesetz wie bei einer einzigen Reaktion, nur daß hier die Geschwindigkeitskonstanten zu einer Gesamtreaktionskonstante addiert werden. Im Beispiel also : k ges = 8.0 ⋅ 10 −11 cm 3 s Folgereaktionen Für eine Folge von Reaktionen 1 2 A → B → C gilt, dass die Konzentration von Stoff A nicht durch die Folgeprodukte B und C beeinflusst wird, also [A] = [A]0 e − k t 1 Da das Zwischenprodukt B gebildet wird und dann verschwindet, muß für die Zeitabhängigkeit seiner Konzentration gelten : [B] = Const.(e − k t − e − k t ) 2 1 Und die Konzentration von C erhält man aus [A]0 = [A] + [B] + [C ] Für das Zwischenprodukt B hatten wir implizit angenommen, dass seine Bildung schneller geschieht als seine Abreaktion. Ist das Umgekehrte der Fall, so kann der Umsatz der Reaktion 2 nur so groß sein, wie der Umsatz der Bildung : k 2 [B]= k1 [A] oder [B] = k k [A] 1 2 Als Beispiel für den monomolekularen Zerfall war der radioaktive Zerfall des Radiums gegeben : 1 2 Ra → Rd → Po → … → Pb Das zugehörige Differentialgleichungssystem lautet, wenn wir den Zerfall des Radiums bis zum Blei als einen Schritt (2) betrachten : d [Ra ] = − k1 [Ra ] dt (1) d [Rd ] = + k1 [Ra ] − k 2 [Rd ] dt (2) d [Pb ] = + k 2 [Rd ] dt (3) Aus (1) erhalten wir sofort : [Ra ]t = [Ra ]0 e − k1t In (2) eingesetzt : d [Rd ] = + k1 [Ra ]0 e − k1t − k 2 [Rd ] dt Radon ist ein typisches Zwischenprodukt, das zuerst gebildet werden muß und danach wieder verschwindet. Es folgt daher einem Zeitgesetz der Form [ X ] = Const ⋅ ( e − K t −e − Lt ) Die Differentialgleichung hat dann die Lösung : [Rd ]t = { k1 [Ra]0 e −k2 t − e −k1 t k 2 − k1 } Hierbei wurde vorausgesetzt, daß zum Zeitpunkt t=0 kein Radon vorhanden war. Die beiden e-Funktionen beschreiben den Aufbau ( e − k1t ) und den Zerfall ( e − k2t ) des Radons. Dies gilt für jedes Zwischenprodukt : Es muß gebildet werden und es vergeht. Beide Vorgänge werden durch eine Exponentialfunktion beschrieben. Die zeitliche Änderung der Konzentration des Endproduktes Pb braucht nicht durch Integration der Differentialgleichung 3 berechnet werden. Einfacher geht es über eine Bilanzgleichung : Die Menge an Substanz muß konstant gleich der Ausgangsmenge sein : [Ra]0 = [Ra]t + [Rd ]t + [Pb]t oder [Pb] = [Ra ]0 − [Ra ]0 e −k1t − { k1 [Ra ]0 e −k1t − e −k2t k 2 − k1 } k1 k1 = [Ra ]0 1 − e − k1t − e − k1t + e − k 2t k 2 − k1 k 2 − k1 k2 k1 = [Ra ]0 1 − e − k1t + e − k 2t k 2 − k1 k 2 − k1 Das temporäre Gleichgewicht Neben dem thermodynamischen Gleichgewicht, d.h. dem Zustand der sich für t=∞ einstellt, wird auch der Begriff ‚temporäres Gleichgewicht’ benutzt. Für ein Gleichgewicht gilt immer, dass die Konzentrationsänderung gleich Null ist: d C=0 dt Hier müssen also die Umsätze (Reaktionsgeschwindigkeiten) der Hin- und Rückreaktion gleich sein. Gilt dies nur näherungsweise, ändert sich also der Gesamtzustand nur langsam, wird von einem temporären Gleichgewicht gesprochen. Man kann ein temporäres Gleichgewicht auch dadurch erzeugen, dass z.B. durch kontinuierliche Zugabe der Edukte und Abzug der Produkte, z.B.: im einem Strömungsreaktor, immer die gleichen Konzentrationen im System bestehen. Hier ist also ein Einsatz von Energie und Masse notwendig, um das Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Ein solches System im temporären Gleichgewicht ist unsere Atmosphäre, wobei die Energie, die zur Aufrechterhaltung des temporären Gleichgewichts benötigt wird, von der Sonne geliefert wird. Katalyse Da es nicht möglich ist, im Rahmen dieser Vorlesung ausführlich auf alle Einzelheiten der Katalyse einzugehen, sollen hier nur die Grundprinzipien der Katalyse behandelt werden. Katalyse ist nach W. Ostwald ein Prozess, der durch den Zusatz eines Stoffes beschleunigt abläuft. Der zugesetzte Stoff, der Katalysator, wird dabei nicht verbraucht. Man unterscheidet zwischen der homogenen und heterogenen Katalyse. In der ersteren liegen der Katalysator und die Edukte in der gleichen Phase vor, in der heterogenen Katalyse ist der Katalysator meistens ein Feststoff. (Im Grundstudium wurde das HaberBosch Verfahren besprochen.) Wir wollen jetzt annehmen, dass die Vorgänge der Katalyse bis in die Elementarprozesse aufgeklärt sind, und dass einer dieser Elementarschritte durch den Katalysator beeinflusst wird. Wie kann man dann die Beschleunigung durch den Katalysator erklären? In Abbildung 13 ist gezeigt, wie durch Zugabe eines Katalysators der chemische Prozess beschleunigt wird: 1. Durch den Katalysator wird eine Parallelreaktion möglich und dies bedeutet bereits eine Beschleunigung des Vorgangs. 2. Am stärksten lässt sich eine Reaktion durch die Verringerung der Aktivierungsenergie beschleunigen, da diese im Exponenten einer Exponentialfunktion steht. 3. Bei Stössen mit einer geringen Reaktionswahrscheinlichkeit kann durch die Parallelreaktion diese Wahrscheinlichkeit vergrößert werden. 4. Und schließlich kann der Umsatz einer Reaktion (oder die Reaktionsgeschwindigkeit) auch dadurch vergrößert werden, dass die Konzentrationen der beteiligten Stoffe erhöht werden. In der heterogenen Katalyse hält der Katalysator zum Beispiel ein Edukt fest und erhöht so dessen Verfügbarkeit. Abbildung 13 : Möglichkeiten zur Beschleunigung einer Elementarreaktion durch Katalyse. Ein einfaches Beispiel für eine homogene Katalyse ist der Ozonabbau in der Stratosphäre. Ohne Katalysatoren verläuft der Ozonabbau ausschließlich über die Reaktion mit Sauerstoffatomen. O3 + O → O2 + O2 Fügt man einen geeigneten Stoff X (z.B. OH, NO oder Cl) hinzu, wird dieser durch Ozon oxidiert, und anschließend das XO durch die Reaktion mit O-Atomen wieder reduziert. X + O3 → XO + O2 XO + O → X + O2 netto O3 + O → O2 + O2 In der folgenden Tabelle sind die Vorfaktoren, die Aktivierungsenergien und die Umsätze für die unkatalysierte und die beschleunigten Reaktionen aufgetragen. (Zur Berechnung der Umsätze wurden gemessene Konzentrationen der Katalysatoren und der Edukte eingesetzt. Durch das komplexe Reaktionssystem der Erdatmosphäre sind diese Werte als vorgegeben anzusetzen.) 3 -1 3 -1 -3 -1 Reaktion A [cm s ] EAkt/R [K] k [cm s ] Umsatz [cm s ] O + O3 → 2 O2 1.5 x 10-11 2218 8.8 x 10-15 3.0 x 105 O + NO2 → NO + O2 9.3 x 10-12 0 9.3 x 10-12 2.3 x 103 O3 + NO → NO2 + O2 3.8 x 10 O + HO2 → OH + O2 3.5 x 10-11 O3 + OH → HO2 + O2 1.6 x 10 -12 940 5.5 x 10 1.4 x 10 O + ClO → Cl + O2 7.7 x 10-11 130 5.0 x 10-11 3.8 x 104 O3 + Cl → ClO + O2 2.8 x 10 -11 257 1.2 x 10 -12 1580 0 -14 6 1.9 x 10 1.0 x 10 3.5 x 10-11 2.7 x 103 -14 -11 5 4 1.3 x 10 Eyring - Theorie Grundlagen n der kinetischen Gastheorie wurde so getan, als ob die Partikel eines Gases einheitliche Teilchen wären, die sich wie starre Kugeln oder elastische Bälle verhalten. Aber schon, wenn das Volumen dieser Teilchen bestimmt werden soll, trifft man auf Schwierigkeiten. Das Volumen kann einmal aus dem kritischen Daten, d.h. aus dem Kovolumen bestimmt werden. Zum anderen geht der Durchmesser aber auch in die Stoßzahl ein, und damit kann auch aus dynamischen Größen, wie z. B. der Viskosität, das Volumen bestimmt werden. Aber das "statische" und das "dynamische" Volumen der Gaspartikel stimmt nicht überein. Da die Gasmoleküle aus einem winzigen Kern und einer diffusen Elektronenwolke bestehen, können sich die Moleküle "durchdringen" und eine starke gegenseitige Beeinflussung erfahren. Aber auch, wenn sich die Teilchen noch nicht bis auf Abstände im Bereich ihres statischen Volumens genähert haben, wirken Kräfte zwischen ihnen, die die gradlinigen Flugbahnen verändern. Jede solche Veränderung wollen wir als "Stoß" bezeichnen und als "Stoßdurchmesser" einen mittleren Abstand der Teilchen, bei dem sich die Partikel messbar beeinflussen. Außerdem sollte bei dieser Betrachtungsweise eines Stoßes auch klar sein, daß die gegenseitige Beeinflussung so groß werden kann, daß nicht nur Energie zwischen den Stoßpartnern ausgetauscht wird. Die Wechselwirkungen können so stark werden, daß die Teilchen ihre Identität verlieren und neue Partikel gebildet werden. Dabei verweilen die stoßenden Teilchen auch länger als die reine "Vorbeiflugzeit" beieinander. Die Trajektorien zeigen dann, daß die Stoßpartner umeinander kreisen. Stöße, bei denen neue Produkte entstehen, sollen in Zukunft als chemisch "reaktiv" angesprochen werden. Alle anderen Stöße sollen als "elastisch" bezeichnet werden. Von H. Eyring wurde 1935 der Vorschlag gemacht, den Stoßkomplex oder Übergangszustand, auch wenn er nur die Lebenszeit einer Schwingungsperiode hat, als eine eigene chemische Verbindung, dem "aktivierten Komplex", anzusehen. Die Einführung des aktivierten Komplexes, oder des Übergangszustandes, bringt einen gewaltigen Fortschritt in der Theorie der chemischen Reaktionen mit sich. Aus der kinetischen Gastheorie erfolgt nun ohne Einschränkung die Bildung des Übergangszustandes, die damit berechenbar wird. Als "chemische Reaktion" bleibt jetzt nur noch der Zerfall einer hochangeregten Verbindung, der monomolekulare Zerfall, zu bestimmen. Entsprechend werden heute Experimente durchgeführt, die die Bedingungen aufzeigen sollen, wie der monomolekulare Zerfall funktioniert. Und die Theorie der Reaktionsdynamik beschäftigt sich mit der Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein Übergangszustand in die Produkte zerfällt. Dabei sind prinzipiell jeweils mindestens zwei Reaktionswege offen, derjenige, der zu den Produkten führt, und der zweite, der zu den Ausgangspartikeln zurückführt : 1 → 3 A+ B AB * → C+D ← 2 Ein Beispiel für den Zerfall eines größeren organischen Moleküls zeigt Abbildung 14. Abbildung 14 : Zerfallswege eines mehratomigen Moleküls Berechnet man die Kräfte und Energien, die zwischen zwei Atomen bestehen, als Funktion der Position der Kerne zueinander, so ergibt sich zuerst eine Anziehung zwischen dem Kern des einen und der Elektronenhülle des zweiten Atoms. Durchdringen sich die Elektronenhüllen, so stoßen sich sowohl die Kerne als auch die Elektronen ab. Dazwischen existiert ein Punkt, in dem sich die Kräfte aufheben, d.h. hier ist die Energie minimal. Die zugehörige Morsekurve wird im Abschnitt über den Molekülaufbau behandelt werden. Hier genügt es zu wissen, dass sich die Morsekurve aus einem anziehenden und einem abstoßenden Zweig zusammensetzt. In ihrem Minimum ähnelt sie einer Parabel. Für mehr als zwei Atome können ähnliche Diagramme für die relative Position der Kerne zueinander berechnet werden. Trägt man die Abstände eines Kerns zum Schwerpunkt der übrigen jeweils auf einer Achse eines kartesischen Koordinatensystems auf, so ergibt sich für die Energie ein n-dimensionales Gebilde, die Energiehyperfläche. Abbildung 15 : Darstellungen einer zweidimensionalen Energiehyperfläche Kennt man die Energiehyperfläche (z. B. aus spektroskopischen Daten und ab initioRechnungen), so läßt sich mit statistischen Experimenten (Monte-Carlo-Rechnungen) entscheiden, welcher Anteil des aktivierten Komplexes in welchen Kanal läuft. Eine geschlossene Theorie hierzu gibt es zur Zeit noch nicht. Es soll hier jetzt noch nicht auf die Ableitung der Eyring-Formel für die Reaktionskonstante eingegangen werden. Als Ergebnis ergibt sich für die Reaktionsgeschwindigkeit v =α⋅ kT q# ⋅ ⋅ e − ∆ε 0 h q A ⋅ qB kT [A][B] Für die praktische Anwendung bringt diese Gleichung keinen Vorteil gegenüber dem Arrhenius-Ausdruck, da auch hier ein Faktor α, die "Durchlässigkeit", eingeführt werden muß, der nur experimentell bestimmbar ist. Häufig wird die Aktivierungsenergie EA = NA ε0 aus thermodynamischen Größen abgeleitet. Dies bedeutet jedoch einen Bruch im Modell, denn ursprünglich geht die EyringTheorie vom molekularen Bild aus. Beim Übergang zum molaren Bild der Thermodynamik muß dann über alle möglichen Zustände integriert werden, wobei das ursprüngliche klare Konzept verwaschen wird. Der eigentliche Fortschritt, der durch Eyring gegeben wurde, liegt darin, daß die Vorgänge bei einer chemischen Reaktion deutlich werden, und daß durch reaktionsdynamische Betrachtungen die Reaktionskonstante im Prinzip berechenbar wird. Eyring mußte sich 1935 noch mit der Einführung molarer Größen bescheiden, während uns heute mit den Computern Werkzeuge zur Verfügung stehen, die diesen Umweg unnötig machen. Wir können heute einzelne Stöße simulieren und dann statistische Betrachtungen anstellen, die zu den molaren Größen führen. Abschließend sollen noch einige Begriffe, die von Eyring eingeführt wurden, bzw. die mit der Eyring-Theorie im Zusammenhang stehen, erläutert werden. Dies geschieht anhand einer zweidimensionalen Hyperfläche, d.h. wir betrachten einen dreiatomigen Übergangszustand. Die Basisvektoren für dieses Gebilde sind neben der Energie ε die Abstände rABC und rA-BC des Schwerpunktes eines Moleküls (AB oder BC) vom dritten Kern. Der Weg durch die Talsohle der Energiehyperfläche, d.h. unter der Linie minimaler Energie wird als Reaktionskoordinate bezeichnet. Mit Hilfe dieser Reaktionskoordinate kann dann die Reaktion in einer zweidimensionaler Abbildung erklärt werden. Es muß an dieser Stelle deutlich gemacht werden, daß die Kurve, die gemeinhin in das Koordinatensystem Energie vs. Reaktionskoordinate eingezeichnet wird, nicht den Reaktionsverlauf wiedergibt, sondern die Minimal-Energie entlang der Reaktionskoordinate darstellt. Hat ein System (hier aus drei Atomen) eine Gesamtenergie, die kleiner ist als die Energie des aktivierten Komplexes, so kann der Endzustand nicht erreicht werden, die Ausgangssubstanzen werden nach dem Stoß zurückgebildet. Erst wenn die Energie des Edukt-Systems größer ist als das Energiemaximum, können Produkte gebildet werden, die dann ihre Überschußenergie in Stößen oder durch spontane Lichtemission (Chemolumineszenz) abgeben, um in den Grundzustand zu gelangen. Die Abbildung 15 zeigt die zweidimensionale Energiehyperfläche für ein dreiatomiges Teilchensystem in verschiedenen Darstellungsformen. In der perspektivischen Zeichnung ist die Talsohle des Energiegebirges, d.h. die Linie, die als Reaktionskoordinate bezeichnet wird, dargestellt. Die zweite Zeichnung ist eine Darstellung der Energiehyperfläche in Form von Höhenlinien. In ihr sind unterschiedliche "Reaktionswege" eingezeichnet. Ist die Systemenergie nicht für eine chemische Reaktion ausreichend, so wird im Stoß Translationsenergie in Vibrationsenergie und umgekehrt überführt. Aber auch wenn genug Energie im System vorhanden ist, läuft der Reaktionsweg nicht unbedingt über dem Sattelpunkt, d.h. den aktivierten Komplex, in den Produktkanal. Durch die Reflexionen an den "Energiebergwänden" ist es durchaus möglich, daß das System wieder in den EduktKanal mündet. Durch Monte-Carlo-Rechnungen, bei denen die Systemenergie und die Aufteilung in translatorische und vibratorische Energie mittels Zufallszahlen zugeordnet wird, wird dann der Übergang vom mikroskopisch in den makroskopischen Zustand simuliert. Die Ableitung der Eyring-Formel Eyring‘s Theorie geht von folgenden Postulaten aus : 1) Der aktivierte Komplex wird als ein realer Molekülzustand angesehen, auch wenn er nicht experimentell faßbar ist. In Bezug auf die Energiehyperfläche liegt er auf einem Sattelpunkt, d.h. in (n-1) Richtungen hat der Komplex ein Energieminimum, in einer Richtung, der Reaktionskoordinate, jedoch ein Maximum. Der Sattelpunkt besitzt die Energie ε*0 . 2) Es besteht ein thermodynamisches Gleichgewicht zwischen den Ausgangsstoffen und dem Übergangszustand. Dieses Postulat ist nicht ganz einsichtig. Der Zerfall in die Produkte kann genauso schnell sein, wie der in die Edukte. Deshalb wird das 3. Postulat aufgestellt : 3) Die Produktbildung stört das thermodynamische Gleichgewicht nicht. Wir nehmen jetzt an, daß trotz unserer Bedenken ein aktivierter Komplex existiert, der die Postulate 1-3 erfüllt. Dann läßt sich aus dem Massenwirkungsgesetz eine Gleichgewichtskonstante bestimmen : [AB ] K = * [A][B] Diese Gleichgewichtskonstante wird nach der statistischen Thermodynamik auch als Quotient von Zustandssummen ausgedrückt. {Zustandssummen beschreiben die Besetzung der Energiezustände (Translation, Rotation, Vibration und elektron. Anregung) eines Moleküls. Eine ausführliche Behandlung erfolgt später} K = q AB* q A ⋅ qB In dieser Gleichung sind die Zustandssummen der Edukte bekannt. Die Zustandssumme des aktivierten Komplex ist jedoch fast immer unbekannt und muß abgeschätzt werden. 4) Das 4. Postulat nimmt jetzt Bezug auf die Tatsache, daß der Übergangszustand auf einem Sattelpunkt liegt. Da dieser Sattelpunkt in n-1-Richtungen ein Energieminimum darstellt, soll sich der Komplex fast wie ein "normales" Molekül verhalten. In der Richtung der Reaktionskoordinate geht jedoch eine Schwingung in eine Translation über. Wenn die Teile des aktivierten Komplexes zusammenkommen und wieder auseinander fliegen, führen sie gerade eine Schwingung aus. Die Frequenz ν dieser Schwingung geht gegen 0. Man zieht daher den Anteil der Schwingung aus der Zustandssumme qAB# heraus und erhält : K = Der Term e − ∆ε 0* kT * q# kT ⋅ ⋅ e − ∆ε 0 kT hv q A ⋅ q B beschreibt die Nullpunktsenergie des Sattelpunktes : ∆ε 0* = ε 0* − (ε 0, A + ε 0, B ) Er wurde aus der Gesamtzustandssumme des Übergangszustandes herausgezogen. Mit dieser Größe erhalten wir eine Deutung der experimentell beobachteten Aktivierungsenergie. Der Faktor kT hv ergibt sich, da die Besetzung eines Schwingungsniveaus proportional 1 1 kT zu ist, und = − hv kT lim − hv kT 1− e hν v →0 1 − e Es ist zu beachten, daß q# jetzt nicht mehr die gesamte Zustandssumme des aktivierten Komplexes ist, sondern nur noch die n-1 Schwingungen beschreibt. 5) Nach dem 5. Postulat ist die beobachtete Reaktionsgeschwindigkeit durch die Geschwindigkeit bestimmt, mit der der aktivierte Komplex in Richtung Produktbildung die Energieschwelle überquert. Damit wird die Reaktionsgeschwindigkeit gleich dem Produkt aus der Konzentration des aktivierten Komplexes und der Frequenz der zum Zerfall führende Schwingung : [ ] v R = α ⋅v ⋅ AB # = α ⋅ν ⋅ q# kT ⋅ ⋅ e − ∆ε 0 hv q A ⋅ q B kT [A][B ] Hier wurde zusätzlich die Durchlässigkeit α eingeführt, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass die Potentialschwelle auch wirklich überschritten wird. An dieser Stelle soll die Ableitung der Eyring'schen Reaktionskonstante abgebrochen werden. Der nächste Schritt, nämlich die Ersetzung der Nullpunktsenergie ∆ ε#0 durch die Reakionsenthalpie ∆G verläßt das Teilchenbild und führt daher zu weiteren Schwierigkeiten in der Interpretation der Formel. Der Lindemann-Hinshelwood Mechanismus Es soll jetzt das folgende Reaktionssystem berechnet werden : A 1 → ← 2 B → C 3 Alle drei Reaktionsschritte sollen hierbei von 1. Ordnung oder pseudo-1. Ordnung sein. Dieses Reaktionssystem wird dann durch ein Differentialgleichungssystem mathematisch beschrieben : dA = − k1 A + k 2 B dt dB dA = + k1 A − k 2 B − k 3 B = − − k3B dt dt dC = + k3 B dt Ein solches Differentialgleichungssystem läßt sich gerade noch vollständig lösen, wobei der Lösungsweg hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt ist. d 2B dA dB = k1 ⋅ − (k 2 + k 3 ) ⋅ 2 dt dt dt dB dB = − k1 ⋅ + k 3 B − (k 2 + k 3 ) ⋅ dt dt d 2B dB + (k1 + k 2 + k 3 ) ⋅ + k1k 3 B = 0 2 dt dt Für diese homogene Differentialgleichung 2. Ordnung können wir uns aus unserer Erfahrung heraus einen Ansatz überlegen. B ist ein Zwischenprodukt, es muß also zuerst gebildet und dann wieder abgebaut werden. Beide Vorgänge werden durch Exponentialfunktionen beschrieben, der Gesamtvorgang also durch eine Linearkombination : B = a ⋅ e − K1T + b ⋅ e − K 2T + c Außerdem können wir hier gleich die Randbedingungen mit einbeziehen. Da wir es mit einer Differentialgleichung 2. Ordnung zu tun haben, benötigen wir 2 Randbedingungen : Als Zwischenprodukt ist [B] an Anfang und am Ende gleich Null. Damit wird unser Ansatz zu : ( B = a ⋅ e − K1 t − e − K 2 t ) ( dB = a ⋅ − K1e − K1 t + K 2 e − K 2 t dt mit ( d 2B = a ⋅ K12 e − K1 t − K 22 e −K2 t 2 dt ) ) Dieser Ansatz wird jetzt in die Differentialgleichung eingesetzt : ( ) ( ) ( a ⋅ K12 e − K 1t − K 22 e − K 2 t + a ⋅ (k1 + k 2 + k 3 ) ⋅ K12 e − K1 t − K 22 e − K 2 t + a ⋅ k1k 3 ⋅ e − K1 t − e − K 2 t Die Gleichung kann zuerst durch a gekürzt werden. Außerdem muß die Gleichung für alle Zeiten gelten. Die Zeitabhängigkeit wird aber durch die e-Funktion ausgedrückt : e − K 1t (K 12 − (k1 + k 2 + k 3 )K 1 + k1 k 3 ) − e − K 2 t (K 22 − (k1 + k 2 + k 3 )K 2 + k1 k 3 ) = 0 Somit muß, da die Exponentialfunktion selbst nicht Null wird, jeder Koeffizient für sich gleich Null werden : K 12 − (k1 + k 2 + k 3 ) K 1 + k1k 3 = 0 K 22 − (k1 + k 2 + k 3 ) K 2 + k1 k 3 = 0 Diese beiden Gleichungen sind jedoch identisch. Ihre Lösungen ergeben sich aus dem Binominalsatz zu 2 K 1, 2 oder : k + k2 + k3 k + k2 + k3 = 1 ± 1 − k1 k 3 2 2 K 1, 2 = ( k1 + k 2 + k 3 1 ± 1− x 2 ) mit x= 4 k1 k 3 (k1 + k 2 + k 3 )2 Da x immer klein ist gegen 1, kann die Wurzel als Reihenentwicklung geschrieben werden, wobei nach dem 1. Glied abgebrochen wird : 1− x = 1− x 2 Es ergeben sich also für die Geschwindigkeitskonstanten K1 und K2 : K 1 = k1 + k 2 + k 3 ) =0 und : K2 = k1 + k 2 + k 3 k1k 3 2k1k 3 ⋅ = 2 (k1 + k 2 + k 3 )2 k1 + k 2 + k 3 In K1 wurde das Glied mit x weggelassen, da es nach Voraussetzung klein gegen 1 ist. Außerdem gilt gemäß der Ableitung K1 >> K2 Wir wollen jetzt unsere Betrachtungen nicht auf die Anfangsvorgänge im Zeitraum τ1 = 1 K1 , sondern auf den Zeitraum τ2 = 1 K2 , der für den größeren Abschnitt der Existenz von B gilt, richten. In diesem Zeitabschnitt gilt : ( ) B = a ⋅ e − K2 t − e − K1 t ≈ a ⋅ e − K2 t Mit der Geschwindigkeitskonstanten K2 können jetzt ganz unterschiedliche Reaktionen beschrieben werden. Lindemann und Hinshelwood haben damit die Unimolekularen Reaktion beschrieben. Da ein Molekül nur im angeregtem Zustand reagiert, muß der eigentlichen Produktbildung eine Anregung im Stoß mit dem Medium (Lösungsmittel) vorausgehen. Dabei wird Translationsenergie in interne Energie umgewandelt : ,M 1→ 3 A A* → Pr od. ← 2, M Die Einzelschritte 1 und 2 sind hier von pseudo 1. Ordnung und damit gilt für K2 nach Einsetzen der bimolekularen Reaktionskonstanten: K2 = k1 k3 M k1 M + k2 M + k3 Desweiteren wollen wir jetzt die Druckabhängigkeit der Konstanten K2 diskutieren. Für geringe Drücke ist der überwiegende Term im Nenner die Reaktionskonstante k3. Die von M abhängigen Terme können dann vernachlässigt werden, und es ergibt sich lim K 2 = k1 ⋅ M M →0 Entsprechend fällt bei hohen Drücken der Term k3 weg und es folgt : lim K 2 = M →∞ k1 ⋅ k 3 k1 + k 2 Nun wird dieser asymptotische Wert als k∞ und die Steigung für geringe Drücke mit k0 bezeichnet : k 0 ≡ k1 k∞ ≡ k1 ⋅ k 3 k1 + k 2 Mit diesen Abkürzungen läßt sich dann die Formel für K2 durch die beobachtbaren Werte k0 und k∞ beschreiben : K2 = k1 ⋅ M k0 ⋅ M = k1 + k 2 k ⋅ M +1 1+ 0 ⋅ M k3 k∞ Aber unsere Ausgangsbeziehung A → ← B → C läßt sich auch noch für weitere Reaktionen verwenden, z.B. für die Rekombination. Bei der Rekombination muß die Überschußenergie abgeführt werden, da sie ausreichen würde, das entstandene Molekül wieder zu zerstören. (Bindungsenergie = Dissoziationsenergie). Als Reaktionsschema ergibt sich somit : A+ B 1 → ← 2 AB * M → 3 AB Und für K2 : K2 = k1 ⋅ B⋅ k 3 ⋅ M k1 ⋅ B + k 2 + k 3 ⋅ M k1B ist hierbei meist klein gegen k3M und wird im Nenner vernachlässigt. Führen wir jetzt wieder die beobachtbaren Größen k0 und k∞ ein, so folgt : K2 = k0 ⋅ B ⋅ M k ⋅M 1+ 0 k∞ mit k 0 ≡ k1 und k∞ ≡ k1 ⋅ k 3 k1 + k 2 Und noch eine weitere Reaktion läßt sich mit einer solchen Formel beschreiben, die homogene Katalyse, z.B. eine Enzym-katalysierte Reaktion : 1 → A+ E AE ← 2 AE + B → AB + E 3 Jetzt gilt für K2 : K2 = k1 ⋅ E ⋅ k 3 ⋅ B k1 ⋅ E + k 2 + k 3 ⋅ B Zuerst soll die Abhängigkeit von K2 von B bei im Überschuß vorhandenem Katalysator diskutiert werden. Dabei ergibt sich : k0 = und k1 ⋅ E ⋅ k 3 k1 ⋅ E + k 2 k ∞ = k1 ⋅ E Für K2 folgt damit wiederum K2 = k0 ⋅ B k ⋅B 1+ 0 k∞ Und für die Katalysator-Abhängigkeit bei konstantem B ergibt sich : k0 = k1 ⋅ k 3 ⋅ B k2 + k3 ⋅ B k∞ = k3 ⋅ B und K2 = k0 ⋅ E k ⋅E 1+ 0 k∞ Atom-Modelle Am Ende des 19. Jahrhunderts war man allgemein der Auffassung, alles mechanisch erklären zu können, also auch die Frage: Wieviel Licht kommt aus dem Loch eines schwarzen Kastens? Die Beantwortung dieser Frage führte zu den Strahlungsgesetzen von Stefan-Boltzmann, Wien, Rayleigh-Jeans und Planck. Das Gesetz von Stefan und Boltzmann besagt : L= c0 ⋅a 4 T 4π d.h.: Die Strahlungsdichte L eines Schwarzen Körpers ist proportional der vierten Potenz der Temperatur, die im Inneren eines Schwarzen Körpers herrscht. c0 ist die Lichtgeschwindigkeit. Das Wien’sche Verschiebungsgesetz ist als Zusammenhang zwischen den Maxima der Strahlungsdichte bekannt. Für diese gilt die Beziehung : λmax ⋅T = const ≈ 3000 µm K Für große Werte von λ ⋅ T zeigen sich Abweichungen vom Wien’schen Verschiebungsgesetz. Hier kann besser das Rayleigh-Jeans-Gesetz L( λ,T ) = 2 c0 k λ5 ⋅(λ ⋅ T) angewendet werden, das seinerseits für kleine Werte von λ ⋅ T nicht zutrifft. Im Jahr 1900 legte Planck eine Strahlungsformel vor, die das Wien’sche Verschiebungsgesetz und das Rayleigh-Jeans-Gesetz als Grenzformen enthält: L( λ,T ) = 2 c0 ε λ4 ⋅ 1 e ε kT − 1 Da die Spektren von Atomen Linien aufweisen, musste Planck annehmen, dass die Energieaufnahme und -abgabe in dem betrachteten Hohlkörper gequantelt ist. Damit ergibt sich dann ein einfacher Zusammenhang zwischen der Energie des Lichts und der Frequenz. Dabei ist h das Planck’sche Wirkungsquantum. ε = h⋅ν = h ⋅ c0 h = 6.0 × 10-34 Js λ Planck selbst war garnicht glücklich darüber, dass er die Hilfsgröße ‚h‘ einführen musste, und meinte, dass diese sicher auch noch auf mechanische Größen zurückgeführt werden wird. Abbildung 18 : Das Linienspektrum der Balmer-Serie des H-Atoms Das ‚Werkzeug‘, mit dem man den Aufbau der Materie untersuchen kann, ist die Spektroskopie. 1885 findet Johann Balmer (Schweizer Lehrer) Die Formel für die Frequenzen der sichtbaren Linien des Wasserstoff-Spektrums.: Diese Formel wird von Johannes Rydberg (Schweizer Astronom) verallgemeinert (1890): ν = 1 λ 1 1 = 109680 2 − 2 n2 n1 Ry 1 1 hν = h ⋅ c0 ⋅ Ry 2 − 2 n1 n2 oder n 2 > n1 ∆E = E1 − E2 Nils Bohr fasste die Ergebnisse der Strahlungs- und Spektroskopieexperimente : 1) Atome bestehen aus Elektronen und Kernen, 2) die Lichtenergie ist gequantelt, (Rutherford) (Planck, Einstein) 3) die Linienspektren entsprechen Termübergängen (Rydberg, Ritz) zusammen und stellte 1913 ein hypothetisches Modell vor. Obwohl dieses Modell unbefriedigend ist, da es im Widerspruch zur Maxwell’schen Elektrodynamik steht, hat es sich doch als ein einfaches und praktikables Modell bis heute erhalten. Insbesondere die Anordnung der Elemente im Periodensystem kann dadurch erklärt werden. Die Definition des Auflösungsvermögens eines Mikroskops nach Ernst Abbe hat Werner Heisenberg verallgemeinert. Er sagte, dass grundsätzlich für die Paare Impuls/Weg bzw. Energie/Zeit die Unschärfe-Relation gilt: ∆ε ⋅ ∆t≥h ∆x ⋅ ∆p≥h Im Jahre 1924 wagte Louis de Broglie einen entscheidenden Schritt, der die Entwicklung der Quantenmechanik auslösen sollte: Er behauptete, dass auch die Materie Welleneigenschaften besitzt. λ= h m⋅v Die Schrödinger-Gleichung Schödinger geht jetzt über die Annahme von Bohr, daß sich die Elektronen auf Bahnen um den positiven Kern bewegen, hinaus, in dem er dem Konzept der Bahnen das Konzept der Orbitale entgegensetzt. Orbitale sind Orte der maximalen Wahrscheinlichkeit, ein Elektron anzutreffen, sagen aber, im Gegensatz zu den Bahnen, nichts über die Bewegungsrichtung der Elektronen aus. Dieses Konzept enthält also die Heisenberg'sche Unschärferelation, daß nicht gleichzeitig Ort und Impuls (~ Geschwindigkeit) bekannt sein können. Während Bohr die Quantenzahlen n und m der Serienformel bestimmten Bahnen zuordnete (und damit bereits bei den Nebenquantenzahlen Schiffbruch erleiden mußte), geben die heute benutzten Schrödinger'schen Quantenzahlen nur den Energiezustand eines Elektrons an. Die Schrödinger-Gleichung kann nicht exakt abgeleitet werden, aber de Analogie zum Energiesatz der Mechanik kann Einsichten in das Verständnis der Gleichung bringen. Ersetzt man im Energiesatz der Mechanik E gesamt = E kin + E pot = 1 ⋅ mv 2 + V = 2 den Impuls mv durch den Impulsoperator Potentialoperator V ergibt sich i⋅ ⋅ 1 ⋅ ( mv ) 2 + V 2m ∂ , die potentielle Energie durch den ∂x und die Gesamtenergie durch die Energieeigenwerte E ∂2 − 2m ∂x 2 2 +V , so =E Wendet man diese Operatorgleichung auf die Größe Ψ an, so erhält man eine ausführbare Gleichung. ∂2 − ⋅ψ + V ⋅ψ = E ⋅ψ 2m ∂x 2 2 Die Größe ψ, auf die die Operatoren angewendet werden, ist erst einmal beliebig. Sie wird nur eingefügt, um die Gleichung zu vervollständigen und lösbar zu machen. Die Ersetzung des Impulses durch den Operator leitet sich aus folgender Überlegung her. Nach Heisenberg ist : h = ∆ε ⋅ ∆t =ˆ ∆mv ⋅ ∆x und damit gilt dann : ∆m⋅v = h ∆x oder, wenn 1/∆x durch den Operator ∂ / ∂ x ersetzt wird h⋅ ∂ =ˆ ∆ m ⋅ v ∂x Die Zustandsfunktion ψ selbst hat keine anschauliche physikalische Bedeutung. Diese kann sie auch aufgrund ihrer rein mathematisch begründeten Einführung nicht haben. Die physikalische Bedeutung der Schrödinger Gleichung steckt in den Operatoren. Ψ wurde nur eingeführt, um die Operator-Gleichung zu vervollständigen. Ψ ist jedoch, ähnlich wie in der Thermodynamik die Entropie, eine geeignete Größe, mit der gerechnet werden kann, und die in Kombinationen eine physikalische Bedeutung erhält. Z.B. ist das Quadrat (in komplexer Schreibweise) gleich der Aufenthaltswahrscheinlichkeit des betrachteten Partikels : P = ψ ⋅ψ * (Es ergibt sich eine Analogie zu der imaginären Einheit i, die in ψ enthalten ist. Auch i hat keine anschauliche Bedeutung, sein Quadrat ist jedoch eine vorstellbare Zahl : i2 = -1.) Man kann damit die Schrödinger-Gleichung auch auffassen als eine Gleichung für die Bestimmung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Partikels. Damit ergibt sich nun das grundsätzlich Neue der Quantenmechanik. Für ein Atommodell heißt dies : Es wird nicht mehr die Bahn eines Elektrons bestimmt, sondern das zugehörige Orbital als Ort der maximalen Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Damit ist die Frage: Wie kommt ein Elektron von A nach B sinnlos, denn hier wird der Orbitalbegriff mit dem Bahnbegriff gemischt. Der eindimensionale Potentialtopf Die Leistungsfähigkeit der Schrödinger Gleichung soll am Beispiel des eindimensionalen Potentialtopfes demonstriert werden. Der Potentialtopf ist dadurch definiert, daß im Bereich 0 ≤ x ≤ a das Potential gleich Null ist, überall sonst dagegen unendlich. Damit ergibt sich für die Schrödinger-Gleichung eine Differentialgleichung : 2mE ∂2 ⋅ψ = − 2 ⋅ψ = − k 2 ⋅ψ 2 ∂x mit k2 = 2mE 2 deren partielle Lösung die trigonometrischen Funktionen und allgemein ψ = A sin(kx ) + B cos(kx ) sind. Abbildung 18 : Schrödingerfunktion und Aufenthaltswahrscheinlichkeit für den 1-dim. Potentialtopf. In Abbildung 18 sind die Wellenfunktion und die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für die untersten Energieniveaus dargestellt. Im untersten Niveau ist die Wahrscheinlichkeit, das Objekt anzutreffen, in der Mitte des Potentialtopfs am größten. Je größer die Quantenzahl wird, umso mehr Perioden der Aufenthaltswahrscheinlichkeit passen in den Topf. Das bedeutet aber, dass die Wahrscheinlichkeit das Partikel anzutreffen, immer weniger ortsabhängig wird. Aus den Randwerten ψ (0) = ψ ( a ) = 0 ergibt sich dann die Lösung für k und damit für die Energieeigenwerte εi : 1) 2) 0 = A sin(0) + B cos(0) ⇒ B≡0 ⇒ εi = i2 ⋅ a ⋅ k = i ⋅π h2 8ma 2 Dies ist die Formel für die Energiezustände einer translatorischen Bewegung in einer Dimension. In einem dreidimensionalen Raum hat auch die Schrödinger Funktion drei Dimensionen, genauso wie das Potential und die Energie. Entsprechend muss im Impulsoperator nach den drei Raumkoordinaten abgeleitet werden und für die Schrödinger Gleichung ergibt sich ∂2 ∂2 ∂2 Ψ =E Ψ − + + 2m ∂x 2 ∂y 2 ∂z 2 2 Als Ergebnis ergibt sich für die Schrödinger Funktion Ψges = Ψx Ψy Ψz und für die Energiewerte E ges = E x + E y + E z Die Ψi sind die eindimensionalen Schrödinger Funktion in der entsprechenden Richtung und für die Energien gilt Analoges. Die Energie-Niveaus der Rotation Wir betrachten jetzt ein Teilchen, das sich auf einer Kreisbahn bewegt, auf der überall das Potential V=0 herrscht. Die zugehörige Schrödinger-Gleichung lautet : ∂2 ∂2 ⋅ψ = E ⋅ψ − + 2m ∂x 2 ∂y 2 2 Diese Gleichung entspricht der eines zweidimensionalen Potentialtopfes. Die Lösung könnte durch Aufspalten der Gleichung nach x und y erhalten werden, wenn nicht die Kreisbahn x2 + y2 = r2 vorgeschrieben wäre. Um dieser Einschränkung Rechnung zu tragen, wird zu Polarkoordinaten übergegangen x = r ⋅ cos φ y = r ⋅ sin φ Der Winkel Φ ist hier also variabel und das Potential hängt von r ab. Damit ist der Fall der Rotation eines starren Körpers auf den Fall des eindimensionalen Potentialtops zurückgeführt. Der Nabla-Operator geht dabei über in : ∂ ∂ , = ∇ x , y ∂x ∂y ⇒ 1 1 ∂ ∇φ = r r ∂φ und damit gilt dann für die Schrödinger-Funktion ∂2 − ⋅ψ = E ⋅ψ 2mr 2 ∂φ 2 2 oder umgestellt : 2mr 2 ⋅ E ∂2 ⋅ ψ = − = − k 2 ⋅ψ 2 2 ∂φ Die Lösung dieser Differentialgleichung lautet, wie wir gesehen hatten : ψ = A sin(kφ ) + B cos(kφ ) Nun müssen noch die Randbedingungen eingesetzt werden : 1. Ψ(2π) = Ψ(0) = 0 und 2. Ψ(Φ+2π) = Ψ(Φ) Damit die erste Randbedingung erfüllt ist, muß gelten : 0 = A sin(j∗0) + B cos(j∗0) oder B = 0 Der Parameter j entspricht dem Parameter k aus der Gleichung für den Potentialtopf. Die zweite Randbedingung ergibt dann Ψ(Φ+2π) = A sin(kΦ+2kπ) = = A {sin(jΦ) cos(2jπ) + cos(jΦ) sin(2jπ)} = = A sin(jΦ) (nach Voraussetzung) Das gilt für 2 j π = 0, 2 π, 4 π, ... also j = 0, 1, 2, ... und damit wird für die Energieeigenwerte die folgende Formel erhalten 2mr 2 ⋅ E = j2 2 oder E= 2 2mr 2 ⋅ j2 Bisher haben wir den starren Rotator betrachtet, bei dem eine Masse m auf einer Kreisbahn des Radius r umläuft. Moleküle dagegen sind freie Rotatoren, bei denen mehrere Massenpunkte sich um eine Achse durch den Schwerpunkt drehen. In diesem Fall ergibt sich bei genauerer Betrachtung mit der Rotationsquantenzahl J : E = J ⋅ ( J + 1) ⋅ 2 2mr 2 Das Elektron im Coulomb-Feld Ein Elektron, das sich im Coulomb-Feld eines Z-fach geladenen Kerns aufhält, erfährt ein Potential der Größe Ze 2 1 V (r ) = − ⋅ 4πε 0 r Anstelle der Masse m eines Teilchens muss die reduzierte Masse µ aus Kern und Elektron eingesetzt werden : 1 µ = 1 1 1 + ≈ mK mE mE Somit hat die Schrödinger-Gleichung also folgende Form : 2 Ze 2 1 − ⋅∇ ψ − ⋅ ⋅ψ = E ⋅ψ 2µ 4πε 0 r 2 In Polarkoordinaten gilt für die Operator ∇2 : ∂2 ∂ 1 ∂2 1 1 1 ∇ = ⋅ 2 + ⋅ 2 ⋅ 2 + ⋅ r ∂r r sin ϑ ∂φ sin ϑ ∂ϑ 2 ∂ ⋅ sin ϑ ⋅ ∂φ Zur Lösung der Schrödinger-Gleichung separieren wir die Wellenfunktion in einen Teil, der nur vom Radius abhängt und eine Funktion, in die die Winkel eingehen. ψ = ψ r ⋅ψ ϑ , φ Die Lösungen für die winkelabhängige Funktion sind Kugelfunktionen, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Sie ergeben die Form der Orbitale abhängig von den Nebenquantenzahlen. Für den Radius-abhängigen Teil gilt : Ze 2 1 ∂2 − ⋅ ⋅ψ r − ⋅ ⋅ψ r = E ⋅ψ r 2 µr ∂r 2 4πε 0 r 2 Nach Einsetzen der Randbedingungen erhält man für die Energie-Eigenwerte : 1 Z 2 ⋅ e4 E =− 2⋅ n 32 ⋅ π 2 ⋅ ε 02 ⋅ 2 1 Z 2 ⋅ e4 =− 2⋅ n 8 ⋅ ε 02 ⋅ h 2 Für die Energiedifferenz zwischen einem Niveau n und einem anderen m ergibt sich die Rydberg-Formel : Z 2 ⋅ e4 1 1 ∆E = ⋅ − 2 2 2 2 8 ⋅ε0 ⋅ h n m also die Beschreibung der Serien-Spektren der Wasserstoff-ähnlichen Atome. Der Tunneleffekt Als nächstes wollen wir die Wellenfunktion eines Teilchens im konstanten Potentialfeld betrachten. Wir beschränken uns wieder auf eine Dimension : ∂2 − ⋅ ⋅ ψ + V ⋅ψ = E ⋅ ψ 2 m ∂x 2 2 Da V konstant ist, können wir es mit dem (ebenfalls konstanten) Energie-Eigenwert zusammenfassen : ∂2 − ⋅ ⋅ ψ = (E − V ) ⋅ ψ 2 m ∂x 2 2 Die Lösung dieser Differentialgleichung kennen wir schon, sie lautet : ψ = c ⋅ e ik x mit k2= (E − V ) ⋅ 2m 2 also : ψ = c ⋅ e i⋅ ( E −V )⋅2 m 2 ⋅x = c ⋅ ei⋅2π x λ wobei die Wellenlänge λ gegeben ist durch λ = h 2 m ⋅ (E − V ) Je größer V wird, um so größer wird also auch λ. Überschreitet V den Energie-Eigenwert E, so wird der Wert unter der Wurzel positiv und damit α nicht mehr imaginär. Ψ ist dann eine abklingende Exponentialfunktion : ψ = c ⋅ e− (V − E )⋅2 m 2 ⋅x Liegt jetzt eine Energie-Barriere von endlicher Höhe vor, so könnte ein Teilchen, das der klassischen Theorie gehorcht, diese nicht überschreiten, da ihm die Energie dazu fehlt. Quantenmechanisch betrachtet hat das Teilchen jedoch durchaus noch eine endliche Wahrscheinlichkeit, auf der Rückseite der Barriere angetroffen zu werden, es "tunnelt" also durch den Energieberg. Der Tunneleffekt zeigt sich bei vielen spektroskopischen Beobachtungen und findet seine praktische Anwendung in der Halbleitertechnik (Tunneldiode) und bei der Raster-TunnelElektronenmikroskopie. 1. Rechenbeispiel Gesucht ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Elektrons in einem Potentialtopf von 0.3 nm Länge, sowie die Energieeigenwerte dieses Problems. Wann ist die Energie gleich k T300K ? a = 3 ×10 −10 m ⇒ 2 i ⋅ π 10 P = 1010 ⋅ sin 2 10 x 3 a m=9.1×10 −31 kg h = 6.6 × 10−34 Js ( Js=kg m 2 s −1 ) h2 En = i ⋅ 8ma 2 2 =i (6.6 ×10 ) ⋅ 8 ⋅ 9.1×10 ⋅ (3 × 10 ) −34 2 2 −10 2 −31 kg 2 m 4 s −2 kg m 2 43.6 ×10 −68 =i ⋅ kg m 2 s −2 −51 655.2 ×10 2 = i ⋅ 0.0665 ×10 −17 kg m 2 s −2 2 = i 2 ⋅ 6.65 ×10 −19 J Die thermische Energie bei 300 K beträgt: k = 1.38 × 10−23 JK −1 E = k ⋅ T = 414 ×10 −23 = 4.14 ×10 −21 J D.h. die mittlere thermische Energie eines Teilchens reicht nicht aus, um ein Elektron von n = 1 auf n = 2 zu bringen: 4.14 × 10 −21 J < 6.65 × 10 −19 J Damit gilt für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit, daß sich das Elektron bevorzugt im mittleren Bereich des Potentialtopfs aufhält, da i = 1 ist. 2. Rechenbeispiel Wie groß sind die Energieeigenwerte eines Stickstoffmoleküls in einem Zimmer (a = 6m) ? m = 28 g 6 × 1023 = 4.7 × 10−23 g = 4.7 × 10−26 kg En h2 2 = n ⋅ 2 = n ⋅ 8m a 2 43.6 × 10 −68 8 ⋅ 4.7 × 10 −26 ⋅ 36 kg m 2 s −2 = n 2 ⋅ 3.2 × 10 −44 J Bei 300 K ist damit die Quantenzahl n: kT300 = 4.41 × 10 −21 J = n 2 ⋅ 3.2 × 10 −44 J n oder n 2 = = 4.14 × 10 −21 3.2 × 10 −44 13 × 10 22 = 1.3 × 10 23 = 3.6 × 1011 Das heißt aber, daß in die 6m Zimmerlänge 3.6×1011 Perioden hineinpassen, also daß quasi die Aufenthaltswahrscheinlichkeit überall gleich groß ist. d = 6m 3.6 ×1013 = 1.6 × 10 −13 m << Φ N 2 = 3.15 ×10 −10 m 3. Rechenbeispiel Wie groß sind die Energieeigenwerte der Rotation von O2 um eine Achse senkrecht zur Bindung bei Raumtemperatur ? Die Masse des Sauerstoffmoleküls beträgt m = 32 g 6 × 10 23 = 5.3 × 10 −26 kg Bei einer Bindungslänge von 2,6 A ist der Radius der Hantel r = 1.3 A = 1.3 × 10 −10 m Für die Energie-Eigenwerte gilt damit : Eℑ = ℑ( ℑ + 1) 43.9 × 10 −68 h2 ( ) 1 = ℑ ℑ + 8 ⋅ π 2 ⋅ 5.3 ×10 −26 ⋅1.69 ×10 −20 8π 2 mr 2 Eℑ = ℑ( ℑ + 1)⋅3.6 ×10 −23 [J ] Die termische Energie beträgt bei 300 K k ⋅ T300 = 4.14 × 10 −21 J Also 4.14 × 10 −21 = ℑ( ℑ + 1)⋅ 3.6 × 10 −23 ℑ( ℑ + 1) ≈ 115 oder ℑ ≈ 11 Bei Zimmertemperatur ist also die Rotation des Sauerstoffmoleküls um eine Achse senkrecht zur Bindung angeregt. 4. Rechenbeispiel Wie groß ist die Energie, die benötigt wird, um ein Sauerstoff-Molekül um seine Bindungsachse rotieren zu lassen ? -26 kg, aber der Radius der Die Masse des O2-Moleküls ist wieder gleich 5.3×10 Drehbewegung ist jetzt viel kleiner als im ersten Beispiel. r = 1.2×10-15 3 M [m] mit M=32 als Molekulargewicht des Sauerstoffs, also ist r = 4.76×10-15 m. Damit wird selbst für J = 1 die Anregungsenergie sehr groß : 43.9 × 10 −68 E = 1⋅ 2 ⋅ 2 = 9.24 × 10 −15 − 26 − 30 8π ⋅ 5.3 × 10 ⋅ 22.7 × 10 [J ] Bei 300 K war die termische Energie 4.14×10-21 J, um eine Anregungsenergie von 9.24×10-15 J zu erreichen, müßte die Temperatur 2×106 K betragen. Da so hohe Energie nicht aufgebracht werden können, wird häufig davon gesprochen, daß ein lineares Molekül nur zwei Freiheitsgrade der Rotation besitzt. Richtiger wäre es, zu sagen, daß nur zwei termisch anregbare Freiheitsgrade gibt. 5. Rechenbeispiel Es soll das Ionisationspotential von atomarem Wasserstoff und von Natriumatomen berechnet werden. Hierzu wird die Rydberg-Formel benötigt. Die Rydberg-Konstante R0 ergibt sich zu e4 ⋅ µ (1.60 ×10 −19 As ) 4 ⋅ 9.11×10 −31 kg R0 = 2 2 = = 2.179 ×10 −18 J −12 2 −34 2 8ε 0 ⋅ h 8 ⋅ (8.85 ×10 As / Vs) ⋅ (6.63 × 10 Js) Für Wasserstoff ist die Ladungszahl gleich 1 und die Bahn-Quantenzahl m ist ebenfalls gleich 1. Für eine Ionisation muß das Elektron von der Bahn m=1 auf das Niveau n= ∞ angehoben werden. Damit ergibt sich für die Ionisationsenergie 1 1 E Ionisation = R0 − = 2.179 × 10 −18 J = 13.60eV ∞ 1 Dabei wurde eingesetzt, daß 1J = 6.24×1018 eV ist. Der gemessene Wert beträgt 13.614 eV. Für andere Atome ist die Übereinstimmung nicht so gut, wie am Beispiel des Natriums demonstriert werden soll. Für Natrium ist die Bahn-Quantenzahl m=3. die Kernladungszahl ist 11, aber diese Kernladung ist durch 10 Elektronen abgeschirmt. Die effektive Kernladungszahl ist also 1. Damit ergibt sich dann 1 1 1 E Ionisation = 1 ⋅ R0 − 2 = ⋅ 2.179 × 10 −18 J = 1.51 eV ∞ 3 9 Der Tabellenwert für Natrium beträgt aber 5.14 eV., es bleibt also nur anzunehmen, daß die effektive Kernladungszahl etwa 1.7 beträgt. Dies kann erklärt werden, wenn berücksichtigt wird, daß die Abschirmung durch die Orbitale nicht vollständig ist. Molekül - Spektren Um die Natur der chemischen Bindungen zu verstehen, kann das Problem eines Elektrons im Feld zweier geladener Kerne in einer klassischen Betrachtungsweise herangezogen werden. Das System aus zwei positiv geladenen Kernen ist instabil, da sich die Kerne aufgrund der Coulomb-Kräfte abstoßen : F~ q1 ⋅ q2 r122 bzw. V ~ q1 ⋅ q2 r12 Diese Kraft ist positiv, d.h. sie ist abstoßend. Bringen wir jetzt ein Elektron hinzu, so wird die potentielle Energie V erweitert zu : V ~ q1 ⋅ q2 q1 ⋅ qe qe ⋅ q2 + + r12 r1e re 2 Wenn die Ladungen alle gleich groß sind (q), so gilt 1 1 1 V ~ q 2 ⋅ − − r12 r1e re 2 Da sowohl r1e, als auch re2 kleiner als r12 sind, ist das Potential ist negativ und somit das System stabil. Befindet sich das Bindungselektron nicht auf der Verbindungslinie der beiden Kerne, so ändert sich an der obigen Überlegung nichts. Die Coulomb-Kräfte lassen sich jetzt aufspalten in Komponenten entlang der Kernverbindungslinie und solchen senkrecht dazu. Für die zum Kernabstand parallelen Kräfte gilt das oben gesagte, die senkrecht dazu stehenden Kräfte sind wegen der ungleichnamigen Ladungen von Kern und Elektron immer anziehend. Schwingungsspektren Es soll jetzt der Fall betrachtet werden, daß auf das untersuchte Teilchen eine rücktreibende Kraft nach dem Hook'schen Gesetz wirkt : F = Kx V = F * x ~ x2 Nun setzt man dieses Potential in die Schrödinger-Gleichung ein. ∂2 − Ψ + Kx 2 ⋅ Ψ = E ⋅ Ψ 2 2m ∂x 2 Die zugehörigen Energie-Eigenwerte ergeben sich dann aus der Lösung der SchrödingerGleichung zu : 1 2 ε v = v + ⋅ hv mit v2 = K m wobei K die Kraftkonstante aus dem Hook’schen Gesetz ist. Anders als im Fall der Translation und Rotation enthält die Energie hier ein absolutes Glied 1 2 hν . Dies hat als Konsequenz, dass auch am Temperatur-Nullpunkt die Moleküle nicht ruhen, sondern entsprechend ihrer Grundfrequenz schwingen. Bisher haben wir ein Diatom betrachtet, das nur eine Schwingung ausführen kann. Wird ein mehratomiges Molekül schwingungsangeregt, so wabbeln aufgrund der Kopplung zwischen den Schwingungen seine Bausteine herum wie Götterspeise. Für die Bewegungen der Atome gibt es keine Vorzugsrichtung, es sei denn aufgrund von sterischen Hinderungen. Um Ordnung in diese chaotischen Bewegungen zu bringen, kann jede Vibration auf einen Satz von Normalschwingungen abgebildet werden. Die tatsächlichen Bewegungen der Atome ergeben sich dann als Überlagerung (Linearkombination) der Normalschwingungen. Die Quantenzahlen Wir haben jetzt alle Energie-Eigenwerte zusammen : 1 Z 2 me 4 = 2⋅ 2 2 n 8ε 0 h elektron. Anregung ε el Vibration ε v = v + ⋅ hv 1 2 Rotation ε J = J ⋅ (J + 1) ⋅ Translation εi = i2 ⋅ h2 8π 2 I h2 8ma 2 Die elektronische Anregung benötigt dabei die meiste Energie (3-6 eV, UV-Strahlung), während Schwingungen durch IR-Strahlung (0.1-1 eV) angeregt werden. Die Rotationsübergänge liegen im Bereich der Mikrowellen-Strahlung. Die atomare Einheit 1 eV entspricht 1.6*10-19 J oder 96.5 kJ/Mol. Für die Umrechnung in Wellenlängen kann man sich merken : E [eV] * λ[nm] = 1200 Die laufenden Zahlen n, v, J und i werden als Quantenzahlen bezeichnet. Es gibt genau drei Quantenzahlen der Translation (i,j,k) und der Rotation (Jx, Jy, Jz) aufgrund der drei Raumrichtungen. An Quantenzahlen der Vibration (vi) gibt es so viele wie es Normalschwingungen im Molekül gibt. Für die Quantenzahlen der elektronischen Anregung gehen wir noch einmal zurück zu den Atomen. Aus der Radius-abhängigen Eigenfunktion ergab sich eine Hauptquantenzahl n. Da das Coulomb-Potential kugelsymmetrisch ist, hatten wir die Winkel-abhängige Eigenfunktion separieren können. Sie führt zu zwei weiteren Quantenzahlen l und m : n l m = = 0, = -l, -l+1, ..., 0, ... , l-1, l 1, 1, 2, 2, 3, ... , ... (n-1) l ist die Nebenquantenzahl und m die Magnetische Quantenzahl. m tritt immer dann auf, wenn eine Vorzugsrichtung (z.B. durch ein elektrisches oder magnetisches Feld) gegeben ist und dadurch Entartungen aufgehoben werde. Anstatt ‚Nebenquantenzahl‘ sollte man nach der Einführung der Orbitale besser ‚Formquantenzahl‘ sagen, denn l bestimmt das Aussehen der Orbitale. Abbildung 21 : Die Form der Orbitale der Schalen n=1 und n=2. Vor der quantenmechanischen Klärung der Spektren, hatte man die Serien durch ihre Eigenschaften (sharp, principal, diffuse, fine) unterschieden. Diese Unterscheidungsmerkmale werden heute den Elektronenorbitalen zugeordnet. So bezeichnet man Elektronen auf dem Orbital der Nebenquantenzahl l=0 als s-Elektronen, usw. : l=0 l=1 l=2 l=3 : : : : s p d f sharp principal diffuse fine Im Molekül addieren sich die Quantenzahlen vektoriell und werden dann mit Großbuchstaben geschrieben. Die Molekül-Orbitale bezeichnet man entsprechend mit griechischen Buchstaben. Es gibt noch eine weitere Quantenzahl, die Spinquantenzahl 1/2. Auf jedes Energieniveau passen genau zwei Objekte, die durch ihren Spin unterschieden werden. Im Spektrum führt diese Tatsache zur Aufspaltung der Linien Näherungsmethoden für Molekül-Orbitale LCAO-Methode Nachdem jetzt alle Möglichkeiten eines Teilchens, Energie aufzunehmen, besprochen sind, wollen wir uns den Molekülorbitalen zuwenden. Die Berechnung der Molekülorbitale führt auf ein Vielteilchenproblem, das gar nicht oder nur mit großem Aufwand zu bewältigen ist. Daher wurden Näherungsmethoden entwickelt, von denen hier die LCAOMethode vorgestellt werden soll. (Linear Combination of Atomic Orbitals) Hierbei werden die Atomorbitale eines Moleküls ohne Verformung einander überlagert. Damit treten zwei Möglichkeiten der Überlagerung auf : Die Addition der Orbitale und ihre Differenz. Bei der Addition ψ M = ψ A +ψB entstehen im Normalfall bindende Molekülorbitale, bei der Subtraktion antibindende Orbitale : ψ M = ψ A −ψ B Abbildung 22 : Überlagerung von s und p Orbitalen. Als Beispiel werden in Abbildung 22 die 1s-Orbitale (n=1/l=0) des Wasserstoff-Atoms in einem H2-Molekül überlagert. Die zugehörige Wellenfunktion lautete ψ n = a ⋅ r n ⋅ e − br wobei die Parameter a und b von den Nebenquantenzahlen l und m abhängen. (In unserem Fall sind beide Quantenzahlen gleich 0.) Bindende und antibindende Molekülorbitale zeichnen sich dadurch aus, daß ihre Energien kleiner bzw. größer als die Summe der Energien der Atomorbitale sind. In der rechten Hälfte der Abbildung 22 wird demonstriert, wie p-Orbitale die bindenden und antibindenden Π-Orbitalen des Moleküls bilden. Elektronengas Ein zweites Beispiel für die LCAO-Methode ist die Überlagerung der π-Elektronen von aufeinanderfolgenden C=C-Bindung. Die bindenden Orbitale bilden dabei eine "Elektronenwolke" über der C=C-Bindung. Reiht man mehrere C=C-Bindungen aneinander, so entsteht über das ganze Molekül ein einziges langgestrecktes Orbital für den bindenden Fall. Die Elektronen verhalten sich dann so, als ob sie sich in einem Potentialtopf der Länge k⋅a (a = Bindungslänge und k = Anzahl der C-Atome) befänden. Ihre Energieeigenwerten gehorchen dabei der Formel für Teilchen in einem Potentialtopf : h2 εi = i ⋅ 2 8m ⋅ (ka ) 2 Dies ist analog den Energieniveaus von Gasmolekülen in einem vorgegebenen Volumen. Man spricht daher in diesem Fall auch von einem Elektronengas. Morse-Potential Die LCAO-Methode ist ein Näherungsverfahren, das für organische Moleküle zu recht guten Ergebnissen führt, für kleine Moleküle jedoch nur begrenzt anwendbar ist. Für kleine Moleküle läßt sich das Vielteilchenproblem jedoch auf andere Weise lösen. Für Diatome erhält man in guter Näherung die Morse-Kurve ε = De ⋅ (1 − e − β (r −r ) ) 0 2 Die Morsekurve setzt sich aus einem abstoßenden Teil und einem anziehenden Ast zusammen. In der Nähe des Minimums entspricht die Kurve etwa einer Parabel ε r ≈ De (1 − (1 − β (r − r0 )))2 = De β 2 (r − r0 )2 0 Hier liegt eine harmonische Schwingung vor, da die Schwingungsenergie der potentiellen Energie einer klassischen, harmonischen Schwingung eines Pendels oder einer Feder entspricht. Die Energieniveaus der Vibration hatten wir auch mit dem Potential einer harmonischen Schwingung abgeleitet. Daher haben die Energieniveaus auch immer den gleichen Abstand hν. Die Näherung des harmonischen Oszillators gilt aber nur für kleine Schwingungsquantenzahlen. Werden die Auslenkungen größer, so sind die Schwingungen nicht mehr harmonisch, es liegt dann der anharmonische Oszillator vor, bei dem die Abstände der Schwingungsniveaus mit zunehmender Quantenzahl geringer werden. Die Abstände werden nicht nur geringer, ab einem Grenzniveau gibt es keine Schwingungen mehr. Da die Dissoziationsgrenze erreicht ist, gehen die Schwingungen in Translationsbewegungen über. Die Schwingungsamplitude wird so groß, dass man nicht mehr davon sprechen kann, dass die Atome zusammengehören. Hier gibt es also nur eine endliche Zahl von Vibrtionsniveaus. Für r ⇒ ∞ , d.h. bei der Separation der Atome, ist die Energie ε gleich De. Da das Molekül jedoch bereits im Grundzustand die Nullpunktsenergie 1 2 ⋅ hv besitzt, ist die zur Dissoziation nötige Energie : D0 = De − 1 2 ⋅ hv Abbildung 23 : Ausschnitt aus dem Potentialdiagramm des Sauerstoffmoleküls Elektronenübergänge benötigen etwa 10-15sec, eine Schwingungsdauer liegt dagegen im Bereich von 10-12sec. Man darf also in einem Potentialdiagramm die Übergänge als senkrechte Striche einzeichnen (Franck-Condon-Prinzip). Berücksichtigt man noch die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Schwingung (in der Mitte für kleine Quantenzahlen, an der Rändern für große), so kann man aus einem Potentialdiagramm ablesen, welche Übergänge möglich sind, da nur senkrechte Übergänge zwischen den maximalen Aufenthaltswahrscheinlichkeiten möglich sind. 1. Rechenbeispiel : Rotationsspektren Aufgabe : Im Mikrowellenspektrum des 12C16O findet sich eine Absorptionsbande für den Übergang von J=0 nach J=1 bei 3.84235 cm-1. 13C16O besitzt eine entsprechende Bande bei 3.6337 cm-1. Die Bindungslängen der beiden Moleküle sind zu berechnen. Lösung : Die Energieeigenwerte der Rotation sind gegeben durch : E rot = 2 2I ⋅ J ⋅ (J + 1) mit I = m ⋅ r Die Auswahlregel für die Übergänge lautet ∆J = ± 1 Für J = 0 ist Für den Übergang E 0 rot =0 0 →1 , und für J=1 erhält man somit für 1 0 hcv~0,1 = E rot − E rot = gilt 1 E rot = 2 2 2I ∆Erot = hν = h c ν~ 2 I und damit I = 2 h = ~ hcv0,1 4π 2 v~c Für die Rotationsbande von 12C16O erhält man also mit h=6.6262*10-34 Js c=2.9979*108 ms-1 und ν~ =3.84235*102 m-1 : I1 = 1.45709 * 10-46 kg m2 Entsprechend für 13C16O : I2 = 1.52412 * 10-46 kg m2 2 Das Trägheitsmoment einer (klassischen) Hantel mit ungleich schweren Atomen ist gegeben durch I = m1r12 + m2 r22 = µ ⋅ a 2 wobei die Bindungslänge a = r1 + r2 und die reduzierte Masse µ = (m1m2 ) (m1 + m2 ) gesetzt ist. Wegen der Hebelgesetzen gilt auch m1 ⋅r 1 = m2 ⋅ r2 Somit ergibt sich für 12C16O : µ1 = 12 ⋅ 16 = 6.857g 12 + 16 und damit I a = µ = 1.4571 ⋅ 10 −46 ⋅6.022 ⋅ 10 26 6.857 a = 1.1313 ⋅ 10 −10 m = 1,1313 Å Entsprechend gilt für 13C16O : µ2 = 13 ⋅ 16 = 7.1724 g 13 + 16 a = 1,1313 Å Die Bindungslängen beider Isotope sind also im Rahmen der Meßgenauigkeit gleich. 2. Rechenbeispiel : Die Normalschwingungen des NO2 Für das NO2-Molekül sind zwei Anordnungen der Atome möglich : linear oder gewinkelt. Die dazugehörigen Normalschwingungen sind in der Abbildung dargestellt. Für ein dreiatomiges Molekül sind vier Normalschwingungen möglich, wobei eine davon zweifach entartet ist, d.h. zwei Schwingungen besitzen die gleiche Frequenz und damit die gleichen Energieniveaus. Um jetzt experimentell zu entscheiden, welches der beiden Modelle richtig ist, überprüft man die Infrarot-Aktivität der Schwingungen und vergleicht das Ergebnis mit der Anzahl der beobachteten IR-Absorptionslinien. Ein Photon kann nur dann von einem Molekül aufgenommen werden, wenn sich dabei dessen Dipolmoment ändert. Aus Symmetriegründen ist dies für jede Streckschwingung eines linearen Moleküls nicht möglich. Damit dürften bei einer linearen Anordnung der O-N-O Atome nur zwei Absorptionen im Infrarotspektrum auftreten. Man beobachtet jedoch folgende drei IR-Absorptionen des NO2-Moleküls : ν~ = 750 cm-1 = 1323 cm-1 = 1616 cm-1 Somit kann allein durch die optische Spektroskopie geschlossen werden, daß das NO2Molekül gewinkelt sein muß. Abbildung 24 : Mögliche Schwingungen des NO2 3. Rechenbeispiel : Das Rotationsschwingungsspektrum von HI Jodwasserstoff absorbiert im Bereich um 4.5 ⋅ 10 m = 4.5µm . Dieser Bereich ist typisch für Schwingungsübergänge. Dem Schwingungsübergang v=0 nach v=1 sind Rotationsübergänge überlagert, aus denen man die Molekülparameter Bindungslänge und Kraftkonstante ableiten kann. Dies soll anhand eines Beispiels erläutert werden : −6 Aufgrund der Auswahlregeln, die hier nicht abgeleitet wurden müssen, gilt : ∆J = ± 1 d.h. beim Übergang von v=0, J=0 nach v=1 muss damit J=1 erreicht werden. Dieser v = 2242.2 cm -1 . Das Niveau v=1, J=1 kann aber auch Übergang hat die Wellenzahl ~ mit dem Übergang ∆J = − 1 aus v=0, J=2 erreicht werden. In diesem Fall beträgt die -1 ~ Wellenzahl v = 2203.6 cm . Aus diesen beiden Wellenzahlen folgt ein Abstand der Niveaus v=0, J=0 und v=0, J=2 von ν~ =38.6 cm-1. Die zugehörige Energie wird gemäß E rot = J ⋅ ( J + 1) ⋅ h2 8π µa 2 2 = h v~ c berechnet. Die Rotationskonstante B ist definiert durch : ν~ h = B= 8π 2 cµa 2 J ( J + 1) Für den Energieabstand zwischen v=0, J=0 und v=0, J=2 ergibt sich wegen J=2 und J(J+1)=6 eine Rotationskonstante von 6.433 cm-1. Aus dieser Rotationskonstanten lässt 2 sich dann das Trägheitsmoment I berechnen und wegen I = µ ⋅ a auch der Kernabstand r ( µ ist die reduzierte Masse ) : I = µ= h = 4.351 ⋅ 10 −47 kg m 2 8π 2 cB m I ⋅ mH = 1.6594 ⋅ 10 −27 kg m I + mH a = 1.619 ⋅ 10 −10 m = 1.619 Å Dieser Kernabstand gilt für das unterste Schwingungsniveau. Für den ersten angeregten Zustand kann man eine entsprechende Auswertung des Spektrums durchführen, man erhält dann einen Kernabstand von a = 1.642 Å Die Kraftkonstante K ergibt sich aus der Beziehung 1 K v = v~ ⋅ c = ⋅ 2π µ K = 293 Nm-1 also Bei einem klassischen Pendel oder einer schwingenden Feder ist bei maximaler Auslenkung xmax die Gesamtenergie gleich der potentiellen Energie : hν = K x2 aus Epot = x F = x K x Daraus ergibt sich dann eine maximale Auslenkung xmax = 0.122 Å Für den ersten schwingungsangeregten Zustand findet man entsprechend xmax = 0.211 Å Während in den beiden Schwingungszuständen v=0 und v=1 die Kernabstände (Mittelwerte!) also fast gleich sind, ist die maximale Auslenkung im schwingungsangeregten Zustand fast doppelt so groß wie im Grundzustand. Dies ist der Grund dafür, dass mit wachsender Temperatur das Kovolumen der Gase zunimmt. Je höher die Temperatur ist, um so mehr Teilchen befinden sich im angeregten Zustand und beanspruchen esprechend mehr Platz. Das Kovolumen ist dann der Mittelwert aller Moleküle eines Mols : b = < NA*VMolek..> Statistische Thermodynamik Die Zustandssumme Bei der Berechnung der Energieeigenwerte der Translation lautete das Ergebnis : ψ = ψ 0 ⋅ e − ikx = A ⋅ sin (kx ) mit k = i ⋅π a und ε =i 2 ⋅ h2 8ma 2 Dies galt für den eindimensionalen Potentialtopf, für den dreidimensionalen Fall multiplizieren sich die Schrödinger-Funktionen : ψ ges = ψ x ⋅ψ y ⋅ψ z und entsprechend gilt dann : ε = (i x2 + i y2 + iz2 )⋅ h2 8ma 2 Aufgrund der Summenbildung kann es vorkommen, daß Teilchen mit verschiedenen Quantenzahlen gleiche Energie besitzen : z.B. ε= ε= ε= i = {1, 2, 3} i = {2, 1, 3} i = {3, 2, 1} 1 + 4 + 9 = 14 4 + 1 + 9 = 14 9 + 4 + 1 = 14 ⋅ h 2 8ma 2 usw. Man spricht in diesem Fall von einer Entartung der Energiezustände. Diese Entartung muß berücksichtigt werden, wenn die Besetzungswahrscheinlichkeit der Energiezustände berechnet werden soll. Man darf bei der Summierung also nicht jeden Energiezustand einfach nehmen, sondern muß mit der Entartung wichten. Die Besetzungswahrscheinlichkeit der Energieniveaus gibt an, wieviele Teilchen sich in einer Energiestufe befinden : fi = Ni = N ges e −ε i ∑e j kT −ε j kT Die Abhängigkeit von einer Exponentialfunktion ergibt sich aus der Statistik und Kombinatorik der Möglichkeiten zur Anordnung von n Teilchen auf m Energieniveaus unter Einschluß des Pauli-Prinzips. Das Pauli-Prinzip besagt, dass jedes Teilchen einen eigenen Satz von Quantenzahlen hat und dass zu jedem Satz von Quantenzahlen immer nur ein Objekt gehören kann. Gehört nun zu einem Energiewert εi mehr als ein Zustand, d.h. ist der Zustand also entartet, so muß die Entartung gi in die Formel eingehen : fi = g i ⋅ e −ε i ∑g j ⋅e kT −ε j kT j In Abbildung 26 ist die Besetzung der untersten Niveaus eines harmonischen Oszillators dargestellt. Die Temperaturen sind dabei so gewählt, dass kT einmal der Schwingungsenergie entspricht, einmal dem Dreifachen und einmal ein Drittel dieser Energie. Abbildung 26 : Besetzung der untersten Niveaus eines harmonischen Oszillators. − ε kT Die Proportionalität zu e i folgt analog der Boltzmann-Funktion, wo ein solcher Faktor ja auch in die Verteilungsfunktion eingeht. Es muß allerdings hier darauf hingewiesen werden, daß jetzt die Energiezustände gequantelt sind, während wir bei der Ableitung der Boltzmann-Funktion von einem kontinuierlichen Energiespektrum der Translation ausgegangen waren. Daher wird bei der Berechnung der mittleren Energie eines Teilchens auch nicht integriert, sondern es wird die Summe über alle (abzählbar unendlich viele) Energiezustände gebildet : ε ⋅f ε=∑ ∑f i j i ε ⋅ g ⋅e ε ∑ = ε ∑g ⋅e i − i j kT kT i − j Von der mittleren Energie eines Teilchens des Emsembles kommt man durch Multiplikation mit der Avogadro-Zahl NA zur Energie für 1 Mol der Teilchen. Dabei gilt auch : Die mittlere Energie eines Teilchens ist gleich dem Mittelwert der Energie von vielen Partikeln. Die Summe im Nenner enthält alle Information über die Energiezustände eines Systems von Teilchen. Da wir uns in der Thermodynamik vor allem für die Energie eines Systems interessieren ist diese Summe von bersonderer Bedeutung. Sie erhält den Namen „Zustandssumme Q“ (oder englisch ‚partion function’, was besser den Sinn dieser Größe ausdrückt). Q= − ε i kT Der Faktor ε i ⋅ g i ⋅ e vereinfachen. Wegen ∑g i ⋅ e −ε i kT im Zähler des Energiemittelwerts läßt sich noch weiter ∂ ( ln ∑ g i ⋅ e −ε ∂T i kT )= = 1 ∑ g i ⋅ e −ε i 1 ∑ g i ⋅ e −ε i kT kT ⋅ ∂ ∂T ∑g i ⋅ e −ε i kT ε ⋅ ∑ i 2 ⋅ g i ⋅ e −ε i kT = kT ε = 2 kT folgt für die Energie eines Mols von Teilchen : E = N A ⋅ ε = kT 2 ⋅ ∂ ⋅ ln Q N ∂T Damit ist die aus der klassischen Thermodynamik bekannte Größe ‚Energie‘ mit der statistischen Größe ‚Zustandssumme‘ verknüpft. Die Statistische Thermodynamik verbindet die makroskopisch bestimmbaren Größen der Thermodynamik mit den Energieniveaus und ihren Besetzungswahrscheinlichkeiten, die aus der quantenmechanischen Betrachtung der Atome und Moleküle bestimmt werden. Der Energieinhalt von Molekülen Wir gehen jetzt zurück zum 1. Hauptsatz der Thermodynamik. Die Gesamtenergie des Systems war die Enthalpie H : H = U + p ⋅V Der Term p ⋅V ergibt sich aus den Wechselwirkungen der Teilchen untereinander. (Bei der Ableitung der v.d.Waals-Gleichung hatten wir gesehen, daß p aufgrund der Wechselwirkungen korrigiert werden muß). Damit bleibt für die Innere Energie U, dass sie der Energie der einzelnen Teilchen entspricht, also : E ≡U Die Innere Energie U ist also die innere Energie der Teilchen ! Wir wollen jetzt die Zustandssummen der verschiedenen Energieformen untersuchen. Für die elektronische Anregung können wir, da εel sehr groß gegenüber kT ist, setzen : e −ε el kT << 1 wegen ε el >> kT für n>0 Und damit wird Qel = ∞ ∑g ⋅e ε − i n kT ≈ g 0 ⋅ e −ε 0 kT (ε 0 = 0 , g 0 = 1) =1 n =0 Für die Translation und die Rotation gilt umgekehrt, daß die Energieniveaus sehr eng beieinander liegen. Damit kann die Summe durch das Integral ersetzt werden : Q = ∑ gi ⋅ e −ε i kT ⇒ ∞ (−i h ∫ gi ⋅ e 2 2 8 ma 2 kT ) di 0 Da hier die eindimensionale Translation angesprochen ist, gibt es keine Entartung und g ist gleich 1. Damit folgt Q= 8ma 2 kT a −z2 ⋅ e dz = ⋅ 2πmkT 2 ∫ π h R und E trans mit z2 = i 2h 2 8ma 2 kT 1 ∂ ∂ = NkT ⋅ ln Q = Nk T 2 ⋅ ln Q = ⋅ RT ∂T ∂T 2 2 Dies gilt für den eindimensionalen Fall, für den dreidimensionalen werden die Energien addiert (N=3) : E trans = 3 ⋅ RT 2 Entsprechend gilt für die Rotationsenergie : 1 E rot = f ⋅ ⋅ RT 2 mit f = Anzahl der anregbaren Rotationen (Abweichend von den meisten Lehrbüchern wird hier mit f nicht die Anzahl der Freiheitsgrade bezeichnet. Jeder Körper hat prinzipiell 3 Rotationsfreiheitsgrade. Da jedoch wegen des verschwindenden Trägheitsmoments bei Rotation von Atomen, diese nicht angeregt werden können, werden sie nicht berücksichtigt. Gleiches gilt für lineare Moleküle in Bezug auf die Rotation um die Molekülachsen.) Dieses Ergebnis ist mit dem der klassischen Thermodynamik identisch. Das war zu erwarten, da die Zustände bis zu sehr großen i besetzt sind. Für große Quantenzahlen gilt immer die klassische Theorie, denn hier wird ja über so viele Teilchen gemittelt, daß ein fast stufenloser Übergang von dem molekularen zum molaren Bild vollzogen wird. Für die Zustandssumme der Vibration kann eine entsprechende Rechnung durchgeführt werden : ∑g Q= j ⋅e − ε j kT = ∑∑ e k − ( v +1 2 )⋅hvk kT v Für jede Grundschwingung k gilt ε v = (v + 1 2 ) ⋅ hv , wobei keine Entartung auftritt. Das Ergebnis einer geometrischen Reihe ist bekannt : N ∑ q j −1 = j =1 1− qN 1− q Im vorliegenden Fall ist q gleich e Also gilt für die Zustandssumme Q = ∑e − hν k − hν / 2 kT k (qk geht gegen 0, wenn k groß wird) für q < 1 und q ist kleiner als 1, da h und νk positiv sind. e − hv / 2 kT 1− 0 ⋅ =∑ 1 − e −hν / kT 1 − e −hv / kT Für die Energie einer Normalschwingung ergibt sich somit EVib e − hv 2 kt ∂ 2 ∂ ln = N ⋅ kT ⋅ ln QVib = N ⋅ kT ⋅ ∂T ∂T 1 − e −hv kt i 2 i Der Index i zählt hier die Normalschwingungen. Nach einer längeren Rechnung erhält man als Ergebnis EVib = ∑ x ⋅ RT + E0 ex −1 mit x= ε kT = hv 0 kT Für die Gesamtzustandssumme eines Moleküls erhält man damit Q = Q trans ⋅ Q rot ⋅ Q vib ⋅ Q el und E gesamt = 3 f x RT + RT + ∑ x−1 RT + E0 + E el 2 2 e ≡0 Mit U = E oder U-Uo = E-Eo ist der Zusammenhang zwischen den quantenmechanisch bestimmten Energiezuständen und den thermodynamisch bestimmten Größen hergestellt und damit sind alle thermodynamischen Größen aus Molekülparametern berechenbar. Da dies jedoch einen erheblichen Rechenaufwand bedeutet, muß hier auf die Ableitungen verzichtet werdenund es wird auf die Lehrbücher verwiesen. 1. Rechenbeispiel Das Schwingungsenergieschema von HCl besteht aus einem System von Niveaus mit gleichen Abständen von v~ = 2990 cm-1. Aus dieser Angabe läßt sich das Besetzungsverhältnis zweier benachbarter Energieniveaus berechnen. Das Besetzungsverhältnis ist nach Boltzmann gegeben durch N i +1 e − (ε i +∆ε ) / kT = = e −∆ε / kT −ε i / kT Ni e Die Energiedifferenz zwischen zwei Niveaus ergibt sich aus der Wellenzahl ∆ε = h ⋅ν = h ⋅ c ⋅ν~ = = 6.625 × 10 − 34 Js ⋅ 2.998 × 1010 cm / s ⋅ 2990cm −1 = = 5.94 × 10 − 20 J Die termische Energie beträgt bei 298 K und 1000 K: kT = 1.38×10-23J/K ⋅ 298K = 4.11×10-21J -23 -20 kT = 1.38×10 J/K ⋅ 1000K = 1.38×10 J und Für die Besetzungsverhältnisse ergeben sich also bei T=298K : Ni+1/Ni = 5.3×10-7 und bei T=1000K Ni+1/Ni = 1.35×10-2 Je höher die Temperatur ist, umso gleichmäßiger sind die Niveaus besetzt. Dies zeigt auch die Abbildung 26. 2.Rechenbeispiel Zwei Atome verbinden sich in einer Gasphasen-Reaktion zu einem Molekül. Wie sieht die Temperaturabhängigkeit der Energiedifferenz von Reaktionsprodukt und Reaktanten aus? Die Energiedifferenz ist für 300 K zu berechnen, wobei angenommen wird, dass bei dieser Temperatur die Schwingungsenergie gleich 3 kT entspricht. A + A → A2 Die Atome besitzen ausschließlich Translationsenergie, also E A = 3 RT 2 Das (lineare) Molekül A2 hat folgende Gesamtenergie x RT E A2 = 3 RT + 2 RT + x 2 2 e −1 mit x= ε kT =[ 3kT = 3]300 K kT Daraus ergibt sich als Reaktionsenergie, die im Stoß an ein drittes Molekül abgegeben werden muss x ∆E = E A2 − 2 E A = − 1 RT + x RT 2 e −1 Für T = 300 K ergibt sich damit ∆E = (-.5 + 0.157) RT = -855 J/Mol.