38 Im Porträt B Sicher beschwören sie seit jeher das „rut-wieße“ Selbstverständnis in Köln, doch verfallen Erry Stoklosa & Co. niemals in billige Gefühlsduselei, sondern haben sich den nuancierten Blick in die Kölsche Seele erhalten. „Mer bruche keiner, dä uns sät...“ „Bläck Fööss“ packen vier Jahrzehnte Kölsche Eigenart in vier Minuten - und landen den Sessionshit Von Norbert Meyers Die Idee, die dahinter steckte, war im Grunde recht einfach. Zu ihrem vierzigsten Geburtstag wollten die „Bläck Fööss“ ihre tiefe Verbundenheit zu ihrer Stadt kundtun, dabei aber partout nicht in billige, oberflächliche Gefühlsduselei abdriften, optierten von daher bei ihrem neuen Titel für eine zwar durchgängig herzliche, aber dennoch leicht kritisch angehauchte Auseinandersetzung mit „Kölle heute“. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt... Und so wurde aus dem behutsamen vokalen Fingerzeig auf diverse unausgesprochene und dennoch so offenkundige Missstände in der geschichts- und beziehungsreichen „Veedelslandschaft“ zwischen Bickendorf und Heumar, Worringen und Zündorf, Sülz und Dellbrück - schwuppdiwupp - eine heimliche Liebeserklärung an die zweitausendjährige Heimatstadt. schen Spitzen durch die eine scheinbar ungetrübte rosarote Wolkendecke schieben. Aber schließlich ist der selbst von den materiell wie menschlich so zerstörerischen Kriegswirren ungebrochene Optimismus der Kölner bereits im Grundgesetz verankert. „Et kütt wie et kütt.“ „Et hät noch immer joot jejange.“ „Mäht nix.“ So die Paragraphen zwei, vier und fünf in der jedoch nicht ganz ernst zu nehmenden stadteigenen Charta, die die „Bläck Fööss“ selbst übrigens vor sieben Jahren einer leicht augenzwinkernden musikalischen Analyse unterzogen haben. Zugegeben, die zweite Strophe des Titels „Mir han e Hätz für Kölle“, eingeleitet mit der rein rhetorischen Doppelfrage „Wat jeit he af die letzte Johre? Watz han se bloß met uns jemaat?“, hinterlässt durchaus einige leichte Kratzer im „rutwieße“ Lack. Auch nach vierzig Jahren „kritt uns keiner klein“ Sonderlich gestört hat dies seit der Uraufführung des Liedes Anfang September beim live im WDR übertragenen Geburtstagsständchen auf dem Roncalliplatz aber niemand. Die paar Schrammen mehr oder weniger... Wen stört das schon?! Aber doch nicht die Kölner (oder treffender: „Mir Kölsche“), die „met jarnix jet am Hoot han“ und „die wie dr Düvel am Lääve klääve“, denn: „Uns kritt keiner klein“. Nein, unterkriegen lassen sie sich nicht. Nicht früher und nicht heute. Nicht durch die unausweichlichen Bomben der Alliierten und nicht durch den systematischen Baupfusch in den U-Bahnschächten. „Ze vill jefiert, ze vill verjesse und ze winich nohjedaach.“ Sie lassen sich halt von keinem „dä Spaß für ze laache nemmen“. Einige leichte Kratzer im „rut-wieße“ Lack So funktioniert halt seit Jahren die individuelle Wahrnehmung im Schatten der Domtürme... Die nicht nur in der Morgendämmerung ihre goti- Mit „Nesthäkchen“ Andreas Wegener an den Tasten erfuhr das klangliche Spektrum der „Bläck Fööss“ nochmals einen hörbaren Schub, während Ralph Gusovius die Band rhythmisch in der Spur hält. B Von daher blenden die Kölner beim neuen Hit der „Bläck Fööss“ - die erstmals in elf Jahren den begehrten Titel bei der Kneipentour „Loss mer singe“ gewinnen konnten und zudem als heißester Tipp bei der populären Auszeichnung der Roten Funken zum „Lied der Session“ gelten - die zweite Strophe schlichtweg aus. Obwohl sie durchaus mit einer positiven Note endet , die aber zu dem Zeitpunkt in allseitiger Schunkelseligkeit untergegangen ist. Peter Schütten und „Bömmel“ Lückerath wissen gerade um die Wirkung der leisen, teils sogar melancholischen Töne, in vierzig Jahren, neben ihrer Authentizität, stets eine typische Eigenheit vieler Lieder der „Bläck Fööss“. Fotos: nemo „Mir han e Hätz für Kölle, su weed et immer sin...“ Der Fokus ist einzig auf den Refrain ausgerichtet - und der greift, immerhin sprechen diese Verse jedem echte Kölsche aus der Seele. „Mir han e Hätz für Kölle“ und „blieven Jecke, so alt mer weed“. Und schon bricht die Heimatliebe durch, wie gewohnt mit einer vollen Breitseite durch. Nein, patriotische Zurückhaltung war noch nie das Ding der Kölner. Seit Willi Ostermann und seinem musikalischen Vermächtnis „Heimweh noh Kölle“ aus dem Jahr 1936 wird in kaum einer deutschen Metropole dem Heimatgefühl so unverblümt und unaufdringlich gefrönt wie am Rhein. „Kölle es un bliev uns Heimat, janz ejal wat och passeet.“ Gleiches gilt, ungeachtet des immer wieder vokal verarbeiteten Tadels an Auswüchsen und Mängeln diverser Art, ebenfalls für die „Bläck Fööss“ selbst, die nun „met ner kleine Troon em Bleck op dä Wääch zoröck luure, dä mer jejange“. Ein langer, erfolgreicher Weg. Im Porträt 39 Vier bewegte Jahrzehnte, in denen das Kölsche Liedgut im engsten Sinne des Wortes neu erfunden wurde und gerade dank der schier unerschöpflichen Kreativität, der sprachlichen Spitzfindigkeit, des musikalischen Instinkts, des hohen Geschichtsverständnisses, des feinsinnigen Humors und der ausgeprägten Beobachtungsgabe von „Ostermanns Erben“ gar zur eigenständigen Kunstgattung erhoben wurde. In verwaschenen Jeans und mit langen Haaren Dabei starteten sie ihre Karriere als Kölsche „Barden“ mit einer Redensart, die im Grunde für ihren hintergründigen geopolitischen Blickwinkel bezeichnend ist. „Pappalapapp“ lautete das Intro zu „Mer loss dr Dom en Kölle“. Eine Floskel, mit der anders gelagerte Sichtweisen und Standpunkte lapi- dar vom Tisch gewischt werden. So waren sie halt damals, zu Beginn der siebziger Jahre, da die „Beatles“ gerade ihren Trennungsschmerz überwanden und solistische Wege gingen und die „Rolling Stones“ mit „Brown Sugar“ die Charts stürmten. Im stilistischen Fahrwasser der Post-Flower-PowerÄra eroberten sechs junge Kölner Beatmusiker - barfüßig als „Bläck Fööss“ (wichtig fürs Selbstverständnis war der englisch klingende Name) den altehrwürdigen Gürzenich - in verwaschenen Jeans und mit langen Haaren. Ein schockierendes Outfit im „Fasteleer“! Frisch, fromm (zumindest ein wenig und ein Gebot im „Hillige Kölle), fröhlich, frei. Und sie nahmen bereits einen Hit vorweg, der genau ein Vierteljahrhundert nach „Pappalapapp“ zündete. Konkret: „Mer bruche keiner, dä uns sät, wie mer Fastelovend fiere deit.“ Geliebt quer durch alle Generationen wird Hartmut Priess. Hintergrund: Kult mit grossem „K“. Wie Köln, Karneval, Kirche, Kultur, Kösch... Ungebrochen ehrlich, mit nuanciertem Blick in die Kölsche Seele Das Septett, das seit vier Jahrzehnten als Inbegriff Kölschen Liedgutes auf der Bühne steht, gehört in der Domstadt einfach zur illustren Liste der großen „K“, die da wären: Köln, Karneval, Kirche, Kultur, Kölsch... Und eben Kult wie die „Bläck Fööss“ (hier „Kafi“ Biermann). Obwohl sie nie mit Kritik hin- term Berg gehalten und uns allen, oben wie unten, mit manchem ihrer weit über zweihundert Lieder ins Gewissen geredet haben, wissen sie, was sie an Kölle, an ihrer Stadt und vor allem an „dä Minsche he“ haben. Sicher kommen „die alten weisen Männer“ mitunter ein wenig gegen den Strich gebürstet daher, jedoch ohne expliziten moralischen Anspruch. Sie formulieren halt ihre persönlichen Anliegen, schaffen in einer Stadt, wo meist „Hätz un Jeföhl“ das Tagesgeschäft bestimmen, die Balance zwischen „himmelhoch jauchzend“ und „zu Tode betrübt“. Ungebrochen ehrlich, auch mit sich selbst, treffen sie den Nerv. Mit nuanciertem Blick in die Kölsche Seele. Genau wie einst Willi Ostermann. „Mir han e Hätz für Kölle, su weed et immer sin.“