Regierungsklausur am Kahlenberg Wien, 27. April 2012 Transparenzpaket Transparenzpaket I. Finanzierung und Wahlwerbung politischer Parteien Die politischen Parteien finanzieren sich im Wesentlichen aus öffentlichen Fördermitteln, aus wirtschaftlicher Tätigkeit und aus Spenden. Die Fördertätigkeit des Bundes ist in ihrem Umfang gesetzlich klar umrissen und transparent. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Tätigkeit von Parteien und der Parteispenden gibt es den Bedarf an mehr Transparenz. Ein neues Parteiengesetz 2012 wird daher die Parteienfinanzierung mit fünf inhaltlichen Schwerpunkten neu ordnen: 1. Die Verschärfung der Rechenschaftspflichten der politischen Parteien, insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Parteien und der ihnen nahestehenden Organisationen. 2. Die Schaffung neuer Bestimmungen zur Transparenz bzw. zum Verbot bestimmter Spenden an politische Parteien und ihnen nahestehende Organisationen. 3. Die Begrenzung der Wahlwerbungskosten. 4. Die Einbeziehung von wahlwerbenden Parteien, von Abgeordneten und Kandidaten in das Parteiengesetz. 5. Schaffung eines wirksamen Sanktionsmechanismus. Rechenschaftspflichten Die Rechenschaftsberichte über jeweils ein Jahr sind nach deren Prüfung durch Wirtschaftsprüfer dem Rechnungshof zu übermitteln und zu veröffentlichen. Der Rechenschaftsbericht umfasst auf der Einnahmenseite: Mitgliedsbeiträge Zuwendungen von nahestehenden Organisationen Zuwendungen nach dem Parteiengesetz Besondere Beiträge von den der jeweiligen Partei angehörenden Mandataren und Funktionären Erträge aus parteieigener wirtschaftlicher Tätigkeit Erträge aus Unternehmensbeteiligungen 27. April 2012 2 Transparenzpaket Einnahmen aus sonstigem Vermögen Spenden Nettoerträge aus Veranstaltungen, dem Vertrieb von Druckschriften sowie ähnliche sich unmittelbar aus der Parteitätigkeit ergebende Nettoerträge Erträge aus Sponsoring und Inseraten Zuwendungen in Form kostenlos oder ohne entsprechende Vergütung zur Verfügung gestellten Personals („lebende Subventionen“) Sachleistungen Kredite Sonstige Ertrags- und Einnahmenarten, wobei solche von mehr als 5vH der jeweiligen Jahreseinnahmen gesondert auszuweisen sind. Der Rechenschaftsbericht umfasst auf der Ausgabenseite: Personalaufwand Büroaufwand und Wirtschaftsgüter Sachaufwand für Öffentlichkeitsarbeit einschließlich Presseerzeugnisse Veranstaltungen Fuhrpark Sonstiger Sachaufwand für Administrationen Mitgliedsbeiträge Rechts-, Prüfungs- und Beratungskosten Kreditkosten und Kreditrückzahlungen Internationale Arbeit Zahlungen an parteieigene Unternehmen Sonstige Aufwandsarten, wobei solche über 50.000,- Euro gesondert auszuweisen sind Anschaffungen, ausgenommen geringwertige 3 27. April 2012 Transparenzpaket Die politischen Parteien haben über die Parteienförderungsgelder gemäß Parteiengesetz Aufzeichnungen zu führen, die dem Rechenschaftsbericht anzuschließen sind. Das Gesetz soll auch die geschäftliche Tätigkeit von Parteien bzw. parteinahen Unternehmen (Unternehmen von Parteien und nahestehenden Organisationen) mit der „öffentlichen Hand“ bzw. unter deren Einfluss stehenden Unternehmen transparent machen: daher ist jedem Rechenschaftsbericht eine Liste der parteinahen Unternehmen anzuschließen. Erfasst sind dabei direkte Beteiligungen von mindestens 5% und indirekte Beteiligungen von mindestens 10%. Der Rechnungshof übermittelt diese Liste den unter seiner Kontrolle stehenden Einrichtungen und fordert diese auf, den Gesamtbetrag der zwischen der Einrichtung und den angeführten Unternehmen im Berichtszeitraum abgeschlossenen Rechtsgeschäfte bekannt zu geben. Auch diese Informationen werden vom Rechnungshof veröffentlicht. Spenden Die neuen Bestimmungen postulieren einerseits Bestimmungen zur Transparenz von Spenden an Parteien und nahestehende Organisationen (sie sind in einer Anlage zum Rechenschaftsbericht auszuweisen), andererseits Spendenverbote. Spendentransparenz Spenden, deren Gesamtbetrag in einem Kalenderjahr (Rechenschaftsjahr) den Betrag von 5.000,- Euro übersteigen, sind unter Angabe des Namens und der Anschrift des Spenders auszuweisen. Spenden, die im Einzelfall die Höhe von 50.000,- Euro übersteigen, sind dem Rechnungshof unverzüglich zu melden. Dieser hat die Zuwendungen unter Angabe des Namens und der Anschrift des Spenders unverzüglich auf der Website des Rechnungshofes zu veröffentlichen. Spendenverbote Spenden, die im Einzelfall mehr als 1.000,- Euro betragen und deren Spender nicht feststellbar sind („anonyme Spenden“) Spenden, die im Einzelfall mehr als 1.000,- Euro betragen und bei denen es sich erkennbar um die Weiterleitung einer Spende eines nicht genannten Dritten handelt („Spendenwäsche“) Barspenden, die den Betrag von 2.500,- Euro übersteigen 27. April 2012 4 Transparenzpaket Spenden über 2.500,- Euro von ausländischen natürlichen oder juristischen Personen Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften Spenden von spendenbegünstigten Einrichtungen (§ 4a EStG) Spenden von Unternehmen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen Spenden, die der Partei erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder rechtlichen Vorteils gewährt werden Spenden, die von einem Dritten gegen ein von der Partei zu zahlendes Entgelt für diese Partei eingeworben werden Spenden oder Zuwendungen von parlamentarischen Klubs aus Mitteln des Klubfinanzierungsgesetzes 1985. Die Bestimmungen über die Spenden werden auch für Abgeordnete gelten. Nahestehende Organisationen, die mildtätigen Zwecken, der Bekämpfung von Armut und Not in Entwicklungsländern, der Hilfestellung in nationalen und internationalen Katastrophenfällen, Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, dem Tierschutz und der Förderung des Breitensports dienen, sind von den Spendenbestimmungen ausgenommen. Für sie gilt ihrerseits ein absolutes Spendenverbot an die politischen Parteien. Die Verwendung von Spendenmitteln entsprechend dem Vereinszweck ist von einem Rechnungsprüfer (vgl § 4a EStG) zu bestätigen. Sanktionen Im neuen Parteiengesetz wird erstmals ein Sanktionsmechanismus für Verletzungen dieser Bestimmungen geschaffen: Verstöße gegen die Rechenschaftspflichten werden mit Geldbußen von bis zu 100.000,- Euro bestraft. Verstöße gegen die Spendentransparenz bzw. die Spendenverbote werden mit einer Geldbuße bis zum Dreifachen des nicht deklarierten Betrages bestraft. Regelungen über Wahlen Von den Bestimmungen des neuen Parteiengesetzes werden erstmals auch wahlwerbende Parteien sowie Personen, die sich um ein Mandat bewerben, sinngemäß erfasst. 27. April 2012 5 Transparenzpaket Jede politische Partei darf für die Wahlwerbung maximal 50 Prozent des Gesamtbetrages der öffentlichen Wahlkampfkostenrückerstattung aufwenden (das sind ca. 7 Mio. EUR). Nahestehende Organisationen Um der politischen Realität in Österreich Rechnung zu tragen, umfassen die Transparenzbestimmungen auch die „nahestehenden Organisationen“. Das sind im Sinne dieses Gesetzes rechtlich von der politischen Partei getrennte Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die a. eine politische Partei unterstützen oder b. an der Willensbildung einer politischen Partei (insbesondere durch Entsendungen in Organe) mitwirken oder an deren Willensbildung die politische Partei (insbesondere durch Entsendungen in Organe) mitwirkt, sofern diese Arten der Unterstützung bzw. Mitwirkung zwischen der politischen Partei und der Organisation - entweder in deren Rechtsgrundlage (Statuten, Satzungen), - oder in den Satzungen der Partei festgelegt ist. Parlamentarische Klubs gemäß Klubfinanzierungsgesetz 1985 sowie Rechtsträger nach § 1 Abs. 2 Publizistikförderungsgesetz 1984 sind jedenfalls keine nahestehenden Organisationen im Sinne dieses Gesetzes. Geltungsbereich Diese Standards haben einheitlich für Bund und Länder zu gelten, die Kontrolle obliegt dem Rechnungshof des Bundes. Inkrafttreten Bestimmungen, die nur ganzjährig anwendbar sind, treten mit 1. 1. 2013 in Kraft, unterjährig anwendbare Bestimmungen treten so früh wie möglich in Kraft. 27. April 2012 6 Transparenzpaket II. Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz Das Gesetz beinhaltet das Bekenntnis, dass Abgeordnete auch in einem zivilen Beruf tätig sein sollen und dass die Teilnahme am beruflichen, politischen und gesellschaftlichen Leben die Grundlage der politischen Entscheidungsfindung sein soll. Ausgeschlossen werden soll die Zulässigkeit entgeltlichen Lobbyismus durch gewählte Mandatare. 1. Meldepflichten Die Meldepflichten des Unvereinbarkeitsgesetzes und des BezügebegrenzungsBVG sollen vereinheitlicht und erweitert werden. ● Leitende Stellungen in Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung sollen generell, unabhängig vom Tätigkeitsbereich der GesmbH (bisher waren nur GesmbHs im Bereich Handel, Industrie, Verkehr und Bankwesen sowie in Sparkassen meldepflichtig) meldepflichtig werden. ● Darüber hinaus werden – in Erweiterung der bisherigen Meldepflichten nach § 9 Bezügebegrenzungs-BVG – künftig sämtliche unselbständigen, selbständigen und freiberuflichen Tätigkeiten zu melden sein. ● Bei den Meldungen sind in Form eines Stufenmodells (vier Stufen, und zwar bis 1.000.-, bis 3.500.-, bis 7.000.- und über 7.000 Euro) die Einkünfte aus diesen Tätigkeiten bekannt zu geben. ● Darüber hinaus werden sowohl Mandatare wie auch Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre leitende ehrenamtliche Tätigkeiten zu melden haben. 2. Veröffentlichungspflichten Von der Präsidentin des Nationalrates, dem Präsidenten des Bundesrates bzw. den Präsidenten der Landtage sind ● die Einkommen der Mandatare in Form eines Stufenmodells sowie ● die leitenden ehrenamtlichen Tätigkeiten von Mandataren, Regierungsmitgliedern und Staatssekretären auf der Homepage des Vertretungskörpers zu veröffentlichen. 27. April 2012 7 Transparenzpaket III. Korruptionsstrafrecht „neu“ Strafbestimmungen zur wirksamen Missbrauchs anvertrauter Macht. Verfolgung und Bestrafung des Korruption zersetzt das Vertrauen in die demokratischen Strukturen und führt zu einer Verfilzung der Strukturen. Die Bürgerinnen und Bürger haben Anspruch darauf, dass öffentliche Verwaltung und staatsnahe Wirtschaft von unredlicher Einflussnahme frei gehalten werden. Anstand, Ethik und Moral müssen die Leitprinzipien der Politik sein. Diese Prinzipien werden durch neue, wirksame Strafrechtsnormen abgesichert. Dadurch wird das österreichische Korruptionsstrafrecht an internationale Standards herangeführt (insbesondere jene der Staatengruppe des Europarates gegen Korruption [GRECO]) und Lücken im System der strafrechtlichen Bekämpfung werden geschlossen. Im Strafrecht soll es daher zu folgenden Verbesserungen kommen: Anfüttern „neu“: kein Abstellen mehr auf konkretes Amtsgeschäft („mögliches Amtsgeschäft“) oder ein pflichtwidriges bzw. pflichtgemäßes Verhalten. Das Kriterium für die Strafbarkeit des Anfütterns ist eine Beeinflussung der Amtsführung. Wenn der Amtsträger also einen nicht gebührenden Vorteil mit dem Vorsatz fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, sich in seiner Amtsführung dem Geber gegenüber beeinflussen zu lassen, ist eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vorgesehen. Welche „nicht gebührenden Vorteile“ nicht angenommen werden dürfen, wird klar geregelt. Annahme geringfügiger Vorteile (nach Judikatur bis etwa Euro 100,-) sind straflos, es sei denn, dass die Tat gewerbsmäßig begangen wird (wodurch auch ermöglicht wird, dass die wiederholte Annahme von Vorteilen unter Euro 100,zusammengerechnet wird) Abgeordnete des Nationalrates und der Landtage sowie Mitglieder des Bundesrates sollen vollständig dem Begriff der Amtsträger unterstellt werden. Ihre Abgeordnetentätigkeit wird dadurch voll vom Anwendungsbereich des Korruptionsstrafrechts erfasst. Bei der Vorteilsannahme für Amtsträger wird nicht mehr auf das Dienstrecht abgestellt werden, weil es für einige Berufsgruppen (Minister, Landeshauptleute, Bürgermeister) kein Dienstrecht gibt. (Entfall der Dienstrechtsakzessorietät) Eindeutige Definition dessen, was man als Amtsträger für pflichtgemäße Amtsführung annehmen darf durch Klarstellung, welche Vorteile zulässig sind So sollen Repräsentationspflichten und Spenden für gemeinnützige Zwecke in keinem Fall Anlass für ein Strafverfahren bieten. 27. April 2012 8 Transparenzpaket Klarstellung, dass für ein Amtsgeschäft niemals ein Vorteil gefordert werden darf. Entfall der Möglichkeit der Tätigen Reue Erweiterung der Korruptionsbestimmungen für Organe und Mitarbeiter aller Rechtsträger des öffentlichen Rechts (z.B. Universitäten) und öffentlicher Unternehmen samt genauer Definition (über 50% Beteiligung durch die öffentliche Hand oder Kontrolle durch den Rechnungshof). Die Strafbarkeit im Inland soll erweitert werden: so soll ein Österreicher, der im Ausland einen ausländischen Amtsträger (oder Schiedsrichter) besticht unabhängig davon, ob die Tat auch im Ausland strafbar ist - in Österreich strafbar sein, gleiches gilt, wenn ein österreichischer Amtsträger (oder Schiedsrichter) im Ausland bestochen wird. Anpassung des § 308 StGB (Verbotene Intervention) an den Text der Europaratskonvention. Korruption im privaten Sektor: o Erhöhung der Strafdrohungen bei der Bestechung im privaten Sektor (Grundtatbestand: Freiheitsstrafe von 2 Jahren; wenn der Vorteil € 3.000 übersteigt Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (wie bisher); wenn der Vorteil allerdings über € 50.000 liegt Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu fünf Jahren o Delikte werden zu Offizialdelikten o Entfall der Geringfügigkeitsgrenze bei der Bestechung im privaten Sektor (wenn auf eine pflichtwidrige Handlung abgezielt werden soll, soll wie bei den Amtsträgern keine Vorteilsannahme erlaubt sein) 27. April 2012 9 Transparenzpaket IV. Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenzgesetz Lobbying und Interessensvertretung sind nicht verboten – in einer Demokratie ist es legitim, eigene und kollektive Interessen gegenüber der Politik zu vertreten. Unbedingt notwendig dabei ist größtmögliche Transparenz. Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Politikerinnen und Politiker, sollen wissen, wer welche Interessen vertritt. Genau das soll das neue Lobbyisten-Gesetz sicherstellen, wobei folgende Eckpunkte hervorzuheben sind: Eintragung von Lobbyisten in ein Lobbyistenregister. Einhaltung gewisser Mindeststandards im Kontakt mit Funktionsträgern. Künftig sind Provisionen für Lobbyisten verboten. Die bloße Vereinbarung einer Lobbying-Provision ist nichtig. Darüber hinaus hat ein Auftraggeber eines Erfolgshonorars mit einer Verwaltungsstrafe (bis zu 10.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 20.000 Euro) zu rechnen. Zahlungen für Scheinrechnungen verfallen zugunsten des Bundes. Nichtigkeit von Lobbyingaufträgen an Lobbyingunternehmen, die nicht in das Register eingetragen sind. Lobbyisten haben einen Verhaltenskodex anzuwenden. Funktionsträger dürfen während ihrer Amtszeit nicht als Lobbyisten tätig sein. Scharfe Sanktionen bei Verstößen (bis zu 60.000 Euro Verwaltungsstrafe. Bei besonders schwerwiegenden und nachhaltigen Verletzungen ist die Streichung aus dem Register vorgesehen). Kammern und Interessenverbände sind folgendermaßen erfasst: Sie haben Name, Sitz, Adresse, und gesetzlichen Aufgabenbereich einzutragen, zB durch Veröffentlichung auf ihrer Homepage und Verlinkung im Register. Zusätzlich haben sie auch die Gesamtzahl der Interessenvertreter und ihre geschätzten Kosten für die Interessenvertretungstätigkeit anzuführen. 27. April 2012 10