Kapitel 3 Ein adäquater Kalkül der Prädikatenlogik Teil 3 Beweis des Erfüllbarkeitslemmas Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 1 / 41 Übersicht 3.7 Beweis des Erfüllbarkeitslemmas 3.7.1 Beweisidee und Bemerkungen 3.7.2 Termmodelle 3.7.3 Vollständige Henkin-Theorien und der Satz über Termmodelle 3.7.4 Vervollständigung konsistenter Theorien: Der Satz von Lindenbaum 3.7.5 Henkin-Erweiterungen konsistenter Theorien 3.7.6 Abschluss des Beweises Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 2 / 41 3.7 Beweis des Erfüllbarkeitslemmas Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 3 / 41 3.7.1 Beweisidee und Bemerkungen Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 4 / 41 Vorbemerkungen Wie wir bereits gezeigt haben, folgt der Vollständigkeitssatz aus dem ERFÜLLBARKEITSLEMMA (MODELLEXISTENZSATZ, EL). Sei T = (L, Σ) eine konsistente Theorie. Dann ist T erfüllbar, d.h. es gibt eine L-Struktur A, die Modell von T ist: A � T . In diesem Abschnitt beweisen wir das Erfüllbarkeitslemma und schließen damit den Beweis des Vollständigkeitssatzes ab. Wir beschränken uns hierbei jedoch auf den Fall abzählbarer Sprachen. Der Beweis des allgemeinen Falls lässt sich ähnlich führen, erfordert aber das Auswahlaxiom. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 5 / 41 Beweisidee: (1) Termmodelle Um das gewünschte Modell einer gegebenen konsistenten L-Theorie T = (L, Σ) zu erhalten, betrachten wir das Termmodell AT von T , dessen Individuen gerade die konstanten Terme von L (modulo aus T beweisbarer Gleichheit) sind (→ 3.7.2). Grob gesprochen, interpretieren wir also die konstanten L-Terme durch sich selbst. Das Modell von T wird also aus den syntaktischen Objekten der Sprache L (mit Hilfe des ebenfalls syntaktischen Beweisbarkeitsbegriffs) gewonnen. Im Allgemeinen wird das Termmodell AT jedoch noch kein Modell von T sein, obwohl für atomare Sätze σ (∗) T � σ ⇔ AT � σ gilt (“Lemma über Termmodelle”, → 3.7.2). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 6 / 41 Beweisidee: (2) Vervollständigung - der Satz von Lindenbaum Um (∗) auch für aussagenlogische Kombinationen σ atomarer Sätze zu erhalten, muss die Theorie T vollständig sein (→ 3.7.3). Ähnlich wie in der Aussagenlogik können wir daher ein Modell für diese Sätze von T erhalten, indem wir T zu einer konsistenten vollständigen Theorie TV erweitern (Satz von Lindenbaum für PL, → 3.7.4), und das Termmodell ATV dieser Erweiterung betrachten. Hierdurch wird jedoch i.a. (∗) noch nicht für Existenzsätze σ ≡ ∃xϕ garantiert. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 7 / 41 Beweisidee: (3) Henkin-Theorien Da die Individuen des Termmodells AT von T = (L, Σ) gerade die konstanten L-Terme (modulo aus T beweisbarer Gleichheit) sind, folgt leicht aus der Definition des Modellbegriffs, dass ein Existenzsatz σ ≡ ∃xϕ genau dann in AT gilt, wenn es einen konstanten Term t gibt, sodass die Instanz ϕ[t/x] von ϕ in AT gilt: AT � ∃xϕ ⇔ Es gibt einen konstanten L-Term t mit AT � ϕ[t/x] Die entsprechende syntaktische Aussage T � ∃xϕ ⇔ Es gibt einen konstanten L-Term t mit T � ϕ[t/x] gilt dagegen i.a. nicht: Die Richtung “⇐” folgt aus dem Substitutionsaxiom S1 mit AL. Die Gültigkeit von “⇒” setzt dagegen voraus, dass es zu jedem Existenzsatz σ ≡ ∃xϕ einen konstanten Term tσ mit T � ∃xϕ → ϕ[tσ /x] gibt. Theorien T mit dieser Eigenschaft nennt man Henkin-Theorien (→ 3.7.3) . Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 8 / 41 Beweisidee: (4) Henkin-Theorien und -Erweiterungen Für eine konsistente vollständige Henkin-Theorie T gilt tatsächlich (∗) für alle Sätze σ (“Satz über Termmodelle”, → 3.7.3). Insbesondere ist also das Termmodell AT solch einer Theorie T Modell von T . Es genügt daher zu zeigen, dass jede konsistente Theorie T nicht nur eine konsistente vollständige Erweiterung TV sondern auch eine Erweiterung TH besitzt, die weiterhin konsistent und zusätzlich eine Henkin-Theorie ist (“Henkin-Erweiterung” von T , → 3.7.5). Hierbei muss man allerdings beachten, dass hierzu i.a. die Sprache L von T durch Hinzunahme neuer Konstanten erweitert werden muss, also TH = (LH , ΣH ) i.a. keine L-Theorie ist. Da die Vervollständigung einer Theorie die Sprache nicht verändert, kann man argumentieren, dass die Vervollständigung (TH )V = (LH , (ΣH )V ) der Henkin-Erweiterung TH = (LH , ΣH ) der konsistenten Theorie T = (L, Σ) eine konsistente, vollständige Henkin-Theorie ist. Nach dem Satz über Termmodelle ist daher A(TH )V ein Modell von (TH )V und daher die Einschränkung von A(TH )V auf die Sprache L ein Modell der Teiltheorie T von (TH )V (Details → 3.7.6). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 9 / 41 Notation Im Folgenden sei: L eine abzählbare Sprache der Signatur σ(L) = ((ni : i ∈ I ); (mj : j ∈ J); K ) (d.h. I , J, K sind jeweils (höchstens) abzählbar). Es sind also Ri (i ∈ I ), fj (j ∈ J) und ck (k ∈ K ) die Relationszeichen, Funktionszeichen und Konstanten von L, wobei Ri ni -stellig und fj mj -stellig ist. T = (L, Σ) eine konsistente L-Theorie mit Axiomenmenge Σ. Man beachte, dass es wegen der Abzählbarkeit von L (nur) abzählbar unendlich viele L-Terme und L-Formeln gibt. Entsprechendes gilt für die Anzahl der L-Sätze; die Anzahl der konstanten Terme ist höchstens abzählbar. (Ist K = ∅, so gibt es keine konstanten L-Terme; ist K endlich und gibt es keine Funktionszeichen, so gibt es nur endlich viele konstante Terme.) Im Folgenden sei σn (n ≥ 0) eine Liste der L-Sätze und SL = {σn : n ≥ 0} die Menge aller L-Sätze tn (n ≥ 0) eine Liste der konstanten L-Terme und KL = {tn : n ≥ 0} die Menge aller konstanten L-Terme (falls K �= ∅; und KL = ∅, falls K = ∅) Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 10 / 41 3.7.2 Termmodelle Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 11 / 41 Identifizierung beweisbar gleicher Terme Konstante L-Terme t werden in L-Strukturen A als Individuen t A interpretiert. Ist A ein Modell der Theorie T , so stellen hierbei konstante L-Terme t und t � , deren Gleichheit aus T beweisbar ist, dasselbe Individuum dar. D.h. es gilt: T � t = t � ⇒ t A = (t � )A Wollen wir also - wie in der Einleitung bereits ausgeführt - ein Modell der konsistenten Theorie T dadurch erhalten, dass wir konstante Terme durch sich selbst interpretieren, so müssen wir hierbei die entsprechende Identifizierung vornehmen: Statt der konstanten Terme t müssen wir die Äquivalenzklasse t von t bzgl. der Äquivalenzrelation der aus T beweisbaren Gleichheit von Termen betrachten. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 12 / 41 Die Äquivalenzrelation der aus T beweisbaren Gleichheit von Termen DEFINITION. Die Relation ∼ ⊆ KL × KL sei durch t ∼ t� ⇔ T � t = t� gegeben. Wir beobachten zunächst, dass ∼ eine Äquivalenzrelation ist (Lemma 1), die mit den Funktions- und Relationszeichen von L veträglich ist (Lemma 2). LEMMA 1. ∼ ist eine Äquivalenzrelation. LEMMA 2. (i) � � t1 ∼ t1� & . . . & tmj ∼ tm ⇒ fj (t1 , . . . , tmj ) ∼ fj (t1� , . . . , tm ) j j (ii) t1 ∼ t1� & . . . & tni ∼ tn� i & T � Ri (t1 , . . . , tni ) ⇒ T � Ri (t1� , . . . , tn� i ) Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 13 / 41 Beweis von Lemma 1 Zum Beweis von Lemma 1 müssen wir zeigen, dass ∼ reflexiv (t ∼ t), symmetrisch (t ∼ t � ⇒ t � ∼ t) und transitiv (t ∼ t � & t � ∼ t �� ⇒ t ∼ t �� ) ist. 1. t ∼ t Es genügt einen Beweis von t = t aus T anzugeben: 1. 2. x =x t=t G1 S2 : 1 2. t ∼ t � ⇒ t � ∼ t Es genügt einen Beweis von t � = t aus T ∪ {t = t � } anzugeben: 1. 2. 3. Mathematische Logik (WS 2012/13) t = t� t = t� → t� = t t� = t Annahme G5 AL : 1, 2 Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 14 / 41 Beweis von Lemma 1 (Fortsetzung und Ende) 3. t ∼ t � & t � ∼ t �� ⇒ t ∼ t �� Es genügt einen Beweis von t = t �� aus T ∪ {t = t � , t � = t �� } anzugeben: 1. 2. 3. t = t� t � = t �� t� = t 4. t� = t� 5. 6. 7. 8. x1 = y1 ∧ x2 = y2 ∧ x1 = x2 → y1 = y2 t � = t ∧ t � = t �� ∧ t � = t � → t = t �� t � = t ∧ t � = t �� ∧ t � = t � t = t �� Annahme Annahme AL : 1, G 5 (oder Symmetrie von ∼ und 1) S2 : G 1 (oder Reflexivität von ∼) G4 S2 : 4 (t � /x1 , t/y1 , t � /x2 , t �� /y2 ) AL : 3, 2, 4 AL : 6, 7 Hiermit ist Lemma 1 bewiesen. Im Folgenden bezeichnen wir die ∼-Äquivalenzklasse eines konstanten Terms t mit t und die Menge der ∼-Äquivalenzklassen mit KT : t := {t � ∈ KL : t � ∼ t} und KT := {t : t ∈ KL } Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 15 / 41 Beweis von Lemma 2 (i) � � BEHAUPTUNG: t1 ∼ t1� & . . . & tmj ∼ tm ⇒ fj (t1 , . . . , tmj ) ∼ fj (t1� , . . . , tm ) j j � Es genügt einen Beweis von fj (t1 , . . . , tmj ) = fj (t1� , . . . , tm ) aus j � T ∪ {t1 = t1� , . . . , tmj = tm } anzugeben: j 1 mj mj + 1 mj + 2 mj + 3 t1 = t1� ... � tm j = tm j � � t1 = t 1 ∧ · · · ∧ tm j = t m j � � t 1 = t 1 ∧ · · · ∧ tm j = t m j � → fj (t1 , . . . , tmj ) = fj (t1� , . . . , tm ) j � fj (t1 , . . . , tmj ) = fj (t1� , . . . , tm ) j Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) Annahme Annahme AL : 1, . . . , mj G6 AL : mj + 1, mj + 2 16 / 41 Beweis von Lemma 2 (ii) BEHAUPTUNG: Aus t1 ∼ t1� & . . . & tni ∼ tn� i & T � Ri (t1 , . . . , tni ) folgt T � Ri (t1� , . . . , tn� i ) Es genügt einen Beweis von Ri (t1� , . . . , tn� i ) aus T ∪ {t1 = t1� , . . . , tni = tn� i , Ri (t1 , . . . , tni )} anzugeben: 1 ni ni + 1 ni + 2 ni + 3 ni + 4 ni + 5 t1 = t1� ... tni = tn� i t1 = t1� ∧ · · · ∧ tni = tn� i Ri (t1 , . . . , tni ) t1 = t1� ∧ · · · ∧ tni = tn� i → (Ri (t1 , . . . , tni ) ↔ Ri (t1� , . . . , tn� i )) Ri (t1 , . . . , tni ) ↔ Ri (t1� , . . . , tn� i ) Ri (t1� , . . . , tn� i ) Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) Annahme Annahme AL : 1, . . . , ni Annahme G7 AL : ni + 1, ni + 3 AL : ni + 2, ni + 4 17 / 41 Die Termstruktur AT der L-Theorie T DEFINITION. Die Termstruktur (Termmodell) AT = (AT ; (RiAT : i ∈ I ); (fjAT : j ∈ J); (ckAT : k ∈ K )) von T ist gegeben durch AT := KT = {t : t ∈ KL } wobei t = {t � ∈ KL : t � ∼ t} (t1 , . . . , tni ) ∈ RiAT ⇔ T � Ri (t1 , . . . , tni ) fjAT (t1 , . . . , tmj ) := fj (t1 , . . . , tmj ) ckAT := ck In der Termstruktur AT werden also konstante Terme durch sich selbst interpretiert, wobei man jedoch in T beweisbar gleiche Terme identifiziert, d.h. formal einen konstanten Term t durch dessen Äquivalenzklasse t bzgl. ∼ ersetzt. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 18 / 41 Wohldefiniertheit der Termstruktur AT Enthält die Sprache L keine Konstanten, so gibt es keine konstanten L-Terme, weshalb der Individuenbereich von AT leer ist. Da wir von Strukturen fordern, dass deren Individuenbereich nicht leer ist, ist in diesem Fall AT keine L-Struktur. Andernfalls ist AT jedoch eine wohldefinierte L-Struktur: LEMMA 3. Falls die Sprache L zumindest eine Konstante besitzt (d.h. K �= ∅), so ist AT eine wohldefinierte L-Struktur, und es gilt (∗) ∀ t ∈ KL : t AT = t Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 19 / 41 Beweis von Lemma 3 LEMMA 3. Falls die Sprache L zumindest eine Konstante besitzt (d.h. K �= ∅), so ist AT eine wohldefinierte L-Struktur, und es gilt (∗) ∀ t ∈ KL : t AT = t Aus K �= ∅ folgt, dass der Individuenbereich KT von AT nicht leer ist. Weiter sind die Individuen ckAT nach Lemma 1 wohldefiniert während die Relationen und Funktionen RiAT und fjAT nach Lemma 2 wohldefiniert sind. (∗) zeigt man durch Induktion nach dem Termaufbau: 1. t = ck . Dann gilt: t AT = ckAT = ck = t 2. t = fj (t1 , . . . , tmj ). Dann gilt: AT AT t AT = fjAT (t1AT , . . . , tm (t1 , . . . , tmj ) =Def. f AT fj (t1 , . . . , tmj ) = t ) = f I.V. j j j Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 20 / 41 Lemma über Termmodelle Wir beobachten als nächstes, dass in der Termstruktur AT die aus T beweisbaren atomaren Sätze gelten. Wir werden allerdings auch sehen, dass - ohne weitere Anforderungen an T - dies i.a. nicht für alle Sätze gilt. AT ist i.a. also kein Modell von T . LEMMA 4 (LEMMA ÜBER TERMMODELLE). Sei K �= ∅. Dann gilt für atomare L-Sätze σ (∗∗) AT � σ ⇔ T � σ Zum Beweis von (∗∗) genügt es die Fälle σ ≡ Ri (t1 , . . . , tni ) und σ ≡ t = t � (wobei t1 , . . . , tni , t, t � konstante Terme sind) zu betrachten, da jeder atomare Satz eine dieser beiden Gestalten hat. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 21 / 41 Lemma über Termmodelle: Beweis BEHAUPTUNG: Für atomares σ gilt: (∗∗) AT � σ ⇔ T � σ 1. σ ≡ Ri (t1 , . . . , tni ). AT � σ 2. σ ≡ t = t � . ⇔ ⇔ ⇔ ⇔ ⇔ AT � σ Mathematische Logik (WS 2012/13) AT � Ri (t1 , . . . , tni ) (t1AT , . . . , tnAi T ) ∈ RiAT (t1 , . . . , tni ) ∈ RiAT T � Ri (t1 , . . . , tni ) T �σ ⇔ ⇔ ⇔ ⇔ ⇔ AT � t = t � t AT = (t � )AT t = t� T � t = t� T �σ (Wahl von σ) (Definition von �) (Lemma 3) (Definition von RiAT ) (Wahl von σ) (Wahl von σ) (Definition von �) (Lemma 3) (Definition von t) (Wahl von σ) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 22 / 41 Nichtfortsetzbarkeit des Lemmas über Termmodelle auf beliebige Sätze Dass das Lemma über Termmodelle i.a. nicht für beliebige Sätze gilt - und daher AT i.a. kein Modell von T ist -, zeigt folgendes Beispiel: BEISPIEL 1. Sei L = L(≤; 0) die Sprache der linearen Ordnungen mit kleinstem Element. Die Modelle der L-Theorie T = (L, Σ) mit Σ = {σlin , ∀x(0 = x ∨ 0 < x), ∀x∃y (x < y )} (wobei σlin die Konjunktion der Axiome der linearen Ordnungen ist; s. früheres Beispiel) sind dann gerade die linearen Ordnungen mit kleinstem aber ohne größtem Element. Insbesondere sind also alle Modelle von T unendlich. Die Termstruktur AT von T besitzt dagegen nur ein Element, nämlich 0. (Ein ähnliches Gegenbeispiel, bei dem die Termstruktur unendlich ist, wird in den Übungen behandelt.) Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 23 / 41 Zusätzliche Anforderungen an T , die AT zum Modell von T machen Damit die Bedingung (∗∗) aus dem Lemma über Termstrukturen für alle Sätze σ gilt und daher AT ein Modell von T ist, genügt es folgende Anforderung an die Theorie T zu stellen: T ist vollständig, d.h. für jeden L-Satz σ gilt T � σ oder T � ¬σ. Dies garantiert, dass die Sätze, für die (∗∗) gilt, gegen die Junktoren ¬ und ∨ abgeschlossen sind. T ist eine Henkin-Theorie, d.h. zu jedem Existenzsatz σ ≡ ∃xϕ gibt es einen konstanten Term tσ , sodass T � ∃xϕ → ϕ[tσ /x] gilt. Dies garantiert, dass (∗∗) auch für Existenzsätze gilt. Im nächsten Abschnitt stellen wir diesen Sachverhalt detailliert dar. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 24 / 41 3.7.3 Vollständige Henkin-Theorien und der Satz über Termmodelle Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 25 / 41 Vollständige Theorien DEFINITION. Eine L-Theorie T = (L, Σ) ist (syntaktisch) vollständig, falls für jeden L-Satz σ T � σ oder T � ¬σ gilt. Ist die Theorie T konsistent und vollständig, so gilt also für jeden L-Satz σ entweder T � σ oder T � ¬σ Für konsistentes und vollständiges T ist der deduktive Abschluss C� (T ) daher eine maximale konsistente Menge (d.h. nimmt man zu C� (T ) einen Satz σ �∈ C� (T ) hinzu, so ist C� (T ) ∪ {σ} inkonsistent). Man nennt daher konsistente und vollständige Theorien auch maximal konsistent. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 26 / 41 Henkin-Theorien DEFINITION. Eine L-Theorie T = (L, Σ) ist eine Henkin-Theorie, falls es für jeden L-Existenzsatz ∃xϕ einen konstanten L-Term t gibt, mit (+) T � ∃xϕ → ϕ[t/x] gibt. Mit dem Deduktionstheorem folgt, dass, wenn man in einer Henkin-Theorie eine Existenzsaussage ∃xϕ beweisen kann, so kann man auch eine Instanz ϕ[t/x] von ϕ beweisen, d.h. einen “Zeugen” t für die Aussage finden. Weiter beachte man, dass T � ϕ[t/x] → ∃xϕ für alle Theorien T gilt, da dies gerade ein Substitutionsaxiom vom Typ S1 ist. Mit AL folgt daher, dass (+) äquivalent zu (+� ) T � ∃xϕ ↔ ϕ[t/x] ist. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 27 / 41 Henkin-Theorien: Beispiele BEISPIEL 2. Die Theorie T = (L, Σ) der linearen Ordnungen mit kleinstem aber ohne größtem Element aus Beispiel 1 ist keine Henkin-Theorie. Hierzu kann man die Formel ϕ(x) ≡ 0 < x betrachten. Es gilt dann T � ∃x(0 < x). Es gibt aber keinen konstanten Term t mit T � 0 < t, da 0 der einzige konstante L-Term ist und T �� 0 < 0 gilt. BEISPIEL 3. Offensichtlich ist jede inkonsistente Theorie eine Henkin-Theorie. Ein Beispiel einer konsistenten Henkin-Theorie ist die Theorie T = Th(N ) der Arithmetik N = (N; ≤; +, ·; 0, 1). Gilt nämlich T � ∃xϕ und damit N � ∃xϕ, so gibt es eine natürliche Zahl n mit N � ϕ[n]. Da jede natürliche Zahl n durch den konstanten Term n dargestellt wird, folgt N � ϕ[n/x] und damit T � ϕ[n/x]. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 28 / 41 Henkin-Theorien: Beispiele BEISPIEL 4. Die Argumentation in Beispiel 3 lässt sich wie folgt verallgemeinern: Ist A eine L-Struktur, sodass jedes Individum a von einem konstanten L-Term t dargestellt wird (d.h. a = t A ), so ist die die Theorie Th(A) eine Henkin-Theorie. Da in der Termstruktur AT einer konsistenten Theorie T jedes Individuum durch einen konstanten Term dargestellt wird (nämlich t durch t), ist also Th(AT ) eine Henkin-Theorie. Dies zeigt, dass die Bedingung (∗∗) im Lemma über Termmodelle nur dann für alle σ gelten kann, wenn T eine Henkin-Theorie ist. (NB: Dass (∗∗) für alle σ gilt, besagt gerade, dass T = Th(AT ).) Da die Theorie jeder Struktur vollständig ist, kann man weiter folgern, dass eine konsistente Theorie T , für die (∗∗) für alle σ gilt, eine vollständige Henkin-Theorie sein muss. Wir werden nun zeigen, dass die Umkehrung ebenfalls gilt. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 29 / 41 Satz über Termmodelle Wir zeigen nun, dass für eine konsistente Theorie T , die sowohl vollständig als auch eine Henkin-Theorie ist, die Termstruktur AT ein Modell von T ist: SATZ ÜBER TERMMODELLE. Sei T = (L, Σ) konsistent, vollständig und eine Henkin-Theorie. Dann gilt für alle L-Sätze σ (∗∗) AT � σ ⇔ T � σ Insbesondere ist AT ein Modell von T . Der Nachweis von (∗∗) erfolgt durch Induktion nach dem Rang von σ. Man beachte, dass für eine Henkin-Theorie T = (L, Σ) die Sprache L zumindest eine Konstante besitzen muss (nämlich einen “Zeugen” für den beweisbaren Satz ∃x(x = x)). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 30 / 41 Satz über Termmodelle: Beweis Nachweis von (∗∗) AT � σ ⇔ T � σ durch Ind(ρ(σ)): 1. σ atomar. Dann folgt die Behauptung aus dem Lemma über Termmodelle. 2. σ ≡ ¬τ . AT � σ ⇔ ⇔ ⇔ ⇔ AT � ¬τ AT �� τ T �� τ T � ¬τ ⇔ T �σ Mathematische Logik (WS 2012/13) (Wahl von σ) (Definition von �) (I.V) (“⇒”: T vollständig “⇐”: T konsistent) (Wahl von σ) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 31 / 41 Satz über Termmodelle: Beweis (Fortsetzung) Nachweis von (∗∗) AT � σ ⇔ T � σ durch Ind(ρ(σ)): 3. σ ≡ σ1 ∨ σ2 . AT � σ “⇒:” ⇔ AT � σ1 ∨ σ2 ⇔ AT � σ1 oder AT � σ2 ⇔ T � σ1 oder T � σ2 ⇔ T � σ1 ∨ σ2 ⇔ T �σ 1. 2. (Wahl von σ) (Definition von �) (I.V) (s.u.) (Wahl von σ) T � σ1 oder T � σ2 T � σ1 ∨ σ2 Annahme AL:1 “⇐:” Dies zeigt man durch Kontraposition: T ⇒ T ⇒ T ⇒ T Mathematische Logik (WS 2012/13) �� σ1 und T �� σ2 � ¬σ1 und T � ¬σ2 � ¬(σ1 ∨ σ2 ) �� σ1 ∨ σ2 Annahme T vollständig AL T konsistent Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 32 / 41 Satz über Termmodelle: Beweis (Fortsetzung und Ende) Nachweis von (∗∗) AT � σ ⇔ T � σ durch Ind(ρ(σ)): 4. σ ≡ ∃xϕ. “⇒:” AT � σ “⇐:” T � σ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ AT � ∃xϕ ∃ a ∈ |AT | : AT � ϕ[a] ∃ t ∈ KL : AT � ϕ[ t ] ∃ t ∈ KL : AT � ϕ[t/x] AT � ∃xϕ AT � σ Wahl von σ Definition von � |AT | = KT t AT = t; Def. von � S1, AL Wahl von σ ⇒ ⇒ T � ∃xϕ T � ∃xϕ und T � ∃xϕ → ϕ[t/x] T � ϕ[t/x] AT � ϕ[t/x] AT � ϕ[t AT ] AT � ∃xϕ AT � σ Wahl von σ T Henkin-Theorie (t ∈ KL geeignet) AL I.V. Definition von � Definition von � Wahl von σ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 33 / 41 Weiteres Vorgehen Wegen des Satzes über Termmodelle genügt es also zu zeigen, dass jede konsistente Theorie T eine konsistente Erweiterung T � besitzt, die vollständig ist und die eine Henkin-Theorie ist. Wir zeigen dies in den folgenden beiden Unterabschnitten in zwei Schritten: Wir geben zunächst eine Vervollständigung TV von T an (Satz von Lindenbaum) und zeigen dann, dass jede konsistente Theorie T eine konsistente Henkin-Erweiterung TH besitzt (Satz über Henkin-Erweiterungen). Auf die Vervollständigung (TH )V der Henkin-Erweiterung TH von T wenden wir dann den Satz über Termmodelle an, um ein Modell von (TH )V und damit auch das gewünschte Modell von T zu erhalten. Dabei stimmt der erste Schritt im Wesentlichen mit der Vorgehensweise in der Aussagenlogik überein. (D.h.: Der Beweis des Satzes von Lindenbaum für PL ist eine einfache Variante des Beweises des Satzes von Lindenbaum für AL.) Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 34 / 41 3.7.4 Vervollständigung konsistenter Theorien: Der Satz von Lindenbaum Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 35 / 41 Der Satz von Lindenbaum SATZ VON LINDENBAUM (FÜR PL). Sei T = (L, Σ) eine konsistente L-Theorie, wobei die Sprache L abzählbar sei. Dann gibt es eine vollständige und konsistente Theorie TV = (L, ΣV ) mit Σ ⊆ ΣV . Für den Beweis des Satzes halten wir eine Auflistung {σn : n ≥ 0} der L-Sätze fest (die wegen der Abzählbarkeit von L existiert; siehe Übungen). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 36 / 41 Beweis: Definition von ΣV Definiere induktiv Erweiterungen Σn von Σ (n ≥ 0) durch Σ0 Σn+1 := Σ := � Σn Σn ∪ {σn } und setzte ΣV := � falls Σn � σn sonst Σn . n≥0 Man beachte, dass Σ = Σ0 ⊆ Σ1 ⊆ Σ2 ⊆ · · · ⊆ ΣV = � Σn n≥0 und dass es zu jeder endlichen Teilmenge Σ� von ΣV ein n ≥ 0 mit Σ� ⊆ Σn gibt. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 37 / 41 Beweis: Eigenschaften von ΣV (1) Σn ist konsistent. Man zeigt dies durch Ind(n). Für n = 0 ist die Aussage trivial, da Σ nach Annahme konsistent ist. Für n + 1 folgt die Aussage entweder direkt aus der I.V. oder aus dem Lemma über den Zusammenhang zwischen Konsistenz und Beweisbarkeit. (2) ΣV ist konsistent. Dies folgt aus der Finitheit von � durch einen Widerspruchsbeweis wie folgt: ΣV inkonsistent ΣV � σ & ΣV � ¬σ Σ� � σ & Σ� � ¬σ Σn � σ & Σn � ¬σ Σn inkonsistent Mathematische Logik (WS 2012/13) Widerspruchsannahme Char. d. Inkons. (LCK); für σ geeignet Endlichkeitssatz für �; für geeignetes endliches Σ� ⊆ ΣV da Σ� ⊆ Σn für n geeignet LCK; Widerspruch zu (1)! Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 38 / 41 Beweis: Eigenschaften von ΣV (Fortsetzung) (3) ΣV vollständig. Für jeden Satz σn gilt entweder Σn+1 � σn oder Σn+1 � ¬σn . Wegen Σn+1 ⊆ ΣV folgt mit der Monotonie von �, dass auch ΣV � σn oder ΣV � ¬σn gilt. Also ist ΣV vollständig. Wegen Σ ⊆ ΣV folgt die Behauptung aus (2) und (3). q.e.d. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 39 / 41 3.7.5 Henkin-Erweiterungen konsistenter Theorien Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 40 / 41 3.7.6 Abschluss des Beweises Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 3) 41 / 41