Kapitel 4 Ein adäquater Kalkül der Prädikatenlogik Teil 4 Folgerungen aus dem Vollständigkeitssatz Mathematische Logik (WS 2011/12) Kap. 4: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 4) 1 / 10 4.8 Folgerungen aus dem Vollständigkeitssatz Mathematische Logik (WS 2011/12) Kap. 4: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 4) 2 / 10 Vollständigkeitssatz In den vorangegangenen Abschnitten haben wir den Vollständigkeitssatz bewiesen: VOLLSTÄNDIGKEITSSATZ. T � σ ⇒ T � σ Zusammen mit dem (einfach zu beweisenden Korrektheitssatz) zeigt dies, dass sich der semantische Folgerungsbegriff durch den Beweisbarkeitsbegriff (in einem geeignet gewählten Kalkül) beschreiben lässt. Insbesondere lassen sich also alle logisch wahren (= allgemeingültige) Sätze beweisen. In anderen Worten: der nach Definition in hohem Maße nichtkonstruktive Wahrheitsbegriff lässt sich durch den konstruktiven Beweisbegriff beschreiben und wird damit einer mathematischen Analyse zugänglich gemacht. Bewiesen wurde der Vollständigkeitssatz von Kurt Gödel (). Der von uns vorgestellte Beweis geht auf Henkin () zurück. In diesem letzten Teil von Kapitel 4 stellen wir einige wichtige Folgerungen aus dem Vollständigkeitssatz (bzw. dessen Beweis) vor. Mathematische Logik (WS 2011/12) Kap. 4: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 4) 3 / 10 Adäquatheitssatz Aus dem Vollständigkeitssatz (VS) zusammen mit dem Korrektheitssatz erhält man unmittelbar den Adäquatheitssatz: ADÄQUATHEITSSATZ. T � σ ⇔ T � σ Der (semantische) Folgerungsbegriff und der (syntaktische) Beweisbarkeitsbegriff (im Shoenfield-Kalkül) fallen also zusammen. Entsprechend folgt aus dem Erfüllbarkeitslemma zusammen mit dem Konsistenzlemma, dass der (semantische) Erfüllbarkeitsbegriff mit dem (syntaktischen) Konsistenzbegriff zusammenfällt: SATZ ÜBER KONSISTENZ UND ERFÜLLBARKEIT. T erfüllbar ⇔ T konsistent Mathematische Logik (WS 2011/12) Kap. 4: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 4) 4 / 10 Kompaktheitssatz Eine wichtige Folgerung aus dem Adäquatheitssatz ist der Kompaktheitsatz, dessen Bedeutung zum Nachweis der Nichtbeschreibbarkeit von Strukturen und Strukturklassen in der Prädikatenlogik erster Stufe wir bereits in Kapitel 3 gesehen haben: KOMPAKTHEITSSATZ. (i) Eine Theorie T ist genau dann erfüllbar, wenn jede endliche Teiltheorie T0 von T erfüllbar ist. (ii) Ein Satz σ folgt genau dann aus einer Theorie T , wenn es eine endliche Teiltheorie T0 gibt, aus der σ folgt. Mathematische Logik (WS 2011/12) Kap. 4: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 4) 5 / 10 Kompaktheitssatz: Beweis von (i) BEHAUPTUNG: (i) T erfüllbar ⇔ ∀ T0 ⊆ T endlich: T0 erfüllbar Da die Richtung ⇒ unmittelbar aus der Definition der Erfüllbarkeit folgt, genügt es die Richtung ⇐ zu beweisen. Wir zeigen diese Richtung durch Kontraposition: ⇒ ⇒ T nicht erfüllbar T nicht konsistent ∃ σ : T � σ & T � ¬σ ⇒ ∃ T0 ⊆ T endlich ∃ σ : T0 � σ & T0 � ¬σ ⇒ ∃ T0 ⊆ T endlich: T0 nicht konsistent ⇒ ∃ T0 ⊆ T endlich: T0 nicht erfüllbar (Erfüllbarkeitslemma) (Charakterisierung der Konsistenz) (Endlichkeitssatz für �) der Konsistenz) (Charakterisierung der Konsistenz) (Konsistenzlemma) Wir benutzen zum Beweis von (i) also: (1) die Übereinstimmung von Erfüllbarkeit und Konsistenz und (2) die Tatsache, dass sich die (i) entsprechende Aussage für die Konsistenz leicht aus der Finitheit des Beweisbegriffs ergibt. Mathematische Logik (WS 2011/12) Kap. 4: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 4) 6 / 10 Kompaktheitssatz: Beweis von (ii) BEHAUPTUNG: (ii) T � σ ⇔ ∃ T0 ⊆ T endlich: T0 � σ Da die Richtung ⇐ unmittelbar aus der Definition des Folgerungsbegriffs folgt, genügt es die Richtung ⇒ zu beweisen. T �σ ⇒ T �σ ⇒ ∃ T0 ⊆ T endlich: T0 � σ ⇒ ∃ T0 ⊆ T endlich: T0 � σ (Vollständigkeitsatz) (Endlichkeitssatz für �) (Korrektheitssatz) Wir benutzen zum Beweis von (ii) also: (1) die Übereinstimmung von Folgerungsbegriff und Beweisbarkeit und (2) die Tatsache, dass sich die (ii) entsprechende Aussage für die Beweisbarkeit leicht aus der Finitheit des Beweisbegriffs ergibt. Mathematische Logik (WS 2011/12) Kap. 4: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 4) 7 / 10 Satz von Löwenheim SATZ VON LÖWENHEIM. Sei T = (L, Σ) eine erfüllbare L-Theorie, wobei die Sprache L abzählbar sei. Dann besitzt T ein abzählbares Modell. BEWEIS. Wie wir im Beweis des Erfüllbarkeitslemmas gezeigt haben, ist die Einschränkung A(TH )V � L des Termmodells A(TH )V der Vervollständigung (TH )V der Henkin-Erweiterung TH = (LH , ΣH ) von T ein Modell von T . Es genügt also zu beobachten, dass der Individuenbereich von A(TH )V � L abzählbar ist. Dies sieht man wie folgt ein: Da L abzählbar ist, ist nach dem Satz über Henkin-Erweiterungen auch LH abzählbar. Da die Vervollständigung einer Theorie die Sprache nicht verändert, ist weiterhin LH die Sprache von (TH )V . Da eine abzählbare Sprache höchstens abzählbar unendlich viele konstante Terme besitzt, und da die Individuen einer Termstruktur Äquivalenzklassen konstanter Terme der zugehörigen Sprache sind, ist also die Termstruktur A(TH )V abzählbar. Hieraus folgt die Behauptung, da die Individuenbereiche von A(TH )V � L und A(TH )V übereinstimmen. Mathematische Logik (WS 2011/12) Kap. 4: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 4) 8 / 10 Satz von Löwenheim: Anwendungsbeispiele Die Sprache L = L(≤; +, ·; 0, 1) der Struktur R = (R; ≤; +, ·; 0, 1) der reellen Zahlen ist endlich (also insbesondere abzählbar). Die Theorie Th(R) der reellen Zahlen (Analysis) besitzt daher ein abzählbares Modell A. Da R überabzählbar ist, sind R und A trivialerweise nicht isomorph. D.h. A ist eine Nichtstandardmodell der Analysis. Ähnlich können wir aus dem in Kapitel 3 gegebenen Beweis für die Existenz von Nichtstandardmodellen der Theorie Th(N ) der natürlichen Zahlen N = (N; ≤; +, ·; 0, 1) (Arithmetik) auf die Existenz eines abzählbaren Nichstandardmodells von Th(N ) schliessen: In Kapitel 3 haben wir nämlich gezeigt, dass die Theorie T = Th(N ) ∪ {n ≤ c : n ≥ 0} erfüllbar ist. Da L(T ) = L(≤; +, ·; 0, 1, c) endlich also abzählbar ist, besitzt T ein abzählbares Modell A und - wie bereits in Kapitel 3 beobachtet - ist die Einschränkung von A auf L = L(≤; +, ·; 0, 1) ein Nichtstandardmodell von Th(N ). Mathematische Logik (WS 2011/12) Kap. 4: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 4) 9 / 10 Satz über vollständige und erfüllbare Theorien Ist A eine L-Struktur, so ist die Theorie Th(A) = {σ : A � σ} erfüllbar (da A � Th(A)) und vollständig (da A � σ oder A � ¬σ). Umgekehrt ist jede vollständige und erfüllbare L-Theorie T die Theorie einer L-Struktur A: SATZ ÜBER VOLLSTÄNDIGE ERFÜLLBARE THEORIEN. Sei T eine vollständige und erfüllbare L-Theorie. Dann gibt es eine L-Struktur A mit T = Th(A). BEWEISIDEE (Details: Übung). Sei A = A(TH )V � L die Einschränkung des Termmodells A(TH )V der Vervollständigung (TH )V der Henkin-Erweiterung TH von T auf die Sprache L. Dann gilt T = Th(A). Mathematische Logik (WS 2011/12) Kap. 4: Shoenfields Kalkül der PL (Teil 4) 10 / 10