Darmkrebs

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Innovationen für Darmkrebspatienten
Leben mit
Darmkrebs
Vorwort Ramona Leiß
Liebe Leserin, lieber Leser,
auch für eine Journalistin wie mich führt erst die unmittelbare eigene Betroffenheit dazu, sich intensiv
für Aufklärung und Information zu engagieren. So ist mir in der schweren Zeit der Darmkrebserkrankung meiner Mutter aufgefallen, dass es kaum Ratgeber zu diesem Thema gibt, die für den Patienten
und dessen Angehörige verständliche, aber dennoch umfassende und detaillierte Informationen bieten.
Informationen, auf die die Betroffenen in der extremen Lebenssituation dringend angewiesen sind.
Denn mangelndes Wissen führt zu Ängsten und Missverständnissen und kann alle Betroffenen in tiefe
Depressionen stürzen. Meine eigene Unwissenheit, die letztlich in Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen mündete, hat mich nach dem Tod meiner Mutter in schwere Depressionen gestürzt. Nur durch
eine zweijährige Psychotherapie war ich in der Lage, wieder ein annähernd normales Leben zu führen.
Denn ich hatte endlich begriffen und akzeptiert, dass der Tod meiner Mutter nicht „meine Schuld“ war.
Gute Information ist das A und O im Kampf gegen Krebs. Patienten und Angehörige, die informiert sind,
können sich mit der Krankheit konkreter auseinandersetzen und sie damit auch besser bewältigen. Sie
können sich auf Augenhöhe mit den Ärzten austauschen, Fragen gezielter stellen und vorgeschlagene
Therapien besser beurteilen. Und sie fühlen sich weniger ausgeliefert. Informiert sein bedeutet Sicherheit. Für den Patienten ist die Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung zudem ein wichtiger Teil des
Genesungsprozesses. Angst und Resignation gehen zurück, Mut und Zuversicht nehmen zu. So wird
es leichter, die oft belastenden diagnostischen Untersuchungen und Behandlungen zu bewältigen.
Umfassend und zugleich verständlich über alle Fragen rund um das Thema „Darmkrebs” zu informieren ist auch das Ziel dieser Patientenbroschüre. Sie bietet bestmögliche Informationen auf aktuellem
medizinischem Wissensstand, für Laien verständlich aufbereitet. Sicher wird sie Sie darin unterstützten,
diese schwere Zeit in Ihrem Leben durchzustehen.
Ich wünsche Ihnen dafür alles Gute
2
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Prof. Dr. med. W. Schmiegel
Liebe Leserin, lieber Leser,
Vorwort
3Ramona Leiß
5 Professor Dr. med. W. Schmiegel
Überblick
6Volkskrankheit Darmkrebs
8Der Darm – Verdauungsorgan mit zahlreichen Aufgaben
10Mit Prävention das Risiko senken
12Wenn Zellen unkontrolliert wachsen
14Wie schwer ist die Darmkrebserkrankung?
16Diagnose Darmkrebs
20Metastasen finden und entfernen
21Die vier Säulen der Therapie
25Hemmung der Tumor-Angiogenese (Neues Behandlungskonzept)
28Wirksame Strategien gegen Nebenwirkungen
33Zurück im Alltag
Anhang
38 Weiterführende Literatur
39Adressen
Glossar
Sie interessieren sich für das Thema Darmkrebs. Vielleicht sind Sie selbst erkrankt oder jemand, der Ihnen
nahe steht – ein Familienmitglied oder ein Freund. Mit dieser Broschüre möchten wir Ihnen Informationen
rund um das Thema „Darmkrebs“ anbieten. Sie erfahren etwas über die Entstehung von Darmkrebs, die
Möglichkeiten der Vorsorge sowie Untersuchungsmethoden und aktuelle Behandlungsstrategien.
Der Darmkrebs gehört in der Bundesrepublik Deutschland zu den häufigsten bösartigen Erkrankungen.
Jährlich wird die Diagnose bei etwa 73.000 Menschen gestellt. In frühen Erkrankungsstadien sind die
Heilungschancen bei Dickdarmkrebs sehr gut. Aber auch, wenn die Krankheit bereits fortgeschritten ist,
stehen inzwischen wirksame Therapieformen zur Verfügung. Besondere Bedeutung kommt der Früherkennung des Dickdarmkrebses zu. Als Methode der ersten Wahl zur Darmkrebsfrüherkennung hat sich
die Koloskopie (Darmspiegelung) etabliert. Wird sie konsequent durchgeführt, kann die Entwicklung von
Dickdarmkrebs verhindert werden. Es handelt sich dabei also nicht nur um eine Früherkennung, sondern
auch um eine Vorsorgeuntersuchung im eigentlichen Sinne. Aus diesem Grund muss dringend empfohlen werden, die gesetzlichen Möglichkeiten der Früherkennung wahrzunehmen. Ab dem 50. Lebensjahr
sollte jährlich ein Stuhltest, ab dem 56. Lebensjahr alle zehn Jahre eine Darmspiegelung durchgeführt
werden. Dieser zeitliche Abstand ist ausreichend, um Darmkrebsvorstufen frühzeitig zu erkennen. Bei
einer Häufung von Darmkrebserkrankungen in der Familie sollte die Untersuchung bereits früher und in
kürzeren Abständen durchgeführt werden.
Dieser Ratgeber wendet sich aber besonders an Menschen, die bereits an Darmkrebs erkrankt sind
und möchte Ihnen aufzeigen, welche Behandlungsmöglichkeiten derzeit zur Verfügung stehen. Dabei ist
eine Vielzahl an Fortschritten zu verzeichnen. Nach Jahren des Stillstands stehen seit einiger Zeit neue
Zyto­statika zur Verfügung. Bessere Erkenntnisse über den Tumor haben die Entwicklung zielgerichteter
Therapiestrategien möglich gemacht, die sich speziell gegen die bösartigen Zellen richten. Gemeinsam mit
der Operation und gegebenenfalls der Strahlentherapie stehen uns damit wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Mit dieser Broschüre können und wollen wir das persönliche Gespräch mit Ihrem
Arzt nicht ersetzen. Sie soll Ihnen vielmehr Informationen an die Hand geben, die das Gespräch mit Ihrem
behandelnden Arzt erleichtern.
Ihr Prof. Dr. med. W. Schmiegel
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Volkskrankheit Darmkrebs
Darmkrebs gehört zu den häufigsten bösartigen Tumoren. Er steht bei Frauen und Männern hierzulande an zweiter Stelle aller Krebserkrankungen, gleich nach Brustkrebs bzw. Prostatakrebs. Allein
in Deutschland erkranken Jahr für Jahr 73.000 Menschen an Darmkrebs, Männer und Frauen gleichermaßen. Jeder 20. Bundesbürger wird im Laufe seines Lebens mit dieser Diagnose konfrontiert.
Besonders groß ist das Risiko zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr.
Nur 5 bis 10 Prozent der Darmkrebsfälle gehen auf vererbte Genveränderungen zurück. Dazu gehört
beispielsweise die familiäre adenomatöse Polyposis. Solche erblichen Krebserkrankungen entwickeln
sich schon in jungen Jahren. Bei knapp einem Drittel aller Darmkrebsfälle ist bereits in der engeren
Verwandtschaft Darmkrebs aufgetreten. Auch eine solche familiäre Belastung erhöht das eigene
Darmkrebsrisiko. Mitglieder dieser Familien sollten sich schon in frühem Alter regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen unterziehen (siehe Seite 11). Die Mehrzahl der Darmkrebserkrankungen tritt
allerdings „sporadisch“ auf, das heißt, es gibt weder eine Erbkrankheit noch eine familiäre Belastung.
Die Diagnose kommt ohne jegliche Vorwarnung.
Hohes Risiko bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
Inzwischen konnten einige Faktoren identifiziert werden, die das Darmkrebsrisiko erhöhen. Fettreiche Ernährung, Übergewicht, Alkohol, Rauchen und mangelnde Bewegung können die Entstehung von Darmkrebs begünstigen. Sie sind aber nie die alleinige Ursache! Ein besonders hohes
Darmkrebsrisiko haben Menschen, die unter einer chronisch-entzündlichen Darm­erkrankung wie
Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leiden.
Je früher Darmkrebs erkannt wird, umso besser ist die Prognose
Die Prognose bei Darmkrebs hängt entscheidend vom
Zeitpunkt der Diagnosestellung ab. Je früher der Krebs
erkannt wird, desto besser sind die Chancen, dass er vollständig geheilt wird oder dass der Patient trotz Darmkrebs
noch eine lange Zeit gut leben kann.
In den vergangenen Jahren ist allerdings viel Bewegung in
die Behandlung von Darmkrebs gekommen. Nachdem die
Forschung über Jahrzehnte kaum Fortschritte verzeichnen
konnte, wurden innerhalb kurzer Zeit einige neue Wirkstoffe zugelassen, die die Chancen auf ein längeres Leben
trotz Darmkrebs deutlich verbessert haben.
6
Der Darm − Verdauungsorgan mit zahlreichen Aufgaben Darmkrebs entsteht vor allem im Enddarm
Der menschliche Verdauungstrakt ist ein etwa acht Meter langer Schlauch, der vom Mund über
Speiseröhre, Magen und Darm bis zum After reicht und mit einer Schleimhaut ausgekleidet ist.
Wenn wir Nahrung zu uns nehmen, werden die Nährstoffe über die Verdauungsorgane von unserem
Körper aufgenommen und überflüssige oder giftige Substanzen ausgeschieden.
Darmkrebs entwickelt sich zu etwa 60 Prozent im Enddarm (Rektumkarzinom; Abschnitt 5) und
zu etwa 40 Prozent im Dickdarm (Kolonkarzinom; Abschnitt 1 – 4). Auch im Bereich des Dickdarms hat der Krebs bevorzugte Lokalisationsstellen. Dünndarmkrebs ist dagegen äußerst selten.
Der Darm, der sich grob in drei Abschnitte einteilen lässt,
nimmt dabei wichtige Aufgaben wahr:
ó D
er Dünndarm ist mit einer Länge von etwa 5 Metern der längste Teil des Darms.
Er schlängelt sich durch den gesamten Bauchraum. Seine Aufgabe ist es, die Nahrung aus dem
Magen aufzunehmen und sie weiter zu verdauen. Über die Dünndarmschleimhaut werden alle
notwendigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralien in den Blutkreislauf aufgenommen.
ó D
er Dickdarm (Kolon) ist etwa 1,5 Meter lang und legt sich wie ein Rahmen um den Dünndarm. Im Dickdarm wird der Speisebrei durch Entzug von Wasser und Salzen auf etwa ein Viertel
der ursprünglichen Menge eingedickt und durch die Mithilfe von Darmbakterien in Stuhl umgewandelt.
ó D
er Enddarm (Mastdarm, Rektum) ist etwa 16 Zentimeter lang und bildet über den After die
Verbindung nach außen. Über Enddarm und After wird der Stuhl ausgeschieden.
Was die wenigsten wissen: Im Darm sitzen mehr als 70 Prozent der gesamten Abwehrzellen
des Körpers. Diese produzieren sogenannte Immunglobuline, die für die Abtötung krankmachender Keime wie Viren oder Bakterien notwendig sind. Damit ist der Darm der wichtigste Teil unserer
Immunabwehr.
8
(2)
6%
(3)
4%
(1)
14 %
(4)
16 %
(5)
60 %
Kolonkarzinom (1 – 4): 40 %
aller Darmkrebs-Fälle.
Blinddarm und aufsteigender
Dickdarm (1): 14 %
quer verlaufender Dickdarm (2): 6 %
absteigender Dickdarm (3): 4 %
Sigma (4): 16 %
Rektumkarzinom (5): 60 %
Mit Prävention das Risiko senken Gesunder Lebensstil
Okkultbluttest (Test auf verstecktes Blut im Stuhl)
Dreh- und Angelpunkt in der Prävention, also der Vorbeugung
von Darmkrebs ist ein gesunder Lebensstil. Wer normal­
gewichtig ist, sich regel­mäßig bewegt, nicht raucht und Alkohol nur in Maßen trinkt, hat bereits einiges getan, um sein
Darmkrebsrisiko zu senken. Und nicht nur das: Auch die Gefahr für andere Krebserkrankungen sowie für Herz-Kreislauf­
Erkrankungen sinkt.
Empfehlenswert ist eine ausgewogene Ernährung mit viel
Obst und Gemüse (bis fünf Portionen pro Tag) und eine Seefischmahlzeit pro Woche. Reduziert werden sollten nach Möglichkeit Lamm-, Rind- und Schweinefleisch, Zucker, tierische
Fette und gepökelte und gesalzene Wurstwaren.
Regelmäßige Bewegung, idealerweise Radfahren, Wandern
und Schwimmen, sollte ebenfalls auf dem Programm stehen.
Allerdings: Ein gesundheitsbewusster Lebensstil kann die
Wahrscheinlichkeit für Darmkrebs zwar senken, ihn aber nicht
ausschließen. Deshalb ist es wichtig, die angebotenen Früh­
erkennungsmaßnahmen konsequent in Anspruch zu nehmen.
Blut im Stuhl kann ein Hinweis auf Darmkrebs sein. Der Okkultbluttest sucht in Stuhlproben nach
Blutspuren, die von Tumoren im Inneren des Darms stammen. Die Krankenkassen übernehmen ab dem
50. Lebensjahr einmal pro Jahr die Kosten. Wird Blut nachgewiesen, muss eine Darmspiegelung (Kolo­
skopie) durchgeführt werden. Nur so lässt sich klären, ob tatsächlich Darmkrebs dahinter steckt.
Koloskopie (Darmspiegelung) kann Darmkrebs frühzeitig erkennen
Die Darmspiegelung (siehe auch Seite 18) ist die effektivste und zuverlässigste Methode, Darmkrebs zu verhindern oder in einem sehr frühen Stadium zu erkennen. Werden Darmpolypen, die
Vorstufen von Darmkrebs, während der Koloskopie entdeckt, können sie in den meisten Fällen sofort
unproblematisch und schmerzfrei entfernt werden. Zur Früherkennung von Darmkrebs bezahlen die
gesetzlichen Krankenkassen seit dem Jahr 2002 regelmäßige Vorsorgekoloskopien.
Ist ein Familienmitglied an Darmkrebs erkrankt, besteht eine genetische Vorbelastung oder liegen
besondere Risikofaktoren vor, etwa eine chronisch-entzündliche Darmkrankheit, werden Vorsorgekoloskopien früher und in kürzeren Abständen durchgeführt.
Eine Sigmoidoskopie ist keine Alternative, da nur der untere Abschnitt des Darms untersucht wird
und dadurch nur ein Teil der Darmkrebserkrankungen diagnostiziert werden kann. Auch die virtuelle Koloskopie, auch als „Darmspiegelung von außen“ bezeichnet, klingt zwar verlockend, ist aber
nicht empfehlenswert. Statt mit dem Koloskop wird die Darmschleimhaut per Computertomographie
untersucht. Sie übersieht häufig kleine oder flache Polypen. Werden Polypen entdeckt, muss zur
Entfernung doch eine „normale“ Koloskopie durchgeführt werden.
Die Krankenkassen bezahlen die Darmspiegelung für
ó Personen ohne besondere Risiken ab dem 56. Lebensjahr alle 10 Jahre
ó Verwandte 1. Grades von Darmkrebspatienten erstmalig 10 Jahre
vor Erkrankungsalter des Patienten
10
Wenn Zellen unkontrolliert wachsen
Darmkrebs entsteht, wenn die Zellen der Darmschleimhaut sich ungebremst teilen und unkontrolliert wachsen. Langfristig dringen sie in angrenzende Gewebe ein oder sie lösen sich
völlig aus ihrem Zellverband und wandern über Blut oder Lymphflüssigkeit in andere Organe,
um dort Metastasen (Tochtergeschwülste) zu bilden.
Der Grund für dieses unkontrollierte Zellwachstum sind Veränderungen an Genen, die das
Wachstum von Zellen steuern und kontrollieren. Solche Genmutationen treten häufiger auf, vor
allem, wenn Zellen sich teilen. Der Körper ist weitgehend in der Lage, solche Genschäden
zumindest teilweise wieder zu reparieren.
Darmkrebs entwickelt sich langsam
Darmkrebs zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: Etwa 90 Prozent der Tumoren entwickeln sich
aus gutartigen Darmpolypen (Adenome), und zwar sehr langsam. Bis sich aus einem Darmpolypen
ein Karzinom entwickelt, vergehen etwa zehn Jahre. Diese Zeitspanne kann in der Früherkennung
genutzt werden und eröffnet die Chance, Darmpolypen und frühe Darmkrebsstadien rechtzeitig zu
erkennen und zu entfernen (siehe Seite 18).
Mit zunehmendem Alter können sich Genmutationen jedoch anhäufen. Da auch die
Reparaturmechanismen nicht mehr so effektiv arbeiten wie in jungen Jahren, kann es dann zu
überbordendem Zellwachstum kommen. Bei erblicher Vorbelastung liegen bereits Genveränderungen vor, die die Entwicklung von schnell wachsenden Tumorzellen begünstigen.
Abb. 1: Gesunde Darmschleimhaut
Abb. 2: Gutartiger Darmpolyp
Bis aus einem gutartigen Darmpolypen Darmkrebs entsteht, dauert es etwa zehn Jahre.
Diese Zeitspanne ermöglicht eine wirksame Vorbeugung gegen (erneuten) Darmkrebs.
12
Abb. 3: Darmkrebs
Wie schwer ist die Darmkrebserkrankung?
Schweregradeinteilung per TNM-Klassifikation
Einteilung der Stadien nach den Vorgaben der UICC
(Union International Contra Cancer)
Darmkrebs wird je nach Schweregrad nach dem TNM-System eingeteilt:
T bezeichnet die Tumorgröße
Tis: Krebszellen, die auf die oberste Schleimhautschicht beschränkt sind
T1: Der Tumor ist auf die Darmschleimhaut begrenzt
T2: Der Tumor hat die Darmwand befallen
T3: Der Tumor ist in alle Schichten des Darms eingewandert
T4: Der Tumor hat sich auf benachbarte Organe (Blase, Dünndarm etc.) ausgedehnt
N bezeichnet den Lymphknotenbefall (N = Nodus = Knoten)
N0: Keine Krebszellen in benachbarten Lymphknoten
N1: Ein bis drei benachbarte Lymphknoten sind von Krebszellen befallen
N2: Vier oder mehr benachbarte Lymphknoten sind von Krebszellen befallen
M bezeichnet das Ausmaß der Metastasierung
M0: Keine Fernmetastasen
M1: Fernmetastasen in anderen Organen wie Leber oder Lunge sind vorhanden
Für die Interpretation des Ergebnisses gibt es eine einfache Regel.
Je größer die Zahlen, umso fortgeschrittener ist der Tumor:
T1N0M0 bedeutet ein sehr frühes Stadium, T4N1M1 bedeutet ein
fortge­schrittenes Stadium.
14
Die TNM-Klassifikation wird herangezogen, um das Stadium der Darmkrebserkrankung zu
bestimmen. Etabliert hat sich hier seit einiger Zeit die Einteilung der UICC. Sie dient dem Arzt als Basis
für die Therapieentscheidung und für die Prognosestellung.
UICC-Stadium
TNM-Klassifikation
0
Tis
N0
M0
I
T1, T2
N0
M0
II
T3, T4
N0
M0
III
jedes T
N1 oder N2
M0
IV
jedes T
jedes N
M1
Darmkrebs ohne Lymphknotenbefall befindet sich im Stadium 0 bis II. Darmkrebs mit Lymph­
knotenbefall befindet sich unabhängig von der Ausbreitung des Tumors in der Darmwand im
Stadium III. Darmkrebs mit Fernmetastasen befindet sich unabhängig von der Ausbreitung des
Tumors in der Darmwand und dem Befall der Lymphknoten im Stadium IV.
Je niedriger das UICC-Stadium, umso größer sind die Chancen, dass der Krebs geheilt werden
kann. Im Stadium IV geht es in der Behandlung vor allem darum, die Lebenserwartung zu verlängern und die Lebensqualität zu verbessern, damit der Patient trotz Krebserkrankung noch lange
ein gutes Leben führen kann.
Diagnose Darmkrebs
Die gezielte Fahndung nach Darmkrebs durch regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen ist
deshalb so wichtig, weil Darmkrebs meist erst in fortgeschrittenen Stadien Beschwerden verursacht
und somit häufig über mehrere Jahre unentdeckt bleibt.
Typische Beschwerden bei Darmkrebs:
ó
ó
ó
ó
ó
ó
ó
ó
ó
ó
ó
16
Blut im Stuhl
Änderung der Stuhlgewohnheiten
Stuhldrang ohne Entleerung
Stuhlunregelmäßigkeiten (Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung)
Blähungen
Bauchschmerzen
Übelkeit,Völlegefühl und Appetitlosigkeit
Auffälliger Leistungsabfall
Unbeabsichtigte Gewichtsabnahme
Anämie (Blutarmut)
Müdigkeit, Abgeschlagenheit
Diagnose Darmkrebs
Verdacht auf Darmkrebs? Darmspiegelung unverzichtbar!
Bei Verdacht auf Darmkrebs muss zwingend eine Darmspiegelung durchgeführt werden. Sie wird
auch als Koloskopie (Kolon = Dickdarm; skopein = schauen) bezeichnet und ist die wichtigste
Maßnahme, um Darmkrebs sicher festzustellen oder auszuschließen. Der Darm muss bei dieser
Untersuchung völlig sauber sein, damit auch kleinste Veränderungen der Darmschleimhaut nicht
übersehen werden. Um den Darm zu reinigen, müssen Sie einen Tag vor dem Eingriff drei bis vier
Liter einer speziellen Abführlösung trinken, die Ihnen der Arzt verordnet. Die relativ große Flüssigkeitsmenge ist notwendig, um sämtliche Speise- und Stuhlreste aus dem Darm zu entfernen.
Bei der Darmspiegelung wird ein dünnes, biegsames, schlauchförmiges Untersuchungsgerät,
das Endoskop, über den After in den Darm eingeführt. An der Spitze des Geräts ist eine Mini­kamera
montiert, die genaue Bilder aus dem Darminneren liefert. Zunächst wird das Endoskop vorsichtig
bis zum Übergang vom Dünndarm zum Dickdarm geschoben. Dabei wird etwas Luft in den Darm
geblasen, damit er sich entfaltet. Dann wird das Endoskop sehr langsam zurückgezogen und die
Darmwand genau begutachtet. Von veränderten Schleimhautbereichen werden mit Hilfe einer kleinen Zange Ge­webeproben entnommen, Darmpolypen können sofort entfernt werden.
Schema einer Darmspiegelung
(Koloskopie)
Angst vor der Koloskopie ist völlig unbegründet. Der gesamte Eingriff dauert etwa
15 bis 20 Minuten. Der Arzt wird Ihnen ein Beruhigungsmittel geben. Auch eine Kurznarkose
ist möglich. Dann spüren Sie von dem Eingriff
überhaupt nichts. Zudem ist die Koloskopie sehr
sicher. Komplikationen, wie etwa eine Verletzung
der Darmwand, kommen extrem selten vor und
können rasch behandelt werden.
Während der Arzt das Koloskop langsam durch den
Dickdarm führt, kann er auf einem Monitor die Darmschleimhaut genau begutachten. Die Bilder aus dem
Darm werden gespeichert, so dass er die Untersuchungsergebnisse später überprüfen kann.
18
Ergänzend: CT oder MRT
Ergänzend zur Koloskopie wird bei Verdacht auf Darmkrebs neben dem Ultraschall häufig auch
die Computertomographie (CT) oder die Magnetresonanztomographie (MRT, auch als Kernspin­
tomographie bezeichnet) herangezogen. Beide Verfahren liefern wichtige zusätzliche Informationen zur genauen Lage des Tumors und seiner Ausbreitung in die Darmwand oder auch in andere
Organe. Außerdem lässt sich per CT oder MRT erkennen, ob sich bereits Metastasen in der
Lunge oder der Leber gebildet haben. Bei CT oder MRT wird daher der gesamte Bauch- und
Brust­bereich untersucht. Manchmal wird auch eine Röntgenaufnahme des Brustbereichs gemacht,
um eventuelle Lungenmetastasen zu erkennen. Vorteil der MRT: Im Gegensatz zur CT wird keine
Röntgenstrahlung verwendet.
Die Ergebnisse von Koloskopie, CT und MRT erlauben eine grobe Zuordnung des Tumors zu
einem Tumorstadium (siehe Seite 15) und bilden die Entscheidungsgrundlage für das therapeu­
tische Vorgehen.
Tumormarker für die Verlaufskontrolle
Manchmal hinterlässt der Tumor auch seine Spuren im Blut: Er bildet sogenannte Tumormarker
oder regt die Bildung von Tumormarkern an, die dann im Blut nachweisbar sind. Häufigste Tumormarker bei Darmkrebs sind das carcinoembryonale Antigen (CEA) und das Cancer-Antigen 19-9
(CA 19-9). Sie können, müssen aber nicht nachweisbar sein. Lassen sich Tumormarker finden,
können sie für die Kontrolle des Krankheitsverlaufs verwendet werden. In aller Regel fallen sie nach
der operativen Entfernung des Tumors rasch ab. Kommt es zu einem Rückfall, steigen sie wieder an.
Allerdings kann dieser Anstieg auch andere, harmlose Ursachen haben, daher dient er lediglich als
erster Hinweis für ein Fortschreiten des Tumors. Auch wenn keine weiteren Beschwerden auftreten, die auf ein Wiederaufflammen der Krebserkrankung hindeuten, sollte bei einem erhöhten Wert
dieser Tumormarker intensiv nach­geforscht werden und gegebenenfalls zügig mit einer erneuten
Behandlung begonnen werden.
Metastasen finden und entfernen
Die vier Säulen der Therapie
Krebszellen können sich aus dem Tumorzellverband lösen und über das Blut oder die Lymphe in andere Organe oder in die Lymphknoten gelangen, um dort Metastasen zu bilden. Sie werden auch als
Tochtergeschwülste bezeichnet.
Die Behandlung von Darmkrebs hängt entscheidend vom Stadium und der Lokalisation des Tumors ab sowie vom Allgemeinzustand des Patienten. Die Therapie muss deshalb für jeden einzelnen
Patienten individuell entschieden werden. Grundsätzlich stehen dabei vier Therapieoptionen zur Verfügung.
Es werden verschiedene Metastasen unterschieden:
ó Lokale Metastasen entstehen in der Nähe des Tumors.
ó Regionäre Metastasen entstehen in benachbarten Lymphknoten.
ernmetastasen entstehen in anderen Organen. Bei einer fortgeschrittenen Darmkrebs­erkranó F
kung entwickeln sich Metastasen ganz überwiegend in der Leber, schon deutlich seltener in der
Lunge. So werden etwa 75% der Metastasen in der Leber, 15% in der Lunge gefunden. Nur 2 bis
3 Prozent der Metastasen siedeln sich im Gehirn an. Ähnlich selten sind Metastasen in Nieren oder
Knochenmark.
Metastasen müssen nicht zwingend sofort behandelt werden. Je nach Wachstum und Aggressivi­tät kann
es ausreichen, sie regelmäßig zu kontrollieren und nur bei Bedarf zu behandeln. Lungen- und Lebermetastasen werden meist operativ entfernt. Ist dies nicht möglich, wird versucht, diese durch eine
medikamentöse Therapie zu verkleinern. Knochenmetastasen im Rahmen einer Darmkrebserkrankung
werden mittels Chemotherapie behandelt.
ó
ó
ó
ó
Operation
Chemotherapie
Strahlentherapie
Zielgerichtete Therapien, auch als „targeted therapy“ bezeichnet
Meist unumgänglich: die Operation
Wird Darmkrebs diagnostiziert, ist die Operation meist der erste Behandlungsschritt. Dabei werden
der betroffene Darmabschnitt und die umliegenden Lymphknoten entfernt, mit dem Ziel, den Tumor
möglichst komplett zu entfernen. Dazu wird in der Regel ein größeres Teilstück des Darms entfernt.
Da der Darm sehr lang ist, bedeutet dieser Verlust in den meisten Fällen keine langfristige Einschränkung der Verdauungsfunktion und Lebensqualität.
Nur in frühen Stadien der Erkrankung lässt sich die Krankheit heilen, ohne dass eine anschließende
Chemotherapie durchgeführt wird. Wird der Darmkrebs erst spät diagnostiziert, hat die Operation
meist nicht mehr die Heilung zum Ziel. In dieser Situation geht es darum, den Tumor zu verkleinern,
Beschwerden zu lindern und die Lebens­qualität zu verbessern. Zusätzlich wird dann meist eine Chemotherapie durchgeführt. In sehr fortgeschrittenen Stadien wird manchmal auch auf eine Operation
verzichtet.
Keine Angst vor dem Stoma
Bei der Operation von Enddarmkrebs wird manchmal während der Operation ein künstlicher Darmausgang (Anus praeter, Stoma) angelegt, um den Darm zu entlasten und den Heilungsprozess zu
unterstützen. Meist wird er nach einigen Wochen oder Monaten wieder zurückverlegt. Nur 10 bis 15 %
der Darmkrebspatienten müssen dauerhaft mit einem Stoma leben. Bei ihnen liegt der Krebs zu nahe
am After, so dass der Schließmuskel oder eine ausreichende Kontinenz nicht erhalten werden kann.
20
Die vier Säulen der Therapie
Hocheffektiv: die Chemotherapie
Strahlentherapie: nur bei Enddarmkrebs
Eine Chemotherapie mit Zytostatika (Zellgiften) wird bei den meisten Patienten mit Darmkrebs
durchgeführt. Zytostatika hemmen Wachstum und Ausbreitung von Tumorzellen oder töten sie ab.
Für die Behandlung von Darmkrebs stehen nur wenige Zytostatika zur Verfügung, die allein, häufig
aber auch in Kombination verwendet werden, um eine bessere Wirksamkeit zu erzielen. Sie unterscheiden sich unter anderem in der Anwendungsform:
Oxaliplatin und Irinotecan werden als Infusion über zwei bis vier Stunden verabreicht.
5-Fluorouracil (5-FU) wird in Kombination mit Folinsäure verwendet und muss als Dauerinfusion
über 48 Stunden verabreicht werde.
Capecitabin ist eine Weiterentwicklung von 5-FU, mit zahlreichen Vorteilen:
ó E s wirkt ebenso gut wie 5-FU, kann aber einfach und komfortabel als Tablette eingenommen
werden. Schmerzhafte und aufwendige Infusionen sind überflüssig.
ó E s hat weniger Nebenwirkungen als 5-FU, da es gezielter in der Tumorzelle wirkt.
Der Trick: Capecitabin ist eine unwirksame Vorstufe von 5-FU. Sie wird aus dem Darm in den
Blutkreislauf aufgenommen und zunächst in der Leber zu einem Zwischenprodukt verstoffwechselt. Um wirken zu können, muss das unwirksamen Zytostatikum dann von einem bestimmten
Enzym, der Thymidinphosphorylase, zu 5-FU umgewandelt werden. Dieser Prozess findet vor allem
im Tumorgewebe statt, so dass Capecitabin im Gegensatz zu 5-FU vor allem gegen Krebszellen
wirkt. Gesunde Zellen werden dagegen weitgehend verschont. Deshalb sind Nebenwirkungen wie
Haarausfall und Durchfall seltener als bei einer Behandlung mit 5-FU.
Darm Leber
Einnahme
von
Capecitabin
Meist wird die Strahlentherapie mit einer Chemotherapie kombiniert. Diese „Radiochemotherapie“
kann neoadjuvant oder adjuvant durchgeführt werden, sprich vor oder nach dem operativen Eingriff.
Vor allem bei großen Enddarmtumoren wird die neoadjuvante Radiochemotherapie bevorzugt eingesetzt. Zielsetzung dieser Therapie ist es, den Tumor zu schrumpfen, so dass er schonender operiert
werden kann. Die Operation kann dann vier Wochen nach Ende der Strahlentherapie durchgeführt
werden, wenn sich das gesunde Gewebe erholt hat. Die Bestrahlung mit Röntgen-, Gamma- oder
Elektronenstrahlen wird nach einem genau festgelegten Behandlungsplan durchgeführt. Sie findet
täglich ambulant über fünf bis sechs Wochen statt. Jede Bestrahlung dauert jedoch nur etwa zehn
Minuten, so dass die Therapie problemlos in den persönlichen Tagesablauf eingebunden werden kann.
Schonen Sie die bestrahlte Haut!
Die Strahlentherapie ist schmerzfrei und wird von den meisten Patienten gut vertragen. Bei empfindlicher Haut können Rötungen auftreten, die sich nach der Behandlung aber wieder zurückbilden.
Um die Haut zu schonen, wird empfohlen, sich im Bestrahlungsgebiet nicht zu waschen und keine
Cremes oder ähnliches einzusetzen.
Spätfolgen sind selten
5-FU
Aufnahme vom
Darm ins Blut
22
Tumor
Die Strahlentherapie (Radiotherapie) kann den Heilungserfolg bei Enddarmkrebs unterstützen und
die Überlebenszeit verlängern. Denn Enddarmkrebs bildet erneute Tumoren vor allem vor Ort, sogenannte Lokalrezidive. Im Gegensatz zur Chemotherapie handelt es sich bei der Strahlentherapie
um eine lokale Therapie: Sie wirkt nur dort, wo bestrahlt wird. Die Strahlentherapie kann Tumorgewebe zielgenau zerstören. Krebszellen, die sich bereits im Organismus verteilt haben, werden
dagegen nicht erreicht.
Umwandlung in der Leber zu
unwirksamem Zwischenprodukt
Umwandlung im Tumor
zu wirksamem 5-FU
Während der Strahlentherapie kann es zu einer Darmentzündung mit Durchfall und Bauchschmerzen kommen. Auch Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen als Folge einer Blasenentzündung
sind möglich. Diese Beschwerden klingen aber meist nach einiger Zeit wieder ab. Spätfolgen treten
nur noch sehr selten auf, seit moderne Geräte eingesetzt werden.
Die vier Säulen der Therapie
Targeted therapies: gezielt gegen Tumorzellen
Die Chemotherapie hat große Erfolge für Patienten mit Darmkrebs gebracht. Der Nachteil ist jedoch,
dass sie neben Krebszellen auch sich schnell teilende gesunde Körperzellen angreift. Daher suchten
Forscher nach neuen Waffen im Kampf gegen den Krebs: Waffen, die gezielt den Tumor angreifen
und das gesunde Gewebe möglichst unbeeinträchtigt lassen – mit Erfolg.
Für die Behandlung von Darmkrebs stehen zwei zielgerichtete Therapiestrategien, im englischen
„targeted therapies“ zur Verfügung. Sie verhindern, dass Wachstumssignale in die Tumorzelle gelangen und bremsen so das Tumorwachstum.
Cetuximab und Panitumumab richten sich speziell gegen einen Wachstumsfaktorrezeptor
(EGFR: epidermal growth factor receptor) auf Darmkrebszellen und behindern dadurch das Wachstum dieser Zellen.
Diese Substanzen wirken allerdings nur bei einem Teil der Darmkrebs-Patienten, bei dem ein bestimmtes Gen mit dem Namen K-ras nicht verändert ist. Dies muss vor Beginn der Therapie getestet
werden.
Bevacizumab ist ein Angiogenesehemmer, der den Tumor von der Blutversorgung abschneidet
und ihn somit regelrecht „aushungert“.
Diese targeted therapies sind für die Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs im Stadium IV in
Kombination mit einer Chemotherapie zugelassen, Bevacizumab wird nach den aktuellen ärztlichen
Leitlinien zur Ersttherapie bei fortgeschrittenem Darmkrebs empfohlen.
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Hemmung der Tumor-Angiogenese
Neues Behandlungskonzept: Hemmung der Angiogenese
Was auf den ersten Blick sehr kompliziert klingt, ist bei näherer Betrachtung so einfach wie logisch: Tumorzellen benötigen, ebenso wie gesunde Körperzellen, Nährstoffe und Sauerstoff, damit
sie überleben und wachsen können. Ihr Bedarf ist sogar besonders groß, weil sie sich häufig teilen.
Sind die Tumoren kleiner als 1 bis 2 Millimeter, versorgen sie sich mit Sauerstoff und Nährstoffen aus
dem sie umgebenden Gewebe. Für das weitere Wachstum reicht das allerdings nicht aus, dann sind
sie auf die Versorgung über Blutgefäße angewiesen. Auch Metastasen können ohne Anschluss an
das Gefäßsystem kaum entstehen. Damit Tumorzellen in andere Körper­regionen transportiert werden können, müssen sie zuerst in das Gefäßsystem gelangen. Könnten sich Tumoren nicht mit Blut
versorgen, wären sie wahrscheinlich völlig harmlos und innerhalb kurzer Zeit wieder verschwunden.
Doch Tumorzellen sind schlau: Sie klinken sich in das Blutgefäßsystem des Körpers ein und sind
sogar in der Lage, den Körper dazu zu bringen, neue Blutgefäße zu bilden, die den Tumor an das
Versorgungssystem des Körpers anschließen.
Der Prozess der Gefäßneubildung wird als Angiogenese bezeichnet. Der Begriff leitet sich aus dem
Griechischen ab: Angio = Gefäß, Genese = Entstehung. Die Gefäßneubildung, die durch Tumorzellen initiiert wird, wird entsprechend als Tumor-Angiogenese bezeichnet.
Kommt es zum Versorgungsengpass, senden die Tumorzellen ein Wachstumssignal aus, das die
Blutgefäße des Körpers zur Gefäßneubildung anregt. Vermittelt wird dieses Wachstumssignal durch
einen Gefäßwachstumsfaktor, der als Vascular Endothelial Growth Factor, abgekürzt VEGF,
bezeichnet wird. Die folgenden Grafiken verdeutlichen diesen Prozess.
Hemmung der Tumor-Angiogenese
Der Tumor als Schmarotzer
Tumor
Blutgefäß
Den Tumor aushungern
Um körpereigene Blutgefäße zur Gefäßneubildung anzuregen, produziert der Tumor den
Wachstumsfaktor VEGF und setzt ihn frei. Bei
VEGF handelt es sich um ein kleines Molekül
mit hoher Wirkung!
AngiogeneseHemmer
Bevacizumab
VEGF dockt nun an den Rezeptor auf der
Oberfläche von Blutgefäßen an und löst ein
Wachstums­signal aus.
Wenn die Blutgefäße das VEGF-Signal empfangen, sprossen neue Blutgefäße aus, und zwar
in die Richtung, aus der die Signale kommen.
Wachstumsfaktor
VEGF
durchbluteter
Tumor
Wachstumsfaktor
VEGF
26
Der Tumor wird schon bald von einem engen
Netzwerk von Gefäßen umgeben, das mit dem
Blutkreislauf des Patienten verbunden ist. Er
bedient sich der Blutgefäße des Körpers, um
wachsen und um sich weiterverbreiten zu können. Dieser Prozess schreitet kontinuierlich fort:
Je größer der Tumor wird und je mehr Sauerstoff und Nährstoffe er benötigt, umso mehr
Blutgefäße werden gebildet. Sie versorgen den
Tumor mit allem, was er für sein Wachstum benötigt und halten ihn am Leben.
ausgehungerter
Tumor
Die faszinierende Idee, den Tumor von der Blutversorgung abzuschneiden und ihn dadurch
„auszuhungern“, wurde schon vor 30 Jahren
geboren. Realisieren ließ sich das Konzept jedoch erst, als der Wachstumsfaktor VEGF entdeckt wurde. Die Forscher haben daraufhin mit
Bevacizumab eine Substanz entwickelt, die
perfekt an den Wachstumsfaktor VEGF bindet
und ihn „schachmatt“ setzt. VEGF ist dadurch
nicht mehr in der Lage, an die Rezeptoren der
Blutgefäße anzudocken und das Signal zur
Gefäßneubildung auszusenden. Die Tumor­
gefäße bilden sich nach und nach zurück, neue
Tumorgefäße werden nicht gebildet.
Die Tumorzellen werden so vom Blutkreislauf abgeschnitten. Ohne Sauerstoff und Nährstoffe sterben sie allmählich ab. Die Substanz Bevacizumab, die VEGF außer Kraft setzt, ist ein Antikörper
gegen VEGF. Sie wird als Angiogenese-Hemmer bezeichnet, weil sie die Gefäßneubildung des
Tumors verhindert. Sie wird in Kombination mit einer Chemotherapie gegeben und trägt sozusagen
als „Zusatzeffekt“ dazu bei, dass die Zytostatika die Krebszellen besser erreichen und deshalb besser wirken können.
Bevacizumab ist zur Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs seit 2005 in Deutschland zugelassen. Aufgrund seines universellen Wirkmechanismus wird Bevacizumab auch bei fortgeschrittenem
Brustkrebs, nicht kleinzelligem Lungenkarzinom und beim Nierenzellkarzinom eingesetzt.
Wirksame Strategien gegen Nebenwirkungen
Eine Chemotherapie ist in der Regel mit Nebenwirkungen verbunden. Sie geht häufig mit Übelkeit
und Erbrechen einher. Haarausfall, Nagelschäden, Schleimhautentzündungen und Blutbildveränderungen treten auf, weil sich die Zytostatika nicht nur gegen Tumorzellen, sondern gegen alle schnell
wachsenden Zellen richten. Dazu gehören eben auch die blut­bildenden Zellen im Knochenmark,
Haarwurzelzellen und Schleimhautzellen. Außerdem fühlen sich viele Krebspatienten während der
Chemotherapie besonders müde und erschöpft. Die meisten Nebenwirkungen lassen sich gut in
den Griff bekommen. In schweren Fällen wird die Dosis der Chemotherapie gesenkt oder andere
Medikamente werden eingesetzt.
Mit Tuch oder Perücke auf das Wachsen warten
Haarausfall belastet vor allem viele Patientinnen
während einer Chemotherapie sehr. Manche helfen sich mit einem Tuch, andere bevorzugen eine
Perücke. Die Kosten einer Perücke werden von den
Krankenkassen übernommen. Empfehlenswert ist,
sich die Perücke bereits vor Beginn der Chemotherapie verordnen zu lassen und sie sich vom Friseur
anpassen zu lassen. Je nach Art der Chemotherapie fallen die Haare langsam oder auch sehr rasch
aus. Bei einer Therapie mit Capecitabin kommt es
sogar sehr selten zu Haarausfall. Ob auch Augenbrauen, Wimpern oder Körperbehaarung ausfallen,
hängt vom Medikament und von der eigenen Veranlagung ab.
Das Tröstliche: Die allermeisten Folgen einer Chemotherapie klingen innerhalb kurzer Zeit nach
Beendigung der Behandlung ab. Deshalb geht es vor allem darum, während der Chemotherapie
damit möglichst gut klar zu kommen. Hier einige Tipps:
Mit Medikamenten gegen Übelkeit und Erbrechen
Zytostatika können Übelkeit und Erbrechen auslösen. Für Zytostatika gegen Darmkrebs wird dieses
Risiko als niedrig bis mäßig eingestuft. Übelkeit und Erbrechen können sich akut direkt nach der
Zytostatika-Gabe einstellen, aber auch mit Zeitverzögerung in den ersten Tagen nach der Behandlung. Gegen das akute und gegen das verzögerte Erbrechen gibt es hochwirksame Medikamente,
die Ihnen Ihr Arzt verabreichen und verordnen kann.
Hand-Fuß-Syndrom vorbeugen
Schmerzhafte Rötungen an den Handflächen und Fußsohlen sind typisch für das Hand-Fuß-Syndrom, das im Zusammenhang mit 5-FU oder Capecitabin auftreten kann. Die dauerhafte Pflege
dieser Hautpartien mit einer fettenden Salbe hilft, diese Nebenwirkungen vorbeugend zu behandeln.
Außerdem ist es wichtig, mechanische Belastungen, wie Kratzen oder den Umgang mit Werkzeugen, sowie den Kontakt mit heißem Wasser zu vermeiden. Mit Schmerzmitteln und glukokortikoidhaltigen Salben kann das Hand-Fuß-Syndrom zudem wirksam behandelt werden.
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Der Lichtblick: Alle ausgefallenen Haarwurzeln
fangen mehr oder weniger sofort nach der Chemotherapie wieder an zu wachsen. Etwa drei Monate nach dem Ende der Behandlung bedecken die
Haare oft schon wieder den gesamten Kopf.
Wenn es in Armen und Beinen kribbelt
Kribbeln und Ameisenlaufen sowie Schmerzen und Brennen in Armen oder Beinen treten häufig bei
einer Behandlung mit Oxaliplatin auf. Auch die Berührungsempfindlichkeit kann eingeschränkt sein.
Diese Missempfindungen sind Folge einer peripheren Neuropathie, sprich einer Schädigung der
Nervenbahnen an Händen und Füßen.
Wirksame Strategien gegen Nebenwirkungen
Blutbild regelmäßig überwachen
Bluthochdruck behandeln
Zytostatika können die Zahl der weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die für unsere Immunabwehr
notwendig sind, vorübergehend senken. Dadurch steigt das Risiko für Infektionen. Während einer
Chemotherapie wird deshalb das Blutbild regelmäßig kontrolliert. Sinkt die Leukozytenzahl drastisch,
wird die Behandlung eventuell unterbrochen oder es werden die zeitlichen Abstände zwischen den
Zytostatikagaben verlängert. Bei Chemotherapien mit hohem Risiko wird einem Absinken der weißen Blutkörperchen medikamentös vorgebeugt. Wichtigstes Warnzeichen für einen Leukozytenabfall ist hohes Fieber.
Auch die roten Blutkörperchen können während der Behandlung zurückgehen. Es entwickelt sich
eine Blutarmut (Anämie). Sie kann mit Müdigkeit und drastischem Leistungsabfall einhergehen. Ist
die Anämie sehr ausgeprägt, lässt sich die Zahl der roten Blutkörperchen durch verschiedene medikamentöse Maßnahmen wieder erhöhen.
Bei „rash“-Risiko auf Sonnenbäder verzichten
Bei einer Therapie mit Cetuximab oder Panitumumab kann
ein „skin rash“ auftreten. Dabei handelt es sich um einen
schweren akneähnlichen Hautausschlag, der sich vor allem
auf trockenen Körperstellen entwickelt.
Vermeiden Sie deshalb trockene Haut, indem Sie etwa Duschöle und feuchtigkeitsspendende Pflegeprodukte verwenden.
Sonnenbäder sollten gemieden werden.
Kommt es zum schweren „rash“, wird mit Steroiden und/oder
Antibiotika behandelt.
30
Die Gabe des Angiogenese-Hemmers Bevacizumab erhöht die Gefahr von Nasen­bluten und Bluthochdruck. Diese Nebenwirkung lässt sich mit üblichen blutdrucksenkenden Medikamenten gut und
wirksam be­handeln.
Mit Bewegung die Fatigue überwinden
Die im Zusammenhang mit einer Krebser­
krankung auftretende besondere Form der Erschöpfung wird als „Fatigue“ bezeichnet. Sie tritt
bei etwa der Hälfte der Krebspatienten auf und
lässt sich auch durch ausreichenden Schlaf nicht
überwinden. Konzentrations- und Gedächtnisprobleme können hinzukommen. Als Ursache
der Fatigue wird ein Zusammenspiel aus Tumor
erkrankung, Blutarmut, Belastung durch Chemound Strahlentherapie sowie Problemen bei der
Krankheitsverarbeitung diskutiert.
Wie die meisten anderen Nebenwirkungen ist
auch die Fatigue einige Zeit nach Behandlungsende meist überwunden. Auch wenn es schwierig
ist: Schonung und Ruhe, wie sie früher empfohlen wurden, sind die falsche Strategie bei Fatigue.
Besser ist es, Sport zu treiben oder sich zumindest regelmäßig zu bewegen.
Zurück im Alltag
Wenn Operation, Chemo- oder Strahlentherapie überstanden sind, geht es darum, den Alltag nach
oder mit der Krebserkrankung wieder zu meistern. Beruf, Familie, Freunde und Hobbys rücken mehr
und mehr in das Zentrum Ihres Lebens und geben Ihnen Halt und Sicherheit. Eine Rehabilitation
kann den Übergang in das „normale“ Leben erleichtern, insbesondere bei jüngeren Patienten auch
den Wiedereinstieg in den Beruf.
Wichtig: Regelmäßige Nachsorge
Auch wenn der Tumor vollständig entfernt werden konnte, sind regelmäßige Nachsorge­unter­suchungen notwendig, um einen Rückfall sofort zu erkennen und zu behandeln. Diese Gefahr
ist ­in den ersten beiden Jahren am größten und sinkt dann kontinuierlich. Kommt es innerhalb von
fünf Jahren nicht zu einem Rückfall, gilt der Patienten als geheilt. Das intensive Nachsorgeprogramm
erstreckt sich deshalb über insgesamt fünf Jahre mit vierteljährlicher Überwachung in den ersten
beiden Jahren und anschließender halbjährlicher Überwachung.
Nur wenn der Darmkrebs in einem sehr frühen Stadium (UICC-Stadium I, siehe Seite 15) ent­
deckt wurde, kann auf die Nachsorge verzichtet werden. Nach Entfernung von kolorektalen
Karzinomen im UICC-Stadium II oder III wird folgendes Nachsorgeprogramm empfohlen:
ó Befragung (Anamnese), insbesondere auch nach Verdauungsproblemen, und
körperliche Untersuchung alle sechs, später alle zwölf Monate
ó Koloskopie: sechs Monate nach der Operation, wenn vor der Operation keine
Darmspiegelung durchgeführt werden konnte, andernfalls alle drei Jahre, später
alle fünf Jahre
ó Bestimmung des Tumormarkers CEA alle sechs Monate
ó Ultraschalluntersuchung von Bauchraum und Leber alle sechs Monate
Eine Übersicht über das Nachsorgeprogramm
finden Sie auf der nächsten Seite.
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der
folgenden
fünf
Jahre
Zurück im Alltag
Auf gesunde, ausgewogene Kost achten
Nachsorgeprogramm nach vollständiger Entfernung des Darmtumors im Stadium II oder III
Untersuchung
Monate
6
12
18
Anamnese, körperliche
Untersuchung, CEA-Bestimmung
X
Darmspiegelung
X*
Ultraschall des Bauchraums
X
X
Sigmoidoskopie**
X
X
X
X
24
36
X
X
X
X
X
X
X
X
48
X
X
X
X
* nur, wenn vor der Operation keine Darmspiegelung durchgeführt wurde
**nur beim Rektumkarzinom, wenn keine neoadjuvante oder adjuvante Radiochemotherapie durchgeführt wurde
Nach Schmiegel W. et al. S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“, Z. Gastroenterol 2008: 46: 1 – 73
Konnte der Darmkrebs nicht vollständig geheilt werden, wird die weitere Betreuung individuell mit
dem Arzt besprochen.
34
60
Nach einer Darmkrebsoperation können Sie sich völlig normal ernähren und müssen keine besonderen Diäten einhalten. Wichtig ist aber eine gesunde, ausgewogene Kost, mit der Sie Ihren Körper
mit allem versorgen, was er benötigt. Eine gesunde Ernährung kann den Allgemeinzustand günstig
beeinflussen und die Lebensqualität verbessern. Ein guter Anhaltspunkt sind die Empfehlungen der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung (www.dge.de).
Es kann jedoch eine Zeit dauern, bis Sie eine normale Ernährung wieder vertragen. Der Darm ist
durch die zahlreichen Untersuchungen und die Operation belastet und muss sich erholen. Deshalb
kann es vorübergehend zu Verdauungsproblemen wie Durchfall, Verstopfung, Blähungen oder lauten Darmgeräuschen kommen. Manche Patienten leiden vorübergehend unter häufigem und heftigem Stuhldrang. Ihr Arzt oder auch ein Ernährungsberater kann Ihnen helfen, sich schrittweise
wieder an normale Mahlzeiten zu gewöhnen.
Auch während der Rehabilitation werden Sie viele Informationen dazu erhalten. Wenn Sie sich wieder fit fühlen, spricht auch nichts gegen maßvollen Alkoholgenuss. Verzichten sollten Sie dagegen
möglichst auf das Rauchen.
Zurück im Alltag
Endlich wieder auf Reisen
Viele Krebspatienten, denen es wieder besser geht, haben oft den Wunsch nach „Tapetenwechsel“.
Nach Wochen oder Monaten in Klinik und Reha sehnen sie sich nach Bergen, Seen oder Strand­
spaziergängen. Kein Problem, wenn Sie einige Punkte beachten und die Reise vorher mit Ihrem Arzt
be­sprechen. Ideales Fortbewegungsmittel ist die Bahn oder auch der Bus. Mit Flugreisen sollten Sie
nach Operationen im Bauchbereich längere Zeit warten. Ob Sie selbst fahrtüchtig sind, müssen Sie mit
Ihrem Arzt abklären. Verzichten Sie möglichst auf Reisen in Länder mit extremen klimatischen Verhältnissen. Insbesondere starke Hitze vertragen die meisten Krebspatienten zunächst nicht besonders gut.
Suchen Sie sich besser einen Urlaubsort mit gemäßigtem Klima, der für Sie stressfrei zu erreichen ist.
Achten Sie darauf, dass Sie ausreichend mit notwendigen Medikamenten ausgerüstet sind. Ist eine
medizinische Versorgung im Urlaubsort notwendig, sollten Sie möglichst im Vorfeld klären, ob dies
möglich ist und ob Ihre Krankenkasse die Kosten dafür übernimmt. Und: Wenn Sie in die Sonne
gehen, sollten Sie sich vor UV-Licht schützen. Das gilt besonders für bestrahlte Hautareale. Ob
Auto, Zug oder Flugzeug: Gedacht werden sollte auch an eine Thromboseprophylaxe – entweder
medikamentös oder in Form von Kompressionsstrümpfen. Regelmäßige Pausen mit Bewegung sind
ein Muss. Besonders wichtig sind sie für Patienten mit einem erhöhten Risiko für ein Lymphödem.
Auf die Treppen – fertig – los
Regelmäßige Bewegung ist wichtig, auch oder gerade nach einer Krebsoperation. Sie kann dem
Fatigue-Syndrom entgegenwirken, die Muskeln wieder aufbauen, das Herz-Kreislauf-System in
Schwung bringen, den Stoffwechsel anregen und die Stimmung verbessern. Lassen Sie es aber
langsam angehen. Sie sollen ja nicht gleich einen Viertausender besteigen oder jeden Tag zwei
Stunden im Fitnessstudio verbringen. Lassen Sie sich möglichst schon in der Klinik oder der Reha
von den Physiotherapeuten einfache Übungen zeigen, die Sie auch zu Hause durchführen können,
steigen Sie Treppen, statt Aufzug zu fahren, gehen Sie viel spazieren. Wenn Sie sich fit genug fühlen,
können Sie frühere Sportarten wieder aufnehmen. Auch wer bislang keinen Sport gemacht hat, sollte für regelmäßige Bewegung sorgen. Ideal sind Wandern, Fahrradfahren und Schwimmen.
Manchmal unausweichlich: künstlicher Darmausgang
Bei bis zu 15 Prozent der Patienten mit Enddarmkrebs kann der Schließmuskel nicht erhalten werden. Sie müssen dauerhaft mit einem künstlichen Darmausgang leben. Der Darm wird dabei über
eine Öffnung in der Bauchdecke entleert, der Darminhalt von einem Plastikbeutel aufgefangen. Dieser Darmausgang wird auch als Stoma bezeichnet. Der Umgang mit einem Stoma wird Ihnen in
intensiven Schulungen genau gezeigt. Dazu gibt es an den meisten größeren Kliniken und Darmzentren extra ausgebildete Stomatherapeuten. Diese informieren Sie über die Anpassung der Ernährung, das richtige Wechseln der Stomabeutel und über Möglichkeiten, wie Sie die Stuhl­entleerung
beeinflussen können. Eine Geruchsbelästigung brauchen Sie nicht zu befürchten. Die modernen
Stomabeutel sind absolut geruchsfrei.
Wenn Sie sich an den Umgang mit dem Stoma gewöhnt haben, können Sie wie vorher auch Sport
treiben oder ins Schwimmbad gehen. Auch eine normale Sexualität ist mit Stoma möglich. Wenn
Sie auf Reisen gehen, sollten Sie darauf achten, dass Sie eine ausreichend große Menge an Stoma­
beuteln mitnehmen.
Mehr Informationen finden Sie unter www.ilco.de, einer Selbsthilfeorganisation, die
sich auf Information und Unterstützung von Menschen mit Darmkrebs (auch ohne
Stoma) spezialisiert hat.
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Informationen und Adressen
Darmkrebs
Rat und Hilfe für Betroffene und Angehörige
Hermann Delbrück
Kohlhammer Verlag, 2004
ISBN 978-3-17-018314-8
Kursbuch Darmkrebs
Ernst-Dietrich Kreuser,
Katrin Würdinger
Südwest-Verlag, 2006
ISBN 978-3-517-06998-2
Hilfe bei Darmkrebs
Vorsorge – Diagnose – Therapie
Hans-Dieter Allescher, Astrid Kors,
Verena Drebing, Christa Maar (Hrsg.)
TRIAS Verlag, 2004
ISBN 978-3-830-43159-6
Thema Krebs
Hilke Stamatiadis-Smidt,
Harald zur Hausen, Otmar D. Wiestler
Springer Verlag, 2006
ISBN 978-3-540-25792-9
Patientenratgeber Darmkrebs
Hans-Joachim Schmoll,
Michael Bamberg, Werner Hohenberger
Deutsche Krebsgesellschaft e.V., 2008
Hardcover ISBN 978-3-936072-85-3
Broschüre ISBN 978-3-936072-92-1
Krebs ganzheitlich behandeln
Josef Beuth
TRIAS Verlag, 2007
ISBN 978-3-830-43374-3
38
Deutsche ILCO e.V.
Vereinigung für Stomaträger
und für Menschen mit Darmkrebs
Thomas-Mann-Str. 40
53111 Bonn
Tel.: 02 28/33 88 94-50
Fax: 02 28/33 88 94-75
E-Mail: [email protected]
Internet: www.ilco.de
Felix Burda Stiftung
Rosenkavalierplatz 10
81925 München
Tel.: 0 89/92 50 25 01
Fax: 0 89/92 50 27 13
E-Mail: [email protected]
Internet: www.felix-burda-stiftung.de
Deutsche Krebshilfe e.V.
Buschstr. 32
53113 Bonn
Tel.: 02 28/7 29 90-0
Fax: 02 28/7 29 90-11
E-Mail: [email protected]
Internet: www.krebshilfe.de
Deutsche Krebsgesellschaft e. V.
TiergartenTower
Straße des 17. Juni 106–108
10623 Berlin
Tel.: 030/322 93 29 0
Fax: 030/322 93 29 66
E-Mail: [email protected]
Stiftung LebensBlicke
Bremserstr. 79
67063 Ludwigshafen
Tel.: 06 21/503 28 38
Fax: 06 21/503 28 39
E-Mail: [email protected]
Internet: www.lebensblicke.de
Krebsinformationsdienst KID
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
Tel.: 08 00/420 30 40 (täglich 8–20 Uhr;
kostenlos aus dem deutschen Festnetz)
E-Mail: [email protected]
Internet: www.krebsinformationsdienst.de
Informationen und Adressen zu psychosozialen Krebsberatungsstellen für Patienten und Angehörige erhalten Sie
beim Krebsinformationsdienst KID und bei der Deutschen Krebshilfe.
Glossar
Adenome
Gutartige Wucherungen, die vom Drüsenge­
webe der Schleimhaut ausgehen und aus denen sich ein Tumor entwickeln kann.
Adjuvante Chemotherapie
Die adjuvante (unterstützende) Chemotherapie
wird nach einer Operation gegeben, mit dem
Ziel, die restlichen, noch verbliebenen Krebszellen abzutöten. Die Heilungschancen lassen
sich dadurch deutlich verbessern.
Angiogenese
Bildung neuer Blutgefäße im Körper, leitet sich
aus dem Griechischen „angiojénessi“ (Angio =
Gefäß, Genese = Entstehung) ab.
Angiogenese-Hemmer
Medikamente, die die Bildung neuer Blutgefäße im und zum Tumor hemmen. Da der Tumor
ohne Blutversorgung nicht überleben kann,
wird sein Wachstum gehemmt. Der erste Angiogenese-Hemmer, der therapeutisch eingesetzt wird, ist Bevacizumab.
Anti-Angiogenese
Unterdrückung der Angiogenese.
Antigen
Ein Antigen ist eine Substanz, die vom Immunsystem als fremd erkannt wird und die Bildung
von Antikörpern auslöst. Antigene sind meist
Eiweißstrukturen. Sie befinden sich auf Allergenen wie etwa Pollen, auf Krankheitserregern
oder Tumorzellen.
Anus praeter
Siehe Stoma
Antikörper
Körpereigene Abwehrstoffe, die sich gegen
Antigene auf Krankheitserregern richten. Die
Verbindung des Antikörpers mit dem Antigen
Glossar
zu einem Antigen-Antikörper-Komplex löst eine
Reihe von Abwehrreaktionen aus, die zu einer
Zerstörung des Erregers führen. Biotechnologisch hergestellte Antikörper für die Krebstherapie (Cetuximab, Panitumumab, Bevacizumab)
binden an bestimmte Antigene, die das Wachstum von Tumoren fördern, und blockieren deren Wirkung.
benigne
Gutartig
Bevacizumab
Biotechnologisch hergestellter Antikörper zur
Behandlung von Darmkrebs, der sich gegen
den Blutgefäß-Wachstumsfaktor VEGF richtet.
Die Bildung neuer Blutgefäße wird gehemmt,
dadurch unterbleibt die Versorgung des Tumors
mit Sauerstoff und Nährstoffen − der Tumor
wird regelrecht augehungert.
Capecitabin
Zytostatikum zur Behandlung u.a. von Darmkrebs. Wird als Tablette eingenommen.
CEA
Carcinoembryonales Antigen, einer der wichtigsten Tumormarker bei Darmkrebs.
Cetuximab
Biotechnologisch hergestellter Antikörper zur
Behandlung von Darmkrebs. Er richtet sich gegen den Rezeptor für den epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR, epidermal growth factor
receptor). Durch die Bindung des Antikörpers
an EGFR wird die Weiterleitung der Wachstumssignale gestoppt und das Tumorwachstum
unterbunden.
Chemotherapie
Behandlung von Krebserkrankungen mit Zytostatika.
Colitis ulcerosa
Chronische oder wiederkehrend auftretende
Entzündung des Dickdarms.
Computertomographie (CT)
Spezielle Röntgenuntersuchung, bei der Querschnittbilder (Schichtaufnahmen) des Körpers
erstellt werden, mit denen Einzelheiten sehr gut
zu erkennen sind.
Darmpolypen
Gutartige Schleimhautgeschwülste, die gestielt
sind und in den Hohlraum des Darms hineinragen. Über 95 % der Polypen sind Adenome,
sie können sich zu Darmkrebs entwickeln. Bis
aus einem Polyp Darmkrebs entsteht, dauert es
etwa 10 Jahre.
EGFR
Abkürzung für epidermal growth factor receptor, epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor.
EGFR ist bei verschiedenen Tumorarten, auch
bei Dickdarm- und Enddarmkrebs, hoch- oder
fehlreguliert. Es kommt zu einem unkontrollierten Tumorwachstum.
5-Fluorouracil (5-FU)
Zytostatikum zur Behandlung u.a. von Darmkrebs.
Irinotecan
Zytostatikum zur Behandlung u.a. von Darmkrebs.
Karzinom
Bösartiger Tumor, der sich aus Epithelzellen
entwickelt; die meisten bösartigen Geschwülste sind Karzinome.
Kernspintomographie
Modernes Schnittbildverfahren, das auch als
Magnetresonanztomographie (MRT) bezeichnet wird. Zur Erzeugung der Bilder werden keine Röntgenstrahlen verwendet, sondern starke
Magnetfelder und Radiowellen.
Kolon
Dickdarm
Entfernung zu erhöhen oder eine Operation
erst zu ermöglichen.
Koloskopie
Darmspiegelung, bei der der gesamte Dickdarm untersucht wird.
okkult
Versteckt, verborgen (lateinisch: occultus)
kolorektal
Kolon (Dickdarm) und Rektum (Enddarm) betreffend.
Lymphknoten
Schaltstellen des Lymphgefäßsystems, in denen
die Lymphflüssigkeit gefiltert und durch Fresszellen (Makrophagen) und Lymphozyten von
Keimen und Giftstoffen befreit wird. Bösartige
Tumoren können Tochterzellen in die Lymphflüssigkeit abgeben, die dann in den Lymphknoten „hängenbleiben“. Dort können sie sich ansiedeln und Tochtergeschwülste, sogenannte
Lymphknotenmetastasen, bilden.
maligne
Bösartig
Metastasen
Tochtergeschwülste eines bösartigen Tumors
in anderen Organen. Bei Darmkrebs entwickeln
sich Metastasen vor allem in der Leber.
Morbus Crohn
Chronisch entzündliche Erkrankung, die den
gesamten Magen-Darm-Trakt vom Mund bis
zum Enddarm betreffen kann; am häufigsten
sind die letzte Dünndarmschlinge und der
Dickdarm betroffen.
Neoadjuvante Therapie
Chemotherapie oder Strahlentherapie, die vor
der operativen Entfernung des Tumors durchgeführt wird. Ziel ist es, den Tumor zu verkleinern, und so die Chancen auf eine komplette
Okkultbluttest
Untersuchung auf verstecktes, mit bloßem
Auge nicht sichtbares Blut im Stuhl.
Oxaliplatin
Zytostatikum zur Behandlung u.a. von Darmkrebs.
Palliative Chemotherapie
Die palliative (lindernde) Chemotherapie wird
eingesetzt, wenn der Tumor nicht völlig entfernt
werden kann. Sie hat das Ziel, die Vergrößerung des Tumors zu verhindern, die Schmerzen
zu verringern und das Risiko von Komplikationen zu senken.
Panitumumab
Biotechnologisch hergestellter Antikörper zur
Behandlung von Darmkrebs (siehe Cetuximab).
Polyp (des Dickdarms)
Siehe Darmpolypen
Rektum
Enddarm; letzter Teil des Dickdarms vor dem
Darmausgang.
Remission
Rückbildung von Tumor oder Metastasen; bei
einer vollständigen Remission ist der Tumor
anhand bildgebender Verfahren wie CT oder
MRT nicht mehr erkennbar.
Rezidiv
Rückfall; Tumor tritt nach vollständiger Entfernung erneut im gleichen Organ auf.
Sigmoidoskopie
Untersuchung der unteren Dickdarmanteile
einschließlich des Sigmas.
Stoma
Künstlich angelegter Darmausgang oder Anus
prater. Der Darm wird dabei mit der vorderen
Bauchwand verbunden und der Stuhl über diesen Ausgang abgeleitet. Häufig kann ein Stoma
nach Heilung des Darms wieder rückverlegt
werden.
Tumor
Schwellung, Geschwulst-, oder Gewebeneubildung, die gutartig oder bösartig sein kann.
Tumormarker
Substanzen, die bei Tumorerkrankungen in
erhöhter Konzentration in Blut oder anderen
Körperflüssigkeiten vorkommen. Da sie auch
bei anderen Erkrankungen wie Entzündungen
erhöht sein können, sind sie für die Diagnosestellung nicht geeignet. Sie werden aber für die
Beobachtung des Verlaufs der Krebserkrankung genutzt.
VEGF
Blutgefäßwachstumsfaktor (englisch: vascular
endothelial growth factor, VEGF), ist zur Aufrechterhaltung der Gefäßfunktion notwendig.
Von Tumorzellen wird VEGF vermehrt gebildet
und zum Aufbau eines Gefäßsystems „missbraucht“, das den Tumor mit dem Blutkreislauf
verbindet und ihn mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt.
Zytostatika
Wirkstoffe, die das Wachstum von Zellen hemmen. Da sie besonders gut bei sich schnell teilenden Zellen wirken, werden vor allem Krebszellen abgetötet.
Roche Pharma AG
79630 Grenzach-Wyhlen
www.roche-onkologie.de
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