28 Von der Ethik Die Tat allein ist Leben

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10 2001
amehT Thema
Berufsbildung Schweiz
Von der Ethik
oder
Die Tat allein ist Leben
W
Wolfgang v.
Krockow-Lauinger
Präsidiumsmitglied
der Akademischen
Gesellschaft im Hain
Zentralvorstand BCH
ir lehren, dass die Ethik ein Teilbereich
der Philosophie ist. Als wissenschaftliche Disziplin befasst sie sich mit der
Lehre von der richtigen Gesinnung und Sittlichkeit. Als Wissenschaft hat die Ethik hierzu
Fragen, Methoden und Verfahrensweisen ausgebildet. Nach der frühen sokratischen Unterscheidung des gültigen Tuns durch die Einsicht
kraft Vernunft unterscheidet Aristoteles zwischen den Tugenden des Verstandes, den dianoetischen Tugenden, und der Sittlichkeit, den
ethischen Tugenden. In seiner «ta ethika» unternimmt er den Versuch, das normative Gut eines
Ethos von Sitte als Brauchtum mit dem Ethos
des Sollens in Einklang zu bringen. Daher wird
die Ethik seit Aristoteles auch als die praktische
Philosophie bezeichnet Ethik wird somit das
Mass, die Forderung und das Wünschenswerte
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gleichermassen, an welchen sich die menschlichen Handlungsfelder zu messen haben, um
das letzte Ziel der sittlichen Vervollkommnung
zu erreichen. Der Entscheid auf eine ethische
Frage, die Findung der ethischen Tat, ist immer
ein Sich-auf-den-Weg-machen, ein stetes ethisches Unterwegssein.
Auf dem menschlichen Handeln allein liegt das
Gewicht des Sittlichen. Begreift man die Ethik
als das Gesetz auf dem Wege sittlicher Vervollkommnung, so bedeutet Ethik vor allem die
Auseinandersetzung des Ichs mit sich selbst, des
Ichs mit der Welt, letztlich mit dem Sinn des
menschlichen Lebens. Ethik ist daher ebenfalls
Auseinandersetzung mit dem Du und dem Wir.
Das zentrale Thema der Ethik ist die Beantwortung der Frage nach der Verfügbarkeit und der
Verwendung des menschlichen Freiheitsraumes
zu sinnvollem Handeln und damit die Frage
nach der Sinnerfüllung der Freiheit des Menschen überhaupt.
T
Unabhängig vom philosophischen oder theologischen Ansatz ist die Betrachtung von Ausgang und Ziel des Menschen und seines Seins
mit der Frage seines Verhaltens und seiner Verantwortlichkeit verbunden. In den verschiedenen Kulturen und Epochen wurde versucht,
die aus diesen Betrachtungen resultierenden Fragen durch Wertesysteme zu beantworten und
gesellschaftlich zu regulieren. Der Unterschied
jener Normen und Werte erklärt sich dabei
nicht etwa in den Werten selbst oder in irgendwelchen spezifischen Einzelwerten, vielmehr
liegt die anscheinende Unüberbrückbarkeit der
historischen Rangierungen in der Erstellung
von Normen auf Grund einer ganz bestimmten
Wertepyramide.
Im Unterschied zur Moral nun sucht die Ethik
eine a-historische Gültigkeit allgemeiner Prinzipien, man kann diese als ethische Universalien
bezeichnen. Diese Werte haben sich über lange
Zeiten unter den unterschiedlichsten Gegebenheiten bewährt. Ihre Anerkennung gründet
sich in der Notwendigkeit ihrer Gültigkeit, kraft
dessen sind sie über alle Hochkulturen verbreitet und als hochrangig angesehen. Der ethisch
begründete Imperativ des Sollens ist die Ein-
bringung der Sittlichkeit als solcher, er ist eine
durch die Tat vollzogene moralische Entscheidung. Die Behaftbarkeit des Menschen ergibt
sich aus seiner einzig an ihn, den Menschen,
gebundenen Geschichtlichkeit. Das Individuum
wie seine Generation ist verantwortlich für ihr
Tun und Lassen. Wenngleich nun die nachfolgende Generation nicht behaftet werden kann
für das Tun der vorhergehenden, so obliegt ihr
doch die Verantwortung für den Umgang mit
dem Wissen über das Handeln der Vorfahren. In
der Erinnerung des Vergangenen lebt die Gegenwart des Zukünftigen.
Nach Aristoteles wird uns die sittliche Tat zuteil
durch Gewöhnung. Ethik verlangt deshalb die
Bewegung des Denkens in sich selbst, sie ist
durch sich auf etwas hin ausgerichtet; Ethik ist
Auseinandersetzung und Konkretion eingestiftet in das menschliche Tun und Handeln. Die im
Gegensatz zur Natur durch den Menschen selbst
geschaffene Welt einschliesslich und besonders
ihrer Werteinstellungen bedarf zur Existenz geistiger Formungen des Menschen. Der Prozess in
den Gehalten der Kultur mit dem Ziel der vollen
Verwirklichung des Menschseins geschieht über
die Bildung des Menschen, der des einzelnen
Individuums wie derjenigen des Menschen als
solchem. Bildung führt sodenn das Individuum
zur Eigentätigkeit und Selbstbestimmung, wobei nicht entscheidend ist das Mass des Wissens,
sondern jenes der Verschmelzung mit der Persönlichkeit und den sich daraus formenden ethischen Werten, welche sich ihrerseits als Teil der
menschlichen Würde in einer individuellen wie
öffentlichen Verpflichtung manifestieren.
Der Imperativ der gerechten Staatsordnung
verpflichtet sowohl als legitimiertes Subjekt
den Staat und seine Organe wie das freie, den
Staat bildende und tragende Individuum im
Sinne einer allgemeinen Wohlfahrt.
Allem Bemühen zum Trotz ist es bisher nicht
wirklich gelungen, diese ethische Staatsmaxime
durchzusetzen.
Bestürzend ist die Hinnahme von Masslosigkeit
und die Duldung von politischen Hasardeuren
und hemmungslosen Wirtschaftspiraten in
unserer so genannten zivilisierten Gesellschaft.
Die Regierungen zeigen unentschuldbare
Schwäche und Nachsicht und die Ethik wird
dabei allzu oft als marketingträchtige Alibiübung missbraucht. Die Machbarkeit der
Macher ist das Credo geworden. Wohin diese
naive Sorglosigkeit und Fortschrittsgläubigkeit
führen kann, zeigt das Schicksal der vormals so
renommierten schweizerischen Fluggesellschaft
Swissair.
Thema amehT
Der fehlende internationale Wille, in den
einzelnen Gesellschaften einfachste und grundlegende Rechtsnormen durchzusetzen, Gerechtigkeit konsequent einzufordern, ebnet politischen Abenteurern den Weg zur Macht. Als
Folge davon gefährden fanatisch-ideologischer
Alleingang und politische Erpressung gewisser
Länder den Frieden. Dass heutige Diktaturen
agieren wie Diktaturen schon immer in der
Geschichte agierten, verantwortungs- und
gesinnungslos nämlich, verwundert nicht. Dass
diese Staaten aber zur Heimatbasis und Ausgangspunkt neuer, globaler Terroraktionen
werden, mussten wir seit den Septemberanschlägen in den USA schmerzlich erfahren.
Der verbrecherische Mord eines entmenschlichten Gehirns am 27. September d. J. in Zug
schliesslich führte uns in unserem eigenen Land
in ganzer Brutalität vor Augen, wie verletzlich
und gefährdet wir alle durch den Terror eines
zu allem entschlossenen Täters sind. Das Fehlen
menschlicher Werte, wie die der Ehrfurcht vor
dem Leben und der Unverletzlichkeit des Mitmenschen, sowie das willentliche Überschreiten
der natürlichen Hemmschwelle von Gewaltanwendung zeigen in schrecklicher Weise, wie der
Mensch und seine Gesellschaft ohne ethisches
Wollen und Handeln aussähen.
Zu Beginn des dritten Jahrtausends unserer Zeitrechnung stehen wir beladen mit der Geschichte
unserer Zivilisation, aufgedunsen von unserer
vermeintlichen Überlegenheit und gezeichnet
von der gierigen Jagd nach dem, was wir so im
Allgemeinen als Erfolg zu bezeichnen pflegen.
Desto trotz lebt in uns aber auch das, was die
Alten «heiliges Feuer» nannten, das Wissen nämlich um die Einzigartigkeit und die Freiheit des
menschlichen Geistes. Die Suche des Menschen
nach gültigen Werten muss ihn zu einer Besinnung und Beseelung seiner ureigenen, wesensbegründenden Kräfte führen. Das Streben nach
ethischem Handeln darf keine Suche bleiben,
es darf nicht in Sehnsucht verkümmern. Die
Anvertrautheit der Schöpfung gebietet: Die Tat
allein ist Leben!
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