Was gab es Neues auf dem Arzneimittelmarkt 2015: Herz

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10. Jahrgang, 2. Ausgabe 2016, 66-90
- - - Rubrik Neue Arzneimittel - - -
Was gab es Neues auf dem
Arzneimittelmarkt 2015
Teil 4: Herz-Kreislauf Erkrankungen
Cangrelor
Herzinsuffizienz
Edoxaban
Sacubitril/Valsartan
Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
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Was gab es Neues auf dem
Arzneimittelmarkt 2015
Herz-Kreislauf Erkrankungen
Prof. Dr. Georg Kojda
Fachpharmakologe DGPT,
Fachapotheker für Arzneimittelinformation
Institut für Pharmakologie und klinische Pharmakologie
Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität
Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
[email protected]
*Aus einem Vortrag des Autors vom 25.01.2016 im großen Hörsaal des LFI der
Universitätsklinik Köln (organisiert durch Apothekerkammer Nordrhein/Apothekerverband
Köln e.V./Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein Bezirksstelle Köln)
Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum
Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier:
http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html
Titelbild : Universitätsbibliothek New York , Urheber: Photoprof, Lizenz: Fotolia
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Was gab es Neues auf dem
Arzneimittelmarkt 2015?
Prof. Dr. Georg Kojda
Fachpharmakologe, Fachapotheker für Arzneimittelinformation
Fortbildungsbeauftragter Apothekerkammer Nordrhein, Apothekerverband Köln e.V.
Herausgeber „Fortbildungstelegramm Pharmazie“
Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie,
Universitätsklinikum, Düsseldorf,
Fortbildungsvortrag vom 25.01.2016 organisiert durch Apothekerkammer Nordrhein,
Apothekerverband Köln e.V., Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, Bezirksstelle Köln
Der Autor erhielt Forschungsgelder1 sowie dienstlich genehmigte Beratungs-2
und Referentenhonorare3 von folgenden Arzneimittelherstellern:
Actavis1, Allergan2, Boehringer3, Mundipharma3, Schwarz Pharma1, Pfizer1,2, Shire1
Wichtige Hinweise
Für die Nutzung dieses Dokumentes gelten die Nutzungsbedingungen, einsehbar unter
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Für die Angaben in diesem Dokument gilt der Disclaimer, einsehbar unter
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Insbesondere soll hier Folgendes noch einmal betont werden (Disclaimer):
„In keinem Falle stellen Informationen zu Arzneimitteln oder sonstigen medizinischen
Produkten Empfehlungen oder eine Werbung für Präparate oder Produkte dar. Gleichfalls
ersetzen die Informationen nicht eine individuelle fachliche Beratung durch einen Arzt oder
Apotheker. Der Inhalt von www.kojda.de darf nicht dazu verwendet werden, eigenständig
Diagnosen zu stellen oder Behandlungen anzufangen.“
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Übersicht
Hinweise
Zeitraum
Die Auflistung beinhaltet erstmals auch neue Arzneistoffe aus
2015, deren Ausbietung zum 01.01.2016 erfolgte (Efmoroctocog
alpha und Sacubitril/Valsartan). Die Kombination aus
Ceftolozan/Tazobactam (Zerbaxa®) wurde nicht aufgenommen.
Erweiterung
Die Auflistung beinhaltet ebenfalls neue Impfstoffe (Neisseria
meningitidis der Gruppe C [Stamm C11] konjugiert) sowie
autologe menschliche Hornhautepithelzellen (erste
Stammzelltherapie).
Kosten
Die Berechnung der Tages-Therapiekosten erfolgte auf der Basis
des Apothekenverkaufspreises des jeweils größten erhältlichen
Packung und der vom Hersteller empfohlenen Dosierung.
Übersicht
38 neue Arzneistoffe in 2015
(12 Zytostatika, 11 Orphan-Drugs!)
Seltene Erkrankungen
Antiinfektiva
Zytostatika
Asfotase alfa (Strensiq®)
Efmoroctocog alfa (Elocta®)
Eliglustat (Cerdelga®)
Idebenon (Raxone®)
Lumacaftor / Ivacaftor (Orkambi®)
Nintedanib (Ofev®)
Sebelipase alfa (Kanuma®)
autologe menschliche
Hornhautepithelzellen (Holoclar®)
Dasabuvir (Exviera®)
Isavuconazol (Cresemba®)
Ombitasvir in Kombination
mit Paritaprevir und
Ritonavir (Viekirax®)
Paritaprevir (Viekirax®)
Tedizolid (Sivextro®)
Blinatumomab (Blincyto®)
Carfilzomib (Kyprolis®) O
Ceritinib (Zykadia®)
Cobimetinib (Cotellic®)
Lenvatinib (Lenvima®) O
Nintedanib (Vargatef®)
Nivolumab (Opdivo®)
Olaparib (Lynparza®) O
Panobinostat (Farydak®) O
Pembrolizumab (Keytruda®)
Ramucirumab (Cyramza®)
Trametinib (Mekinist®)
Andere
Stoffwechsel
(Praluent®)
Alirocumab
Evolocumab (Repatha®)
Dulaglutid (Trulicity®)
Herz-Kreislauf
Cangrelor (Kengrexal®)
Edoxaban (Lixiana®)
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Naloxegol (Moventig®)
Neisseria meningitidis
der Gruppe C (Stamm C11)
konjugiert (Menjugate®)
Netupitant (Akynzeo®)
Nonacog gamma (Rixubis®)
Safinamid (Xadago®)
Vasopressin (Empressin®)
Vortioxetin (Brintellix®)
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Übersicht
Frühe Nutzenbewertung nach AMNOG
erheblich > beträchtlich > gering und nicht quantifizierbar (z.B. bei Orphan-Drugs)
Bewertung erfolgt im Verhältnis zur „zweckmäßigen Vergleichstherapie“.
Prüfung des Dossiers
innerhalb von 3 Monaten
Erstattungsbetragsverhandlungen bis 12. Monat
Schiedsspruch bis 15. Monat
Anhörung und Beschluss
zwischen 4. – 6. Monat
IQWiG
Einigung
G-BA
Dossier
Einigung
Klage oder
Marktrücknahme
Marktrücknahme
durch Hersteller
möglich
Abb. modifiziert nach: http://www.vfa.de/de/download-manager/_infografik-amnog-fruehe-nutzenbewertung.pdf
Übersicht
Gruppe Herz-Kreislauf
Wenig Neues bei der Prävention und Behandlung von Thrombosen
Fortschritte bei der Therapie der Herzinsuffizienz
Vollständige Liste erhältlich unter: http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/fortbildungkoeln/index.html
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Übersicht
Gruppe Herz-Kreislauf
Neues bei der Prävention und Behandlung von Thrombosen
Indikation: Senkung von thrombotischen kardiovaskulären Ereignissen unter einer
perkutanen Koronarintervention (PCI) wenn eine orale Therapie mit P2Y12-Hemmern
nicht möglich oder wünschenswert ist.
Anwendung: Wird als Infusion verabreicht, ermöglicht sofortige Hemmung der
Aggregation von Thrombozyten, Effekt ist wegen sehr kurzer HWZ (3-5 min) 60 min nach
Infusion vorbei.
Wirksamkeit: Wurde bis 48 h nach Gabe geprüft. Senkt primären Endpunkt (Tod jeder
Ursache, Myokardinfarkt, Ischämie-getriggerte Revaskularisierung, Stent-Thrombose)
ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen (CHAMPION PHOENIX, N Engl J Med.
2013;368(14):1303-13)
In zwei vorherigen großen randomisierten Phase III ergab sich kein Vorteil gegenüber
Clopidogrel (CHAMPION PCI) oder Placebo (CHAMPION PLATFORM), was Kastrati A und
Ndrepepa G mit Besonderheiten im jeweiligen Studiendesign zu erklärt haben
(N Engl J Med 2009;361(24):2382-2384)
Antithrombotika
Angriffspunkte neuer Antithrombotika
Intrinsische Aktivierung
Extrinsische Aktivierung
Plättchenaggregation
Thromboplastin (TF)
Kollagen, Thromboxan
Adenosindiphosphat
XIIa
XIa
VIIa + TF
IXa + VIIIa
P2X1, P2Y1
Apixaban
Edoxaban
Rivaroxaban
Formwandel
Xa
Fibrinogen (I)
Dabigatran
Prothrombin (II)
Xa, Va, Ca2+
Thrombin (IIa)
P2Y12
Aggregation
Phospholipide
Fibrin (Ia)
XIIIa
Quervernetzter Thrombus
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Ticagrelor
Cangrelor
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Edoxaban (Lixiana®)
Unterschiede zu anderen NOAKs
indiziert bei:
Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei
erwachsenen Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern (NVAF)
und einem oder mehreren Risikofaktoren wie kongestiver
Herzinsuffizienz, Hypertonie, Alter > 75 Jahren, Diabetes mellitus,
Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA) in der
Anamnese.
Behandlung von tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien
(LE)
Prophylaxe von rezidivierenden TVT und LE bei Erwachsenen
nicht indiziert bei:
Zur Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) bei erwachsenen
Patienten nach elektiven Hüft‐ oder Kniegelenksersatzoperationen
(Indikation für Apixaban, Dabigatran und Rivaroxaban)
Zusätzlich zu Acetylsalicylsäure (ASS) allein oder zu ASS plus
Clopidogrel oder Ticlopidin bei erwachsenen Patienten zur Prophylaxe
atherothrombotischer Ereignisse nach einem akuten Koronarsyndrom
(ACS) mit erhöhten kardialen Biomarkern (nur Indikation für
Rivaroxaban)
Edoxaban (Lixiana®)
Unterschiede zu anderen NOAKs
Primärer WirksamkeitsEndpunkt: Schlaganfall oder
systemische Embolie
Patienten mit einem Ereignis (%)
Edoxaban 30 mg/die
Warfarin
Edoxaban 60 mg/die
Prophylaxe von Schlaganfällen:
nicht-Unterlegenheit gegenüber Warfarin
(60 mg/die),
wie Rivaroxaban und niedrig dosiertes
Dabigatran (220 mg/die),
Apixaban und höher dosiertes Dabigatran
(300 mg/die) ist gegenüber Warfarin
überlegen
Primärer Sicherheits-Endpunkt:
schwerwiegende Blutung
Warfarin
Edoxaban 60 mg/die
Edoxaban 30 mg/die
Blutungen
gegenüber Warfarin deutlich niedrigere
Inzidenz von schwerwiegenden Blutungen,
wie intrakranielle, intraspinale,
intraokulare, perikardiale und
intraartikuläre Blutungen
Jahre
Abb. modifiziert nach:
N Engl J Med. 2013 Nov 28;369(22):2093-104
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Arzneistoff
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Indikation
Bei erwachsenen Patienten
zur Behandlung einer
symptomatischen,
chronischen Herzinsuffizienz
mit reduzierter
Ejektionsfraktion.
Sacubitril ist ein Prodrug, aus
welchem nach Esterhydrolyse der
eigentliche Wirkstoff entsteht
(LBQ657). Die Kombination mit
Valsartan wird als supramolekularer
Komplex bezeichnet.
Zusatznutzen
Hersteller
Noch nicht festgelegt
Novartis Pharma GmbH
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Herzinsuffizienz
Als Herzinsuffizienz bezeichnet man das Unvermögen
des Herzmuskels den Anforderungen des Körpers
gerecht zu werden.
Das Herz kann also die zur Blutversorgung der
Peripherie notwendige Förderleistung des Herzens nicht
mehr erbringen.
Diese Fehlfunktion ist eine schwere Erkrankung mit
hoher Mortalität und Morbidität!
Der langsam fortschreitende (chronische) Verlauf wird
chronische Herzinsuffizienz (CHF, chronic heart failure,
chronische Herzmuskelschwäche) genannt.
Eine im Verlauf auftretende Dekompensation ist eine
akute Notfallsituation, die auch als akute
Herzinsuffizienz bezeichnet wurde (wird).
Weltweit leiden ca. 17.000.000 Menschen an einer CHF.
Kojda G. Herzinsuffizienz. Status Quo und der Neprilysin-Inhibitor Sacubitril. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):130-145
Kostenfrei unter: http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Fortbildungsartikel.html
McMurray JJV, NEJM 2010; 362:228-38
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Einteilung der Herzinsuffizienz*
• Erstmanifestation („new onset“)
Erstvorstellung
akuter oder schleichender Beginn
• Transient
rezidivierend oder episodisch
• Chronisch
persistierend
stabil, progressiv oder dekompensiert
*die Einteilung in akut und chronisch ist wegen der unterschiedlichen Verwendung des Begriffs akute
Herzinsuffizienz wenig hilfreich (ESC-Guidelines 2012)
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Ursachen der Herzinsuffizienz
Die Ursachen einer Herzinsuffizienz sind
vielfältig. Hierzu zählen u.a.:
koronare Herzkrankheit (54-70 %)
begleitende Hypertonie (35-52 %)
isolierte Hypertonie (ca. 9-20 %)
Kardiomyopathien (10 %)
Herzklappeninsuffizienzen (10 %)
Herzrhythmusstörungen
Perikarderkrankungen
Infektionen (Myokarditis z.B. durch
Coxsackie-Viren, Röteln, Diphterie)
Toxische Wirkungen (Chemotherapeutika)
(Abb.: http://www.servier.com )
Kojda G. Herzinsuffizienz. Status Quo und der Neprilysin-Inhibitor Sacubitril. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):130-145
Kostenfrei unter: http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Fortbildungsartikel.html
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Symptome der Herzinsuffizienz
Auch die Symptome einer Herzinsuffizienz sind
vielfältig. Hierzu zählen u.a.:
Senkung der Belastungstoleranz (siehe NYHA)
Dyspnoe
Orthopnoe
Asthma cardiale
Lungenödem
periphere Ödeme
Schwellung der Hautvenen
Nykturie, Pollakisurie
Stauungsleber
(u.a. weniger Gerinnungsfaktoren)
portale Hypertension
Stauungsniere (Oligurie, evtl. Anurie)
(Abb.: http://www.servier.com )
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Schweregrade der Herzinsuffizienz
Zur Beurteilung des Schweregrades eines
Herzinsuffizienz dient der sogenannte NYHAPunktwert (Morbidität der Erkrankung).
I
Dieser Punktwert wird rein symptomatisch, d.h.
nach Angaben der Patienten ermittelt.
II
III
IV
Er ist nicht nur Grundlage der Strategie für die
Pharmakotherapie, sondern korreliert auch mit der
Prognose der Patienten. Je höher der NYHAPunktwert, umso geringer die Lebenserwartung.
Der NYHA-Punktwert dient in klinischen Studien
auch zur Evaluation der Effektivität einer
Pharmakotherapie, gilt jedoch verglichen mit der
Mortalität als untergeordnet.
Schweregrad
*NYHA=New York Heart Association
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Schweregrade der Herzinsuffizienz
NYHA Stufe I
Herzerkrankung ohne körperliche Limitation. Alltägliche
körperliche Belastung verursacht keine inadäquate
Erschöpfung, Rhythmusstörungen, keine Luftnot oder Angina
pectoris.
I
NYHA Stufe II
Herzerkrankung mit leichter Einschränkung der körperlichen
Leistungsfähigkeit. Keine Beschwerden in Ruhe. Alltägliche
körperliche Belastung verursacht Erschöpfung,
Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris.
II
NYHA Stufe III
Herzerkrankung mit höher gradiger Einschränkung der
körperlichen Leistungsfähigkeit bei gewohnter Tätigkeit. Keine
Beschwerden in Ruhe. Geringe körperliche Belastung, z.B.
gehen, verursacht Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot
oder Angina pectoris (rezidivierend oder episodisch).
III
IV
Schweregrad
NYHA Stufe IV
Herzerkrankung mit Beschwerden bei allen körperlichen
Aktivitäten und in Ruhe, Bettlägerigkeit.
*NYHA=New York Heart Association
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Verlauf der chronischen Herzinsuffizienz
Kompensationsmechanismen
funktionell:
Frank-Starling
Barorezeptorreflex
RAAS-Aktivierung
(nicht dargestellt)
morphologisch:
Hypertrophie
Konsequenzen
funktionell:
erhöhte Herzfrequenz
verminderte kardiale Reserve
morphologisch:
Remodeling
(aus Kojda G., Pharmakologie Toxikologie Systematisch, 2. Auflage 2002)
RAAS=Renin-Angiotensin-Aldosteron System
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Remodeling bei chronischer Herzinsuffizienz
Initial Aufrechterhaltung der
Herzfunktion durch:
Frank-Starling
(nicht neurohumoral)
Barorezeptorreflex
RAAS-Aktivierung
Über längere Zeit Förderung
des Remodelings!
Arzneistoffe, die die neurohumoralen Mechanismen
hemmen, wirken sich bei
Herzinsuffizienz
lebensverlängernd aus.
Abb. modifiziert nach: McMurray JJV, NEJM 2010; 362:228-38
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Ziele der Pharmakotherapie
der chronischen Herzinsuffizienz
Die wichtigsten Ziele der Therapie der
Herzinsuffizienz sind
• die Linderung der Symptomatik zur
Verbesserung der Lebensqualität (s.o.),
• die Verminderung Rate an
Hospitalisierungen sowie
• die Verlängerung der Lebenszeit.
(Abb.: http://www.servier.com )
Zu den therapeutische Strategien bei der
Herzinsuffizienz zählen u.a. auch die
Reduktion von körperlicher Belastung und die
Verminderung der Aufnahme von Kochsalz
(bewirkt Volumenreduktion). Beide
Maßnahmen vermindern die Arbeitsanforderungen an das Herz.
Kojda G. Herzinsuffizienz. Status Quo und der Neprilysin-Inhibitor Sacubitril. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):130-145
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Schematische Darstellung der Pharmakotherapie der
chronischen Herzinsuffizienz*
Verbesserung von
Prognose
ACE-Hemmer
(AT1-Blocker)
+
Symptomatik
Additiv Diuretika
(bei peripheren Ödemen)
Bei spezifischen Indikationen
ß-Blocker
+
Aldosteronantagonisten
+/-
Ivabradin, Digitalis
Isosorbid/Dihydralazin
(bei schwarzer Hautfarbe)
Orale Antikoagulantien
(bei Vorhofflimmern)
Sacubitril/Valsartan
statt ACE-Hemmer
(noch nicht in Leitlinie!)
Amlodipin, Felodipin
bei den Komorbiditäten therapierefraktäre
arterielle Hypertonie und/oder Angina pectoris
(nur diese beiden Arzneistoffe!!)
*ESC Leitlinie, European Heart Journal (2012) 33, 1787–1847
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Wirkungsmechanismus
Bei Herzinsuffizienz wird durch
die atriale Dehnung auch das
natriuretische Peptidsystem
aktiviert, welches aus den
natriuretische Peptiden ANP,
BNP und CNP besteht, die durch
die Serinprotease Corin aus den
Vorstufen freigesetzt werden.
Dieses wirkt der vermehrten
Aktivierung des Sympathikus
und des RAAS entgegen.
Sacubitril hemmt Neprilysin
und damit (u.a.) den Abbau der
natriuretischen Peptide und
stärkt somit dieses protektiv
wirksame endogene MediatorSystem.
Abb. modifiziert nach: McMurray JJV, NEJM 2010; 362:228-38
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Wirkungsmechanismus
Die Ratio zur Behandlung der Herzinsuffizienz den
Abbau der natriuretischen Peptide durch Neprilysin
zu hemmen beruht im Wesentlichen auf deren
kardiovaskulär protektiven Effekten.
Diese aus 22-32 Aminosäuren bestehenden
Peptide werden in Herz, Blutgefäßwand und Niere
durch erhöhten Druck und Überdehnung der
Herzvorhofwand vermehrt ausgeschüttet.
Auch der Sympathikus (durch ß-Adrenozeptoren),
Angiotensin II und Endothelin führen zur
Freisetzung der ANPs.
Die natriuretischen Peptide stimulieren die
partikuläre Guanylyl-Zyklase A, einen Membrangebundenen Rezeptor, zur Bildung von zyklischem
Guanosinmonophosphat (cGMP).
Kojda G. Herzinsuffizienz. Status Quo und der Neprilysin-Inhibitor Sacubitril. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):130-145
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Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Wirkungsmechanismus
Die biologischen Wirkungen der ANPs sind vielfältig
und umfassen:
•
•
•
•
•
•
•
•
Diurese
Natriurese
Hemmung der Freisetzung von Aldosteron
antihypertrophische Effekte
antifibrotische Effekte
Hemmung der Proliferation von glatten
Muskelzellen, Mesangiumzellen und Fibroblasten
Erhöhung der Permeabilität des Endothels
gegenüber Makromolekülen
Förderung der Angiogenese
Sie lassen sich daher als funktionelle Antagonisten
auffassen, die die neurohumorale Überaktivierung
bei Herzinsuffizienz reduzieren.
Kojda G. Herzinsuffizienz. Status Quo und der Neprilysin-Inhibitor Sacubitril. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):130-145
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Wirkungsmechanismus
Neprilysin (NEP), u.a. auch Endopeptidase-24.11 genannt,
ist eine 752 Aminosäuren (human) große membranständige
Zn++-haltige Metallopeptidase (Protease), die vor etwa 50
Jahren erstmals beschrieben wurde.
Sie wird vor allem in der Niere, aber auch in vielen anderen
Geweben stark exprimiert. Hierzu zählen beispielsweise
Prostata, Hoden, Darm, Lunge und Lymphknoten. NEP lasst
sich ebenfalls in nahezu allen Geweben des kardiovaskulären
Systems nachweisen.
Auch in Neuronen, Gliazellen verschiedener Gebieten des
zentralen Nervensystems, beispielsweise Nucleus
accumbens, Plexus choroideus, Substantia nigra, Tuberculum
olfactorium, Putamen oder der Substantia gelatinosa des
Rückenmarks, wird NEP stark exprimiert.
Bändermodell nach PDB 1R1H
Der ubiquitären Verteilung der NEP in den Körpergeweben
entspricht die Substrat-Promiskuität dieser unspezifischen
Protease.
https://de.wikipedia.org/wiki/Neprilysin
Kojda G. Herzinsuffizienz. Status Quo und der Neprilysin-Inhibitor Sacubitril. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):130-145
Kostenfrei unter: http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Fortbildungsartikel.html
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Wirkungsmechanismus
Als wichtigste Substrate im Hinblick auf die kardiovaskuläre
Physiologie gelten die natriuretischen Peptide ANP, BNP, CNP
und Urodilatin.
Zu weiteren Substraten der NEP gehören u.a.
Angiotensin I, Angiotensin II,
Endothelin-1 (ET-1),
Gastrin, Adrenomedullin,
Neurotensin, Somatostatin, Corticotropin,
Endorphine, Enkephaline,
Substanz P,
Amyloid-β-Protein und Kinine einschließlich
Bradykinin (cave Angioödeme!).
Dementsprechend ist nicht überraschend, dass eine
molekularbiologische oder pharmakologische Manipulation der
NEP zu verschiedenen Wirkungen im Organismus führt (siehe
Nebenwirkungen).
Bändermodell nach PDB 1R1H
https://de.wikipedia.org/wiki/Neprilysin
Kojda G. Herzinsuffizienz. Status Quo und der Neprilysin-Inhibitor Sacubitril. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):130-145
Kostenfrei unter: http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Fortbildungsartikel.html
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Wirkungsmechanismus
Neprilysin baut ebenfalls Angiotensin I
(Ang I) und Angiotensin II (Ang II) ab,
weshalb deren Plasmaspiegel ansteigen.
Durch die die gleichzeitige Gabe von
Valsartan wird eine verstärkte und
unerwünschte Stimulation des AT1Rezeptors vermieden.
Valsartan hemmt jedoch auch die
negative Rückkopplung auf die
Ausschüttung von Renin aus dem
juxtaglomerulären Apparat, weshalb
auch dieser Arzneistoff einen Anstieg
der Plasmaspiegel von Angiotensin I
und II bewirkt.
Möglicherweise trägt daher eine
vermehrte Stimulation des AT2Rezeptors (mehr Ang II, AT1 blockiert)
zu den Effekten der Arzneistoffkombination bei.
Signalkaskade: der AT1-Rezeptor ist Gq gekoppelt.
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Die PARADIGM-HF Studie
Enalapril 2x10mg/die
für 15 Tage (Median)
n=10.513
Studienabbruch n=1.102
Sacubitril/Valsartan
bis 2x200 mg/die
für 29 Tage (Median)
n=9.419
Studienabbruch n=977
randomisiert
n=8.442
Studienausschluss n=43
Enalapril
2x10mg/die
n=4.187
Sacubitril/Valsartan
2x200 mg/die
n=4.212
Studien- und Patientencharakteristika
multizentrisch, doppelblind, randomisiert
(1:1), kontrolliert, 78 % Männer, primärer
zusammengesetzter Endpunkt war
kardiovaskulärer Tod und Hospitalisierung
wegen Herzinsuffizienz
Patienten mit Herzinsuffizienz (NYHA II-IV,
davon ca. 94 % NYHA II-III) und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion
(Ejektionsfraktion erst <40 %, später nach
Änderung des Studienprotokolls <35 %)
sowie einer BNP Plasmakonzentration
von >150 pg/ml (>100pg/ml bei
Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz in
den letzten 12 Monaten).
Herzinsuffizienz-Medikation der
Patienten
ß-Blocker: 93 %
Diuretika: 80 %
Aldosteronrezeptorblocker: 56 %
Digitalis: 30 %
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Die PARADIGM-HF Studie
Enalapril 2x10mg/die
für 15 Tage (Median)
n=10.513
Studienabbruch n=1.102
Sacubitril/Valsartan
bis 2x200 mg/die
für 29 Tage (Median)
n=9.419
Studienabbruch n=977
randomisiert
n=8.442
Studienausschluss n=43
Enalapril
2x10mg/die
n=4.187
Sacubitril/Valsartan
2x200 mg/die
n=4.212
Vor der eigentlichen Randomisierung
erfolgte eine schrittweise Selektion der
ursprünglich 10.513 Patienten.
Dabei erhielten die Patienten in der ersten
Phase im Mittel für 15 Tage (14-21 Tage)
Enalapril. Bereits in dieser Phase
beendeten 1.102 Patienten die Studie,
hauptsächlich wegen nicht akzeptabler
Nebenwirkungen (591 Patienten).
Gleiches galt für die zweite Phase vor der
Randomisierung, während welcher die
verbleibenden 9.419 Patienten im Mittel für
29 Tage (26-35 Tage) Sacubitril/Valsartan
erhielten. Auch während dieser Phase
beendeten 977 Patienten überwiegend
wegen nicht akzeptabler Nebenwirkungen
(547 Patienten) die Studie.
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Die PARADIGM-HF Studie
Enalapril 2x10mg/die
für 15 Tage (Median)
n=10.513
Studienabbruch n=1.102
Sacubitril/Valsartan
bis 2x200 mg/die
für 29 Tage (Median)
n=9.419
Studienabbruch n=977
randomisiert
n=8.442
Studienausschluss n=43
Enalapril
2x10mg/die
n=4.187
Sacubitril/Valsartan
2x200 mg/die
n=4.212
Nicht akzeptable Nebenwirkungen bei 591
Patienten in der initialen Enalapril-Phase:
Störungen der Nierenfunktion (n=181)
Hyperkaliämie (n=174)
Hypotonie (n=146)
Husten (n=49)
Angioödem (n=15)
Nicht akzeptable Nebenwirkungen bei 547
Patienten in der initialen Sacubitril/ValsartanPhase:
Störungen der Nierenfunktion (n=174)
Hypotonie (n=164)
Hyperkaliämie (n=125)
Husten (n=15)
Angioödem (n=10)
aus: EPAR Entresto®
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Klinische Effektivität
(primärer Endpunkt)
Die PARADIGM-HF Studie wurde
wegen der Überlegenheit von
Sacubitril/Valsartan gegenüber
Enalapril vorzeitig beendet.
Das relative Risiko den primären
Endpunkt kardiovaskulärer Tod
oder Hospitalisierung wegen
Herzinsuffizienz zu erreichen war
unter Sacubitril/Valsartan 20 %
geringer als unter Enalapril.
Einer später publizierten Kalkulation
zufolge steigt bei Patienten durch die
Behandlung mit Sacubitril/Valsartan
im Vergleich zu Enalapril die mittlere
Überlebenszeit um 1,3-1,4 Jahre.
(N Engl J Med 2015;2289-2290)
Abb. modifiziert nach McMurray et al., N Engl J Med 2014; 371:993-1004
LCZ696=Sacubitril/Valsartan
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Klinische Effektivität
(sekundäre Endpunkte)
Das relative Risiko den
sekundären Endpunkt Tod jeder
Ursache zu erreichen war unter
Sacubitril/Valsartan 16 %
geringer als unter Enalapril
(siehe Abb.).
Das relative Risiko den
sekundären Endpunkt
kardiovaskulärer Tod zu
erreichen war unter
Sacubitril/Valsartan 20 %
geringer (P<0,001) als unter
Enalapril.
Abb. modifiziert nach McMurray et al., N Engl J Med 2014; 371:993-1004
Das relative Risiko den
sekundären Endpunkt
Hospitalisierung wegen
Herzinsuffizienz zu erreichen
war unter Sacubitril/Valsartan
21 % geringer (P<0,001) als
unter Enalapril.
LCZ696=Sacubitril/Valsartan
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Nebenwirkungen
„Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen während der Behandlung mit
Sacubitril/Valsartan waren Hypotonie, Hyperkaliämie und Nierenfunktionsstörungen. Angioödeme wurden bei Patienten, die mit Sacubitril/Valsartan
behandelt wurden, berichtet. “.
Sehr häufige unerwünschte Wirkungen (> 10%):
- Hypotonie
- Nierenfunktionsstörung
- Hyperkaliämie
Häufige unerwünschte Wirkungen (> 1% und < 10%):
- Anämie
- Hypokaliämie, Hypoglykämie
- Schwindel, Kopfschmerzen, Synkope
- Vertigo
- Orthostatische Hypotonie
- Husten
- Diarrhö, Übelkeit, Gastritis
- Nierenversagen (Nierenversagen, akutes Nierenversagen)
- Ermüdung, Asthenie
ABDA-Datenbank, Fachinformation
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Häufigkeit von Angioödemen im Vergleich
Angioödeme unter Enalapril in der PARADIGM-HF Studie traten mit einer Häufigkeit
von 0,2 % auf (10 Fälle bei 4.187 Patienten), während die Häufigkeit unter
Sacubitril/Valsartan 0,5 % betrug (19 Fälle bei 4.212 Patienten). Dieser Unterschied
war nicht signifikant.
In einer Analyse des Enalapril-Arms der OCTAVE Studie (n=12.557, Arch Intern Med.
2005;165:1637-1642) traten Angioödeme mit einer Häufigkeit von 0,68 % und damit
mehr als 3-fach häufiger auf.
Es wäre somit möglich, dass die vergleichsweise geringe Häufigkeit von Angioödemen in
der PARADIGM-HF Studie mit der der strikten Vorauswahl der Studienpopulation
hinsichtlich der Verträglichkeit zusammenhängt.
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Fallbeispiel Angioödem unter Enalapril
Eine Seniorin unterzog sich einer Hammerzeh-Operation.
Ihre Hypertonie war mit Enabeta® eingestellt.
Die Patientin überstand die Narkose gut, war postoperativ
kreislaufstabil und schmerzfrei. Drei Stunden später klagte
sie über eine geschwollene Zunge und bekam sofort
Antihistaminika und Solu Decortin. Die Ärzte verlegten
sie zur Beobachtung auf die Intensivstation. Trotz
intravenöser antiallergischer Therapie verschlimmerte sich
die Luftnot rasch, sodass sie präventiv orotracheal intubiert
und für 24 Stunden analgosediert und kontrolliert beatmet
wurde. Es dauerte 24 Stunden, bis sich das massive
angioneurotische Ödem zurückgebildet hatte.
Im Lauf des dreitägigen stationären Aufenthalts berichtete
die Patientin, dass sie vor etwa zwei Monaten schon einmal
eine ähnliche Schwellung der Zunge erlebt habe, die sich
allerdings nach drei Stunden spontan zurückgebildet habe.
aus: Both C, Bas M, Wendland R, Kojda G, Pharmazeutische Zeitung 34, 2011, siehe auch Bescheibung im FORTE-PHARM:
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/SerieApothekenpraxis.html
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Mechanismus Arzneimittel-induzierter Angioödeme
Durch ACE-Hemmer akkumuliert Bradykinin. Bradykinin aktiviert B2-Rezeptoren. Die Stimulation
von B2 führt zu einer erhöhten Permeabilität. Icatibant ist ein selektiver B2-Blocker, der zur
Behandlung des hereditären Angioödems seit 2008 zugelassen ist.
Icatibant
Abb. aus: Bas M, Greve J, Strassen U, Khosravani F, Hoffmann TK, Kojda G. Allergy. 2015 Oct;70(10):1196-200
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Erste evidenzbasierte Therapie bei ACE-Hemmer induziertem
Angioödem (bislang keine Zulassung!)
AMACE Studie, N Engl J Med 2015; 372:418-425
http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1312524
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Risiko der Entwicklung einer Alzheimer Demenz
Neprilysin trägt auch zur Proteolyse der Amyloid-β-Proteine bei. Bei transgenen Mäusen
mit Neprilysin-Defizienz steigt der Gehalt der Amyloid-β-Proteine Aß40 und Aß42 im
Gehirn deutlich an, ein Effekt der in ACE-defizienten Mäusen nicht beobachtet wurde.
Bei Langschwanzmakaken wurden nach 2 Wochen Behandlung mit Sacubitril/Valsartan
eine reduzierte proteolytische Klärung der Aß Isoformen 37, 38, 40 und 42, jedoch auch
nach 39 Wochen keine Amyloid-Plaques beobachtet (EPAR Entresto®).
Dennoch wäre denkbar, dass eine längerfristige Hemmung von Neprilysin durch
Sacubitril beim Menschen die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz fördern könnte.
Dieses potentielle Risiko eine Alzheimer-Demenz zu entwickeln muss trotz der
„wackeligen“ Evidenz einer Beteiligung von Aß42 bei der häufigen sporadischen Form
der Erkrankung weiter beobachtet werden.
Demensprechend werden laut Zulassungsauflagen in der noch laufenden PARAGON-HFStudie, (Vergleich von Sacubitril/Valsartan mit Valsartan bei Patienten mit erhaltener
Ejektionsfraktion) serielle kognitive Funktionstests durchgeführt (ClinicalTrials.gov
Nummer, NCT01920711).
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Kontraindikationen
-
Überempfindlichkeit gegen einen der Wirkstoffe oder einen der sonstigen
Bestandteile
-
gleichzeitige Anwendung von ACE-Hemmern, Sacubitril/Valsartan darf erst 36
Stunden nach Absetzen einer Therapie mit ACE-Hemmern gegeben werden.
-
anamnestisch bekanntes Angioödem im Zusammenhang mit einer früheren ACEHemmer- oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker-Therapie
-
hereditäres oder idiopathisches Angioödem
-
gleichzeitiger Anwendung mit Aliskiren-haltigen Arzneimitteln bei Patienten mit
Diabetes mellitus oder bei Patienten mit Nierenfunktionsstörung (eGFR < 60
ml/min/1,73 qm)
-
schwerer Leberinsuffizienz, biliäre Zirrhose oder Cholestase
-
2. und 3. Trimenon der Schwangerschaft
ABDA-Datenbank, Fachinformation
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Warnhinweise
Blutdruck
keine Behandlung, wenn systolischer Blutdruck (SBP) nicht >100 mmHg (keine
Erfahrung), über Fälle von symptomatischer Hypotonie wurde berichtet, insbesondere
bei Lebensalter >65 Jahren, Nierenfunktionsstörung und SBP <112 mmHg, eine
symptomatische Hypotonie ist wahrscheinlicher bei Volumenmangel, z. B. durch
Diuretikatherapie, salzarme Ernährung, Durchfall oder Erbrechen
Nierenfunktion
sehr begrenzte klinische Erfahrungswerte bei Patienten mit schwerer Störung der
Nierenfunktion (geschätzte GFR <30 ml/min/1,73 qm), Sacubitril/Valsartan kann die
Nierenfunktion vermindern, das Risiko steigt bei Dehydrierung oder gleichzeitiger
Anwendung nicht steroidaler Antirheumatika (NSARs), bei klinisch bedeutsame
Abnahme der Nierenfunktion schrittweise Dosisreduktion in Betracht ziehen, Vorsicht
bei Nierenarterienstenose
Kaliumspiegel
keine Behandlung bei Serum-Kaliumspiegel >5,4 mmol/l, Sacubitril/Valsartan kann mit
erhöhtem Risiko für eine Hyperkaliämie einhergehen, Hypokaliämie auch möglich
Angioödem
Patienten mit Angioödemen in der Vorgeschichte wurden nicht untersucht (siehe
Kontraindikationen)
ABDA-Datenbank, Fachinformation
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Warnhinweise
Leberfunktionsstörung
nur begrenzte klinische Erfahrungswerte bei Patienten mit mittelschwerer
Leberfunktionsstörung (Child-Pugh B, oder AST/ALT-Werten >Zweifachem der
Obergrenze des Normalwertes)
Lebensalter <18 Jahre
Sicherheit und Wirksamkeit von Sacubitril/Valsartan nicht erwiesen (keine Daten)
Schwangerschaft
Anwendung während des ersten Schwangerschafts-Trimesters wird nicht empfohlen
keine Erfahrungen bei Schwangeren, tierexperimentelle Studien zeigten
Reproduktionstoxizität (Sacubitril), unverzüglicher Abbruch der Therapie bei Eintritt
einer Schwangerschaft
Stillzeit
Abwägung von Nutzen des Stillens und therapeutischem Nutzen (Nachweis von
Sacubitril und Valsartan in der Milch säugender Ratten)
Fertilität
keine Daten am Menschen, kein Einfluss in tierexperimentellen Studien
ABDA-Datenbank, Fachinformation
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Wechselwirkungen
Statine
Sacubitril hemmt die OATP1B1- und OATP1B3-Transporter und kann daher
die systemische Exposition von Statinen erhöhen, vorsichtige Anwendung
erforderlich
Sildenafil
Die zusätzliche Gabe einer Einzeldosis Sildenafil zu Sacubitril/Valsartan bei
Patienten mit Hypertonie führt zu einer deutlich stärkeren Blutdrucksenkung
als bei alleiniger Gabe von Sacubitril/Valsartan, vorsichtige Anwendung
erforderlich
Aldosteron-Rezeptor-Antagonisten
bei gleichzeitiger Anwendung mit Spironolacton oder Eplerenon ist eine
Überwachung des Kaliumspiegels empfohlen
nicht steroidale Antirheumatika (NSARs)
Sacubitril/Valsartan kann die Nierenfunktion vermindern, das Risiko steigt
bei gleichzeitiger Anwendung von NSARs
ABDA-Datenbank, Fachinformation
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
Sacubitril/Valsartan (Entresto®)
Fazit
Die Kombination Sacubitril/Valsartan stellt ein neues Wirkprinzip dar. Sacubitril hemmt den
Abbau von atrialen natriuretischen Peptiden, die der neurohumoralen Überaktivierung bei der
Herzinsuffizienz entgegenwirken. Sacubitril hemmt aber auch den Abbau von Bradykinin und
den Amyloid-ß-Proteinen wie Aß42. Bei Patienten mit symptomatischer chronischer
Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion führt die Behandlung mit Sacubitril/Valsartan
verglichen mit Enalapril zu einer signifikanten etwa 20 %igen Verminderung von Morbidität
und Mortalität .
Sehr häufige Nebenwirkungen sind Hypotonie (erhöhte Sturzgefahr), Hyperkaliämie (cave:
Herzrhythmusstörungen) und Nierenfunktionsstörungen. Das insgesamt geringe Risiko der
Entwicklung von Angioödemen (potentiell lebensbedrohlich) ist doppelt so hoch wie bei
Enalapril. Bislang unklar ist, ob die Hemmung des Abbaus von Amyloid-ß die Entwicklung einer
Alzheimer Demenz fördern könnte. Wegen der strikten Vorauswahl der Studienpopulation
hinsichtlich der Verträglichkeit ist zu erwarten, dass die Häufigkeit von Nebenwirkungen in der
ambulanten Versorgung höher ist als in der Zulassungsstudie*.
Für Patienten mit symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter
Ejektionsfraktion, die unter Leitlinien-gerechter Therapie mit ACE-Hemmern/Sartanen,
ß-Blockern und Aldosteronrezeptor-Antagonisten symptomatisch bleiben, ist der Ersatz von
ACE-Hemmern/Sartanen mit Sacubitril/Valsartan eine wertvolle und lebensverlängernde
Alternative. Die Therapie kostet unabhängig von der Dosierung 7,35 €/Tag.
*Fachinformation
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
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Neue Arzneimittel 2015 – Herz-Kreislauf Erkrankungen
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Hinweise
1) Die Bezeichnung Zusatznutzen bezieht sich auf das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG), wonach der G-BA eine Nutzenbewertung neu zugelassener
Arzneimittel nach § 35 a SGB V durchführt.
2) Die Informationen zu den Arzneimitteln sind verkürzt dargestellt. Ausführlichere
Informationen finden besonders interessierte Leser unter Weblink 1 und Weblink 2.
3) Eine vollständige Liste der im Jahr 2015 zugelassen Arzneistoffe mit Indikationen und
Zusatznutzen
bei
dieser
Indikation
ist
unter
folgendem
Link
erhältlich:
http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/fortbildungkoeln/index.html
Weblinks
1) wissenschaftliche Diskussion der Arzneistoffdaten einschließlich Nutzen-Risiko Einschätzung in den European
Public Assessment Reports (EPARs,) der Zulassungsbehörde European Medicinal Agency (EMA), verzeichnet
nach Handelsnamen, abgelegt unter Assessment History (nur in englischer Sprache)
http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/landing/epar_search.jsp&murl=menus/medicines/medicines.jsp&mid=WC0b01ac058001d125&jsenabled=true
2) Webseiten des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit einer Übersicht der Arzneimittel mit neuen
Wirkstoffen, für die der G-BA eine Nutzenbewertung nach § 35a SGB V durchführt oder bereits abgeschlossen
hat. Dort sind die Gutachten des IQWiG sowie die tragenden Gründe der Beschlüsse einsehbar.
http://www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/
Literatur
Zitate zu Leitlinien, Phase III-Studien und anderer verwendeter Literatur sind - soweit
nicht aufgeführt - auf Nachfrage beim Autor erhältlich
Impressum:
http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/impressum.html
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(2):66-90
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