Was gibt‘s Neues im Medikamentenschränkchen? Arzneimittel-Aktualitäten kritisch betrachtet Ärztekongress Arosa 2. April Alexandra Röllin Entresto® Entresto® – was stimmt? Entresto® ist ein Salzkomplex aus einem ACE-Hemmer, einem Neprilysin-Inhibitor, Na+ und Wasser Entresto® ist bei der Behandlung aller Personen mit systolischer oder diastolischer Herzinsuffizienz wirksam Angioödeme sind eine seltene, aber gefährliche Nebenwirkung von Entresto® Entresto® ist ein Salzkomplex aus einem ACEHemmer, einem Neprilysin-Inhibitor, Na+ und Wasser Sacubutril/Valsartan (Entresto®) …ist ein Salzkomplex aus: • 6 anionischen Sacubitril-Molekülen (Neprilysin-Hemmer) • 6 anionischen Valsartan-Molekülen (AT-II-Antagonist) • Natriumionen • Wassermolekülen Sacubutril • Hemmt Neprilysin - diese Substanz, welche auch als neurale Endopepdidase (NEP) bezeichnet wird, spielt eine Rolle beim Abbau von natriuretischen Peptiden, Bradykinin, aber auch anderen Substraten wie beispielsweise Beta-Amyloid im menschlichen Gehirn • Ist ein Prodrug • Als Einzelsubstanz kaum Wirkung auf den Blutdruck Valsartan • Als Monosubstanz altbekannt (Diovan® u.a.) • AT-II-Antagonist: führt durch die Hemmung der kardiovaskulären und renalen Wirkungen von Angiontensin zur einer Senkung von Blutdruck und Nachlast für den linken Ventrikel • Gemäss Herstellerangaben entsprechen 103 mg Valsartan in der Kombination etwas 160 mg Valsartan in einem Monopräparat (Bioverfügbarkeit) Sacubutril/Valsartan (Entresto®) Diese neuartige Kombination… … wird auch als ARNI «angiotensin receptor neprilysin inhibitor» bezeichnet Entresto® ist bei der Behandlung aller Personen mit systolischer oder diastolischer Herzinsuffizienz wirksam Indikation gemäss Arzneimittelkompendium: Entresto® ist indiziert zur Reduktion des Risikos der kardiovaskulären Mortalität und Morbidität bei erwachsenen Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse II-IV, LVEF ≤40%). Entresto® wird in geeigneter Kombination mit anderen Therapien für Herzinsuffizienz (z.B. Betablocker, Diuretika und Mineralkortikoidantagonisten) anstelle eines ACE-Hemmers oder eines AT-II-Antagonisten verabreicht. PARADIGM-HF-Studie • Randomisierte Vergleichstudie von Sacubitril/Valsartan mit 2x 10 mg Enalapril (Reniten u.a.) • 8442 erwachsene Personen, NYHA II-IV, verminderte LVEF (zuerst ≤40%, später ≤35%) • Studie nach 3. Interimsanalyse vorzeitig gestoppt • Nach einer medianen Studiendauer von 27 Monaten kardiovaskuläre Mortalität 13,3% (S/V) versus 16,5% (E) • Auch primärer Endpunkt (kardiovask. Mortalität plus Hospitalisation wg Herzinsuffizienz), Gesamtmortalität und Lebensqualität unter S/V signifikant besser Und bei diastolischer Herzinsuffizienz? • Nur in einer kleineren Phase-2-Studie geprüft • Grössere Studie mit klinischen Enpunkten (PARAGON-HF) noch am Laufen Angioödeme sind eine seltene, aber gefährliche Nebenwirkung von Entresto® Angioödeme unter Sacubutril/Valsartan • Selten, aber häufiger als unter Enalapril (0,5%) • Verursacht durch die Hemmung des BradykininAbbaus • Aus diesem Grund gleichzeitige Gabe mit ACEHemmer, anderem AT-II-Antagonisten oder direktem Renin-Hemmer kontraindiziert • Beim Wechsel von einem ACE auf S/V sollte eine Therapiepause von 36 Stunden eingehalten werden Häufige Nebenwirkungen Sacubutril/Valsartan • • • • Hypotonien 14% (>E) Hyperkaliämie Husten 11,3% (<E) Verschlechterung der Nierenfunktion 3,3% (<E) Allerdings: für PARADIGM-HF wurde nicht randomisiert, wer S/V oder E in einer Run-in-Phase nicht vertragen hat (knapp 1/5) Fehlende Langzeitdaten… • Alzheimer? Neprilysin ist in Abbau von BetaAmyloid im menschlichen Gehirn involviert • Tumorkrankheiten? Neprilysin ist auch in Tumorabwehr involviert, allerdings keine Karzinogenese im Tierversuch Fazit … sollen wir nun allen Herzinsuffizienten Sacubutril Valsartan verschreiben? Fazit: Sacubutril/Valsartan Interessante, vielversprechende Substanz, aber: • NW möglicherweise unterschätzt • Fehlende Langzeitdaten, wenig Erfahrung • Wirkung bei erhaltener linksventrikulärer Funktion? Vergleich mit Sartan? Mit höherer Dosis ACE-Hemmer? • Kosten Brimonidin (Mirvaso®) Brimonidin – was stimmt? Brimonidin wird auch in der Ophtalmologie verwendet und hat den gleichen Wirkmechanismus wie abschwellende Nasensprays Brimonidin wirkt gegen alle Formen der Rosazea Eine mögliche Nebenwirkung von Brimonidin stellt die Verstärkung der ursprünglichen Symptome da Brimonidin wird auch in der Ophtalmologie verwendet und hat den gleichen Wirkmechanismus wie abschwellende Nasensprays Wirkmechanismus Brimonidin • Alpha-2-Rezeptor-Agonist, wirkt gefässverengend • In CH auch zugelassen als Augentropfen zur Senkung der intra-okulären Drucks bei Offenwinkelglaukom • Shanler et al. Successful treatment of the erythema and flushing of rosacea using a topically applied selective alpha-1-adrenergic receptor agonist, oxymetazoline. Arch Dermatol 2007 Brimonidin wirkt gegen alle Formen der Rosazea Formen der Rosazea • • • • Erythemato-telangiektatische Rosazea Papulopustuläre Rosazea Phymatöse Rosazea (z.B. Rhinophym) Okuläre Rosazea Formen der Rosazea • • • • Erythemato-telangiektatische Rosazea Papulopustuläre Rosazea Phymatöse Rosazea (z.B. Rhinophym) Okuläre Rosazea Wirknachweis Brimonidin: • 2 Doppelblindstudien über 4 Wochen an 553 Personen mit mittel- bis schwergradigem Gesichtserythem • Keine anerkannte Messskala für Gesichterythem, «für diese Studie erfunden» • Einsetzen der Wirkung nach 30 min • Nach 3 h zeigen 25-32% eine relevante Besserung nach 12 h 21-23% (10% mit Placebo) Eine mögliche Nebenwirkung von Brimonidin stellt die Verstärkung der ursprünglichen Symptome da Nebenwirkungen Brimonidin • Lokale Reizung: Erythem, Pruritus, Brennen, Flushing, letzteres in 1-3% der Fälle • Bleicheffekt «Whitening» • Zwei Fallberichte zu Rebound-Erythem 12 h nach Applikation (und bis 12 h andauernd) Brimonidin: Rebound-Erythem Ilkovitch et al. JAAD Mai 2014 Fazit … ist Brimonidin (Mirvaso®) für uns Hausärzte überhaupt von Interesse Fazit: Brimonidin (Mirvaso®) • Topisch angewendet wsh harmlose Substanz, mit allerdings auch nur wenig überzeugender Wirkung • Im Einzelfall möglicherweise nützlich • Aber für das was es ist und kann, aus meiner Sicht zu teuer: 30 g kosten 70 CHF! Neues zu Inkretinmimetika Inkretinmimetika – was stimmt? Dulaglutid (Trulicity®) ist das zweite in der Schweiz erhältliche Inkretinmimetikum und muss 1x monatlich appliziert werden Nach einem Jahr Behandlung erreichen unter Dulaglutid ähnlich viele Behandelte ein HbA1c unter 7% wie unter Metformin Liraglutid (Victoza®) ist auch zur Gewichtsreduktion zugelassen Unter der Fixkombination Insulin-Degludec/Liraglutid (Xultophy®) sind Hypoglykämien seltener als unter Insulin-Degludec allein Dulaglutid (Trulicity®) ist das zweite in der Schweiz erhältliche Inkretinmimetikum und muss 1x monatlich appliziert werden In CH erhältliche Inkretinmimetika Liraglutid (Victoza) 1x tgl. s.c. (0,6-) 1,2 (-1,8) mg Exenatid (Byetta) Exenatid (Bydureon) 2x tgl. s.c. 5 (-10) mcg 1/Woche s.c. 2 mg Dulaglutid (Trulicity) 1/Woche s.c. 0,75 (-1,5) mg Zugelassen, aber noch nicht erhältlich: Albiglutid (Eperzan) 1/Woche s.c. 30 (-50) mg Nach einem Jahr Behandlung erreichen unter Dulaglutid ähnlich viele Behandelte ein HbA1c unter 7% wie unter Metformin AWARD-3: Dulaglutid vs Metformin Doppelblindstudie an 807 Personen über 52 Wochen AWARD-3: Auswirkung auf Körpergewicht Liraglutid (Victoza®) ist auch zur Gewichtsreduktion zugelassen Gewichtsreduktion unter Liraglutid • Davies MJ et al. Efficacy of liraglutide for weight loss among patients with type 2 diabetes: The SCALE diabetes randomized clinical trial. JAMA 2015 (in infomed screen 06/15) • Durchschnittlicher Gewichtsverlust nach 56 Wochen (Ausgangsgewicht rund 106 kg): P 2,2 kg L 1,8 mg 5,0kg L 3 mg 6,4 kg • Zulassung für diese Indikation nur in USA Nebenwirkungen der Inkretinmimetika • Sehr häufig: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Inappetenz, Bauchbeschwerden und Dyspepsie • Hypoglykämie, Verstärkung der Hypoglykämieneigung anderer Medikamente • Einzelfälle von Pankreatitis, Autoimmunerkrankungen (z.B. Autoimmunhepatitis) und allergischen Reaktionen • Noch unklar: Schilddrüsentumore? Pankreas-CA? Kardiovaskuläre Bedeutung der leichten Steigerung der Herzfrequenz? Unter der Fixkombination InsulinDegludec/Liraglutid (Xultophy®) sind Hypoglykämien seltener als unter InsulinDegludec allein Studien Dual I & II Liraglutid vs Insulin Degludec vs Kombination Hypoglykämien innerhalb von 26 Studienwochen Dual I: Dual II: nur L 7% nur I 39% 25% L& I 32% 24% Fazit … welchen Stellenwert haben Inkretinmimetika derzeit für uns Hausärztinnen und Hausärzte Fazit: Inkretinmimetika • Keine Erstlinienmedikamente • Die günstige Wirkung auf das Körpergewicht macht die Substanzen sicher interessant • In Hinblick auf HbA1c recht gut dokumentiert, aber noch immer keinerlei Daten zu Morbidität und Mortalität • wenig attraktiv: s.c.-Verabreichung, GIT-NW • Hinsichtlich seltenere Nebenwirkungen bestehen noch ein paar ungeklärte Bedenken