3oce,og

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1.06
3oce,og
Menschenmöglich, wie bleibt sie stabil, warum verändert sie sich?<'
lässt sich mit diesenAnsätzenallein nur schwerbeantworten.
Inzwischen gibt es eine Reihe von Versuchen,den Gegensatz
von
Makrotheorien (System)und Mikrotheorien (Handlung)aufzuzwischen
DieBtücke
undHandlungs' heben.Als Beispielwerden in l(apitel 2.5 die Ansätzevon Norbert
SystemElias und Pierre Bourdieu diskutiert. Vorher aber, im nächsten
theorien
Ikpitel, muss noch eine Entwicklung in der Soziologiedargestellt
werden, die manche neue Sichtweiseerbracht hat und gleichzeitig
auch noch einmal eine Entwicldung von makro- und mikrotheoretischenAnsätzenzu einem beidenRichtungenverbundenenVerständnis zeigt. Gemeint ist das Aufl<ommender Frauenforschung
in den 1970er Jahren und ihre Veränderung zur Geschlechterforschung.
GrundüberErläutern Sieam Beispieldes Gefangenen-Dilemmas
auch darüdabei
Denken
Sie
Rational-Choice-Theorie.
legungen der
GefangenSie
einer
der
wären
ber nach, wie Siesich verhalten würden,
anstellen.
en. BeschreibenSiedie (rationalen?)Kalktile, die Siedabei
Erläutern Sieden Interaktionsprozess,indem Siedie BegriffeI, Me
und Selfzueinanderin Beziehungsetzen.
Diskutieren Sie die Reichweite der Forschungsansätzevon Erving
Goffiaan.
Fr auenundGes c hl ec hter for s c hung
:.:ii
Konstruk'
Luckmann
Diegesellschaftliche
vonPeter
L.Berger
undThomas
Schrift
Dieklassische
elschienen.
inder20.Auflage
gibtesalsTaschenbuth,2004
tionderWirklkhkeit
gleithnamige
vonPaulB.Hill
seiaufdas
Buch
in dieRational-Choice-Theorie
ZurEinführung
2001.
Bielefeld
hingewiesen,
istderAufsatz
mitderRational-Choice-Theorie
füreinekritische
Auseinandersetzung
EinBeispiel
5oziale
Apotheose
in derZeitschrift
undihretheoretische
vonMaxMiller:tllbogenmentalität
Heftll \994,5.5-L5.
Welt.
dieses
seineben
deninderEinleitung
Handlungstheorien
übersoziologische
ZurInformation
in rorioEinführung
vonAnnetteTreibel:
unddemBuch
Nachschlagewerken
genannten
Buches
sozialwisEtzrodt:
2oo4(6.Aufl.),auchaufchristian
0pladen
derGegenwart,
logische
Theorien
Konstanz
200J,hingewiesen.
Handlungstheorien,
senschaftliche
imAlltaglie$ in derro.AufTheater:
DieSelbstdarstellung
Wirallespielen
Erving
Coffmans
lagevor.
l '-t' r t
|
Die theoretischenRichtungen,die in den beiden letzten IGpiteln
behandeltworden sind - Systemtheorienund Handlungstheorien-,
haben sich über einen langen Zeitraum entwickelt,jedenfalls fast
über die gesamteZeit seit der Entstehungder Soziologie.Seit dem
späten 19. Jahrhundert sind diese beiden Positionen vorhanden
gewesen,wenn auch noch nicht dezidiert als fuchtungen ausgearbeitet. Es ist in den beiden vorangegangenenIGpiteln darauf hingewiesenworden, dass die Formulierung von Max Weber >Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft,weiche sozialesHandeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erldären will< sowohl in die systemtheoretische
als auch in die handlungstheoretischePerspektivemünden kann.
Die Forschungsrichtung,die mit >Frauen-und Geschlechterforschung<überschriebenist, ist dagegenrelativ neu. Es gibt sie ei
Eine
neue
gentlich erst seit den fri.ihen 1970erJahren.Das mag vielleicht über- Fotschungsrichtung
raschen,denn es ist bekannt, dass es eine Frauenbewegungmit
ihren auf Gleichberechtigungvon Mann und Frau drängenden
Kräften seit der Aufldärung, d.h. seit dem späten 18. Jahrhundert
gegebenhat. Wenn also in diesem IGpitel eine neue, innovative
Richtung der Soziologiein ihren Grundzügenerldärt werden soll,
dann ist es notwendig, die Vorgeschichteder Frauenbewegung
kurz darzustellen.
Kurzer Überblick über die Geschichte der Frauenbewegung
i.t'].
r07
rDie Frau ist flei geboren und bleibt dem Mann gleich in allen Rechten<.DieseThese,die Olympe de Gouges1791während der FranzösischenRevolution formulierte, ist das Grundthema der Frauenbewegungseit jener Zeit. Olympe de Gougeshat sie jedoch nicht
lange überlebt, sie wurde 1793 auf der Guilotine geköpft. Ihapp
zweihundertJahre später ergab eine Studie der Zeitschrift Brigitte
flir das Jahr 1988 folgende Zahlen: 95 % voll erwerbstätig, 60 %
nicht erwerbstätig. Die erste Zahl betrifft die Männer und die zweite
Zahl betrift die Frauen.Zwar gibt es den Satzvon O\.'rnpede Gouges
in veränderter Form auch im Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland,aberes kann noch keine Rededavon sein,dassFrauen
die gleichen Rechtehabenwie Männer. Frauen sind nach wie vor gesellschaftlichbenachteiligtund müssenflir ihre Positionenkämpfen.
I z.+.t
108
109
l
Das war seit der Aufldärung so, und das gilt auch ftir die bürgerliche Variante der Frauenbewegungum die Frauenrechtlerin
Konzept
Louise Otto-Peters,die ein humanistisch-aufldärerisches
vertrat. Sie forderte im Zusammenhang mit den Freiheitsbewegungen des 19.Jahrhundertsauch Freiheitfiir Frauen.GegenEnde
des 19.bzw. im füihen 20.Jahrhundertgibt es dann eine sehr stark
Richtung.Die proletarische
ausgeprägtemarxistisch-sozialistische
Frauenbewegung,vertreten durch Frauen wie Clara Zetkin, hat von
Anfang an Iilr die Abschaffirng der kapitalistischen Gesellschaftsordnung als Quelleder Unterdnickung der Menschheitund damit
auch der Frauengekämpft.In der gesamtenmarxistischenDebatte
war die Frauenfiageimmer eine sekundäre,ein so genannter Nebenwiderspruch.Völlige Emanzipation der Frauen ist frir diesen
Ansatz erst nach Erreichen einer veränderten Gesellschaftsordnung, aiso etwa mit der Diktatur des Proletariatesoder wenigstens
in einer sozialistischenGesellschaftmöglich.
Nach dem 1. Weltkrieg, nach dem Scheitern der kommunistischen Revolution 1918/19und der Ermordung von Rosa Luxemburg und IGrl Liebknecht gab es dann im Wesentlichen nur die
bürgerliche Frauenbewegung,die mit einem Gleichberechtigungskonzept flir die Verbesserungder Lage der Frauen stritt. Vor allen
Dingen der organisierten bürgerlichen Frauenbewegunggeht es in
Höhere
Schulbildung den 1920er Jahren um eine bessereSchulbildung fhr Mädchen,
fürMädchen
insbesonderedurch die Einflihrung von Realschulenfrir Mädchen.
HeleneLangewar eine VerfechterindiesesI(onzeptes-Fastinjeder
größeren Stadtgibt es eine Schule,die nach ihr benannt ist.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialistenwurden die
verschiedenenFrauenbewegungenzunächst gleichgeschaltetund wenn sie das Mütterideal nicht in vollem Umfang auf ihre Fahnen
geschriebenhatten - auch verboten. Mütterlichkeit, die Frau als
Lebensbornder arischenRasse,stand im Mittelpunkt der Ideologie
des Dritten Reiches.SobekamenFrauen,die sechsKinder zur Welt
brachten,das Mutterkreuz in Gold.
'> t't l
Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg
ln der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gab es vor allem in der
BundesrepublikDeutschlandzwei verschiedenePhasen.Die erste
Phasewar davon geprägt,dassviele Ehemännerlange Zeit von zu
Hauseabwesendwaren und erst im I(riee und dann in der Gefangen-
schaft gelitten hatten. Viele Eheleute, die während des Iftieges
geheiratet hatten, waren nur wenige Tagezusammen gewesenund
kannten sich kaum. Die Rückkehr dieser Männer in die Familien
war mit großen Schwierigkeitenund Problemenverbunden.
Einerseitshatten sich die Frauen in bestimmter Weise emanzipiert, denn sie hatten zur Mutterrolle auch noch die des pater
familias übernehmen müssen.der firr das materielle Wohl der Familie verantwortlich ist. Auch mussten sie bei den Aufräumarbeiten und dem Wiederaufbauder Produktion einen Teil der Männer ersetzen,wie übrigens auch schon bei der Waffenproduktion
in den letzten Iftiegsjahren.Die in der Literatur und in der Presse
gelegentlichthematisierten >Trümmerfiauen<waren jene Frauen,
die zu einem großen Teil nicht nur die Familien über Wasser
hielten, sondern auch halfen, die Wirtschaft wieder anzulcurbeln.
Zweitenshatten sich die Menschenauch in ihrem Außeren,d.h.
in ihrer physischen und psychischenGesundheit verandert. Die
Itiegs- und Nachkriegsjahrewaren an den Frauen nicht spurlos
vorübergegangen. Sie hatten wenig Muße und Geld für l(örperpflege, die Männer waren in der Ifuiegsgefangenschaftüber lange
Jahre durch Zwangsarbeit und schlechte Ernährung ausgemergelt.
Wer sich z.B. die Bilder der Kriegsgefangenenansieht, die 1955
nach dem BesuchKonradAdenauersin Moskauals Letzteaus RussIand zurücld<amen,sieht dort ausgemergelte,scheinbarsehr alte
Männer, die doch alle noch keine vierzig, viele noch keine dreißig
Jahrealt waren.
Die aus dem Itieg bzw. aus der Iftiegsgefangenschaftzurückgekehrten Männer konnten aus gesundheitlichen Gründen oft
nicht arbeiten.Sie fanden zunächst auch keinen Arbeitsplatz.Die
Belastungenin den Ehen waren groß. Erst gegen Mitte der 50er
Jahre, und damit beginnt dann die zweite Phasein der Bundesrepublik, begannensich die Verhältnissezu normalisieren.Es gab
wieder genügend Arbeitsplätze.Die Männer wurden wieder die
Alleinverdiener und nach und nach fanden die Familien zu den
alten, patriarchalischenStrukturen zurück: Der Vater ist berufs- Die,Trümmerfrauenu
tätig und verdient das Einkommen, die Ehefraukümmert sich um Zurück
zuHeim
und
I(üche und Kinder.
Herd
In dieser Zeit kommt es dann zu einem Wiederaufleben der
und zu erstenAnsätzen,dasPostulat
Gleichberechtigungsdebatten
>Männer
und
Frauensind gleich<zu realisieren.
desGrundgesetzes
Sowurde etwa 1957dasBürgeriicheGesetzbuchqeändert.Bisdahin
r10
TI1
1l
)
l
d.h.siekonnten
hatten Ehefrauennur die so genannteSchlüsselgewalt,
nur Geld ausgebenund Kleinswerträgeabschließen,wenn es die
Haushaltsfrihrung betraf. AIle anderen Verträge konnte allein der
Ehemann unterschreiben.Er entschied auch z.B.über die Berufswege oder die Schulausbildung,die die Kinder einschlagensollten.
^__l
7-.4.3
| Frauenin der >68erBewegung<
Anfang der 1960erJahrepräsentiert sich die Gesellschaftder BundesrepublikDeutschlanddann als eine sehr wohlhabende,in der
langsam all das nachgeholtwird, was die Kriegs-und Nachkriegsjahre den Menschenweggenommenund vorenthaltenhatten.Aber
dann kommt es zu dem, was heute die 68er-Bewegungheißt. Das
war nun kein schlagartigesEreignis,das von einem Jahr auf das
andere auftrat, sondern es deutete sich schon über die ganzen
1960erJahrehinweg an. Bereitsin den 1950erJahrengab es erste
Ansätze, die sich später radikalisierten. Nach und nach wurden
DieuAdenauer-Republik.
immer öfter die Grundlagen der bundesrepublikanischenAdewirdin Fragegedellt
nauer-Republikin Fragegestellt.
Schon in der ersten Hälfte der 60er Jahre gab es in Westdeutschland,besondersan den Universitäten,kritische Debatten
in
über den Zustand der Gesellschaft,die sich vor aiiem am VietnamKritische
Debatten
jahren
Iftieg entzündeten.Aber auch die Rolle der Eltern, insbesondere
den1960er
der Väter. im Dritten Reich wurde aus Anlass der Auschwitz-Prozessethematisiert. Die große Koalition und die dann entstehende
AußerparlamentarischeOpposition sind weitere Meilensteineauf
dem Weg hin zu dem, was dann 1967168zu der so genannten
>Studentenrevolte<führte, was im heutigen Jargon mit dem Kürzel
>die 68er< genannt wird. Diese Phase des Umbruchs fuhrte zu
vielen Veränderungenund Reformen in der Gesellschaftund auf
eine etwas indirekte Weise zur Innovation der Frauen-/Geschlechterforschungin der Soziologie.
Trotz der langen Geschichteder Frauenbewegunghatten Frauen
und insbesondereFrauenforschungund Frauenfragenzwar in der
Gesellschafteine bestimmte Rolle gespielt,jedoch nicht in den
Wissenschaftenund schon gar nicht an den Universitäten.Es gab
zwar die Fragenach der Gleichberechtigungder Frauen, die insbesonderedurch die steigendeAnzahl von Studentinnennach der
Bildungsreformder fri.ihen 1960erJahreeinen gewissenAusgleich
fand, aber es gab noch kein radikal-feministischesKonzept. An
dieser Stelle muss dem Eindruck entgegengetretenwerden, die
Enfwicklungen in den 1960er Jahren seien eine ausschließlich
deutscheAngelegenheitgewesen.Es gab spezifischdeutscheumstände (die Nachkriegszeitzum Beispiel),aber die Fragenach der
Rolle der Frauen wurde in allen westlichen Demokratien gestellt Ein
internationaler
Trend
und flihrte auch an Universitäten in diesen Ländern zu ent_
sprechendenKonflikten und I(onzepten.Die Gleichheitspostulate
der verfassungen ließen sich mit der erlebten Differenz nicht
länger in Einklang bringen. Dieseproblematik entstand zuerst und
am konsequentestenin den Bürgerrechtsbewegungen
in den USA,
sprang aber bald nach Westeuropaüber.
Eine Initialzündung zu den weiteren Entwicklungenin Deutschland waren l(onflikte in den Führungsgremiendes Sozialistischen
DeutschenStudentenbundes(SDS).
Rudi Dutschkeund die anderen
Anfiihrer des SDSwaren der öffent.lichkeitsehr bekannt, aber im
SDSarbeitetenauch Frauenmit. DieseFrauenbegannensich 196g
zu liagen, warum eigentlich immer nur die Männer redeten und Warumeigentlichimmer
nicht auch einmal die Frauen.Auf einem SDS-I(ongress
im Novem- nurdieMänner?
ber 1968 kam es dann zu einer Auseinandersetzungzwischen
Männern und Frauenim SDS.
Es ist kein Zufall, dassder I(onflikt in den Führungsgremien des
SDSausbrach, weil hier die Diskrepanz zwischen intellektuellpräziserAnalysedesGesamtzusammenhanges
und dem konkreten
Verhalten der im Wesentlichen aus Männern bestehendenFührungskollektivedie Problematik besondersdeutlich werden ließ.
Hier hat die feministische I.-rauenbewegungder 70er und 80er
Jahreeinen ihrer Anfänge.Zunächstbildete sich ein A-ldionsratzur
Befieiung der Frauen innerhalb des SDS, der bei der Bundesdelegiertenkonferenz1968 dann erstmals auftrat. Hier wurden an
den Verhältnissenim SDSund an dem Verhalten der fiihrenden
Genossengegenüber Frauen heftige lftitik geübt und vor allem
auch darauf hingewiesen,dassdie männlichen Führungsgremien
trotz der von ihnen immer behauptetenprogressivitätüberhaupt
nicht erkannt hatten, dass die Organisation der Frauen bereits
einen Umfang erreicht hatte, der sie zu Jubelschreienverleitet
hätte, wenn es sich um Arbeiter gehandelthätte.
Diesem ersten Auftritt des Aktionsrates folgte dann die Grundung des sogenanntenWeiberrates,der bereitseinen Monat später DerrWeiberratr:
im November 1968 bei einer Bundesdelegiertenkonferenz
in Han- radikal-feministische
nover ein an aggressiverIfuitik kaum noch zu überbietendesFlug- Forderungen
112
11?
DieAktiongegen
den$ 218
2 . 4 . 4|
DieuFtauenfrageu
eneichtdieHochschulen
blatt verteilte. Das Flugblatt bestand zum Teil aus einer zeichnerischenDarstellungabgehackterGenitalien,die wie Rehgehörne
als Trophäen an der Wand hingen. Darunter eine Frau mit einem
großen Beil als Scharflichterin.Den einzelnenGenitalienwaren die
Namen der führenden SDS-Funktionärezugeordnet.Der Text des
Flugblattes,der unter dem Motto stand; >Befreitdie sozialistischen
Eminenzenvon ihren bürgerlichen Schwänzen<beldagtedie väterliche Betulichkeit und das sozialistischeSchulterldopfen,wehrte
sich vehement gegen die männliche Unterdrückung und stellte
zum Schlussfest:Frauensind anders.
Und unter diesem Motto ging die Entwicldung sehr schnell voran. Es wurde zum ersten Mai das Verhältnis von Privatlebenund
Gesellschaftanalysiert. Es galt, die Unterdrüclcung im Privatleben
nicht als private zu begreifen, sondern als politisch-ökonomisch
bedingte.Hier ziehen nun die Frauen im SDSund sehr bald viele
mehr die l(onsequenzenaus dem, was sie bei TheodorW. Adorno,
Max Horlcheimer und Erich Fromm über Autoritat und Familie
gelesenhatten: dasses nämlich darauf ankommt, diesen Zusammenhang zu durchbrechen.
In den folgendenJahren entstehenvielerlei Initiativen, wie die
Iönderläden oder die Alctionen gegen den $ 218. Von Anfang an
bestand in der gesamtenneuen Frauenbewegungallerdings eine
große Skepsisgegenüberjeder traditionellen Organisationsform.
Frauenforschung an den Universitäten
Erst zu dieserZeit lässt sich überhaupt so etwaswie der tlbergang
in Frauenforschungan den Universitätenfestder Frauenbewegung
stellen.Es war nämlich so, dassauch die Analysen,die die Frauen
im SDS und in anderen studentischen Organisationen führten,
immer noch im Wesentlichenaußerhalb der Universitäten stattfanden. Erst danach wurden diese Themen in die Seminare getragen. Es werden Fragestellungenentwickelt und insbesondere
die Forderunggestellt,es müsseuntersucht werden, wie männlich
die Wissenschaftsei.
Wieso komtnen Fraueneigentlichin der Wissenschaftnicht vor?
- wurde gefragt -, wieso wird alles nur aus der männlichen
Perspektivebetrachtet?Und dies ist der eigentlicheAnsatz ILr die
Entwicldungdiesesrelativ neuen,und man muss auch hinzufügen:
innovativen Teiles der Soziologie.Dort fängt er an. macht dann
aber auch vor allen anderen universitären Disziplinen nicht halt,
wenngleich Natur- und Ingenieurwissenschaften
sich immer noch
mit relativem Erfoig gegen fiauenspezifischeFragenwehren. Ersr
als in den 1990er Jahren die Nachllage nach Ingenieurstudienplätzenrelativ stark abnahm, begannendie entsprechendenFakultäten, sich frir die Anwerbung von Frauen auch unter der überschrift frauenspezifischerStudiengängezu interessieren.
Damit beginnt in der SoziologieAnfang der 1970er Jahre ein
neuer Abschnitt, der dasweitere Thema diesesKapitelsist. Es liegt
mir sehr viel daran, deutiich zu machen, dass es für die Frauenbewegung zwar eine lange Vorgeschichtegibt, dass aber an den
UniversitätendieseThemen zum ersten Mal in den füihen 19Z0er
Jahren behandelt werden. Vor allem die damals noch stark die
soziologisch-universitäre
Ausbildung dominierendeSystemtheorie
nach Talcott Parsonswar ein besondersgeeignetesBeispiel,um zu
zeigen,welche Fragennotwendigerweisegestelltwerden mussten.
In dem IGpitel über die Systemtheorieist erldärt worden, dass
Parsonsein bestimmtes Modell der Gesellschaftunterstellt. Das
galt auch llir seineSchüler,die diesesModell beispielsweiseauf die
Familie und ldassischeStrukturen der Familien übertrugen. In lstdiegesellschaft
liche
allen Arbeiten wurde die Notwendigkeit geschlechtlicher Arbeits- Arbeitsteilung
vorgeteilung in der Familie einfach unterstellt. Der Mann ist berufstätig geben?
und die Frau ist zuständig für die Erziehung der Iünder und die
emotionaleVersorgungder Familienmitglieder.Hier wurden mittelschichtsstereotype
Eigenschafteneiner geschlechtsspezifischen
Arbeitsteilung festgeschrieben.
Die doppelte Belastung der Frauen
Aus Sicht der ersten kapitalismuskritischenUntersuchungenließ
sich sehr schnell feststellen,dass diese Festschreibungnicht der
Komplexität des weiblichen Lebenszusammenhanges
entspricht,
denn auch Frauenarbeiten.In diesemZusammenhangwurde weiter gefiagt, was eigentlich diese Doppelbelastungbedeuret.Ganz
allgemein wurde festgestellt, dass die geschlechtlicheArbeitsteilung offensichtlich durchgängig in der bisherigen Geschichte
der Menschenwar, dass aber eben gerade sie eine spezielleBasis
ftr den Kapitalismusist. An diesem Punkt beginnt dann langsam
das,was zunächstFrauenforschungund späterdann feministische
Soziologiegenannt wird, wobei das eine schwerpunktmäßig auf
Iz+.s
DieKomplexität
weib,
licher
Lebenszusammenhänge
wirdzumForschungsthema
115
dasanderefolgte, ohne dassman sagenkann, es habe daseine zu Anfang nicht gegebenund das anderesei heute verschwunden.Heute
gesprochen.
wird im Wesentiichenvon Geschlechterforschung
Das obige Beispielaus der Systemtheoriezeigt im Übrigen. dass
es eigentlich sinnvoll wäre, die Geschlechterperspektivein die einzelnen Ansätze einzuarbeiten.Dassdies nicht geschieht,sondern
Frauen-/Geschlechterforschung
als gesondertesKapitel behandelt
wird, hat einmal damit zu tun, dass dann die einzelnen Kapitel
sehr komplex würden, andererseits aber auch, weii zumindest
Wissenschaftlerinnen,die jüngere Ansätze der Geschlechterforschung vertreten, sogleichwidersprechenwürden, da sie, wie wir
noch sehen werden, in der Geschlechterforschungeine gleichberechtigte Positionneben System-und Handlungstheoriensehen.
Seither lassen sich drei aufeinander folgende Phasender Entfeministischer wicklung einer feministischen Soziologiebeschreiben.Im ersten
Phasen
Abschnitt, der vor allem marxistisch orientiert war, wurde Rege5oziologie
neration und Reproduktionpolitisch-ökonomischanalysiert.In der
darauf folgenden zweiten Phase wurde vor allem handlungstheoretisch argumentiert und die Fragenach der Entstehung der
Geschlechterdichotomiegestellt, und schließlich in der dritten,
noch andauerndenPhasewird vor allem mit dem methodischen
Mittel der Dekonstruktion bezweifelt,dasses nur zwei Geschlechter - Männer und Frauen- eibt.
2 . 4 6 | Mamistisch orientierte Ansätze
N o c he i n m a l
z u r ü czkuM a r x
In diesemersten Schritt zu einer eigenständigenFrauenforschung
in der Soziologie,zu einer, wie es manche andereverstehen,femi
nistischen Soziologie,wurden vor allem die marxistisch orientierten Ansätze von Maria Mies und der rBielefelderAnsatz<von
Ursula Beerund Veronika Bennholdt-Thomsondislartiert.
Ausgangspunkt waren Analysen, die sich an der Abfolge der
Gesellschaftsformationenbei IGrl Marx (sieheIGpitel 1.1) orientierten. Schonin der ersten Formation der Jägerund Sammler ergab sich wegen der unterschiedlichen biologischen Ausstattung
von Männern und Fraueneine geschlechtlicheArbeitsteilung.Frauen gebären mit ihrem l(örper - Mies spricht in diesem Zusammenhang von primärer Arbeit -, Männer benötigen zur körperlichen Arbeit Hände,Kopf und Werkzeuge.
Diese einfache Arbeitsteilung mündet dann bald in ein patri
archat, da die Männer ein Monopol auf Waffen haben zur Unterdniclcung anderer Menschenund eben auch der Frauen.Die Abwesenheit von Männern (Raubzüge,Iftiege, Entdeckungsreisen)
ermöglicht den Frauen die übernahme von Aufgaben der Männer.
Die Vorsteilungeiner grundsätzlichwesensbedingtenUnterschiedlichkeit existiert noch nicht. Die Produktionsweisewird als diejenige rim ganzen Haus<bezeichnet, d.h. produktion und Reproduktion finden zumindest idealtypischunter einem Dach statt.
Das ändert sich mit der Entstehung der bürgerlich-kapitalistischenGesellschaft.
Als im Merkantilismusund in der Zeit der Fnihindustrialisierung erste Fabril<enund damit außerhäuslicheproduktionsstättenentstehen,muss der Mann zum Zweckder Lohnarbeit DieBedeutung
in Fabriken nach vorgegebenemZeittakt arbeiten. Dieser Einschnitt derFabrikarbeit
hatte weitreichende Folgen, die im {,Ibrigen in der Soziologie immer wieder thematisiert worden sind. In der Frauenforschungwird
hierbei dasAugenmerkvor allem auf die Tatsachegelenkt, dassnicht
nur zwei Arbeitssphären mit unterschiedlichen Anforderungen
entstehen- das wussten auch schon Karl Marx, FerdinandTönnies
und Emi-leDurlöeim -, sonderndassesjetzt zu einer Aufteilung in
die außerhäuslicheLohnarbeitdes Mannesund die unbezahlteReproduktion(sarbeit)der Frau im Haus kommt. Hieraus entwickelt
sich nach und nach die ideologischeVorstellung einer fundamentalen Unterschiedlichkeit.Es geht nicht mehr nur um graduelle
biologischeund anatomischeDifferenzen,sondern es geht darum,
dassFrauengrundsätzlichdem Manne nachgeordnetsind.
Dabeiwerdenvor allem im lg.Jahrhundert die männlichen lebensbereiche (Lohn-,Erwerbsarbeit)zunehmend höher bewertet, und es
kommt zu dichotomisch ausgeprägtenBegriffshierarchienzw.ischen
männlichen und weiblichen Eigenschaftenund Lebensbereichen.
Produktion
Öffentlichkeit
Privatheit
Kultur
Natur
Geist
Körper
Rationa
lität
Emotionalität
n6
II7
\
vonArbeit
Trennung
undHaushalt
Solangedie Trennung der BereicheArbeit und Haushalt besteht,
bezeichnendie Forscherinnendies als einfachen oder auch ständischen Patriarchalismus.In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind Frauen zunehmend gezwungen,durch eigene Lohnarbeit zum Lebensunterhaltihrer Familienbeizutragen,ohne dasssie
entsprechendeRechteder Männer erhalten.Dieswird ais doppelter
Sekundärpatriarchalismusbezeichnet.Ausdruck findet dies auch
in rechtlichen Vorschriften. So sah das Bürgerliche Gesetzbuch
(BGB)von 1900vor, dassnur der Ehemann über die EinlcLinfteder
Familieverfügen durfte. DieserPassuswurde erst 1957geändert.
ititiltii.i,rijii:l
Fhasen
der
Unterdrückung
2.4.7 |
Frauen
sindimmer
(noch)
belastet
doppelt
1. Phase:
ständischer
Primärpatriarchalismus
Einfacher,
DerMannarbeitet;dieFtauversorgtdasHaus
2. Phase:
Sekundärpatriarchalismus
Doppelter
(Räumliche)Trennüng
undPtivatleben
durchMatktökonomie
vonBerufsarbeit
Eruerbsarbeit
undunbezahlte
von
durch
VergesellschaftungFrauen
Doppelte
(Reproduktionsarbeit)
Hausarbeit
(Frauen
sindliebevoll
undfürsorglich)
derHausarbeit
Emotionalisierung
Geschlechtscharaktere
biologischer
Festschreibung
Die doppelte Vergesellschaftung der Frau
ist doppeltvergesellschaftet.
Die Frau,so war die Schlussfolgerung,
Einmal durch die Existenz im i(apitalismus und zum zweiten durch
Aus diesergrundsätzlichenBenachteidas Geschiechterverhältnis.
ligung ergebensich dann die bekannten Merkmale, die bis heute
die Situation vieler Frauen kennzeichnet. Dies drückt sich vor
allem im Systemder Beschäftigungaus. Frauen finden nur in bestimmten, ihren vermuteten Eigenschaften(s.o.)entsprechenden
Segmenteneine Arbeit, sie haben geringereAufstiegschancenals
Männer, daftir aber ein höheresRisiko,arbeitsloszu werden.
Bei der Frage,wie die Folgen des beschriebenenhistorischen
von der Trennung der Sphärender außerhäuslichenErProzesses
werbsarbeit und der unbezahlten Hausarbeit hin zu den ideoloeischen,hierarchischbeschriebenenUnterschiedenzwischenMann
und Frau frihren, orientierten sich die Vertreterinnen der marxistisch orientierten Ansätze an den Strukturen der internationalen
Arbeitsteilung.So etwa an den Analysendes NordamerikanersImmanuel Wallerstein,der festgestellthatte, dassin der kapitalistischen
Welfwirtschaft alle Staatendurch ein einzigesSysteminternationaler Arbeitsteilung ökonomischund strukturell verflochten sind.
Sowie der Ikpitalismus ein Weltstrukturmerkmal ist, so ist, folgerten die Frauenforscherinnender ersten Phase,die Unterdrückung der Frau ein Merl<maldes IGpitalismus. Im großen Weltmaßstab und im ldeinen der Familie ist eine asymmetrischeArbeitsteilung das vorherrschendeMuster. Die Länder der Dritten
Welt wurden und werden koionisiert, Frauen >hausfrauisiert<.
Der DieFamilie
istdie
kleine, weiße, ausgebeuteteMann erhielt im Zuge des oben be- Kolonie
deskleinen
schriebenenhistorischenProzesses
seineeigenekleine I(olonie:die weißen
Mannes
domestizierteHausliau und Familie.
.
In der kapitalistischen
Weltwirtschaft
sindalleStaaten
durchein einziges Internationale
und
System
internationaler
Arbeitsteilung
ökonomisch
undstrukturell
aneinan- gesrhlechtliche
dergekoppelt.
Arbeitsteilung
Geschlechtlich-asymmetrische
Arbeitsteilung
ist dasvorherrschende
Muster
und ein rtrukturelles
Prinzip,
mit demsowohlVölkerkolonisiert
alsauch
Frauen
hausfrauisiert
werden.
DerkleineweißeMannerhieltim Zugekapitalistischer
Expansion
ebenfalls
seineKolonie,
nämlich
diedomestizierte
Hausfrau.
Aus dieserVerknüpfung von internationaler und geschlechtlicher
Arbeitsteilung entstand schließlich das Gegenmodelleiner ökologisch-feministischenGeseilschaft,in der Arbeitsteilung und Patriarchat abgeschafftsind. Wissenschaftmuss praxisbezogensein,
so die These,sie muss Partei ergreifen für eine friedliche, ökologische Weit, in der die Frauen nicht länger unterdrückt werden.
Das war im Llbrigen eine der Wurzeln der Partei rDie Grünen<,
jedenfalls in ihrer Anfangszeit, in der fundamentalistische Positionen vorherrschten.
F e m i n i s muunsd
, D i e6 r ü n e n u
tt9
11.8
\
2.4.8|
Wasunterscheidet
Frauen
undMänner?
Ein Perspelctivenwechsel
GegenEndeder 1970erJahreverändertesich die zentraleFrageder
Frauenforschung.Die erste Phasehatte die in den 7970etJahren
wieder entdeckte marxistische Theorie zu gesamtgesellschaftlichen
AnalysenvorwiegendökonomischerProzessegenutzt' Daswar ein
notwendigererster Schritt, um die Vorstellung einer >natürlichen<
Differenz von Männern und Frauen zu probiematisieren.Nach etnigen Jahren traten die marxistischen Studien zur Geschlechterdifferenz in den Hintergrund. Dies aus zwei Gründen:
Erstens nahm die Faszination,die die Wiederentdeckungder
marxistischenTheorieeinigeJahre in der soziologischenWelt entfacht hatte, langsam wieder ab, ohne dassihr notwendiger Anteil
an gesamtgesellschaftlichenStudien vergessenwurde. Aber es wurde doch in der Breite der soziologischenForschung,und von der
zeitweiligen l(onjunktur der marxistischen Studien war kein Teilbereichausgespartworden, relativ schnell deutlich, dasseine I(onzentration allein auf ökonomischeFaKoren nicht ausreicht.
Zweitensgab es aber auch speziellin der Frauenforschungdeutlichen Widerspruch. In der ersten Phasewaren die >natürlichen<
Unterschiede,eine unterschiedlichebiologischeAusstattung von
Männern und Frauen gleichsam unterstellt worden. Gegendiese
Vorstellung erhob sich vor allem aus handlungstheoretischerPerspektiveWiderspruch.Wie kommt es eigentlich zu einer solchen
Vorstellung?- wurde gefragt und auch, wieso es im Verlauf der
Soziaiisationimmer wieder zu ähnlichen Ergebnissenkommt. An
Ende gibt es nämlich Männer und Frauen.Die ldassischeSozialisationsforschung,auch die handlungstheoretischorientierte,hatte
dieseFragebis dahin nicht gestellt,sonderndas in der systemtheoretischen Familiensoziologieunterstellte Modell der I(ernfamilie
fVater,Mutter, Sohn,Tochter)eher kritildos übernommen.
'ü1;| ,i!,,j...'rr
Vonderfflakrozur
betrachtung
hen
feministise
Illlikrotheorie
'MAKRO:
unddevorwiegend
Ptozesse
ökonomischer
Analyse
Gesamtgesellschaftliche
Absicherung
reninstitutionelle
MIKRO:
vonGeschlechterverhältnissen:
Bedingungen
deralltäglichen
Untersuchung
alssolche
etkannt?
WiewerdenftauenundMänner
wahr?
sichselber
undMänner
Frauen
Wienehmen
habenGeschlechtszuschreibungen?
Voraussetzungen
Welche
Die I(onstruktion der Wirklichkeit, die das interpretative programm (siehel(apitel 2.3)nachvollzieht,wurde nun auf die Untersuchung der alltäglichen Bedingungenvon Geschlechtlichkeitangewendet und vor allem die Zuschreibung und übernahme von Ge- DieEntstehung
von
schlechterrollenminutiös untersucht. Einer breiteren öffentlich- Ceschlechtlichkeit
keit ist dieser gedanldicheAnsatz durch das Bestseller-Taschenbuch von Ursula Scheu>Wir werden nicht als Mädchen geboren,
wir werden dazu gemacht<bekannt geworden.Von diesem ersten
Schritt aus wurde dann weiter gefiagt, welche Bedeutungbipolare
Geschlechtszugehörigkeiten
frir unser alltäglichesHandeln haben.
Grundlagejeder Handlung ist, dassBedeutungenim Interaldionsprozessbekannt sind oder erkannt werden können. Jedenfallsist
dies die Voraussetzungjeder Art des Verstehens.Die Frauenforschung dieser zweiten Forschungsphasehat gezeigt,dass soziale
Interaktionen erst in Gang kommen können, wenn die Beteiligten
wissen,wen sie vor sich haben, also eine Frau oder einen Mann, was
die Verpflichtung einschließt, entweder Mann oder Frau zu sein.
Das macht immer erneute Anpassungsleistungennotwendig.
EntsprechendeStudien haben gezeigt,dass dabei für die Identifikation einesMannesoder einer Frau im Vergleichzu körperlichen
Geschlechtsmerkmaleneher >weibliche<und >männliche<Verhaltensweisenwichtig sind, die durch das sozialeUmfeld entstehen.
Deshalb wurde ansrelle des Begriffs Geschlechtvon gender gesprochen.Mit diesem Begriff soll der Tatsache,dass Geschlechtlichkeit eine sozialeKonstruktion ist, Rechnunggetragenwerden.
Die immer erneuteAnpassungim alltäglichenInteraktionsprozess
u.urde als >doing gender<verstanden. Dieser prozessorientierte
Begriff bestimmte frir einige Jahre die Forschungslandschaft.
Aus zwei Geschlechtern werden viele
Eine Hamburger l(ollegin beginnt ihre übersichtsvorlesungzur
Entwicldung der Frauen-/Geschlechterforschung
mit der Anrede
>MeineFlerrenund Damen<,was noch als relativ normal gilt, und
endet dann aber mit rAuf Wiedersehen,ihr Geschlechter<.
Hierin
drückt sich ein erneuter Perspektivenwechselaus, der die alctuellen
Debatten bestimmt. Nachdem die Möglichkeiten der handlungstheoretischen Forschungsrichtung ausgereiztwaren, wurde erneut
nach der Berechtigungder Annahme bipolarer Geschlechtlichkeit
gefiagt, die auch noch dem gender-Ansatzzugrunde lag.
I z.+.0
WievieleCeschlechter
gibt eseigentlich?
r20
121
)
ZentraleErkenntniswar nun, dassMachtbeziehungenzwischen
den Geschlechternnicht nur dasVerhältnis von Männern und Frauen bestimmen, sondern eine heterosexuelleMatrix - wie Judith
Butler es nennt - die Normen des Zusammenlebensregelt.Einzelne Studienzum Gefühlshaushaltvon Frauenund Männern, zu Homosexualität und transsexuellen Lebensbedingungenlegten die
Einsicht nahe,dasses nicht zwei, sondernwahrscheinlichviele Geschlechtergibt, und dassin jeder Personweibliche und männliche
Elemente zu unterschiedlichen Teilen vorhanden sind.
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als
6esrhlerht
soziale
l(onstruktiom
ist füt alltägliches
Handeln
omnirelevant.
1. Bipolare
Geschlechtszugehörigkeit
wennwir wissozialen
Interaktionen
kommen
erstdannin Gang,
Diemeisten
(Verpflichtung,
MannoderFnuzusein)
entweder
sen,wenwir vorunshaben.
führtzuAnKonsens
überdichotome
Geschlechtlichkeit
z. Gesellschaftlicher
(Transsexuellen-Studie).
passungsleistungen
sindim Vergleich
zu körperfür dieGeschlechtsidentifikation
3. Wichtiger
(= kullurrweiblichen
Verhaltensweisen
undrrmännlichea
lichenGenitalien
relleGenitalien).
permanent
hetgestellt
wirdim alltäglichen
Interaktionsprozess
4. Geschlecht
(doinggender).
ist einesoziale
Konstruktion
undkannnichtsimpel
Fazit:Geschlechtlichkeit
zurückgeführt
werden.
aufbiologische
Unterschiede
DieseEinsicht frlhrte folgerichtig zu ideologiekritischenAnsätzen,
wie sie z.B.von SandraHarding formuliert wurden: >Aberais nächstes ist es genausonotwendig, von der I(onzentration feministischen
Denkensund feministischer Politik auf weiße, ökonomisch abgesicherte,heterosexuelle,westliche Feministinnenwegzukommen.
Deren Bedürfirisse,Interessen,Wünsche und Visionen sollten nicht
länger als Maßstab für feministische Visionen des Menschlichengesetzt werden und so viel Aufinerlaamkeit in der feministischen Litein einer bestimmten
ratur genießen....Die Geschlechterbeziehungen
Gruppe sind daniber hinaus nicht nur von den Frauen und Männern
in dieserGruppe geprägt, sondern auch davon,wie Frauenund Männer in benachbartenRassen,ICassenund Kulturen definiert werden.<(SandraHarding: Das GeschlechtdesWissens.Frauendenken
die Wissenschaftneu. Frankfurt/M.- NewYork 1994,S. 25 f.)
Nach gut zwanzigJahrenwar nun aus der FrauenforschungGeschlechterforschunggeworden.In vielfältigenStudienwerden z.Zt.
multiple Identitätenund Gefühlsnormenuntersucht.Und dabeiist
die Bipolarität Frau - Mann nicht länger der unreflektierte Ausgangspunkt.Forschungsgegenstand
sind die verschiedenenDimensionen der Machtbeziehungen, die Verflechtungen von kulturellen
Leitbildernund Dislcursen,dasjeweilige sozialeGeschlechtals Teit
gesellschaftlicherMachtpraktiken,die sozial,symbolischund körperlich mit der Existenzder Geschlechterverbunden sind.
DiesePerspeklivehat sich als sehr innovativ erwiesennicht nur
für den engen Bereichder Geschlechterforschung,
sondern frir die
soziologischeForschungallgemein.ElisabethBeck-Gernsheim,
die
seit Mitte der 1970erJahrezur Frauen-und dann zur Geschlechterforschung viele Bücher und Aufsätzegeschriebenhat, publizierte
imJahr 2000 das Buch >Juden,Deutscheund andere Erinnerungslandschaften<,
in dem sie zeigt,wie in globalen,postnationalenGesellschaften (siehe hierzu auch I(apitel 3.2) die Menschen gezwungen sind, ihre nationalen und kulturellen Identitäten neu zu
formulieren. Menschensind in diesemAnsatz nicht mehr, was sie
sind, sondern was der andere nicht ist, und dem anderen seht es
ebenso.
Beck-Gernsheimzeigt, wie >normale<Menschenim alltäglichen
Leben ständig mit Umdefinitionen, Neukonstruktionen, Erfindungen und Neuerfindungen beschäftigt sind. Nationale, kulturelle und
ethnischeIdentitäten erweisensich so als gesellschaftlichbedingte
I(onstruktionen.Das heißt nicht, dasssie unnütz oder unwirksam
sind, sondernnur, dassdie naiveAnnahme einer Identität als Deutscher,Jude, Mann oder Frau der Soziologieden Blick verstellt für
die Mechanismenpolitischer,kultureller und sozialerAuseinandersetzungen.
Was wird unter doppeltemSekundärpatriarchalismus
verstanden?
Wie unterscheidensich sex und gender?
Welche Argumente können gegen die Annahme bipolarer Geschlechtlichkeit vorgebracht werden?
AusFrauenforschung
wirdCeschlechterforschung
6eschlechterbeziehungen
sind
Machtbeziehungen
UberdieSchwierigkeit,
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ZUsein
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