Pflege und Angst Stephan Wolff, Diplom-Pflegewirt (FH), Fachkrankenpfleger Psychiatrie 16. Internationale Fachtagung Psychotherapie und Psychosomatik in der Pflege Irsee, 11. Mai 2011 Klinikum Hanau GmbH | Leimenstraße 20 | 63450 Hanau | Telefon (06181) 296-3734 | Fax (06181) 296-3732 | [email protected] | www.klinikum-hanau.de Pflege und Angst Basiswissen Assessment Ziele Interventionen Literatur Optional: Pflegeplan NANDA-NOC-NIC [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 2 von 17 Basiswissen • Klinik Angst als Störung Angst als Symptom • Bedrohungserleben Tatsächliche Bedrohung Vermeintliche Bedrohung » Existiert nur in der Vorstellung » Folgen: Handeln ist nicht möglich, Erstarrung Störung von » Aufmerksamkeitsregulation » Emotionsverarbeitung (Grawe, 2004) [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 3 von 17 Basiswissen 3 Bedrohungskategorien: Die Angst vor … » Verlust » Veränderung » Entscheidung Diese Kategorien sind eine … Annäherungsmöglichkeit » Um was geht es eigentlich? Und sie sind Zugangsmöglichkeiten: » Das kennen wir auch. » Wir sind nicht anders » Wir haben verstanden, worum es geht [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 4 von 17 Assessment • Bedrohungserleben Wovor, wann, wo, wie intensiv, wie oft, wie lange Gedanken Auslöser: Situationen, Gegenstände, Menschen Reaktionen » Körperreaktionen: Ort, Qualität, Intensität » Verhalten Rückzug Vermeidung Sprachlosigkeit Ritualisierung/Zwänge Verzweiflung Wirksame Strategien Umgebung [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 5 von 17 Assessment • „Dokumentation“ Angsttagebuch » » » » » » Situation Reaktion Handlung Gedanken Gefühle Ergebnis • Einschätzungstabelle [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 6 von 17 Assessment • Beurteilung NICHT: Sind die Wahrnehmungen korrekt? SONDERN: Passen die Wahrnehmungen zu den Werten des Patienten? » Was funktioniert? » Was funktioniert nicht? Philosophie der Stoiker (Epiktet): „Wie lebt man ohne emotionalen Aufruhr in Übereinstimmung mit seinen Lebenszielen, ohne auf äußere Einflüsse für die eigene Zufriedenheit oder innere Ausgeglichenheit angewiesen zu sein?“ (Stavemann, 2002, S. 33) Anmerkung: Ohne emotionalen Aufruhr bedeutet nicht, emotionslos zu sein, sondern sich nicht von den Emotionen überwältigen zu lassen. Das Assessment ist gleichzeitig auch eine Intervention. Nach dem Motto: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 7 von 17 Ziele • Realistische Ziele Was gewinnt der Patient? (Werte des Patienten) Funktionsniveau » Alltag, Fallbeispiel: Über die Kreuzung fahren oder alles auf einmal einkaufen? • Angstreduktion • Kontrolle der Angstreaktion • NOC Angstkontrolle [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 8 von 17 Ziele (NOC Angstkontrolle) • • • • • • • • • • • • • • • • • Beobachtet die Intensität Beseitigt die Vorläufer Vermindert Umweltreize bei Ängstlichkeit Bemüht sich um Informationen, um Angst zu reduzieren Plant Copingstrategien für stressreiche Situationen Wendet effektive Copingstrategien an Wendet Entspannungstechniken an Berichtet von einer verminderten Dauer der Episoden Berichtet von einer verlängerten Zeitspanne zwischen den Episoden Bewahrt die Rollenausübung Bewahrt soziale Beziehungen Bewahrt die Konzentration Berichtet von der Abwesenheit von sensorischen Wahrnehmungsstörungen Berichtet von adäquatem Schlaf Berichtet von der Abwesenheit von physischen Manifestationen der Angst Verhaltensmanifestationen von Angst abwesend Kontrolliert die Angstreaktion Johnson, Maas, Moorhead, 2005 [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 9 von 17 Interventionen • Grundsätzlich Scham reduzieren Nicht erschrecken Nicht von außen korrigieren Auslöser identifizieren Wahrnehmung verfeinern » Auslöser » Schwankungen Bewältigungsstrategien erweitern » Selbsthilfetechniken lehren » Lernen, Ruhe zu bewahren Aktivitäten ohne Wettbewerbscharakter [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 10 von 17 Interventionen • Gestufte Reizkonfrontation • Körperlicher Zugang Bewegung Ändern der Körperhaltung (Burkhard 2011) ASE: Nicht parfümierte Öl-in-Wasser-Emulsion Andere Entspannungsverfahren • Dosierte Ablenkung Dosiert, weil Ablenkung selten funktioniert (siehe nächste Folie) [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 11 von 17 Interventionen: Achtsamkeit Inhalt loslassen statt Gedanken unterdrücken Die Aufforderung einen Gedanken zu unterdrücken erzeugt später einen Anstieg des unterdrückten Gedankens (Wenzlaff, Wegner, 2000). "Ich brauche/darf/soll/muss keine Angst haben", erzeugt noch mehr Angst. (Angehörige beraten!) Grund: Es kann das Gefühl beim Patienten entstehen, dass er einen Teil seines Selbstkonzepts aufgeben soll. Das löst eine Bedrohung aus, Bedrohung löst Angst aus. Regel: Das Selbstkonzept eines Menschen sollte man nur extrem zurückhaltend, besser gar nicht in Frage stellen. [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 12 von 17 Interventionen: Achtsamkeit • Beobachterperspektive einnehmen Nicht wertendes Beobachten Erkennen, dass man Angst hat » Selbst als Prozess: "Ich habe Angst“ Erkennen, dass man erkennt, dass man Angst hat » » » » Selbst als Kontext: "Ich erkenne, dass ich Angst habe“ Gibt Sicherheit Ermöglicht Loslassen Selbstkonzepte kommen und gehen Erkennen, dass man erkennt "Der Kern aller Schwierigkeiten, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen, ist unser Verkennen des Erkennens, unser Nicht-Wissen um das Wissen. Es ist nicht das Erkennen, sondern das Erkennen des Erkennens, das verpflichtet. Es ist nicht das Wissen, dass eine Bombe tötet, sondern das, was wir mit der Bombe zu tun beabsichtigen, was bestimmt, ob wir sie benutzen oder nicht. Gewöhnlich ignorieren wir diese Einsicht oder drücken uns davor, um nicht die Verantwortung für unser tägliches Tun übernehmen zu müssen." Maturana, 1984, S. 268) [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 13 von 17 Interventionen: Achtsamkeit • Defusion Normale Sprache spielerisch ändern Schwierige Gedanken langsam, schnell oder komisch aussprechen Scheinbare Macht der Sprache untergraben • Gedanken Wahrnehmen Betrachten Bewerten erkennen Wahl treffen [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 14 von 17 Interventionen: Achtsamkeit • Räume schaffen Nicht versuchen, das Problem zu lösen Nicht über den Patienten denken Bei seinen Gedanken und Gefühlen bleiben Immer wieder dahin zurück kehren Anmerkung: Alle geschilderten Interventionen funktionieren nur innerhalb einer tragfähigen pflegerisch-therapeutischen Beziehung. [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 15 von 17 Literatur • Burkhard A (2011). Achtsamkeit. Stuttgart: Schattauer • Ciarrochi JV, Bailey A (2010). Akzeptanz- und Commitmenttherapie in der KVT. Weinheim: Beltz • Grawe K (2004). Neuropsychotherapie. Göttingen: Hogrefe • Hoyer J, Merker N (2007). Akzeptanz-Verhaltenstherapie und Generalisierte Angststörung. In: Anderssen-Reuster U. Achtsamkeit in Psychotherapie und Psychosomatik. Stuttgart: Schattauer • Johnson M, Maas ML, Moorhead S (2005). Pflegeergebnisklassifikation (NOC). Bern: Huber • Stavemann HH (2007). Sokratische Gesprächsführung. Weinheim: Beltz • Wenzlaff RM, Wegener DM (2000). Thought supression. Annual review of psychology, 51, 59-91 • Wolff S (2004) Angst. In: Sauter D, Abderhalden C, Needham I, Wolff S. Lehrbuch psychiatrische Pflege. Bern: Huber [email protected] Pflege und Angst 12. Mai 2011 16 von 17 Haben fertig