Der Zwei Millionen Menschen in Österreich leiden ständig unter Rückenschmerzen. Während beim einfachen Rückenschmerz keine weiterführende Diagnostik erforderlich ist, muss beim komplizierten und alarmierenden Rückenschmerz die Grunderkrankung rasch abgeklärt und konsequent behandelt werden; ein Algorithmus zur systematischen Abklärung ist ein wichtiges Hilfsmittel dabei. Von Reinhard Windhager und Roman Radl* S Rückenschmerzen sind sehr häufig und haben aufgrund des Arbeitsausfalls durch Krankenstand der Patienten, Behandlungskosten, Frühpensionierung auch eine große volkswirtschaftliche Bedeutung. In zivilisierten Ländern beträgt die Lebenszeit-Prävalenz des Rückenscherzes beim Erwachsenen 90 Prozent. Laut Bundesministerium für Gesundheit und Frauen leiden zwei Millionen Menschen in Österreich ständig unter Rückenschmerzen. 2001 gingen mehr als acht Millionen Krankenstandstage auf das Konto von Erkrankungen des Bewegungsapparates. 36 © Contrast chmerzhafte Erkrankungen der Wirbelsäule sind in der zivilisierten Welt zu einer ernsthaften Volkskrankheit geworden. Rückenschmerzen sind eine der häufigsten Gründe, weshalb ein Arzt konsultiert wird. Kreuzschmerzen (low back pain) sind mit einem Anteil von 50 Prozent die häufigsten Wirbelsäulenschmerzen. Strahlen die Schmerzen in das Bein oder den Arm aus, spricht man von einer Lumboischialgie oder Cervicobrachialgie. S österreichische ärztezeitung Å 7 Å 10. april 2006 DFP - Literaturstudium Rückenschmerz International wurde eine Dreiteilung in einfache Rükkenschmerzen, komplizierte Schmerzen und alarmierende Wirbelsäulensymptomatik eingeführt. tienten geben meist auch bedrohliche Zeichen wie Fieber, Gewichtsverlust und Ruheschmerzen an. Diagnostik Einfache Rückenschmerzen Die einfachen Rückenschmerzen beginnen meist plötzlich und sind positions- und belastungsabhängig. Meistens verschwinden die Beschwerden innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen. Ist die Anamnese kürzer als sechs Wochen, spricht man von akuten, bei sechs bis zwölf Wochen von subakuten und bei einer Anamnese von mehr als zwölf Wochen von chronischen Rückenschmerzen. Die Ursache ist häufig mechanisch bedingt (Diskopathie, Arthrose der kleinen Wirbelgelenke). Die Patienten sind vorwiegend jünger als 60 Jahre und geben manchmal an, dass Fehlbelastungen wie längeres Sitzen, Heben und Tragen, Unterkühlung und dergleichen vorausgegangen sind. Komplizierte Rückenschmerzen Komplizierte Rückenschmerzen sind von der Symptomatik her den einfachen Kreuzschmerzen sehr ähnlich, halten aber länger an und es besteht die Gefahr der Chronifizierung (gelbe Flagge, „yellow flag“). Es gibt zahlreiche Risikofaktoren, die für die Chronifizierung von Rückenschmerzen verantwortlich sind. Der Arzt muss diese Faktoren erkennen und bei der Therapie unbedingt berücksichtigen. Risikofaktoren für chronische Rückenschmerzen liegen im biologischen (höheres Alter), psychologischen (psychosoziale Überforderung, Traumatisierungen, Missbrauch, psychologische Defizite, Depression, inadäquate Krankheitsmodellvorstellungen, Krankheitsgewinn), und beruflichen (Schwerarbeit, monotone Körperhaltung, Vibration, geringe berufliche Qualifikation, berufliche Unzufriedenheit) Bereich. Der Lebensstil (Rauchen, Übergewicht, geringe körperliche Kondition), aber auch der behandelnde Arzt (mangelhafte Respektierung der multikausalen Genese, Fehleinschätzung) haben eine großen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit. Alarmierende Wirbelsäulensymptomatik Der Patient zeigt neben den massiven Schmerzen und einem Krankheitsgefühl auch eine neurologische Symptomatik (rote Flagge, „red flag“) mit gravierenden Paresen, Sensibilitätsausfällen oder Kauda-Symptomatik (Reithosenanästhesie, Blasen- und Mastdarmstörungen). Die PaS österreichische ärztezeitung Å 7 Å 10. april 2006 Bei der Diagnostik der Wirbelsäulenschmerzen ist die Anamnese von enormer Wichtigkeit. Fragen nach der Lokalisation, Dauer, dem Auslöser, der Ausstrahlung, Abhängigkeit von Belastung und Stellung, tageszeitlichem Verlauf, bisheriger Therapie, früheren Beschwerdeepisoden und malignen Tumoren in der Anamnese sollten in der Anamneseerhebung auf keinem Fall fehlen. Danach erfolgt der übliche standardisierte orthopädische Untersuchungsgang mit Inspektion, Palpation, Funktionsprüfung, Gangbildanalyse und neurologischer Untersuchung. Ob bei einfachen Rückenschmerzen eine röntgenologische Diagnostik erforderlich ist, ist nicht eindeutig geklärt. Mehrere Autoren halten ein Röntgen für nicht gerechtfertigt. Bei komplizierten Rückenschmerzen und bei alarmierender Wirbelsäulensymptomatik ist eine bildgebende Diagnostik mit konventionellem Röntgen erforderlich. Bei Verdacht auf eine Instabilität im Bereich der Wirbelsäule sollten unbedingt auch Funktionsröntgen angefertigt werden. Die Magnetresonaztomograpie (MRT) ist die genaueste Methode zur Beurteilung der diskogenen und nervalen Strukturen. Bei der Erkennung und Beurteilung von Tumoren und Entzündungen aber auch in der Beurteilung des Spinalkanales ist die MRT anderen Methoden überlegen. Dennoch ist laut Literatur aus medizinischer (Überinterpretation) aber auch aus volkswirtschaftlicher Überlegung eine MRT erst nach erfolgloser konservativer Therapie, bei neurologischer Ausfallsymptomatik und bei Verdacht auf Tumor oder Infektion indiziert. Die Differenzialdiagnose des Rückenscherzes ist sehr breit gefächert, wie Tab. 1 (siehe Seite 38) zu entnehmen ist. Bei der Differenzialdiagnose des akuten Rückenscherzes sollte durch die Anamnese und klinische Untersuchung relativ rasch der geringe Anteil an komplizierten und lebensbedrohlichen und damit weiter abklärungsbedürftigen Rückenschmerzen erkannt werden (siehe Tab. 2 auf Seite 38). Arthroligamentäre Rückenschmerzen: Facettensyndrom Unter dem Facettensyndrom versteht man Rückenschmerzen, die von den kleinen Zwischenwirbelgelenken (Facetten) ausgehen. Pseudoradikuläre (= keine segmentale Zuordnung) Schmerzausstrahlung in die Beine ist ein häufiges Symptom. Die Patienten beklagen typischerweise Schmerzen in der Lendenwirbelsäule. 37 Die Schmerzen bessern sich nach Anwinkeln der Beine oder beim Hinsetzen. Eine Lordorsierung des Lendenwirbelsäule verstärkt den Schmerz. Da die Beschwerden erst durch eine fortgeschrittene Degeneration der Gelenke verursacht werden, sind die Patienten meist älter als 50 Jahre. Diskogener Rückenschmerz Der diskogene Rückenschmerz ist eine der häufigsten Verursacher des Rükkenschmerzes. Grund für den diskogenen Rückenschmerz ist eine Schädigung der Bandscheibe mit Irritation der lokalen nervalen Strukturen. Beim Bandscheibenprolaps kommt es zu einem Austritt vom Gewebe des Nucleus pulposus; kleine Risse im Annulus fibrosus sind dafür verantwortlich. Durch prolapierte Anteile des Nucleus pulposus kann es zu partieller Einklemmung der radikulären Nerven kommen. Protrusion: Vorwölbung des Annulus fibrosus Prolaps: Austritt von Gewebe in die Zwischenwirbellöcher (=lateraler Bandscheibenprolaps) oder in den Spinalkanal (=medianer Bandscheibenprolaps). Es ist auch eine Kombination aus medianen und lateralem Bandscheibenprolaps möglich. Differenzialdiagnose Rückenschmerz • Degenerative Veränderungen der WS: - Diskogener Rückenschmerz Symptome Schmerzen und Sensibilitätsstörungen im betroffenen Dermatom sind die typischen Symptome. Zusätzliche neurologische Ausfälle wie Abschwächung der Reflexe und/oder Lähmungen können auftreten. Therapie Die Behandlung erfolgt in erster Linie konservativ; denn einfache diskogene Kreuzschmerzen dauern üblicherweise nur wenige Tage. Die Behandlung beinhaltet eine Schmerzmedikamention und bei Anhalten der Beschwerden intradiskale Verfahren wie IDET, Nukleoplastie oder Chemonukleolyse. (Bandscheibenprotrusion/prolaps) Foramen/Spinalkanalstenose (Facettengelenksarthrose) Segmentale Dysfunktion (Funktionseinschränkung, Hypermobilität) Knochentumoren, Meningeosis carcinomatosa, Spinale oder extraspinale Tumoren der Nervenwurzeln Entzündliche Prozesse: Spondylitis/-discitis Zoster Borreliose Epiduraler Abszess Diabetische Radikulopathie Epidurales Hämatom (z. B. bei Marcoumartherapie) Endometriose Periphere neurogene Prozesse Orthopädische Störungen benachbarter Gelenke: Coxarthrose ISG-Arthrose Gynäkologische Tumoren Hernien Intraabdominelle Prozesse Tab.1 - Sequestration: Gewebeteile (Sequester) haben keine Verbindung mit der Bandscheibe mehr. - • • • • • • • • • • - - Weiter abklärungsbedürftige Rückenschmerzen 38 Erkrankung Alter Einfacher Rückenschmerz Lokalisation Schmerzkarakter Beeinflussende Faktoren Typische Zeichen 20–40 Gesamte WS Akutschmerz Aktivität Bewegungseinschränkung, Muskelhartspann Bandscheibenprolaps 30–50 Untere LWS, Bein Radikulärer Schmerz, Parästhesien Zunahme beim Sitzen und Rumpfvorneigung Lasegue Test positiv (Reflex abgeschwächt) Degenerativer Rückenschmerz, Spinalkanalstenose >50 Untere LWS, Bein Stechender pseudoradikulärer Schmerz Schmerzverstärkung bei Belastung (Gehen) Milderung durch Flexion der LWS Spondylolisthese Jedes Alter Untere LWS, Bein Chronischer Rückenschmerz Verstärkung unter Belastung Stufenbildung über Procc. spinosi Morbus Bechterew 15–40 Untere LWS, ISG Chronischer Schmerz Spondylodiszitis Jedes Alter Gesamte WS Dauerschmerz, Ruheschmerz Verstärkung unter Belastung Fieber, Nachtschweiß Tumor >50 Gesamte WS Dumpfer, langsam progredienter Schmerz Verstärkung unter Belastung und Husten Tumoranamnese Morgensteifigkeit Reduzierte Beweglichkeit der LWS Tab. 2 S österreichische ärztezeitung Å 7 Å 10. april 2006 Bei chronischem, therapieresistentem Kreuzschmerz, der durch eine schmerzhafte Bandscheibendegeneration (DDD = degenerative disc disease) bedingt ist, wird in den letzten Jahren der prothetische Ersatz der Bandscheibe immer intensiver propagiert. In einer prospektiven, randomisierten Studie wurde die operative Behandlung der DDD mittel Fusionsoperation versus Bandscheibenersatzprothese untersucht. Dabei zeigten die Patienten mit Bandscheibenersatzprothese signifikant bessere Ergebnisse über einen Zeitraum von zwei Jahren. Jedoch sollte man diese Ergebnisse nicht mit zuviel Enthusiasmus betrachten, da es im Vergleich zur Fusionsoperation noch keine relevante Langzeitergebnisse gibt. Claudicatio spinalis (Syndrom des engen Spinalkanals) Durch eine Einengung des Spinalkanals und dadurch verursachter Bedrängung der Nervenstrukturen kann das Syndrom des engen Spinalkanals auftreten. Ursache sind meistens Osteophyten an den kleinen Wirbelgelenken, Verdickung der Ligg. flava, Bandscheibengewebe, Spondylolisthese (Wirbelgleiten), Tumor, Wirbelkörperfraktur oder Infektionen mit Abszessbildung. Symptome Die Symptome sind lumbosakrale, haltungsabhängige Schmerzen, die in 40 das Bein ausstrahlen und aber auch ein Schwächegefühl in den Beinen und Gangunsicherheit. Typischerweise geben die Patienten eine Besserung bei Kyphosierung der Lendenwirbelsäule (beispielsweise beim Vorbeugen) an. Diagnostik Röntgenübersichtsbilder: Degenerationen, Instabilitäten CT und MRT: Beurteilung der Spinalkanalweite. Spondylitis Die Spondylitis/Spondylodiscitis ist eine seltene Erkrankung und wird daher oft erst spät erkannt und behandelt. Die Häufigkeit der Spondylitis beträgt rund zwei bis sieben Prozent der entzündlichen Knochenerkrankungen. Der Infektionsweg ist meist hämatogen; vorrangig betroffen sind Brustund Lendenwirbelsäule. Iatrogen tritt die Spondylitis/Spondylodiszitis nach invasiver Diagnostik und operativer Therapie auf. Gefährdet sind in erster Linie ältere, immungeschwächte Menschen, obwohl die Erkrankung in jedem Lebensalter auftreten kann. Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, chronische Niereninsuffizienz, Alkoholismus, Immunsuppression bei Zustand nach Transplantation oder Chemotherapie sind bei diesen Patienten fast immer zu finden. Klinisch zeigt sich die Spondylitis als unspezifischer, tiefsitzender Rükkenschmerz, der unter Belastung aber auch in Ruhe auftritt. Neben den Schmerzen sind Fieber, vermehrter Nachtschweiß und Erhöhung der Entzündungsparameter (C-reaktive Protein) in der Labordiagnostik die Kardinalsymptome. Die Untersuchung der Wahl ist die MRT; weiters eine Punktion zur Keimidentifizierung. Differenzialdiagnostisch muss die akute entzündliche Degeneration (erosive Osteochondrose) ausgeschlossen werden. Bei frühzeitiger hochdosierter antibiotischer Therapie ist eine erfolgreiche konservative Behandlung möglich. An- dererseits kann diese Erkrankung aber auch lebensbedrohliche Ausmaße mit Sepsis und Querschnittsymptomatik annehmen. Die Indikation zur Operation ergibt sich bei Abszessbildung, wenn die konservative Therapie versagt, bei neurologischen Ausfällen und bei drohender Sepsis. Methode der Wahl ist die Ausräumung des Entzündungsherdes, Entlastung der Nervenstrukturen und Instrumentation zur Stabilisierung der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Tumoren der Wirbelsäule Hier dominieren Metastasen (Mamma-, Prostata-, Nieren-, Lungen- und Schilddrüsentumore), das meist asymptomatische Hämangiom, das Multiple Myelom (vorwiegend nach dem 40. Lebensjahr), Nerventumore (Neurinome) und Meningeome. Seltener sind Tumore wie das Osteoid Osteom, Chordom und Gliom. Eine relevante klinische Symptomatik entsteht, wenn die Tumoren den Wirbelkanal (Nervenwurzeln, Rückenmark) einengen und auch die Stabilität der Wirbelsäule gefährden. Symptome Die Schmerzen sind meist dumpf, zeigen eine langsame Progredienz und können dann Gefühlsstörungen, Lähmungen und Blasen-, Mastdarmstörungen zur Folge haben. Die MRT ist die Untersuchung der Wahl, um Tumoren der Wirbelsäule festzustellen © Windhager Eine weitere, sehr erfolgreiche Therapie beim Bandscheibenprolaps ist die epidurale Injektionstherapie mit Kortison. Eine Operationsindikation besteht bei progredienten sensomotorischen Ausfällen und bei Konus-Kaudasymptomatik. Bei mehr als 90 Prozent der operierten Patienten ist ein sehr gutes Ergebnis zu erwarten. Allerdings sollten bei der Indikationsstellung zur operativen Therapie auch psychische Erkrankungen wie die Depression berücksichtigt werden, da bei diesen Patienten deutlich schlechtere postoperative Ergebnisse zu erwarten sind. Magnetresonanztomographie eines 20-jährigen männlichen Patienten mit einer zunehmenden Gangunsicherheit und Nackenschmerz. S österreichische ärztezeitung Å 7 Å 10. april 2006 DFP - Literaturstudium Therapie Einige Tumore (wie zum Beispiell das Nierenzellkarzinom) sind sehr gefäßreich, so dass bei einer Operation mit einem erheblichen Blutverlust zu rechnen ist. Präoperativ können mittels Angiographie die Tumorhauptgefäße dargestellt werden und mit Kunststoffpartikeln „verstopft“ werden (Embolisation). Dadurch wird der Blutverlust während des Eingriffes erheblich reduziert. Wenn durch Tumorresektion ein großer Teil des Knochen entfernt wird, ist eine Instabilität der Wirbelsäule die Folge und eine stabilisierende Instrumentation der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte erforderlich. Bei strahlensensiblen Tumoren kann auch eine Strahlentherapie als „nichtinvasive“ Therapie zur Anwendung kommen, die indiziert ist, um restliche Tumorzellen zu vernichten. Therapie des Rückenschmerzes Die Behandlung beim einfachen Rückenschmerz ist in erster Linie und in der überwiegenden Zahl der Fälle konservativ. Ziele der Therapie sind Verminderung der Schmerzen, Verbesserung der Funktion und der Lebensqualität, wobei in erster Linie der Schmerz im Vordergrund steht. Nach kurzer Schonung und symptomatischer Behandlung mit oraler Schmerzmedikation und lokaler Wärmeapplikation sollen die Alltagstätigkeiten rasch wieder aufgenommen werden. Sehr hilfreich bei der erfolgreichen Therapie ist ein systematisches Management des Rükkenschmerzes (siehe dazu Diagramm: Primäres RS-Management auf Seite 42). Bettruhe Bettruhe zeigt im Vergleich zu „aktiv bleiben“ bei der Behandlung von akuten Rückenschmerzen keine Verbesserung der Schmerzsituation und eher Nachteile im funktionellen Status der Patienten. Medikamente Placebokontrollierte Studien bestätigten die Effektivität der medikamentöse Behandlung mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) und Muskelrelaxatien beim einfachen Rückenschmerz. Die Nebenwirkungen der NSAR auf den Gastrointestinaltrakt, die Leber und die Nieren sowie der Muskelrelaxantien wie Sedierung, Schwindel und vorübergehende Fahruntüchtigkeit sollten aber ernsthaft Primäres Rückenschmerz (RS)-Management Alarmierende WSSymptome Einfacher RS Komplizierter RS Aufklärung u. Beruhigung Kryotherapie oder Wärme NSAR Aktiv bleiben Aufklärung u. Beruhigung Kryotherapie oder Wärme NSAR + Muskelrelaxantien Aktivität modifizieren berücksichtigt werden und bei der Aufklärung des Patienten auf keinem Fall fehlen. Infiltrationstherapie JA Restbeschwerden Die periradikuläre oder epidurale Infiltration des Facettengelenkes mit einen Lokalanästhetikum und Kortikoidzusatz ist eine der häufigsten Therapieformen bei der Behandlung des akuten und chronischen Rückenschmerzes, obwohl diese Therapie in der medizinischen Fachliteratur mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen diskutiert wird. Besserung der Beeinträchtigung NEIN Analgetika reduzieren Aktivität Chronifizierungsfaktoren abklären, weitere Therapie Funktion gebessert JA NEIN , Arbeitsbeginn Neuevaluierung, Röntgen Manualtherapie Keine Besserung, positive Chronifizierungsfaktoren positiv Eine Metaanalyse des Einsatzes spinaler Manipulationen beim akuten Rückenschmerz hat gezeigt, dass sich auch diese Therapien bisher als nicht hilfreicher erwiesen haben als der Einsatz von Analgetika. Allerdings gibt es auch eine große Anzahl an Studien, die den positiven Effekt der Manualtherapie beim Rückenschmerz hervorheben. Überweisung ad FA, weitere Therapie, Abklärung (CT, MR) negativ Keine Besserung Massage Fortsetzung für max .3 Mo aktive Rehabilitation In einem Review der medizinischen Literatur zeigte die Massagetherapie ebenfalls sehr gute Ergebnisse bei der Behandlung des einfachen Rückenschmerzes. Stationäre Abklärung, Behandlung Algorithmus bei Rückenschmerz mit/ohne Ausstrahlung Ausschluss anderer Ursachen (Abdomen, Retroperitoneum) Ausschluss einer Myelopathie, Cauda-Laesion Alarmierende WSSymptome (Red Flags) Radikuläre Symptomatik Umschriebene Dermatomausstrahlung Parästhesie, Hypästhesie, Lasegue Alter <20 oder >55 Schmerz unabhängig von Bewegung, Unwohlsein Gewicht TENS JA Deformität Anamnese: Neoplasma, Cortison, HIV Primäres RS - Management Überweisung zum Facharzt 42 Mit der Traktionsbehandlung wird die Wirbelsäule in einem bestimmten Ausmaß gestreckt. Dies bewirkt eine Erweiterung des Foramen intervertebrale, Druckminderung (20 bis 30 Prozent) in der Bandscheibe und Muskeldehnung mit Entspannung und somit Schmerzlinderung. Progressive Parese oder Plegie NEIN Diffuse Neurologie Einfacher RS Traktionsbehandlung Die trankutane elektrische Nervenstimulation (TENS) ist eine weit verbreitete konservative Therapieform. Placebokontrollierte Studien zeigten aber, dass der Effekt der TENS Behandlung bei Patienten mit chronischem Rücken schmerz eher bescheiden ist. S österreichische ärztezeitung Å 7 Å 10. april 2006 Intradiskale Schmerztherapie Ozontherapie Der Eingriff erfolgt mittels lokaler Betäubung am liegenden Patienten. Unter Röntgenkontrolle wird die Bandscheibe mit einer Nadel punktiert. Ozon wird eingespritzt und soll durch eine bessere Durchblutung für Schmerzlinderung sorgen. Das Ozons zerfällt in Sauerstoff und damit wird der Bandscheibe Wasser entzogen. Die Bandscheibe wird kleiner und die Druckwirkung auf die Nervenwurzeln reduziert. Ein italienische Arbeitsgruppe konnte so bei 1.750 Patienten mit einem Bandscheibenvorfall eine Erfolgsrate von 80 Prozent nach sechs Monaten und 75 Prozent nach 18 Monaten erzielen. IDET Die intradiskale elektrothermale Therapie (IDET) wurde 1997 zur Behandlung des degenerativen diskogenen Schmerzes eingeführt. Dabei wird eine flexible Elektrode in den Annulus fibrosus eingeführt und bewirkt eine Thermokoagulation von Bandscheibengewebe. Randomisierte und placebokontrollierte Studien konnten bei strenger Indikationsstellung eine sehr gute Wirksamkeit der Methode feststellen. Ähnliche intradiskale Verfahren sind die Nukleoplastie und die Chemonukleolyse. Rückenschule Körperhaltungen sowie „falsche“ und damit rückenbelastende Bewegungen sind sehr häufige Auslöser von Rückenschmerzen. Durch gezieltes Training, kontrollierte Körperhaltung und richtiges Verhalten im Alltag können Rückenprobleme frühzeitig vermieden oder gelindert werden. Psychologische Therapie Die Erkennung und gezielte Therapie (psychologische Gesprächstherapie, Verhaltenstherapie zur Schmerzbewältigung) von psychiatrischen Erkrankungen (wie zum Beispiel einer Depression) ist ein wichtiger Bestandteil der erfolgreichen Behandlung. Kombinationstherapie sche oder neurophysiologische Befunde erhoben werden können. Schlussfolgerung Der Rückenschmerz ist eines der bedeutendsten Krankheitsbilder der heutigen Gesellschaft. Die Anamnese und klinische Untersuchung sollten den Rückenschmerz eindeutig in einfach, kompliziert und alarmierender Wirbelsäulensymptomatik unterteilen können. Eine weiterführende Diagnostik erfordert der komplizierte und alarmierende Rückenschmerz. Die Behandlung bei einfachem Rückenschmerz besteht aus Schmerzmedikamenten, Aufklärung, nicht-spezifischen Übungen und vor allem einem möglichst konsequentem Fortführen der normalen Alltagstätigkeiten. Die Kombination mehrerer Therapieformen (Physiotherapie, Verhaltenstherapie, work hardening, berufsbezogene Rückenschule) ist laut der aktuellen medizinischen Literatur einer der erfolgreichsten Ansätze bei der Behandlung des Rückenschmerzes. Der komplizierte und alarmierende Rückenschmerz ist gemäß der Grunderkrankung rasch abzuklären und konsequent zu behandeln. Ein Algorithmus zur systematischen Abklärung des Rückenschmerzes ist ein dabei wichtiges Hilfsmittel. Die Indikation für Operationen sollte abgestuft betrachtet werden. Bis dato gibt es weder für die Indikation noch für die Art der durchzuführenden Operationen evidenzbasierte Studien. Es gibt jedoch Alarmsymptome (red flags), bei deren Auftreten meist eine Operation indiziert ist. Dazu gehören: *) Literatur bei den Verfassern Univ. Prof. Dr. Reinhard Windhager, Priv. Doz. Dr. Roman Radl, Universitätsklinik für Orthopädie, Auenbruggerplatz 5-7, 8036 Graz; Tel. 0316/385/48 07 Physiotherapie Physiotherapie und Rückenschule sind seit vielen Jahren etablierte und erfolgreiche konservative Therapieformen, die vor allem beim chronischen Rückenschmerz zur Anwendung kommen sollten. Bei der Therapie des chronischen Rückenschmerzes konnte in einer Metaanalyse klar gezeigt werden, dass damit eine signifikante Reduktion der Krankenstandzeit erreicht werden kann. Allerdings ist bei der erfolgreichen Therapie des Rückenschmerzes unbedingt auch eine negative Beeinflussung durch eine Unzufriedenheit am Arbeitsplatz zu berücksichtigen. 44 • Blasen-Mastdarm-Störungen • Reithosenhypanästhesie- beziehungsweise -anästhesie Progrediente Paresen (KG 3 und • weniger) • Progrediente Störungen der langen Bahnen (spastische Tonuserhöhung der Beine mit und ohne Paraparese, pathologische Reflexe) bei zerviko-thorakalen Kompressionen Relative Indikationen für eine Operation sind therapieresistente Schmerzen, bei denen eindeutige morphologi- Lecture Board: Univ. Doz. Dr. Martin Friedrich, Orthopädisches Spital Speising/Wien, Univ. Doz. Dr. Klaus Engelke, Orthopädisches Krankenhaus Theresienhof Frohnleiten,Univ. Doz. Dr. Werner Lack, Sozialmedizinisches Zentrum Baumgartner Höhe/Otto Wagner-Spital Herausgeber: Universitätsklinik für Orthopädie, Medizinische Universität Graz Dieser Artikel finden Sie auch im Web unter www.arztakademie.at/ls S österreichische ärztezeitung Å 7 Å 10. april 2006