Aus der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Kopf- und Halschirurgie St. Elisabeth-Hospital Bochum Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Professor Dr. med. Henning Hildmann Risikofaktoren und Ätiologie frühkindlicher und kindlicher Schwerhörigkeit im Kollektiv des Instituts für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Anne Marike Rosken aus Meppen 2001 Dekan: Professor Dr. med. G. Muhr Referent: Professor Dr. med. H. Hildmann Korreferent: Professor Dr. med. R. G. Matschke Tag der Mündlichen Prüfung: 1. Juli 2003 Für Mama und Papa. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 2. Material und Methode 7 2.1 Patientengut 7 2.2 Methodik 7 2.3 Erläuterungen zu einigen Daten 8 2.4 Verarbeitung der Daten 10 3. Ergebnisse 11 3.1 Eckdaten zum Kollektiv 11 3.1.1 Geschlecht 11 3.1.2 Lokalisation der Schwerhörigkeit 11 3.1.3 Beidseitige Hörstörungen: Art und Grad 11 3.1.4 Einseitige Hörstörungen: Art und Grad 13 3.1.5 Geographisches Einzugsgebiet 14 3.2 Versorgungsverlauf I 15 3.2.1 Wer hat die Hörstörung zuerst vermutet? 15 3.2.2 Vorstellungsgrund 17 3.2.3 Wer hat überwiesen? 18 3.2.4 Zeitlicher Versorgungsverlauf 19 3.3 Versorgungsverlauf II 23 3.3.1 Erstvorstellungen pro Jahr 23 3.3.2 Wartezeit im Verlauf der Jahre 24 3.3.3 Wartezeit in verschiedenen Altersgruppen 25 3.4 Ätiologie 27 3.4.1 Risikofaktoren 27 3.4.2 Vermutete Ursache 31 4. Diskussion 33 4.1 Geschlechtsverteilung 33 4.2 Beidseitige Hörstörungen: Art 33 4.3 Beidseitige Hörstörungen: Grad 35 4.4 Wer hat die Hörstörung zuerst vermutet? 37 4.5 Vorstellungsgrund 39 4.6 Versorgungsverlauf 41 4.7 Vermutete Ursache 49 4.8 Schlußfolgerung 53 5. Zusammenfassung 55 6. Anhang 58 6.1 Fragebogen 58 6.2 Syndrome und Stoffwechselstörungen 60 7. Literaturverzeichnis 62 8. Danksagung 69 9. Lebenslauf 70 1. Einleitung „Der Spezialist muß zum Kind, nicht das Kind zum Spezialisten“ (Agnes Hildmann). Aus dieser Überzeugung heraus gründete und leitete Frau Dr. med. Agnes Hildmann von April 1988 bis 1999 das Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie der Vestischen Kinderklinik in Datteln. Ziel dieses bis heute in Deutschland einmaligen Modells, eine phoniatrisch-pädaudiologische Abteilung in eine Kinderklinik mit zahlreichen Fachabteilungen (u.a. Neonatologie) zu integrieren, war es, eine schnellstmögliche und bestmögliche Diagnostik und Therapie für hörgeschädigte Kinder zu gewährleisten. Da Hörstörungen oftmals im Rahmen anderer Grunderkrankungen auftreten bzw. sich als Folge von Geburtskomplikationen, Infektionen, Traumata etc. entwickeln können, wegen derer die Kinder in einer Kinderklinik behandelt werden müssen, bietet das Dattelner Modell die Möglichkeit, Risikokinder im Rahmen eines stationären Aufenthaltes oder regelmäßiger Kontrolluntersuchungen in der Klinik auf eine Schwerhörigkeit hin zu untersuchen und diese zu diagnostizieren. Ärzte und Pflegepersonal der Kinderklinik sind mit den Umständen, die eine Hörstörung bedingen können, nicht zuletzt deshalb gut vertraut, weil sie durch die Präsenz der Instituts intensiv mit dem Problem der Hörbehinderung konfrontiert werden. Um nicht nur die Zeit bis zur Diagnostik kurz zu halten, sondern auch den Beginn einer Therapie zu beschleunigen, eine Beurteilung auch der Sprache und des allgemeinen Entwicklungsstandes eines Kindes zu erhalten und um den Eltern die zeitaufwendige Fahrerei zu verschiedenen Therapeuten zu ersparen, ist die Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln interdisziplinär organisiert. Neben Logopäden und Schwerhörigenpädagogen sind auch Psychologen und Heilpädagogen in der Abteilung tätig. Der Austausch unter den einzelnen Fachkräften macht eine individuelle und umfassende Diagnostik und Förderung der Kinder möglich. Ebenso kann die Hörgeräteanpassung und -kontrolle durch Hörgeräteakustiker direkt vor Ort erfolgen. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, einen Überblick über die Kinder zu erhalten, die von April 1988 bis April 1999 in Datteln erstmalig mit einem Hörgerät versorgt bzw. andernorts versorgt und in Datteln weiterbehandelt wurden. Von besonderem Interesse waren Risikofaktoren der Kinder für eine 1 Schwerhörigkeit und die vermutliche Ursache für die Hörstörung. Desweiteren wollten wir eruieren, wie sich der zeitliche Versorgungsverlauf vom Zeitpunkt einer ersten Vermutung der Hörstörung bis zur Hörgeräteanpassung gestaltete. Inwieweit sich aufgrund der einzigartigen Struktur des Instituts für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln das Kollektiv in Bezug auf Risikofaktoren, Ätiologie und Versorgungsverlauf vom betrachteten Kollektiv anderer Untersuchungen unterscheidet, sollte vergleichend gegenübergestellt werden. Bundesweit wird die Diagnose einer kindlichen Schwerhörigkeit durchschnittlich im Alter der Kinder von 31 Monaten gestellt, eine Hörgeräteversorgung erfolgt im Durchschnittsalter von 36 Monaten (Hartmann und Hartmann 1998; zu beachten ist, daß diese Zahlen aufgrund selektiver Aussagen zustande gekommen sind). Hält man sich die zeitlichen Grenzen vor Augen, in denen sich die Ausreifung der Hörfunktion und damit die Grundlage für den Erwerb von Sprache vollzieht, wird einem deutlich vor Augen gestellt, daß Diagnose und Therapiebeginn zu spät erfolgen, wenn man die Sprach- und allgemeine Entwicklung der betroffenen Kinder nicht verzögern oder gar behindern will. Bis zum dritten Lebensjahr laufen sprachliche Entwicklungsprozesse ab, in deren Verlauf sich „stufenweise die Sprachauffassung und die phonematische Differenzierungsfähigkeit“ herausbildet (Leonhardt; in: Leonhardt (Hrsg.) 1998). Hierzu ist ein intaktes Gehör erforderlich. Kinder, die aufgrund einer Hörstörung zu Zeiten der kritischen Perioden der Entwicklung und Ausreifung des zentralen Hörsystems nicht ausreichende akustische Stimulation erfahren, welche Grundvoraussetzung für die Ausbildung eines funktionsfähigen Gehörs ist, werden in ihrer Sprachentwicklung gehemmt und können diese Entwicklungsschritte – wenn überhaupt – nur unzureichend nachholen. Eine verzögerte oder gestörte Sprachentwicklung kann die gesamte Entwicklung eines Kindes behindern, welches sich aufgrund mangelnder kommunikativer Kompetenzen aus seiner sozialen Umwelt zurückzieht, den Stempel der Andersartigkeit aufgedrückt bekommt und damit seelische Verletzungen erfährt. Es ist erwiesen, daß die Gesamtentwicklung eines hörgeschädigten Kindes maßgeblich davon abhängt, wie früh die Diagnose gestellt und eine Therapie eingeleitet wird. Yoshinaga-Itano und Apuzzo (1998) untersuchten dazu die allgemeine Entwicklung von vierzig hochgradig schwerhörigen Kindern in 2 Abhängigkeit ihres Therapiebeginn. Alters Demnach bei Diagnose ermöglichen der Hörbehinderung Diagnose und und Therapiebeginn innerhalb der ersten sechs Lebensmonate schwerhörigen Kindern einen altersentsprechend normalen allgemeinen Entwicklungsverlauf. Das Joint Committee on Infant Hearing (JCIH) empfiehlt deshalb auch, alle Kinder bis zum dritten Lebensmonat auf ihre Hörfähigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls bis zum sechsten Lebensmonat eine Therapie einzuleiten (JCIH 2000). Ziel sollte es demnach sein, Kinder mit angeborener oder perinatal erworbener Schwerhörigkeit vor dem dritten, spätestens aber bis zum sechsten Lebensmonat zu erfassen und eine adäquate Therapie einzuleiten. Bedenkt man, daß sich die sprachliche Entwicklung von schwerhörigen Kindern bis zum Beginn der zweiten Lallphase (6. bis 8. Lebensmonat) nicht von der normalhörender Kinder unterscheidet und damit der optimalste Versorgungszeitpunkt verstrichen ist, sind objektive Verfahren zur Prüfung des kindlichen Gehörs in den ersten Lebenswochen und –monaten unentbehrlich. Hierzu stehen zwei Verfahren zu Verfügung: TEOAE (transitorisch evozierte otoakustische Emissionen) und BERA (brainstem evoked response audiometry). Ein Screening nur für Kinder, die Risikofaktoren für eine angeborene oder perinatal erworbene Schwerhörigkeit haben, deckt nur 50% der kindlichen Hörstörungen auf (JCIH 2000; Europäischer Konsens zum Neugeborenen-Hörscreening 1998). Sinnvoll ist deshalb ein generelles Neugeborenen-Hörscreening. Daß ein Screening aller Neugeborenen flächendeckend möglich ist, ist u.a. aus Belgien, Österreich, der Schweiz und einigen Staaten der USA bekannt (Hildmann; in: Leonhardt (Hrsg.) 1998). Daß es zudem erfolgreich das Diagnosealter hörgestörter Kinder senkt und den Anteil der Kinder erhöht, deren Hörstörung bis zum sechsten Lebensmonat diagnostiziert wird, konnte ebenfalls belegt werden (Parving 1996). Untersuchungen zur Kosten-Nutzen-Analyse eines universellen NeugeborenenHörscreenings betonen die Kosteneffektivität dieser Methode im Vergleich zum gezielten Neugeborenen-Hörscreening zusammen mit verhaltensaudio- metrischen Testverfahren im Kindesalter von sieben bis neun Monaten (Europäischer Konsens zum Neugeborenen-Hörscreening 1998). Auch ein Kostenvergleich mit anderen Screeningverfahren im Neugeborenenalter, z.B. 3 zur Aufdeckung von Hypothyreose und Phenylketonurie unter Berücksichtigung der Inzidenz dieser Erkrankungen, rechtfertigt ein generelles NeugeborenenHörscreening (Mehl und Thomson 1998). Nicht zu vernachlässigen sind die durch ein universelles Neugeborenen-Hörscreening zu erwartenden Kosteneinsparungen im Ausbildungsbereich. Eine frühzeitige Diagnose und Förderung hörbehinderter Kinder erhöht die Zahl der Kinder, die in Regelschulen integriert werden können und keine Sonderschule besuchen müssen (Welzl-Müller 1998). Zu bedenken ist allerdings, daß ein generelles Neugeborenen-Hörscreening Hörtests im Rahmen der Kindervorsorgeuntersuchungen keinesfalls ersetzt. Für Hörstörungen, die im Verlauf der Kindheit erworben werden, sind diese Untersuchungen sehr wichtig. Darüberhinaus muß verstärkte Aufklärungsarbeit geleistet werden, um Eltern über Risikofaktoren, Warnsignale und Auswirkungen einer Schwerhörigkeit zu informieren und ihre Aufmerksamkeit für dieses Problem zu erhöhen. Ebenso muß die Weiterbildung von Kinder-, HNO-Ärzten und Allgemeinmedizinern auf diesem Gebiet intensiviert werden. Nur durch Umsetzung all dieser Faktoren und die Zusammenarbeit von Eltern, verschiedenen Fachärzten und Therapeuten ist die Möglichkeit gegeben, die Behandlung hörgeschädigter Kinder zu optimieren. 4 Vergleichbare Ergebnisse zu unseren Fragestellungen finden sich in folgenden Arbeiten, deren Eckdaten kurz aufgeführt werden sollen: Begall und Pethe (1992) berichten von der Analyse der Frühdiagnostik schwerhöriger Kinder (n=427), die an der HNO-Klinik der Medizinischen Akademie Magdeburg durchgeführt wurde. Im Rahmen ihrer Dissertation betrachtete Blocher (1994) retrospektiv die Krankendaten von 190 schwerhörigen Kindern, die sich zwischen 1968 und 1989 in der Behandlung der pädaudiologischen Abteilung der HNO-Uniklinik in Freiburg befanden. Eckel et al. (1998) werteten die pädaudiologischen Befunde von 314 Schülern der Rheinischen Schulen für Schwerhörige und für Gehörlose in Köln bezüglich der audiologischen Diagnose aus und ergänzten die Befunde durch anamnestische Angaben der Familien und eigene Recherchen. Die Untersuchung fand im Schuljahr 1992/1993 statt. Finckh-Krämer et al. (2000) sammeln im deutschen Zentralregister für kindliche Hörstörungen (DZH) Daten von schwerhörigen Kindern. Bis zum 20. April 2000 wurden 3822 Kinder aus ganz Deutschland erfaßt und ihre Daten anhand verschiedener Fragestellungen ausgewertet. Es sei erwähnt, daß Finckh-Krämer et al. (2000) bei der Frage nach der Art der beidseitigen Hörstörungen in Einzelfällen Kinder doppelt erfaßt haben, da der Hörstörungstyp auf rechtem und linkem Ohr unterschiedlich war. Die Summe der Prozentsätze übersteigt demnach knapp 100%. Hartmann und Hartmann (1998) stellten die Ergebnisse der Befragung der Bundesgemeinschaft der Eltern und Freunde hörgeschädigter Kinder e.V. 1996/97 zusammen. Zur Auswertung gelangten 828 der Fragebögen, die an alle Eltern der Erst- und Zweitklässler Kinder in Deutschland geschickt wurden. 5 an den Schulen für hörgeschädigte Rütschi (1998) sammelte im Rahmen ihrer Dissertation Daten der klinischen Erfassung, Diagnostik und Ergebnisse der Hörgeräteversorgung von 112 Kindern, die im Zeitraum von 1986 bis 1996 in der pädaudiologischen Ambulanz der Universitätsklinik Freiburg mit einem Hörgerät versorgt wurden. Im Rahmen einer retrospektiven Studie sammelten Vartiainen et al. (1997) Daten von 98 beidseitig sensorineural schwerhörigen Kindern, die zwischen 1974 und 1987 in einer Provinz in Ostfinnland geboren wurden. Vartiainen und Untersuchung die Karjalainen Daten von (1998) 84 werteten einseitig in an einer einer retrospektiven sensorineuralen Schwerhörigkeit leidenden Kinder aus, die zwischen 1972 und 1986 in einer Provinz in Ostfinnland geboren wurden. 6 2. Material und Methode 2.1 Patientengut Im Rahmen dieser retrospektiven Studie wurden die Krankendaten von 349 Kindern ausgewertet, die im Zeitraum von April 1988 bis April 1999 im Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie der Dattelner Kinderklinik ein Hörgerät erhielten bzw. zur Weiterbehandlung nach bereits andernorts erfolgter Hörgeräteversorgung vorgestellt wurden. Die 349 Kinder wurden zufällig aus der Gruppe aller Kinder mit Hörgeräten, die in Datteln behandelt wurden, ausgewählt. Im betrachteten Gesamtkollektiv von 349 Kindern befanden sich 203 Kinder (58,2%), deren Hörbehinderung in Datteln erstmals diagnostiziert wurde. Bei 146 Kindern (41,8%) war in einer anderen Abteilung bereits eine Schwerhörigkeit festgestellt worden. Von diesen 146 Kinder hatten 99 Kinder (28,4%) schon vor Behandlungsbeginn in Datteln ein Hörgerät erhalten. Bei sieben Kindern (2,0%) konnte den Akten entnommen werden, daß eine Hörstörung bereits vor Erstvorstellung in Datteln bekannt war, nicht jedoch, ob diese bereits mit einem Hörgerät behandelt worden war. Zur Auswertung gelangten sowohl Kinder mit einseitiger als auch beidseitiger Schwerhörigkeit aller Schweregrade. 2.2 Methodik Es wurde ein Fragebogen verfaßt, anhand dessen persönliche Daten eines jeden Kindes, Daten zur Hörstörung, zum Versorgungsverlauf, zu vorhandenen Risikofaktoren und zur vermuteten Ursache erfaßt wurden. Zur Beantwortung der Fragen wurden sämtliche Unterlagen aus den Patientenakten herangezogen. Hierzu zählten Überweisungsunterlagen, ärztliche Untersuchungsbögen, Audiometrieergebnisse, Aufzeichnungen der Audiometristen, Logopäden, Psychologen und Heilpraktiker, OP-Berichte, Unterlagen für Sozialämter und Fragebögen, die von den Eltern ausgefüllt werden müssen. Diese Fragebögen werden allen Eltern bei Anfrage nach 7 einem Termin zugeschickt. Erst nach Rücksendung des Fragebogens wird dann ein Termin in der Abteilung vereinbart. 2.3 Erläuterungen zu einigen Daten Um eine Einteilung nach der Art der Hörstörungen vornehmen zu können, wurde folgende Unterteilung gewählt: sensorineurale Schwerhörigkeit (Synonyme: Schallempfindungsschwer- hörigkeit, Innenohrschwerhörigkeit) Schalleitungsschwerhörigkeit Kombinierte Schwerhörigkeit (sensorineurale plus Schalleitungsschwerhörigkeit) Zentrale Schwerhörigkeit (definiert als Störung der Lautheitswahrnehmung sowie der zeitlichen, spektralen und räumlichen Hörwahrnehmung; Biesalski 1994) Kombination aus sensorineuraler und/oder Schalleitungsschwerhörigkeit plus zentraler Schwerhörigkeit) Die Hörstörungen wurden anhand folgender Gradeinteilung aufgeteilt: leichtgradig: bis 40 dB HL mittelgradig: 41 bis 60 dB HL hochgradig: 61 bis 90 dB HL resthörig: 91 bis 110 dB HL an Taubheit grenzend: > 110 dB HL Getestet wurde der Frequenzbereich von 250 bis 4000 Hz. Als symmetrisch wurde eine beidseitige Schwerhörigkeit bezeichnet, wenn der Grad des Hörverlustes auf beiden Ohren identisch war. Asymmetrisch waren demnach Hörstörungen, bei denen sich die Schwere des Hörverlustes auf beiden Ohren um mindestens eine Gradeinteilung (siehe oben) unterschied. 8 Zum geographischen Einzugsgebiet ist anzumerken, daß jeweils die ersten beiden Zahlen der Postleitzahl des Wohnortes der Kinder herangezogen wurden, um einen Überblick über das Einzugsgebiet der Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln zu erhalten. Der Versorgungsverlauf umfaßt Angaben zum Alter der Kinder bei Vermutung einer Schwerhörigkeit, bei Erstvorstellung in der Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln und bei Erstversorgung mit einem Hörgerät. Das Alter wurde in Monaten angegeben. Um das Alter der Kinder bei Vermutung einer Hörstörung zu erfassen, wurden Altersangaben herangezogen, die von den Eltern gemacht wurden. Das Alter der Kinder bei Diagnose der Schwerhörigkeit wurde mit dem Alter der Kinder bei Erstvorstellung in Datteln gleichgesetzt. Dies galt allerdings nur für Kinder, die in Datteln das erste Hörgerät erhalten haben. Das Alter der Kinder bei erstmaliger Anpassung eines Hörgerätes wurde als Alter bei Erstversorgung bezeichnet. Es blieb unberücksichtigt, ob dieses Hörgerät endgültig verordnet wurde oder ob ein anderes Gerät zur Hörgeräteverordnung geführt hat. Einige Kinder waren zum Zeitpunkt des Verdachts, der Erstvorstellung oder der Erstversorgung jünger als einen Monat. In diesen Fällen wurde das Alter mit null angegeben. Für jedes Kind wurde die Wartezeit auf einen Termin im Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln erfaßt. Hierzu wurde das Datum des Eingangs des von den zurückzuschickenden Eltern vor Terminvergabe Fragebogens und des auszufüllenden endgültigen und Termins herangezogen. Die Wartezeit wurde in Wochen angegeben. Bei Kindern, die in weniger als sieben Tagen nach Anfrage einen Termin erhalten haben, wurde die Wartezeit mit null festgelegt. 9 Die Anamnese eines jeden Kindes wurde auf Risikofaktoren für eine Schwerhörigkeit untersucht. Die Einteilung der Risikofaktoren erfolgte in hereditäre bzw. angeborene und in erworbene Risikofaktoren. Die erworbenen Risikofaktoren wurden nach dem Zeitpunkt ihres Auftretens weiter unterteilt in pränatal, perinatal und postnatal erworbene Risikofaktoren. Es wurde erfaßt, wie häufig ein Risikofaktor im Gesamtkollektiv vorkam. Da die meisten Kinder mehrere Risikofaktoren hatten, übersteigt die Gesamtzahl der Risikofaktoren 349. Im Anschluß daran wurde mit Blick auf Art, Grad und Beginn der Schwerhörigkeit ermittelt, welcher Risikofaktor tatsächlich für die Schwerhörigkeit eines jeden Kindes ursächlich war. Ein Risikofaktor wurde als vermutete Ursache angenommen, wenn dieser im zeitlichen und kausalen Zusammenhang mit der Schwerhörigkeit stand oder wenn dieser explizit in den Akten als Ursache genannt wurde. In einigen Fällen traten zwei oder mehr Risikofaktoren auf, die ursächlich für die jeweilige Schwerhörigkeit sein konnten. Diese Fälle wurden als multifaktoriell bezeichnet. Es wurde zum einen zahlenmäßig aufgeführt, wie oft ein Risikofaktor Ursache für eine Schwerhörigkeit war, zum anderen wurde der prozentuale Anteil einer Ursache unter allen Ursachen errechnet. 2.4 Verarbeitung der Daten Die Daten wurden in die Datenbank Access eingegeben und mit Hilfe des Programms Excel ausgewertet. Aufgrund der Heterogenität des Datenmaterials wurde auf eine multifaktorielle statistische Aufarbeitung verzichtet. Es wurden ausschließlich Mittelwerte und Häufigkeitsverteilungen berechnet. 10 3. Ergebnisse 3.1 Eckdaten zum Kollektiv 3.1.1 Geschlecht Unter den 349 Kindern, deren Anamnesedaten anhand des Fragebogens erfaßt wurden, befinden sich 189 Jungen (54%) und 160 Mädchen (46%). 3.1.2 Lokalisation der Schwerhörigkeit Bei 301 Kindern (86%) wurde eine beidseitige Schwerhörigkeit diagnostiziert. 47 Kinder (14%) leiden an einer einseitigen Hörstörung. Bei einem Patienten fehlen Angaben zur Lokalisation der Schwerhörigkeit. 3.1.3 Beidseitige Hörstörungen: Art und Grad Unter den 301 Kindern mit beidseitiger Hörstörung überwiegt der Anteil der Kinder mit sensorineuraler Schwerhörigkeit (n=172; 57%). Eine reine Schalleitungsschwerhörigkeit wurde bei 42 Kindern (14%) diagnostiziert, in Kombination treten beide Schwerhörigkeitsformen in 31 Fällen (10%) auf. Drei Kinder (1%) leiden an einer rein zentral bedingten Hörminderung. Bei vierzig Kindern (13%) konnte die Art der Hörstörung noch nicht diagnostiziert werden. 11 Art beidseitig lokalisierter Hörstörungen (n=301) sensorineural 57,1% Schalleitung 14% zentral 1% sensorineural oder Schalleitung oder kombiniert + zentrale SH 4,3% Art nicht bestimmt 13,3% kombiniert 10,3% Abb. 1: Prozentuale Verteilung der Art der beidseitig lokalisierten Hörstörungen. In 268 Fällen der beidseitigen Schwerhörigkeiten handelt es sich um einen symmetrisch ausgeprägten Hörverlust, bei 28 Kindern wurde eine asymmetrische Schwerhörigkeit gefunden. Bei fünf Kindern können keine Angaben zur Symmetrie des Hörverlustes gemacht werden, da der Grad des Hörverlustes bislang nicht bestimmt wurde. Unter den symmetrisch ausgeprägten Hörverlusten überwiegen die hoch- und mittelgradigen Formen (n=99 hochgradig; n=95 mittelgradig), gefolgt von 56 Kindern, die resthörig sind. Bei siebzehn Kindern wurde ein beidseits leichtgradiger Hörverlust diagnostiziert, ein Kind leidet an einer nahezu an Taubheit grenzenden Hörstörung auf beiden Ohren. Grad beidseits symmetrischer Hörstörungen (n=268) mittelgradig 35,5% resthörig 21% hochgradig 36,9% an Taubheit grenzend 0,4% leichtgradig 6,3% Abb. 2: Prozentuale Verteilung der Schweregrade beidseits symmetrischer Hörstörungen. 12 3.1.4 Einseitige Hörstörungen: Art und Grad In der Gesamtgruppe finden sich 47 Kinder (14%) mit einer einseitigen Schwerhörigkeit. Bei 19 Kindern (40%) ist die Hörstörung linksseitig lokalisiert, bei 28 Kindern (60%) ist das rechte Ohr betroffen. In den meisten Fällen handelt es sich um eine sensorineurale Hörstörung (n=34; 72%). An zweiter Stelle stehen die Kinder mit einer reinen Schalleitungsschwerhörigkeit (n=9; 19%). Bei zwei Kindern wurde eine kombinierte Hörstörung gefunden, bei zwei weiteren Kindern konnte die Art der Hörminderung nicht festgestellt werden. In Bezug auf den Grad der einseitigen Schwerhörigkeit fällt der große Anteil hochgradiger und resthöriger Hörstörungen auf. 19 Kinder (40,4%) leiden an einem hochgradigen Hörverlust, weitere 19 Kinder sind resthörig (40,4%). In zwei Fällen wurde eine an Taubheit grenzende Hörstörung festgestellt (4,3%). Demnach sind 85,1 % der einseitig schwerhörigen Kinder von einem Hörverlust von mehr als 60 dB betroffen. Eine einseitige mittelgradige Hörminderung fand sich bei sechs Kindern (12,8%), ein Kind hat einen leichtgradigen Hörverlust (2,1%). 13 3.1.5 Geographisches Einzugsgebiet Das Einzugsgebiet des Instituts für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln erstreckt sich über neunzehn Postleitzahlenbereiche. Die meisten Kinder kommen aus der direkten Umgebung von Datteln mit der Postleitzahl 44 (n=103; 30%). An zweiter Stelle folgt der Postleitzahlenbereich 45 mit 87 Kindern (24,9%). 41 Kinder (11,8%) wohnen in Orten mit der Postleitzahl 46. Ein im Vergleich zu den restlichen Gebieten noch leicht erhöhter Zustrom von Patienten kommt aus dem Gebiet mit der Postleitzahl 58 (n=38; 10,9%). In Datteln wurden zwei Kinder mit Wohnsitz im Ausland behandelt. Geograhpisches Einzugsgebiet (n=347) Anzahl der Kinder 120 103 100 87 80 60 41 40 20 0 14 1 6 2 8 38 16 17 4 1 1 2 2 1 1 2 4 33 40 41 42 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 57 58 59 Postleitzahl Abb. 3: Geographisches Einzugsgebiet des Instituts für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln; die Einteilung erfolgt nach den ersten beiden Zahlen der Postleitzahl. 14 3.2 Versorgungsverlauf I 3.2.1 Wer hat die Hörstörung zuerst vermutet? In der Gesamtgruppe von 349 Kindern leiden 268 Kinder an einer beidseitig symmetrischen Schwerhörigkeit. Bei 222 dieser 268 Kinder konnten Angaben zu Personen gefunden werden, die den Hörschaden zuerst vermutet haben. In den Gruppen der leicht-, mittel- und hochgradig schwerhörigen Kinder sowie in der Gruppe der resthörigen Kinder wurde der Verdacht auf eine Hörstörung am häufigsten von den Eltern geäußert. Die Eltern (n=95) nehmen mit 42,8 % die führende Position unter den Personen ein, die eine Hörstörung zuerst vermutet haben. Die Geburts- oder Kinderklinik vermutete in 28,8 % der Fälle eine Hörstörung, so auch bei dem einen an Taubheit grenzend schwerhörigen Kind. Tabelle 1: Prozentuale Verteilung der Personen, die eine Hörstörung als erste vermutet haben; Angaben bezogen auf den Grad der beidseits symmetrischen Schwerhörigkeiten; n=222 Kinder mit beidseits symmetrischer Hörstörung und Angaben zur ersten Vermutung eines Hörschadens; in Klammern die Zahl der vom jeweiligen Schweregrad betroffenen Kinder. n=222 Kinder Eltern Kinderarzt HNOArzt Klinik Kindergarten/ Schule andere selbst leichtgradig (12) 50 25 0 16,7 0 8,3 0 mittelgradig (75) 41,3 20 6,7 22,7 5,3 4 0 hochgradig (88) 40,9 13,6 0 37,5 3,4 4,5 0 resthörig (46) 46,8 10,6 6,4 23,9 0 10,6 0 an Taubheit grenzend (1) 0 0 0 100 0 0 0 42,8 15,8 3,6 28,8 3,2 5,9 0 15 Bei 36 der 47 einseitig schwerhörigen Kinder ist bekannt, wer den ersten Verdacht auf einen Hörverlust geäußert hat. Wie bei den beidseits symmetrisch hörgestörten Kindern hatten auch bei den einseitig schwerhörigen Kindern die Eltern unabhängig vom Grad der Hörstörung in der Mehrzahl der Fälle (50%) eine erste Vermutung. In jeweils 16,7% der Fälle vermuteten Kinderarzt und Klinik eine Hörstörung. Drei Kinder (8,3%) bemerkten selbst eine Beeinträchtigung ihres Hörvermögens. Tabelle 2: Prozentuale Verteilung der Personen, die eine Hörstörung als erste vermutet haben; Angaben bezogen auf den Grad der einseitigen Schwerhörigkeiten; n=36 Kinder mit einseitiger Hörstörung und Angaben zum ersten Verdacht eines Hörschadens; in Klammer die Zahl der vom jeweiligen Schweregrad betroffenen Kinder. n=36 Kinder Eltern Kinderarzt HNOArzt Klinik Kindergarten/ Schule andere selbst leichtgradig (1) 100 0 0 0 0 0 0 mittelgradig (4) 50 25 0 25 0 0 0 hochgradig (14) 57,1 7,1 7,1 21,4 0 0 7,1 resthörig (16) 43,8 25 0 12,5 6,3 0 12,5 an Taubheit grenzend (1) 0 0 0 0 100 0 0 50 16,7 2,8 16,7 5,6 0 8,3 16 3.2.2 Vorstellungsgrund Die Frage nach dem Grund für die Vorstellung im Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln konnte anhand der Akten mit Ausnahme von zwei Kindern geklärt werden. Dabei waren in vielen Fällen mehrere Gründe ausschlaggebend. In der Abbildung sind demnach Mehrfachnennungen berücksichtigt, weshalb die Gesamtzahl der Gründe 349 übersteigt. Am häufigsten waren Auffälligkeiten bzgl. des Hörens (n=241; 60%). Hierzu zählten Unaufmerksamkeit, schlechtes Hören und Verzögerungen in der Hörentwicklung. Sprachauffälligkeiten, beispielsweise fehlerhafte Aussprache oder eine verzögerte Sprachentwicklung, und Kontrolle der Hörgeräte wurden jeweils 64 (16%) mal genannt. In dreizehn Fällen wurden die Kinder vorgestellt, um eine zweite Meinung bezüglich des Gehörs, der Sprachentwicklung oder der Hörgeräteversorgung einzuholen. Bei elf Kindern (3%) war eine Neuversorgung mit Hörgeräten Anlaß zur Vorstellung. Präoperativ wurden sieben Kinder (2%) erstmals in der Abteilung gesehen, Schulprobleme erforderten in drei Fällen (1%) eine Untersuchung des Gehörs. Vorstellungsgrund Hören 59% Sprache 16% Schulprobleme 1% HG-Neuversorgung Präoperativ 3% 2% HG-Kontrolle 16% Zweite Meinung 3% Abb. 4: Gründe für die Erstvorstellung im Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln; Mehrfachnennungen waren möglich, daher übersteigt die Gesamtzahl der Gründe 349. 17 3.2.3 Wer hat überwiesen? Die Kinder wurden in erster Linie von Pädiatern in das Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln überwiesen (n=198; 57%). 64 Kinder (18%) wurden im Rahmen eines stationären Aufenthaltes in der Kinderklinik Datteln konsiliarisch in der Abteilung vorgestellt. Die stationäre Aufnahme erfolgte in diesen Fällen nicht aus phoniatrisch-pädaudiologischer Indikation. In 42 Fällen (12%) kam es auf Initiative des HNO-Arztes zu einer Vorstellung. Weitere 22 Kinder (6%) wurde von anderen Ärzten überwiesen (z.B. Allgemeinmediziner). Bei 23 Kindern konnte der überweisende Arzt nicht ermittelt werden. Wer hat überwiesen? (n=349) Pädiater 56,7% konsiliarisch 18,3% keine Angabe 6,6% Sonstige 6,3% HNO-Arzt 12% Abb. 5: Prozentuale Verteilung der Ärzte und Abteilungen, die die Kinder in das Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln überwiesen haben. 18 3.2.4 Zeitlicher Versorgungsverlauf Unter den in Datteln erstversorgten Kindern befinden sich 180 Kinder mit einer beidseitig lokalisierten, symmetrisch ausgeprägten Schwerhörigkeit. Durchschnittlich wurde bei diesen 180 Kindern im Alter von 24,3 Monaten ein erster Verdacht geäußert. Die erste Vorstellung in der Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln erfolgte mit durchschnittlich 37,6 Monaten, eine erste Hörgeräteversorgung mit 43,4 Monaten. Bei den leichtgradig schwerhörigen Kindern (n=14) liegt das durchschnittliche Alter bei Verdacht bei 24 Monaten. Bei den mittelgradig hörgestörten Kindern (n=75) lag der Verdachtszeitpunkt durchschnittlich bei 34,4 Monaten. Erwartungsgemäß wurde der Verdacht auf eine Hörstörung bei den hochgradig schwerhörigen Kindern (n=69) mit durchschnittlich 17,9 Monaten früher gestellt als bei den schwächer hörgestörten Kindern, während die resthörigen Kinder (n=22) bereits mit durchschnittlich 11,4 Monaten auffällig wurden. Das Alter der Kinder bei Erstvorstellung in der Abteilung nimmt mit zunehmendem Grad der Hörstörung ab. So wurden die leichtgradig schwerhörigen Kinder mit einem Durchschnittsalter von 51,7 Monaten erstmals in der Pädaudiologie in Datteln vorgestellt, während die resthörigen Kinder bereits mit durchschnittlich 15,2 Monaten vorgestellt wurden. Ebenso wie das Alter bei Erstvorstellung nimmt auch das Alter der Kinder bei Erstversorgung mit einem Hörgerät mit zunehmender Hörstörung ab. Mit durchschnittlich 65,8 Monaten wurden die leichtgradig schwerhörigen Kinder mit einem Hörgerät versorgt, während den resthörigen Kinder bereits mit einem Durchschnittsalter von 16,6 Monaten zum ersten Mal ein Hörgerät angepaßt wurde. 19 65,8 70 Alter in Monaten 60 51,7 50 40 30 46,6 51,3 34,7 31,9 34,4 24 20 15,2 16,6 11,4 17,9 10 0 leichtgradig (14) mittelgradig (75) hochgradig (69) resthörig (22) Grad der Hörstörung Alter bei Verdacht Alter bei Erstvorstellung Alter bei Erstversorgung Abb. 6: Durchschnittliches Alter in Monaten bei Vermutung einer Hörstörung, Erstvorstellung in der Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln und Erstversorgung mit einem Hörgerät; n=180 Kinder mit beidseits symmetrischer Hörstörung, die in Datteln erstmals mit einem Hörgerät versorgt wurden. 20 Unter den 47 einseitig schwerhörigen Kinder im Gesamtkollektiv haben 41 Kinder ihr erstes Hörgerät in Datteln erhalten. Unabhängig vom Grad der Hörstörung betrug das Durchschnittsalter der Kinder bei Verdacht 51,1 Monate. Mit 82,6 Monaten wurden die Kinder durchschnittlich zum ersten Mal in Datteln vorgestellt, während im Durchschnittsalter von 95,2 Monaten ein einseitig schwerhöriges Kind sein erstes Hörgerät bekam. Das durchschnittliche Verdachtsalter stieg von 32 Monaten bei den leicht- und mittelgradig hörgestörten Kindern bis auf 61 Monate bei den an Taubheit grenzend schwerhörigen Kindern. Dementsprechend waren die leichtgradig hörbehinderten Kinder bei Erstvorstellung in Datteln mit durchschnittlich 35 Monaten am jüngsten, während die beiden Kinder mit an Taubheit grenzender Hörbehinderung mit im Durchschnitt 104,5 Monate dreimal so alt waren. Die mittelgradigen Hörverluste wurden im Mittel mit 88 Monaten wider Erwarten spät erstmals in der Abteilung abgeklärt. Das Durchschnittsalter bei Erstversorgung mit einem Hörgerät betrug bei den leichtgradig schwerhörigen Kinder 71 Monate und erreicht mit 106,3 Monaten bei den einseitig resthörigen Kindern ein Maximum. Knapp darunter liegt das Durchschnittsalter der an Taubheit grenzend schwerhörigen Kinder (106 Monate). Entsprechend des im Vergleich hohen Alters bei Erstvorstellung wurden die mittelgradig betroffenen Kinder im Mittel mit 101,8 Monaten spät vorgestellt. 21 120 Alter in Monaten 106,3 94,7 101,8 100 88 80 71 83,2 70,3 60 40 32 35 104,5 106 60,4 61 37,7 32 20 0 leichtgradig (1) mittelgradig (6) hochgradig (17) resthörig (15) an Taubheit grenzend (2) Grad der Schwerhörigkeit Alter bei Verdacht Alter bei Erstvorstellung Alter bei Erstversorgung Abb. 7: Durchschnittliches Alter in Monaten bei Vermutung einer Hörstörung, Erstvorstellung in Datteln und Erstversorgung mit einem Hörgerät; n=41 Kinder mit einseitiger Hörstörung, die in Datteln erstmals mit einem Hörgerät versorgt wurden. 22 3.3 Versorgungsverlauf II 3.3.1 Erstvorstellungen pro Jahr Seit Gründung des Instituts für Phoniatrie und Pädaudiologie 1989 in Datteln bis zum April 1999 befanden sich unter den Erstvorstellungen mehr als 349 Kinder, die an einer hörgerätepflichtigen Hörstörung leiden. Hierzu sind sowohl diejenigen Kinder zu zählen, die bereits in einer anderen Abteilung mit einem Hörgerät versorgt wurden, als auch die Kinder, die in Datteln im Anschluß an die Erstvorstellung ihr erstes Hörgerät erhalten haben. Bezogen auf die 349 von uns untersuchten Kinder waren in den ersten drei Jahren des Bestehens des Instituts unter den Erstvorstellungen 1988 elf, 1989 vierzehn und 1990 neun Kinder mit einer hörgerätepflichtigen Hörschädigung. 1991 kam es zu einer starken Zunahme von Neuvorstellungen hörgerätepflichtiger Kinder, deren Anzahl in den darauffolgenden drei Jahren relativ konstant blieb (1991: 33 Erstvorstellungen (=EV); 1992: 31 EV; 1993: 30 EV; 1994: 31 EV). Die größte Zahl hörgerätepflichtiger Kinder kam 1995 (n=52). Von 1996 bis 1998 war die Zahl der Erstvorstellungen nahezu konstant (1996: 45 EV; 1997: 46 EV; 1998: 45 EV). Unter den Erstvorstellungen bis zum April 1999 waren zwei Kinder, die ein Hörgerät benötigten. Erstvorstellungen hörgerätepflichtiger Kinder pro Jahr (n=349) Anzahl der Erstvorstellungen 60 52 45 50 40 33 31 30 46 45 31 30 20 10 0 11 14 9 2 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Jahr Abb. 8: Zahl der Erstvorstellungen hörgerätepflichtiger Kinder in den Jahren seit Bestehen des Instituts in Datteln; n=349 Kinder aus der Gruppe aller Kinder mit Hörgeräten, die in Datteln behandelt wurden. 23 3.3.2 Wartezeit im Verlauf der Jahre Von den 349 Kindern waren 243 Kinder bei Erstvorstellung in der Abteilung noch nicht mit einem Hörgerät versorgt. 99 Kinder hatten bereits in einer anderen Abteilung ein Hörgerät erhalten. Bei sieben Kindern konnte den Unterlagen nicht entnommen werden, ob bereits eine Versorgung stattgefunden hatte. Die durchschnittliche Wartezeit in der Gesamtgruppe (n=349 Kinder) betrug unabhängig vom Alter bei Erstvorstellung und dem Vorstellungsjahr neun Wochen. Dabei erhielten die Kinder, die noch kein Hörgerät hatten, bereits nach durchschnittlich 7,7 Wochen einen Termin, während die schon mit Hörgeräten versorgten Kinder erst nach durchschnittlich 12,1 Wochen einbestellt wurden. Betrachtet man die Wartezeiten der drei Gruppen in den einzelnen Jahren, so wird deutlich, daß die noch nicht mit Hörgeräten versorgten Kinder in allen Jahren im Durchschnitt früher einen Termin erhalten haben, als die bereits versorgten Kinder. Es wird zudem deutlich, daß die durchschnittliche Wartezeit in der Gesamtgruppe lediglich in den ersten Jahren nach Gründung des Instituts (1988 bis 1993) stetig zunahm, während sie seit 1993 bis 1998 etwa konstant geblieben ist. Wartezeit in Wochen Wartezeit in einzelnen Jahren 25 20 15 10 5 0 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 Jahr der Erstvorstellung Kinder gesamt Kinder o. HG 1996 1997 1998 1999 Kinder m. HG Abb. 9: Durchschnittliche Wartezeit der Gesamtgruppe und der Kinder mit und ohne Hörgerät bei Erstvorstellung in Datteln im Laufe der Jahre seit Bestehen des Instituts; Wartezeit gleich Null bedeutet, daß die Wartezeit unter einer Woche liegt; HG=Hörgerät. 24 3.3.3 Wartezeit in verschiedenen Altersgruppen Eine Einteilung der Kinder nach ihrem Alter bei Erstvorstellung macht deutlich, daß die Wartezeit mit zunehmendem Alter der Kinder ebenfalls nahezu beständig zunimmt. Je jünger die Kinder bei Terminabsprache, desto zügiger erhalten sie einen Termin und werden der Diagnostik zugeführt. Diese Tendenz läßt sich sowohl in der Gruppe der noch nicht wie auch in der Gruppe der schon mit einem Hörgerät versorgten Kinder erkennen. Kinder bis zum Alter von zwei Monaten, die noch kein Hörgerät hatten, haben im Durchschnitt in weniger als einer Woche einen Termin in der Abteilung bekommen, während die bei Erstvorstellung drei bis sechs Monate alten Kinder etwa drei Wochen auf einen Termin warten mußten. An die bei Erstvorstellung zwischen sieben Monate und zwei Jahre alten Kinder konnte innerhalb von sechs bis sieben Wochen ein Termin vergeben werden. Die längste Wartezeit in dieser Gruppe hatten die Kinder im Alter zwischen sechs und sieben Jahren. Sie wurden durchschnittlich nach 12 Wochen vorgestellt. Wartezeit in Wochen Wartezeit der noch nicht HG-versorgten Kinder (n=243) 14 12 10 8 6 4 2 0 12 6,7 9,6 8,2 13 bis 24 25 bis 60 61 bis 72 (27) (72) (23) >72 (55) 6,3 3,2 0,6 bis 2 (25) 3 bis 6 (16) 7 bis 12 (25) Vorstellungsalter in Monaten Abb. 10: Durchschnittliche Wartezeit in Wochen der bei Erstvorstellung in Datteln noch nicht mit einem Hörgerät versorgten Kinder; in Klammern die Anzahl der Kinder in den einzelnen Altersgruppen; Altersangaben in Monaten; HG=Hörgerät. 25 Das jüngste bereits mit einem Hörgerät versorgte Kind wurde im Alter von fünf Monaten nach einer Wartezeit von acht Wochen vorgestellt. Etwas länger mußten die sieben bis zwölf Monate alten Kinder durchschnittlich auf einen Termin warten. Für die Ein- bis Zweijährigen konnte nach durchschnittlich etwa zehn Wochen ein Termin vergeben werden, zwei Wochen länger mußten die Kinder im Alter zwischen 25 und 60 Monaten warten. Die längste Wartezeit hatten die Kinder mit einem Alter zwischen 61 und 72 Monaten mit durchschnittlich 14 Wochen. Wartezeit in Wochen Wartezeit der HG-versorgten Kinder (n=99) 16 14 12 10 8 6 4 2 0 12,3 14 12,9 25 bis 60 (31) 61 bis 72 (6) >72 (45) 10,2 8 8,3 3 bis 6 (1) 7 bis 12 (7) 13 bis 24 (9) Vorstellungsalter in Monaten Abb. 11: Durchschnittliche Wartezeit in Wochen der bei Erstvorstellung in Datteln schon mit einem Hörgerät versorgten Kinder; in Klammern die Anzahl der Kinder in den einzelnen Altersgruppen; Altersangaben in Monaten; HG=Hörgerät. 26 3.4 Ätiologie 3.4.1 Risikofaktoren Legt man die von uns in die Betrachtung einbezogenen Risikofaktoren zugrunde, so weist die Mehrzahl der Kinder einen Risikofaktor für eine Schwerhörigkeit auf (150 Kinder; 43%). 64 Kinder (18,3%) sind durch jeweils zwei Risikofaktoren prädisponiert, eine Hörstörung zu erleiden. In 11,4% der Fälle (n=40) fanden sich drei Risikofaktoren, bei 25 Kindern (7,1%) vier Risikofaktoren. Fünf Risikofaktoren zeigten zehn Kinder (2,9%), während drei Kinder (0,9%) von sechs Risikofaktoren betroffen sind. Jeweils zwei Kinder haben sieben bzw. acht Risikofaktoren für eine Hörstörung. In den letztgenannten vier Fällen handelt es sich um Frühgeburten. Bei 15,2% der Kinder (n=53) fehlen Angaben zu Risikofaktoren, oder sie haben keinerlei bekannte Risikofaktoren für eine Schwerhörigkeit. Tabelle 3: Übersicht darüber, wieviele Kinder wieviele Risikofaktoren haben; k. A. bedeutet, daß keine Angaben zu Risikofaktoren vorhanden sind. Zahl der Kinder Prozentanteil 1 Risikofaktor (RF) 150 43% 2 RF 64 18,3% 3 RF 40 11,4% 4 RF 25 7,1% 5 RF 10 2,9% 6 RF 3 0,9% 7 RF 2 0,6% 8 RF 2 0,6% 0 RF bzw k.A. 53 15,2% 349 100% 27 Eine detaillierte Aufschlüsselung, in welcher Häufigkeit die einzelnen Risikofaktoren im Gesamtkollektiv auftraten und wie oft sie als Ursache angenommen werden konnten, ist zusammengestellt. 28 in der folgenden Übersicht Tabelle 4: Übersicht über die Häufigkeit des Auftretens der einzelnen Risikofaktoren (Mehrfachnennungen möglich; daher Gesamtzahl > 349) und ihren Anteil an den vermuteten Ursachen (Prozentzahlen bezogen auf n=349 Kinder bzw. n=349 Ursachen ihrer Schwerhörigkeit); RF=Risikofaktor. Anzahl der RF RF als Ursache Hereditäre Risikofaktoren 204 85 (24,4%) • • • 72 63 69 48 (13,8%) 25 (7,2%) 12 (3,4%) Erworbene Risikofaktoren 392 63 (18,1%) Pränatal 49 12 (3,4%) • • • • 10 5 25 9 5 (1,4%) 1 (0,3%) 6 (1,7%) 0 Perinatal 140 9 (2,6%) • • • • 20 36 3 28 1 (0,3%) 5 (1,4%) 0 1 (0,3%) • • Positive Familienanamnese Syndrom Kraniofaziale Fehlbildungen Röteln CMV Plazentainsuffizienz Embryonale Intoxikationen (Alkohol, Nikotin) Mangelgeburt (<1500g) Asphyxie Hyperbilirubinämie Infektion (Sepsis, Amnioninfektionssyndrom) Trauma (Hirnblutung) Langzeitbeatmung 9 0 44 2 (0,6%) Postnatal 203 42 (12,0%) • • • • • • 15 25 8 138 7 10 6 (1,7%) 7 (2,0%) 4 (1,2%) 19 (5,4%) 2 (0,6%) 4 (1,2%) Meningitis Masern Mumps Mittelohrprobleme Ototoxische Medikamente Trauma Keine RF/ Keine Angabe zu RF Unklare Ätiologie Multifaktoriell (mind. zwei Risikofaktoren) 29 53 (15,2%) 49 (14,0%) 99 (28,4%) Heredität als Risikofaktor konnte 204 mal gezählt werden. Die Gesamtzahl der erworbenen Risikofaktoren beläuft sich auf 392. Dabei handelt es sich um 49 pränatal, 140 perinatal und 203 postnatal erworbene Risikofaktoren. Eine positive Familienanamnese bzgl. isoliert auftretender Schwerhörigkeit findet sich bei 72 Kindern als Risikofaktor. 63 Kinder leiden unter einem Syndrom, 69 Kinder zeigen kraniofaziale Fehlbildungen wie Weichgaumenspalten und Fehlbildungen des Innen- oder Mittelohres oder der Ohrmuschel. Unter den pränatal erworbenen Risikofaktoren ist eine Plazentainsuffizienz mit 25 Fällen am häufigsten. Am zweithäufigsten treten Rötelnembryopathien auf (n=10), gefolgt von embryonalen Intoxikationen durch Rauchen und/oder Alkohol in der Schwangerschaft (n=9). Fünf Kinder waren von einer Cytomegalieinfektion betroffen. Langzeitbeatmung führt die Liste der perinatal erworbenen Risikofaktoren an (n=44). Unter einer perinatalen Asphyxie litten 36 Kinder, 28 Kinder waren von einer Sepsis oder einem Amnioninfektionssyndrom betroffen. Mit einem Geburtsgewicht von unter 1500g kamen zwanzig Kinder auf die Welt, neun Kinder erlitten ein perinatale Hirnblutung, bei drei Kindern wurde ein Ikterus gravis diagnostiziert. 138 Kinder der Gesamtgruppe sind von Mittelohrproblemen wie rezidivierenden Paukenergüssen und Otitiden bis hin zu chronischen Mittelohrentzündungen betroffen, an zweiter Stelle der postnatal erworbenen Risikofaktoren sind Masern plaziert (n=25). Fünfzehn Kinder erkrankten an einer Meningitisinfektion, acht Kinder an Mumps. Zehn Kinder waren von einem postnatalen Trauma betroffen, sieben Medikamente. 30 Kinder erhielten ototoxische 3.4.2 Vermutete Ursache In 42,4% der Fälle (n=148) konnte ein Ursache als sicher angenommen oder vermutet werden. 53 Kinder (15,2%) hatten keinerlei Risikofaktoren für eine Hörstörung, oder es fanden sich keine Angaben darüber in den Akten. Ungeklärt ist die Ätiologie der Schwerhörigkeit in 14,0% der Fälle (n=49), d.h. es finden sich zwar Risikofaktoren, diese stehen jedoch weder im zeitlichen noch im kausalen Zusammenhang mit der vorliegenden Hörstörung. 99 Fälle (28,4%) müssen als multifaktoriell bezeichnet werden. Bei 85 Kindern (24,4%) kann davon ausgegangen werden, daß es sich um eine hereditäre Schwerhörigkeit handelt. In 13,8% der Fälle (n=48) läßt eine positive Familienanamnese bzgl. isoliert auftretender Schwerhörigkeit auf eine hereditäre Hörstörung schließen. Bei 25 Kindern (7,2%) ist die Ursache allein auf das Vorhandensein eines Syndroms zurückzuführen, während bei zwölf Kindern (3,4%) kraniofaziale Fehlbildungen ursächlich scheinen. Vermutlich erworben ist die Schwerhörigkeit von 63 Kindern (18,1%). Davon fällt die Ursache bei zwölf Kindern (3,4%) wahrscheinlich in die pränatale Phase, während in nur 2,6% der Fälle (n=9) die Ätiologie aufgrund perinataler Komplikationen als erworben angenommen werden kann. Der überwiegende Anteil der vermutlich erworbenen Hörstörungen ist wahrscheinlich durch postnatale Risikofaktoren bedingt (n=42; 12%). Die häufigste Urasche in der Pränatalphase ist eine Plazentainsuffizienz (n=6; 1,7%), die Entwicklungsstörungen der Frucht bedingen kann. Bei fünf Kindern (1,4%) ist eine Rötelnembryopathie als wahrscheinliche Ursache anzunehmen, bei einem Kind (0,3%) eine intrauterine Cytomegalieinfektion. Unter den perinatalen Komplikationen ist eine Asphyxie mit fünf Fällen (1,4%) am häufigsten für eine Hörstörung verantwortlich. kann davon ausgegangen werden, daß die Bei zwei Kindern (0,6%) Hörstörung auf eine Langzeitbeatmung zurückzuführen ist. Jeweils einmal (0,3%) wird eine perinatale Infektion bzw. ein Geburtsgewicht unter 1500g als Ursache angenommen. 31 Rezidivierende Otitiden und Paukenergüsse nehmen mit neunzehn Fällen (5,3%) den ersten Rang unter den vermutlich postnatal erworbenen Hörstörungen ein. An zweiter Stelle (n=7; 2,0%) folgen Masern als wahrscheinliche Ursache. Hierzu zählt ein Kind mit einer Masernencephalitis. Mumps scheint Ursache für vier der Hörstörungen zu sein (1,2%), ebenso häufig konnte ein Trauma als Ursache angenommen werden. Ototoxische Medikamente konnten nur bei zwei Kindern (0,6%) als alleinige Ursache vermutet werden. 32 4. Diskussion 4.1 Geschlechtsverteilung In dem von uns betrachteten Kollektiv überwiegen mit 54% die Patienten mit männlichem Geschlecht, 46 % der schwerhörigen Kinder sind Mädchen. Ein ähnliches Verhältnis zeigen die Ergebnisse von Hartmann und Hartmann (1998). Sie beziffern den Jungenanteil mit 57%. Bundesweit liegt laut FinckhKrämer et al. (2000) der Anteil der Jungen unter den schwerhörigen Kindern bei 54,4%. Eckel et al. (1998) errechnen einen Jungenanteil von 53,5%. Dagegen finden Vartiainen et al. (1997) unter den Kindern mit bilateraler sensorineuraler Hörstörung ein Überwiegen des weiblichen Geschlechts (53,1%). Bei der Betrachtung der Kinder mit unilateraler sensorineuraler Schwerhörigkeit bemerken Vartiainen und Karjalainen (1998) wiederum einen erhöhten Anteil von Jungen (59,5%). Unsere Ergebnisse werden desweiteren gestützt durch die Ergebnisse von Rütschi (1998), die in einer retrospektiven Untersuchung Daten zur Schwerhörigkeit von 109 Kinder in Freiburg im Zeitraum 1986 bis 1996 erhoben hat. Der Anteil der Jungen liegt bei 55%, 45% der Patienten sind Mädchen. 4.2 Beidseitige Hörstörungen: Art In unseren Untersuchungen findet sich bei 57,1% der beidseitig schwerhörigen Kinder eine sensorineurale Hörstörung. Am zweithäufigsten leiden Kinder an einer Schalleitungsschwerhörigkeit (14%). In 10,3% der Fälle handelt es sich um eine kombinierte Hörstörung. Bei lediglich 1% der Kinder liegt der Schwerhörigkeit eine zentrale Verarbeitungsstörung zugrunde. Verschiedene andere Untersuchungen lassen einen weitaus größeren Anteil sensorineuraler Hörstörungen erkennen. So beziffern Finckh-Krämer et al. (2000) diesen mit 89,8%, Eckel et al. (1998) finden einen Anteil sensorineuraler Schwerhörigkeiten von 94%. Schalleitungsschwerhörigkeiten finden sich in 33 beiden Untersuchungen wesentlich seltener als in dem von uns betrachteten Kollektiv. Mit 4,3% (Finckh-Krämer et al. 2000) und 0,3% (Eckel et al. 1998) liegt der Anteil der Schalleitungsschwerhörigkeiten deutlich unter den von uns erfaßten 14%. Etwa mit unseren Ergebnissen vergleichbare Daten zeigen sich für die Häufigkeit kombinierter Hörstörungen. Finckh-Krämer et al. (2000) beziffern ihren Anteil mit 7,2%, Eckel et al. (1998) mit 6%. Wie in unseren Untersuchungen sind auch bei Finckh-Krämer et al. (2000) etwa 1% der Kinder aufgrund einer zentralen Verarbeitungsstörung schwerhörig. Die Differenz in der Häufigkeit sensorineuraler Hörstörungen könnte damit erklärt werden, daß bei 13,3% der von uns betrachteten Kinder mit beidseitiger Schwerhörigkeit die Art der bestehenden Hörstörung zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht bestimmt war. Desweiteren leiden 4,3% der Kinder an einer Hörstörung, deren Ursache sowohl auf einer zentralen Verarbeitungsstörung, als auch auf einer Schalleitungs- und/oder sensorineuralen Schwerhörigkeit beruht. Bei Veröffentlichung ihrer Ergebnisse nach den ersten zwei Jahren des Bestehens des Deutschen Zentralregisters für kindliche Hörstörungen (DZH) erklären Gross et al. (1998) selbst das geringe Auftreten von Schalleitungsschwerhörigkeiten in ihrer Untersuchung damit, daß in dem Fragebogen des DZH ausdrücklich nach persistierenden Hörstörungen gefragt wird. Zeitweilig bestehende Schalleitungsschwerhörigkeiten - bedingt u.a. durch Paukenhöhlenerguß oder Otitis media - werden nicht berücksichtigt. Alle Untersuchungen bestätigen jedoch die Tatsache, daß erfahrungsgemäß sensorineurale Hörstörungen überwiegen. Angemerkt sei an dieser Stelle, daß Innenohrschwerhörigkeiten im Vergleich zu Schalleitungsschwerhörigkeiten nicht nur zu einer Verzögerung in der Sprachentwicklung führen können, sondern zudem die Sprache qualitativ verändern (Biesalski 1994). Es können sich schwere Sprachstörungen ausbilden. Mit dem Überwiegen der sensorineuralen Hörstörungen treten also überwiegend Hörstörungen auf, die schwerwiegendere Folgen auf die Sprachentwicklung eine Kindes haben können als Schalleitungsschwerhörigkeiten. Ein frühzeitiger und schneller Therapiebeginn sei an dieser Stelle angemahnt, um Störungen in der normalen Sprachentwicklung zu vermeiden. 34 4.3 Beidseitige Hörstörungen: Grad In der Gesamtgruppe von 349 Kindern finden sich 268 Kinder (76,8%), bei denen die Schwerhörigkeit auf beiden Ohren gleichstark ausgeprägt ist. Wie sich die erfaßten Hörstörungen anteilsmäßig auf die unterschiedlichen Grade verteilen, ist vergleichend mit Untersuchungen von Finckh-Krämer et al. (2000) und Rütschi (1998) im folgenden dargestellt: Tabelle 5: Prozentuale Verteilung der Schweregrade beidseitiger Hörstörungen; Vergleich unserer Ergebnisse mit denen von Finckh-Krämer et al. (2000) und Rütschi (1998); in Klammern die in den jeweiligen Studien verwendete Gradeinteilung; die Summe der Prozentsätze in Rütschis Arbeit beträgt nicht 100%, da 3,6% der Kinder in dem von ihr untersuchten Kollektiv nicht nach diesem Einteilungsschema der beidseitigen Hörstörungen eingeteilt werden konnten. leichtgradig Eigene Ergebnisse FinckhKrämer et al. (2000) Rütschi (1998) mittelgradig hochgradig resthörig an Taubheit grenzend 6,3% 35,5% 36,9% 20,9% 0,4% (bis 40 dB HL) (41-60 dB HL) (61-90 dB HL) (91-110 dB HL) (>110 dB HL) 23% 36% 16% 25% (<40 dB HL) (40-69 dB HL) (70-94 dB HL) (>=95 dB HL) 7,3% 22,9% 31,2% 35% (20-40 dB HL) (40-60 dB HL) (60-90 dB HL) (>90 dB HL) Die leicht- und mittelgradigen Hörstörungen sind in dem von uns betrachteten Kollektiv in geringerer Zahl vertreten als die höhergradigen Hörstörungen. 6,3% der Kinder leiden an einen leichtgradigen Schwerhörigkeit, einen ähnlich großen Anteil findet Rütschi (1998) in ihrer Untersuchung (7,3%). FinckhKrämer et al. (2000) dagegen beziffern den Anteil der leichtgradig schwerhörigen Kinder mit 23%. Von Seiten des DZH wurde zu diesem Zahlenverhältnis schon 1998 bemerkt, daß die leichtgradigen Schwerhörigkeiten zwar relativ häufig gezählt wurden, der Prozentsatz resthöriger Kinder aber weitaus größer sei als derjenige der Erwachsenen, die an einer resthörigen Schwerhörigkeit leiden (Gross et al. 1998). Deutlich tritt in unseren Ergebnissen der hohe Anteil der Kinder mit einem Hörverlust von mehr als 60 dB HL hervor (58,2%). Rütschi (1998) berichtet, daß sogar 66,2% der Schwerhörigkeiten ein Hörverlust von mehr als 60 dB HL 35 zugrundeliegt. Bundesweit treten laut Finckh-Krämer et al. (2000) hochgradige und resthörige Hörverluste mit 41% in geringerem Umfang auf. Ein Grund dafür könnte sein, daß Finckh-Krämer et al. (2000) die Gradeinteilung etwas anders wählen. Als mittelgradige Schwerhörigkeit bezeichnen sie Hörverluste zwischen 40 und 69 dB HL, als hochgradige Schwerhörigkeiten Hörverluste zwischen 70 und 94 dB HL. Somit fallen nach ihrer Einteilung einige Hörverluste unter mittelgradige Hörstörungen, die nach unserer Einteilung zu den hochgradigen Hörstörungen gezählt würden. Alle Ergebnisse lassen klar das Überwiegen höhergradiger Hörverluste von mehr als 60 dB HL erkennen. Diese Tatsache ist beängstigend, wenn man bedenkt, welche Auswirkungen eine derart ausgeprägte Schwerhörigkeit auf beiden Ohren nicht nur auf die Sprachentwicklung eines Kindes hat. Mit Verzögerungen in der Sprachentwicklung ist bereits ab einem Hörverlust von 26 dB HL zu rechnen. Bei Hörschwellen zwischen 50 und 70 dB HL kann es zu schweren Sprachstörungen kommen. Liegt die Hörschwelle über 80 dB HL, bleibt die spontane zwischenmenschliche Sprachentwicklung Kontakte in aus erster (Biesalski Linie über 1994). die Da Sprache zustandekommen, besteht bei schwerhörigen Kindern die Gefahr der sozialen Isolation, die nicht zuletzt Einfluß auf das Seelenleben eines Kindes nimmt. Es können Mißtrauen, Aggressivität und Rückzug folgen. Auch die durch die Hörstörung bedingte „Andersartigkeit“, u.a. durch den Besuch von Sondereinrichtungen, wirkt sich nachteilig auf die Entwicklung des Kindes aus. Es sei an dieser Stelle deshalb darauf verwiesen, wie bedeutend die frühe Diagnose und Therapie kindlicher Hörstörungen ist. Ein frühzeitiger Therapiebeginn kann in Kombination mit adäquaten Förderungsmaßnahmen eine normale Sprachentwicklung und damit eine normale seelische und soziale Entwicklung gewährleisten. 36 4.4 Wer hat die Hörstörung zuerst vermutet? Von 222 Kindern der 268 Kinder mit einer beidseits symmetrisch ausgeprägten Schwerhörigkeit liegen uns Angaben zu Personen vor, die die Vermutung auf eine Hörstörung erstmalig gestellt haben. Der Grad der Schwerhörigkeit bleibt in der folgenden Aufstellung unberücksichtigt. Da in der Befragung von Hartmann und Hartmann (1998) Mehrfachnennungen möglich waren, übersteigen die Prozentsätze in der Summe 100%. Nicht aufgeführt sind bei den Ergebnissen von Blocher (1994) die Kinder, bei denen nicht bekannt ist, wer den ersten Verdacht hatte. Ihr Anteil beträgt 17%. Tabelle 6: Prozentuale Verteilung der Personen, die eine Hörstörung zuerst vermutet haben; Vergleich unserer Ergebnisse mit denen von Hartmann und Hartmann (1998) und Blocher (1994). Eigene Ergebnisse Hartmann u. Hartmann (1998) Blocher (1994) Eltern 42,8% 72,9% 60% Kinderarzt 15,8% 13,5% HNO-Arzt 3,6% 8,3% 4,0% Sonst. Arzt Geburts-/ Kinderklinik 28,8% 7,9% Kindergarten Schuleintritt 3,2% 3% 0,7% Lehrer Sonstige 17% 5,9% 1,0% 2% 11,1% 1% Besonders auffällig in allen Untersuchungen ist, daß die Eltern in den meisten Fällen eine Hörstörung ihres Kindes vermutet haben. In der Befragung von Hartmann und Hartmann (1998) äußerten mit 72,9% über zwei Drittel der Eltern einen ersten Verdacht. Unsere Untersuchungen ergaben, daß 42,8% der Eltern als erste eine Schwerhörigkeit vermutet haben, Blocher (1994) berichtet von einem Elternanteil von 60%. Wie unsere Untersuchung der einseitigen 37 Hörstörungen zeigt, sind es auch hier mit einem Anteil von 50% die Eltern, die in der Mehrzahl der Fälle einen ersten Verdacht hegten. Kinderärzte, HNO-Ärzte und andere Ärzte waren es, die bei 19,4% der Kinder in unserer Betrachtung eine erste Vermutung äußerten. Hartmann und Hartmann (1998) berichten, daß 25,8% der Personen, die eine Hörstörung erstmals vermutet haben, Ärzte waren, Blocher (1994) schreibt von 17%. Die Tatsache, daß das Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln in eine Kinderklinik eingegliedert ist, die u.a. auch über eine Abteilung für Neonatologie verfügt, bedingt, daß vor allem Früh- und komplizierte Geburten, die oftmals mit zahlreichen Risikofaktoren für eine kindliche Schwerhörigkeit verbunden sind, auf Anraten des kompetenten und erfahrenen Personals schon frühzeitig in der Abteilung unter dem Verdacht eines möglichen Hörverlustes untersucht werden. Aus diesem Grund entfällt der hohe Prozentsatz von 28,8% auf das Personal von Kinder- und Geburtskliniken als die Personen, die eine Schwerhörigkeit als erste vermutet haben. Diese Tatsache erklärt möglicherweise auch, weshalb in der Befragung von Hartmann und Hartmann (1998) deutlich mehr Eltern den ersten Verdacht geäußert haben als bei den Kindern unseres Kollektivs. Bei zahlreichen Kindern unserer Untersuchungsgruppe war schon von seiten der Geburts- oder Kinderklinik ein Verdacht erhoben worden, bevor überhaupt die Eltern Auffälligkeiten am Hörvermögen ihres Kindes bemerken konnten. Ebenfalls verbunden mit der besonderen Stellung des Instituts als Teil einer Kinderklinik könnte im Vergleich zu den von Hartmann und Hartmann (1998) ermittelten Zahlen der niedrige Anteil der Kinder sein, deren Hörstörung zuerst von Seiten der Kindergartenerzieher, Lehrer oder bei der Schuleintrittsuntersuchung bemerkt wurde. Mit 3,2% ist dieser Anteil um zwei Drittel geringer als im betrachteten Kollektiv von Hartmann und Hartmann (1998) (9,6%). 38 4.5 Vorstellungsgrund Es gibt verschiedene Gründe, weshalb die Kinder zum ersten Mal in der phoniatrisch-pädaudiologischen Abteilung in Datteln vorgestellt wurden. Diese haben wir den Gründen für die Vermutung eines Hörschadens gegenübergestellt, die von Hartmann und Hartmann (1998) erhoben wurden. Die leicht unterschiedliche Fragestellung begründet, weshalb in beiden Untersuchungen neben typischen Gründen wie Auffälligkeiten bzgl. des Hörens (Unaufmerksamkeit, schlechtes Hören, verzögerte Hörentwicklung), verzögerte Sprachentwicklung und Schulprobleme verschiedene weitere Gründe genannt wurden. Da in den Untersuchungen Mehrfachnennungen möglich waren, übersteigt in beiden Fällen die Summe der Prozentsätze 100%. Tabelle 7: Prozentuale Verteilung der Gründe für eine Erstvorstellung in der Dattelner Abteilung (unsere Ergebnisse) bzw. Gründe für die Vermutung eines Hörschadens (Hartmann und Hartmann (1998)); in beiden Untersuchungen waren Mehrfachnennungen möglich; daher übersteigt in beiden Untersuchungen die Summe der Prozentsätze 100%; HG=Hörgerät. Eigene Ergebnisse Hartmann u. Hartmann (1998) Hören 69,1% 67,6% Sprache 18,3% 42,5% Schulprobleme 0,9% 1,9% Vorsorgeuntersuchung 8,5% Hörtest 9,7% Risikofaktoren 3,6% HG-Kontrolle 18,3% HG-Neuversorgung 3,2% 2. Meinung 3,7% Präoperativ 2% 13,6% Sonstige Die Gegenüberstellung zeigt deutlich, daß fehlende und auffällige Hörreaktionen in den meisten Fällen der Grund waren, eine Hörstörung zu vermuten bzw. eine Vorstellung in der phoniatrisch-pädaudiologischen Abteilung zu veranlassen. Hartmann und Hartmann (1998) beziffern den Anteil mit 67,6%, wir finden einen Prozentsatz von 69,1%. Verzögerungen in der Sprachentwicklung nehmen in der Untersuchung von Hartmann und Hartmann 39 (1998) ebenso wie in unserer Betrachtung den zweiten Rang ein. Während wir einen Anteil von 18,3% errechnen, liegt der Prozentsatz mit 42,5% bei Hartmann und Hartmann (1998) deutlich höher. Aus diesen hohen Werten läßt sich schließen, daß eine Vielzahl der Hörstörungen erst zu einem Zeitpunkt erkannt wird, zu dem das eingeschränkte Hörvermögen schon Einfluß auf die Sprachentwicklung des Kindes negativen genommen hat. Vorsorgeuntersuchungen und frühzeitige Hörtests sollten so angelegt sein, daß eine möglichst frühe Diagnose von Hörstörungen gestellt werden kann und die Kinder keine Einschränkungen in ihrer sprachlichen, aber auch seelischen und sozialen Entwicklung erfahren müssen. Hierzu würde ein NeugeborenenHörscreening beitragen, um zumindest die Kinder mit angeborener Schwerhörigkeit frühstmöglich identifizieren zu können. Die Bedeutung des Neugeborenen-Hörscreenings wird im folgenden im Zusammenhang mit dem Versorgungsverlauf und der Ursache noch genauer dargestellt. Ebenso häufig wie sprachliche Auffälligkeiten wurde mit 18,3% die Kontrolle der Hörgeräte als Vorstellungsgrund in Datteln genannt. Hieran werden bereits die Unterschiede in der Fragestellung und die verschiedenen Strukturen der beiden Untersuchungen deutlich. Die Frage von Hartmann und Hartmann (1998) bezieht sich auf einen Zeitpunkt, zu dem die Kinder noch nicht diagnostiziert und mit einem Hörgerät versorgt waren. Bei 41,8% (n=146) der 349 Kinder in unserer Gesamtgruppe wurde bereits in einer anderen Abteilung eine Schwerhörigkeit diagnostiziert, 28,4% dieser 146 Kinder waren zum Zeitpunkt der Erstvorstellung in Datteln schon mit einem Hörgerät versorgt. Auffällig ist an den Ergebnissen von Hartmann und Hartmann (1998), daß Vorsorgeuntersuchungen und Hörtests zusammen in nur 18,2% der Fälle den Verdacht auf einen Hörverlust gelenkt haben. Noch geringer ist der Anteil der Kinder, deren Risikofaktoren eine Schwerhörigkeit vermuten ließen. Er beträgt lediglich 3,6%. Hier drängt sich die Vermutung auf, daß die Problematik kindlicher Schwerhörigkeit Hörschadens sowohl ausreichend bekannt und die Risikofaktoren für die Ausbildung eines Eltern als auch sind. Eltern Ärzten und müßten Pflegepersonal nicht frühzeitig über kindliche Schwerhörigkeit und die Risikofaktoren aufgeklärt werden. Ferner müßte die Weiterbildung von Kinder- und HNO-Ärzten auf dem Gebiet der Früherkennung von kindlichen Hörstörungen intensiviert werden. 40 4.6 Versorgungsverlauf Eine Gegenüberstellung der Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zum Alter der beidseitig schwerhörigen Kinder bei erstem Verdacht, bei Erstvorstellung im Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln bzw. Diagnose und bei Erstversorgung mit einem Hörgerät zeigt, daß die von uns ermittelten durchschnittlichen Altersangaben in Monaten etwa dem Bundesdurchschnitt entsprechen. In unserer Untersuchung wurden bei dieser Fragestellung 180 Kinder berücksichtigt, die an einer beidseitigen, symmetrisch ausgeprägten Schwerhörigkeit leiden und in Datteln erstmals mit einem Hörgerät versorgt wurden. Tabelle 8: Durchschnittliches Alter (in Monaten) beidseitig schwerhöriger Kinder zum Zeitpunkt der Vermutung eines Hörschadens, der Erstvorstellung bzw. der Diagnose und bei Erstversorgung mit einem Hörgerät; Vergleich unserer Ergebnisse mit denen von Hartmann und Hartmann (1998) und Rütschi (1998); der Grad der Hörstörung bleibt in dieser Gegenüberstellung unberücksichtigt. n=180 Kinder Alter bei Verdacht Alter bei Erstvorstellung/ Diagnose Alter bei Erstversorgung Eigene Ergebnisse 24,3 37,6 43,4 Hartmann u. Hartmann (1998) 22,6 31,4 35,7 Rütschi (1998) 20,5 23,9 29,2 Das Durchschnittsalter der von uns betrachteten 180 Kinder liegt zu allen Zeitpunkten zum Teil deutlich über dem der Kinder in den anderen Studien. Eine detaillierte Gegenüberstellung der Altersangaben in Abhängigkeit vom Grad der Hörstörung präsentiert allerdings ein differenzierteres Bild, welches unsere Daten im Bereich des Bundesdurchschnitts zeigt, zum Teil etwas schlechter, zum Teil aber auch deutlich besser, besonders in Bezug auf die resthörigen Kinder. 41 Grundsätzlich ist festzuhalten, daß beidseitige höhergradige Hörstörungen früher diagnostiziert und apparativ versorgt werden als beidseitig weniger stark ausgeprägte Hörverluste. Allerdings stoßen wir auf hohe Durchschnittsalter bei Verdacht, lange Wartezeiten zwischen dem Zeitpunkt der Vermutung und der Diagnose und vereinzelt auf eine verzögerte Hörgeräteversorgung. Auf einzelne Punkte soll im folgenden eingegangen und mögliche Ursachen diskutiert werden. An dieser Stelle sei auf die Unterschiede in der Festlegung der Gradeinteilung von Hörstörungen in den verschiedenen Studien hingewiesen (Tabelle 10). Tabelle 9: Definition der Gradeinteilung von Hörstörungen in den verschiedenen Studien. Eigene Untersuchung Finckh-Krämer et al. (2000) Hartmann u. Hartmann(1998) Rütschi (1998) leichtgradig mittelgradig hochgradig resthörig bis 40 dB HL 41 – 60 dB HL 61 – 90 dB HL 91 – 110 dB HL < 40 dB HL 40 – 69 dB HL 70 – 94 dB HL >= 95 dB HL 20 – 30 dB HL 30 – 60 dB HL 60 – 90 dB HL > 90 dB HL 20 – 40 dB HL 40 – 60 dB HL 60 – 90 dB HL > 90 dB HL Im folgenden ist eine Gegenüberstellung des durchschnittlichen Alters zu den verschiedenen Zeitpunkten zu finden. Der Vergleich unserer Ergebnisse mit den Ergebnissen von Finckh-Krämer et al. (2000), Hartmann und Hartmann (1998) und Rütschi (1998) erfolgt in Abhängigkeit vom Grad der beidseitigen Schwerhörigkeit. Die Daten von Finckh-Krämer et al. (2000) zum Alter der Kinder bei Vermutung, Diagnose und Therapiebeginn wurden aus den veröffentlichten Graphiken abgeschätzt, da genaue Zahlenangaben in dem vorliegenden Artikel nicht vorhanden waren. Trotz der übersichtlichen und genauen Graphiken könnten deshalb die Werte von den exakt ermittelten Zahlen abweichen. 42 Tabelle 10-13: Durchschnittliches Alter (in Monaten) der Kinder zum Zeitpunkt der Vermutung eines Hörschadens, der Erstvorstellung bzw. der Diagnose und bei Erstversorgung mit einem Hörgerät; Vergleich unserer Ergebnisse mit denen von Finckh-Krämer et al. (2000), Hartmann und Hartmann (1998) und Rütschi (1998); Altersangaben in Abhängigkeit vom Grad der Hörstörung (siehe jeweilige Tabelle). Tabelle 10: Beidseitig leichtgradig schwerhörige Kinder. leichtgradig Alter bei Verdacht Alter bei Erstvorstellung/ Diagnose Alter bei Erstversorgung Eigene Ergebnisse 24,0 51,7 65,8 Finckh-Krämer et al. (2000) 58 73 78 Hartmann u. Hartmann (1998) 42,2 48,5 56,5 Rütschi (1998) 40,2 41,2 57,3 Tabelle 11: Beidseitig mittelgradig schwerhörige Kinder. mittelgradig Alter bei Verdacht Alter bei Erstvorstellung/ Diagnose Alter bei Erstversorgung Eigene Ergebnisse 34,4 46,6 51,3 Finckh-Krämer et al. (2000) 34 46 49 Hartmann u. Hartmann (1998) 33,1 45,6 50,1 Rütschi (1998) 25,8 31,5 41,9 Tabelle 12: Beidseitig hochgradig schwerhörige Kinder. hochgradig Alter bei Verdacht Alter bei Erstvorstellung/ Diagnose Alter bei Erstversorgung Eigene Ergebnisse 17,9 31,9 34,7 Finckh-Krämer et al. (2000) 16 24 26 Hartmann u. Hartmann (1998) 17,4 26,9 30,5 Rütschi (1998) 21,4 25 28,2 43 Tabelle 13: Auf beiden Ohren resthörige Kinder. resthörig Alter bei Verdacht Alter bei Erstvorstellung/ Diagnose Alter bei Erstversorgung Eigene Ergebnisse 11,4 15,2 16,6 Finckh-Krämer et al. (2000) 12 20 24 Hartmann u. Hartmann (1998) 11,9 16,9 19,1 Rütschi (1998) 10,7 13,1 15,1 Unsere Ergebnisse zeigen, daß der Verdacht bei Bestehen einer mittelgradigen Schwerhörigkeit durchschnittlich erst im Alter des Kindes von fast drei Jahren (34,4 Monate) gestellt wurde, was dem Bundesdurchschnitt entspricht. Bei hochgradig schwerhörigen Kindern wurde im Alter von fast 18 Monaten (17,9 Monate) eine Vermutung geäußert, bei resthörigen Kindern im Alter von fast einem Jahr (11,4 Monate). Der Verdacht auf eine Hörstörung des Kindes ist in allen Fällen zu spät gestellt worden. An dieser Stelle ist eine verstärkte Aufklärung von Eltern, Ärzten und Pflegepersonal zu fordern. Eltern müssen auf die Kennzeichen aufmerksam gemacht werden, die auf einen Hörverlust ihres Kindes hindeuten könnten. Ihnen ist desweiteren der Rücken zu stärken, ihrem Verdacht bis zum Beweis des Gegenteils nachzugehen. In diesem Zusammenhang soll ferner ein Neugeborenen-Hörscreening gefordert werden. Die Entscheidung, alle Neugeborenen oder nur die laut Kriterien des Joint Committee on Infant Hearing (JCIH; 2000) als Risikokinder für eine Schwerhörigkeit bezeichneten Säuglinge zu screenen, sollte zugunsten eines generellen Neugeborenen-Hörscreenings getroffen werden. Hierfür spricht die Erkenntnis, daß eine Untersuchung nur der Risikokinder lediglich 50 bis 60% der angeborenen oder perinatal erworbenen Hörstörungen erfassen kann (JCIH 2000). Außerdem haben Untersuchungen von Parving und Salomon gezeigt, daß ein generelles Neugeborenen-Hörscreening das Diagnosealter im betrachteten Untersuchungszeitraum von 18 Monaten auf 11 Monate reduzieren konnte. Darüberhinaus konnte der Anteil der Kinder, deren angeborene Hörstörung im Alter von sechs Monaten diagnostiziert war, von 44 11% auf 29% nahezu verdreifacht werden (Parving und Salomon 1996). Der Vorteil einer frühen Diagnose ist der frühstmögliche Beginn der Anpassung von Hörgeräten, um dem Kind Hörreize anzubieten und so die Möglichkeit einer normalen Sprach- und Persönlichkeitsentwicklung zu geben. Der durchschnittliche Zeitraum zwischen der Vermutung und der Vorstellung in der Abteilung bzw. der Diagnose liegt bei den leichtgradig hörgestörten Kindern bei über zwei Jahren (27,7 Monate), bei den mittel- und hochgradig schwerhörigen Kinder bei über einem Jahr (12,2 Monate; 14 Monate). Bezüglich der mittelgradigen Hörstörungen spiegeln diese Zeiträume den Bundesdurchschnitt wieder (Zeiträume zwischen den einzelnen Zeitpunkten nicht tabellarisch dargestellt, sondern aus den vorliegenden Werten errechnet). Um die hörgestörten Kinder früher zu erfassen, muß die Aufklärungsarbeit vor allem bei den Eltern intensiviert werden, um ihnen mehr Informationen zu kindlicher Schwerhörigkeit zu vermitteln. Sie sind in der Regel die Personen, die die Entwicklung ihres Kindes am intensivsten verfolgen und somit kleinste Veränderungen und Auffälligkeiten wahrnehmen können. Desweiteren ist von Seiten der phoniatrisch-pädaudiologischen Zentren eine zügige Vergabe von Terminen erforderlich, um durch lange Wartezeiten die Diagnostik und den Beginn einer Therapie nicht noch hinauszuzögern. Im Institut in Datteln orientiert sich die Terminvergabe am Alter der Kinder. Zusätzlich wird berücksichtigt, ob Kinder schon mit einem Hörgerät in einer anderen Abteilung versorgt wurden. Die Wartezeit der noch nicht mit einem Hörgerät versorgten Kinder liegt durchschnittlich zwischen etwa vier Tagen für Kinder, die bei Erstvorstellung jünger als zwei Monate sind, und drei Monaten für die bei Erstvorstellung Fünf- bis Sechsjährigen. Hinsichtlich einer möglichst frühzeitigen Diagnose und Therapie hörgestörter Kinder sind diese Werte insofern als positiv zu bewerten, als daß jüngere Kinder früher untersucht werden. Wenn man aber bedenkt, daß die kritische Periode für die akustische Wahrnehmung zum Erwerb von Sprache innerhalb der ersten sechs bis acht Lebensmonate liegt (Gortner; in: Leonhardt (Hrsg.) 1998), scheint eine durchschnittliche Wartezeit von über sechs Wochen der bei Erstvorstellung sieben bis zwölf Monate alten Kinder noch zu lang zu sein. Dieses Problem des Zeitdrucks in der Versorgung könnte ebenfalls mit der Einführung eines 45 generellen Screenings umgangen werden, indem frühzeitig hörauffällige Kinder genauer untersucht und einer Therapie zugeführt werden. Ein Vergleich der Zeiträume zwischen Zeitpunkt der Diagnose und Erstversorgung mit einem Hörgerät bei leichtgradig hörgestörten Kindern läßt in allen Untersuchungen auf eine Spanne zwischen fünf Monaten und über einem Jahr stoßen. Hier stellt sich die Frage, warum bei leichtgradigen Schwerhörigkeiten mit einer apparativen Versorgung so lange gewartet wird. Unsere Ergebnisse und die bundesweiter Untersuchungen zeigen, daß bei mittelgradig schwerhörigen Kindern erwartungsgemäß schneller eine Therapie in die Wege geleitet wird (zwischen 3,0 und 10,4 Monaten). Erfreulich ist die schnelle Versorgung von hochgradig schwerhörigen (2,8 Monate) und resthörigen (1,4 Monate) Kindern in der Dattelner Abteilung. Trotz der raschen Versorgung der Kinder, die an einem Hörverlust leiden, der größer als 60 dB HL ist, bleibt das durchschnittliche Versorgungsalter als zu hoch zu bemängeln. Während resthörige Kinder in Datteln durchschnittlich mit 16,6 Monaten versorgt wurden, waren die hochgradig hörgestörten Kinder mit 34,7 Monaten mehr als doppelt so alt. Legt man die Empfehlungen des JCIH (JCIH 2000) und der NIH-Konsens-Konferenz zur Früherkennung der kindlichen Schwerhörigkeit (National Institute of Health 1993) zugrunde, so sollten alle Kinder in den ersten drei Lebensmonaten auf ihre Hörfähigkeit hin untersucht werden und bei den Kindern, bei denen eine Hörstörung diagnostiziert wurde, innerhalb der ersten sechs Lebensmonate eine Therapie begonnen werden. Um diese Forderungen zu verwirklichen, ist ein generelles NeugeborenenScreening nötig. Dies wird bereits in Belgien, Österreich und in einigen Staaten der USA erfolgreich umgesetzt. Untersuchungen in Colorado haben gezeigt, daß auch in Bezug auf die Kosten-Nutzen-Frage eine generelles Neugeborenen-Hörscreening empfehlenswert ist. Unter Berücksichtigung der Prävalenz kongenitaler Schwerhörigkeit sind die Screeningkosten umgerechnet auf jeden diagnostizierten Fall vergleichbar mit den Kosten für bereits flächendeckend eingesetzte Screeningverfahren zur Diagnose von zum Beispiel Phenylketonurie (Mehl und Thomson 1998). Außerdem sind die Kosten eines generellen Screenings geringer als die Kosten, die durch Therapie und Rehabilitation zu spät diagnostizierter Hörstörungen entstehen (Mehl und 46 Thomson 1998). Darüberhinaus haben u. a. Untersuchungen auf Hawaii ergeben, daß Kinder, die außer einer Schwerhörigkeit keine Auffälligkeiten zeigen, eine altersentsprechende Sprachentwicklung erreichen, wenn sie vor dem sechsten Lebensmonat mit Hörgeräten versorgt werden (Mason und Herrmann 1998). Nicht zuletzt aus dem Wissen, daß ein intaktes Hörvermögen zur normalen Sprachentwicklung als unentbehrliche Grundlage für Kommunikation und Integration in der Gesellschaft notwendig ist, sollten alle Anstrengungen wahrgenommen werden, um ein generelles Neugeborenen-Hörscreening auch in Deutschland einzuführen. Das Alter der einseitig schwerhörigen Kinder bei Vermutung einer Hörstörung, der Erstvorstellung in Datteln und der erstmaligen Versorgung mit einem Hörgerät verhält sich entgegengesetzt zu den Altersangaben beidseitig schwerhöriger Kinder. Je schwerer die einseitige Schwerhörigkeit ausgeprägt war, desto später wurde der Verdacht auf eine Hörstörung gelenkt. Diese Tatsache findet ihre Ursache darin, daß die meisten einseitigen Hörstörungen im Laufe der Kindheit erworben wurden. Hier sind in erster Linie Infektionen wie Meningitis, Masern und Mumps und traumatische Ereignisse zu nennen, die vor allen Dingen zu einseitigen Schwerhörigkeiten mit einer Hörschwelle > 60 dB HL führten. Beide Kinder, die auf einem Ohr an Taubheit grenzend schwerhörig sind, erlitten den Hörschaden durch ein Trauma. Ebenfalls traumatisch bedingt ist die Hörstörung eines resthörigen Kindes. Die meisten resthörigen Kinder leiden infolge einer während der Kindheit erworbenen Infektion an einem einseitigen Hörschaden. Hinzu kommt ein hoher Anteil von Kindern mit einer Hörstörung unklarer Genese. Verantwortlich für die hochgradigen Hörstörungen sind ebenfalls überwiegend Infektionen. Ferner sind unter diesen einseitig hochgradig schwerhörigen Kindern einige, deren Anamnese keine Rückschlüsse auf eine Ursache für die Schwerhörigkeit zuläßt, das heißt, es gab kein Ereignis, welches die Aufmerksamkeit auf eine mögliche Hörstörung des Kindes hätte lenken können. Außerdem kann eine Hörschädigung auf einem Ohr durch das gesunde Ohr bis zu einem gewissen Maß kompensiert werden, so daß eine Hörstörung lange unerkannt bleiben kann. 47 Dennoch sind einseitige Hörstörungen in ihren möglichen Auswirkungen nicht zu unterschätzen. Bess (1982) untersuchte die schulischen Fähigkeiten von einseitig schwerhörigen Kindern im Vergleich zu deren normalhörenden Mitschülern und fand heraus, daß etwa ein Drittel der Kinder mit Hörbehinderung mindestens eine Klasse wiederholen mußte, während keiner ihrer normalhörenden Mitschüler eine Klasse zu wiederholen hatte. Die Kinder leiden an Hör- und Sprachproblemen, haben mit ungenügenden schulischen Leistungen zu kämpfen und zeigen Verhaltensauffälligkeiten. Auch Brookhouser et al. (1991) registrierten ein verstärktes Auftreten von Lern- und Verhaltensauffälligkeiten unter einseitig schwerhörigen Kindern. Es ist deshalb darauf hinzuweisen, nach stattgefundenen Infektionen oder Traumata, die potentiell das Gehör schädigen können, die Hörfunktion der Kinder zu überprüfen, um möglichen Schwierigkeiten in der Entwicklung der Kinder aufgrund einer Hörstörung vorzubeugen. Ausführlichere Ergebnisse zur Problematik der einseitigen Schwerhörigkeit werden im Rahmen einer anderen Arbeit dargestellt. 48 kindlichen 4.7 Vermutete Ursache Aus den Akten der 349 Kinder wurden Angaben zu Risikofaktoren entnommen und im Hinblick auf eine mögliche Ursache betrachtet. Dabei wurde auf die geläufige Einteilung in hereditäre, erworbene und unbekannte/unklare Ursache zurückgegriffen. Tabelle 14: Prozentuale Verteilung der vermuteten Ursache der Schwerhörigkeiten; Vergleich unserer Ergebnisse mit denen von Finckh-Krämer et al. (2000), Eckel et al. (1998), Begall (1992), Rütschi (1998) und Blocher (1994). hereditär erworben unbekannt/ unklar Eigene Ergebnisse 24,4% 18,1% 29,2% Finckh-Krämer et al. (2000) 25% 18% 45% Eckel et al. (1998) 26,1% 43,3% 30,6% Begall u. Pethe (1992) 24% 44% 32% Rütschi (1998) 28,4% 35,8% 30,3% Blocher (1994) 32% 31% 37% In 42,5% (24,4% hereditäre Ursachen und 18,1% erworbene Ursachen) der von uns untersuchten Fälle konnte eine Ursache mit großer Wahrscheinlichkeit benannt werden. Davon entfällt ein Anteil von 24,4% auf hereditäre Schwerhörigkeiten. Die Ergebnisse der anderen Studien unterstreichen diesen Prozentsatz. Begall und Pethe (1992) finden in ihren Untersuchungen ebenfalls 24% hereditäre Uraschen, Finckh-Krämer et al. (2000) ermitteln einen Anteil hereditärer Hörstörungen von 25% zuzüglich 9%, die vermutlich genetischen Ursprungs sind. Bei Eckel et al. (1998), die 314 Kinder mit beidseitiger mittel- oder hochgradiger Schwerhörigkeit untersuchten, liegt der Anteil hereditärer Ursachen mit 26,1% leicht über unserem Wert, während Blocher (1994) und Rütschi (1998) mit 32% und 28,4% den Anteil noch höher 49 beziffern. Rütschi (1998) schreibt ferner von einer Gruppe von Kindern, deren Hörverlust hereditär und/oder erworben zu sein scheint. Es handelt sich dabei um 5,5% der Fälle. Der Prozentsatz der Hörstörungen, die vermutlich auf eine einzelne erworbene Ursache zurückzuführen sind, beträgt in unserer Untersuchung 18,1%. Lediglich Finckh-Krämer et al. (2000) beziffern den Anteil definitiv erworbener Schwerhörigkeiten ebenso niedrig mit 18% zuzüglich einem Anteil von 3%, die vermutlich erworben sind. In allen weiteren Studien liegen die erworbenen Ursachen zwischen 12,9% und 25,9% höher als in unserer Betrachtung. Grund dafür ist wahrscheinlich eine von uns gebildete Gruppe von Kindern, deren Hörverlust multifaktoriell bedingt ist. Es handelt sich um 99 Kinder (28,4%), die mehr als einen Risikofaktor für die Ausbildung einer Schwerhörigkeit haben, der im kausalen und zeitlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Hörstörung steht. Ein Drittel dieser Kinder (n=33) sind Frühgeburten (< 37 Schwangerschaftswoche), deren Risiko, einen Hörverlust zu erleiden, aufgrund der Komplikationen der verkürzten Schwangerschaft und der erforderlichen Intensivbehandlung um ein Vielfaches höher ist als bei Termingeburten. Die Zahl der unklaren Hörstörungen in unserer Untersuchung ist wiederum vergleichbar mit den Zahlen in den anderen Studien. Wir bezeichnen 29,9% der Schwerhörigkeiten als ätiologisch unklar. Davon entfallen 15,2% auf Kinder, die keinerlei Risikofaktoren für die Ausbildung eines Hörverlustes zeigen, während 14% zwar Risikofaktoren haben, diese jedoch weder im kausalen noch im zeitlichen Zusammenhang mit der vorliegenden Schwerhörigkeit stehen und deshalb die Ursache der Hörstörung als unklar bezeichnet werden muß. Die Ergebnisse von Eckel et al. (1998), Begall und Pethe (1992) und Rütschi (1998) stimmen mit 30,6%, 32% und 30,3% weitgehend mit unserem Ergebnis überein. In den Untersuchungen von Finckh-Krämer et al. (2000) ist der Anteil der unklaren Ursachen mit 45% deutlich höher. Der Anteil der Hörstörungen, deren Ursache unklar oder unbekannt ist, beträgt in allen Studien etwa ein Drittel oder mehr. Ein Teil dieser Hörstörungen könnte sicherlich durch eine genauere Anamneseerhebung ätiologisch aufgeklärt werden. Einige Hörstörungen werden aber ursächlich unbekannt bleiben, da keine Risikofaktoren vorhanden sind. 50 Hier könnte ein generelles Neugeborenen-Hörscreening ansetzen, um die von Geburt an schwerhörigen Kinder, die keine angeborenen oder perinatal erworbenen Risikofaktoren haben, frühstmöglich ausfindig zu machen und ihnen eine erforderliche Therapie zukommenzulassen. Bekanntermaßen werden nämlich durch ein Neugeborenen-Hörscreening anhand des Risikofaktorkatalogs des Joint Committee on Infant Hearing (JCIH 2000) nur etwa 50% der angeborenen und perinatal erworbenen Hörstörungen erfaßt (JCIH 2000, Europäischer Konsens zum Neugeborenen-Hörscreening 1998). Desweiteren sollten in regelmäßigen Zeitabständen weitere Vorsorgeuntersuchungen mit Prüfung des Hörvermögens etabliert werden, um Kinder mit postnatal erworbenen und progredienten Hörstörungen zu identifizieren. Eine detaillierte Betrachtung der Ursachen im Vergleich mit anderen Studien zeigt zum Teil erhebliche Differenzen in der Häufigkeit einzelner Ursachen, besonders in der Gruppe der erworbenen Hörstörungen. Verantwortlich dafür ist in erster Linie wahrscheinlich die von uns gebildete Gruppe der Kinder, deren Hörverlust auf eine multifaktorielle Genese zurückzuführen ist. Unsere Untersuchung ergab einen Anteil von 13,8% für Schwerhörigkeiten, deren Ursache aufgrund einer positiven Familienanamnese bzgl. Schwerhörigkeit als hereditär erhoben werden konnte. Blocher (1994) findet in ihrer Erhebung mit 15% eine ähnliche Häufung isoliert vererbter familiärer Schwerhörigkeiten. Rütschi (1998) stößt in 22% der Fälle auf eine familiäre Hörbehinderung. Finckh-Krämer et al. (2000) berichten, daß 32.3% der schwerhörigen Kinder in der Bundesrepublik Deutschland mindestens einen schwerhörigen Angehörigen haben. 18,1% der von uns betrachteten Kinder leiden unter einem Syndrom. Bei 7,2% der Kinder scheint das Syndrom die alleinige Ursache für die Hörstörung zu sein. Laut Finckh-Krämer et al. (2000) sind bundesweit 8% der von ihnen erfaßten Schwerhörigkeiten mit einem Syndrom assoziiert. Kraniofaziale Fehlbildungen treten in unserem Kollektiv bei 19,8% der Kinder als Risikofaktor auf. Nur bei 3,4% aller Kinder ist in diesen Fehlbildungen die alleinige Ätiologie der Hörminderung zu suchen. Finckh-Krämer et al. (2000) ermitteln einen Prozentsatz von 14% für schwerhörige Kinder, deren Hörstörung auf eine kraniofaziale Fehlbildung zurückzuführen ist. 51 Der Vergleich der erworbenen Risikofaktoren bzw. Hörstörungen läßt größere Differenzen erkennen. Während zehn der von uns betrachteten Kinder (2,9%) unter den Folgen einer Rötelnembryopathie leiden, ist sie nur bei der Hälfte der Kinder (n=5; 1,4%) als alleinige Ursache anzusehen. Mehr als doppelt so groß ist der Anteil in den Arbeiten von Rütschi (1998) mit 3,7% und Blocher mit 5%. Vartiainen et al. (1997), die 98 beidseitig sensorineural schwerhörige Kinder in Finnland untersuchten, konnten in 3,1% der Fälle eine Rötelnembryopathie als Ursache ermitteln. In der Untersuchung von Eckel et al. (1998) im Schuljahr 1992/93 an den Institutionen der Rheinischen Schule für Schwerhörige und der Rheinischen Schule für Gehörlose in Köln liegt der Prozentsatz der mütterlichen Rötelninfektionen während der Schwangerschaft als Ursache der Hörstörung fast fünfmal so hoch (6,7%) wie der in unseren Ergebnissen. Es ist erfreulich, daß die Zahl der Rötelnerkrankungen der Mütter während der Schwangerschaft in unserem Kollektiv so niedrig ist. Dies ist ein Zeichen der verstärkten Aufklärung und Impfung junger Mädchen und werdender Mütter. Auch Eckel et al. (1998) bemerken, daß in dem von ihnen untersuchten Kollektiv ein Rückgang der Rötelnembryopathie als Ursache pränatal erworbener Hörstörungen bei jüngeren Kindern zu verzeichnen ist. Einer perinatalen Asphyxie ausgesetzt waren in unserem Kollektiv 36 Kinder (10,3%). Als alleinige Ursache scheint die Hypoxie allerdings nur bei fünf Kindern (1,4%) für die Hörstörung verantwortlich zu sein. Auch Blocher (1994) findet weit mehr Kinder mit dem Risikofaktor perinatale Asphyxie als Kinder, die tatsächlich nur aufgrund des Sauerstoffmangels eine Schwerhörigkeit erlitten. In ihren Untersuchungen taucht der Risikofaktor 26 mal auf, als alleinige Ursache wird er zwölfmal genannt (6,3%). Mit 6,4% finden Eckel et al. (1998) einen etwa gleich hohen Prozentsatz für eine perinatale Asphyxie als Auslöser von Schwerhörigkeiten. In unserer Betrachtung ist die Differenz zwischen Häufigkeit des Risikofaktors und vermuteter Ursache u.a. damit zu erklären, daß elf Kinder mit perinataler Asphyxie maschinell beatmet wurden, was als zusätzlicher Risikofaktor gilt, und deshalb eine Einteilung der Ursache multifaktoriell erfolgt ist. In allen zum Vergleich vorliegenden Studien finden sich höhere Anteile von Meningitiserkrankungen als auslösender Faktor als in unserer Arbeit. Rütschi 52 (1998) berichtet von einem Prozentsatz von 6,4%, Blocher (1994) von 6,3%, und Eckel et al. (1998) finden sogar einen Anteil von 9,9%. Vartiainen et al. (1997) berichten von 7,1% unter den Kindern mit beidseitig sensorineuraler Hörstörung. In unserer Gesamtgruppe zählten wir insgesamt fünfzehn Meningitisfälle (4,3%), bei nur sechs Kindern (1,7%) trat die Hörbehinderung höchstwahrscheinlich nach einer solchen Infektion auf. Vergleichbare Daten zur Rolle von rezidivierenden Otitiden, Paukenergüssen und chronischen Mittelohrentzündungen an der Ausbildung eines Hörverlustes beschreiben Eckel et al. (1998) und Vartiainen et al. (1997). Eckel et al. (1998) berichten von 61 Kindern (19,4% des Gesamtkollektivs), die unter rezidivierenden oder chronischen Mittelohrentzündungen leiden. Bei uns liegt der Prozentsatz mit 39,5% doppelt so hoch. Der Anteil von Mittelohrproblemen an den vermuteten Ursachen liegt in unserem Kollektiv mit 5,4% ebenfalls höher als bei Eckel et al. (1998), die lediglich in zwei Fällen (0,6%) chronische Mittelohrentzündungen als Ursache angeben. Gestützt werden unsere Ergebnisse durch die Untersuchung von Vartiainen et al. (1997). Hier liegen Mittelohrprobleme in 6,1% der Fälle ätiologisch den bilateral sensorineuralen Hörstörungen zugrunde. 4.8 Schlußfolgerung Unsere Ergebnisse zeigen ebenso wie die Ergebnisse anderer Studien in Deutschland, daß die Diagnose kindlicher Hörstörungen und die Versorgung mit Hörgeräten zu spät erfolgt, wenn man die Defizite in der Sprach- und Persönlichkeitsentwicklung dieser Kinder so gering wie möglich halten möchte. Eine Erklärung hierfür liegt sicherlich in dem hohen Prozentsatz der Kinder ohne Risikofaktoren für eine Schwerhörigkeit oder mit einer Hörstörung unklarer Ätiologie (in unserer Untersuchung wie im Bundesdurchschnitt ein Drittel oder mehr). In diesen Fällen fehlen in der Anamnese Hinweise, die den Verdacht auf eine Hörstörung lenken können. Diese wird meist erst spät durch Sprach- oder Verhaltensauffälligkeiten erkannt. Ein generelles Neugeborenen-Hörscreening könnte hier Abhilfe schaffe, indem es zumindest die Kinder mit angeborener 53 oder perinatal erworbener Schwerhörigkeit identifiziert. Untersuchungen von Parving und Salomon haben gezeigt, daß ein solches Screening das Diagnosealter deutlich senken kann (Parving und Salomon 1996). Ein generelles Screening würde zudem der Verwirklichung der Empfehlung des JCIH (JCIH 2000) und der NIH-Konsens-Konferenz zur Früherkennung der kindlichen Schwerhörigkeit (National Institute of Health 1993) dienen, alle Kinder in den ersten drei Lebensmonaten auf ihre Hörfähigkeit hin zu untersuchen und gegebenenfalls innerhalb der ersten sechs Lebensmonate eine Therapie zu beginnen. Daß eine Umsetzung dieser Empfehlung eine normale Sprachentwicklung gewährleistet, haben Mason und Herrmann in einer Untersuchung auf Hawaii gezeigt. Ihren Ergebnissen zufolge entwickeln sich Kinder, die außer einer Schwerhörigkeit keine weiteren Auffälligkeiten zeigen, sprachlich altersentsprechend, wenn sie vor dem sechsten Lebensmonat ein Hörgerät erhalten (Mason und Herrmann 1998). Zudem ist ein generelles Neugeborenen-Hörscreening kostengünstiger als die Therapie und Rehabilitation zu spät diagnostizierter Hörstörungen (Mehl und Thomson 1998). Für die frühzeitige Erkennung von später erworbenen Hörstörungen gilt es, Eltern über Symptome einer Hörstörung aufzuklären, regelmäßige Untersuchungen des Gehörs im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen durchzuführen, insbesondere nach Infektionen und Traumata, die eine Schwerhörigkeit bedingen können, und Kinderärzte, Allgemeinmediziner für diese Problematik zu sensibilisieren. 54 HNO-Ärzte und 5. Zusammenfassung Im Rahmen dieser Arbeit wurden anhand eines Fragebogens die Patientendaten von 349 Kindern ausgewertet, die von April 1988 bis April 1999 im Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie der Vestischen Kinderklinik in Datteln ein Hörgerät erhielten bzw. zur Weiterbehandlung nach bereits andernorts erfolgter Hörgeräteversorgung vorgestellt wurden. Die 349 Kinder wurden zufällig aus der Gruppe aller Kinder mit Hörgeräten, die in Datteln behandelt wurden, ausgewählt. Unter den 349 Kinder waren 301 Kinder (86%) mit einer beidseitigen und 47 Kinder (14%) mit einer einseitigen Hörstörung. Unter den beidseitig schwerhörigen Kindern überwogen mit 57,1% sensorineurale Hörstörungen, unter den einseitig hörbehinderten Kindern traten sensorineurale Schwerhörigkeiten mit 72% ebenfalls am häufigsten auf. Etwa ein Drittel der Kinder (n=103; 30%) kam aus der direkten Umgebung von Datteln, ein Teil der Kinder hatte Anfahrtswege von über hundert Kilometern. In der Mehrzahl der Fälle vermuteten die Eltern als erste eine Hörstörung (43,8%), am zweithäufigsten äußerte die Geburts- oder Kinderklinik einen ersten Verdacht (27,1%), in 15,9% der Fälle der Kinderarzt. 56,7% der Kinder wurden durch einen Pädiater an die Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln überwiesen, 64 Kinder (18%) wurden im Rahmen eines stationären Aufenthaltes aus nicht phoniatrisch-pädaudiologischer Indikation in der Abteilung vorstellig. Diese Kinder profitierten vom Dattelner Modell, indem zum Zeitpunkt der Vermutung eines Hörschadens sofort die Diagnostik eingeleitet werden konnte. Hier liegt das besondere Potential der Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln, welches daraus resultiert, in eine Kinderklinik integriert zu sein. In der Gruppe der beidseitig symmetrisch schwerhörigen Kinder, die in Datteln ihr erstes Hörgerät erhalten haben (n=180), lag das durchschnittliche Alter bei Vermutung einer Hörstörung bei 24,3 Monaten, bei Erstvorstellung im Institut in Datteln bzw. Diagnose bei 37,6 Monaten und bei Erstversorgung mit einem Hörgerät bei 43,4 Monaten. Aufgeschlüsselt nach dem Grad des Hörschadens fand sich unter den leichtgradig schwerhörigen Kindern ein durchschnittliches Diagnosealter von 51,7 Monaten, unter den mittelgradig hörgestörten Kindern 55 von 46,6 Monaten. Hochgradige Hörbehinderungen wurden im Durchschnitt im Alter der Kinder von 31,9 Monaten diagnostoziert, die resthörigen Kinder erhielten im Durchschnitt mit 15,2 Monaten ihre Diagnose. Wenngleich sich unsere Ergebnisse im Bundesdurchschnitt widerspiegeln, gilt es dennoch, das Diagnosealter durch bundesweite Intensivierung der Früherkennung im Hinblick auf die Ermöglichung einer normalen Sprach- und allgemeinen Entwicklung der Kinder zu senken. Trotz der steigenden Zahl der Erstvorstellungen seit Gründung des Instituts 1988 konnten die durchschnittliche Wartezeiten der Gesamtgruppe seit 1993 etwa konstant gehalten werden. Je jünger die Kinder, desto früher bekamen sie einen Termin. Kinder, die noch kein Hörgerät hatten, wurden den bereits versorgten Kindern zeitlich vorgezogen. Um eine Diagnose nicht durch lange Wartezeiten hinauszuzögern, ist es erforderlich, die fachärztlichen und therapeutischen Kapazitäten zu erhöhen, um in Zukunft den vermutlich steigenden Bedarf aufgrund ausgedehnten Hörscreenings und der damit verbundenen vermehrten Aufdeckung von Hörstörungen decken zu können. Die Mehrzahl der Kinder hatte in ihrer Anamnese einen Risikofaktor (RF) für eine Schwerhörigkeit (n=150; 43%). Hereditäre RF wurden 204 mal gezählt, 72 Kinder hatten eine positive Familienanamnese bzgl. Schwerhörigkeit, 69 mal traten kraniofaziale Fehlbildungen auf, 63 Kinder litten an einem Syndrom. Die Zahl der erworbenen RF im Gesamtkollektiv belief sich auf 392. Eine Plazentainsuffizienz war der häufigste pränatal erworbene RF (n=25), in der Perinatalphase machte die Langzeitbeatmung mit 44 Fällen den häufigsten RF aus. Postnatal trat bei 138 Kindern durch rezidivierende Mittelohrprobleme ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Hörstörung auf. Als vermutete Ursache konnten in 24,4% der Fälle hereditäre Risikofaktoren angenommen werden, 18,1% der Kinder sind wahrscheinlich durch erworbene Risikofaktoren hörbehindert. Multifaktorieller Genese scheint die Schwerhörigkeit bei 28,4% der Kinder zu sein. Unklar blieb die Ursache in 14% der Fälle, keine Risikofaktoren fanden sich in der Anamnese von 15,2% der Kinder. Die hohe Zahl der Kinder ohne RF und der Kinder mit einer Hörstörung unklarer Ätiologie macht die Notwendigkeit deutlich, ein Screening nicht nur der Risikokinder, sondern aller Neugeborener zu etablieren, um keine kostbare Zeit bei der Aufdeckung und Therapie von Hörstörungen zu verlieren. 56 Die Ergebnisse zeigen, daß alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um kindliche Hörstörungen früher zu diagnostizieren und eine Therapie einzuleiten. In erster Linie ist dieses Ziel bei angeborenen und prä- oder perinatal erworbenen Hörstörungen durch ein Neugeborenen-Hörscreening voranzutreiben. Die hohe Zahl der Kinder ohne RF und unklarer Ätiologie macht ein Hörscreening aller Neugeborenen erforderlich, um den Kindern durch frühzeitigen Therapiebeginn eine normale Sprach- und allgemeine Entwicklung zu ermöglichen. Darüberhinaus müssen Eltern intensiver über kindliche Schwerhörigkeit aufgeklärt werden und durch umfassende Weiterbildung von behandelnden Ärzten und Therapeuten deren Kompetenz auf diesem Gebiet vergrößert werden. Gegebenenfalls müssen durch einen durch verstärkte Früherkennung steigenden Bedarf an Diagnostik- und Therapieplätzen die Kapazitäten im ärztlichen und therapeutischen Bereich erhöht werden. Interdisziplinäre Zusammenarbeit bietet die Basis, die Kinder in ihrer Entwicklung umfassend zu beurteilen und individuell zu fördern. Nicht zuletzt müssen trotz eines Neugeborenen-Hörscreenings Hörtests auch weiterhin im Rahmen der Kindervorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden, um später erworbene und progrediente Hörstörungen aufzudecken. 57 6. Anhang 6.1 Fragebogen Name Geburtsdatum Wohnort Daten zum Versorgungsverlauf Alter des Kindes bei erster Vermutung einer Schwerhörigkeit Wer hat die Schwerhörigkeit zuerst vermutet? Datum der Erstvorstellung Alter bei Erstvorstellung Vorstellungsgrund Überweisender Arzt Wartezeit Hereditäre Risikofaktoren Schwerhörigkeit in der Familie (Wer? Seit wann? Ursache der Hörstörung? Hörgeräteträger?) Syndrom Kraniofaziale Fehlbildungen (u.a. Innen-, Mittel-, Außenohrfehlbildungen, Spalten mit Weichgaumenbeteiligung) Pränatale Risikofaktoren Intrauterine Infektionen (Rötelnembryopathie, Toxoplasmose, CMV) Embryonale Intoxikationen (Alkohol, Nikotin) Plazentainsuffizienz 58 Perinatale Risikofaktoren Gestationsalter Geburtsgewicht Asphyxie Hyperbilirubinämie Infektion (Sepsis, Amnioninfektionssyndrom) Trauma (Hirnblutung) Langzeitbeatmung Postnatale Risikofaktoren Infektionen (Meningitis, Masern, Mumps) Mittelohrprobleme (rezidivierende Mittelohrentzündungen, Paukenergüsse) Ototoxische Medikamente Trauma Daten zur Hörstörung Lokalisation der Hörstörung (einseitig, beidseitig) Art der Hörstörung auf beiden Ohren (Schalleitungsschwerhörigkeit, sensorineural, zentral, kombiniert) Grad der Schwerhörigkeit auf beiden Ohren (leicht-, mittel-, hochgradig, resthörig, an Taubheit grenzend schwerhörig) Ist die Schwerhörigkeit schon in einer anderen Abteilung diagnostiziert worden? Daten zur Hörgeräteversorgung Ist das Kind schon mit einem Hörgerät versorgt? Wenn ja, seit wann? Alter des Kindes bei Erstanpassung Zeitraum zwischen Diagnose und Erstversorgung 59 6.2 Syndrome und Stoffwechselstörungen Unter den 349 untersuchten Kindern fanden sich folgende Syndrome und Stoffwechselstörungen, die eine Hörstörung bedingen können: 1. Down-Syndrom.......................................................... 17 Kinder 2. Mucopolysaccharidose.............................................. 5 Kinder 3. Pierre-Robin-Syndrom............................................... 5 Kinder 4. Goldenhar-Syndrom................................................... 4 Kinder 5. Apert-Syndrom........................................................... 2 Kinder 6. CHARGE-Syndrom.................................................... 2 Kinder 7. Aarskog-Syndrom.......................................................1 Kind 8. AEC-Syndrom............................................................ 1 Kind 9. Alport-Syndrom.......................................................... 1 Kind 10. Berndorfer-Syndrom................................................... 1 Kind 11. Chromosomenanomalie 13q+.................................... 1 Kind 12. Cornelia-de-Lange-Syndrom...................................... 1 Kind 13. De Grouchy II (Chromosom 18q-Syndrom)................1 Kind 14. Diabetes + Thiaminstoffwechselstörung.....................1 Kind 15. Edwards-Syndrom (Trisomie 18)................................1 Kind 16. Franceschetti-Syndrom.............................................. 1 Kind (Dysostosis mandibulofacialis) 17. Freeman-Sheldon-Syndrom....................................... 1 Kind (Dysplasia cranio-carpo-tarsalis) 18. Kabuki-Make-up-Syndrom..........................................1 Kind 19. Larsen-Syndrom......................................................... 1 Kind 20. Marker-X-Syndrom..................................................... 1 Kind 21. Möbius-Syndrom........................................................ 1 Kind 22. Pallister (-Teschler-Nicola)-Kilian-Syndrom............... 1 Kind (Tetrasomie 12p) 23. Rett-Syndrom............................................................. 1 Kind 24. Rubinstein-Taiby-Syndrom......................................... 1 Kind 25. Scheuthauer-Marie-Sainton-Syndrom........................ 1 Kind (Dysplasia cleidocranialis) 26. Smith-Lemli-Opits-Syndrom....................................... 1 Kind 60 27. Townes-Brocks-Syndrom........................................... 1 Kind 28. Waardenburg II...........................................................1 Kind 29. West-Syndrom............................................................1 Kind Bei folgenden Syndromen/Stoffwechselstörungen konnte nicht endgültig geklärt werden, ob sie mit einer Hörstörung einhergehen können. Sie wurden trotzdem in die Liste der Risikofaktoren aufgenommen. 30. Pyruvatdehydrogenase-Mangel..................................1 Kind 31. Ringchromosom 18.................................................... 1 Kind 32. Thalassämia major..................................................... 1 Kind 33. Unklare Polysomie......................................................1 Kind 34. XXX-Syndrom.............................................................1 Kind 61 7. Literaturverzeichnis 1) Albegger, K.W. Gibt es kritische Perioden in der kindlichen Sprachentwicklung? HNO 1, 2-3 (1998) 2) Al-Muhaimeed, H.S. Hearing impairment among ‚at risk‘ children. Int J Pediatr Otorhinolaryngol 34, 75-85 (1996) 3) American Academy of Pediatrics. Task Force on Newborn and Infant Hearing. Newborn and infant hearing loss: detection and intervention. Pediatrics 103, Nr. 2, 527-530 (1999) 4) Barsky-Firkser, L., Sun, S. Universal newborn hearing screening: a three-year experience. 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Mein Dank gilt ihr für die zahlreichen Treffen, bei denen nicht nur fachliche, sondern auch persönliche Dinge besprochen werden konnten. Herrn Prof. Dr. Henning Hildmann danke ich für die konstruktiven und kritischen Anregungen zu meiner Arbeit. Ich möchte mich bei den Mitarbeitern des Instituts für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln bedanken, die mir einen Einblick in die tägliche Arbeit in der Abteilung gegeben haben und bei Fragen behilflich waren. Mein besonderer Dank gilt Frau und Herrn Bremken. Für die kontinuierliche Bereitstellung der Akten danke ich Frau Monika Oligmüller, Chefsekretärin des Instituts für Phoniatrie und Pädaudiologie in Datteln, ganz herzlich. Ganz besonders danke ich Hendrik Grund für die tolle gemeinsame Arbeit zur Erfassung der Daten. Ich danke meinen Eltern, Hildegard und Wilhelm Rosken, und meiner besten Freundin Lena Trichterborn für das Korrekturlesen und stets geduldiges Zuhören. 69 9. Lebenslauf Persönliche Daten: Name: Rosken Vorname: Anne Marike Geburtsdatum: 07.Oktober 1976 Geburtsort: Meppen Staatsangehörigkeit: deutsch Schulbildung: 1983 – 1987 Grundschule Meppen Nödike 1987 – 1996 Gymnasium Marianum Meppen 20. Mai 1996 Abitur Studium: Oktober 1996 Beginn des Studiums der Humanmedizin an der Ruhr-Universität in Bochum 08. September 1998 Ärztliche Vorprüfung 31. August 1999 Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 70