Hörstörungen beim Charge-Syndrom: Die Vielfalt der Phänotypen

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11. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie
Hörstörungen beim Charge-Syndrom: Die Vielfalt der
Phänotypen
Dr.med. Almut Hirst-Stadlmann (1), PD Dr.med. Andreas Janecke (2), a.Univ.Prof.
Dr.med. Elisabeth Steichen-Gersdorf (3), Ass.Prof. Dr.med. Doris Nekahm-Heis (1)
1
Univ. Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen
Department für Medizinische Genetik
3
Department für Pädiatrie IV Univ. Klinik Innsbruck, Österreich
2
Hintergrund und Fragestellung
CHARGE-Syndrom (Coloboma of the eye, Heart defects, Atresia of the choanae, Retardation of growth and/or
development, Genital and/or urinary abnormities, Ear abnormalties and deafness, Cranial Nerv Anomalies)
Beim CHARGE-Syndrom sind Fehlbildungen des äußeren Ohres , Mittel- und Innen-Ohres mit Vorliegen einer
permanenten Schwerhörigkeit Teil des Symptomenkomplexes. Intermittierende Paukenergüsse verstärken zusätzlich
passager die Hörstörung.
Ursache ist eine Mutation des CHD7-Gens mit gestörter embryologischer Differenzierung zwischen dem 35.40.Tag. Es handelt sich meist um beim Patienten neu entstandene Mutationen, die zu einem Mangel an
Genprodukten führen (Haploinsuffizienz). Das CHD7-Gen kann gezielt auf Mutationen anhand einer Blut- oder
Schleimhautabstrich-Probe untersucht werden.
Patienten und Ergebnisse
Die Vielfalt der Phänotypen werden anhand der 9 von 11 Patienten aufgezeigt, 2 Patienten sind vor Abklärung des
Hörvermögens verstorben.
Grad der
Hörstörung
n
normalhörend
1
geringgradige
Hörstörung
2
- vermutlich ja
- ja
mittelgradige
Hörstörung
1
- ja
hochgradige
Hörstörung
4
- ja
- nein (Schallleitung)
- ja
- vermutlich ja
an Taubheit
grenzende
Hörstörung
1
- nein
(sensoneural)
.125 .25
-20
Frequenz (kHz)
.5
1
2
4
kombinierte Hörstörung
Befund HR-CT Felsenbein
- kein CT durchgeführt
- kein CT durchgeführt
- Abb.Pat 1
- kein CT durchgeführt
- Bogengänge unauffällig, Stapesfehlbildungen,
apical fehlende Schneckenwindungen,
Gehörgangsatresie links
- Bogengänge fehlend, Mondini- Malformation
- Bogengänge fehlend, ausgeprägte MittelohrFehlbildung
-Abb.Pat 2
- Bogengänge fehlend, ausgeprägte MittelohrFehlbildung
- kein CT durchgeführt
- Bogengänge fehlend,
keine Mittelohrfehlbildung sichtbar
8
SYMBOLE
Reaktion bei dB HL
0
20
40
60
80
100
indifferent
Lokal./Lateralis.
Bevorzugung re
Bevorzugung li
Reflexschwelle
REAKTION
Lokalisation:
Suchen:
Ruhigwerden:
Atemdrosselung:
Lateralisation:
Lidreflex:
Mororeflex:
Weinen:
Abwehr:
nicht bewertbar:
keine Reaktion:
Andere:
2 HG
2 CI
HG re
CI re
HG li
CI li
Bimodal
Unbehagl.schwelle
SIGNAL-CODE
R
W
M
G
T
Sp
s
u
Schmalbandr.
Wobbel-Sinus
Musik
Geräusche
Tierlaute
Sprache
sicher
unsicher
120
Abb. Pat.. 1: HdO-Hörgeräte werden aufgrund der stark dysplastischen Ohrmuscheln beidseits leicht vom Kind verloren.
Hörstörungen beim Charge-Syndrom: Die Vielfalt der Phänotypen
1
11. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie
.25
Frequenz (kHz)
.5
1
2
4
.125
-20
8
0
0
20
20
Hörverlust (dB)
Hörverlust (dB)
.125
-20
40
60
80
.25
Frequenz (kHz)
.5
1
2
4
8
40
60
80
100
100
120
120
RECHTES OHR
LINKES OHR
Abb. Pat. 2: Beidseitige hochgradige vorwiegend Schallleitungs bedingte Hörstörung.
Weitere Besonderheiten
Dysplastische Ohrmuscheln bei allen , Gehörgangsatrsie: 1x einseitig, Choanalatresie 1x, LKG-Fehlbildung: 1x,
Facialisparesen häufig, massive Dysphagien bei Defiziten der Hirnnerven IX, X und XII in allen Fällen.
Paukenergüsse: gehäuft mit zusätzlicher passagerer Verstärkung der Mittelohrkomponente; Paukendrainagen öfters
erfoderlich, zum Teil aufgrund schwerer Verschleimung / pulmonaler Problematik / Herzproblematik verzögert.
Nahezu alle Patienten sind mit Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten (CI) versorgt und haben eine logopädische
Therapie.
Die Hörgeräteversorgung ist teilweise sehr schwierig bis unmöglich bei weichen dysplastischen Ohrmuscheln,
daher kommt es auch zur Verwendung von Knochenleitungshörgeräten wie BAHA mit Stirnband.
Die vielfältige Gesamtproblematik erschwert eine schnelle exakte audiologische Diagnosestellung. Trotz alledem
ist bei guter Betreuung eine angemessene bis normale Sprachentwicklung möglich.
Diskussion und Schlussfolgerung
Bei Vorliegen eines CHARGE- Syndroms kann die Ausprägung und die Lokalisation der Hörstörung nicht
vorhergesagt werden. Eine molekulargenetische Untersuchung kann die Diagnose in 60-90% der klinischen
Verdachtsfälle sichern. Eine Prognose läßt sich aufgrund fehlender Genotyp-Phänotyp-Korrelation nicht daraus
ableiten.
Für eine optimale Betreuung ist eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich. Die audiologische
Abklärung ist aufgrund des Gesamtumfeldes (Dysphagie mit starker Verschleimung / lautes Atemgeräusch /
verschiedene Gaumenfehlbildungen / hochgradige Sehstörungen und schlechter Allgemeinzustand) sehr
zeitaufwendig.
Eine Selbsthilfegruppe existiert in Deutschland (www.charge-syndrom.de).
Hörstörungen beim Charge-Syndrom: Die Vielfalt der Phänotypen
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