6 · september 2012 Eine Themenzeitung von Mediaplanet news Tipp 1 Denken Sie positiv Christian Neumann MD, MBA Facharzt Neurologie und Psychiatrie Medizinischer Leiter, Klinik für Schlafmedizin in Bad Zurzach Störung des Schlaf-wachrhythmus Wenn der Schlaf aus dem Takt gerät Hinlegen, Augen zu und schlafen, am nächsten Tag ausgeruht und erholt in den Tag starten. Schön wär das. Rund ein Drittel aller Menschen leiden unter Schlafstörungen. Schlafmediziner unterscheiden vier Hauptkategorien von Schlafkrankheiten. Eine davon ist die Störung des SchlafWachrhythmus. Gefangen im Seelentief Niedergedrückt am Tag, unruhig in der Nacht. Foto: shutterstock Wenn Stress zu Schlafstörungen führt ■■Frage: Depressive Menschen werden häufig von Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen oder frühem Erwachen gequält. Weshalb ist es so wichtig, frühzeitig gegen Depressionen und Schlafstörungen vorzugehen? ■■Antwort: Schlafstörungen führen schnell zu einer weiteren psychischen Belastung und zu einer körperlichen Erschöpfung, was wiederum die Stimmung drückt, Energie nimmt und den Antrieb lähmt. Wer Stress hat, leidet häufig auch unter Schlafstörungen. «Bei einer Stressreaktion werden im Körper gewisse Hormone ausgeschüttet, die den Körper anregen», erklärt Dr. Suzanne von Blumenthal, Chefärztin der Psychiatrischen Dienste Graubünden (PDGR). Dementsprechend ist eine grosse Spannung im Körper, die an ein ungestörtes Einschlafen nicht denken lässt. «Häufig kann man schlecht abschalten und die Gedanken kreisen – man bleibt wach». Anhaltende Störungen können krank machen Fast jeder kennt diese stressbedingten Schlafprobleme. Kritisch wird es, wenn Stress und Schlafstörungen anhalten. Dr. Suzanne von Blumenthal Fachärztin FMH für Psychiatrie u. Psychotherapie, Chefärztin Klinik Beverin Denn Überlastung und Schlafstörungen können auf Dauer krank machen. «Bei anhaltenden Schlafstörungen wird unser Hormonsystem stark unter Belastung gestellt. Kommen noch zusätzliche belastende Faktoren hinzu, kann eine Depression oder ein Burnout entstehen.» Umso wichtiger ist es, bei anhaltenden Schlafstörungen, die durch Stress ausgelöst werden, etwas zu unternehmen. «Man sollte natürlich als erstes versuchen, den Stress zu reduzieren und wieder zu einem natürlichen Rhythmus zu finden.» Dazu eignen sich auch körperliche Aktivitäten, Entspannungstechniken sowie eine optimale Schlafhygiene. Auf keinen Fall sollte man bei Stress und Schlafproblemen sofort zur «chemischen Keule» greifen. «Pflanzliche Mittel wie Baldrian und Hopfen zeigen gute Wirkung, um zur Ruhe zu kommen.» Schlafstörungen als erstes Anzeichen einer Depression Schlafprobleme können jedoch auch ein frühes Symptom einer psychischen Erkrankung sein. «Psychische Erkrankungen gehen fast immer mit Schlafproblemen einher. Bei Depressionen sind sie besonders ausgeprägt - typisch ist das frühmorgendliche Erwachen.» Das heisst, die Betroffenen werden in den frühen Morgenstunden wach und können nicht mehr einschlafen. Ein Grund hierfür ist das Hormon Melatonin, das den Schlaf und Wachrhythmus steuert. «Bei Menschen mit Depressionen wird dies eingeschränkt produziert.» Sollte man denn bei Schlafstörungen immer auch an eine Depression denken? «Besonders wenn noch weitere Symptome wie Niedergeschlagenheit, Gefühlsleere,Konzentrations- und Leistungsstörungen auftreten, kann dies auf eine Depression hindeuten.» Wichtig sei, dass sich die Betroffenen rechtzeitig in ärztliche Behandlung begeben.» Rasche Diagnose hilft Denn je früher eine Diagnose steht, umso früher kann man gezielt gegen die Probleme vorgehen. Häufig gibt das Beschwerdebild dem Hausarzt bereits die nötigen Hinweise.«Durch eine körperliche Untersuchungen muss als erstes abgeklärt werden, ob nicht eine organische Erkrankung vorliegt, die für die Schlafstörung sowie die depressiven Symptome verantwortlich sein könnte», so von Blumenthal. Bei Verdacht auf Facts ■■ Die Psychiatrischen Dienste Graubünden (PDGR) stellen die psychiatrische Versorgung im Kanton Graubünden sicher. Diese Aufgabe umfasst den stationären und den ambulanten Bereich, das Angebot an Tageskliniken sowie Wohnheimen und Arbeitsstätten für Menschen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Beeinträchtigung. ■■ Die PDGR streben für ihre Patienten, Klienten und Bewohner eine rasche Genesung, die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und das Erreichen einer guten Lebensqualität an. eine Depression werden die Betroffenen an einen Psychotherapeuten oder Psychiater zur weiteren Diagnose überwiesen. «Schlafstörungen, ausgelöst durch psychische Erkrankungen, sind auch bei uns ein verbreitetes Beschwerdebild.» Die Therapie richtet sich denn stark nach Form und Ausgeprägtheit der Depression. So können etwa bestimmte Antidepressiva sowie niedrigpotente Neuroleptika als Schlafmittel eingesetzt werden. «Der Vorteil gegenüber herkömmlichen Schlafmitteln ist, dass Antidepressiva und Neuroleptika nicht abhängig machen.» Auch einfache Mittel wie ein angenehmes Bettklima und eine ruhige Schlafumgebung tragen zu einem besseren Schlaf bei und müssen bei der Behandlung berücksichtigt werden. Schlafentzug bei Depressionen Schlafentzug kann bei depressiven Patienten jedoch auch positiv zu therapeutischen Zwecken genutzt werden. Durch den Schlafentzug wird beim Patienten ein Stimmungshoch ausgelöst. Zusätzlich wird die gestörte Regulation des Schlafes günstig beeinflusst. Auch an den Psychiatrischen Diensten Graubünden wird die sogenannte Wachtherapie durchgeführt. «Die Patienten werden gegen Mitternacht geweckt und die Nacht hindurch mit Spielen und Spaziergängen wach gehalten. Auch den folgenden Tag müssen sie bis zur gewohnten Schlafenszeit wach bleiben. Die Therapie zeigt dann eine antidepressive Wirkung.» Beim gestörten Schlaf-Wachrhythmus wird man zu früh oder zu spät müde. Der Grund: Das Schlafprogramm, ausgelöst durch Hormone, verläuft verschoben zur inneren Uhr. Normalerweise schüttet unser Körper abends vermehrt das Schlaf anstos­ sende Hormon Melatonin aus. Die Melatoninproduktion erreicht ihren Höchstwert in der Regel frühmorgens gegen ein Uhr.Danach sinkt sie ab.Für das Aufwachprogramm ist das Serotonin (Aufwachhormon), auch als Glückshormon bekannt, zuständig. Der Zeitpunkt des Melatoninanstiegs zeigt uns, ob die innere Uhr aus dem Takt geraten ist oder nicht. Bei Verdacht bestimmen wir den DLMOWert (Dim Light Melatonin Onset) mittels Melatonin-Check. Dieser Test misst den Melatoningehalt im Speichel in Stundenabschnitten. Das Laborresultat zeigt, ob ein normales, ein verspätetes oder ein verfrühtes Schlafphasen-Syndrom vorliegt. Bei einem verspäteten Rhythmus wird die betroffene Person erst zu später Stunde müde,liegt also eventuell.lange wach. Durch das Wachliegen verkürzt sich die effektive Schlafzeit,was den Erholungseffekt vermindert.Man ist morgens müde und unausgeruht. Ist der Schlaf-Wachrhythmus nach vorne verschoben, beginnt die Melatoninproduktion bereits am frühen Nachmittag. Betroffene fühlen sich schon nachmittags sehr schläfrig. Störungen des Schlaf-Wachrhythmus kennen viele: Reisende in Form des Jetlags oder Schichtarbeiter aufgrund des ständig wechselnden Schichtdienstes. Wichtig zu wissen: Der Blauanteil des Lichts reguliert den SchlafWachrhythmus mit und aktiviert unser Aufwach- und Glückshormon Seratonin. Entziehen wir dem Körper Licht, so verändern wir den Melatoninrhythmus. Ist der Rhythmus langfristig aus dem Takt geraten, ist es ratsam, Hilfe bei den Schlafspezialisten zu suchen. Es gilt abzuklären, ob es sich tatsächlich um einen verschobenen Rhythmus handelt und was der Auslöser war. Eine mögliche Behandlungsform ist der Einsatz von Melatoninpräparaten, oft auch in Kombination mit einer Lichttherapie. In der Schweiz unterliegt diese Behandlungsart strengen Auflagen. Ausgewählte Kliniken verfügen über eine Spezialbewilligung, die es ihnen erlaubt Melatoninpräparate bei Patienten mit nachgewiesenen SchlafWachrhythmusstörungen abzugeben. Lichttherapien gibt es als handliches Gerät für den Heimgebrauch im Fachhandel oder können beim Spezialisten betreut angewendet werden. Karin Yerebakan Anna Birkenmeier [email protected] [email protected]