Verhaltenstherapeutische Techniken Verhaltenstherapie von Angststörungen Referenten: Charlotte Schwedes und Kristin Welsch Leitung: Dipl.-Psych. C. Kuhn Gliederung 1. 2. 3. Systematische Desensibilisierung Aktivitätsaufbau Kontrolle verdeckter Prozesse 4. 5. 6. 7. 8. 9. Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes Reaktionsverhinderung Reizkonfrontation Operante Verfahren Verdeckte Konditionierung Selbstverbalisation und Selbstinstruktion Problemlösetraining 2 Systematische Desensibilisierung Systematische Desensibilisierung Prinzip: „Mittels einer Verhaltensanalyse werden die Angstsituationen eines Patienten exploriert und dann bzgl. ihres subjektiven Erregungsgrades aufsteigend in Form einer Angsthierarchie geordnet.“ Wechsel von Entspannungssequenzen und systematisch gesteigerter Reizkonfrontation in sensu. Therapiebestandteile: 1. Besprechung des therapeutischen Vorgehens Prinzipien, sowie Erwartungen und Befürchtungen zum Verfahren „Es ist nicht möglich, gleichzeitig ängstlich und entspannt zu sein.“ 4 Systematische Desensibilisierung 2. Entspannungstraining Progressive Muskelentspannung, autogenes Training etc. Ziel: Kontrolle von Entspannung und Anspannung und Erfahrung eines entspannten und angenehmen Zustands 3. Erstellung der Angsthierarchie Abgrenzung konkreter angstauslösender Situationen durch eine Verhaltens- und Problemanalyse (kognitiv und emotional) ggf. Aufgaben zur Selbstbeobachtung zum Diskriminierungslernen 5 Systematische Desensibilisierung Angsthierarchie einer Patientin mit Prüfungsangst 100 den Eltern sagen müssen, dass ich durchgefallen bin 90 mitten den Prüfung ist plötzlich „alles wie weg“ 80 von den Prüfern kritisch angesehen werden 75 eine Frage nicht beantworten können 65 ich merke, dass mir die Frage nicht ganz klar ist 50 zum Ort der Prüfung gehen 40 an de letzten Tagen der Vorbereitung habe ich einen „Block“ 30 mit den Kommilitonen über die herannahende Prüfung sprechen 25 Terminfestlegung der Prüfung 10 ich mache mir noch im Semester Gedanken über die Prüfung 0 Ruheszene: ich sitze im Gebirge und schaue in die Landschaft 6 Systematische Desensibilisierung 2. Entspannungstraining Progressive Muskelentspannung, autogenes Training etc. Ziel: Kontrolle von Entspannung und Anspannung und Erfahrung eines entspannten und angenehmen Zustands 3. Erstellung der Angsthierarchie Abgrenzung konkreter angstauslösender Situationen durch eine Verhaltens- und Problemanalyse (kognitiv und emotional) ggf. Aufgaben zur Selbstbeobachtung zum Diskriminierungslernen 4. Vorstellungsübungen lebhafte Vorstellung mit Beteiligung der körperlichen Reaktionen visuelle Vorstellungsaufgaben oder Vorstellungsaufgaben zu Körpergefühlen 7 Systematische Desensibilisierung 5. Darbietung der Items schrittweise Konfrontation mit Angstitems und Verhinderung von Erregung durch zwischengeschaltete Entspannung Wichtig: Zeichen vereinbaren Gruppendurchführung: Standardhierarchie bei Homogenisierung hinsichtlich der Störung Vorteil: Motivation und Modelllernen generalisierende Auswirkungen auf das allgemeine Befinden, auf Persönlichkeitsbereiche und den zwischenmenschlichen Bereich Erklärungsmodell: Reziproke Hemmung (Wolpe, 1958) 8 Systematische Desensibilisierung Wirkkomponenten: Konfrontation in der Vorstellung: Grad der Lebendigkeit Graduiertes Vorgehen: Diskriminationslernen, Teilschritte, schrittweise Rückmeldung, Risikobereitschaft statt Rückschläge Konfrontation bei Entspannung: EEG-Muster und Hautleitfähigkeit Generelle Indikation: Konfrontation in vivo schwer nachzugestalten (z.B. PTBS, Prüfungsängste, sexuelle Funktionsstörungen, etc.) Weniger geeignet bei: Agoraphobie, Sozialphobie, Migräne, Stottern, Schlafstörungen, Depression, Asthma und Hypertonie 9 Aktivitätsaufbau Kontrolle verdeckter Prozesse Reaktionsverhinderung Aktivitätsaufbau Patient lernt häufiger als bisher aktive Handlungen durchzuführen Technische Durchführung: 1. Phase: Instruktion und Messung des Aktivitätssystems 2. Phase: Erhöhung des allgemeinen Aktivitätsniveaus 3. Phase: Aufbau spezifischer Aktivitäten 4. Phase: Aufrechterhaltung des Aktivitätsniveau und der spezifischen Aktivitäten 11 Kontrolle verdeckter Prozesse Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes Technische Durchführung: 1. 2. 3. 4. Konzeptvermittlung • Erläuterung des Zusammenhangs zwischen Gefühlslage und Selbstkonzept Einführung und Entlastung • ungefähren zeitlichen Rahmen abstecken um sich mit diesem Thema zu beschäftigen Exploration spezifischer positiver Selbstkonzeptanteile • Selbstkonzeptfragebogen oder im Gespräch Erweiterung • Patient soll pro Tag ein neues Statement finden 12 Reaktionsverhinderung Technische Durchführung: Aufbau von Krankheitseinsicht Bekräftigen der erhaltenen Urteils- und Kritikfähigkeit Bewusste Entscheidungen treffen lassen und wiederholt aussprechen („Ich habe den festen Willen, die Störung zu überwinden“) Erarbeitung einer Schwierigkeitshierarchie Erklärung des Prinzips der Reaktionsverhinderung Zu-Ende-Denken der vagen Bedrohung Übungsziel: Schrittweise Tolerieren von vagen oder nicht durch Wahrnehmungen kontrollierbarer Kontaminationen Konzentration auf die reale Situation Orientierung an individuell bestimmten Standards für normales Verhalten Intensivierung der Wahrnehmung 13 Reizkonfrontation Reizkonfrontation Vorgehen: Unter therapeutischer Hilfe soll der Patient genau die Situationen aufsuchen, in denen Probleme auftreten. Folgen der Konfrontation: Habitualisierungsprozesse Veränderung in der Wahrnehmung und Bewertung von Situationen und Handlungskompetenzen Aufbau neuer Verhaltensmuster Anwendungsbereiche Agoraphobie, einfache Phobien, Zwangsstörungen, Essstörungen, Alkohol- und Drogenabhängigkeit, sexuelle Störungen, Depressionen und Psychosen 15 Reizkonfrontation 1. Diagnostische Phase: Indikation und Information Entwicklung eines Modells zur Erklärung und Veränderung 2. Kognitive Vorbereitung Erklärung der Ergebnisse und Entwicklung eines Störungsmodells Ableitung der Therapieimplikationen (Veränderungsmodell) Systemimmanenz: Erklärungsmodelle mit den zentralen kognitiven und emotionalen Annahmen vereinbar machen Kompatibilität, Nicht-Falsifizierbarkeit, angemessene Perspektive, hohe Plausibilität 16 Reizkonfrontation 3. Intensivphase der Reizkonfrontation Direkte Konfrontation: Aufsuchen und Verbleiben in der Situation Langandauernde Exposition Massiertes Vorgehen und graduiertes Vorgehen Reaktionsverhinderung 4. Selbstkontrollphase Eigenverantwortliches Weiterarbeiten Wichtig: gute Planung „ausschleichende“ Besprechung der gemachten Erfahrungen Wirksamkeit erwiesen Einsparung massiver Kosten im Gesundheitswesen Kritik: Symptomverschiebung? 17 Reizkonfrontation: Ein Beispiel 18 Operante Verfahren Operante Verfahren Basis: Operante Konditionierung (Skinner, 1935) Darbietung von Verstärkern Entzug von Verstärkern Positive Verstärker Pos. Verstärkung (Belohnung; Bekräftigung) Indirekte Bestrafung (response cost) Negative Verstärker Direkte Verstärkung Negative Verstärkung (Erleichterung) Keine Verstärker Löschung (time out) Löschung (time out) Wichtig: Eindeutige Identifizierung des zu verändernden Verhaltens Verstärkungen sollten kontingent erfolgen 20 Operante Verfahren: Verstärkung Positive vs. negative Verstärkung Primäre vs. Sekundäre Verstärker Intermittierende Verstärkung Soziale Verstärkung und Selbstverstärkung Komplexe Veränderung(-ssysteme): gleichzeitige Veränderung verschiedener Verhaltenselemente Token Economy: Objekte mit Tauschwert Kontingenzverträge: Festlegung des Zielverhaltens, Datums, der Verstärker und der Konsequenzen für einen Vertragsbruch 21 Operante Verfahren: Bestrafung und Löschung Direkte Bestrafung: Einsatz eines aversiven Reizes auf ein bestimmtes Verhalten Indirekte Bestrafung: Wegnahme positiver Verstärker (response cost) Löschung: Schrittweise bewusstes Ignorieren unangemessenen Verhaltens Time out: alle potentiellen Verstärker sind unerreichbar Kopplung mit Verstärkung alternativer, unproblematischer Verhaltensweisen 22 Operante Verfahren: Stimuluskontrolle und Methoden des Verhaltensaufbaus Stimuluskontrolle: Der Patient lernt, dass nur auf bestimmtes Verhalten eine (negative) Konsequenz eintritt, während auf anderes Verhalten keine oder eine positive Konsequenz folgt Methoden des Verhaltensaufbaus Shaping: schrittweise positive Verstärkung von Verhaltenselementen Chaining: „rückwärts verlaufende“ Verkettung verschiedener Verhaltensweisen Prompting: verbale oder verhaltensmäßige Hilfestellungen, die die Aufmerksamkeit auf das gewünschte Verhalten lenken Fading: graduelles Ausblenden von Hilfsstimulie 23 Operante Verfahren Anwendung: Essstörungen und Gewichtsprobleme, Schlafstörungen, Elterntraining, eingeschränkte intellektuelle Fähigkeiten Evaluation: „Einzelne störungsspezifische Therapieevaluationen sprechen allerdings dafür, dass operante Verfahren anderen Psychotherapieverfahren ebenbürdig oder sogar überlegen sein können.“ Kritische Analysen haben gezeigt, dass das Verhalten durch solche Interventionen nur so lange verändert wird, wie das Therapieprogramm durchgeführt wird Fazit: Kombination mit anderen verhaltenstherapeutischen Techniken und anderen Therapieformen 24 Verdeckte Konditionierung Selbstverbalisation Verdeckte Konditionierung Technische Durchführung: Allgemein: Ausführliche Verhaltensanalyse Problemverhalten aus lerntheoretischer Sicht schildern und Wirkungsweise erklären Vorstellungsübungen Hausaufgaben Konditionierung Selbstmanagement 26 Selbstverbalisation & Selbstinstruktion Technische Durchführung: Aufspüren/Analysieren der bisherigen Problemgedanken Erarbeitung/Einübung von neuen, problembewältigenden und zielfördernden Selbstverbalisationen Reizkonfrontation in der Phantasie Wahrnehmung der aufkommeneden Angst und Verbleiben in der angstauslösenden Situation Aktive Bewältigung der Angst durch Selbstverbalisationen Selbstverstärkung für das Aufsuchen der Problemsituationen und die Angst reduzierenden, erfolgreiche Selbstverbalisation Üben der Bewältigungsreaktionen unter realen Angstbedingungen 27 Problemlösetraining Problemlösetraining Ziel: Selbsteffizienz im Umgang mit Problemen Verhalten des Therapeuten: Förderung der Selbstständigkeit und Übertragung von Verantwortung Funktionen: edukativ, strukturierend, modellhaft und verstärkend Vorbereitung: möglichst konkrete und verhaltensnahe Verhaltensanalyse Ziele abklären und Ressourcen abschätzen Indikation 29 Problemlösetraining 1. Problem- und Zieldefinition An welchem Problem soll zuerst gearbeitet werden? schnelle Erfolgserlebnisse, Kontrollüberzeugungen, Therapiemotivation und Stimmungsverbesserung Welche Ziele sollen je Problem erreicht werden? realistische, konkrete und verhaltensnahe Ziele 2. Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten Brainstorming; Therapeut als Modell 3. Bewertung der Lösungsmöglichkeiten Systematische Diskussion der Vor-/Nachteile, möglicher Folgen, subjektiver Bedeutung und Wichtigkeit 30 Problemlösetraining 4. Entscheidung über die beste Lösungsmöglichkeit Minimierung negativer und Maximierung positiver Folgen 5. Planung der Umsetzung der Lösungsmöglichkeit Konkrete Einzelschritte in sinnvoller, umsetzbarer Abfolge Hindernisse und Umsetzungsschwierigkeiten vorhersehen und Schritte erarbeiten, um diese zu umgehen oder zu bewältigen 6. Rückblick und Bewertung der Lösungsversuche Exploration der Umsetzung, Verstärkung der Umsetzungsversuche und Herausstreichen positiver Konsequenzen Grenzen: mangelnde Motivation, Verhaltensdefizite und -exzesse, Ängste 31 Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit und ein erfolgreiches neues Jahr!