Kognitive und verhaltenstheoretische Ansätze

Werbung
Universität Augsburg
SS 2004
Seminar: Aufmerksamkeitsstörungen mit und ohne Hyperaktivität
21.06.04
Dozent: Dr. Achim Zimmermann
Referentinnen: Kathi Adedinger, Sophia Vogel, Viktoria Schulz, Gaby Waizenegger
(Sabina Dickopf, Julia Cordes, Johannes Schubert, Aurelie Kuhn, Oksana Detzer, Irina Sutyahina,
Carina Hornbach, Aida Jung, Sandra Struthmann)
Kognitive und verhaltenstheoretische Ansätze
Hyperaktivität = erlerntes Verhalten, kein Symptom einer physischen Störung oder
Dysfunktionen im Gehirn. Deswegen medikamentöse Behandlung nicht unbedingt notwendig.
1. Verhaltenstheoretischer Ansatz
Verhalten:
sämtliche direkt beobachtbaren Bewegungen und Äußerungen, sowie alle physiologischen
Vorgänge eines Organismus.
Verhaltensdeterminanten
Verhalten wird beeinflusst durch die äußere Umgebung und die innere Umgebung.
1. Genetisch konstitutionelle Faktoren
2. Früheres Lernen
3.  Momentane physiologische Zustände
Wechselwirkungen!
4.  Gegenwärtige Umgebungsbedingungen
5. Innere Erlebnisse
Hyperaktivität:
Ein Kind bewegt sich im Vergleich zu anderen Kindern mehr.
Verhaltensanalyse:


Offenes menschliches Verhalten wird direkt beobachtet. Fragestellung: Unter welchen
Bedingungen tritt das Phänomen auf? Dies liefert uns Daten über vorausgehende und
nachfolgende Ereignisse.
Verhalten ist bedingt durch seine Umweltbedingungen. Bei einer Veränderung der
Umwelt wird folglich auch das Verhalten modifiziert. Schwerpunkt der
Verhaltenstherapie liegt also auf dem Umweltaspekt in bezug auf das aktuelle
Verhalten.
Ziele
 Vorhersage und Kontrolle
 Verstehen des Verhaltens
 Behandlung (beinhaltet Lernen, Verlernen und Wiedererlernen) will die Reduktion der
starken Verhaltensabweichungen erreichen und das Verhalten in Richtung größere
Anpassungsfähigkeit verändern.
Jede Intervention, die darauf abzielt, Hyperaktivität zu reduzieren, muss systematisch
geplant werden. Dies bedeutet, dass das hyperaktive Verhalten durch zielgerichtetes,
aufmerksames und konstruktives Verhalten zu ersetzen ist.
Techniken
Positive Verstärkung, Tokenprogramme, Kontingenzverträge, Prompting, Shaping,
Entspannungstraining, Verstärkerentzug, Lernen am Modell (Videofeedback, Rollenspiele)
2. Lerntheorien
 ein Ansatz zur Linderung psychischer Probleme.
 Annahme: Probleme beruhen auf gelerntem unangepassten Verhalten oder einem
Mangel im Erlernen angemessener Verhaltensweisen.
a) Reaktives Konditionieren
Theorie:
Unspezifischer Reiz führt zu unspezifischer Reaktion. Kommt ein neutraler Reiz zum
unspezifischen Reiz hinzu, tritt die Reaktion auch als Folge des neutralen Reizes auf =
Konditionierung (bedingter Reflex).
Beispiele:
 Copingstrategien z.B. in Belastungssituationen: „Verdeckte Konditionierung“. In
Gedanken und Phantasie wird das Verhalten modifiziert und verändert erlebt („Stellen
Sie sich vor,...“).
 Systematisches Desensibilisieren: Abbau einer Angsthierarchie, in Verbindung mit
Entspannung wird der Patient sukzessiven (ansteigenden) Ängsten ausgesetzt.
 Selbstbehauptungstraining: Soziales Training
b) Operantes Lernen
Theorie:
Lernen am Erfolg oder Misserfolg durch aktives freies Verhalten. Erwünschte
Verhaltensweisen werden sofort belohnt („verstärkt“). Instrumentelles Lernen findet statt,
wenn eine der folgenden Konsequenzen dem gezeigten Verhalten folgt:
 Belohnung: Ein positiver Verstärker (Schokolade, Lob) = Soziale Verstärkung
 Entstrafung: Ein unangenehmer Zustand wird beendet oder kann vermieden werden.
(Kopfschmerzen durch Tabletten, Angst durch Flucht)
 Bestrafung: Strafe blockiert Verhalten (z.B.: Elektroschocks); eine mildere Form wäre
der Entzug von positiven Verstärkern: Response cost, Time out.
 Entlohnung: Es folgen keine positiven Verstärker mehr; das Verhalten wird immer
seltener auftreten und schließlich gelöscht (Löschung durch Ignorieren)
Beispiele:
 Komplexere Systeme finden Anwendung falls sozialer Verstärker keine Wirkung zeigt:
Tokenprogramme, Elternprogramme
c) Modell Lernen
Motivierende
Faktoren:
z.B. Identifikation
Aktivierung,
Belohnung,
Erfolgserwartung
Einübung/Ausführung
Nachahmendes
Verhalten
Innere Prozesse im
Organismus
Aneignung/Lernen
Beobachtetes
Modellverhalten
Kognitive Faktoren:
Aufmerksamkeit,
Beobachtungshäufigkeit,
Gedächtnis
Abb.: Schematischer Ablauf des Beobachtungslernens.
3. Kognitive Prozesse




Innere Vorgänge: Gedanken, Phantasien, Ideen, Erwartungen, Erinnerungen, Pläne,
Überzeugungen, Motivation
Traditionell klassische Konditionierung: Black-Box-Vorstellung berücksichtigt keine
inneren Vorgänge, bezieht sich nur auf direkt Beobachtbares oder indirekt durch
Beobachtung Erschließbares (TEST).
Seit der kognitive Wende wieder innere Prozesse im Vordergrund
Stellen komplexe Einflussfaktoren des Verhaltens dar: Durch eine kognitive
Umstrukturierung ergibt sich eine kognitive Einstellungsänderung. Dadurch werden
neue Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster eingeübt und es entsteht schließlich ein
neues Verhalten.
Zum Beispiel: Kontingenzverträge Selbstkontrolle und Motivation
4. Begriffsdefinitionen
Methoden der Verhaltensmodifikation auf der Basis des instrumentellen Konditionierens:
 Soziale Verstärkung (Lob und Zustimmung)
Verstärkung des gewünschten Verhaltens durch Lob und Zuwendung
Bsp.: Der Lehrer legt dem Schüler die Hand auf die Schulter, da er länger als 2 Minuten konzentriert seine
Aufgabe bearbeitet hat
 Löschung
Bewusstes Ignorieren des unerwünschten Verhaltens soll zur Reduzierung der Auftretenswahrscheinlichkeit
führen; effektiv in Verbindung mit sozialer Verstärkung (=differentielle Verstärkung)
Bsp.: Kind stört verbal den Unterricht, der Lehrer fährt jedoch mit dem Unterricht fort
 Time-out-Methode
Bei unerwünschtem Verhalten folgt der Entzug aller Verstärker. Drastischere Technik der Löschung, sollte
immer mit gleichzeitiger Verstärkung erwünschten Verhaltens einhergehen
Bsp.: Kind stört verbal den Unterricht, wird aus dem Raum geschickt
 Kontingenzverträge
Schriftliche Festlegung von Übereinkommen zwischen Lehrer und Schüler, die genau das erwünschte
Zielverhalten und die Verstärkung dessen definieren (basierend auf dem Tauschprinzip)
Bsp.: Verhalte dich so, dass du unerwünschtes Verhalten vermeidest und XY dafür bekommst
 Bestrafung
Direkte Bestrafung= direkter Einsatz aversiver Reize zur kurzfristigen Reduktion des Fehlverhaltens
Indirekte Bestrafung= Entzug von positiven Verstärkern bei unangemessenem Verhalten
 Shaping
Verhaltensausformung; Aufbau erwünschten Verhaltens durch positive Verstärkung jedes Verhaltenselementes,
das in die Richtung des Zielverhaltens geht
Bsp.: Ein unaufmerksamer Schüler wird gelobt, wenn er bereits 50 Sekunden aufmerksam in sein Buch schaut
 Token- Reinforcement (materielle Verstärkung)
Münzverstärkungssystem; erwünschte Verhaltensweisen werden mit Tokens (Tausch) belohnt, die wiederum
gegen andere materielle Verstärker eingetauscht werden können
Bsp.: Wenn der Schüler ruhig auf seinem Stuhl sitzen bleibt, erhält er 5 Münzen, die er sammeln und später
gegen Süßigkeiten eintauschen kann
 Chaining
Das erwünschte Verhalten wird erst nach Abschluss belohnt
Bsp.: dem Schüler wird bei der Lösung von Aufgaben geholfen, den letzten Rechenschritt muss er dabei jedoch
selbst tätigen, dieser wird mit Lob belohnt
 Prompting
Verbale oder verhaltensmäßige Hilfestellung, lenkt die Aufmerksamkeit des Lernenden auf das erwünschte
Verhalten
Bsp.: Sprich noch etwas lauter!
 Fading
Langsames Ausblenden von Hilfestellungen
 Modellernen
Beobachtung sozialen Verhaltens bei Modellpersonen, welches zu dessen Imitation führt.
5. Das verhaltensorientierte Therapiekonzept
Die Therapie versteht sich als Entwicklungsintervention. Das Ziel ist nicht das Kind an die
Umgebungsbedingungen anzupassen, sondern die Entwicklung eines Kindes zu fördern. Sie
vertritt die Therapieinhalte, die die eigenständige Entwicklung eines Kindes unterstützen.
Dazu gehören folgende Erkenntnisse und Kompetenzen:





Handlungen eigenständig und problemangemessen ausführen;
ein bedacht-planvolles Herangehen an Aufgaben;
eigene Handlungsvollzüge möglichst selbständig organisieren;
Selbstreflektiv vorgehen;
Ein „sich-selbst-bewußtes-Handeln“ verwirklichen.
Wichtig ist, dass:
 Eine bloße Reduzierung des Störverhaltens kein ausreichendes Behandlungsziel sein
kann (Problemangemessenheit des Therapiezieles);
 Keine Schuldzuweisung, sondern gemeinsame Mitarbeit aller Parteien (Eltern,
Lehrern, Erziehungsberatern, Ärzten) notwendig ist. (Konstruktivität des
Therapiezieles)
 Die Inhalte von allen Parteien (Elter, Lehrern usw.) leicht mitgetragen werden können
(Integrationsfähigkeit des Therapiezieles).
6. VORSTELLUNG DER EINZELNEN THERAPIEBAUSTEINE
Therapiebausteine:
Therapiebausteine
Basistraining
Strategietraining
Ziele
• Kindern Wissen über
Aufmerksamkeitsstörungen
vermitteln
• Basisfertigkeiten einüben
• Reaktionsverzögerung
ausbilden
• Aufmerksamkeitsverhalten
durch Selbstanweisung steuern
• Lernen Ziele zu vergegenwärtigen
• Lernen Verhalten zu planen
• Selbstanweisungen und strategien erwerben
Therapeutische Umsetzung
• Operante Verstärkung
• Diskussionen und Gespräche
• Demonstration
• Übungsphasen
• Spielphasen
• Demonstration
• Anleitung zur verbalen
Handlungsregulation
• Bearbeitung divergenter
Anforderungen
• Signalkarten
• sowohl Gruppen- als auch
Einzelberatung
• Praktisches Wissen über
Aufmerksamkeitsstörungen
vermitteln  Eltern können
Handeln ihrer Kinder
unterstützen
• Erziehungsverhalten verändern
Wissensvermittlung • Strategietraining soll auf
schulrelevante Aufgaben
übertragen werden
• Lernstrategien vermitteln
Elternanleitung
• Prozessorientierte Hilfen
• Nachhilfe- oder
Förderunterricht
Wissensverm.
Elternanleitung
Strategietraining
Basistraining
Therapi - Einstiege
Flexible Einsetzung des Trainingsprogramms:
• Individueller „Therapieeinstieg“
• Unterschiedliche Übergange zu anderen Therapiebausteinen
• Wiederholung einzelner Therapiesitzungen
Literatur:
Lauth, G.:Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern: Diagnostik und Therapie;
Weinheim: Psychologie-Verl.-Union, 1993
Herunterladen