Verhaltensmodifikation auf der Grundlage operanten Lernens Prof. Dr. Ralph Viehhauser Überblick über die grundlegenden operanten Methoden Positive Verstärkung als Interventionsmethode: Positive Verstärkung als Strategie der Festigung eines Verhaltens Positive Verstärkung als Strategie zum Aufbau von Verhalten Positive Verstärkung als Strategie des Abbaus von Verhalten i.S. einer differenziellen Verstärkung Bestrafung als Interventionsmethode: Bestrafung durch einen aversiven Reiz Bestrafung durch Verstärkerentzug Kontigenzmanagement in Form von Verhaltensverträgen Positive Verstärkung als Strategie der Festigung eines Verhaltens Ziel: ein zu selten gezeigtes Verhalten systematisch aufbauen. Kriterien für die Eignung von Verstärkung: Die eingesetzten Verstärker sollten z.B.: dem Alter und den Interessen des Klienten entsprechen, sättigungsrestistent sein, häufig und in kleinen Einheiten vergeben werden können, unmittelbar nach der Äußerung des Verhaltens präsentiert werden können. In der Akquisistionsphase: kontinuierlicher Verstärkungsplan (für einen schnellen Aufbau des Zielverhaltens) In der Stabilisierungsphase: intermittierender Verstärkungsplan (um die Löschungsresistenz des Zielverhaltens zu erhöhen) Positive Verstärkung als Strategie zum Aufbau von Verhalten Shaping (Verhaltensformung) Chaining (Reaktionsverkettung) Shaping Bei der Methode des Shapings werden solche Reaktionen verstärkt, die sich der gewünschten Reaktion schrittweise annähern bis sie schließlich mit ihr übereinstimmen. Chaining Viele Verhaltensweisen der Alltagsroutine bestehen aus einer Abfolge aufeinander abgestimmter Einzelreaktionen (z.B. Zähneputzen). Im Unterschied zum Shaping sind die Einzelreaktionen der Verhaltenskette bereits im Verhaltensrepertoire und müssen nicht mehr gelernt, sondern nur noch miteinander verknüpft werden. Die Verkettung der Einzelreaktionen erfolgt dergestalt, dass die Ausführung jeder Einzelreaktion für die ihr vorausgehende Reaktion einen konditionierten (sekundären) Verstärker darstellt und gleichzeitig für die auf sie folgende Reaktion einen diskriminativen Hinweisreiz. Chaining am Beispiel „Zähneputzen“ Diskriminativer Hinweisreiz (Einzel-)Reaktion Konditionierter Verstärker „Putze Deine Zähne“ Ergreifen der Zahnbürste Bürste in der Hand Bürste in der Hand Befeuchten der Bürste Bürste feucht Bürste feucht Öffnen der Pastentube Tube offen usw. usw. usw. usw. usw. usw. usw. usw. usw. Mund gespült Mund abtrocknen Mund trocken Primärer Endverstärker Positive Verstärkung als Strategie des Abbaus von Verhalten i.S. von differenzieller Verstärkung Differenzielle Verstärkung niedriger Verhaltensraten Differenzielle Verstärkung für die vollständige Unterlassung des Verhaltens Differenzielle Verstärkung inkompatiblen oder alternativen Verhaltens Bestrafung durch einen aversiven Reiz Klassifikation von Strafreizen: Genau wie bei den Verstärkern können auch verschiedene Arten von Strafreizen unterschieden werden: entsprechend ihrer Genese: primäre (z.B. Schmerz) sekundäre (z.B. Strafzettel) und generalisierte (z.B. Kritik, Demütigung) als auch inhaltlich: materielle (z.B. Wegnahme eines Gegenstandes). soziale (z.B. mit dem Finger drohen) und aktivitätsbezogene (z.B. die Ausführung einer als unangenehm erlebten Tätigkeit) Nachteile von Bestrafung durch einen aversiven Reiz (1): kann zu Flucht- und Vermeidungsverhalten führen. kann bei dem Bestraften Ärger auslösen, welcher seinerseits aggressives Verhalten begünstigt. stellt ein ungünstiges Modell für aggressives Verhalten dar, was die Aufnahme aggressiver Verhaltensweisen in das Verhaltensrepertoire wahrscheinlicher macht. kann zu einer Beeinträchtigung des Selbstkonzepts führen („Ich bin nichts wert!“). wirkt sich negativ auf der Beziehungsebene aus, weil der Bestrafende zu einem konditionierten Stimulus für negative emotionale Reaktionen werden kann. Nachteile von Bestrafung durch einen aversiven Reiz (2): Wer bestraft wird, verbindet die Angst wegen Generalisierungseffekten vielleicht nicht nur mit dem unerwünschten Verhalten, sondern auch mit der strafenden Person oder mit der Situation, in der gestraft wird. Da es sich um eine sehr wirkungsvolle Interventionsstrategie handelt, besteht die Gefahr, vorschnell (bzw. ausschließlich) auf diese Methode zurückzugreifen. Als alleinig angewandte Strategie besitzt Strafe den Nachteil, dem Betroffenen nicht anzugeben, welches Verhalten er anstelle des bestraften zeigen soll. Unvorhersehbare (willkürliche) und unausweichliche Bestrafung kann zu einem überdauerndem Gefühl der Hilflosigkeit führen. Bestrafung durch Verstärkerentzug Löschung (Extinktion) Time-Out Response Cost Löschung (Extinktion) Prinzip der Löschung: Bei der Löschung besteht der Entzug des positiven Reizes in dem funktional wirksamen Verstärker. Anwendungshinweise: Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Möglichkeit, den positiven Verstärker im Rahmen eines Programmes auch tatsächlich kontrollieren zu können. Ein Ausrutscher und es handelt sich um einen intermittierenden Verstärkerplan, der gerade entgegen der Intention zu einer besonders hohen Löschungsresistenz führt. Grundsätzlich sollte eine Löschungsprozedur mit der positiven Verstärkung eines alternativen Verhaltens einhergehen. Time-Out Definition: Bei Time-Out besteht die Bestrafung in einem zeitlich begrenzten Entzug von Verstärkungsmöglichkeiten. (Dabei besteht zwischen dem entzogenen Verstärker und dem problematischen Verhalten ein beliebiger Zusammenhang). Nicht-ausschließendes Time-Out: bedeutet für den Betroffenen, dass der Verstärkerentzug im gleichen Setting erfolgt (z.B. systematische Nichtbeachtung). Ausschließendes Time-Out: hier wird der Klient kontingent auf das problematische Verhalten in den Time-Out-Raum gebracht. Response Cost Definition: Response Cost besteht in dem auf ein problematisches Verhalten kontingent erfolgenden Entzug eines (nichtfunktionalen) Verstärkers (in quantitativer Hinsicht). Beispiele: Bußgeldbescheid wegen Falschparkens; Rückstufung des Ausgangs in der Suchttherapie; Entzug von Punkten oder Tokens In der Praxis empfiehlt es sich, Response Cost mit positiver Verstärkung zu koppeln. D.h., der Klient kann für angemessenes Verhalten Verstärker verdienen und erhält gleichzeitig einen Abzug für problematisches Verhalten. Verhaltensvertrag In der Praxis ist es sinnvoll, die dargelegten operanten Strategien als ein antizipierbares Regelsystem zu implementieren, d.h. alle Schritte für den Klienten vorhersehbar zu machen. Diesem Ziel dient die Strategie des Verhaltensvertrages. In einem Verhaltensvertrag kann z.B. festgelegt werden, welches Verhalten geändert werden soll, für welche erwünschten Verhaltensweisen es, welche positiven Verstärker gibt, für welche unerwünschten Verhaltensweise es einen Response Cost gibt, wie hoch dieser ausfällt, usw. Eine besondere Form eines umfassenden, vertragsgebundenen Kontingenzmanagements ist die sog. Token-economy (Münzverstärkung).