Strukturierung und Verhaltensveränderung durch Verhaltensmodifikation 1. Zur Entwicklung der Verhaltensmodifikation VM wurde von jeher, basierend auf Intuition in der Schule angewandt. Die pädagogische Vm folgt jedoch kontrollierten und evaluierbaren Methoden, um Interaktionsprobleme in Schulklassen und anderen Erziehungsbereichen zu lösen. Wichtig: VM basiert nicht auf dem "Medizinischen Modell" von Verhaltensstörungen. Vm ist damit kein Therapeut - Klient Verhältnis. Die Interaktionsprobleme bleiben im pädagogischen Alltag (Schulklasse). Die bedingenden Wechselwirkungen im sozialen Kontext werden beachtet und einbezogen. Die Interventionsebene kann also auch das Alltagsgeschehen sein. Die Interaktionspartner, Lehrer und Schüler werden verantwortliche Agenten des geplanten und kontinuierlich kontrollierten Veränderungsprozesses. Grundmodell der Verhaltensmodifikation Nach dem theoretischen Konzept der Verhaltensmodifikation ist jedes Verhalten, auch unangemessenes Verhalten gelernt. Verhaltensstörungen werden erst durch ihren Bezug zur sozialen Umwelt, also nach unterschiedlichen Maßstäben als Verhaltensstörung definiert. Entscheidend ist also der Bezugsrahmen, in welchem das Verhalten geäußert wird. Bezugspunkte für die Beurteilung eines Verhaltens sind: Situationsangemessenheit Ausprägungsgrad soziale Bezugsrahmen Da unangemessens Verhalten gelernt ist, kann es auch wieder verlernt werden. Zumindest können durch pädagogische und therapeutische Interventionen neue, situationsangemessene Verhaltensweisen aufgebaut werden. Bedingend für Verhaltensstörungen sind konkret operationalisierbare Umstände: situative Bedingungen soziale Situation weiteres soziales Umfeld Zusammenstellung: ES-Team-Schwaben Wichtige Ansatzpunkte der VM: Planmäßige Veränderung der auslösenden Signalreize Planmäßige Veränderung der Reaktionen auf unerwünschtes Verhalten. Positiv empfundene Reaktionen der Umwelt auf ein bestimmtes Verhalten wirken verstärkend, das Verhalten wird intensiviert. Dieser Effekt ist von der Art, dem Ausmaß, der persönlichen Bedeutung, dem zeitlichem Bezug und der Regelmäßigkeit der Verstärkung abhängig. Folgt auf ein Verhalten sytematisch weder positive noch negative Konsequenz (Ignorieren), so wird dieses Verhalten aus dem Repertoire gelöscht. Entstehung der Vs nach dem Erklärungsmodell der VM: Das abweichende Verhalten wurde bisher direkt positiv verstärkt. Das Verhalten wird durch Imitation gelernt. Durch Modell -Lernen (Bandura) und die Belohnung des Modells, wird abweichendes Verhalten gelernt. (vgl. Aggression) Störendes Verhalten als Fluchtverhalten. Durch das Verhalten kann ein als unangenehm empfundener Zustand beendet werden. Verstärkung des Verhaltens durch die (mißbilligende) Aufmerksamkeit der Mitschüler und des Lehrers. Vermeidungsverhalten: das Verhalten verhindert angstauslösende oder strafende Situationen (Bsp: Angst vor Auslachen: Nicht Melden) Vs entstehen dadurch, das adäquates Verhalten nicht verstärkt wurde. (Schüler, der "nie" drankommt, wird aufhören sich zu melden.) 2. Methoden pädagogischer VM Lerntheoretische Konstrukte, die der VM zugrunde liegen: positive u negative Verstärkung Löschung klassische Konditionierung Lernen am Modell Ziele, die durch deren Einsatz erreicht werden sollen. Abbau von Defiziten im Verhaltensbereich der Schüler, durch operantes Konditionieren. Störendes Verhalten wird abnehmen um positive Verstärkung zu erhalten Zusammenstellung: ES-Team-Schwaben Lerntheorethische Grundsätze: Abbau von störendem Verhalten durch Verstärkerentzug und negative Konsequenzen. Lernen durch Präsentation von Modellen, z. B. interaktionsförderndes Verhalten (evtl in Verbindung mit Rollenspiel) VM betrachtet abweichendes Verhalten nicht isoliert, sondern immer als einen Teil von Interaktion in konkret benennbaren Situationen. Das Verhalten der (mindestens) beiden Partner bedingt sich hierbei gegenseitig. (jeweils als Signalreiz für den Anderen). Die wichtigsten Prinzipien operanter Modifikationsansätze: - Verhaltensaufbau durch Verhaltensformung: Komplizierte Handlungsweisen werden zerlegt und stufenweise eingeübt. Auch Annäherung an das Zielverhalten kann bereits ein wichtiges Teilziel sein. ( bei erwünschtem Verhalten, das gar nicht gezeigt wird.) - "Ausblendung" der Modifikation: Ist durch operante Verstärkung ein bestimmtes Verhalten aufgeabaut worden, so müssen die Verstärkungspläne der Trainingsphase sukzessive reduziert werden, so daß das erwünschte Verhalten auch bestehen bleibt, wenn die Verstärkung wegfällt. Die im täglichen Umgang mit Kindern immer noch gebräuchlichste Form der Verhaltensbeeinflussung, die Bestrafung (verbal, physisch oder durch Vergünstigungsentzug) hat sich nach den Prinzipien der pädagogischen Verhaltensmodifikation zur Behandlung von Verhaltensstörungen als wenig sinnvoll erwiesen, weil sie - in vertretbarer Stärke - das Störverhalten: a) nur kurzzeitig und situationsbezogen zu unterdrücken vermag, b) meist zu Flucht- oder Vermeidungsverhalten führt, c) in manchen Interaktionssystemen das bestrafte Verhalten paradoxerweise sogar erhöht, d) in keinem Fall jedoch ein in der betreffenden Situation angemessenes Sozialoder Arbeitsverhalten aufzubauen vermag. Soll dagegen ein Verhalten, das bisher verstärkt wurde, dauerhaft abgebaut werden, so ist lediglich das"Prinzip der Löschung" wirksam, d. h. der konsequente Wegfall bisheriger Verstärkung bei gleichzeitiger systematisch positiver Verstärkung alternativen angemessenen Verhaltens. Besonders widerstandsfähig gegen Löschung ist Vermeidungsverhalten, da gerade die Situationen, die Angst auslösen, vermieden werden und dadurch andere Konsequenzen als die als strafend bzw. beängstigend erfahrenen, nicht erlebt werden können. Zur Reduktion unerwünschter Verhaltensweisen wird in vielen Fällen response prevention eingesetzt. D. h., eingeschliffene Handlungsabläufe werden verhindert oder verzögert, indem bestimmte Hinweisreize auf unerwünschtes Verhalten vermieden werden. In Kindergruppen wird in Einzelfällen und meist kombiniert mit anderen Ansätzen Verstärkerausschluß dann praktiziert, wenn die verstärkende Situation in der Gruppe für kurze Zeit ausgeschaltet sein soll, d. h. der Schüler kurzfristig aus der Gruppe genommen Zusammenstellung: ES-Team-Schwaben wird (time-out). Eine präzise Planung, um den gegenteiligen Effekt der Verstärkung der unerwünschten Verhaltensweise auszuschließen, ist jedoch meist schwierig. Wichtiges Prinzip ist in der pädagogischen Verhaltensmodifikation, dass möglichst rasch außengesteuerte Modifikationsansätze über Lehrer, Beratungslehrer etc. in geplante Selbstmodifikation übergeführt werden, weil bei dieser sowohl die Motivation zur Verhaltensänderung als auch die Fähigkeit zur Selbstverstärkung am besten gegeben ist. In Modifikationsprozessen, die gezielt Interaktionen zwischen Partnern betrifft, ist es sinnvoll, eine Art Vertrag zu schließen, eine konkrete Vereinbarung, in der beide Partner die Modifikationsschritte, die vereinbarten Kontingenzen und Konsequenzen und mögliche Vertragsbrüche konkret festlegen und kontrollieren können. Wichtig sind solche Kontrakte vor allem in sozialen Gruppierungen mit starkem Machtgefälle, wie es das Lehrer-SchülerVerhältnis darstellt, weil sich hier zum einen alle Vertragspartner tatsächlich verpflichten und auch der Lehrer in seinen Sanktionen und in seinem Eigenverhalten kontrollierbar wird. Wichtig ist dabei, daß: a) nicht abstrakte Forderungen wie z. B. Gehorsam als Verpflichtungen in Kontrakte eingeführt werden, sondern operationalisierbare Handlungsanweisungen, deren Erfüllung nachprüfbar ist b) nicht wie in üblichen mündlichen Kontrakten (z. B. bei Drohungen) negative sondern in der Regel positive Konsequenzen fixiert werden, c) Teilziele vereinbart werden, und schließlich d) gemeinsam ausgehandelte Kontrakte mit gegenseitigem Kontrollmöglichkeiten in selbstkontrollierte Kontrakte übergeführt werden. 3. vorausgehende Überlegungen - Einzelschüler, Kleingruppe oder gesamte Klasse - System nicht überstülpen, sondern mit dem / den Schüler besprechen und aushandeln - unbedingt konsequent durchhalten, sonst nicht wirksam - Lehrer muss Überblick behalten – nicht zu viele Einzelverträge - Adaption auf persönliche Haltung und Einstellung notwendig - Prinzip der "Krücke": ein Verstärkersystem muss sich selbst auflösen im Laufe der Zeit - Reflexion durch den Lehrer im Verlauf - Verstärker wirksam? - muss Preisliste erhöht werden? - kann ich eine Veränderung des Verhaltens beobachten? Zusammenstellung: ES-Team-Schwaben - Veränderungen müssen möglich sein, diese auch transparent machen? 4. Umsetzung - Entscheidung für Punktaufbau oder Punktabzug (response cost) - "die Wurst darf nicht zu hoch hängen" – keiner strengt sich für Ziele an, die einem selbst unrealistisch erscheinen - das erwünschte Verhalten genau operationalisieren und Verbindlichkeiten genau festlegen – beim Klassenlehrer, bei allen Lehrern - Absprache mit Kollegen in der Klasse - Information der Erziehungsberechtigten - Häufigkeit der Bewertung gut überlegen und genau festlegen, z. B. jede Stunde - Verträge präsent im Klassenzimmer, z. B. aufhängen, im Unterrichtsverlauf darauf hinweisen - Buchführung: öffentlicher Aushang, Klassenbuch (keine Möglichkeit der Manipulation) o.ä. - Art der Verstärker – Mischformen möglich - primäre Verstärker – Gummibärchen, - materielle Verstärker – Kramkiste, Hausaufgaben, - soziale Verstärker – Spielstunde, Lob-Mitteilung, - gemeinsame Festlegung und Vereinbarung eines Ziels oder 2-3 Ziele - Einzelgespräch über Fortschritte oder Hindernisse Anmerkung: Mit einigen Änderungen einem Skript des ES-Teams Niederbayern entnommen! Zusammenstellung: ES-Team-Schwaben Prinzipien der Verhaltensmodifikation (nach Palmowski) systematisch VM unterscheidet sich oft kaum von anderen pädagogischen Maßnahmen (Loben, ermuntern, …). Das entscheidend andere ist aber die klare Systematik einer Verhaltensmodifikation: Ein (festgelegtes) Verhalten führt zu einer festgelegten (und damit vorhersagbaren) Folge! Ein Verstärkerprogramm ist (im Vorfeld) genau planbar Erfolge können gezielt überprüft werden Die Elemente können leicht verändert werden (andere Verstärker, andere ZielPunktzahl,…) Die Methode, nach der Belohnungen erreicht werden ist objektiviert und weniger an die Person des Verstärkenden gebunden Ein (klares) Verstärkerprogramm bietet den Schülern Orientierung, Verherseh- und Vorhersagbarkeit und damit mehr Sicherheit kleinschrittig Die Haupt-Fehlerquelle bei Verstärkerprogrammen liegt darin, dass zu große Ziele (Schritte) erwartet werden. Es kann aber nicht oder kaum gelingen, das erwünschte Zielverhalten in einem einzigen Schritt zu erreichen. Vielmehr muss es darum gehen, den Weg zum Zielverhalten in (genügend kleine) Einzelschritte zu zerlegen, die (einzeln) Gegenstand der Verstärkung werden. „Die Schrittfolge kann nur zu groß, jedoch nie zu klein sein“ Die Schritte müssen an die Bedürfnisse / die Ausgangssituation des Schülers angepasst werden, um Erfolg zu haben – nicht umgekehrt! erfolgsorientiert Erwünschtes Verhalten wird benannt und thematisiert Erwünschtes Verhalten wird verstärkt / belohnt, nicht Fehlverhalten bestraft “Catch them at being good” (Wood) transparent Die Schüler müssen genau wissen, welche Verhaltensweisen / Tätigkeiten belohnt werden Zusammenstellung: ES-Team-Schwaben Vorhersagbarkeit / Hilfe zur Orientierung Objektivität statt Subjektivität dynamisch Ein Verstärkersystem kann nicht dauerhaft gleich bleiben In dem Maße, in dem sich die Schüler bzw. ihr Verhalten ändert, muss das Verstärkersystem verändert, also der neuen Ausgangssituation angepasst werden Wichtig ist jedoch, dass eine Kontinuität durch geregelte kleinschrittige Veränderungen erhalten bleibt (Verschiebung der Akzente in einem bekannten Rahmen) selbstbestimmt In einem klar festgelegten Rahmen sollen die Schüler über die Art und Form der Verstärker und die zu verstärkenden Verhaltensweisen mitbestimmen können (z.B. durch Festlegung der Indikatoren beim SoZiKa) Notwendige Vorarbeiten der Selbst- bzw. Mitbestimmung o Aufbau der Selbstwahrnehmung o Aufbau einer realistischen Selbsteinschätzung ( auch dies kann Thema eines Verstärkerprogrammes sein) Sonderformen: response cost Dabei erhalten die Schüler einen Vorrat an Tokens , den sie durch das Zeigen erwünschter Verhaltensweisen über einen festgelegten Zeitraum hinweg „verteidigen“ sollen. Bei (vorher exakt festgelegtem) Fehlverhalten verlieren die Schüler jeweils einen Punkt (Token). Die Punkte die bis zu einem festgelegten Zeitpunkt (Pause / Tagesende / Wochenende) behalten wurden sind sicher und können eingetauscht oder gespart werden. Obwohl dieses Verfahren den Fokus nicht nur beim erwünschten Verhalten belässt, es sogar weniger um den Aufbau erwünschten Verhaltens als vielmehr den Abbau unerwünschten Verhaltens geht, hat es sich als sehr wirksam erwiesen. Wesentlich dabei ist die genaue Festlegung und Beschreibung, wann (bei welcher Handlung) Punkte verloren werden und die Transparenz des Verfahrens für die Schüler. Für diese muss unbedingt vorhersagbar sein, bei welcher Tätigkeit sie „zahlen“ müssen, damit nicht der Verdacht entstehen kann, die Lehrkraft würde willkürlich über Besitz und Verlust der Punkte entscheiden. Verhaltensvertrag Ein Verhaltensvertrag wird mit einem einzelnen oder einer kleinen Gruppe von Schülern geschlossen. Dabei müssen beide Seiten (also auch die Lehrkraft) etwas einbringen. Bei dem Vertrag kann nicht sofort das erwünschte Zielverhalten vom Zusammenstellung: ES-Team-Schwaben Schüler verlangt werden. Vielmehr geht es darum, Minimalerwartungen zu verhandeln und fixieren. Die Laufzeit der Verträge wird von Anfang an festgelegt. Im Idealfall führt eine Folge von nacheinander geschlossenen Verhaltensverträgen zum erwünschten Zielverhalten. Große Bedeutung erhält bei dieser Form der Verhaltensmodifikation die Mitbestimmung des Schülers. Zusammenstellung: ES-Team-Schwaben