Gefährdete Partner - Deutsches Ärzteblatt

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W I S S E N S C H A F T
Störung stark ähneln, andererseits an
der hohen Komorbidität mit anderen
psychischen Störungen. Voraussetzung für jede psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung ist daher eine
gründliche Diagnose. In den letzten
Jahren sind dafür eine Reihe valider
Selbstbeurteilungsverfahren und Interviewleitfäden entwickelt worden.
Zu Beginn der Therapie muss der Patient über das Krankheitsbild aufgeklärt werden. Er sollte darüber informiert werden, dass es sich bei Dissoziationen um normale Wirkungen einer innerpsychischen Belastungsverarbeitung handelt. Außerdem muss er
wissen, dass das Wiedererleben traumatischer Erfahrungen zur Behandlung zählt. Manchmal ist ein Patient
auch erst therapiefähig, wenn die Symptome verringert sind. Zur Symptomreduktion eignen sich unter anderem
Krankengymnastik, logopädische Therapie, kognitive Verfahren und Pharmakotherapie.
Zuerst emotional stabilisieren
„Zentral für die erste Therapiephase
ist der Aufbau von Sicherheitserleben“, meint Dr. Monika Vogelsang von
der Psychosomatischen Fachklinik
Münchwies. Erst wenn der Patient
emotional stabilisiert ist und sich physisch und psychisch sicher fühlt, können die eigentlichen Ursachen angegangen werden. Traumata sind häufig
die Ursache, dennoch lässt sich von
dissoziativen Symptomen nicht automatisch auf eine Traumatisierung
schließen. Nach Vogelsang ist im weiteren Verlauf der Therapie darauf zu
achten, dass Dissoziationen während
der Therapiesitzungen frühzeitig erkannt und gestoppt werden und der
Patient alternative Verhaltensweisen
zum Rückzug in dissoziative Zustände
einübt. In der zweiten Therapiephase
werden dann mögliche Traumata explizit bearbeitet. „Dazu können verschiedene Verfahren eingesetzt werden, wie
Konfrontation, kognitive Restrukturierung, therapeutische Gespräche,
Hypnose oder psychodynamische Fokaltherapie“, sagt Priv.-Doz. Dr. med.
Annegret Eckhardt-Henn vom Universitätsklinikum Mainz. Auch Eye
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 Heft 8
 August 2004
Deutsches Ärzteblatt
Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) wurde mit wechselnden Erfolgen versucht. Ziel der
Traumabearbeitung ist die Reintegration der abgespaltenen Erfahrungen.
Zunächst kann mithilfe kreativer Verfahren der Patient dazu gebracht werden, Unsägliches zum Ausdruck zu
bringen. Es wird danach angestrebt,
dass er seine Erinnerungen ausspricht
und Zugang zu verdrängten Erfahrungen gewinnt. Indem sie verbalisiert
werden, gewinnt der Patient Kontrolle
und Distanz. Das traumatische Geschehen wird weniger bedrohlich, und
der Patient kann sein Abwehr- und
Vermeidungsverhalten allmählich aufgeben und alternative Bewältigungsstrategien erlernen. „Oft gibt es
Schwierigkeiten, die tatsächlich stattgefundene Traumatisierung festzustellen, weil die Erinnerungen der Patienten verzerrt sind“, weiß Priv.-Doz.
Dr. Ursula Gast von der Medizinischen
Hochschule Hannover. Bei diesem
Problem habe sich die therapeutische
Haltung bewährt: „Skeptisch zu glauben und empathisch zu zweifeln“.
Die aktuellen psychotherapeutischen Behandlungskonzepte ähneln in
vieler Hinsicht einer psychologischen
Psychotherapie bei posttraumatischer
Belastungsstörung sowie der verhaltenstherapeutischen Behandlung von
Panikstörungen und Phobien. Vergleichsstudien zeigen, dass Psychotherapien wirksamer als Pharmakotherapien sind. „Besonders bewährt haben sich
Expositionsansätze und kognitiv-narrative Umstrukturierung“, betont Prof.
Dr. Peter Fiedler von der Universität
Heidelberg. Er rät dazu, dissoziative
Störungen in jedem Fall multimodal zu
Dr. phil. Marion Sonnenmoser
behandeln.
Literatur
1. Eckhardt-Henn A: Dissoziative Störungen des Bewusstseins. Psychotherapeut 2004; 1: 55–66.
2. Vogelsang M: Verhaltenstherapie bei dissoziativen
Störungen. Psychotherapeut 2004; 2: 139–147.
3. Eckhardt-Henn A, Hoffmann SO (Hrsg.): Dissoziative
Bewusstseinsstörungen. Theorie, Symptomatik, Therapie. Stuttgart: Schattauer 2004.
4. Freyberger H, Stieglitz RD: Dissoziative Störungen. In:
Berger M: Psychische Erkrankungen. München: Urban
& Fischer 2004; 757–768.
5. Fiedler P: Dissoziative Störungen. Göttingen: Hogrefe
2002.
6. Fiedler P: Dissoziative Störungen und Konversion.
Weinheim: Beltz 2001.
PP
Referiert
Psychisch Kranke
Gefährdete Partner
D
as Leben an der Seite psychisch
Kranker ist meistens schwierig. Mit
den Belastungen von Angehörigen
und ihrem Risiko, selbst psychisch zu
erkranken, haben sich drei Wissenschaftler vom Universitätsklinikum
Leipzig beschäftigt. Sie befragten 151
Partner von Patienten mit Depressionen, Angsterkrankungen oder Schizophrenien. Es stellte sich heraus, dass
die Partner, vor allem die weiblichen,
ein erhöhtes Risiko haben, depressiv
zu werden oder an mehreren psychischen Störungen zu erkranken. Der
Anteil an Partnern, die an Depressionen, Angsterkrankungen und somatoformen Störungen litten, war gegenüber einer Referenzpopulation um 20
Prozent höher. Die Lebensqualität der
Partner wird vor allem von der subjektiven Intensität des Beschwerdedrucks
und vom Schweregrad der Erkrankung
beeinträchtigt, wohingegen Art und
Dauer der Erkrankung keine Rolle
spielen. Weibliche Partner, die eine
Mutterrolle einnehmen und einen internalen Attributionsstil aufweisen,
entwickeln oft Schuldgefühle, Hilflosigkeit und Kontrollverlust, was Depressionen begünstigt. „Männliche
Partner akzeptieren hingegen ein medizinisches Krankheitsmodell, übertragen die Verantwortung professionellen
Helfern und halten eine größere emotionale Distanz“, sagen die Wissenschaftler. Dieses Verhalten wirkt protektiv und schützt die männlichen
Partner vor Depressionen. Die Forscher plädieren für mehr Austauschmöglichkeiten und Aufklärung der
ms
Partner.
Wilms HU, Wittmund B, Angermeyer M: Belastungen von
Partnern psychisch Kranker. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation 2003; 62: 171–182.
Dr. phil. H.-U. Wilms, Dr. med. Bettina Wittmund, Prof. Dr.
med. Matthias C. Angermeyer, Klinik und Poliklinik
für Psychiatrie, Universitätsklinikum Leipzig, Johannisallee 20, 04317 Leipzig
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