Monadische Deontische Logik: Das Standardsystem SDL

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Deontische Logik
Jörg Hansen
WS 2000/2001
3. Termin: 27.10.2000
Monadische Deontische Logik: Das Standardsystem SDL
Georg Henrik von Wright: Deontic Logic, Mind 60 (1951), 1-15.
Sekundärliteratur:
Dagfinn Føllesdal u. Risto Hilpinen, Deontic Logic: An Introduction, in: Hilpinen 1971 S. 1-35.
Lennart Åqvist, Deontic Logic, insb. S. 614-649 (Diskussion); 665-675 (Systeme u. Beweise).
Azizah al-Hibri: Deontic Logic. Washington: Univ. Press, 1978.
Franz von Kutschera: Einführung in die Logik der Normen, Werte und Entscheidungen. Freiburg 1973.
Alphabet:
Satzbuchstaben: p1, p2, p3, ...
Operatoren: ¬, ∧, ∨, →, ↔, O, P
Hilfszeichen: (, )
Sprache:
(a) Alle Satzbuchstaben und ausgezeichnete Satzbuchstaben sind Aussagesätze.
(b) Wenn A und B Aussagesätze sind, so auch ¬A, (A∧B), (A∨B), (A→B), (A↔B) und OA, PA.
(c) (Abschlußklausel)
Definitionen:
FA [ O¬A
IA [ PA ∧ P¬A
Abkürzungen:
‘ò’ repräsentiert eine (beliebige) aussagenlogische Tautologie, z.B. ‘(p1∨¬ p1)’.
‘ó’ repräsentiert eine (beliebige) aussagenlogische Kontradiktion, z.B. ‘(p1∧¬ p1)’.
Informale Semantik:
OA
Es ist geboten , daß ... (obligatory)
FA
Es ist verboten, daß ... (forbidden)
PA
Es ist erlaubt, daß ... (permitted)
IA
Es ist neutral, daß ... (indifferent)
(Es wird vorausgesetzt, daß eine Übersetzung des ‘Hauptsatzes’ A an der Stelle ‘...’ in den entsprechenden Nebensatz erfolgt.)
Axiomatisches System:
1. Das System SDL
(a)
SDL enthält alle Einsetzungsinstanzen von Aussagesätzen der Sprache in geeignete Axiomenschemata der Aussagenlogik,
sowie alle weiteren Einsetzungsinstanzen der Sprache in folgende Axiomenschemata:
Def
K
D
(b)
OA ↔ ¬P¬A
O(A→B) → (OA→OB)
OA → PA
SDL ist abgeschlossen unter modus ponens und der „Gödelschen Regel“:
Nec
Wenn A ∈ SDL dann OA ∈ SDL.
Für A ∈ SDL schreiben wir ðSDL A und nennen A beweisbar in SDL.
2. „Von Wrightsche Axiomatisierung“: Das System DL
(a)
DL enthält alle Einsetzungsinstanzen von Aussagesätzen der Sprache in geeignete Axiomenschemata der Aussagenlogik,
sowie alle weiteren Einsetzungsinstanzen der Sprache in Def sowie folgende Axiomenschemata:
Distr
Perm
(b)
P(A∨B) ↔ (PA∨PB)
PA∨P¬A
DL ist abgeschlossen unter modus ponens und „Kongruenz“:
Kon
Wenn (A↔B) ∈ DL dann (OA↔OB) ∈ SDL.
2. Alternative Axiomatisierung von SDL:
(a)
SDL enthält alle Einsetzungsinstanzen von Aussagesätzen der Sprache in geeignete Axiomenschemata der Aussagenlogik,
sowie alle weiteren Einsetzungsinstanzen der Sprache in Def sowie folgende Axiomenschemata:
Aggl
N
D*
(b)
(OA∧OB) → O(A∧B)
Oò
Pò
SDL ist abgeschlossen unter modus ponens und „Monotonie“:
Mon
Wenn (A→B) ∈ SDL dann (OA→OB) ∈ SDL.
(vgl. Bull/Segerberg, Basic Modal Logic, Handbook of Philosophical Logic, Bd. II, 1-88, S. 31/32)
Anmerkungen:
- Von Wrights Sprache erlaubt keine eingebetteten (nested) Modaloperatoren und keine unmodalisierten Teilformeln von
aussagelogischen Verknüpfungen. Weiter ist ‘P’ primitiv und ‘O’ definiert. Für eine ‘getreue’ Axiomatisierung wäre diesen
Beschränkungen der Sprache Rechnung zu tragen.
- Wenn wir in der obigen alternativen Axiomatisierung von SDL auf N verzichten, erhalten wir das System DL. Wenn wir DL N
hinzufügen, erhalten wir SDL.
- Das System, daß entsteht, wenn wir in SDL auf D (bzw. D*) verzichten, wird als SDL– (al-Hibri) bzw. OK (Aqvist) bezeichnet.
Einige Theoreme und abgeleitete Regeln von SDL:
- Distr, Aggl, Konj: (OA∧OB) ↔ O(A∧B) und N sind Theoreme von SDL– , D* und Perm Theoreme von SDL.
- Kon und Mon sind abgeleitete Regeln von SDL.
- SDL–, SDL enthalten P(A∧B) → (PA∧PB) (Die Umkehrung ist kein Theorem!).
Erste „Paradoxien“
OA→ O(A∨B) („Ross’ Paradox“)
PA→ P(A∨B)
(A→B) ∈ SDL– ⇒ (FB→FA) ∈ SDL–
(„Good Samaritan“ bzw. „Penitent’s“ Paradox)
FA→ O(A→B) („Paradox of Commitment“)
(A→¬B) ∈ SDL ⇒ (OA∧OB) →ó ∈ SDL („Sartre’s Paradox“)
„Mögliche Welten“- Semantik:
Ein Modell M heißt das Tripel ⟨W,R,V⟩, wobei
• W≠∅
(Menge von „möglichen Welten“)
• R⊆W×W
(zweistellige Alternativrelation; wir schreiben wRv für „v ist eine deontische Alternative zu w“)
• V: Prop×W→{1,0}
(Bewertungsfunktion, die jedem Satzbuchstaben in jeder möglichen Welt genau einen Wahrheitswert
zuordnet)
Einschränkung für SDL-Modelle: R ist seriell (∀w∈W:∃v∈W: wRv)
Wahrheitsdefinitionen: (wir schreiben M, wö A für „A ist wahr in einer Welt w im Modell M“)
M, wö p
gdw
V(p,w)=1
M, wö ¬A
gdw
M, wû A
M, wö (A∧B)
gdw
M, wö A und M, wö B
M, wö (A∨B)
gdw
M, wö A oder M, wö B
M, wö (A→B) gdw M, wû A oder M, wö B
M, wö (A↔B) gdw M, wö A und M, wö B, oder M, wû A und M, wû B
M, wö OA ∈W
M, wö PA ∈W
gdw
gdw
∀v∈W: (wRv⇒ M, vö A)
∃ v∈W: (wRv & M, vö A)
• Ein Satz A heißt SDL-erfüllbar genau dann, wenn es ein SDL-Modell M=⟨W,R,V⟩ und eine Welt w∈W gibt, so daß M, wö A.
• Ein Satz A heißt SDL-allgemeingültig genau dann, wenn in allen SDL-Modell M=⟨W,R,V⟩ und allen Welten w∈W gilt M, wö
A. (Wir schreiben öSDL A.)
SDL ist ...
- widerspruchsfrei: ú ó
- korrekt: ðSDL A ⇒ öSDL A
- vollständig: öSDL A ⇒ ðSDL A
- entscheidbar (Entscheidungsverfahren bei von Kutschera, S. 61-66)
(Gleiches gilt für das System SDL–, wobei wir in der Semantik auf die Modellbedingung der Serialität verzichten.)
Fragen:
- Vergleichen Sie Mallys Axiome (evtl. in der „restaurierten“ Fassung) mit SDL. Was fällt auf?
- Ist das Definitionsaxiom plausibel? Stellen Sie sich etwa vor, es gäbe keinen Gesetzgeber. Oder es gälte die Regel: Alles, was
nicht geboten ist, ist verboten.
- Von Wright erhebt Bedenken gegen Nec bzw. N. Welche Konsequenz hätte ein Verzicht auf N für die Semantik? Im Lichte von
Sartres Paradox plädiert Williams („Ethical Consistency“, in: Problems of the Self 1973, S. 182) für eine Aufgabe von Aggl. Wie
sieht es hiermit aus?
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