Zahlt Ethik sich langfristig aus?

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Essay
Zahlt Ethik sich langfristig aus?
Zum Verhältnis von Ethik und Gewin
n / von Ulrich Thielemann
Gewinn
In der Ethik geht es um das richtige Handeln,
um Gerechtigkeit, Fairness, Solidarität oder
kurz: um Moral. Ethik ist die Reflexionstheorie
der Moral. Klar dürfte auch sein, dass sowohl
die Frage, was denn in konkreten Situationen
das moralisch Richtige ist, ebenso wie diejenige, was denn überhaupt richtige Maßstäbe des
Handelns sind, kontrovers ist. Ja, es ließe sich
sogar sagen, dass Ethik der Inbegriff des Kontroversen ist. Denn worüber sollte man sich
letztlich streiten als darüber, was ein falsches
oder richtiges Handeln ist?
Umso mehr muss es erstaunen, dass die
Landschaft der Wirtschafts- und Unterneh-
Dr. Ulrich Thielemann lehrt
am Institut für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen. Sein Essay für unser
Uni-Journal basiert auf einem Vortrag beim 4. Thüringentag für Philosophie am
28. Oktober 2000.
Foto: privat
mensethik – im Folgenden konzentriere ich
mich auf die Unternehmensethik – zumindest
in Deutschland weitgehend von einem einzigen
Ansatz dominiert wird. Mit großer Selbstverständlichkeit wird dort nämlich Ethik als ein „Erfolgsfaktor“ begriffen. „Moral bringt Kapital“
(K. Leisinger) – so lautet die allenthalben ausgegebene Parole.
Diese Auffassung, die man als funktionalistisch charakterisieren kann, ist natürlich nicht
neu. Neu ist allerdings, dass man meint, auf
eine Rechtfertigung und Fundierung verzichten
zu können. Zuweilen wird da zwar noch ein Fragezeichen hinter die Formel „Mit Ethik zum Unternehmenserfolg?“ gesetzt. Denn es könnte
ja vielleicht doch noch jemanden geben, der da
anderer Auffassung ist. Doch letztlich möchte
man endlich „zur Sache“ kommen – d. h. zum
lukrativen Beratungsgeschäft. Wer möchte da
meckern? Endlich wird Ethik auch in den Unternehmen praktisch.
Szenenwechsel. Im Jahre 1961 wurde in den
USA eine empirische Studie mit dem Titel
„How ethical are Businessmen?“ durchgeführt. Diese Studie wurde in den Jahren 1977
und 1987 wiederholt, diesmal in verschiedenen
Ländern. In allen Studien wurde den Managern
und Unternehmern das gleiche Statement vorgelegt: „Sound ethics is good business in the
long run.“ Right or wrong? Die Zustimmung lag
im schlechtesten Fall bei 98 %. Eine der Studien hielt schlicht fest: „general agreement“.
Eine solche Studie würde heute kaum anders
ausfallen. Dass sich langfristiges Erfolgsstreben nicht nur langfristig bezahlt macht, sondern
auch „der Ethik“ diene, dies ist eine weitverbreitete und tiefverwurzelte Grundüberzeu-
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gung, die oft vertreten, aber nur selten explizit
thematisiert wird.
Die eher rare Spezies des philosophisch-kritisch denkenden Wirtschaftsethikers muss hier
allerdings doch ein paar Bedenken äußern.
Wenn „Ethik“ ein Instrument erfolgreicher Unternehmensführung ist wie andere auch, wie
können wir dann so sicher sein, dass es sich
hierbei tatsächlich um Ethik handelt? Verbirgt
sich hinter dem Label „Ethik“ tatsächlich das,
was es verspricht – oder nur scheinbar? Dies
ist eine äußerst wichtige Frage, auch wenn
man sich mit ihr rasch einmal als Spielverderber erweist. Denn nicht nur für Nussnougatcremes gilt: Nicht überall da, wo Ethik draufsteht,
ist auch wirklich Ethik drinnen.
Der mögliche Etikettenschwindel der Formel
„Ethik zahlt sich langfristig aus“ könnte in zweierlei Hinsicht bestehen. Erstens wäre zu fragen, ob es denn tatsächlich Ethik ist, also die
Achtung der legitimen Rechte anderer, die sich
da zugleich langfristig auszahlt. Möglicherweise zahlt sich ja nur der Schein von „Ethik“ aus.
Oder sie zahlt sich teilweise aus, aber nicht „die
Ethik“ in ihrem vollen, ihr gebührenden Umfang. Auf der Basis von Lug und Betrug oder
bei „schreiender Ungerechtigkeit“ lässt sich
wohl kaum dauerhaft erfolgreich wirtschaften.
Zweitens ließe sich fragen: Selbst wenn wir
einmal annehmen, dass sich Ethik langfristig
vollumfänglich auszahlt – wie steht es mit dem
Auszahlen selbst? Wenn „Ethik“ sich langfristig auszahlt, dann wäre ja alles erlaubt, was die
Gewinne steigert, und zwar nicht bloß kurzfristig, sondern langfristig, also dauerhaft und
nachhaltig. Langfristige Gewinne sind bekanntlich höher als kurzfristige. Gewinnmaximierung,
an und für sich, wäre damit als neutral, mithin
als legitim einzustufen. Dieser Problemkontext
kann hier nur gestreift werden. Ein Stichwort
soll genügen: Wettbewerb ist ein Prozess
„schöpferischer Zerstörung“ (Josef A. Schumpeter). Er schafft und er vernichtet uno actu Arbeitsplätze. Er schafft Gewinner und damit unweigerlich Verlierer. That’s competition. Die damit angedeuteten internen Effekte des Marktverkehrs und des Wettbewerbs sind sicher
nicht „neutral“.
„Ethik zahlt sich langfristig aus“ gehört zu
denjenigen Behauptungen, die sich leicht aufstellen, aber nur schwer widerlegen lassen,
was natürlich kein Beweis ihrer Richtigkeit ist.
Ich muss mich auf die knappe Entfaltung des
Schlüsselarguments beschränken. Dieses liefert nicht nur eine Erklärung dafür, dass es so
erscheinen kann, dass sich „Ethik“ langfristig
auszahlt. Auch lässt sich mit seiner Hilfe die
These der langfristigen Koinzidenz von Ethik
und Erfolg (Gewinn) zumindest in ihrer Pauschalität und Grundsätzlichkeit klar widerlegen.
Erstaunlich ist eigentlich, dass die Auffassung der langfristigen Vorteilhaftigkeit ethisch
richtigen Verhaltens zwar in Wissenschaft und
Praxis weit verbreitet ist, bislang jedoch niemand danach gefragt hat, warum sich „Ethik“
denn langfristig und nicht etwa kurzfristig auszahlen soll. Die Antwort finden wir in der Stakeholder-Theorie. Die verbreitetste und überall
verwendete Stakeholder-Definition stammt von
dem Managementtheoretiker Robert E. Freeman: „A stakeholder in an organization is (by
definition) any group or individual who can affect, or is affected by, the achievement of a
corporation’s purpose.“ Diese Definition liegt
implizit auch der These zu Grunde, „Ethik“ zahle sich langfristig aus.
Auf den ersten Blick scheint es sich hierbei
um eine genuin ethische Definition zu handeln.
Stakeholder sind die vom unternehmerischen
Handeln negativ Betroffenen („are affected
by“). Ihre legitimen Ansprüche könnten verletzt
werden, und darum sind sie zu berücksichtigen.
Im gleichen Atemzug sind Stakeholder jedoch
auch diejenigen, die die Ziele der Unternehmung beeinflussen können („can affect“), die
also Macht haben und die man darum natürlich
im eigenen Interesse berücksichtigen muss,
weil sonst mit ihrem Widerstand zu rechnen
ist. Wie passt beides zusammen?
Nun, mit dem „is affected by“ wird ebenfalls
auf die Macht der Stakeholder abgestellt. Nur
wird diese weiter gefasst, als der Unbedarfte
vielleicht zunächst meinen könnte. Diejenigen,
die vom unternehmerischen Handeln negativ
betroffen sind, könnten ja und werden wahrscheinlicherweise zurückschlagen. Man könnte auch formulieren: Sie könnten langfristig zurückschlagen. Es ist also Vorsicht geboten – im
eigenen Interesse versteht sich. Mit dem Moment der negativen Betroffenheit („is affected
by“) wird also lediglich auf die latente Macht
der Stakeholder abgestellt, nicht bloß auf ihre
manifeste Macht („can affect“).
Das Langfristargument läuft also auf eine
Ethik des Rechts des Stärkeren hinaus. Wer
Macht hat, bekommt Recht. Wer einflusslos
ist, dessen Ansprüche bleiben unberücksichtigt, auch wenn sie legitim sind. Dies lässt sich
auch an den Standardbeispielen belegen, die
zur Stützung der These, dass sich „Ethik“ langfristig bezahlt mache, ins Feld geführt werden.
Drei Beispiele: Wenn eine Unternehmung hier
und jetzt etwas plant oder tut, das ihren „guten Ruf“ gefährdet – man denke an Brent Spar
–, dann droht ihr langfristig – oder manchmal
schon ziemlich bald – Konsumentenabstinenz
oder sogar ein Konsumentenboykott. Hier ist
also die Macht der Konsumenten ausschlaggebend, ihre Kaufkraft nämlich. Sie könnten ja,
wenn man ihre „moralischen Präferenzen“ allzu sehr ignoriert, ihr Geld woanders ausgeben.
Im Umkehrschluss bedeutet dies: Dort, wo die
Kaufkraft der Konsumenten nicht ausreicht, um
ein Unternehmen zur Umkehr zu bewegen, dort
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zahlt sich „Ethik“ auch nicht aus. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass die moralischen Verfehlungen nicht gravierend oder eindeutig genug dafür sind, dass Öffentlichkeit
hergestellt würde, und für die Konsumenten somit wenig Hoffnung besteht, dass ihre Missbilligung qua Wechsel des Anbieters nicht verpufft. (Wer weiß schon, dass ein Boykott gegen Nestlé wegen der Werbung für Muttermilchersatzprodukte nach wie vor besteht.
Doch will sich heute eine kritische Masse an
Druck ausübenden Konsumenten nicht mehr
so recht einstellen.)
Wenn Unternehmungen ihren ethisch guten
Ruf gefährden, dann kündigen die Mitarbeiter
über kurz oder lang innerlich oder äußerlich.
Ethische Skandale sind nicht gerade ein Aufsteller und Motivator. Wer möchte sich beispielsweise schon für eine ökologische Dreckschleuder engagieren oder für eine Firma, die
in Korruptionsfälle verstrickt ist? Ergo sei
„Ethik“ ein Instrument dauerhaft erfolgreicher
Unternehmensführung. Doch auch hier gibt
Macht den Ausschlag – die, zumeist implizite,
Macht der Mitarbeiter, sich nicht so engagiert
für die Firma bzw. für den Shareholder-Value
einzusetzen, wie sie es eigentlich könnten. Und
wenn der Arbeitsmarkt genügend angespannt
ist, dann sind etwaige Bedenken schnell wieder vergessen. Wie schrieb noch Sloterdijk in
der „Kritik der zynischen Vernunft“: „Zwänge
des Überlebens und Selbstbehauptungswünsche haben das aufgeklärte Bewusstsein gedemütigt. Es ist krank an dem Zwang, vorgefundene Verhältnisse, an denen es zweifelt, hinzunehmen, sich mit ihnen einzurichten und am
Ende gar deren Geschäfte zu besorgen... Bei
2 000 Mark netto im Monat [heute wohl eher:
3 000] beginnt leise die Gegenaufklärung.“
Wir sehen, die Stakeholdertheorie setzt an
bestandswichtigen, nicht an „unproduktiven
Stakeholdern“ (H. Kleinewefers) an, also an
denjenigen, die man berücksichtigen muss, und
das heißt: nach Maßgabe ihres Einflusspotenzials bzw. ihrer Macht berücksichtigen muss;
und „muss“ heißt: um des eigenen Vorteils willen. Dazu zählen natürlich auch die rechtlichen
Rahmenbedingungen. „Ethik zahlt sich langfristig aus“ bedeutet diesbezüglich: Wer etwas
tut, das den Gesetzgeber zur Änderung der
Gesetzeslage provoziert, der riskiert, dass er
morgen vor einer Investitionsruine steht. Abermals gilt: Macht ist hier entscheidend – und die
Gegenmacht der Firmen. Wer mit dem Abzug
von Kapital und damit mit der „Vernichtung“
von Arbeitsplätzen drohen kann, für den ist dieser Zusammenhang weniger „relevant“.
„Ethik“ wird weniger „wichtig“.
Auch wenn die Wirkungszusammenhänge
äußerst komplex sind, so mögen diese Andeutungen doch genügen, um das funktionalistische Konzept von Unternehmensethik zumindest als Konzept zu widerlegen. Es läuft, wie
gesagt, auf eine Ethik des Rechts des Stärkeren hinaus: Nicht legitime Rechte und gute
Gründe gäben den Ausschlag, sondern die
Macht der Beteiligten. Damit verletzt das Konzept den kategorischen Imperativ, der das Elementarprinzip aller Ethik ist: „Handle so, dass
du die Menschheit sowohl in deiner Person, als
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in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel
brauchst.“ (Kant, I.: Grundlegung der Metaphysik der Sitten)
Der tiefere Grund für die Möglichkeit der Popularität der instrumentalistischen These, über
deren innere und äußere Konsequenzen sich
die meisten ihrer Anhänger wohl nicht bewusst
sind, ist vermutlich darin zu suchen, dass Ethik
als ein „Faktor“ begriffen und der da vorliegenden objektiven Welt zugeschlagen wird. Somit
lassen sich Wirkungszusammenhänge zwischen dem „Faktor“ Ethik und dem Unternehmenserfolg feststellen. Mit einem solchen objektivistischen Verständnis von Ethik steht man
bereits mit einem Bein im Funktionalismus.
Denn aus der Perspektive der Nutzenmaximierung bzw. der gewinnmaximierenden Unternehmung wird alles zum „Faktor“. Und alle
„Faktoren“ sind (erfolgs-)„relevant“; sie könnten ja den Unternehmenserfolg beeinflussen.
(Die Managementtheorie spricht hier von
„Ganzheitlichkeit“.) Dann gilt allerdings auch:
Ob es sich dabei nun um „harte“ oder „weiche“ Faktoren handelt – sie würden nach Maßgabe ihrer Erfolgsrelevanz berücksichtigt.
Dem gegenüber ist festzuhalten, dass Ethik
kein „Faktor“ ist, sondern ein Urteil – unser Urteil darüber, was das Richtige oder Falsche ist.
Darum ist es strenggenommen von vorn herein verfehlt, „Ethik“ empirisch messen und darauf aufbauend die Wirkungszusammenhänge
zwischen „Ethik“ und „Gewinn“ feststellen zu
wollen. Denn wir können ja erst im Diskurs herausfinden, ob es sich tatsächlich um Ethik, also
um legitime oder ethisch gebotene Handlungsweisen, handelt. Jeder Messversuch kann mit
der Frage konfrontiert werden: „Was Du da
misst, ist vielleicht ja ,Ethik’, so wie Du sie verstehst. Ich bezweifele allerdings, dass die Normen, die Du vertrittst, ethisch wohl begründet
sind. Warum fragst Du nicht die Stakeholder,
wie sie die Sache sehen? Und warum begründest Du Deine Handlungsweise nicht ihnen gegenüber. Ob Dein Erfolgsstreben in jeder Hinsicht legitim ist, das kann sich doch erst in einem solchen Prozess der wechselseitigen argumentativen Begründung erweisen.“
In einem solchen diskursiven Verständnis,
bei dem nach der Legitimität kontroverser Ansprüche gefragt wird, und nur so, könnte auch
das Gewinnstreben zu seinem legitimen, allerdings begrenzten Recht kommen. Wer mir bis
hierher gefolgt ist, der wird sich ja vielleicht fragen: Ist denn Gewinnstreben grundsätzlich illegitim? Dies ist es selbstverständlich nicht. Wie
ist dann aber beides zusammenzubringen? Der
Schlüssel hierzu liegt in der Unterscheidung
zwischen Gewinn als Anspruch neben anderen
und Gewinn als Maßgabe des Handelns. Letzteres entspricht einer Gewinnmaximierung –
ein Begriff, der zumeist allzu leichtfertig verwendet wird.
Man muss sich allerdings über dessen Konsequenzen im Klaren sein. Bei einer Orientierung am Prinzip der Gewinnmaximierung würde alles daran gesetzt, dass die Gewinne so
hoch wie möglich sind. Eine solche Orientierung aber lässt sich nicht legitimieren – weil
dann die durch das Gewinnstreben tangierten
Ansprüche anderer Stakeholder nur nach Maßgabe ihrer Macht berücksichtigt würden und
weil sich dann auch noch die Rechtfertigungsbemühungen für das Gewinnstreben auszahlen
müssten, was offensichtlich absurd ist. Gewinnmaximierung entspricht einer prinzipiellen
Voreingenommenheit für ein spezifisches Ziel,
nämlich Gewinn. Gewinnmaximierung ist nicht
rechtfertigungsfähig. Begrenztes Gewinn- und
Einkommensstreben ist aber selbstverständlich
ein legitimer Anspruch.
Die Konflikte zwischen den verschiedenen
Ansprüchen sind logischerweise nach ethischen Maßstäben aufzulösen, nicht nach Maßgabe wiederum des Gewinns. Es gilt das Primat der Ethik. In diesem Verständnis fragt man
also nicht nach Wirkungszusammenhängen
zwischen „Ethik“ und Gewinn, sondern
schlicht danach, ob das unternehmerische Handeln legitim ist oder eben nicht. Natürlich kann
sich in einem solchen Stakeholder-Dialog auch
herausstellen, dass die Ansprüche der Stakeholder unbegründet sind oder dass es unzumutbar wäre, ihnen zu genügen. Diese Frage stellt
sich insbesondere angesichts der „Sachzwänge“ des Wettbewerbs. Aber dies ist ein anderes Thema.
Auch die Intuition, dass ein ethikbewusstes
Management – also ein solches, das den berechtigten Ansprüchen der Stakeholder Rechnung trägt, echtes Verständnis aufbringt und
eher an der Sache als nur am Gewinn interessiert ist – nicht vom Markt bestraft, sondern
teilweise sogar belohnt wird, lässt sich mit dieser Sicht ein Stück weit bestätigen. Allerdings
handelt es sich hierbei nicht um eine „Paradoxie“, wie Josef Wieland meint, sondern im Gegenteil darum, dass bestandswichtige Stakeholder wie Konsumenten und Mitarbeiter die
Unternehmung gerade darum unterstützen,
weil sie von ihrer Integrität und ihrem Verantwortungsbewusstsein überzeugt sind – und
auch sein können.
Dabei muss natürlich vorausgesetzt werden,
dass die Unternehmensleitung die legitimen
Ansprüche der Stakeholder achtet, weil diese
legitim sind – und nicht weil sie damit Stakeholder-Support generieren kann. Dies macht nicht
nur einen gesinnungsethischen Unterschied,
sondern selbstverständlich auch einen Unterschied hinsichtlich der feststellbaren Folgen.
Allerdings ist vor allzu großem Optimismus
zu warnen. Hier ist nicht nur an die Zerstörungswirkungen des Wettbewerbs zu erinnern – wer
wettbewerbsfähig ist, kann sich auch mehr
„Ethik“ leisten; die Wettbewerbsverlierer haben das doppelte Nachsehen –, sondern auch
daran, dass die Erzeugung des Scheins der Legitimität des eigenen Handelns billiger ist und
damit größere Wettbewerbsvorteile verspricht
als die Unterordnung des eigenen Gewinnanspruchs unter ethische Maßstäbe. Überdies
werden durch die These, dass ein genuin ethisches Engagement den Unternehmenserfolg
ein Stück weit befördern kann, die oben dargelegten Argumente gegen den ethischen Funktionalismus nicht etwa hinfällig, sondern bestenfalls relativiert. Das Recht des Stärkeren für
die ethische Vernunft auszugeben, ist der Inbegriff aller Ideologie.
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