© SPL, picturedesk.com state of the art DFP - Literaturstudium Chronisch stabile Angina pectoris Obwohl in den letzten Jahren in den Guidelines auf den Stellenwert der Lebensstilmodifikation hingewiesen wurde, zeigen Untersuchungen, dass kaum eine Änderung im Rauchverhalten oder etwa beim Anteil der eingestellten Hypertoniker zu registrieren ist; die Zahl der Adipösen hat zugenommen, die körperliche Aktivität hat sich weiter verringert. Schätzungsweise leiden auf eine Million Einwohner 30.000 bis 40.000 Menschen an einer stabilen Angina pectoris. Von Max Pichler* B ei der stabilen Angina pectoris handelt es sich um eine häufige, die Lebensqualität beeinträchtigende Erkrankung. Die Prävalenz nimmt zu, da Übergewicht, Rauchen, Bewegungsarmut und Diabetes mellitus zu vermehrten koronaren Herzerkrankungen in jüngeren Lebensjahren führen und mit besserer Beherrschung der Akutkomplikationen mehr Patienten mit chronischer Herzerkrankung höhere Lebensalter erreichen. Der Begriff der „Angina pectoris“ wurde 1772 von Heberden erstmals geprägt, um ein Syndrom zu beschreiben, in welchem ein Gefühl der Beklemmung und der Beengung in der Brust, insbesondere bei Belastung zu beobachten ist. Heute wird der Begriff der Angina pectoris (AP) in Zusammenhang mit der myokardialen Ischämie gesehen, als deren häufigste Ursache die Koronarsklerose mit Flusslimitierung durch Plaquebildung gilt. Weitere Ursachen können aber auch eine Aortenstenose, eine Myokardhypertrophie, eine Hypertonie, ein Vasospasmus der Ko- › österreichische ärztezeitung ‹ 10 › ronargefäße, sowie eine Mikrozirkulationsstörung im Rahmen einer Endothel-Dysfunktion sein (Syndrom X). Definition und Pathophysiologie Die Angina pectoris wird als dumpfer, beengender Druck („Brustenge“) beschrieben, zumeist hinter dem Brustbein, nicht punktförmig, sondern flächenhaft (der Patient zeigt mit der Hand oder Faust hin). Bei manchen Patienten ist die Lokalisation exklusiv außerhalb des Brustkorbes in den Armen, Schultern, Rücken, Hals oder Kiefer sowie Epigastrium. Die klassische Angina pectoris hat gewöhnlich eine Dauer von wenigen Minuten, wird durch Ruhe, Eliminie- Ursachen für Angina pectoris Erkrankung der Koronararterien Fixe obstruktive Koronarerkrankung Koronarerkrankung mit dynamischer Flusslimitation: Mikrovaskuläre Angina (Syndrom X) Vasospasmus (Prinzmetal Angina) Andere kardiale Ursachen Aortenstenose Hypertrophe Kardiomyopathie Hypertensive Herzerkrankung und Linkshypertrophie Mitralklappenprolaps Schwere pulmonale Hypertonie und Rechtsherzhypertrophie Tachykardien Perikarderkrankungen Systemische Faktoren, die eine Angina pectoris hervorrufen können Anämie Thyreotoxikose High-output state, größere Shunts Tab. 1 25. Mai 2009 37 state of the art Der Sauerstoffverbrauch wird bestimmt durch: • Herzfrequenz • Systolischer Blutdruck (als Marker der Nachlast) • Wandspannung des Herzens * Kontraktilität des Herzens rung der psychischen Stress-Situation oder Nitroglyzeringabe gelindert beziehungsweise beendet. Die Auslösung erfolgt durch körperliche oder psychische Belastung; die Angina pectoris-Schwelle kann dabei variieren: Besonders Kälte, ein opulentes Mal oder Zigarettenrauchen können die Schwelle erniedrigen. Als Angina-Äquivalent kann eine Atemnot, ungewöhnliche Müdigkeit oder Synkope auftreten. Frauen haben oftmals eine andere Angina pectoris als Männer: Die Schmerzen treten in Ruhe auf, sind in der Schulter oder Rücken lokalisiert, oftmals dominiert die Atemnot und Schwäche als Leitsymptom. Dies wird gerne als atypisch beschrieben, besser wäre, sie „typisch für die Frau“ zu nennen. Die Myokard-Ischämie resultiert aus einem Ungleichgewicht zwischen Sauerstoffversorgung und Sauerstoffverbrauch. Die Sauerstoffversorgung des Herzens wird bestimmt durch die Sauerstoffkapazität des Blutes sowie den Koronarfluss. Der Koronarfluss selbst wird beeinflusst durch: • den Gefäßdurchmesser und Gefäßtonus (Widerstand) der Herzkranzgefäße • den Kollateralfluss • den koronaren Perfusionsdruck, der bestimmt wird durch den Druckgradienten von der Aortenwurzel zu den Kranzarterien, dort vom epikardialen Fluss zum Endocard, sowie zu den endokardialen Kapillaren. Der endokardiale Kapillarfluss wird durch den enddiastolischen Druck beeinflusst. • Die Herzfrequenz, welche wesentlichen Einfluss auf die Dauer der Diastole nimmt, da der Koronarfluss primär während der Diastole erfolgt. Der genaue Mechanismus der Angina pectoris-Empfindung ist bis heu- Wichtige Determinante des myokardialen O2-Angebotes und Verbrauchs und einer Ischämie te nicht im Detail geklärt. Eine wesentliche Komponente ist, dass die Ischämie eine verminderte Formation von Adenosin-Triphosphat (ATP) verursacht, dies wieder bedingt eine lokale Acidose mit Verlust der ATPNatrium-Kalium Pumpe, Verlust der myokardialen Membranintegrität und Freisetzung von Substanzen, welche die chemosensitiven und mechanorezeptiven Rezeptoren von Nervenendigungen im Herzmuskel und um die Koronargefäße bewirken. Man unterscheidet folgende Formen der Angina pectoris: Stabile, typische Angina pectoris Der Brustschmerz tritt reproduzierbar bei körperlicher oder psychischer Belastung auf und verschwindet in Ruhe oder nach Gabe von Nitroglyzerin. Instabile Angina pectoris Neu aufgetretene oder an Häufigkeit und Intensität progrediente oder in Ruhe auftretende Beschwerden, häufig verzögert auf Nitroglyzerin Besserung und nicht länger als 20 Minuten anhaltend, häufig begleitet von vegetativer Symptomatik. Der Übergang von der instabilen Angina pectoris (Angina pectoris +/EKG-Veränderungen ohne Enzymauslenkung) und Herzinfarkt (Klinik +/EKG-Veränderungen und Erhöhung von Troponin) ist fließend und daher unter dem Begriff des akuten Koronarsyndroms zusammengefasst. Es sind dies unmittelbar bedrohliche Phasen der koronaren Herzerkrankung, meist durch Plaque-Ruptur hervorgerufen, die eine sofortige KrankenhausEinweisung (mit Notarztbegleitung) und ein dortiges Management notwendig machen. Bei Patienten mit einer stabilen Angina pectoris ist es auch nützlich, die Schwere der Symptomatik mit einem Graduierungs-System zu erfassen. International üblich ist dabei die Einteilung der Canadian Cardiovascular So ciety (CCS). 38/39 › österreichische ärztezeitung ‹ 10 › 25. Mai 2009 state of the art Epidemiologie und Prognose Die Diagnose einer Angina pectoris wird durch eine sorgfältige Anamnese mit Beurteilung der Art und Intensität der Beschwerden (Lokalisation, Auslösemechanismus, Dauer) gestellt. Die Prävalenz der stabilen Angina nimmt mit dem Alter zu, bei Frauen im Alter von 45 bis 55 Jahren von einem Prozent auf zehn bis 15 Prozent im Alter von 65 bis 75, während bei Männern im Alter von 45 bis 55 eine Prävalenz von zwei bis fünf Prozent angegeben wird; im Alter von 65 bis 75 liegt sie zwischen zehn und 20 Prozent. Man schätzt daher, dass pro Million Einwohner rund 30.000 bis 40.000 Per- Definition der stabilen Angina pectoris Lokalisation Retrosternal mit Ausstrahlung in die Arme, links mehr als rechts, den Unterkiefer, Oberbauch oder Rücken, in einigen Fällen andere Regionen Auslösemechanismus Vermehrte kardiale Belastung, zum Beispiel durch körperliche oder psychische Belastung, Kälte, nach opulentem Essen, durch Blutdruckanstieg und Tachykardie Art Druck- oder Engegefühl, flächenförmig, manchmal mit Brennen oder isoliert als Atemnot (Diabetiker, Ältere, Frauen) Dauer Minutenlang in Zusammenhang mit Auslösemechanismus, nicht länger als 20 Min., prompte Besserung auf Nitroglyzerin Tab. 2 Klinische Klassifizierung des Brustschmerzes Typische Angina Lokalisation Auslösemechanismus Gebessert Atypische Angina pectoris Nicht-kardialer Brustschmerz Erfüllt die drei Charakteristika Retrosternal +/- Ausstrahlung Bei körperlicher / psychischer Belastung, Kälteexposition Durch Ruhe, durch Nitro-Gabe Erfüllt nur zwei der genannten Charakteristika Nur eines oder keines der Charakteristika trifft zu Tab. 3 Einteilung der Schweregrade der stabilen Angina pectoris* Schweregrad Klasse 1 Stabile Angina pectoris Keine AP bei Alltagsbelastungen (Treppensteigen), jedoch bei plötzlicher oder längerer physischer Belastung Klasse 2 AP bei stärkerer Anstrengung (Treppensteigen, schnelles Gehen (über 100-200 m)) Klasse 3 AP bei leichter körperlicher Belastung (Gehen unter 100 m, Ankleiden, etc.) Klasse 4 Ruhe-Beschwerden oder Beschwerden bei geringster körperlicher Belastung Tab. 4 * nach der Canadian Cardiovascular Society (CCS) 40 sonen an einer stabilen Angina pectoris leiden. Die Prognose des Patienten mit stabiler Angina pectoris ist von mehreren Komponenten abhängig und kann weit variieren. So haben die klassischen Risikofaktoren für die koronare Herzerkrankung wie Alter, Hypercholesterinämie, Hypertonie, Diabetes mellitus, Rauchen oder eingeschränkte Nierenfunktion einen ungünstigen Einfluss auf den Verlauf. Wesentlich trägt auch die (eingeschränkte) linksventrikuläre Pumpfunktion zur Prognose des Patienten bei. Ebenso zeigen Patienten mit einer Mehrgefäßerkrankung beziehungsweise Patienten mit einer Hauptstammstenose, Drei-Gefäßerkrankung oder Befall der proximalen LAD (Left anterior descending) oder RIVA (Ramus interventricularis anterior) eine deutlich schlechtere Prognose. Letztendlich bestimmt auch die Plaque-Charakteristik, namentlich das Vorliegen von „vulnerablen Plaques“, welche mit einer größeren Wahrscheinlichkeit rupturieren und durch akute Thrombose zu Gefäßverschlüssen führen, die Prognose. Die Erkennung dieser vulnerablen Plaques ist das Ziel vieler neuer wissenschaftlicher Untersuchungen (IVUS mit virtual histology, OCT = optical coherence tomography, Kardio-MRI, Kardio-CT, Labormarker). Im klinischen Alltag steht dafür noch keine geeignete und breit einsetzbare Methode zur Verfügung. In rezenten Therapiestudien bei Patienten mit einer stabilen koronaren Herzerkrankung lag die jährliche Mortalität bei 0,8 bis 1,4 Prozent; die jährliche Inzidenz eines nicht-tödlichen Myokardinfarktes zwischen 0,5 und 2,6 Prozent. Dies soll jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass im Einzelfall die Prognose in Abhängigkeit von Risikofaktoren und Begleiterkrankungen bis zu zehn mal schlechter sein kann und unterstreicht die Notwendigkeit der individuellen Risikoabschätzung. › österreichische ärztezeitung ‹ 10 › 25. Mai 2009 Klinik und Basisuntersuchung Die stabile (und instabile) Angina pectoris ist oftmals die Erstmanifestation einer koronaren Herzerkrankung. Eine Angina pectoris kann aber auch häufig bei dokumentierter koronarer Herzerkrankung, zum Beispiel nach einem Herzmuskelinfarkt, aber auch nach Revaskularisationsmaßnahmen (BypassOP = CABG, percutane Koronarintervention = PCI) erneut auftreten. In diesem Fall können neuerliche signifikante und Fluss-limitierende Stenosen ursächlich sein, oder es findet sich eine eher diffuse Minderperfusion, die zu dieser Symptomatik führt. So fand sich ein Jahr nach optimaler Revaskularisation (durch Bypass-Operation oder PCI) bei 20 Prozent der Patienten erneut eine stabile Angina pectoris. Bei mehr als 70 Prozent der Patienten wurden Anti-Anginosa verordnet. geräusche, Galopprhythmus, Flüssigkeitseinlagerung) und Untersuchung der Haut (Xanthelasmen, Xanthome). Das Basis-Labor umfasst Untersuchungen, die auf eine mögliche Ursache der Ischämie (Hb, TSH) hinweisen und Risikofaktoren beziehungsweise prognostische Parameter erfassen (Lipidstatus, Blutzucker, Nierenparameter). Ergänzende Untersuchungen Das 12-Ableitungs-Ruhe-EKG ist häufig bei Patienten mit stabiler Angina pectoris normal und schließt damit eine Ischämie nicht aus. Es kann aber auch Hinweise auf einen durchgemachten Herzinfarkt (Q-Zacke, T-Negativierung), Aneurysmabildung (per- › österreichische ärztezeitung ‹ 10 › Ein EKG „im Anfall“ ist sinnvoll, kann Hinweise auf eine Ischämie oder vasospastische Komponenten geben.´ Das Belastungs-EKG hat bei der Einschätzung der Patienten mit stabiler Angina pectoris einen besonderen Stellenwert. Folgende Punkte können beurteilt werden: 1) Korrelation der Patienten-Symptome (Angina, Atemnot) mit elektrokardiographischen Hinweisen der Ischämie. Weitere Angina ein Jahr nach optimaler Revaskularisation (CABG oder PCI), n = 1205 Mit Hilfe der Anamnese wird die stabile Angina pectoris erfasst und von der instabilen Angina abgegrenzt. Die anamnestische und klinische Untersuchung umfasst die Fahndung nach Auslösesituation (bei Belastung, im Liegen), Atem- und Bewegungsabhängigkeit, Dauer und Häufigkeit der Attacken sowie kardialen und extrakardialen Faktoren, die diese Symptome verursachen können. Kardiale Faktoren sind Bluthochdruck, Tachykardie, Tachyarrhythmie, Linkshypertrophie, Klappenerkrankung (Aortenstenose, Mitralklappenprolaps). Andere extrakardiale Faktoren sind das Vorliegen einer Anämie, Nikotinabusus, Hyperthyreose, Nierenerkrankung, Hinweise für Gefäßspasmen (Morbus Raynaud) oder Arteriitis. Die klinisch-physikalische Untersuchung dient ebenfalls der Erfassung von Risikofaktoren und Organschäden und umfasst den Blutdruck, den Puls, Gewicht und Größe (BMI), Bauchumfang, die Herz-Auskultation (Aortenstenose? Hypertrophe Kardiopathie? Mitralklappen-regurgitation?), Hinweise auf Herzinsuffizienz (feuchte Rassel- sistierende ST-Streckenhebung) geben, oft weist ein Linksschenkelblock auf eine myokardiale Schädigung hin oder eine linksventrikuläre Hypertrophie auf die Folge eines schlecht eingestellten Bluthochdrucks. Basislabor bei stabiler Angina pectoris Kleines Blutbild (inkl. Hb) Lipidstatus: Gesamtcholesterin, HDL-C., LDL-C., Triglyzeride Nüchtern-Blutzucker TSH basal Serum Kreatinin bzw. eGFR Harnbefund (Albuminurie) Bei Verdacht auf akutes Koronarsyndrom: Troponin, CPK Tab. 5 25. Mai 2009 41 state of the art 70 Prozent, die Spezifität zwischen 70 bis 85 Prozent, der positiv-prädiktive Wert bei 70 Prozent. Vor allem bei Frauen findet sich oft ein falsch positives Belastungs-EKG (niedere Spezifität), welche dann zu weiteren Untersuchungen (Szintigraphie, Stress-MRI oder Stress-Echokardiographie, Koronar-CT, Angiographie) führt. 2) Beurteilung der zumutbaren Belastbarkeit, gemessen an der Herzfrequenz, bei welcher die Ischämie nachweisbar wird. 3) Erkennen von Hochrisiko-Subgruppen, namentlich von Patienten mit geringer Belastbarkeit und Auftreten der Ischämie (AP, ST-Streckensenkung, Rhythmusstörung, Blutdruckabfall) auf niedriger Belastungsstufe (unter 75 bzw. 50 Watt), die einer raschen invasiven Abklärung zugeführt werden sollen. 4) Beurteilung des pharmakologischinterventionellen Therapieerfolges. EKG-Veränderungen in Ruhe wie STStreckensenkung, Linkshypertrophie, Linksschenkelblock, WPW-Syndrom oder Digitalis-Einwirkung erschweren beziehungsweise machen die Beurteilung des Belastungs-EKGs unmöglich. Bei der Ergometrie ist zu beachten, dass diese nur bei entsprechender Ausbelastung (Alters/Geschlechts-bezogener Sollwert, Herzfrequenz x Blutdruck systolisch = Doppelprodukt) auch diagnostisch verwertbar ist. Die Sensitivität des Belastungs-EKGs liegt bei rund In Anlehnung an das Bayes´sche Theorem muss bei der Indikation und Beurteilung von Funktionstest wie der Ergometrie aber auch den szintigraphischen Untersuchungen oder der Koronar-CT die individuelle Vortestwahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer koronaren Das Belastungs-EKG ist kontraindiziert beim akuten Koronarsyndrom, akuter Myokarditis, Verdacht auf Aortenaneurysma beziehungsweise Aortendissektion, manifester Herzinsuffizienz, Tachyarrhythmie, höhergradiger ventrikulärer Herzrhythmusstörung, hypertropher Kardiomyopathie und hochgradiger Aortenklappenstenose. Prävalenz (%) der KHK nach Geschlecht, Alter und Symptomatik Herzkrankheit abgeschätzt werden. Diese wird bestimmt durch das Vorliegen/Gewichtung von kardiovaskulären Risikofaktoren und der geschilderten Symptomatik (typische/atypische Angina). So bringt es wenig Zusatzinformation, bei einer niedrigen oder einer sehr hohen Vortestwahrscheinlichkeit weitere Untersuchungen anzuordnen. Der große Informationswert der ergänzenden Funktionsuntersuchung liegt bei einer mittleren Vortestwahrscheinlichkeit (20 bis 80 Prozent). Die myokardiale Belastungsszintigraphie (pharmakologisch und/oder ergometrisch) mit Thallium 201 oder Technetium 99 m markierten Radiopharmaka (MIBI, SESTA MIBI) erlaubt den Nachweis/Ausschluss einer Ischämie bei diskrepanter Befundlage oder wenn eine ergometrische Belastung nicht möglich oder die EKG-Interpretation erschwert ist (WPW-Syndrom, Schrittmacher-Träger, etc.). Die MyokardSzintigraphie hat eine höhere Sensitivität und Spezifität für den Nachweis einer koronaren Herzerkrankung als das Belastungs-EKG, hat dafür aber den Nachteil einer erheblichen Strahlenbelastung. Bei der stabilen Angina pectoris hilft diese Untersuchung vor allem auch in der prognostischen Beurteilung: Ein reversibler Perfusionsdefekt > zehn Prozent der Fläche des linken Ventrikels oder reversible Perfusionsdefekte in unterschiedlichen Gefäßterritorien weisen auf ein erhöhtes Risiko für eine kardiovaskuläres Ereignis hin. Die Szintigraphie hat aber einige Fehlermöglichkeiten. Die Aktivität wird relativ erfasst, das heißt: Bei Mehrgefäß-Erkrankung kann der Befund falsch negativ sein. Bei adipösen Patienten oder Tracer-Aufnahme im Colon wirkt das Septum minderperfundiert. Das Echokardiogramm hilft beim Nachweis/Ausschluss von relevanten Klappenerkrankungen, einer hypertrophen Kardiomyopathie, eines Mitralklappenprolapses und bei der Beurteilung der linksventrikulären systolischen und diastolischen Pumpfunktion und regionalen Wandbewegung, welche 42/43 › österreichische ärztezeitung ‹ 10 › 25. Mai 2009 state of the art hohen negativ-prädiktiven Wert, das heißt dem Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung und in der Erkennung anderer Pathologien (Raumforderung in der Lunge, Hiatushernie, etc.). bei der Prognoseabschätzung bei der stabilen Angina pectoris eine wichtige Rolle inne hat. Das Belastungs (Stress) -Echokardiogramm (pharmakologisch/ergometrisch) kann in erfahrenen Händen - ähnlich wie die Belastungs-Szintigraphie und die Radionuklid-Ventrikulographie zum Nachweis einer Ischämie-bedingten Wandbewegungsstörung eingesetzt werden. Die Methode ist sehr Untersucherabhängig und zeitaufwändig, bringt aber keine Strahlenbelastung. Das kardiale MSCT (Multislice-CT) zeigt eine hohe Sensitivität und Spezifität zum Nachweis einer koronaren Herzerkrankung. Mittels des AgatstonScore kann die Kalklast berechnet und damit eine zusätzliche Information in der Risiko-Beurteilung erhalten werden. Die Stärke des Koronar-CT aus Sicht der stabilen Angina pectoris liegt in dem Daher kommen besonders Patienten mit einer niedrigen oder mittleren Vortestwahrscheinlichkeit und nicht-konklusive Ergometrie-Ergebnisse für diese Untersuchung in Frage. Keinesfalls ist das Kardio-CT als Screening-Untersuchung einzusetzen. Das kardiale MSCT hat den Nachteil einer nicht unerheblichen Strahlenbelastung (13-15 mSv gegenüber 5-7 mSv bei der Koronarangiographie). Ein qualitativ hochwertiges Bild erfordert eine Herz-Frequenz unter 70/ Min. und ist bei Vorhofflimmern nicht immer möglich. Ein Agatston-Score > 600 macht wegen der hohen Kalklast eine exakte Beurteilung von Stenosen unmöglich. Der klinische Stellenwert der kardialen Magnetresonanz (MRI) bei der stabilen Angina pectoris ist heute noch begrenzt. Bereits klinische Bedeutung hat die Beurteilung von Perfusion und Myokardvitalität mittels GadoliniumGabe („delayed enhancement“). Mit dem kardialen MRI lassen sich verschie- Therapie der stabilen Angina pectoris dene prognostisch wertvolle ZusatzInformationen ableiten, die jedoch für den individuellen Patienten heute noch keinen weiten Stellenwert haben. Möglicherweise wird aber in Zukunft der kardiale MRI in der Plaque-Charakterisierung (vulnerable Plaque) einen dominierenden Stellenwert einnehmen. Die Koronarangiographie ist die am weitesten eingesetzte Untersuchung zur Beurteilung des Ausmaßes und der Schwere der koronaren Herzerkrankung. Die Koronarangiographie ist angezeigt bei Patienten mit stabiler Angina pectoris und a) Hinweis auf eine High-Risk Konstellation (Ischämie), basierend auf klinischen und nicht-invasiven Parametern. b) Bei schwerer stabiler Angina pectoris (CCS 3 oder mehr), insbesondere wenn die Symptome medikamentös nicht ausreichend beherrscht werden können. c) Bei Nicht-Hochrisiko-Konstellation, wenn trotz Medikamenten die Beschwerden anhalten, die Lebensqualität limitiert ist oder die Medikamente nicht toleriert werden. d) Bei Patienten mit schweren ventrikulären Arrhythmien oder Überlebenden eines plötzlichen Herztodes. e) Bei Patienten nach Revaskularisation (PCI, Bypass-Operation), die bald nach Intervention wiederum eine mittelschwere oder schwere Angina pectoris entwickeln. Die Koronarangiographie hat in der klinischen Routine aber auch ihre Limitationen: a) Angiographisch scheinbar „normale“ Koronarien können eine ausgeprägte nicht-stenosierende koronare Herzerkrankung aufweisen, wie Untersuchungen mittels IVUS gezeigt haben. b) Die physiologische Bedeutung von mittelgradigen Stenosen (30- bis 70-prozentige Stenose) ist unterschiedlich; hier hilft im Einzelfall die Messung des intrakoronaren Druckgefälles vor/nach der Stenose mittels der Fractional Flow Reserve (FFR). c) Eine Unterscheidung in vulnerable beziehungsweise stabile Plaque 44 › österreichische ärztezeitung ‹ 10 › 25. Mai 2009 gelingt mit der Koronarangiographie nicht. d) Die Koronarangiographie ist eine invasive Untersuchung mit Kontrastmittel und Strahlengebrauch sowie einem geringen, aber existenten Komplikationsrisiko (Blutungen, Gefäßverletzungen, Herzrhythmusstörungen, Embolie, Insult, Tod). Erkrankungsmanifestationen. Es führt zu einer deutlichen Senkung der kardiovaskulären Ereignisrate und sollte dem Patienten wiederholt und deutlich klar gemacht werden. Eine Nikotin-Ersatztherapie sollte am Anfang der Entwöhnung bei starken Rauchern (mehr als zehn Zigaretten/Tag) unterstützend eingesetzt werden. und durch Kalzium-Antagonisten, Diuretika oder zentrale Antihypertensiva ergänzt werden. Besonders bei älteren Hypertonikern mit großer RR-Amplitude (RR systolisch minus RR diastolisch) muss darauf geachtet werden, dass der diastolische Druck nicht zu tief (unter 60 mmHg) gesenkt wird, um einer Ischämie vorzubeugen. Risikostratifizierung Gesunde Ernährung Diabetes mellitus Mit einer zielgerichteten Ernährungsumstellung kann das koronare Risiko gesenkt werden. Dieser günstige Effekt geht über die alleinige Cholesterin-Senkung hinaus. Standard ist die sogenannte Mittelmeerkost mit geringem Anteil an tierischen Fetten und Fleisch, reichlich frischem Salat, Obst und Gemüse sowie womöglich zwei mal in der Woche Fisch und Einsatz pflanzlicher Öle wie Olivenöl, Rapsöl u.ä.. Ein moderater Alkoholgenuss ist gestattet. Die Substitution durch Vitamine (Vit. E und B6, B12) sowie Folsäure hat sich nicht bewährt und wird nicht empfohlen. Der Diabetes mellitus bringt ein deutlich erhöhtes Risiko einer KHK und ihrer Folgen (AP, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz) und führt bei Frauen schon vor der Menopause zu einer Zunahme der KHK. Diabetes mellitus und KHK ist eine gefährliche Allianz, welche eine erhöhte Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse und eine erhöhte Komplikationsrate und Spitalssterblickeit beim Herzinfarkt aufweist. Die KHK beim Diabetiker zeigt bevorzugt proximale Läsionen bei diffusem distalen Befall. Nach Koronarintervention oder BypassOperation finden sich ungünstigere Akut- und Langzeitergebnisse. Bei Diabetikern präsentiert sich die Ischämie häufig mit einer atypischen Symptomatik (Atemnot, Leistungsknick) oder mit einer stummen Myokardischämie. Beim Management der Patienten mit einer stabilen Angina pectoris mit der Entscheidung über das weitere Vorgehen (konservativ, invasiv mit der Option der Intervention) kommt der Risikostratifizierung eine wesentliche Bedeutung zu. Diese basiert auf der klinischen Evaluierung (Anamnese, Charakterisierung der Angina pectoris, Häufigkeit, Angina pectoris-Schwelle sowie Risikofaktoren wie Alter, Raucherstatus, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, Herzfrequenz u.a.m.), der nicht-invasiven Untersuchung mit Ischämie-Nachweis (Belastungs-EKG, evtl. Myokardszintigraphie), der Beurteilung der Linksventrikelfunktion (Echokardiographie) und gegebenenfalls auch der Koronarangiographie mit Beurteilung des Koronarstatus. Ziele der Therapie: 1) Verringerung der Beschwerden (Angina) und Erhalt der Belastbarkeit, Erhalt und Verbesserung der Lebensqualität. 2) Verhinderung von Komplikationen wie instabile Angina pectoris, Herzinfarkt und/oder Herzinsuffizienz. 3) Senkung der Sterblichkeit. Lebensstilmodifikation und forcierte Bekämpfung der kardiovaskulären Risikofaktoren sind ein integraler Bestandteil der Therapie der stabilen Angina pectoris. Sie bewirken sowohl eine symptomatische Besserung wie einen günstigen Effekt auf die Prognose. Nichtrauchen Das Einstellen des Rauchens ist vielleicht die wichtigste Maßnahme bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung und anderen atherosklerotischen › österreichische ärztezeitung ‹ 10 › Verminderung von Übergewicht Übergewicht mit erhöhtem BMI und vor allem erhöhtem Taillenumfang (Männer> 102 cm, Frauen > 89) führt zu einer Zunahme der Häufigkeit von koronarer Herzerkrankung, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz oder Fettstoffwechselstörungen. Patienten mit einem BMI zwischen 27 und 35 kg/m2 Körperoberfläche und stabiler Angina pectoris sollte nahegelegt werden, ihr Gewicht innerhalb von sechs Monaten um fünf bis zehn Prozent zu reduzieren. Bei Patienten mit einem BMI von > 35 kg/m2 Körperoberfläche sollte versucht werden, das Gewicht innerhalb von sechs Monaten um zehn Prozent zu reduzieren. Optimale Blutdruckeinstellung Bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) sollte ein systolischer Ziel-RR unter 130 mmHg angestrebt werden. Neben der Lebensstil-Modifikation kommen alle gängigen Antihypertensiva zum Einsatz, wobei Betarezeptorenblocker und ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker bei der stabilen Angina erste Wahl sind 25. Mai 2009 Der Diabetes mellitus bei KHK verlangt einen multimodalen medikamentösen Therapieansatz mit strenger Einstellung der Lipide (LDL-Cholesterin < 70mg/dl), des Blutdruckes (unter 130 mmHg systolisch), der Gabe von Aspirin, eines ACE-Hemmers oder AngiotensinAntagonisten sowie eine Blutzuckereinstellung mit HbA1c-Ziel unter 7%. Regelmäßige körperliche Bewegung Regelmäßiges und dosiertes körperliches Training kann die Morbidität und Mortalität bei der koronaren Herzerkrankung und stabilen Angina pectoris senken und die Lebensqualität erhöhen. Bei Patienten mit stabiler Angina pectoris soll an Hand der Ergometrie das Ausmaß und die zumutbare Belastbarkeit (gemessen an der Herzfrequenz) festgelegt werden. Das Ausdauertraining soll fünf Mal in der Woche mit einer Dauer von 20 45 state of the art Nitrate bis 30 Minuten (mit Aufwärmen und Abkühlen) im Ischämie-freien Bereich und einer rund 60-prozentigen Belastung erfolgen. Nicht jeder ist ein „Sportler“ und Fitness-Studio Fan, aber die körperliche Bewegung kann auch durch regelmäßiges (schnelleres) Gehen, Radfahren oder im Alltag durch Treppensteigen statt Liftfahren erhöht werden. Obwohl in den Guidelines der letzten Jahre zur Behandlung der KHK eindringlich auf den Stellenwert der Lebensstilmodifikation hingewiesen wurde, zeigen Untersuchungen - wie EUROASPIRE III - dass zwar die medikamentöse Therapie zunehmend entsprechend den Leitlinien eingesetzt wird, die Umsetzung der Richtlinien zur Lebensstilmodifikation nach wie vor im Argen liegt und zum Teil sinkt. So war in den letzten Jahren kaum eine Änderung im Rauchverhalten oder im Anteil der eingestellten Hypertoniker festzustellen. Erschütternd ist aber die Zunahme der Adipositas und des BMI und die weitere Abnahme der körperlichen Aktivität. Medikamentöse Therapie Die pharmakologische Therapie kann unterteilt werden in Maßnahmen, welche die Symptomatik alleine verbessern und solchen, die die Prognose günstig beeinflussen. Symptomatische Therapie Für die symptomatische Therapie stehen mehrere Medikamente mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen (Herzfrequenzsenkung, Vasodilatation, RR-Senkung, Beeinflussung der diastolischen Dysfunktion) zur Verfügung, welche auch in einer Zweier- oder Dreierkombination eingesetzt werden können. 46/47 Nitrate sind die am längsten eingesetzten Medikamente bei der Angina pectoris, sie verbessern die Symptomatik, haben aber keinen Effekt auf die Prognose. Nitrate senken die Vor- und Nachlast des Herzens und damit den myokardialen Sauerstoff-Verbrauch und haben auch einen vasodilatierenden Effekt auf die koronaren Gefäße. Nitrate (Nitroglyzerin) wirken prompt (innerhalb von Minuten) im Angina pectoris Anfall und sollten daher bei Patienten mit stabiler Angina pectoris im Bedarfsfall eingesetzt werden (Nitroglyzerin 0,4-0,8 mg sublingual oder als Kapsel). Lang wirksame Nitrate dienen der Anfallsprophylaxe. Sie haben den Nachteil der Toleranzentwicklung, weswegen immer wieder ein nitratfreies Intervall (länger als acht Stunden) eingeführt werden soll. Die Interaktion mit Sildenafil und ähnlichen Phosphordiesterase-5 Hemmern kann zu bedrohlichen Blutdruckabfällen führen. Molsidomin besitzt ähnliche Eigenschaften wie Nitrate. Molsidomin beziehungsweise sein aktiver Metabolit SIN-1 haben einen ausgeprägten Effekt auf die Senkung der Vorlast, die Dilatation der Koronarien und Kollateralgefäße. Auch für Molsidomin muss mit einer Toleranzentwicklung gerechnet werden, es macht daher keinen Sinn, eine „Schaukeltherapie“ rund um die Uhr mit zwölf Stunden Molsidomin und zwölf Stunden Nitrate durchzuführen. Betarezeptorenblocker Betarezeptorenblocker vermögen die Häufigkeit der Angina pectoris von ischämischen Attacken und die Ischämieschwelle (Belastungstoleranz) günstig zu beeinflussen. Sie vermindern den kardialen Sauerstoffbedarf durch Herzfrequenzsenkung und Dämpfung der Kontraktilität und verbessern die Koronar-Durchblutung (Verlängerung der Diastole). Bezüglich der stabilen Angina pectoris beziehungsweise der chronisch koronaren Herzerkrankung gibt es keine Studien zur Mortalität. Die pro- gnostisch günstigen Effekte der Betarezeptorenblocker sind in Studien nach akutem Herzinfarkt und bei der Herzinsuffizienz beschrieben (Metoprolol, Bisoprolol, Nebivolol, Carvedilol). Betablocker sollten bei der stabilen Angina pectoris in erster Linie eingesetzt werden. Sie bieten zusätzliche Vorteile bei Herzrhythmusstörungen, Hochdruck oder Symptomen der Herzinsuffizienz. Eine absolut oder relative Kontraindikation sind eine Bradykardie (unter 50), Sick-Sinus-Knotensyndrom, ein Asthma bronchiale, schwere COPD sowie PAVK und die Psoriasis. Kalziumantagonisten Kalziumantagonisten kann man einteilen in sogenannte Nicht-Dihydropyridine wie Verapramil und Diltiazem, welche die Herzfrequenz verlangsamen und die Dihydropyridine, welche vor allem einen vasodilatativen Effekt ohne verlangsamende Wirkung auf die Herzfrequenz ausüben. Kalziumantagonisten verbessern nicht die Prognose bei Angina pectoris, sie stellen aber eine Alternative in der symptomatischen Behandlung zu den Betarezeptorenblockern bei Unverträglichkeit her. Betablocker und Kalziumantagonisten des Typs Verapamil sollen wegen der Gefahr der AV-Blockade nicht kombiniert werden. Kalziumantagonisten sollten bei Herzinsuffizienz nicht eingesetzt werden, weil sie die Kontraktilität herabsetzen können. Kaliumkanalöffner Nicorandil ist ein Kaliumkanalöffner, der zu einer nitratähnlichen Vasodilatation führt, ohne dabei den Nachteil einer Toleranzentwicklung mitzubringen. Nicorandil zeigte in der IONA-Studie eine Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse und kann ergänzend zur Standard-Therapie der Angina pectoris mit einer Dosis von 2x 10 bis 20mg/die eingesetzt werden. Selektive Blockade des If-Kanals am Sinusknoten (Ivabradin) Ivabradin ist ein selektiver If-Kanal Blocker, der am Sinusknoten zu einer Herzfrequenzverlangsamung führt. Bisher wurden keine wesentlichen anderen › österreichische ärztezeitung ‹ 10 › 25. Mai 2009 state of the art Effekte am Reizleitungssystem oder der Kontraktilität beschrieben. In klinischen Studien brachte Ivabradin ähnlich günstige Effekte wie Betarezeptorenblocker (Atenolol) oder Kalziumantagonisten (Amlodipin) bei Patienten mit stabiler Angina pectoris bezüglich Anfallshäufigkeit und Belastungstoleranz. Ivabradin ist bei Betarezeptorenblocker-Unverträglichkeit (Asthma, Psoriasis, niedriger Blutdruck) zur Frequenzsenkung angezeigt und kann bei unzureichender Effektivität einer Betablockertherapie zusätzlich zum Erreichen einer optimalen Herzfrequenz eingesetzt werden. Ranolazin In naher Zukunft wird mit Ranolazin auch in Österreich eine neue Substanz zur Verfügung stehen, deren Wirkungsmechanismus nicht auf einer Senkung der Herzfrequenz, Senkung des Blutdrucks oder Erhöhung der Koronardurchblutung beruht. Während man ursprünglich meinte, dass Ranolazin die myokardiale Fettsäureoxidation zu Gunsten einer günstigeren Oxygenierung verringert, weisen neue Untersuchungen auf einen hemmenden Effekt auf die (bei Ischämie und Herzinsuffizienz beobachtete) persistierende Öffnung des späten Natriumkanals hin. Die anhaltende Öffnung des späten Natriumkanals führt zu einer Überladung der Zelle mit Natrium und Kalzium, einer Erhöhung der diastolischen Steifigkeit, die wiederum zu einer Kompression der intramuralen Koronargefäße führt. Durch den vorbeugenden Effekt auf die diastolische Dysfunktion stabilisiert Ranolazin den myokardialen Blutfluss. Prognose-verbessernde Plaque-stabilisierende Medikamente: Plättchenaggregationshemmer (Aspirin, Clopidogrel) Acetylsalicylsäure (Aspirin) ist in einer Dosis von 100 mg pro Tag die Cholesterin Consensus betr. LDL-C Zielerreichnung Therapieschema zum LDL-C (Zielwert < 100 mg/dl bzw. bei Hoch-Risiko < 70 mg/dl Standard (Grünbox)-Statin Zielwert erreicht Zielwert nicht erreicht Standard-Statin + Ezetimib Bei einem niedrigen HDL-C Wert und erhöhten Triglyceriden sowie bei einem LDL-C Wert ≤ 113 ergänzende Therapie mit Nikotinsäure Zielwert erreicht Zielwert erreicht Titration potentes Statin in Kombination mit Ezetimib Abb. 5 Lipidsenker Bei Patienten mit etablierter koronarer Herzerkrankung, also auch stabiler Angina pectoris, sollte der Zielwert des LDL-Cholesterins unter 100 mg/dl, bei zusätzlichem Risiko (wie zum Beispiel Diabetes mellitus, nach akutem Koronarsyndrom) idealerweise unter 70 mg/dl gelegen sein. Dies kann in erster Linie durch die hochdosierte Gabe eines Statins (LDL-C Senkung in Standarddosierung um 30 Prozent) erreicht werden; bei NichtZielerreichung bietet sich ein Umsteigen auf ein potenteres Statin oder die Kombination mit dem Cholesterin Resorptionshemmer Ezetimib an. Der klinische Benefit wurde für die Statine in zahlreichen Studien eindrucksvoll nachgewiesen, während für Ezetimib dies noch ausständig ist. Bei Patienten mit schwerer Dyslipidämie, namentlich zusätzlich erniedrigtes HDL-Cholesterin oder deutlich erhöhte Triglyzeride kann der zusätzliche Einsatz von Nikotinsäure-Präparaten oder Fibraten erwogen werden. ACE-Hemmer bzw. Angiotensinrezeptorenblocker Wechsel Standard-Statin auf potentes Statin oder Titration bzw. +/- Ezetimib Zielwert nicht erreicht erste Wahl und sollte lebenslang bei dokumentierter koronarer Herzerkrankung gegeben werden. Wenn eine Kontraindikation vorliegt (AspirinAsthma, Aspirin-Rhinitis, Allergie mit Urtikaria), kann Clopidogrel in einer Dosis von 75 mg pro Tag alternativ verordnet werden. Eine duale Plättchenhemmung mit Aspirin und Clopidogrel wird nach Stenting mit einem Bare Metal Stent (BMS) zumindest für vier Wochen, nach Stenting mit einem Drug Eluting Stent (DES) für zwölf Monate empfohlen. modif. nach österr. Cholesterin-Konsensus 2008 ACE-Hemmer oder bei Unverträglichkeit Angiotensinrezeptorblocker (Sartane) sind besonders bei Patienten mit Diabetes mellitus und/oder eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion fest etabliert, da sie konsistent in großen Studien eine Senkung von kardiovaskulären Ereignissen bewirkt haben. Bei Patienten mit sta- › österreichische ärztezeitung ‹ 10 › 48/49 25. Mai 2009 state of the art rapie. Die Prognose (Mortalität) wird in Subgruppen wie HauptstammStenose, Drei-Gefäßerkrankung sowie Zwei-Gefäßerkrankung mit Befall der proximalen LAD, besonders bei eingeschränkter Pumpfunktion gegenüber der rein medikamentösen Therapie verbessert. biler Angina pectoris und erhaltener Linksventrikelfunktion ist bei dokumentierter koronarer Herzerkrankung auch der Einsatz von ACE-Hemmern zu diskutieren. Revaskularisation Drei ältere prospektive randomisierte Studien aus den 1970er/1980er Jahren haben die Bypass-Chirurgie (CABG) gegenüber der medikamentösen Therapie verglichen (The Coronary Artery Surgery Study CASS, The Veterans Administration Cooperative Study und The European Coronary Surgery Study ECSS). Die Bypass-Operation bewirkt eine signifikante Verbesserung der Angina pectoris-Symptomatik, der Belastbarkeit und Senkung der antianginösen The- Vergleiche der medikamentösen Therapie gegenüber der Intervention (PCI = perkutane Koronar-Intervention) zeigten, dass die Intervention eine Überlegenheit bei der Beherrschung der Angina bringt. Eine Metaanalyse von elf Studien, die COURAGEStudie sowie eine neue Metaanalyse zeigen auf, dass bei Patienten mit stabiler Angina pectoris zwar die Angina pectoris und die Lebensqualität, nicht aber die Häufigkeit des Herzinfarktes oder die kardiovaskuläre Mortalität durch die PCI gegenüber einer engagierten medikamentösen Therapie beeinflusst wird. Eine Koronarintervention ist bei der stabilen Angina pectoris kein dringend nötiger Eingriff, wird aber bei zunehmender Angina pectoris, Prognoseverbessernde Therapie Intoleranz (z.B. GI-NW) oder KI (Aspirin-Allergie) Statin Dosistitration +/- Ezetimib Ziel LD-C < 100mg/dl Intoleranz oder KI Clopidogrel 75 mg 1 x/Tag Statin wechseln oder Ezetimib mit low-dose Statin oder Austausch mit anderer lipidsenkender Substanz ACE-Hemmer bei nachgewiesener KHK β-Blocker Symptomatische Therapie Intoleranz oder KI Kalziumkanalblocker, langwirksame Nitrate, K-Kanal-Öffner, lf Inhibitor Symptome nicht kontrolliert nach optimaler Therapie langwirksame Nitrate, K-Kanal-Öffner Kalziumkanalblocker Symptome nicht kontrolliert nach optimaler Therapie Ev. Revaskularisation Abb. 6 50 Symptome nicht kontrolliert nach optimaler Therapie Symptome nicht kontrolliert nach optimaler Therapie mit 2 Substanzen *) Univ. Prof. Dr. Max Pichler, Universitätsklinik für Innere Medizin II/Kardiologie und Internistische Intensivmedizin/Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg; Müllner Hauptstraße 48, 5020 Salzburg, Tel.: 0662/4482-3400; E-Mail: [email protected] Univ. Prof. Dr. Bernd Eber, Klinikum WelsGrieskirchen/2. Interne Abteilung mit Schwerpunkt Kardiologie und Intensiv Kurzwirksame Nitrate Aspirin 100 mg/Tag Literatur beim Verfasser Lecture Board: Algorithmus der medikamentösen Therapie der stabilen Angina pectoris Sofortige Kurzzeitwirkung Unverträglichkeit der anti-anginösen Therapie oder Hinweisen auf große Ischämie eingesetzt werden. Die vorliegenden Daten zeigen, dass mit der PCI die Angina pectoris und die Lebensqualität, nicht aber das Infarktrisiko oder Mortalitätsrisiko unmittelbar beeinflusst werden. Bei der stabilen Angina pectoris bleibt daher eine konservative multimodale (Lebensstilmodifikation und medikamentöse) Therapie mit konsequenter Behandlung der Risikofaktoren der initiale Schritt, die Entscheidung über eine zusätzliche Intervention (PCI, CABG) muss auf individueller Basis getroffen werden. (Zunahme der Beschwerden trotz optimaler Therapie, Instabilität der Angina) Zusätzlich andere Substanzklasse Modifiziert nach K. Fox; Guidelines on the management of stable angina. Eur Heart J 2006 Univ. Prof. Dr. Burkert Pieske, Medizinische Universität Graz/Abteilung für Kardiologie Univ. Doz. Dr. Rene Wenzel, Krankenhaus Zell am See/Innere Medizin Herausgeber: Universitätsklinik für Innere Medizin II/ Kardiologie und Internistische Intensivmedizin/Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg Diesen Artikel finden Sie auch im Web unter www.meindfp.at › österreichische ärztezeitung ‹ 10 › 25. Mai 2009