Psychotherapeutische Ambulanz für Gewalt

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Psychotherapeutische Ambulanz
für Gewalt- und Sexualstraftäter
Stand Februar 2002
Grundlagen · Konzeption · Darstellung
Verfasser Heinz-Jürgen Pitzing
Fachbereichsleiter, Psychotherapeutische Ambulanz für Sexualstraftäter,
Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, Verhaltenstherapeut,
Sozialwirt (FH), Supervisor
Fachbeirat der Psychotherapeutischen Ambulanz
Iris Käppler-Krüger, Richterin am Amtsgericht, Vorsitzende
Siegfried Bayer, Geschäftsführer, Bewährungshilfe Stuttgart e.V.
Hans-Alfred Blumenstein, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht a.D.
Prof.Dr. Klaus Foerster, Leiter der Sektion Forensische Psychiatrie und
Psychotherapie der Universität Tübingen
Dr.Udo G.Frank, Facharzt Neurologie und Psychiatrie,
Zentrum für Psychiatrie, Weissenau
Dr. Jochen Gebhardt, Oberarzt, Zentrum für Psychiatrie, Wiesloch
Rainer Goderbauer, Psychologiedirektor, Sozialtherapeutische Anstalt
Baden-Württemberg
Dr. Rüdiger Wulf, Ministerialrat, Justizministerium Baden-Württemberg,
Abt. 4 Strafvollzug
Anschrift:
Bewährungshilfe Stuttgart e.V.
Uhlandstraße 16
70182 Stuttgart
Telefon 0711. 23988-49
Telefax 0711. 23988-50
[email protected]
www.bewaehrungshilfe-stuttgart.de
Blatt 2
Inhaltsverzeichnis
1.0
Zusammenfassung
Die Notwendigkeit der therapeutischen Behandlung von Sexualstraftätern
03
04
2.0
Die Gründung der Psychotherapeutischen Ambulanz für Sexualstraftäter
06
3.0
3.1
3.2
3.3
Voraussetzungen für die Behandlung von Sexualstraftätern
Rechtliche Voraussetzungen
Fachliche Voraussetzungen
Finanzielle Voraussetzungen
07
4.0
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
Sexualstraftäter als Patienten der Ambulanz
Zugang zur Ambulanz
Motivation zur Therapie
Risikofaktoren bei behandelten Patienten
Anlassdelikte der Patienten nach dem Strafgesetzbuch (StGB)
Psychiatrische Diagnosen der Sexualstraftäter nach dem ICD-10
Kontraindikation zur ambulanten Behandlung
09
5.0
5.1
5.2
5.3
Ziele der Ambulanz
Ziele aus verschiedenen Perspektiven
Spannungsfeld zwischen Therapie und Kontrolle
Konkrete Therapieziele
14
6.0
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
Therapiemethodik
Therapievertrag
Aktenstudium und Kooperationsgespräche
Delikt- und störungsorientierte Interventionsverfahren
Ersttherapie und Adaptionstherapie
Einzel-, Gruppen-, Paar- und Angehörigengespräche
Medikamentöse Behandlung
Therapiedauer und Therapiebeendigung
18
7.0
7.1
7.2
7.3
7.4
7.5
7.6
Organisationsform der Psychotherapeutischen Ambulanz
Fachbereich im Verein Bewährungshilfe Stuttgart e.V.
Struktur der Ambulanz
Fachliche Qualitätsstandards
Öffentliche Aufgaben der Ambulanz
Bisherige Finanzierung
Zukünftige Finanzierungsformen und Finanzierungszuständigkeiten
23
8.0
Beurteilung der bisherigen Erfahrungen
29
Literatur
32
Blatt 3
Zusammenfassung
Auf dem Gebiet der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hat sich
ebenso wie im Betäubungsmittelrecht die Erkenntnis Bahn gebrochen, dass die
auftretenden Probleme nicht nur durch Bestrafung allein, so unverzichtbar sie
auch ist, sondern in der überwiegenden Anzahl der Fälle zusätzlich durch
psychotherapeutische Behandlung der Täter angegangen werden müssen, um
weitere strafbare Handlungen mit Aussicht auf Erfolg verhindern zu können.
Viele Sexualstraftäter benötigen anerkanntermaßen eine fachspezifische Therapie, um ihr Verhalten verändern und Rückfälle vermeiden zu können. Das zeigen
langjährige Erfahrungen in den Niederlanden, in England, der Schweiz, in
Österreich und in außereuropäischen Ländern und zwar vor allem dort, wo es
gelang, ein Gesamtkonzept aus Strafe und Therapie umzusetzen. Die Rückfallquoten unbehandelter Sexualstraftäter, die im internationalen Vergleich
zwischen 20% und 40% liegen, konnten dadurch erheblich abgesenkt werden.
Aufgabe der Politik und aller maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte ist es
daher, auch in der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Sexualstraftaten für
eine sinnvolle Verzahnung von Strafe und Therapie, von Hilfe und Kontrolle
Sorge zu tragen. Die vom Verein Bewährungshilfe Stuttgart e.V. im September
1998 ins Leben gerufene Psychotherapeutische Ambulanz für Sexualstraftäter
ist der bundesweit erste Versuch, ein solches Konzept zu entwickeln und umzusetzen. Die bisherigen Ergebnisse in Bezug auf die Rückfallvermeidung
weisen schon jetzt in dieselbe Richtung wie in den bereits genannten Ländern.
Die u.a. wegen fehlender Langzeitkatamnese noch nicht repräsentativen Zahlen
der Ambulanz deuten nur noch auf ca. 3,5% einschlägige Rückfälligkeit. Die
psychotherapeutische Behandlung der Täter erweist sich dadurch als besonders
effektiver Opferschutz.
Zur psychotherapeutischen Behandlung von Sexualstraftätern bedarf es auch bei
uns - wie in den bereits genannten Staaten - in der Regel spezieller Einrichtungen mit besonders geschulten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Niedergelassene Psychotherapeuten sind bei der ambulanten Behandlung
von Sexualstraftätern oftmals überfordert. Sie lehnen erfahrungsgemäß die
Behandlung aus Rücksicht auf den Ruf der Praxis, wegen des juristischen
Drucks zur Therapie oder aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Sie sind zu einer
Zusammenarbeit mit der Justiz kaum bereit. Das Ziel der Rückfallvermeidung
ist indessen nur zu erreichen, wenn bei der Behandlung Hilfe und Kontrolle
methodisch und strukturell eng miteinander verbunden werden. Die Therapie
selbst leidet unter diesem Ansatz nicht. Richterliche Therapieweisungen
erscheinen nicht hinderlich sondern eher sogar förderlich. Mit den Patienten
wird ein Behandlungsvertrag abgeschlossen, in dem auch die partielle
Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber bestimmten Instanzen beim
Gericht, dem Strafvollzug und der Bewährungshilfe geregelt wird. Auf Transparenz vor allem gegenüber dem Patienten wird dabei größter Wert gelegt.
Die langjährigen und bewährten Kooperationsstrukturen der Bewährungshilfe
Stuttgart e.V. mit Justiz, Strafvollzug sowie Bewährungs- und Straffälligenhilfe waren und sind dabei wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche
psychotherapeutische Arbeit mit Sexualstraftätern.
Blatt 4
Besonders wichtig ist die Verzahnung zwischen der in den Vollzugsanstalten
bzw. der Sozialtherapeutischen Anstalt geleisteten psychologischen Betreuung
und der ambulanten Weiterbehandlung in Freiheit, insbesondere beim Übergang
vom Vollzug zur Bewährung. Auf diesem Gebiet besteht teilweise noch Nachholbedarf, vor allem bei der Übergabe.
Die Ambulanz dient mit all diesen Maßnahmen der inhaltlichen Umsetzung des
Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998. Sie bedarf nachhaltiger Unterstützung, um das
dort gesteckte Ziel der Rückfallvermeidung und damit des Opferschutzes zu
erreichen.
1.0 Die Notwendigkeit der psychotherapeutischen Behandlung von
Sexualstraftätern
Das gestiegene Interesse der Öffentlichkeit am Thema Sexualstraftaten insbesondere ausgelöst durch spektakuläre Fälle in den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts – hat Fachwelt und Politik veranlasst, den bisherigen Umgang von Strafverfolgungsbehörden, Gerichten,
Strafvollzug und Bewährungshilfe mit Sexualstraftätern neu zu überdenken.
Dabei stand die dringende Notwendigkeit im Vordergrund, die Bevölkerung
besser vor Sexualstraftätern zu schützen. Vielfach wurde und wird dazu in
der Öffentlichkeit aber auch der Politik die Forderung erhoben, Sexualstraftäter härter zu bestrafen, sie möglichst lebenslang zu inhaftieren.
Sexualstraftaten sind in hohem Maße strafwürdig. Die geltenden Strafgesetze
bieten die Grundlage, solche Taten angemessen zu ahnden. Lebenslange Inhaftierung bzw. Verwahrung von Sexualstraftätern kommt aber aus rechtsstaatlichen Gründen nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht. Alle anderen Täter
müssen früher oder später entlassen werden oder können nach weniger gewichtigen Ersttaten nur zu einer Bewährungsstrafe verurteilt werden, obwohl
bei unbehandelten Sexualtätern generell von erheblicher Rückfallgefahr auszugehen ist. Kriminologische Untersuchungsberichte nennen Rückfallraten von
20 bis 40% (1), bei der Gruppe der Exhibitionisten auch bis zu 56% (2).
Empfindliche Freiheitsstrafen für Sexualstraftaten sind daher zwar angezeigt,
reichen aber alleine nicht aus, um die von den Tätern möglicherweise zukünftig ausgehenden Gefahren zu verringern. Deshalb ist die entscheidende
Frage, ob es gelingt, neben der Strafe durch geeignete psychotherapeutische
Behandlung derart auf Täterverhalten und -persönlichkeiten einzuwirken, dass
das Rückfallrisiko minimiert wird.
(1)
(2)
vgl. ANDREWS und BONTA (1998); EGG (1999); LÖSEL und BENDER (1998); MÜLLER-ISBERNER;
GONZALES CABEZA (1999); RÜTHER (1998).
ELZ, J. (Hrsg.), (2001)
Blatt 5
Dass dies in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen möglich ist, haben
zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt. Auch wenn die Ursachen
der Begehung von Sexualstraftaten nicht exakt zu bestimmen sind, ist doch
festzustellen, dass viele Täter individuelle Probleme, Defekte, Defizite und
auch psychische Störungen und Erkrankungen aufweisen, die zur Tatbegehung
beigetragen haben können und die einer psychotherapeutischen Behandlung
zugänglich sein können (ebenda).
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wurden im internationalen Bereich seit
Jahren Modelle erprobt, in denen Sexualstraftäter im engen Verbund von
Justiz, Bewährungshilfe und Psychotherapie in der Haft wie auch ambulant
einer auferlegten psychotherapeutischen Behandlung zugeführt werden, wobei
die ambulanten Behandlungen in der Regel nicht von niedergelassenen Therapeuten, sondern in eigens zu diesem Zweck gegründeten Einrichtungen durchgeführt werden.
Vor allem in den USA, in Österreich, den Niederlanden, Großbritannien und der
Schweiz wurden mit solchen Konzepten beachtliche Erfolge erzielt (3).
Diese haben gezeigt, dass durch intensive und kompetente psychotherapeutische
Behandlung und Betreuung während und nach der Haft und/oder während einer
laufenden Bewährungszeit das Rückfallrisiko signifikant gemindert werden
kann.
In Deutschland wurden diese Erkenntnisse jedoch nur zögerlich akzeptiert und
umgesetzt.
Die für das Jahr 1985 gesetzlich vorgesehene Einführung der Unterbringung in
einer sozialtherapeutischen Anstalt als Maßregel der Besserung und Sicherung
durch das Gericht wurde noch vor ihrem Inkrafttreten wieder aufgehoben. Es
blieb alleine dem Strafvollzug überlassen, ob – mit Zustimmung des Gefangenen
– Behandlungsversuche unternommen wurden. Eine ausreichende Zahl von Therapieplätzen und Psychotherapeuten stand nicht überall zur Verfügung. Noch
1998 wurde festgestellt, dass Sexualtäter ihre Strafzeit regelmäßig nur
absitzen, sich angepasst verhalten, die Konfrontation mit ihrer Tat scheuen
und dass ihnen nur selten eine therapeutische Behandlung vermittelt wird (4).
Auch die ambulante psychotherapeutische Nach- oder Erstbehandlung ist in
keiner Weise institutionalisiert. Spezialisierte Einrichtungen dafür gab und
gibt es bis heute nur sehr wenige.
(3)
(4)
vgl. NISSO-Institut Utrecht (1989); KNECHT, Forensische Nachbetreuungsambulanz,
Wien (1999); URBANIOK, Züricher PPD-Modell (2000).
ROTTHAUS, K.P. (1998). NStZ, Neue Aufgaben für den Strafvollzug, Heft 12, Seite 597 ff
Blatt 6
2.0 Die Gründung der Psychotherapeutischen Ambulanz für
Sexualstraftäter
Schon in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat der Verein
Bewährungshilfe Stuttgart e.V., der über langjährige Erfahrungen in der
Resozialisierung von Straftätern im Verbund mit Justiz, Strafvollzug,
Straffälligen- und Bewährungshilfe verfügt, nach Lösungen gesucht, die Gefahr
der Deliktrückfälligkeit durch Psychotherapie zu minimieren. Der Verein
versuchte zunächst, Therapiemöglichkeiten für verurteilte Sexualstraftäter
bei niedergelassenen Psychotherapeuten auch für die Zeit nach Verbüßung der
Haftstrafe zu finden und durch bestehende Kostenträger zu finanzieren.
Dies scheiterte jedoch weitgehend.
Daraufhin wurde am 16. März 1992 auf der Jahresmitgliederversammlung des
›Verbands der Bewährungshilfevereine im OLG-Stuttgart e.V.‹ ein Fonds
»Psychotherapie und Bewährung« aufgelegt. Er hatte ein Anfangsvermögen von
88.000,- DM, das aus Geldbußen stammte. Der Fonds eröffnete erstmals die
Möglichkeit, Sexualstraftätern eine psychotherapeutische Behandlung über ein
zinsloses Darlehen zu finanzieren, sofern bei anderen öffentlichen oder privaten Kostenträgern keine Leistungspflicht besteht. Ergänzend hierzu wird
durch die Erlasse des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 07. August
1997 und vom 28. April 2000 die externe Psychotherapie für Sexualstraftäter
im Übergang vom Vollzug zur Bewährung über den Fonds des Verbands der Bewährungshilfevereine im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart e.V. ermöglicht.
Die an den Fonds gerichteten Anträge werden von einem Vergabeausschuss bearbeitet und entschieden (5).
Trotz der finanziellen Mittel gab es jedoch nicht genügend niedergelassene
Psychotherapeuten, die qualifiziert und auch bereit waren, solche Behandlungen durchzuführen. Eine anhaltende Unterdeckung des Therapiebedarfs war
die Folge. Zudem erwuchs noch weiterer Bedarf an Therapieplätzen durch das
»Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten« [BGBI I S.160 (6)] vom 26. Januar 1998. Hierdurch wurde Therapie für
einen Großteil der Sexualstraftäter verpflichtend.
Um einen Ausweg aus diesem Dilemma zu weisen, hat der Verein Bewährungshilfe
Stuttgart e.V. im September 1998 auf der Grundlage internationaler Erfahrungen die »Psychotherapeutische Ambulanz für Sexualstraftäter« eingerichtet.
Als Modell dafür diente insbesondere die forensische Nachbetreuungsambulanz
des Vereins für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit in Wien (7).
(5)
(6)
(7)
Satzung Fonds Psychotherapie und Bewährung; Merkblatt; Übersicht über Vergabekriterien
und -verfahren; Antrag auf Finanzierung psychotherapeutischer Behandlung...; Darlehensvertrag und Lohnabtretung. Siehe: www.verband-bewaehrungshilfe.de (unter Therapiefonds)
BGBI, BUNDESGESETZESBLATT (1998). Jahrgang 1998, Teil I, Nr. 6, Seite 160 ff
KNECHT, G. (1999)
Blatt 7
Seit ihrer Gründung trägt die Stuttgarter Ambulanz wesentlich zur Abdeckung
des Therapiebedarfs und damit auch zur Umsetzung des Sexualstraftätergesetzes
vom 26.01.1998 bei. Die Psychotherapeuten – ein approbierter Diplompsychologe
und psychologischer Psychotherapeut sowie ein Facharzt für Psychotherapeutische Medizin mit Zusatzausbildung als analytischer Psychotherapeut - sehen
ihre Aufgabe darin, durch Behandlung psychischer Störungen und Erkrankungen –
die oftmals als Ursache von Sexualstraftaten zu sehen sind – und durch Aufund Bearbeitung des Tatverhaltens Rückfalltaten von Sexualstraftätern zu
verhindern, um so mögliche zukünftige Opfer und die Allgemeinheit besser zu
schützen. So wird durch Täterbehandlung Opferschutz verwirklicht.
3.0 Voraussetzungen für die Behandlung von Sexualstraftätern
3.1
Rechtliche Voraussetzungen
Bisher war die therapeutische Behandlung von Sexualstraftätern zwar als
Möglichkeit vorgesehen, aber nicht näher geregelt oder gar zwingend vorgeschrieben (8).
Eine Wende brachte jedoch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und
anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (9).
Neben weiteren Regelungen wird darin dem Strafvollzug ausdrücklich auferlegt,
bei Sexualstraftätern besonders gründlich zu prüfen, ob die Verlegung in eine
sozialtherapeutische Anstalt angezeigt ist (§ 6 Abs. 2 StVollzG). Bei Gefangenen, die zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt sind, ist
eine solche Verlegung, sofern sie angezeigt ist, derzeit geboten und ab
01.01.2003 sogar zwingend vorgeschrieben (§ 9 Abs. 1, § 199 Abs. 3 StVollzG).
Für den Fall der Strafaussetzung gibt das Gesetz dem Gericht die Möglichkeit,
dem Verurteilten auch ohne dessen Zustimmung eine Therapieweisung zu erteilen
– eine Zustimmung ist nur noch in den Fällen erforderlich, in denen die Behandlung mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, was bei psychotherapeutischer Behandlung in der Regel nicht der Fall ist (§ 56 c Abs. 3 Nr.1).
Sofern der Verurteilte einer solchen Weisung nicht nachkommt und er weiter
als gefährlich anzusehen ist, kann unbefristete Führungsaufsicht angeordnet
werden (§ 68c Abs. 2 StGB).
3.2
Fachliche Voraussetzungen
Zur Umsetzung dieses Gesetzes sind mehrere Voraussetzungen notwendig.
Erstens: Ausreichende Therapieplätze im Vollzug. Bei konsequenter Anwendung
des Gesetzes wird die Zahl der durchzuführenden Therapien und damit der
Bedarf an geeigneten Therapieeinrichtungen innerhalb und außerhalb des
Vollzugs erheblich ansteigen.
(8)
(9)
vgl. dazu u.a. CALLIES, MÜLLER-DIETZ a.a. O. (2000). Kommentierung zu §§ 9 u. 123 StVollzG.
BGBI, BUNDESGESETZESBLATT (1998). Jahrgang 1998, Teil I, Nr. 6, Seite 160 ff..
Blatt 8
Nach EGG [2001 (10)] stehen bisher in Deutschland 1086 Haftplätze in sozialtherapeutischen Einrichtungen zur Verfügung. Ca. 4000 Haftplätze werden jedoch benötigt. Anders ausgedrückt: Die Therapie von ca. 3000 Sexualstraftätern ist zukünftig zu sichern.
Zweitens: Ausreichende Therapieplätze außerhalb des Vollzuges nach der Haft
und auch anstelle der Haft im Rahmen der Bewährung. Die psychologische Betreuung von Straftätern endete bislang bei Haftentlassung. Doch gerade der
Übergang vom Vollzug zur Bewährung und in die Freiheit ist eine besonders
kritische Phase, die begleitet und gesichert werden muss, weil in dieser Zeit
das Rückfallrisiko besonders hoch ist. Die ambulante Weiterbehandlung Strafentlassener ist damit ein wesentlicher Teil eines effizienten Gesamttherapiekonzepts. Dies gilt insbesondere auch für die Fälle, in denen Prognosegutachter bei Entlassung behandlungsbedürftige psychische Störungen gem. ICD
10 diagnostiziert haben. Eine Studie über Strafgefangene in der Justizvollzugsanstalt Ulm belegt, dass allein der Anteil an behandlungsbedürftigen
Persönlichkeitsstörungen gemäß DSM – IV (11) unter inhaftierten Sexualstraftätern 63% beträgt (12).
Drittens: Ausreichend spezialisierte und approbierte Psychotherapeuten sind
erforderlich. Erfolgreiche Psychotherapie für diese Täter kann im Behandlungsrahmen niedergelassener ärztlicher und psychologischer Psychotherapeuten
nicht ausreichend geleistet werden. Denn es bedarf eines speziellen Fachwissens über Sexualstraftäter/-störungen und besonderer fachspezifischer
psychotherapeutischer Interventionsmethoden. Um eine effiziente Verhaltensänderung und Verhaltenskontrolle zu erzielen, sind auch juristische Fachkenntnisse, das umfangreiche Studium von Justizakten und Kenntnisse über
Kooperationswege mit der Justiz erforderlich.
Hierzu ist auf Seiten der Psychotherapeuten ein neues Verständnis von Psychotherapie mit Delinquenten erforderlich, die nicht vor der Übernahme von
Kontrollaufgaben in Kooperation mit der Justiz zurückschreckt und nicht die
Zusammenarbeit mit Gerichten und Strafvollzug fürchtet.
Viertens: Kooperation mit verschiedenen Institutionen.
Einerseits bedarf es der Eingebundenheit in das Justizsystem sowie geeigneter
Kooperationsstrukturen mit dem Justizsystem. Kooperation ist aber nur
möglich, wenn Informationen von verschiedenen Seiten fließen können. Hierzu
ist notwendigerweise die Schweigepflichtentbindung des Patienten/-Straftäters
erforderlich.
Andererseits bedarf es auch eines neuen Selbstverständnisses auf Seiten der
Psychotherapeuten, sich nicht ausschließlich nur dem Patienten, sondern ebenfalls den Sicherheitsbedürfnissen der Justiz, des Strafvollzugs und der
Menschen in der Gesellschaft - die potentielle Opfer von Sexualstraftaten
werden können - verpflichtet zu fühlen.
(10)
(11)
(12)
EGG, R. (2001). Sozialtherapie und Strafvollzug. KrimZ, Kriminologische Zentralstalle
e.V. Wiesbaden.
WITTCHEN, H.-U., ZAUDIG, M. und FYDRICH, T. (1997).
FRÄDRICH, S. und PFÄFFLIN, F. (2000).
Blatt 9
3.3
Finanzielle Voraussetzungen
Ausreichende finanzielle und personelle Mittel, die derzeit weder innerhalb
noch außerhalb der Strafanstalten bereitstehen, sind notwendig, um auf Seiten
der Justiz bei Sexualstraftätern konsequent das Ziel einer erfolgreichen
Rehabilitation auch mit Hilfe von Psychotherapie verfolgen zu können. Im
ambulanten Bereich ist die Bereitstellung der Mittel durch den »Fonds
Psychotherapie und Bewährung« des Verbands der Bewährungshilfevereine im
OLG-Bezirk Stuttgart e.V. und durch das Justizministerium ein wichtiger
Schritt in die richtige Richtung. Jedoch reichen sie bei weitem nicht aus, um
alle anfallenden Kosten einer intensiven psychotherapeutischen Behandlung von
Straftätern auch nach ihrer Haftentlassung zu decken. Daher ist eine gesicherte Finanzierung der ambulanten Psychotherapien für Sexualstraftäter
notwendig.
Dazu ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass solche Investitionen trotz
hohen Bedarfs letztlich volkswirtschaftlich gute Anlagen sind. Erspart doch
jede verhinderte Sexualstraftat dem potentiellen Opfer neben materiellen vor
allem unermessliche immaterielle Schäden, aber auch der Allgemeinheit die
Kosten des Strafverfahrens, der Haft, der Opferentschädigung und der Therapie von Traumatisierungsschäden der Opfer, die letztlich die Aufwendungen für
die prophylaktische Behandlung von Sexualstraftätern mindestens erreichen
oder gar übersteigen dürften.
4.0 Sexualstraftäter als Patienten der Ambulanz
4.1
Zugang zur Ambulanz
In die Therapie der Ambulanz kommen unter den jetzigen finanziellen und
strukturellen Bedingungen drei Gruppen von jugendlichen und erwachsenen
Patienten, bei denen eine Straftat gem. §§ 174-184c StGB Grundlage einer
Gerichtsentscheidung war:
Rechtskräftig verurteilte Sexualstraftäter (13) entlassen aus Regelvollzugsanstalten und Sozialtherapeutischen Anstalten gemäß § 9 StVollzG
sowie Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB
41%
5%
Rechtskräftig verurteilte Sexualstraftäter unter
Bewährungs- oder Führungsaufsicht gem. §§ 56-56c StGB und §§ 68-68g StGB
41%
Personen, die nicht rechtskräftig verurteilt sind, aber
sich in einem Ermittlungs- bzw. Strafverfahren befinden
sowie Selbstmelder, die sich für gefährdet halten,
aber noch nicht als Täter erkannt wurden
7%
5%
Zahlen behandelter Patienten von Sept. 1998 bis Dez. 2000. Veröffentlicht in: BEWÄHRUNGSHILFE
STUTTGART E.V., BLUMENSTEIN/KNÖLLINGER (2001). Abschlussbericht der wissenschaftlichen
Begleitforschung des Modellprojekts: Psychotherapeutische Ambulanz für Sexualstraftäter
(13)
in Entlassvorbereitung und/oder von dort aus den Anstalten entlassen.
Blatt 10
46% der Patienten kommen also aus einer Anstalt oder stehen zur Entlassung
an, 41% stehen unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht. Diese beiden großen
Gruppen haben in der Regel die Auflage, sich einer Therapie zu unterziehen.
Der Aspekt der Verhaltensmodifikation durch Behandlung der psychischen
Störungen der Patienten im Sinne einer Rückfallprophylaxe bestimmt daher ganz
klar den Arbeitsauftrag der Psychotherapeuten in der Ambulanz.
4.2
Motivation zur Therapie
Häufig sind Sexualstraftäter keine Patienten, die ausschließlich freiwillig
und mit einer intrinsischen Motivation die Psychotherapie aufsuchen. Ein
großer Teil der Patienten in der Ambulanz folgt dem justiziellen Druck
[35% (14)] und lässt sich erst einmal »behandeln«.
Der Mythos der absoluten Freiwilligkeit zu einer Behandlung existiert jedoch
auch bei Patienten in anderen Behandlungssettings nicht. Es gibt kaum Menschen, die allein über ihre Einsicht und ohne Not in Therapie gehen. Die
meisten kommen auf Grund eines Druckes wie z.B. eines quälenden Symptoms,
einer sich zuspitzenden Lebenssituation, eines mit Konsequenzen drohenden
Lebenspartners oder Arbeitgebers. Externer Druck ist daher grundsätzlich
nichts Neues und nichts Negatives oder gar Kontraproduktives für eine
psychotherapeutische Behandlung.
In die Ambulanz kommen 72% der Patienten auf Weisung des Gerichts. Hiervon
akzeptieren ca. 2/3 diese Weisung und finden sie gerechtfertigt. Die anderen, die anfänglich nicht einsichtig oder motiviert sind, entwickeln erst im
Laufe der Therapie eine intrinsische Motivation. Die Hoffnung auf (Rest-)
Strafaussetzung steht einer erfolgreichen Therapie also nicht im Wege.
Andererseits scheint justizieller Druck sogar eher förderlich zu sein, da
während der Haft der Aufbau einer therapeutischen Beziehung für eine therapeutische Nachbehandlung leichter beginnt als nach der Haftentlassung.
Die Motivation zur Psychotherapie ist daher nicht Voraussetzung für eine
ambulante Psychotherapie. Vielmehr entwickelt sie sich oftmals erst im Laufe
der Therapie und ist etwas Prozesshaftes und damit ein Bestandteil der Therapie. Es ist weniger wichtig, ob ein Patient schon zu Beginn der Behandlung
motiviert ist, wesentlich ist vielmehr, ob er zur ambulanten Therapie kommt
und sich hierdurch motivieren lässt.
(14)
BEWÄHRUNGSHILFE STUTTGART E.V., BLUMENSTEIN/KNÖLLINGER (2001).
Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellprojekts:
Psychotherapeutische Ambulanz für Sexualstraftäter, Seite 31 ff.
Blatt 11
Exkurs: Der Weg zur Therapiemotivation
Nach dem Aufbau einer stabilen Beziehung zum Therapeuten, der den Patienten zunächst
als ganze Person und nicht nur als Sexualstraftäter ansieht, verändert sich allmählich
im Laufe der Behandlung die anfängliche extrinsische Motivation des Patienten in eine
intrinsische Motivation. Aus dem Straftäter entwickelt sich allmählich der Patient,
der sich für seine Person und sein Verhalten – auch seine begangenen Straftaten interessiert. Hier beginnt der Veränderungsprozess des Patienten, und der Therapeut
erhält zunehmend mehr Einfluss auf das Verhalten des Patienten. Erst dann sind nach
unserer Erfahrung eher konfrontierende Interventionsmethoden zur Aufarbeitung des
Tatverhaltens indiziert.
Indikatoren für Therapiemotivation sind: Interesse für die Aufarbeitung der Straftat,
Angst vor erneutem Rückfall, Angst, die Lebenspartnerin oder den Arbeitsplatz zu verlieren, aktive Teilnahme an Therapiegesprächen, eigenständige Suche zur Lösung von
Lebensproblemen, Abscheu vor den Folgen der verursachten Taten, Scham über inadäquates
Sexualverhalten, Hilflosigkeit im Umgang mit menschlichen Beziehungen und in der
Partnerschaft.
Es kann jedoch nicht verschwiegen werden, dass dieser Prozess nicht bei allen Sexualstraftätern vollkommen gelingt. Besonders bei Jugendlichen und jungen Heranwachsenden
ist der intrinsische Leidensdruck noch nicht so hoch entwickelt, die adäquate Wahrnehmung von Lebensperspektiven noch nicht genügend vorhanden und die Illusion noch
groß, sich durch widerständiges Verhalten weiteren Sanktionen entziehen zu können.
Andererseits ist es bei diesen jungen Menschen besonders wichtig, sie zu einer Veränderung durch Therapie zu bewegen, da sie noch entwicklungsfähiger und veränderbarer
in ihrer Persönlichkeit sind.
4.3
Risikofaktoren bei behandelten Patienten
Bislang konnten wissenschaftlich keine validen Ursachen von Sexualstraftaten
ausfindig gemacht werden. Bei Patienten der Stuttgarter Ambulanz stellen wir
jedoch besonders häufig einige Faktoren fest, die möglicherweise als Kausalitäten mindestens aber als Risikofaktoren für delinquentes Sexualverhalten zu
verstehen sind (15).
Es handelt sich oftmals um Männer aus einfachen Schichten mit niedrigem
Schul- und Ausbildungsniveau und mit geringem Einkommen. Auffallend bei fast
allen Tätern sind Beziehungsstörungen in Ehe, Partnerschaft und zu anderen
Menschen, einhergehend mit mangelnder Konfliktfähigkeit, geringem Selbstwertgefühl und sozialer Isolation (alleinlebend und vereinsamt). Oft liegt
eine Suchtproblematik oder gar eine Suchterkrankung (Alkohol, Drogen) vor.
Zahlreiche Patienten befanden sich im zeitlichen Vorfeld ihrer Taten in einer
schwerwiegenden persönlichen Lebenskrise einhergehend mit Depressionen. Etwa
die Hälfte aller Sexualstraftäter lebt im sozialen Nahumfeld der Opfer (z.B.
Erziehungsberechtigte, Verwandte, Nachbarn, Freunde, Sportgruppenleiter).
(15)
GROTH, A.N. (1986); FINKELHOR, D. (1986).
Blatt 12
Allen Tätern ist trotz aller Unterschiede zum Tatzeitpunkt gemeinsam: Sie
waren nicht in der Lage, ihr sexuelles Verlangen adäquat (in einer Partnerschaft) zu befriedigen, ihr Sexualverhalten gesellschaftskonform zu steuern,
ihr Machtbedürfnis und ihre Impulse zu kontrollieren und nicht an Frauen oder
Kindern auszuleben. Sie konnten ihr mangelhaft ausgeprägtes Selbstwertgefühl
nicht durch andere Aktivitäten kompensieren oder ihre persönliche Lebenskrise
nicht konstruktiv bewältigen.
Es handelt sich oftmals um Männer, die Angst vor gleichberechtigten Partnerinnen haben oder keine Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse oder ihres
(männlichen) Selbstwertes empfinden. Sexuelle Gewalt und/oder sexueller
Missbrauch von Kindern oder Frauen ist daher als Ausdruck einer gravierenden
Beziehungs- und Entwicklungsstörung zu verstehen, die sich jahrzehntelang
entwickelt hat und oftmals erst durch ein kritisches Lebensereignis, eine
persönliche Lebenskrise zu einer psychischen Störung und Erkrankung manifestiert.
Wir betonen hier, dass diese Ergebnisse aus den Erfahrungen in der Stuttgarter Ambulanz abgeleitet sind und keine wissenschaftlich repräsentativen Daten
darstellen. Dennoch decken sich viele Aussagen mit den Ergebnissen in wissenschaftlichen Untersuchungen.
4.4
Anlassdelikte der Patienten nach dem Strafgesetzbuch (StGB)
Bei den Patienten der Ambulanz lagen folgende Anlassdelikte vor:
-
Anlassdelikte
Sexueller Missbrauch
Exhibitionistische Handlungen
Sexuelle Gewaltdelikte (Sex. Nötigung/Vergewaltigung)
Weitere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
Gewaltdelikte
missings
49%
7%
26%
5%
10%
3%
Zahlen behandelter Patienten von Sept. 1998 bis Dez. 2000. Veröffentlicht in: BEWÄHRUNGSHILFE
STUTTGART E.V., BLUMENSTEIN/KNÖLLINGER (2001). Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellprojekts: Psychotherapeutische Ambulanz für Sexualstraftäter, Seite 14.
Sexueller Missbrauch 49%
Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen gem. § 174 StGB, sexueller Missbrauch von Kindern gem. § 176 StGB und sexueller Missbrauch von Widerstandsunfähigen gem. § 179 StGB. Hier wird unterschieden, ob ein sexueller Missbrauch an Jungen oder Mädchen stattgefunden hat und ob ein körperlicher
Kontakt oder eine exhibitionistische Handlung vor Kindern vorlag.
Exhibitionistische Handlungen 7%
Hierunter fallen Exhibitionismus nach § 183 StGB sowie das Erregen
öffentlichen Ärgernisses nach § 183a StGB.
Sexuelle Gewaltdelikte (Sex. Nötigung/Vergewaltigung) 26%
Blatt 13
Darunter fallen Vergewaltigung und sexuelle Nötigung nach § 177 StGB und
Vergewaltigung und sexuelle Nötigung mit Todesfolge nach § 178 StGB.
Weitere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 5%
Hierunter fallen die Förderung sexueller Handlungen Minderjährige nach §180
StGB und der Prostitution nach § 180a StGB, Menschenhandel nach § 180b-181
StGB und Zuhälterei nach § 181a StGB (bei denen mehr finanzielle als sexuelle
Motive der Tat im Vordergrund stehen) und die Verbreitung pornografischer
Schriften nach § 184 StGB.
Gewaltdelikte 10%
Die Grenzen zwischen Gewaltdelikten mit expliziten sexuellen Handlungen
(Tötungsdelikte, Körperverletzung, Raub u.U. mit sexuellen Handlungen) und
solchen mit impliziten Motiven und Lustgewinn in Form von gewaltsamen
Sexualdelikten (Vergewaltigung, Nötigung u.U. mit Körperverletzung und mit
Waffengewalt) sind fließend. Kontrollverlust und Suchtdynamik spielen sowohl
bei Gewalt- als auch bei Sexualdelikten eine Rolle. 68% der Sexualstraftäter
in der Ambulanz waren bereits zuvor in ihrem Leben auch mit anderen Straftaten aufgefallen, »nur« 32% waren Ersttäter mit einem Sexualdelikt
(ebenda, S.30).
4.5
Psychiatrische Diagnosen der Sexualstraftäter nach dem ICD-10
Nach diagnostischer Abklärung der Patienten in der Psychotherapeutischen
Ambulanz sind nachfolgende klinische Diagnoseklassifizierungen feststellbar:
Psychiatrische Diagnosen
Psychische- / Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F10-19)
Affektive Störungen (F30-39)
Neurosen (F40-48)
Nichtorganische Sexualstörungen (F52)
Persönlichkeitsstörungen (F60-69)
Paraphilien / Störungen der Sexualpräferenz (F65)
6%
3%
3%
2%
48%
32%
Zahlen behandelter Patienten von Sept. 1998 bis Dez. 2000. Veröffentlicht in: BEWÄHRUNGSHILFE
STUTTGART E.V., BLUMENSTEIN/KNÖLLINGER (2001). Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellprojekts: Psychotherapeutische Ambulanz für Sexualstraftäter, Seite 28 ff.
41% der Patienten kommen in die Ambulanz bereits mit einer psychiatrischen
Diagnose, die in einem Gutachten während der Gerichtsverhandlung, zur Haftentlassung oder bei vorherigen psychiatrischen Behandlungen erstellt wurde.
Mit 48% ist der Anteil der Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung auffallend hoch. Persönlichkeitsstörungen sind unter den psychiatrischen Diagnosen bekanntermaßen sehr persistente Verhaltensmuster, die der Psychotherapie
dingend bedürfen, die jedoch nur schwer ausschließlich durch Psychotherapie
zu verändern sind. Daher ist bei Sexualstraftätern zusätzlich zur ambulanten
Psychotherapie die Verhaltenskontrolle (Bewährungsaufsicht) durch Justiz und
eine begleitende Sozialtherapie durch die Bewährungshilfe unerlässlich.
Blatt 14
4.6
Kontraindikation zur ambulanten Behandlung
Grundsätzlich hat die Ambulanz all jene Sexualstraftäter psychotherapeutisch
zu behandeln, die über eine richterliche Weisung verfügen und bei denen eine
behandlungsbedürftige psychische Störung oder Erkrankung zu diagnostizieren
ist.
Nicht bei jedem Sexualstraftäter ist auch eine dem Delikt zugrunde liegende
wesentliche psychische Störung oder gar Erkrankung gegeben, die in jedem Fall
behandlungsbedürftig ist. Während eines Gerichtsverfahrens wird nicht immer
eine psychiatrische Diagnose oder gar ein psychiatrisches Gutachten erstellt.
Somit ist die Weisung infolge eines Gerichtsbeschlusses zunächst darauf zu
überprüfen, ob eine Behandlungsnotwendigkeit für eine Psychotherapie
vorliegt.
Eine Kontraindikation für die Durchführung einer ambulanten Psychotherapie
liegt bei folgenden Faktoren vor:
-
Kontraindikationen
keine ausreichende Intelligenz (ICD-10 F70-79)
ungenügende deutsche Sprachkenntnisse
massive manifeste Suchtmittelabhängigkeit (ICD-10 F19.24ff.)
akute psychotische Erkrankung (ICD-10 F22-29)
akutes hirnorganisches Syndrom (ICD-10 F00-09)
nicht genügend Zeit zur Teilnahme an den Sitzungen (z.B. Fernfahrten, Montagearbeit)
Verweigern der Gesprächsbereitschaft auch nach mehreren Sitzungen
5.0 Ziele der Ambulanz
5.1
Ziele aus verschiedenen Perspektiven
Vorrangiges Ziel der Ambulanz ist es, die psychischen Störungen und Erkrankungen von Sexualstraftätern zu behandeln, um so die Anzahl von weiteren
Sexualstraftaten zu reduzieren. In diesem Ziel treffen sich die Interessen
von Opfern und Tätern, von Richtern und Therapeuten gleichermaßen. Gleichwohl ergeben sich vor dem dargestellten psychologischen, psychiatrischen,
juristischen und gesellschaftspolitischen Hintergrund verschiedene Perspektiven, die durch die Ambulanz als gleichberechtigt angesehen werden.
Aus der Perspektive der Öffentlichkeit werden durch die Ambulanz die
psychischen Störungen und Erkrankungen von Sexualstraftätern professionell
behandelt, damit das Risiko neuer Straftaten vermindert wird.
Aus der Perspektive der Richter wird durch die Bereitstellung einer
justiznahen ambulanten Einrichtung die Umsetzung von Therapieweisungen durch
verlässliche Kooperationsstrukturen und fachgerechte Behandlungen gesichert.
Blatt 15
Aus der Perspektive des Vollzugs schließt die Ambulanz die bestehende
Lücke in der psychotherapeutischen Behandlung der Täter bei dem Übergang vom
Strafvollzug in die Freiheit bzw. bei einer bestehenden Bewährungsauflage mit
Therapieweisung durch eine qualifizierte psychotherapeutische Behandlungsstruktur.
Viele Sexualstraftäter können nur in der Therapie über sich und ihre Tat
sprechen. Fast alle Täter hoffen hier auf Anweisung und Unterstützung bei
ihrer Verhaltensveränderung. An die Ambulanz werden auch durch die Partner
und Familien der Täter große Hoffnungen auf Unterstützung adressiert.
Bewährungshelfer finden in der Ambulanz kompetente Ansprechpartner in der
ambulanten Betreuung dieser speziellen Patienten, niedergelassene Psychotherapeuten, Fachärzte, Sozialarbeiter im Betreuten Wohnen etc. ebenso.
Die inhaltlichen Erkenntnisse, die sich die Ambulanz pionierhaft in
diesem neuen Feld erarbeitet, werden verschiedenen Professionen zur Verfügung
gestellt. Durch Forschungsarbeiten, aktive Mitgestaltung gesellschaftspolitischer Veranstaltungen, kollegiale Netzwerkarbeit sowie fachbezogene
Qualifizierung von Mitarbeitern in professionellen Institutionen wird die
Expertise zur Behandlung dieser Täter weiter vorangetrieben.
Die Organisation der Stuttgarter Ambulanz kann Modellcharakter haben
auch für andere OLG-Bezirke. Wissen, Kontakte und Konzepte können übertragen
werden.
5.2
Spannungsfeld zwischen Therapie und Kontrolle
Wie oben bereits ausgeführt, befindet sich die Psychotherapeutische Ambulanz
genau an der Schnittstelle von drei verschiedenen gesellschaftlichen
Institutionen und deren Aufgaben:
Erstens die Justiz, mit der Aufgabe der Strafverfolgung und des Strafvollzugs, zweitens die Bewährungshilfe, mit der Aufgabe der Resozialisierung und
Bewährungsaufsicht und drittens die Psychotherapie, mit der Aufgabe der Behandlung von psychischen Störungen und Erkrankungen einhergehend mit einer
nachhaltigen Verhaltensänderung.
Die Psychotherapeutische Ambulanz muss daher für die Behandlung von Sexualstraftätern Aspekte von Kontrolle, Resozialisierung und Psychotherapie in
einem Behandlungssetting und in einer Einrichtung miteinander methodisch
verbinden und qualifiziert vernetzen.
Für
die
mit
vor
die Psychotherapeuten in der Ambulanz besteht das Spannungsfeld darin,
Rolle des therapeutischen Helfers (Verhaltensveränderung des Patienten)
der des Kontrolleurs (Verhaltenskontrolle zum Schutz der Allgemeinheit
Menschen mit destruktivem Verhalten) zu verbinden.
Die Rollen und Aufgaben der Psychotherapeuten in der Ambulanz werden nun
am Beispiel des Einstiegs in die Therapie aufgezeigt.
Blatt 16
5.2.1
Die therapeutische Rolle
Psychotherapie ist grundsätzlich ausgerichtet auf Besserung, Linderung und
Heilung der psychischen Störung und Erkrankung. Hier steht konkret die Erhöhung der Selbstkontrolle und die Änderung des Verhaltens des Patienten im
Vordergrund.
Um diese komplexen Ziele erreichen zu können, ist zunächst der Aufbau einer
intensiven und tragfähigen therapeutischen Beziehung zwischen Psychotherapeut
und Patient erforderlich. Dies gelingt nur dadurch, dass der Psychotherapeut
den Patienten ganzheitlich mit allen seinen Eigenschaften (Schwächen und
Stärken) und nicht nur als Sexualstraftäter annimmt und ihn intensiv kennenlernt. Der Psychotherapeut muss intensives Interesse für diesen Menschen verspüren und auch zeigen, sonst entsteht keine therapeutische Beziehung, die
die wichtigste Grundlage einer erfolgreichen Psychotherapie darstellt.
Es sind hierfür mehrere Sitzungen erforderlich, in denen der Patient zeigen
darf, was er erlebt hat, wie er aufgewachsen ist und wie es ihm heute nach
der Straftat geht - ohne, dass er hierfür gleich bewertet, kritisiert oder
gar sanktioniert wird. Dieses zunächst unumschränkte positive Annehmen eines
Menschen ist notwendig, damit das weitere psychotherapeutische Durcharbeiten
der eigentlichen Straftat gelingt. Ohne diese Basis ist kein Mensch motiviert, sich zu öffnen, sich kritisch mit sich selbst auseinanderzusetzen
und sich letztlich zu verändern.
5.2.2
Die juristische Funktion
Der Psychotherapeut hat in bestimmten Fällen eine Verpflichtung zur Informationsweitergabe von Patientendaten gegenüber den Strafvollstreckungsbehörden
(u.a. auch in § 182 Abs. 2 und 4 StVollzG geregelt). Der Patient wird darüber
schon zu Beginn der Therapie informiert. Er weiß, dass bei Abbruch der
Therapie, unentschuldigtem Versäumen der Therapiestunden oder erkennbarer
Gefährdung Dritter die Justiz informiert werden muss. Diese kann die Strafaussetzung widerrufen und ihn wieder inhaftieren.
Diese Rolle des Psychotherapeuten und den Kooperationskontext der Ambulanz
muss der Patient akzeptieren. Hierzu zählt auch sein Einverständnis zur
Schweigepflichtentbindung bei der Weiterleitung von bestimmten Informationen
an Kooperationspartner. Ist der Patient zu dieser Schweigepflichtentbindung
nicht bereit, kann eine ambulante Psychotherapie nicht verantwortungsvoll und
erfolgreich durchgeführt werden, sodass die Therapie beendet oder gar nicht
erst begonnen wird. Der Patient hat dann alleine die möglichen juristischen
Konsequenzen zu tragen, insbesondere bei einer Therapieweisung.
5.2.3
Verbindung von juristischer und therapeutischer Aufgabe
Um die o.g. juristischen Auflagen (therapeutische Inhalte können nicht
unumschränkt vertraulich sein) mit den therapeutischen Notwendigkeiten
(Vertrauensbildung in der therapeutischen Beziehung) verbinden zu können,
Blatt 17
ist es notwendig, zu Beginn der Behandlung die Regeln der Kommunikation
offenzulegen.
Dem Patienten muss verdeutlicht werden, dass ihm die Kooperation von Justiz
und Ambulanz nützt. Denn die teilweise Schweigepflichtentbindung soll ihn
selbst vor weiteren delinquenten Handlungen und damit die Allgemeinheit vor
weiterem Schaden bewahren. Dies ist nicht einfach und gelingt nicht immer.
Darüber hinaus wird dem Patienten mitgeteilt, worauf er vertrauen kann:
Ihm werden Stellungnahmen immer schriftlich vorgelegt, bevor diese an entsprechende Stellen weitergeleitet werden. Die Weiterleitung von Patientendaten
an Dritte (z.B. Stellungnahmen an Richter, Strafvollstreckungskammer,
Anstaltsleiter, Bewährungshelfer) muss durch den Psychotherapeuten dem
Patienten gegenüber transparent, nachvollziehbar und mit seinem Wissen erfolgen, damit kein Misstrauen entsteht und die therapeutische Beziehung dadurch nicht belastet oder gar zerstört wird. Transparenz (Offenheit) statt
Abstinenz (im Sinne von Enthaltsamkeit gegenüber Dritten) in der Therapie ist
unsere Devise (16).
Diese transparente als auch konsequente Vorgehensweise ist in der ambulanten
Psychotherapie mit Sexualstraftätern notwendig, da die Verhinderung von
weiterem schädigendem Verhalten der Sexualstraftäter als oberstes Ziel in der
Behandlung Vorrang vor allem anderen hat.
5.3
Konkrete Therapieziele
Neben der Linderung und Heilung der psychischen Störung, die der Sexualstraftat oftmals zugrunde liegt, werden in der Therapie von Sexualstraftätern folgende konkrete Ziele verfolgt:
-
Übernahme der Verantwortung für die Tat (Verantwortungsbewusstsein)
Entwicklung von Mitgefühl für das Opfer (Empathiefähigkeit)
Auseinandersetzung mit der Entstehung von eigenem Gewalt- und Sexualverhalten
Entwicklung von Selbst- und Impulskontrolle (Affekt- und Verhaltenskontrolle)
Befähigung zur konstruktiven und adäquaten Kommunikation mit Partner und Familie
Einüben sozialer Fähigkeiten in der therapeutischen Beziehung und im Alltag
Entwickeln sozialer Fähigkeiten und Grundqualifikationen (Rollendistanz, Empathie
und Ambiguitätstoleranz)
Entwickeln einer Balance zwischen persönlicher u. sozialer Identität (Ich-Identität)
Entwickeln von kreativem und kritischem Denken und Handeln (Handlungskompetenz)
Kritische Überprüfung der eigenen Werte u. Normen (Entwickeln normativen Verhaltens)
Verbesserung von Konfliktlösungsstrategien (Konfliktfähigkeit und Copingstrategien)
Regulierung und Kontrolle von Emotionen und Phantasien (Selfmanagement)
Abbau von Alkohol- oder Suchtmittelgebrauch
Entwickeln von Kompetenzen zur Integration in die Arbeits- u. Berufswelt, Resozialisierung in gesellschaftliche Strukturen (Partnerschaft, Arbeit, Wohnsitz, Freizeit).
(16)
URBANIOK, F. (2000).
Blatt 18
6.0 Therapiemethodik
Die psychotherapeutische Behandlung wird grundsätzlich von approbierten
Psychotherapeuten nach wissenschaftlich anerkannten Therapieverfahren (Verhaltenstherapie und analytischen Verfahren) durchgeführt. Dabei wird die
besondere Aufgabenstellung der Ambulanz wie nachfolgend dargestellt
berücksichtigt.
6.1
Therapievertrag
Zu Beginn der Therapie wird gemeinsam mit dem Patienten eine Therapievereinbarung (17) abgeschlossen. Diese besiegelt das vorher abgesprochene
Arbeitsbündnis, regelt den gegenseitigen Umgang und klärt folgende Sachverhalte:
-
aktive Mitarbeit und Mitgestaltung des Patienten am Therapieverlauf
Klärung der Finanzierung der Behandlungskosten
Einwilligung zur Beschränkung der Schweigepflicht gegenüber Kooperationspartnern
Information vom Therapeuten, dass er bei unentschuldigtem Fehlen oder bei Abbruch
der Therapie verpflichtet ist, die Justiz zu informieren
- Versicherung des Therapeuten, dass er den Patienten bei Weitergabe von bestimmten
Patientendaten an Dritte informiert und bei der Weiterleitung von Schriftstücken
diese zuvor zur Kenntnis gibt
- Aufklärung über Methoden und Zeitdauer der Behandlung
Durch den Therapievertrag erhält der Patient ein hohes Maß an Transparenz über
die Kooperationswege und -inhalte, die der Therapeut aus inhaltlichen und
organisatorischen Gründen für erforderlich hält.
Er stellt für den Patienten auch klar, dass der Therapeut nicht nur in der
Dyade mit ihm, sondern auch in der Verantwortung von Justiz, Gesellschaft und
potentiellen Opfer handelt. Etwaige Ansprüche des Patienten auf einseitige
Parteilichkeit oder gar »Kungelei« mit dem Therapeuten werden so gleich zu
Beginn abgewehrt.
6.2
Aktenstudium und Kooperationsgespräche
Bei der Therapie von Sexualstraftätern ist es nicht ausreichend, sich auf
die Informationen und Daten zu verlassen, die der Patient über sich gibt, da
Sexualstraftäter zum Verleugnen, Verfälschen und Verzerren von Tatvorgängen
tendieren. Die meisten Patienten haben ihre Tat zunächst zum Teil verdrängt
und können nur sehr mühsam, verzerrt und unvollständig ein adäquates Bild
über sich und ihre Tat produzieren.
Damit sich der Patient mit der Realität und seinem tatsächlichen Tatverhalten
auseinandersetzen kann, ist es dringend erforderlich, dass er mit weiteren
Fakten, Dokumenten und Beurteilungsebenen anderer Stellen, die ihn be-
(17)
Siehe Information für Patienten, Einverständniserklärungen
Blatt 19
treffen, konfrontiert wird. Hierbei handelt es sich oftmals um sehr viele und
umfangreiche Unterlagen. Folgende Informationsquellen über das (Tat-) Verhalten werden mit Zustimmung des Patienten nach Bedarf in die Therapie mit
einbezogen:
-
Gerichtsurteile und -beschlüsse
- Psychiatrische Gutachten
Vernehmungsprotokolle
- Therapieberichte anderer Einrichtungen
Schriftliche Zeugenaussagen
- Auszug aus dem Bundeszentralregister
Bewährungsverläufe
- Vollzugsverläufe /-beurteilungen
Stellungnahmen anderer Behörden wie Jugendgerichtshilfe,
Ordnungsämter, Einrichtungen der Jugendhilfe u.a.
Weiterhin werden gemeinsam mit dem Patienten ggf. Übergabe- und Abklärungsgespräche mit Therapeuten aus Haftanstalten, Sozialarbeitern der Bewährungshilfe und z.B. Betreuern aus dem Bereich Betreutes Wohnen geführt, um die
Therapieplanung darauf abzustimmen.
Ziel ist hier nicht, den »gläsernen Menschen« zu produzieren oder eine weitere Beweisführung zum Tatverlauf vorzunehmen. Vielmehr wird der Patient mit
der Wahrnehmung und der Urteilsbildung anderer Menschen konfrontiert. Die
hierdurch entstehende Interaktion zwischen Patient und Therapeut wird als
Werkzeug genutzt, um eine schrittweise Annäherung und Auseinandersetzung mit
dem realen Verhalten des Patienten zu erzielen.
Besonders Gerichtsaktenstudium und Kooperationsgespräche sind für den Therapieerfolg unerlässlich. Zeit und Aufwand dafür sind jedoch hoch und mit dem
üblichen Stundensatz der Krankenversicherungen zur Vergütung von Psychotherapie nicht zu decken.
6.3
Delikt- und störungsorientierte Interventionsverfahren
Unsere Arbeitshypothese in der Ambulanz lautet: Es ist eine Voraussetzung für
Integration in die Gesellschaft, Realität erkennen zu können, anerkennen zu
können und sich zu erleben als aktiver Gestalter seiner eigenen Realität.
Sexualstraftäter leben oftmals in sehr eigenen Gedanken- und Gefühlswelten,
aus denen heraus die Straftat auch meist begangen wurde. Auch nach der Tat
versuchen die Patienten, schmerzhafte und schuldhafte Emotionen bei sich zu
vermeiden. Reaktionen sind oftmals Leugnen, Verharmlosen und kognitives
Verzerren ihres Tatverhaltens.
Bei delikt- und zielorientierten Interventionsverfahren wird der Patient mit
der Realität des Tathergangs, der Tatumsetzung und den Tatfolgen konfrontiert. Dies geschieht, wie oben ausgeführt, auch unter Hinzuziehung von
Gerichtsakten und -daten. Auch wird der Patient mit der Situation des Opfers
und der Angehörigen aufgrund seiner Tat konfrontiert. Denn nur, wenn der
Patient diese Tat als sein persönliches individuelles Handeln anerkennen kann,
Blatt 20
ist es ihm besser möglich, eine Wiederholung seines strafbaren Verhaltens zu
vermeiden.
Die Rolle des Therapeuten ist ein schwieriger Balanceakt. Er ist Wegführer
und Begleiter des Patienten beim schrittweisen Herantasten an die Tat und
deren Motive. Dazu setzt der Therapeut die Konfrontation mit der Realität und
seine emotionalen Reaktionen gleichermaßen ein.
Die Verflechtung von Psychotherapie und Verhaltenskontrolle stellt besonders
im ambulanten Bereich die größte Herausforderung für den behandelnden Psychotherapeuten dar, da der Patient immer mit dem Beziehungsabbruch drohen und
sich der Behandlung entziehen kann. Hier ist oftmals der juristische Druck
und die Weisung zur psychotherapeutischen Behandlung unterstützend oder gar
notwendig, um vorschnelle Impulse des Patienten zur Vermeidung der Konfrontation zu stoppen. Dennoch ist eine zu frühe und zu insistierende Konfrontation des Patienten mit seinem Tatverhalten nach unserer Erfahrung kontraproduktiv. Diese Methodik hat erst Erfolg, wenn eine stabile therapeutische
Beziehung zum Therapeuten besteht.
Für diese Behandlungsziele haben sich in der Ambulanz in Stuttgart insbesondere kognitiv-verhaltenstherapeutische, aber auch tiefenpsychologische und
gruppendynamische Interventionen als psychotherapeutische Methoden bewährt.
Zur Überprüfung der therapeutischen Arbeit und der Gegenübertragung der
Psychotherapeuten ist die Supervision durch einen externen forensisch,
psychiatrisch und psychotherapeutisch erfahrenen Supervisor methodisch
notwendig.
6.4
Ersttherapie und Adaptionstherapie
Inhaltlich haben sich in der Psychotherapeutischen Ambulanz auf Grund der
Herkunft des Patienten zwei Behandlungsschwerpunkte herausgebildet, die es
zu unterscheiden gilt:
Erstens der Bereich der Ersttherapie für jene Patienten, die bislang noch
keine Therapie in der Justizvollzugsanstalt erhalten haben oder die zu einer
Bewährungsstrafe verurteilt wurden. Bei dieser Gruppe ist es erforderlich,
dass in der psychotherapeutischen Behandlung zunächst die Motivation zur
Therapie sowie die Grundkompetenzen zur Problembearbeitung und letztlich zur
Modifikation von Verhalten entwickelt werden.
Zweitens der Bereich der Adaptionstherapie für jene Patienten, bei denen
bereits eine psychotherapeutische Behandlung während der Haft, in der Sozialtherapeutischen Anstalt, im Maßregelvollzug o.ä. stattgefunden hat. Bei
dieser Gruppe kann davon ausgegangen werden, dass die Motivation und die
Grundkompetenzen einer Problembearbeitung bereits durch Therapeuten in der
Haftanstalt erarbeitet worden sind und es nun in der ambulanten Therapie
darauf ankommt, die Adaption des Verhaltens der Patienten in Freiheit auszurichten und die Verhaltenskonsistenz in psychosozialen Konfliktsituationen
zu optimieren und zu überprüfen.
Blatt 21
Insbesondere in dieser zweiten Gruppe ist eine sehr enge Verzahnung zwischen
Haftanstalt, Bewährungshilfe und Ambulanz erforderlich, um eine enge Abstimmung der bereits initiierten Behandlungsmaßnahmen zu gewährleisten.
6.5
Einzel-, Gruppen-, Paar- und Angehörigengespräche
Die Settings Einzel-, Gruppen-, Paar- und Angehörigengespräche werden in der
Ambulanz mit unterschiedlichen Zielsetzungen eingesetzt.
Die Therapie beginnt meistens mit Einzeltherapie. Dies ist erforderlich, weil
sich viele Straftäter ihrer Tat schämen, Tendenzen zur Verharmlosung aufweisen oder ihre Handlungen leugnen. Im intensiven Einzelgespräch ist es
möglich, Vertrauen zum Psychotherapeuten und die Motivation für eine Therapie
aufzubauen. Auch wenn durch eine richterliche Therapieweisung bei den Klienten zu Beginn der Therapie nur eine geringe, oftmals nur extrinsische Motivation zur Behandlung besteht, begreifen sie in den meisten Fällen nach einigen
Wochen der Behandlung selbst, dass sie sich mit Hilfe von Therapie besser
verstehen und verändern können.
Angehörige und Partner werden in die Gespräche mit einbezogen (bes. bei
Inzesttätern), um die sozialen Bindungen zu prüfen, die Stabilität von verändertem Verhalten zu unterstützen und eine gewisse soziale Kontrolle zu
bilden.
Gruppentherapien werden eingesetzt, damit die Täter sich nicht nur in der
Beziehung zum Therapeuten, sondern auch in einer sozialen Einheit auseinandersetzen. Durch die Gruppe werden sie mit der Wahrnehmung, dem Verhalten
und den Einstellungen anderer Patienten konfrontiert. Tataufarbeitung geschieht hier durch »Delikt-Szenarien« (18) oder dem Aufzeigen von »DeliktEntscheidungs-Ketten« (19), die kognitive Verzerrungen, Verleugnungen und
verdeckt aggressive Impulse des Patienten in der Gruppe deutlicher werden
lassen. Hier entwickelt sich eine Dynamik der gegenseitigen Kritik und Kontrolle, in der schädigende Verhaltensmuster entdeckt und besprochen werden
können (20). Hier erleben Sexualstraftäter auch, dass sie mit ihrer Problematik nicht alleine dastehen und lernen an Modellen (im verhaltenstherapeutischen Sinne). Sie erkennen sich selbst in der Gruppe zum Teil besser, da
andere Menschen ähnliche Defizite wie sie aufweisen. Auch besteht die
Möglichkeit, in Rollenspielen neues Verhalten auszuprobieren.
6.6
Medikamentöse Behandlung
Bei manchen Sexualstraftätern ist aufgrund ihrer gravierenden psychischen
Störung oder Erkrankung eine medizinische Abklärung durch einen niedergelassenen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie erforderlich.
(18)
(19)
(20)
BULLENS, R. (1998).
MARSHALL, W.L., FERNANDEZ, Y.M., HUDSON, S.M., WARD, T. (1998).
BERNER, W. (2000).
Blatt 22
In der Ambulanz ist ein Facharzt für Psychotherapeutische Medizin tätig. Er
ist jedoch von den Krankenkassen bislang nicht zur Abrechnung berechtigt und
zugelassen. Daher ist es zur Zeit noch notwendig, extern einen Facharzt
hinzuzuziehen, damit Patienten der Ambulanz eine begleitende medikamentöse
Behandlung ermöglicht wird.
Je nach Erkrankungsbild kann eine ergänzende medikamentöse Unterstützung des
Patienten durch Psychopharmaka oder andere Medikamente hilfreich oder gar
notwendig sein. Bei Patienten mit dranghaftem Verhalten wird – wenn dies angezeigt ist - der Einsatz von Antiandrogenen, bzw. LHRH-Antagonisten befürwortet und unterstützt. In der wissenschaftlichen Literatur wird zum Teil bei
an chronischer Paraphilie leidenden Männern eine deutliche Abnahme sexueller
Phantasietätigkeit und sexueller Begierde durch Verabreichung dieser Substanzen berichtet (21). Die Ambulanz stellt besonders in solchen Fällen eine
sehr enge Kooperation mit dem behandelnden niedergelassenen Facharzt sicher.
6.7
Therapiedauer und Therapiebeendigung
In der Regel ist die ambulante Psychotherapie von Sexualstraftätern auf
mindestens ein Jahr (40 Stunden) angelegt, oft auch länger (60-80 Stunden).
Die Therapiedauer hängt von mehreren Faktoren ab:
-
Ausprägung der psychischen Störung und Erkrankung (Psychiatrische Diagnose, vgl.4.5)
Art des Delikts (Anlassdelikt und richterliche Therapieweisung, vgl.4.4)
Art und Häufigkeit von Vorstrafen
Soziales Umfeld
Berufliche und finanzielle Situation
Familiäre Bindungen
Kompetenz zur Umsetzung einer legalen und befriedigenden Sexualität
Sinnvolles Freizeitverhalten
Körperliche Konstitution
Entwicklung des Therapieverlaufs
Oftmals wird die ambulante Therapie schon während der Inhaftierung bei Vollzugslockerung einige Zeit vor der Entlassung begonnen. Danach wird sie so
lange intensiv fortgesetzt, bis die Verhaltensveränderung stabil und eine
Resozialisierung feststellbar ist. Gegen Ende der Therapie werden i.d.R.
die Sitzungsintervalle immer länger, um die Konsistenz der Verhaltensveränderung, die in der Therapie erzielt worden ist, noch über einen längeren
Zeitraum überprüfen zu können. Dies dient dazu, dass der Therapeut in einer
Krisensituation auch nach der weitgehenden Beendigung der Therapie noch für
den Patienten erreichbar ist.
Sowohl Anfang als auch Ende der Therapie werden mit dem Bewährungshelfer
besprochen, so dass dieser seine weitere soziale Arbeit mit seinem Probanden/
Patienten abstimmen kann.
(21)
RÖSLER A. UND WITZTUM, E (1998).
Blatt 23
Bei Ersttätern kann es ausreichen, innerhalb von 15-20 Stunden nach der Aufarbeitung der Tat, deren Tatumstände und der Abklärung von Risikofaktoren für
mögliche Rückfälle die Therapie erfolgreich abzuschließen, wenn keine weiteren wesentlichen psychischen Störungen und Gefahren mehr erkennbar sind.
Die Dauer der Therapie ist aber auch durch die Begrenzung der zur Verfügung
stehenden Mittel zur Finanzierung der Therapiestunden begründet. Hier ist
stets eine gewissenhafte Abwägung des verbleibenden Risikos von möglichen
Rückfällen zu berücksichtigen. Diagnostisch gibt es hier noch keine verlässlichen Prädiktoren, an denen man ablesen könnte, bei welcher Therapiedauer Rückfälle auszuschließen sind.
7.0 Organisationsform der Psychotherapeutischen Ambulanz
7.1
Fachbereich im Verein Bewährungshilfe Stuttgart e.V.
Organisatorisch ist die Psychotherapeutische Ambulanz für Sexualstraftäter
als ein Fachbereich im Verein Bewährungshilfe Stuttgart e.V. eingebunden.
Die Geschäftsführung der Ambulanz liegt damit beim Verein.
Der Verein arbeitet seit mehr als 50 Jahren mit Straftätern zur Unterstützung
des Auftrags der Justiz und der Bewährungshilfe. Die Gründung der Ambulanz
stellt eine konsequente Weiterentwicklung dar in der Ausdifferenzierung der
Arbeit auf weitere Aufgabenfelder, die durch Veränderungen in der Gesetzgebung, neue Anforderungen in der Arbeit mit der Bewährungshilfe und Veränderungen der Patienten notwendig wurden.
Daher ist der Bewährungshilfeverein auch für die Umsetzung eines Teilbereichs
der bereits mehrfach erwähnten Sexualstrafgesetzgebung von 1998 prädestiniert. Er ist durch sein traditionelles Hauptaufgabenfeld seit mehr als fünf
Jahrzehnten an den Schnittstellen Justiz, Resozialisierung von Straftätern
und Opferschutz tätig. Der Verein verfügt seit langer Zeit über bewährte
Kooperationsstrukturen zu Gerichten, Staatsanwaltschaften, Strafvollzug und
Bewährungshilfe. Diese Netzwerkkompetenz und –erfahrung war und ist Grundlage
des erfolgreichen Aufbaus der Psychotherapeutischen Ambulanz für Sexualstraftäter. Ohne diese wichtige Voraussetzung ist eine fachgerechte Arbeit in
diesem neuen Arbeitsfeld mit diesem speziellen Patienten nur schwer denkbar
und umsetzbar.
Hinzu kommt, dass die Ambulanz in der Landeshauptstadt in Stuttgart-Mitte
im Gerichtsviertel angesiedelt ist. Die zentrale geografische Lage bringt
erstens für die Patienten eine sehr gute Erreichbarkeit durch gute Verkehrsanbindungen auch zu weit außerhalb des Oberlandesgerichtsbezirks liegenden
Ortschaften mit sich. Zweitens sind hier kurze Kooperationswege gegeben, so
zum Beispiel zu Richtern, Staatsanwälten, Bewährungshelfern oder Fachärzten
und Einrichtungen des Betreuten Wohnens.
Blatt 24
7.2
Struktur der Ambulanz
Die Ambulanz wird geleitet von einem approbierten Diplom-Psychologen mit den
Zusatzqualifikationen Psychologischer Psychotherapeut, Verhaltenstherapeut,
Sozialwirt (FH) und Supervisor. Er arbeitet eng zusammen mit einem Facharzt
für Psychotherapeutische Medizin, mit Zusatzqualifikationen in Kinder- und
Jugendpsychiatrie, Analytischer Therapie und Gruppenpsychotherapie. Eine
Sekretärin stellt ganztags die durchgehende Erreichbarkeit der Ambulanz für
Patienten und außenstehende Stellen sicher.
Der Ambulanz ist ein Fachbeirat zugeordnet. Ihm gehören acht Persönlichkeiten
aus Justiz- und Sozialministerium, Gerichten, Strafvollzug, psychiatrischen
Einrichtungen, Universität und dem Trägerverein an. Ein Teil der Mitglieder
des Fachbeirats hat zusammen mit dem Trägerverein die Ambulanz aus der Taufe
gehoben: In diesem Kreis verdichtete sich in den 90er Jahren die Diskussion
um den therapeutischen Umgang mit Sexualstraftätern hin zu der Gründungsidee
für eine Ambulanz. Alle zur Gründung notwendigen politischen, fachlichen und
organisatorischen Voraussetzungen wurden hier beraten und in die Wege geleitet. Die Fachbeiräte sind Schirmherren und Mentoren der Ambulanz.
7.3
Fachliche Qualitätsstandards
Der fachliche Qualitätsstandard der Ambulanz wurde im Auftrag des Sozialministeriums durch die Universität Tübingen mit aufgebaut, untersucht und
begleitet. Hierzu war eine Diplom-Psychologin als wissenschaftliche Forschungsassistentin von September 1998 bis August 2001 in der Ambulanz in
Stuttgart tätig. Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat diese fachliche
Begleitung durch Mittel in Höhe von insgesamt 300.000,- DM ermöglicht. Die
Ergebnisse liegen Sozialministerium, Fachbeirat und Verein vor und stehen der
Öffentlichkeit zur Verfügung. Sie sind in die Ausrichtung dieser Konzeption
mit eingegangen.
Qualifikation des Personals. In der Ambulanz sind ausschließlich approbierte
Psychotherapeuten tätig, deren Qualifikation den fachlichen Bestimmungen des
Psychotherapeutengesetzes von 1998 entspricht: Sie verfügen über einen ärztlichen oder psychologischen Hochschulabschluss, über eine psychotherapeutische Zusatzausbildung in einer wissenschaftlich anerkannten Methode
(verhaltenstherapeutisch oder tiefenpsychologisch) und über langjährige Erfahrungen in der klinischen Arbeit mit Patienten, die eine juristische Weisung
zur Therapie haben.
Qualität der Abläufe. Ein ausführliches Dokumentationswesen (Patientenakte,
Statistikbögen, Therapieaufzeichnungen aller Sitzungen u.a.m.) in Anlehnung
an die Qualitätssicherungskriterien der Krankenkassen machen die Therapieverläufe transparent und nachvollziehbar. Die Rückkopplung über Behandlungsverläufe oder -ergebnisse erfolgt u.a. auch durch enge Kooperation mit
anderen Stellen und Behörden (z.B. Bewährungshilfe, Richter, Ärzte).
Blatt 25
Für das Jahr 2006 ist eine erste Katamneseuntersuchung der behandelten Klienten durch einen Abgleich über das Bundeszentralregister geplant. Dadurch
können Rückschlüsse über den Behandlungserfolg bzw. Misserfolg durch Eintragungen getroffen werden. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen wie z.B.
Schweigepflichtentbindung sind bereits geschaffen (22).
Die Arbeit der Psychotherapeuten der Ambulanz wird durch einen mit Sexualstraftätern erfahrenen externen Psychiater und ärztlichen Psychotherapeuten
in einer 14-tägig stattfindenden fachlichen Fallsupervision reflektiert und
begleitet.
7.4
Öffentliche Aufgaben der Ambulanz
Die ambulante Behandlung von Sexualstraftätern ist eine relativ neue Form
der Verhaltensveränderung in Kooperation mit Justiz und Strafvollzug. Die
Stuttgarter Ambulanz ist daher sowohl in Baden-Württemberg als auch bundesweit das erste Modellprojekt eines justiznahen Trägers, der im Kooperationsverbund mit Justiz- und Strafvollzugsstellen mit Hilfe eines eigens dafür
aufgelegten Fonds ambulante Psychotherapie für Sexualstraftäter ermöglicht.
Diese junge Einrichtung sieht daher eine Verpflichtung zur Dokumentation und
zur wissenschaftlichen Evaluation ihrer Arbeit, um ihre Erfahrungen auch
einer interessierten Öffentlichkeit in Form von Presse, Medien und Fachwelt
unterschiedlicher Bereiche zur Verfügung zu stellen. Das ist besonders wichtig, da dieses Thema oftmals sehr emotional und kontrovers behandelt wird.
So hat die Ambulanz in den letzten Jahren viele Anfragen von Presse, Rundfunk
und Bildmedien, aber auch von interessierten oder empörten Mitbürgern beantwortet. Ferner wurde das Konzept der Ambulanz in zahlreichen Vorträgen bei
Fachtagungen, Arbeitsgruppen, Qualitätszirkeln vor Richtern, Staatsanwälten,
Rechtsanwälten, Schöffen, Bewährungshelfern, Psychotherapeuten u.a.m. vorgestellt und diskutiert.
Die Öffentlichkeitsarbeit ist immer mit einem hohen Aufwand an Zeit verbunden, der durch den bestehenden Kostensatz für Therapiestunden nicht
finanziell abgedeckt ist.
7.5
Bisherige Finanzierung
Bislang finanziert der Verein Bewährungshilfe Stuttgart e.V. die Ambulanz
weitgehend aus eigenen Mitteln. Haushaltsjahr 2001:
Einnahmen:
Honorarerstattungen aus Therapien
Zuschuss Sozialministerium Baden-Württemberg, Forschungsmittel
Eigenmittel des Vereins
122.560,00 DM
50.000,00 DM
401.075,43 DM
Summe Einnahmen
573.635,43 DM
(22)
Siehe Anhang
Blatt 26
Aufwand:
Personalkosten
Sachkosten
419.655,63 DM
153.979,80 DM
Summe Aufwand
573.635,43 DM
Der Betrag von 401.635,43 DM im Jahr 2001 wurde vom Verein Bewährungshilfe
Stuttgart e.V. allein getragen. Insgesamt hat der Verein seit Bestehen der
Psychotherapeutischen Ambulanz von September 1998 bis Dezember 2001
Eigenmittel in Höhe von 1.139.122,84 DM geleistet.
Dies hat er zum wesentlichen Teil aus Einnahmen über Bußgeldzuweisungen
bestreiten können. Jedoch sind solche Zuweisungen keine konstanten Einnahmequellen, auf deren Grundlage langfristige betriebswirtschaftliche Verbindlichkeiten, wie z.B. Arbeitsverträge und Mietverträge, abgeschlossen werden
können.
Hier bedarf es zukünftig einer gesicherten Refinanzierung der Kosten für die
Ambulanz, damit die Psychotherapeuten auch zukünftig verlässliche Dienstleistungen für die therapeutische Arbeit mit Sexualstraftätern anbieten
können. Ebenfalls müssen auch zukünftig Richter, Staatsanwälte, Vollzugsleiter, Bewährungshelfer und die Bevölkerung sich darauf verlassen können,
dass aufgrund der bestehenden Gesetzeslage - mit einer Behandlungsverpflichtung – Sexualstraftäter zukünftig fachlich und umgehend einer ambulanten
psychotherapeutischen Behandlung zugeführt werden, um die Gefahr vor Rückfällen zu minimieren.
7.6
Zukünftige Finanzierungsformen und Finanzierungszuständigkeiten
Sexualstraftaten berühren die gesellschaftlichen Bereiche des Justiz-,
Sozial- und Gesundheitswesens. Alle drei Bereiche sind mit dieser Problematik
konfrontiert und haben ein Interesse daran, weitere Sexualopfer zu verhindern. Daher ist es konsequent, dass die Behandlung von Sexualstraftätern
von allen drei genannten Bereichen sichergestellt wird.
Dies soll jedenfalls für die überwiegende Zahl der Sexualstraftäter gelten,
die das Strafdelikt aufgrund einer Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörung
begangen haben, die sie ohne psychotherapeutische Behandlung nur schwer
eigenständig verändern können.
Zuständigkeit des Justizministeriums
Die psychotherapeutische Behandlung von Sexualstraftätern in den Justizvollzugsanstalten ist Aufgabe des Justizvollzugs. Ferner ist es seine Aufgabe,
durch eine psychotherapeutische Behandlung im Übergang von Vollzug zur
Bewährung und in der Bewährungszeit Rückfällen vorzubeugen.
Aufgabe des Justizministeriums ist es (auch im Hinblick auf das oben erwähnte
Blatt 27
Gesetz zur Bekämpfung von Sexualstraftaten von 1998) dafür Sorge zu tragen,
dass die psychotherapeutische Behandlung und Weiterbehandlung von Sexualstraftätern (insbesondere in der Bewährungszeit eines Probanden) strukturell,
fachlich und finanziell geregelt ist, um weiteren Sexualstraftaten vorzubeugen.
Durch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln im Rahmen des Fonds
»Psychotherapie und Bewährung« hat die Justiz bereits einen ersten Schritt in
diese Verantwortung getan. Der aktuelle Finanzierungsrahmen reicht aber bei
weitem nicht aus, die aufgrund des Gesetzes zukünftig notwendige psychotherapeutische Behandlung von Sexualstraftätern so zu erfüllen, dass Rückfälle
systematisch und professionell verhindert werden.
Zuständigkeit des Sozialministeriums
Eine der wichtigsten sozialpolitischen Aufgaben ist es, Menschen in
schwierigen Lebenssituationen zu helfen. Dazu gehören auch aus der Haft
entlassene Sexualstraftäter. Sie haben es in Folge ihrer gesellschaftlichen
Ächtung besonders schwer, ihr Leben (wieder) zu organisieren und suchen
nicht nur Wohnung und Arbeit. Vielmehr ist ihre Reintegration in die
Gesellschaft durch vielfältige psychische Probleme zusätzlich erschwert.
Es ist daher auch eine gesundheitspolitische Aufgabe, ihnen den Zugang zu
erforderlicher Heilbehandlung zu ermöglichen und am Aufbau und Sicherstellung
entsprechender fachspezifischer Angebote mitzuwirken. Der präventive Wert
solcher Maßnahmen steht außer Frage, so dass sie nicht nur den Tätern zugute
kommen, sondern auch maßgeblich dazu beitragen, weitere Opfer - auch mit den
dadurch entstehenden finanziellen Folgen für die öffentlichen Kassen – zu
verhindern.
Zudem obliegt dem Sozialministerium die Verantwortung für die Durchführung
des Maßregelvollzugs nach §§ 63, 64 StGB in Baden-Württemberg. Zu dieser
Aufgabe gehört es, eine qualifizierte, auch psychotherapeutische Nachsorge
für Sexualstraftäter, die aus dem Maßregelvollzug entlassen werden, zu
sichern. Durch eine solche qualifizierte Psychotherapie lässt sich das Risiko
eines Deliktrückfalls im Übergang vom Maßregelvollzug in die Zeit der
Führungsaufsicht auch bei dieser Gruppe reduzieren.
Zuständigkeit der Krankenkassen
Behandlungsbedürftige Sexualstraftäter, die ihre Behandlung bereits im
Strafvollzug begonnen haben und nach der Haftentlassung sozialversichert
sind, haben gemäß SGB V einen Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung
zur ambulanten Psychotherapie, wenn diese Behandlung die psychische Störung
oder Erkrankung lindern oder gar beseitigen hilft und wenn die Störungsbilder
dieser Patienten gemäß ICD-10 Krankheitswert haben.
Blatt 28
Auch für die sozialversicherten Patienten der Psychotherapeutischen Ambulanz
gelten die Versorgungsleistungen aus § 27 SGB V. Hier heißt es: »Versicherte
haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern« (23). Dies umfasst auch ärztliche und psychotherapeutische Behandlung von Menschen, die aufgrund einer psychischen
Störung oder Erkrankung eine Straftat begangen haben.
Aufgrund dessen hat der Verein Bewährungshilfe Stuttgart e.V. bereits einen
Antrag auf Sonderbedarfszulassung zur Indikationsermächtigung für ehemalige
Sexualstraftäter bei der Kassenärztlichen Vereinigung gestellt, um diese Versorgungs- und Finanzierungslücke zu schließen.
Die Kassenärztliche Vereinigung Nord-Württemberg hat es jedoch bislang abgelehnt, die Therapeuten der Ambulanz in die Liste ambulanter psychotherapeutischer Versorgung aufzunehmen, da nach ihrer Auffassung die Versorgung von
Sexualstraftätern durch niedergelassene Psychotherapeuten sichergestellt sei.
Ein großer Teil der Patienten der Ambulanz kann dies nicht bestätigen, da sie
bei etlichen Psychotherapeuten abgelehnt wurden. Begründungen waren mehrmonatige Warteliste und fachliche Überforderung. Wir erfahren auch in Kollegenkontakten, dass erhebliche Vorbehalte in der Zusammenarbeit mit Justizstellen, ethische Vorbehalte gegenüber Sexualstraftätern und Furcht vor
Rufschädigung der Praxen bestehen.
Straftäter, die im Urteil eine Therapieweisung erhalten haben, müssen, so sie
krankenversichert sind und sich nicht in Haft befinden, aber die Möglichkeit
erhalten, sich an eine hierfür besonders ausgestattete psychotherapeutische
Ambulanz zur Behandlung von Sexualstraftätern wenden zu können. Die von dem
eigens dafür qualifizierten Fachpersonal durchzuführenden Behandlungen sind
anhand der entsprechenden Leistungspositionen der gesetzlichen Krankenversicherung abzurechnen.
Daher sollte auch von gesundheitspolitischer Seite Einfluss auf die Kassenärztliche Vereinigung ausgeübt werden, dass sie sich an den Kosten der
psychotherapeutischen Behandlung von Sexualstraftätern beteiligt. Sie sollte
daher auch den approbierten Mitarbeitern der Psychotherapeutischen Ambulanz
zur Behandlung von Sexualstraftätern der Bewährungshilfe Stuttgart e.V. eine
Ermächtigung zur Abrechnung erteilen, um auch jenen Patienten, die krankenversichert sind und eine psychische Störung im Sinne des ICD-10 aufweisen,
Psychotherapie zu ermöglichen.
Schlussfolgerung
Hieraus wird deutlich, dass die Psychotherapeutische Ambulanz mit einer vielschichtigen Aufgabe betraut ist, die sich an der Schnittstelle dieser drei
genannten Bereiche bewegt. Daher ist für die Finanzierung der Ambulanz nach
unserer Meinung eine Mischform notwendig. Wir zählen darauf, dass die Verantwortlichen die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, um die
ambulante psychotherapeutische Behandlung dieser Patienten auch und gerade im
Interesse von zukünftigen potentiellen Opfern von Sexualstraftaten zu gewährleisten.
(23)
STASCHEIT, 1996
Blatt 29
8.0 Beurteilung der bisherigen Erfahrungen
8.1
Ambulante Therapie mit Sexualstraftätern ist erfolgreich
Die bisherigen Zahlen zeigen, dass Arbeitsansatz und Arbeitsweise der Ambulanz erfolgreich sind: Nur 3,5% der bislang behandelten Sexualstraftäter sind
nach unseren Erkenntnissen rückfällig geworden (24). Ohne Behandlung wäre eine
Rückfallwahrscheinlichkeit von ca. 20% zu erwarten gewesen (25). Eine Vergleichbarkeit dieser Ergebnisse ist jedoch unter Vorbehalt zu beurteilen, da
die Zahlen der Ambulanz noch nicht als repräsentativ gesehen werden können.
Der Erfolg einer ambulanten Psychotherapie mit Sexualstraftätern sollte nicht
nur anhand von Justizdaten beurteilt werden. Nach unserer Meinung ist wesentlicher, dass die eingesetzten psychotherapeutischen Methoden als ergänzende
Interventionsform erfolgreich praktiziert und verfolgt werden. Damit ist dem
Strafvollzug bei der Bekämpfung von Sexualdelikten neben der Sanktion durch
Wegschließen und der Resozialisierung durch Sozialarbeit ein weiteres Werkzeug zur Verfügung gestellt worden.
Um die Bevölkerung effizient vor Sexualdelikten zu schützen, ist der konsequente Einsatz aller oben genannten Methoden notwendig. Mehr als drei Jahre
Erfahrungen in der Behandlung von Sexualstraftätern in der Ambulanz zeigen,
dass die Motivation der Täter zur ambulanten Therapie positiver ist als zunächst erwartet. Der überwiegende Teil der Patienten verfügt zumindest nach
gewisser Zeit über eine intrinsische Motivation zur Therapie, arbeitet aktiv
an der Aufarbeitung des (Tat-)Verhaltens und der Problematik mit, nimmt die
wöchentlichen Gesprächstermine pünktlich wahr, zeigt Veränderungsbereitschaft und nachvollziehbare Einstellungs- und Verhaltensveränderungen.
8.2
Verbindliche Kooperationsstrukturen sind notwendig
Unsere Praxiserfahrung zeigt, dass eine erfolgreiche ambulante psychotherapeutische Arbeit mit Sexualstraftätern nur im engen Verbund zwischen
Justiz, Strafvollzug und Bewährungshilfe möglich ist.
Von den Patienten wird der fachliche und organisatorische Austausch zwischen
den Ebenen toleriert und akzeptiert, auch durch die Einwilligung zur Entbindung von der Schweigepflicht.
Die Kooperation zwischen Justiz, Bewährungshilfe, Sozialarbeit und anderen
sozialen Einrichtungen ist allerdings noch zu verbessern. Die einzelnen
Behandlungsaufgaben und Behandlungsschritte in der Therapie mit Sexualstraftätern sind zur Zeit noch nicht einheitlich festgelegt oder gar
standardisiert. Bei Übergabe der Patienten von der Haft in die Ambulanz hängt
es zur Zeit noch vom Therapeuten persönlich ab, ob er den Entwicklungsstand
des bisherigen Therapieverlaufs dem weiterbehandelnden Psychotherapeuten in
(24)
(25)
Stand 04/2001, BEWÄHRUNGSHILFE STUTTGART E.V., BLUMENSTEIN/KNÖLLINGER (2001).
gem. Rückfallstudie ELZ, J. (Hrsg.), (2001), »Legalbewährung und kriminelle Karriere
von Sexualstraftätern« der Kriminologischen Zentralstelle e.V. Wiesbaden.
Blatt 30
der Ambulanz weitervermittelt. Dies ist aber dringend notwendig, um eine
effiziente Weiterbehandlung zur Verminderung des Rückfallrisikos zu erzielen.
Sicherlich wäre hier eine generelle konzeptionelle Abstimmung von Behandlungsinhalten und –methoden zwischen den Einrichtungen erstrebenswert, sodass eine verzahnte Therapieplanung und Kontinuität der Entwicklung des
Patienten gewährleistet wird.
Dies ist u.U. sogar nur mit Hilfe von Vorgaben des Justizministeriums
möglich, um eine entsprechende Qualitätssicherung bei allen Therapeuten
in den Anstalten und den Ambulanzen/Praxen/Instituten zu garantieren.
Richter und Staatsanwälte müssen bei Strafentscheidungen (Vorzeitige Haftentlassung, Strafaussetzung zur Bewährung) sichergehen können, dass Sexualstraftäter umgehend eine qualifizierte Behandlung erhalten. Ansonsten wäre
es oftmals nicht zu verantworten, dass solche Menschen in Freiheit leben und
eventuell eine weitere Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Auch über
den Behandlungsverlauf und –erfolg müssen die Justizstellen informiert
werden, damit durch diese Rückmeldung über einen eventuell anstehenden
Bewährungswiderruf verantwortungsvoll entschieden werden kann.
Eng abgestimmte Kooperation ist ebenfalls notwendig mit z.B. Bewährungshilfe,
niedergelassenen Ärzten, Betreuung im Wohnraum, Kontakt- und Beratungsstellen, Arbeitsämtern, Sozialhilfeträgern und Angehörigen. Kooperation benötigt
aber auch viel Zeit, um eine effektive Fallarbeit zu ermöglichen.
8.3
Die Nachfrage steigt
Bislang wurden in der Ambulanz mehr als 200 Sexualstraftäter behandelt (Stand
12/2001). Nach der Gründungs- und Modellphase waren alle Stellen schnell mit
dem Angebot der Ambulanz vertraut, sodass mittlerweile aufgrund der großen
Nachfrage nach ambulanter psychotherapeutischer Behandlung dieser Patienten
durch Gerichte, Strafvollzug und Bewährungshilfe der Bedarf mit der derzeitigen Anzahl von zwei Psychotherapeuten in der Ambulanz nicht zeitgerecht gedeckt werden kann. Am Ende des Jahres 2001 bestand bereits eine Warteliste
von 3 Monaten für 18 Patienten – Tendenz steigend.
Dies ist auch Ausdruck einer zum Teil sehr guten Kooperation mit einigen
Strafvollzugsanstalten und Bewährungshilfestellen. So bestehen z.B. positive
Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der JVA Heimsheim und der JVA Heilbronn. Zu anderen Haftanstalten bestehen zwar Kontakte, aber es kam hier bislang nur zu einzelnen Therapieübergaben.
Auch die Strafvollzugsbehörden greifen verstärkt auf die Ambulanz zurück, da
Lockerungen oder vorzeitige Entlassungen von Sexualstraftätern oftmals nur
dann vorgenommen werden können, wenn »bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr
besteht«, bzw. eine »Gefährlichkeit (nicht mehr) fortbesteht« (26).
(26)
BUNDESGESETZESBLATT, Jahrgang 1998, Teil I, Nr.6, Artikel 6 zur Änderung der
Strafprozessordnung, Seite 162.
Blatt 31
Hier sind die Strafvollzugsbehörden darauf bedacht, alles ihnen mögliche zu
unternehmen, um eine Gefährdung auszuschließen.
Wie bereits ausgeführt, wird bei konsequenter Anwendung des Gesetzes zur
Bekämpfung von Sexualdelikten die Zahl der durchzuführenden Therapien und
damit der Bedarf an geeigneten Therapieeinrichtungen innerhalb und außerhalb
des Vollzugs erheblich ansteigen.
Wie hoch der Bedarf sein wird, wurde bislang noch nicht von offizieller Seite
erhoben. Bei jährlich 1.353 abgeurteilten Sexualstraftätern in Baden-Württemberg (27) ist damit zu rechnen, dass auch der zukünftige Bedarf an ambulanten
Therapieplätzen um einige Hundert Behandlungsfälle jährlich zunehmen wird –
insbesondere ab dem Jahre 2003, wie weiter oben ausgeführt.
Auf den anzunehmenden erhöhten Bedarf an ambulanten Behandlungsplätzen im
Landgerichtsbezirk Stuttgart wird sich der Verein Bewährungshilfe Stuttgart
e.V. strukturell und fachlich einstellen. Das kann er jedoch mit Aussicht auf
Erfolg nur, wenn die Finanzierung dieser fachspezifischen Psychotherapie gesichert ist.
(27)
STATISTISCHE BERICHTE BADEN-WÜRTTEMBERG (2001). Strafverfolgung 1999 und Strafvollzug 2000
in Baden-Württemberg. Statistisches Landesamt von 17.01.2001.
Blatt 32
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Sozialministerium Baden-Württemberg.
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