Positionspapier zum Einsatz neuer Medien in der Psychotherapie Der Einsatz neuer Medien und internetbasierter Formen von Beratung und Behandlung im Bereich des Gesundheitswesens ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet und anerkannt. Deshalb ist es erforderlich, dass auch der Berufsstand der Psychotherapeuten sich mit den Rahmenbedingungen und den Qualitätsstandards, die für den Einsatz neuer Medien in dem Arbeitsfeld der Psychotherapeuten von Bedeutung sind, befasst. Es ist wichtig, die Begrifflichkeiten Psychotherapie und internet-basierte Methoden in Rahmen von Therapien nicht zu verwischen. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass es eine Internet Psychotherapie in dem Sinne, dass es sich um ein eigenständiges Psychotherapieverfahren oder eine Psychotherapiemethode handelt, nicht gibt und nicht geben kann. Das Kernstück der Psychotherapie ist der persönliche Kontakt zwischen dem Patienten und dem Therapeuten und erfordert die gegenseitige sinnliche Wahrnehmung und unmittelbare Reaktion. Es sind aber durchaus Situationen denkbar, in denen die Nutzung der neuen Medien eine wichtige und wertvolle Erweiterung im Rahmen einer Psychotherapie sein kann. Dabei sind berufsrechtliche, sozialrechtliche und datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen zu beachten. Eine psychotherapeutische Fernbehandlung – die also nicht im direkten persönlichen Kontakt von Patient und Psychotherapeut durchgeführt wird – ist nur unter folgenden Bedingungen zu akzeptieren: • Die Psychotherapie erfolgt prinzipiell im direkten Kontakt und wird nur teilweise als Fernbehandlung durchgeführt, weil die Abwesenheit bzw. Nichterreichbarkeit des Patienten es erfordert (z.B. bei mehrmonatigen Geschäftsreisen) • Wenn der Patient aufgrund schwerer Krankheit gehindert ist, die Praxis des Psychotherapeuten aufzusuchen, ist der Hausbesuch möglicherweise zu bevorzugen. • Der psychotherapeutische Fernkontakt ist vor Einsichtnahme durch Dritte sicher geschützt (somit kommt eine Fernbehandlung durch Facebook, Skype und Chatrooms nicht in Frage) • Sowohl der Psychotherapeut als auch der Patient gewährleisten, dass die Fernbehandlung nicht gespeichert und Dritten zur Einsichtnahme vorgelegt wird • Fernkontakte außerhalb des Rahmens einer Psychotherapie sind nur vertretbar, wenn generell das Aufsuchen eines Psychotherapeuten nicht möglich ist. Diese Bedingungen liegen in Deutschland nicht vor. Aber auch da gilt, dass ohne eine Fachdiagnostik, die einen persönlichen Kontakt voraussetzt, der Einsatz der Fernbehandlung medizinisch und rechtlich nicht abgesichert angeboten werden kann. Seite 2 Teilweise erfolgt die Kontaktaufnahme zu einem Psychotherapeuten durch das Internet durch Menschen, die die Aufnahme in eine Psychotherapie suchen oder schon in einer laufenden Behandlung sind, beispielsweise um Terminabsprachen zu treffen. Auch hier ist sicherzustellen, dass der Psychotherapeut seine Verschwiegenheitspflichten gewissenhaft wahrnimmt, indem er Antworten auf die an ihn gerichteten Kontaktversuche so gestaltet, dass sensible Informationen nur in geschützten Kommunikationskanälen weitergegeben werden. So kann er Menschen, die über Facebook oder die Internetpräsentation des Psychotherapeuten um Terminabsprachen bitten, auf eine geschützte e-mail Verbindung hinweisen, die durch Dritte nicht einsehbar sein darf. Neben der Nutzung von neuen Medien im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung ist darüber hinaus eine Fülle von Programmen im Internet vorhanden, die sich mit psychotherapeutischen Informationen und Techniken präsentieren. Bedauerlicherweise ist der Anteil von Programmen und Informationsforen, die in diesem Bereich fachlich falsche Aussagen weitergeben oder über unqualifizierte Vorgehensweisen sogar die Nutzer gefährden, erschreckend hoch. Das diesbezügliche Angebot ist ähnlich den einschlägigen Büchern zu psychischen Störungen zu bewerten: fachlich geeignete Informationen und Selbsthilfeprogramme können, soweit geeignet, ggf. als therapieunterstützend im konkreten Einzelfall vom Psychotherapeuten empfohlen werden. Dabei sollte sorgfältig darauf geachtet werden, ob und mit welcher Auswirkung Interessen Dritter (z. B. finanzielle Interessen der Pharmaindustrie) in diesen Programmen unterstützt werden. Generelle Empfehlungen verbieten sich, da eine individuelle Indikationsstellung dem unverzichtbaren fachlichen Standard entspricht. Dies ist auch von Krankenkassen zu beachten, die nicht aufgrund des Zugangs zu den Diagnosen ihrer Versicherten ohne Indikation Empfehlungen aussprechen sollten. Dem Patienten ist es allerdings unbenommen, von sich aus solcher Programme zu bedienen – er ist auch frei, sich frei zugänglicher Bücher zu bedienen. Auch hier besteht deshalb Handlungsbedarf von Seiten des Berufsstandes der Psychotherapeuten, um die fachlichen Standards für diese Programme festzulegen und über deren Einhaltung zu informieren. Am sinnvollsten ist die Einführung eines Qualitätssiegels der psychotherapeutischen Fachgesellschaften und Berufsverbände, mit dem ein solches Programm zertifiziert werden kann. Berlin, 17.07.2014 für den bvvp: Dr. Erika Goez-Erdmann