Musterseiten 156-157

Werbung
156
9 Genussmittel
●●
Ohne Medikation kommt es oft zu sehr hohen Blutdruckwerten,
Pulswerten und einem allgemein sehr erhöhten Erregungsniveau.
Dies kann das Auftreten von kardiovaskulären Komplikationen
wie etwa Herzinfarkt, Schlaganfall und vielem anderen erhöhen.
Auch dies soll durch die Medikation verhindert werden.
Es gibt verschiedene medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten.
Alkohol verstärkt akut die Wirkung inhibitorischer Neurotransmitter (GABA), während es die erregender Neurotransmitter (Dop­
amin, Noradrenalin, Glutamat etc.) blockiert. Dieses Muster wirkt
angstlindernd und macht müde.
Eine verlässlich wirksame Strategie im Alkoholentzug besteht
darin, ebenfalls GABAerge Substanzen zu verabreichen, die aber
weniger Nebenwirkungen haben als der Alkohol, und deren Dosis
über drei bis 14 Tage kontrolliert zu reduzieren. Am GABA-Rezeptor wirken Benzodiazepine und Clomethiazol.
Eine andere Behandlung legt den Fokus auf eine Verhinderung
von Krampfanfällen, ohne GABAerge Substanzen zu geben, man
verabreicht also Antiepileptika wie Carbamazepin.
Clomethiazol In Europa ist Clomethiazol (Distraneurin®) zum stationären Alkoholentzug in psychiatrischen Kliniken und internistischen Abteilungen am weitesten verbreitet. Für die ambulante Gabe
eignet es sich nicht, da es in höheren Dosierungen und vor allem
in Kombination mit Alkohol sehr stark sedierend wirkt. Es kann
die bronchiale Verschleimung verstärken, so dass für Patienten mit
Asthma bronchiale und bestimmten anderen Lungenkrankheiten
eine relative Kontraindikation besteht.
»Clomethiazol bei Bedarf«: Bis zu einem Alkoholspiegel von
ca. 1 ‰ wird in der Regel kein Clomethiazol gegeben. Ausnahmsweise kann Patienten, die bereits bei 1,5 ‰ eine ausgeprägte vegetative Entzugssymptomatik zeigen, eine erste Gabe von einer Kapsel
Clomethiazol gegeben werden. Dann ist aber eine besonders engDreher: Psychopharmakotherapie griffbereit. ISBN: 978-3-7945-3078-6. © Schattauer GmbH
9.1 Alkohol
maschige Überwachung von Vigilanz und Vitalfunktionen geboten.
Ab 1 ‰ erhält der Patient bei vegetativen Entzugserscheinungen ein
bis zwei Kapseln Clomethiazol, die Tageshöchstdosis beträgt 18,
maximal 24 Kapseln in 24 Stunden. Als vegetativer Entzug gilt z. B.
eine Tachykardie von mehr als 120 Schlägen pro Minute, starkes
Schwitzen, starker Tremor oder zur Not auch sehr starke innere
Unruhe mit zumindest erkennbarer vegetativer Komponente.
»Clomethiazol nach Schema«: Hier beginnt man mit Clome­
thiazol bei Bedarf, nimmt aber die am zweiten Tag verabreichte
Dosis auch am dritten Tag und reduziert dann jeden Tag um ein
bis zwei Kapseln pro Tag. Am dritten Tag ohne Clomethiazol, dem
sogenannten »dritten Nulltag«, ist die Entgiftung abgeschlossen.
Benzodiazepine In Deutschland sind Benzodiazepine eigentlich
nicht zur Behandlung des Alkoholentzugs zugelassen, aber nach
Clomethiazol am weitesten verbreitet. Welches Benzodiazepin man
verabreicht, ist Geschmackssache. Für die Wirkung ist es egal. Verbreitet ist die Gabe von Clonazepam (z. B. Rivotril ®).
In den USA ist die Gabe von Benzodiazepinen die häufigste Behandlungsmethode in der Alkoholentzugsbehandlung. Dort kommt
interessanterweise oft Lorazepam zum Einsatz.
»Clonazepam bei Bedarf«: Auch hier wird bei einem Alkoholspiegel von mehr als 1 ‰ in der Regel kein Clonazepam gegeben.
Ebenso kann man ausnahmsweise Patienten, die wegen der ausgeprägten Toleranzentwicklung bereits bei höheren Promillezahlen
eine ausgeprägte vegetative, insbesondere kardiovaskuläre Entzugssymptomatik zeigen (z. B. Puls > 120/min, erhöhter Blutdruck), eine
erste Gabe von 0,5 bis 1 mg Clonazepam verabreichen.
Bei weniger als 1 ‰ wird Clonazepam immer dann gegeben,
wenn eindeutige vegetative, insbesondere kardiovaskuläre Entzugsbeschwerden vorliegen, maximal 8 mg pro Tag.
»Clonazepam nach Schema«: An den ersten beiden Tagen gibt
man Clonazepam nach Bedarf, am dritten Tag gibt man die am
Dreher: Psychopharmakotherapie griffbereit. ISBN: 978-3-7945-3078-6. © Schattauer GmbH
157
Herunterladen