Krampfanfall als Notarztindikation : Befunde und Behandlungsstrategien ( P.Tonn et al. in « Der Notarzt » 08/05 Heft 4 ) Studie über 157 präklinisch versorgte Patienten mit zerebralem Krampfgeschehen ( Zeitraum von 1 Monat ) 6,6% aller Einsätze • • • • • • • • • • • • • 107 Männer, 50 Frauen Durchschnittliches Alter : 45 Jahre Durchschnittlicher GCS : 13 Medikation bei 75 Patienten (davon 7 Pat. mit Narkose und Beatmung), keine Medikation bei 82 Patienten Frakturen bei 4 Patienten Postiktale Paresen (Toddsche Lähmung) bei 4 Patienten Vorbestehendes Krampfleiden bei 57 Patienten (36%) Kausale Verbindung mit Alkohol- oder Drogenkonsum bei 29 Patienten (18%) Neurologische Vorerkrankungen bei 10 Patienten (6%) Zusammenhang des Krampfanfalls mit internistischen Vorerkrankungen bei 10 Patienten Diagnostisch unklar : 24 Patienten (15%) Erstmanifestation bei 22 Patienten (14%) Status epilepticus bei 3 Patienten (2%) Medikationen : - Benzodiazepine 64% ( Diazepam, Midazolam, Rivotril ) - Neuroleptika 8% ( Haloperidol, Promethazin ) - Hypnotika und Analgetika 13 % ( Hypnomidate und Fentanyl ) Klinische Vorstellung : 137 Patienten ( 87% ) Ambulante Versorgung : 20 Patienten ( 13% ) Nur bei jedem zweiten Einsatz war eine medizinische Behandlung erforderlich. Von den in die Klinik gebrachten Patienten waren 71 Patienten nicht medikamentös behandelt. Klinische Befunde : - postiktaler Dämmerzustand und Desorientiertheit - Status Epilepticus als gefährliche Komplikation selten - Frakturen selten - Neurologische Defizite ( Toddsche Lähmung ) selten Regel : 4 – 5 minütige Krämpfe, Notarzt trifft i.d.R. erst nach Beendigung des Anfalls ein. Überlegenheit der Benzodiazepine : - insbesondere Midazolam wegen seiner Pharmakokinetik und –dynamik scheint nach neueren Untersuchungen deutliche Vorteile bei der Therapie des Status epilepticus gegenüber Diazepam und Lorazepam aufzuweisen. - Midazolam ist wasser- und fettlöslich - Rasche Bioverfügbarkeit auch bei i.m. und bukkaler (ebenso nasaler) Gabe Gute Steuerbarkeit durch kurze Halbwertszeit Diazepam ist hingegen zumindest rektal und oral schlecht resorbierbar Anflutung des Diazepam von 20 – 60 Minuten und HWZ von 18 Stunden eher ungeeignet in der Präklinik Lorazepam ( Tavor® ) als Diazepam-Alternative durchaus sinnvoll, muss aber gekühlt gelagert werden ( ungünstig für RD ) Clonazepam ( Rivotril® ) auch relativ weit verbreitet ( v.a. von Neurologen angewendet ). Aber Clonazepam weist weder hinsichtlich seiner Bioverfügbarkeit noch bezüglich seiner HWZ oder Applikationsform Vorteile ggü. den drei anderen Benzodiazepinen auf. Trotz geringer präklinischer medikamentöser Behandlungsbedürftigkeit wird großzügige Transportindikation gestellt. Nur 20% der Patienten bleiben zu Hause. Fazit hinsichtlich der eher knapp werdenden personellen und finanziellen Ressourcen : 1. 2. 3. 4. 5. Alarmierung des Notarztes bei V.a. zerebralen Krampfanfall sollte zurückhaltend betrieben werden Transport ist ggf. auch ohne Notarzt zu leisten Nachalarmierung des Notarztes durch qualifiziertes RD-Personal, befundgerechtes Einsetzen der Ressourcen Medikation bei niedrigem GCS (auch wenn nur postiktal) bevorzugt mit Benzodiazepinen ( Midazolam ) Transport in die Klinik wirklich in 80% nötig ? Abwägung zwischen medizinisch sinnvoller Behandlung und juristischen Belangen Immer klinisch abzuklären sind Patienten : - die erstmalig krampfen, - die mehrfach in kurzen Abständen krampfen - die beim Eintreffen des RD einen GCS von < 13 haben, - die deutlich unruhig und verwirrt sind - die Verletzungen haben - bei denen der Anfall im Zusammenhang mit einer Intoxikation oder einer Entzugssituation steht Zurückhaltung bezüglich des Transportes in die Klinik ist geboten : - Niederberger Jan. 07 bei bekanntem Anfallsleiden und einer antiepileptischen Therapie in stabiler Dosis bei in den nächsten 24 Stunden ambulant erreichbarem Neurologen bei postiktal wachem und orientiertem Patienten wenn Patient unter obigen Voraussetzungen in der Obhut von Angehörigen bleibt, ggf. unter Gabe von Benzodiazepinen zum Schutz vor Wiederholung des Anfalles