NEUN WERTE (GABEN) von Glaube und Licht für unsere Zeit Wenn es um die Werte (Gaben) von Glaube und Licht in unserer Zeit geht, stellt sich vor allem die Frage: Was kann der Beitrag von Glaube und Licht in unserer heutigen westlichen Gesellschaft und Kultur sein? In der „dritten Welt“ gibt es ein großes Bedürfnis an Hilfe für Behinderte und ihre Eltern. Oft gibt es dort große Not. Dort bedeutet Glaube und Licht viel, weil sie die Fürsorge zwischen den betroffenen Menschen anspricht. Hier in Europa jedoch wird all dies durch Schulen und Einrichtungen abgedeckt, durch medizinische Versorgung und sogar durch Unterstützung der Eltern untereinander. Was soll Glaube und Licht hier noch für sie tun können, was nicht schon getan wird? Gleichzeitig stellen wir fest, dass man in der dritten Welt aus einer Inspiration des Glaubens heraus lebt. Aber hier in Europa hat die Säkularisation zugeschlagen und der Glaube erlebt eine große Krise. Viele sind am Religiösen nicht mehr interessiert. Was ist in einer solchen Situation dann noch der Platz von Glaube und Licht? Erwartet man nichts mehr von Glaube und Licht? Und darauf habe ich dann diese Antwort gesehen. In der westlichen Kultur gibt es sicher noch einen Bedarf an uns. Glaube und Licht kann zum Herzen unserer Zeitgenossen sprechen mit einer Botschaft, die anziehend ist. Es gibt ein Bedürfnis an dem Reichtum, den wir als einen Schatz bewahren. Weil Glaube und Licht gerade da so passend ist. Es geht um einen Ruf eines prophetischen und missionarischen Elans, um einer Botschaft der Hoffnung wieder Gehör zu verschaffen um uns herum. In den verarmten Herzen unserer Brüder und Schwestern lebt ein Verlangen, das Glaube und Licht stillen kann. Über diesen Reichtum möchte ich mit Ihnen sprechen durch die Überlegungen zu den Werten von Glaube und Licht, die wir so gut kennen und die so sehr in unserer Kultur gegen Ende des 20. Jahrhunderts verschwunden sind. Ich werde Ihnen neun davon vorstellen, bin aber auch froh, wenn Sie mit Beispielen aus eigener Erfahrung noch andere finden. 1. Die erste Gabe: Die Gabe der Gemeinschaft Wir wissen, dass Ausgeschlossen-Werden in unserer heutigen Gesellschaft ein großes Problem ist: Der Konsum, der aus uns Egoisten macht, die durch Angst verursachte Isolierung in Ghettos, das Schicksal von Immigranten, Zerspaltung unsrer Gesellschaft vielerorts. Bei Glaube und Licht erleben wir den Empfang, die offenen Arme, da wir wissen, dass wir alle behindert sind. Die Gabe der Gemeinschaft ist unser erstes Kennzeichen. Bei Glaube und Licht erleben wir auch den ökumenischen Geist nach dem Gebet Jesu: „Lass sie alle eins sein“. Hier können wir als ermutigende Perspektive hinzufügen, dass – so wie der Heilige Benedikt in seiner Regel schreibt – „Betrachtung das Herz erweitert“ und es ist das Herz (und nicht der Verstand), was das ganze Geheimnis erkennt, in dem die ganze Schöpfung vereinigt ist. Was soll also unser Dienst in Glaube und Licht sein? Ein Zeichen der Verbundenheit miteinander, so dass die Menschen über uns sagen, was die Heiden über die ersten Christen sagten: „Sieh doch, wie lieb sie einander haben.“ 2. Die zweite Gabe: Die Gabe des Herzens Unsere Welt ist auf die Werte des Verstandes gebaut. Aber der Verstand schafft Spaltung. Der Verstand urteilt und sagt ja oder nein. Der Verstand teilt in Klassen ein und sagt, dass der eine besser ist als der andere. Der Verstand sorgt dafür, dass die Minderwertigen vernichtet werden. So schafft der Verstand den Feind und verursacht den Krieg. Bei Glaube und Licht bestimmt das Herz die Beziehungen, und – wie schon gesagt – das Herz vereint. Das Herz ruft: „Liebst du mich?“ Das Herz entdeckt die Schönheit. Das Herz ist das Zentrum unseres Mitleidens. Es gibt zwei Arten des Mitleidens: das liebestätige Mitleiden, das Dinge tut, um das Leiden von Mitmenschen zu erleichtern oder zu heilen; das solidarische Mitleiden, das sich in die Situation des Leidenden begibt und sich mit dem vereinigt, dessen Wunde nicht weggenommen werden kann. Die Solidarität ist das Mitleiden von Glaube und Licht. Es ist das Mitleiden Jesu, der uns gleich wird im Leiden: seine äußerste Liebe. Was soll unser Dienst sein für die Gesundheit der Welt auf der Ebene des Herzens? Klein werden mit den Kleinen, schwach mit den Schwachen, gebrochen mit den Gebrochenen: eine Botschaft, die der Welt sicher nicht entgehen kann. Das bedeutet, dass wir uns nicht in der Gesellschaft der Wohlhabenden, sondern bei den Armen und Bedauernswerten finden und auch, dass wir unsere eigenen Wunden mit Freude tragen. 3. Die dritte Gabe: Die Gabe der Echtheit oder der Wahrhaftigkeit Um uns herum und in uns gibt es die Angst, nicht beachtet zu werden und wir sind immerwährend angespannt, um zu verstecken, wer wir sind und was wir wollen. Es gibt so viel Heuchelei und Unsicherheit, es gibt so viel Masken um uns herum: eine Welt voller Lügen und Betrug. Aber Glaube und Licht trifft jeden durch seine Einfachheit und Wahrhaftigkeit. Wir haben kein Bedürfnis uns zu verstecken. Wir wissen, dass wir alle gleich sind und angenommen werden, wie wir sind. Was für eine Erleichterung. Was für eine Freiheit. Das ist unsere Sendung: jedem Menschen begegnen mit einem offenen Blick, ohne Angst, ohne Abwehr mit einem offenen Herzen. Das wird uns aufmerksamer machen, zu „Anderen“, Friedensträgern und Mitarbeitern menschlicher Beziehungen. 4. Die vierte Gabe: Die Gabe des Festes Was in unserer Gesellschaft zählt und wodurch andere akzeptiert werden, ist die Arbeit. Aber oft schenkt die Arbeit keine Freude. Die Arbeit ist da, um Geld zu verdienen. Und dennoch weiß man auch nach der Arbeit nicht, was man mit seiner Zeit anfangen soll: essen, fernsehen, schlafen. Sogar in der Kirche werden die Feiertage auf ein Minimum heruntergeschraubt. Glaube und Licht ist ein kleiner Zufluchtsort für das Fest. Wir spielen, tanzen, singen, rufen, tun unnütze Dinge, um den Gefühlen unseres Herzens Ausdruck zu verschaffen. Es ist Jesus, der uns hierzu einlädt. Er hat das Reich Gottes oft verglichen mit einem Festmahl. Wir schämen uns nicht davor, auch auf diesem Gebiet wahrhaftig zu sein. Was soll dann unsere Mission, unser Dienst sein? Nicht zögern, um spontan zu sein und Humor zu haben im Bezug auf alles, was uns in unserem Leben geschieht. Das kann die Welt ziemlich schockieren. Unsere Mission kann sich auch an die Kirche richten, um sich für eine weniger intellektuelle Liturgie einzusetzen. 5. Die fünfte Gabe: Die Vertrautheit mit Leiden und Traurigkeit Die Flucht vor dem Leiden ist augenblicklich ein häufiges Phänomen. Man versucht, vor der Realität zu fliehen und belügt sich damit selbst. Es gibt Drogen, Zerstreuung, Sex, Essen und Trinken, Genmanipulation, Euthanasie und selbst die Flucht in psychische Krankheiten. Wie schon gesagt, erleben wir bei Glaube und Licht das Mitleiden und die Solidarität, wir umarmen die, die leiden: die Eltern, die Kinder, uns selbst mit unseren eigenen Verletzungen. Und wir entdecken die Schönheit derer, die behindert sind. Unser Dienst wird es sein, uns in aller Öffentlichkeit gemeinsam mit den Armen zu zeigen, uns nicht zu schämen über unsere eigene Begrenztheit und mit allen über die Wichtigkeit unserer leidenden Freunde zu sprechen. 6. Die sechste Gabe: Die Gabe des geweihten Leibes In unserer Kultur ist der Körper zu einem Objekt geworden: Man gebraucht den Körper des anderen zu seiner eigenen Befriedigung, man bietet ihn an und kultiviert ihn als ein Schönheitsideal, man macht Versuche damit, wie z.B. die künstliche Befruchtung. Für uns bei Glaube und Licht gibt es die Entdeckung, dass im Körper, wie groß die Behinderung auch sein mag, eine Seele wohnt. Man behandelt ihn mit großem Respekt, wie einen Reliquienschrein. In demselben Geist hat auch Jesus in einer ganz demütig dienenden Haltung die Füße seiner Jünger gewaschen. Unser Dienst kann sich ausdrücken durch die Art, wie wir mit unserem Körper umgehen: durch die Güte, die wir mit unseren Augen, unseren Händen, unserem ganzen Sein ausdrücken. Sie wird auch deutlich durch den Respekt vor dem Körper des anderen. Auf die Art und Weise kann unser ganzer Leib die Reinheit ausdrücken. Jesus hat uns davor gewarnt, dass wir schon allein mit unseren Augen Ehebruch begehen können. 7. Die siebte Gabe: Die Gabe der Tiefe der Seele Unsere Welt gönnt uns keine Zeit mehr, um etwas bis zum Herz durchdringen zu lassen. Die Fülle an Informationen können wir nicht mehr verarbeiten und sie führt zu Verwirrung. Die Geschwindigkeit, mit der das Schauspiel des Lebens an unseren Augen vorbeizieht, ist so schnell, dass sich nichts verwurzeln kann und alles oberflächlich bleibt. Glaube und Licht zwingt uns, Zeit zu verlieren mit unseren Freunden und teilzuhaben an ihrem Leben und ihrem Herz. Glaube und Licht zwingt uns dazu, uns selbst Fragen zu stellen über den Sinn unsres Lebens und das Prinzip vom Geheimnis anzunehmen. Unser Dienst besteht darin, andere einzuladen zum innerlichen Leben: indem sie mit uns innehalten auf ihrem Weg, Momente des Austausches von Gedanken suchen und unser eigenes Verstehen bereichern. Das alles wird unsere Gespräche verändern und unsere Gesprächspartner ansprechen. 8. Die achte Gabe: Leben im Vertrauen auf Gott Unser Leben wird bedroht von der Angst: die Angst, nicht geliebt oder anerkannt zu werden, die Angst um unsere Gesundheit, die Angst vor der Zukunft, die Angst, die Jugend zu verlieren, Angst vor der Verwirrtheit, Angst vor dem Tod. Und die Antworten, die diese Ängste wegnehmen konnten, sind für viele von uns nicht mehr geltend, was sie zur Verzweiflung oder zum Verlust der Freude bringt. Für uns bei Glaube und Licht gibt es das Vertrauen in Gott. Wir glauben an Jesus, der uns den Weg der Hingabe zum Vater zeigt. Wir können noch sagen: „Bringen wir Gott unseren Dank!“ Unser Dienst enthält, dass wir inmitten des Leidens ein Zeichen sind und dass wir durch die Stunden des Gebets, die für die Welt wie eine Zeitverschwendung sind, Zeugnis davon abgeben, dass sie Quelle unseres Muts und Gelassenheit sind. 9. Die neunte Gabe: Die Gabe der Zärtlichkeit u. des gegenseitigen Vertrauens In der Welt gibt es das lateinische Sprichwort „Homo homini lupus“. Der Mensch ist ein Wolf für den Menschen. In der Wirtschaft, in der Arbeit müssen wir hart sein, niemandem vertrauen oder zu nahe kommen; in der gesellschaftlichen Fürsorge wird man behandelt wie eine Nummer. Nirgends kann man ein wenig Wärme und Geborgenheit finden. Das Schlüsselwort von Glaube und Licht ist Freundschaft. Man fühlt sich unterstützt, man ist nicht alleine. Es gibt die vierte Zeit. Es gibt das Teilen. Als Behinderte – und das sind wir alle – ist es nicht nötig, zurückzugeben, was wir empfangen haben. Es bedeutet Verfügbarkeit auf allen Ebenen. Sogar die Strukturen sind Strukturen zur Unterstützung. Was wird hierin unser Dienst sein? Eine Haltung der Offenheit und des Wohlwollens ohne eine Kompensation dafür zurückzuverlangen. Ja, unser Sein ist ein missionarisches, dienendes Sein. Wir haben eine Ausstrahlung, die die Welt verändern wird. Das ist unsere apostolische und prophetische Rolle. Freundlich sein ist unser Charisma. Wir sind keine streitlustigen, aggressiven Werber. Die Bekehrung der anderen ist eine sehr langsame Veränderung und ein Geschenk der Gnade. Und wenn wir von der Veränderung der ganzen Gesellschaft sprechen, ist das eine Veränderung von Menschen, die umso länger dauert. Wir sind eine Kraft, eine geistliche Energie, ein Feuer, das das Herz derer um uns herum in Brand setzt, eine ansteckende Gegenwart. Wie können wir das realisieren? Indem wir dicht bei unseren behinderten Freunden und ihren Eltern bleiben. Sie strahlen diese unsichtbaren Schwingungen aus, die wir reflektieren. Dazu hat Gott Glaube und Licht zur Welt kommen lassen. Glaube und Licht ist eine von den Offenbarungen Seiner Gegenwart in unserer Zeit, durch die Er die Welt retten will, durch die er Jesus neu unter uns leben lassen will. Wir sind Herz in der Kirche, sein Herz in der Welt, wenn wir das leben, was wir sind. Wenn wir das sichtbar, feurig, mutig und bewusst leben. Ja, mutig. Auf nun, guten Mut einem jeden von Euch! Pater Jozef Larsen