Titel als PDF - Fakultät für Sozialwissenschaft - Ruhr

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Fakultät für Sozialwissenschaft – Ruhr-Universität Bochum
Bürgerbeteiligung in
benachteiligten Stadtteilen
Eine Analyse ausgewählter Quartiere des
Landesförderungsprogramms
„Soziale Stadt NRW“
Nicole Steckel
Diskussionspapiere aus der
Fakultät für Sozialwissenschaft – 08-1
Ruhr-Universität Bochum
2008
ISSN 0943 - 6790
DISKUSSIONSPAPIERE AUS DER FAKULTÄT FÜR SOZIALWISSENSCHAFT
RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM
BÜRGERBETEILIGUNG IN BENACHTEILIGTEN STADTTEILEN –
EINE ANALYSE AUSGEWÄHLTER QUARTIERE DES
LANDESFÖRDERUNGSPROGRAMMS
„SOZIALE STADT NRW“
von
Nicole Steckel
Diskussionspapier Nr. 08 – 1
Januar 2008
Korrespondenzanschrift:
Nicole Steckel
Ruhr-Universität Bochum
Fakultät für Sozialwissenschaft
Lehrstuhl für Soziologie - insb. Stadt- und Regionalsoziologie
Universitätsstr. 150
Gebäude GC 05/709
D-44780 Bochum
Telefon
0234 - 32 -23706 / 25413
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Die Diskussionspapiere aus der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität
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http://www.ruhr-uni-bochum.de/sowi/ Rubrik „Forschung“
ISSN 0943 - 6790
Bürgerbeteiligung in benachteiligten Stadtteilen –
Eine Analyse ausgewählter Quartiere des Landesförderungsprogramms
„Soziale Stadt NRW“
Inhaltsverzeichnis
1
Hintergrund des Beitrags ............................................................................................................... 2
2 Soziale Stadtentwicklung durch Beteiligung der Bürger............................................................... 2
3 Bürgerbeteiligung im Programm „Soziale Stadt NRW“................................................................ 5
3.1 Gründe für die Beteiligung..................................................................................................................8
3.2 Motive von Beteiligung.......................................................................................................................9
3.3 Akteure der Beteiligung ....................................................................................................................10
3.4 Kooperative Formen und die Rolle des Bürgers ...............................................................................11
3.5 Formen und Instrumente in der kommunalen Praxis ........................................................................14
4
Probleme und Erfolgsfaktoren der Beteiligung ........................................................................... 16
4.1 Probleme der Beteiligung..................................................................................................................16
4.2 Erfolgsfaktoren der Beteiligung ........................................................................................................20
5
Ergebnisse aus vier Fallbeispielen ............................................................................................... 21
5.1 Butendorf - Fazit nach acht Jahren Programmlaufzeit......................................................................23
5.2 Hagen - Fazit nach acht Jahren Programmlaufzeit............................................................................24
5.3 Hamm-Norden - Fazit nach 11 Jahren Programmlaufzeit ................................................................26
5.4 Bergheim Süd-West - Fazit nach fünf Jahren Programmlaufzeit .....................................................28
6
Bürgerbeteiligung als Element integrativer Stadterneuerung ...................................................... 30
6.1 Input und Output- Legitimität in der integrierten Stadtteilerneuerung .............................................31
6.2 Punktuelle Beteiligung versus Kontinuität........................................................................................33
6.3 Bedeutende Einflussfaktoren auf die Beteiligung und Aktivierung..................................................34
6.4 Politische oder soziale Beteiligung ...................................................................................................35
7
Fazit........................................................................................................................... 36
„Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir werden darauf hinwirken, daß jeder Bürger die
Möglichkeit erhält, an der Reform von Staat und Gesellschaft mitzuwirken.“
(Willy Brandt in seiner Regierungserklärung am 28.10.1969)
1 Hintergrund des Beitrags
Die Relevanz dieses Themas ergibt sich aus der aktuellen wissenschaftlichen und
stadtteilorientierten Diskussion über das Programm „Soziale Stadt NRW“. Nach
dreizehnjähriger Laufzeit scheint es, dass es gerade bezüglich der kommunalen
Möglichkeiten durch direkte Bürgerbeteiligung weiteren Untersuchungsbedarf gibt.
Beteiligungsrechte werden zunehmend eingerichtet oder ausgebaut, doch eine
Wirkungsanalyse der Probleme und Potenziale der Bürgerbeteiligung, speziell in
benachteiligten Quartieren steckt noch in den Anfängen. Einige Stadtteile scheinen die
Ausgestaltung von Beteiligungsverfahren hinauszuzögern und konzentrieren sich auf die
schnelle Umsetzung von baulich-investiven Projekten, um die vernachlässigten
Stadtentwicklungsmaßnahmen durch Landesmittel umsetzen zu können. Zwischenbilanzen
der wissenschaftlichen Begleitforschung ergeben zunehmend, dass in dem Feld der
Beteiligung von Bürgern noch Forschungsbedarf besteht, konzentrieren sich aber
hauptsächlich auf eine begleitende Prozessanalyse. Ungeschöntes und kritisches Material
ist selten, fast gar nicht zu finden. Wenn benachteiligte Stadtteile schrittweise wieder als
selbständige Gemeinwesen agieren sollen, muss auf das Thema Beteiligung stärker
eingegangen werden.
Da Nordrhein-Westfalen bereits auf 13 Jahre Erfahrungen in der integrativen
Stadtentwicklung zurück blickt und als einwohnerstärkstes Bundesland die meisten
geförderten Quartiere in diesem Strukturprogramm hat, ergibt sich hier ein großes
Potenzial an Erfahrungen mit kommunaler direkter Bürgerbeteiligung in benachteiligten
Quartieren. Es bietet sich demnach an, anhand vier ausgewählter NRW-Quartiere der
Frage nachzugehen, ob die Beteiligungsverfahren in benachteiligten Stadtteilen die in sie
gesetzten Hoffnungen erfüllen? Welche Probleme sich zeigen und welche Potenziale
sichtbar sind? Im Folgenden soll für alle Aktivitäten aus dem Bereich der Teilnahme der
Begriff der Bürger- und Bewohnerbeteiligung verwendet werden. Im Vordergrund steht
nicht die Frage nach den „besten“ Aktivierungs- oder Beteiligungsformen, sondern die
funktionale Bedeutung der Bürgerbeteiligung im Rahmen des integrierten
Handlungsprogramms „Soziale Stadt NRW“. Eine Unterfütterung der folgenden These soll
dabei zum weiteren Diskurs anregen: die Probleme und Potenziale der Bürgerbeteiligung
sind meistens in der Wahl der Instrumente begründet und sowohl auf der Input-Seite, als
auch auf der Output-Seite des Systems erkennbar.
2 Soziale Stadtentwicklung durch Beteiligung der Bürger
Die fortschreitende Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft und der Abbau von
Arbeitsplätzen werden in Zukunft die Kluft zwischen benachteiligten, armen und
wohlhabenden Bevölkerungsgruppen weiter verstärken. Diese Entwicklungen stellen nicht
nur die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik vor neue Herausforderungen, sondern werden auch
die
kommunale
Stadtentwicklung
erheblich
beeinflussen.
Innerstädtische
Differenzierungen und Segregationswanderungen sind kein Phänomen unseres
Jahrhunderts, die Konzentration von benachteiligten Bewohnergruppen in einigen
Stadtquartieren gab es schon immer (vgl. von Kietzel 2003). Die Stadtentwicklung der
2
Zukunft muss durch flexible neue Maßnahmen und Konzepte auf die Auswirkungen der
räumlichen Kumulation von benachteiligten Menschen reagieren. Anders als in anderen
Ländern hatte sich die deutsche Demokratie für den Weg einer sozialen Stadt entschieden,
einem Konzept mit dem Anspruch auf Solidarität, zivilgesellschaftlichen Handelns und
sozialen Ausgleich.
Diese steht nun durch die Auswirkungen des Strukturwandels, des sozialen und
gesellschaftlichen Wandels sowie der finanzschwachen kommunalen Haushalte vor ihrer
größten «Krise» (Hanesch 1997, Häußermann 2000a). Die anhaltenden negativen
Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, der Sozialpolitik, im Wohnungswesen und im
Bildungssektor zwangen die Landesregierung NRW neue Wege in der Stadterneuerung
und der Sozialpolitik zu gehen. Sektorale Konzepte zeigten nur sehr kurzfristige Erfolge,
so dass ressort- und ebenenübergreifende Maßnahmen zu einem integrierten
Handlungsprogramm für entwicklungsbedürftige Stadtteile führten. Besonders das RheinRuhr Gebiet, das Ruhrgebiet und der Bergische Kreis sind von den strukturellen
Problemlagen überdurchschnittlich stark betroffen, da diese Gebiete beliebte Orte der
Zuwanderung waren und heute schrumpfende Industriezweige die Arbeitslosigkeit
erheblich verstärken. (vgl. Kurth 2004, Schmals/Kemper 2000)
Speziell in den 1980er Jahren wurde innerhalb der Stadtentwicklung das Aufgabenfeld der
Stadterneuerung und Sanierung als ein Zusammenspiel städtebaulicher, sozial- und
arbeitsmarktpolitischer sowie ökologischer und kulturpolitischer Maßnahmen verstanden.
Schon mit der Novelle des Bundesbaugesetzes (1979) wurde diese Neuerung
festgeschrieben und mit dem Instrument einer behutsamen Stadterneuerung verbunden.
Besonders bei kleinteiligen Erneuerungen in Wohngebieten und Quartieren wurde die
Abstimmung des Planvorhabens mit den Bewohnern festgeschrieben (vgl. Pfotenhauer
2000: 251f), Beratungsstellen vor Ort als Strategie der „aufsuchenden Beteiligung“
eingerichtet und eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit initiiert (vgl. Bischoff 2001: 9).
Verfasste Beteiligungsverfahren wurden in zunehmendem Maße durch nicht verfasste
Maßnahmen ergänzt, da die Umsetzung von Stadterneuerungsprojekten und Sanierungen
häufig durch Klagen von Bewohnern verhindert oder auf einen späteren Zeitpunkt
verschoben werden mussten. «Mit den Bewohnern und für die Bewohner» wurde eine
planungsrechtliche Zielvorgabe der Stadterneuerung der 1980er Jahre, um Projekte durch
gezielte Informationen, Bürgerversammlungen und Auslegungen des Vorhabens zeitnah
umzusetzen (vgl. Bischoff 2001, Selle 2006).
Seit den 1990er Jahren werden unter dem Begriff der „sozialen Stadtentwicklung“
kommunale Handlungsansätze und ressortübergreifende Maßnahmen entwickelt und
umgesetzt. Im Mittelpunkt stehen die Benachteiligungen der Menschen in den städtischen
Quartieren und die Aufwertung der entwicklungsbedürftigen Stadtteile und Wohngebiete
durch investive Stadterneuerungsmaßnahmen. „Die Strategie «Soziale Stadtentwicklung»
versteht sich als integrierte Stadtteilentwicklung und hat – mit einigen regionalen
Unterschieden – ihre Wurzeln vorwiegend in der städtebaulichen Stadterneuerung sowie
der stadtteilbezogenen Sozialarbeit“ (Alisch 2003: 1).
Ausgehend von den Entwicklungen und Erfahrungen der 1980er Jahre, Bewohner in die
Stadterneuerung einzubeziehen, wird dies in der Strategie der sozialen Stadtentwicklung
wieder aufgegriffen. So stehen im Zentrum der sozialen Stadtentwicklung die
ganzheitliche Betrachtung des Quartiers, seiner Problemlagen und Bedürfnisse der
Bewohner. Durch eine Vernetzung und Kooperation der administrativen Instanzen,
3
Akteure vor Ort und Bewohner sollen insbesondere entwicklungsbedürftige Quartiere
stabilisiert und aufgewertet werden. Die soziale Stadtentwicklung wird dadurch zur
integrativen Stadtentwicklung und verbindet durch kurz-, mittel- und langfristige
Projektförderungen die städtebauliche Aufwertung der Gebiete. Modernisierungs- und
Sanierungsmaßnahmen, ressortübergreifende Problemlösungen und Projektfinanzierungen
und die Verknüpfung politisch-administrativer Verantwortungsebenen. Die Mitwirkung
der Bewohner ist dabei nicht nur politisch gewollt, sondern in den
stadtentwicklungspolitischen Maßnahmen der Politik und ihren Förderprogrammen als
elementarer Bestandteil festgeschrieben.
Durch die Einbeziehung der Bürger und ihrer Kompetenzen, bezüglich der Gestaltung
ihres städtischen Lebensraums, können politische Entscheidungen die Präferenzen der
Bürger nicht nur besser widerspiegeln, sondern den Entscheidungs- und Planungsprozess
wechselseitig befruchten (vgl. ILS NRW 2000, Bogumil 2001, MASSKS 1998, Renn
2003, Häußermann 2003). Die Erweiterung von nicht verfassten Beteiligungsangeboten
wird durch neue Problemlagen in den Städten immer notwendiger. Mit Blick auf die lokale
Politik darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade die knappe
Haushaltslage viele Kommunen zwingt, den Ersatz für staatliche Leistungen in der
Förderung und Einforderung bürgerschaftlichem Engagements und des Ausbaus von
Beteiligungsformen zu suchen (vgl. Bogumil 2001: 215).
Der Staat zieht sich mit dem Modell des „aktivierenden Staates“ weitgehend in die Rolle
des Moderators und Initiators für neue Aufgaben zurück (vgl. AFK 2000: 251). Durch eine
neue Aufgaben- und Verantwortungsteilung zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern
sollen „(...) die Selbsthilfepotenziale der Gesellschaft (...) gefördert und hierfür notwendige
Freiräume geschaffen werden durch die Bestimmung gemeinsamer Ziele und ein
entsprechendes Zusammenwirken staatlicher, halbstaatlicher und privater Akteure zur
Erreichung der Ziele, aber auch durch Abgabe von Entscheidungsgewalt und damit von
Macht“ (AFK 2000: 251). Daran gekoppelt ist erstens, eine transparente
Informationsstruktur, z. B. durch Medien, Zeitungen, öffentliche Auslegungen oder
Versammlungen. Zweitens muss die Verwaltung ein ressort- und ebenenübergreifendes
Handeln bei der Umsetzung von Maßnahmen, z. B. im Bereich Soziales, Wohnungswesen
oder Städtebau verfolgen. Drittens muss dem Bürger die Möglichkeit gegeben werden sich
stärker am Entscheidungsfindungsprozess und der Umsetzung zu beteiligen (vgl. AFK
2000: 252). Dieser staatliche Rückzug und die neue Verantwortungsteilung bedeuten auf
allen föderalen Ebenen die Abgabe von Macht, eine weitere Dezentralisierung von
Befugnissen und mehr Eigeninitiative der Bürger. Aufgabe von Fachleuten und Planern
wird dabei in Zukunft immer öfter auch die Rolle des Moderators sein, welcher zwischen
den beteiligten konträren Parteien vermitteln muss. (vgl. Bischoff 2001)
Ein Schlüsselbegriff in der Beteiligung von Bürgern ist die Aktivierung endogener
Potenziale, durch Verfahren der politischen Teilnahme. Vorhandene Potenziale im
Stadtteil, wie die Erfahrungen und das Wissen der Bürger und die bereits existierenden
Vereinsstrukturen, können helfen positive Synergien zu erzeugen und einen sozialen
Austausch zu intensivieren, sowie Ortskenntnisse und Betroffenheiten einzubeziehen. In
diesem Zuge muss die Rolle der Bürger in der Problembearbeitung klar entwickelt werden.
Sind sie Auftraggeber und/oder auch Mitgestalter im Erneuerungsprozess? Hier ist es
wichtig ein kompetentes Partizipationsmanagement aufzubauen. Für eine kooperative
Problembearbeitung ist es demnach erforderlich, geeignete Formen der Beteiligung und
4
Kooperation für die Lösung konkreter ortsbezogener Probleme zu finden. (vgl. Bischoff
2001, Bogumil 2001)
Durch den Quartiersansatz kann die soziale Stadtentwicklung somit erstmals eine
bewohnergetragene
kommunale
Sozialpolitik
mit
einer
raumbezogenen
Stadtentwicklungspolitik in ihren Programmen und Maßnahmenpaketen1 effektiv
verbinden. Diese Verknüpfung kommunaler Handlungsfelder, sozial-integrativer
Gemeinwesenarbeit und Beteiligung der Bewohner ist Ziel des nordrhein-westfälischen
Strukturprogramms mit dem Titel „Integriertes Handlungsprogramm der Landesregierung
Nordrhein-Westfalen für Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“, welches 2003 in
Anlehnung an das Bund-Länder Programm „Soziale Stadt“ zu „Soziale Stadt NRW“
umbenannt wurde. (vgl. ILS NRW 2000)
3 Bürgerbeteiligung im Programm „Soziale Stadt NRW“
Die Programmgebiete der „Sozialen Stadt NRW“ sind klar definierte Stadtteile oder
speziell umrissene Fördergebiete und werden grob in zwei Gebietstypen unterteilt:
z gemischt-strukturierte Wohn- und Arbeitsquartiere (innerstädtische Altbauquartiere)
z monofunktionale (Groß-) Wohnsiedlungen.
Sie unterscheiden sich oftmals von den politisch-administrativen Gebietsabgrenzungen
einer Kommune und umfassen besonders benachteiligte (Klein-)Quartiere. Diese Gebiete
unterscheiden sich aufgrund ihrer Problemdichte und Problemintensität von anderen
Quartieren einer Kommune und weichen in vielen Statistiken vom Durchschnittswert ab
(vgl. Häußermann 2002, 2004). In den benachteiligten Gebieten der „Sozialen Stadt NRW“
verdichten sich die Faktoren der residentiellen Segregation und lokaler Disparität
benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Die folgende Tabelle von Fries (2006) fasst die
quartiersspezifischen Benachteiligungen systematisch in einem Überblick zusammen:
1
Es ist nicht die Aufgabe individuelle Lebenslagen zu verbessern, sondern die soziale und
demografische Zusammensetzung der Quartiersbewohner zu stabilisieren (vgl. Alisch 2003: 2)
5
Tabelle 1: Faktoren für die Beschreibung der Gebiete der „Sozialen Stadt“
Problematische
Gebietsimage
räumliche Bedingungen
Probleme der individuellen Lebenslage
Psychische Probleme
z Wohnungs- und
z Verfall
z Einkommensarmut
z Vereinsamung
z Deinvestition
z Arbeitslosigkeit
z Resignation und
Wohnumfeldmängel
z defizitäre und
desolate öffentliche
Räume
z Soziale Konflikte z Abhängigkeit von
Infrastruktureinrichtungen
z
z Fehlen von
Ausbildungs- und
Arbeitsplätzen
z
z Hohe Umweltbelast-
z
ungen
z starke Segregation
Transfereinkommen z Rückzugstendenzen
z Negative Innen-
z Mangel an
z
Gleichgültigkeit
und Außenwahr- z Mangelnde
nehmung
Bildungs-,
Ausbildungs- und
Keine politische
QualifizierungsLobby
maßnahmen
Schwere
z Niedrige Kaufkraft
Erreichbarkeit
z Hoher Anteil an
Hohe Fluktuation
Alleinerziehenden
Subjektive und
und Migranten
objektive
z Netzwerkarmut
Unsicherheit
z Hoffnungs- und
Perspektivenlosigkei
t
z Unsicherheitsgefühle
z Drogen- und
Alkoholmissbrauch
Quelle: verändert nach Fries, Sven (2006): 25
In den Programmen der Sozialen Stadt sollen die endogenen Potenziale der
Quartiersbevölkerung durch Aktivierung, Beteiligung und Empowerment für den Stadtteil
genutzt werden und in eine gemeinsame Projektentwicklung einfließen. In Kooperation mit
den lokalen Akteuren der Wirtschaft, intermediären Organisationen, Politik und
Verwaltung sowie einem Quartiersmanagement werden bewohnergetragene städtebauliche
und sozialflankierende Maßnahmen entwickelt und realisiert. Ziel der Bürgerbeteiligung ist
es, sowohl den Input als auch den Output durch integrierte Stadtteilentwicklungen
nachhaltig zu verbessern und stabilisierende Effekte zu erzeugen. Dabei beeinflussen die
Auftraggeber- und Mitgestalterrolle der Bewohner die Formen und die Intensität der
Beteiligungsstrukturen.
In dem Förderprogramm „Soziale Stadt NRW“ wird der Beteiligung von Bewohnern eine
Schlüsselrolle zugesprochen. Aktivierung, Beteiligung und Empowerment soll nicht nur
als symbolische Beteiligung und Mitsprache verstanden werden, sondern sich durch
Mobilisierungs- und Motivierungshilfen zu einer Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen,
einer Mitgestaltung an Planungsprozessen, einem Aufbau von nachbarschaftlichen
Netzwerken und einem Stadtteilbewusstsein entwickeln. (vgl. MASSKS 1996, 1998)
Die Kommune ist der Ort an dem neue Konzeptionen und Ideen sichtbar werden und den
Bürger in seiner direkten Lebenswelt betreffen. Hier besteht die Möglichkeit eines direkten
Austauschs zwischen den Mandatsträgern, Experten und den Bürgern über
Entscheidungen, Planungen und Umsetzungen (vgl. Häußermann 2002, Sauter 2004).
Speziell durch das Prinzip der Mitverantwortlichkeit in eingeleiteten Projekten kann
Verantwortungsbewusstsein für städtische Entwicklungen und Entscheidungen gelernt
6
werden. Die Gelegenheit sich als Bürger aktiv einzubringen, ernst genommen zu werden
und mitentscheiden zu können, stärkt das Selbstwertgefühl, die kommunikativen
Fähigkeiten und das Bewusstsein zu solidarischem Handeln. (vgl. Breuer 1997,
Häußermann 2002)
In einem Programmauszug des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung,
Kultur und Sport des Landes NRW (MASSKS) aus dem Jahr 1998 wird die Rolle des
Quartiersbewohners in der sozialen Stadtteilentwicklung deutlich:
„Die Erhaltung und Erneuerung benachteiligter Stadtteile soll «Selbsterneuerung
von unten» sein. Die Umsetzung integrierter Handlungskonzepte ist auf die
Mitwirkung derer angelegt, die in den Stadtteilen wohnen und arbeiten: Vereine,
Organisationen und Institutionen, Einzelpersonen, Nachbarschaften und Firmen.
Möglichst der gesamte Stadtteil soll an Ideenfindung, Konzeptentwicklung, Planung
und praktischer Durchführung beteiligt sein. So werden untereinander Informationen
ausgetauscht, persönliche Kontakte hergestellt und gegenseitige Hilfe vermittelt. Die
Organisation von Beteiligung (...) ist verbindendes Element und Voraussetzung für
die Chance, privates Engagement zu fördern und einzubinden“. (MASSKS 1998: 7f)
Bezugsebenen für die Formen und Verfahren der Bürgerbeteiligung sind dabei (vgl. ILS
NRW 2000: 46):
z projekt- und themenspezifisch,
z zielgruppenspezifisch zur Stärkung marginalisierter Gruppen,
z zielgruppenübergreifend zur Schaffung nachbarschaftlicher Netze,
z quartiersbezogen.
Die Bezugsebenen der Beteiligung legen hierbei die gewählten Beteiligungsformen und verfahren offen, die zur Einbindung der Bürger gewählt wurden. Die sozialen Potenziale
der Bewohner sollen für den Stadtteil aktiviert und genutzt werden und in eine
gemeinsame Projektentwicklung einfließen. In Kooperation mit den lokalpolitischen und
wirtschaftlichen Akteuren, non-profit Organisationen, Verwaltungsebenen, sowie einem
eingerichteten Stadtteilmanagement sollen bewohnergetragene Projekte erarbeitet und
realisiert werden. (vgl. ILS NRW 2000, DIFU 2000 & 2002) Diese Auftraggeber- und
Mitgestalterrolle der Bürger kann in der praktischen Umsetzung in den verschiedenen
Städten und Stadtteilen zu unterschiedlich stark ausgeprägten Formen der Beteiligung
führen. Hier spielen die Ausgangssituationen und spezifischen Problemlagen der Stadtteile
sowie die Bewohnerstrukturen eine bedeutende Rolle. Da die Ausgangslage für eine
Aktivierung und Beteiligung von Stadtteil zu Stadtteil divergiert, haben das
Stadtteilmanagement und die Lenkungsgruppe des Stadtrates und der Fachämter die
Aufgabe, in Zusammenarbeit mit den aktiven Bewohnern, die Ziele des kommunalen
Handlungskonzepts und des ARGEBAU-Leitfadens auszulegen und umzusetzen. Hierbei
enthalten der Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative „Soziale Stadt“ und
das Landesprogramm „Soziale Stadt NRW“ nur Zielvorgaben, gehen aber keineswegs ins
Detail, um den Städten den größtmöglichen Handlungsspielraum zu lassen:
„Die Länder sollten den Nachweis dafür fordern, dass die notwendigen
Vorkehrungen für eine (…) angemessene Bürgerbeteiligung getroffen werden. (...)
Den Gemeinden obliegt es, eine umfassende Bürgermitwirkung sicherzustellen“
(ARGEBAU – Leitfaden).
Die Umsetzung und Ausprägung der Beteiligung in die kommunalen integrierten
Handlungskonzepte obliegt somit den einzelnen Kommunen. Die Folge davon hat Heide
Becker 2002 in ihrer Zwischenbilanz des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“ wie
7
folgt beschrieben: „Bei der Umsetzung des Programms Soziale Stadt zeigt sich, dass ein
von Kommune zu Kommune teilweise sehr unterschiedliches Verständnis von Aktivierung
und Beteiligung vorherrscht“ (Becker u. a., 2002: 43).
Da es in den Programmgebieten der „Sozialen Stadt NRW“ zu einer Kumulation
unterrepräsentierter und benachteiligter Bevölkerungsgruppen kommt, müssen
quartiersbezogene Beteiligungsstrukturen gesucht und sehr niederschwellig aufgebaut
werden. Zielgruppen in den entwicklungsbedürftigen Quartieren sind dabei vor allem
Kinder und Jugendliche, Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen und Mädchen und
ältere Bewohner. (vgl. ILS NRW 2000: 47f, Alisch 2003) Zu beachten ist, seitens des
Stadtteilmanagements und weiterer beteiligungsinitiierender Gruppen, dass die Bewohner
durch multiple individuelle Problemlagen gekennzeichnet und nur schwer für
Angelegenheiten außerhalb ihres Lebensraumes zu motivieren sind. Diese Erkenntnis geht
einher mit einer verbreiteten Resignation gegenüber kommunalpolitisch Handelnden und
bewirkt einen Rückzug aus gesellschaftlich-öffentlichen Themenfeldern (vgl. Holtkamp
2000: 60, Fritz/Thies 1997: 335), welche in der Planung der Beteiligungsmaßnahmen
berücksichtigt werden müssen. Aus diesem Grund sollen neben den
zielgruppenspezifischen Beteiligungsformen auch zielgruppenübergreifende Instrumente
entwickelt werden, welche in kleinen überschaubaren Maßnahmenpaketen den
unmittelbaren Lebensraum der Menschen betreffen. Kurzfristig erlebbare Erfolge durch
aktive Bewohnerbeteiligung können helfen, engagierte Personen für weitere Projekte zu
gewinnen, neue Bewohner ermutigen teilzunehmen und die Identifikation mit dem
Stadtteil stärken. (vgl. MASSKS 1998)
Mit Blick auf die lokale Dimension unter dem Fokus der Beteiligung in benachteiligten
Stadtquartieren wird keine Unterscheidung zwischen den Begrifflichkeiten „Partizipation“,
„Bürgerbeteiligung“ und „Bewohnerbeteiligung“ vorgenommen. Ebenso werden die
Begriffe Akteursbeteiligung und Bewohnerbeteiligung synonym verwendet, da in den
Programmgebieten mit den Akteuren auch meistens die ansässigen Bewohner gemeint
sind.
3.1 Gründe für die Beteiligung
Die grundlegenden Ziele von Beteiligung beinhalten erstens die Legitimationsgrundlage
für politische Entscheidungen und beleuchten den demokratischen Aspekt von
Partizipation seitens der Input-Seite demokratischer Verfahren. Zweitens sollte Beteiligung
bezüglich des Outputs eine Effizienzsteigerung leisten und den größtmöglichen Nutzen
durch einen niedrigen Aufwand erzielen (ökonomischer Aspekt) und drittens bei den
Bürgern Solidarität, Eigenverantwortlichkeit und eine Identifikation mit dem Stadtteil
bewirken (emanzipatorischer Aspekt). (vgl. Bischoff 2001: 18) Diese zentralen Funktionen
werden in späteren Publikationen durch folgende Punkte ergänzt und differenzierter
dargestellt (vgl. Schiller 2002, Weber 1997, Renn 2003, Sauter 2004):
z Transparenz und Rationalität durch Informationen über das Vorgehen, die Ziele und die
Kosten,
z Responsivität,
z Kompetenz der Bürger wird stimmberechtigt und entscheidungsbefugt einbezogen,
z politische Effektivität,
z politische Integration und
z Bürgernähe.
8
Somit kann eine frühzeitige Einbindung und Beteiligung in der Kommune nicht nur zur
Verbesserung der Input-Seite der Demokratie beitragen, sondern auch ein Mittel sein (vgl.
Bogumil/Holtkamp/Schwarz 2003, Holtkamp/Bogumil/Kißler 2004):
z gegen Politikverdrossenheit,
z zur Förderung der aktiven Teilnahme, Dialogfähigkeit und Artikulationsfähigkeit,
z zur Senkung der Barrieren zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft,
z zur Förderung der Selbsthilfekräfte,
z zur Förderung von Gemeinsinn und Identifikation mit der Kommune,
z zur Erleichterung der Entscheidungsfindung in den zuständigen Gremien (vgl. Weber
1997: 60),
z zur Stärkung des „Wir-Gefühls“ und des Zusammenhalts als Nachbarn in dem Quartier
und
z zur Stärkung der bürgerlichen Auftraggeber und Mitgestalterrolle im Stadtteil.
Dieser Prozess der Rückkopplung durch Beteiligung der Bürger stärkt somit
zusammenfassend nicht nur das repräsentative System in ihren Strukturen, sondern ist
gleichzeitig ein Schritt zur Demokratisierung und zur Ausbildung der Mitverantwortung
der Bürger.
3.2 Motive von Beteiligung
Die Motive der Bevölkerung sich an politischen Entscheidungen beteiligen zu wollen,
liegen vor allem im Beteiligungsinteresse. Auslösendes Moment ist, besonders auf
kommunaler Ebene, in vielen Fällen die persönliche Betroffenheit durch
Planungsmaßnahmen. Der direkte Eingriff in den Lebensraum der Bürger durch den Bau
einer Straße, Gewerbepark, Wohnsiedlung oder Mülldeponie, führt schnell zu
bürgerschaftlicher
Gegenwehr
in
Form
von
Klagen,
Protesten
und
Betroffenenorganisationen. Des Weiteren ist das politische Interesse einer Person von
zentraler Bedeutung, sowie die Teilnahmekompetenz (Sachwissen, Erfahrungen,
Kommunikationsfähigkeiten und -fertigkeiten, Artikulationsfähigkeiten) und die
mitgebrachten Teilnahmeressourcen (freie Zeit, Status) (vgl. Schiller 2002). Ebenso sind
moralische und soziale Anreize starke Motive sich zu beteiligen. Zu den moralischen
Anreizen zählt insbesondere das Gefühl der Pflichterfüllung, welches speziell bei Wahlen
in den Vordergrund tritt. Die sozialen Anreize weisen auf das politisch-interessierte
Umfeld einer Person und den Freundes- und Familienkreis hin. (vgl. Lüdemann 2001)
Neben diesen Motiven hat Karl-Dieter Opp zur Erklärung politischer Partizipation von
Bürgern ein Rational-Choice Modell politischer Partizipation entworfen, in dem er die
Relevanz der Unzufriedenheit mit politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten,
Veränderungen und Gesetzen als eine weitere wichtige Komponente in den Vordergrund
stellt (vgl. Opp 1992 in Lüdemann 2001: 47):
„D.h. Bürger, die mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zufrieden sind und
gleichzeitig der Meinung sind, sie könnten das politische System durch ihr Handeln
beeinflussen, werden ebenso wenig politisch aktiv wie Bürger, die sehr unzufrieden
mit den gesellschaftlichen Verhältnissen sind, sich jedoch als einflußlos
wahrnehmen. Nur solche Bürger, die mit den Verhältnissen unzufrieden sind und
gleichzeitig der Auffassung sind, sie könnten das politische System durch ihr
9
Handeln beeinflussen, werden eine Motivation entwickeln, politische Aktivitäten
auszuführen“ (Lüdemann 2001: 47).
Diese These aus dem Rational-Choice Modell politischer Partizipation basiert
hauptsächlich auf der Annahme einer Kollektivgut-Motivation, einer Motivation, politische
Ziele zu erreichen, die bei der Umsetzung in Verordnungen und Gesetze alle Staatsbürger
erreichen. Dabei müssen weder alle Mitglieder der Gesellschaft zustimmen noch einen
Beitrag zur Erreichung eines öffentlichen Gutes geleistet haben. Beispiele dafür sind
städtische Planungsvorhaben in den Bereichen Verkehr, Infrastruktur und
Freizeitgestaltung. Da solche Planungsvorhaben im Planfeststellungsverfahren für einen
bestimmten Zeitraum öffentlich ausgelegt werden und die Bürger sich informieren und ggf.
Einspruch erheben können, haben auch sie einen Kollektivcharakter. Entscheidungen in
diesen Bereichen treffen somit immer auch solche Bewohner, die von diesem
Planungsvorhaben betroffen sind, sich aber weder informiert noch beteiligt haben. (vgl.
Lüdemann 2001)
Die Motivlage der Kommune basiert einerseits auf der Steuerungsproblematik und ihren
finanziellen Grenzen sozialstaatlicher Leistungserbringung, andererseits auf der
Erkenntnis, dass mit Hilfe einer frühzeitigen Information und Beteiligung der Bürger eine
Effizienzsteigerung möglich ist (vgl. Bogumil 2001). Hier steht vor allem eine
Verbesserung des Outputs im Vordergrund.
3.3 Akteure der Beteiligung
Die starken Individualisierungsprozesse und Standortentscheidungen unserer Gesellschaft
erschweren zunehmend eine längerfristige Bindung an eine Stadt. Solidarität und das
Bewusstsein für die Schaffung einer gemeinsamen Identität ist in den Städten nur noch
selten zu finden. Meistens findet man eine lokale Gemeinschaft oder eine gemeinsame
Identität in nur wenigen Stadtteilquartieren mit hohem Privateigentümeranteil. (vgl.
Reinert 2003: 33)
„Die räumliche Umgebung verliert an sozialer Bedeutung. Die neuen Medien und
Informationstechnologien führen einerseits zu einer überlokalen Orientierung.
Andererseits erfolgt ein Rückzug in den unmittelbaren Privatbereich (Cocooning)“
(Reinert 2003: 33).
Diese Entwicklungen sind Gründe dafür, dass sich der Kreis der Privatpersonen bei
Beteiligungsverfahren meistens auf die «üblichen Aktivbürger» (Holtkamp 2002) begrenzt.
Diese Personen beschränken ihr Engagement häufig nicht nur auf einen sozialen,
politischen oder ökologischen Bereich, sondern sind in mehreren Arbeitskreisen, Gruppen
oder Organisationen tätig (aktive Öffentlichkeit). Zu diesem Personenkreis zählt vor allem
die gut ausgebildete männliche Mittelschicht. (vgl. Lüdemann 2001, Sauter 2004,
Bertelsmann Stiftung 2004, Windhoff-Heritier/Gabriel 1983) Frauen, Personen mit
Migrationshintergrund oder einkommensschwache benachteiligte Haushalte sind weitaus
seltener vertreten (passive Öffentlichkeit) (vgl. Reinert 2003). Personen mit formal höherer
Schulbildung und Großstadtbewohner sind im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung
überdurchschnittlich politisch interessiert und eher motiviert sich auch aktiv am politischen
Willensbildungs- und Entscheidungsprozess zu beteiligen. Sie besitzen die nötigen
Artikulations- und Kommunikationsfähigkeiten, um in der Diskussion ihren Standpunkt
verständlich zu benennen und zu vertreten (vgl. Selle 2006, Windhoff-Heritier/Gabriel
10
1983). So wurde durch die Forschungsgruppe Wahlen nicht nur die beschriebene
Abstufung zwischen Bildung, Einkommen, Wohnort und Geschlecht festgestellt, sondern
auch eine erhebliche Differenzierung zwischen den Altersklassen. Mit zunehmendem Alter
wachsen nicht nur das allgemeine politische Interesse, sondern speziell das
kommunalpolitische Interesse und die Beteiligungsbereitschaft. (vgl. Bertelsmann Stiftung
2004)
Darüber hinaus gehören viele Akteure, die Einfluss auf lokale Entscheidungsprozesse
nehmen, zu den intermediären Organisationen. Dies sind Organisationen oder Instanzen,
die sich an der Schnittstelle zwischen privaten Haushalten, Kommune und Wirtschaft
angesiedelt haben. Zu den intermediären Organisationen zählen z. B. Vereine und
Verbände, religiöse Einrichtungen, Netzwerke, lokale Partnerschaften oder
Bewohnerorganisationen (vgl. Bischoff 2001, Selle 2006) und zählen von ihrer Definition
her auch zu den korporativen Akteuren einer Gesellschaft. Im intermediären Bereich
finden politisch interessierte Personen Gleichgesinnte und eine bessere Ausgangsposition
ihre Belange an die Öffentlichkeit oder das zuständige Gremium zu tragen. Der
intermediäre Bereich wird dadurch zu einem Ort des Zusammenkommens, der
Kommunikation und der Zusammenarbeit (vgl. Selle 2006, Kurth 2004) mit dem Ziel der
Planung und Verbesserung von Infrastrukturleistungen.
3.4 Kooperative Formen und die Rolle des Bürgers
Der Blickwinkel der kommunalen Beteiligung bei Stadtentwicklungsprozessen richtet sich
vor allem auf eine kooperative Problembearbeitung und den Aufbau von
Kooperationsnetzwerken. Die Notwendigkeit diskursiver Verfahren in der
Entscheidungsfindung wurde durch neue Politikfelder und einen veränderten Umgang mit
vorhandenen Problemlagen immer deutlicher. Speziell in der Stadtentwicklung hat man
gelernt, dass kooperatives Verhalten zielführender und konfliktärmer ist, als
Entscheidungen den betroffenen Akteuren aufzuerlegen. Vereinbarungen zwischen
betroffenen Akteuren aus der Bevölkerung und der lokalen Wirtschaft werden mit dem
politisch-administrativen System in diskursiven Gesprächsrunden und Arbeitskreisen
entworfen, mit dem Ziel, Projekte in Kooperation einvernehmlich und effektiv zu
realisieren. (vgl. Bischoff/Selle/Sinning 2001) Eine zentrale Unterscheidung zwischen
einer aktivierenden Beteiligung und einer Kooperation liegt für Bischoff, Selle und Sinning
in dem nach außen gewandten Entscheidungsprozess:
„Beteiligung unterstellt einen zentralen Entscheidungsprozeß innerhalb des
politischen-administrativen Systems, an dem Dritte teilhaben. Mit der Kooperation
wird dieser Entscheidungsprozeß nach außen verlagert – zwischen zahlreichen
Akteuren aus den Sphären von Markt, Staat und privaten Haushalten. Sie gemeinsam
gestalten (...) den kooperativen Prozeß“ (Bischoff/Selle/Sinning 2001: 11).
Konsensorientierte Kommunikation und Kooperation ist folglich eine Verbesserung
bezüglich der Output-Leistungen eines politischen Systems und erreicht durch ihren
Zugewinn auf der Input-Seite einen Ausbau beteiligungsorientierter Formen in der
Legitimation.
Idealtypisch lassen sich in der lokalen Kooperation des Weiteren drei unterschiedliche
Rollen des Bürgers für das Gemeinwesen unterscheiden (vgl. Bogumil 2001, Bogumil
2002, Holtkamp 2000, Holtkamp 2002, Holtkamp/Bogumil/Kißler 2004):
11
z
z
z
Bürger als politischer Auftraggeber (Auftraggeberrolle)
Bürger als Adressat der Leistungserbringung (Kundenrolle)
Bürger als Mitgestalter, Koproduzent der Leistungserstellung (Mitgestalterrolle)
Im zeitlichen Verlauf des Entscheidungsprozesses übernimmt der Bürger anfangs die Rolle
des Auftraggebers, um die Zielsetzungen und die Planung der Maßnahme in die
entsprechenden Gremien zu tragen. Im weiteren Prozess wechselt der engagierte Bürger
von der Aufttraggeberrolle zu einem Koproduzenten der Leistungserstellung und gestaltet
aktiv die Prozesse mit (mehr Bürgerarbeit). Des Weiteren kann sein Einfluss enden durch
eine erfolgreiche Bürgerinitiative, so dass sich im Verlauf der Umsetzung der Bürger nur
noch als Adressat der Leistungserbringung wieder finden kann (mehr Verwaltungsarbeit).
(vgl. Bogumil 2001: 219)
Die Auftraggeberrolle zeichnet sich besonders durch ihren Einfluss auf die Zielsetzungen
und Planungen im politischen Entscheidungsprozess aus. Eine engagierte Teilnahme
seitens der Bürger kann den politischen Willensbildungsprozess nicht nur fördern sondern
auch aktiv beeinflussen. Dies bedeutet für die Beteiligung in der Auftraggeber- und
Kundenrolle, dass sich folgende wechselseitig beeinflussende Ziele herauskristallisieren
(vgl. Holtkamp 2000: 82):
z eine höhere Analysekapazität, durch die eingebrachten relevanten Informationen und
Bürgerbedürfnisse (Effektivität),
z legitimierte Politikergebnisse,
z eine höhere Akzeptanz der Planung und Umsetzung.
Die Mitgestalterrolle unterscheidet sich von der Auftraggeber- und Kundenrolle durch ihre
Nähe zum traditionellen und neuen Ehrenamt. Es sind die freiwilligen Tätigkeiten zur
Selbsthilfe, zur Hilfe für Andere (traditionelles Ehrenamt) und zur Hilfe für Andere, damit
man sich selber gut fühlt (neues Ehrenamt). In der Förderung der Mitgestalterrolle stehen
vor allem die Ziele der:
z Haushaltskonsolidierung durch Nutzung und Einbringung der Bürgerressourcen
(Effizienz),
z Stärkung und Förderung persönlicher Unterstützungsnetzwerke und
z Erhöhung
der
Akzeptanz
öffentlicher
Leistungen
im
Vordergrund
(vgl. Holtkamp 2000: 124).
Durch die Vielfältigkeit der Beziehungen zwischen dem politisch-administrativen System
und dem Bürger möchte ich im Folgenden die Formen der kooperativen Demokratie auf
die Auftraggeber- und die Mitgestalterrolle der Bürger übertragen und deren Wichtigkeit
an der Dienstleistungsproduktion und den Planungs- und Entscheidungsprozessen
hervorheben:
12
Tabelle 2: Formen kooperativer Demokratie
Auftraggeberrolle
Formen
Ziele
Zeitpunkt der
Partizipation
Mitgestalterrolle
Kooperative Planungsobjekte und
Koplanungen durch:
z Bürgerforen
z Mediationsverfahren
z Beiräte u. ä.
Mitgestaltung der
Dienstleistungsproduktion durch:
z Selbstverwaltung
z Selbstorganisation und
Selbsthilfe
z Förderung individuellen
Engagements
z
Verfahrensbeschleunigung
besseres Steuerungswissen
z Abbau von
Entscheidungsblockaden
z höhere Akzeptanz
z
z
z
Planungsphase
Überwiegend Implementationsphase
Förderung der Selbststeuerung
Haushaltskonsolidierung durch
Einbringung eigener Ressourcen
z höhere Akzeptanz
Quelle: Auszug aus Bogumil 2002: 157
In Anlehnung an die vorangestellte Abbildung handelt es sich bei der Auftraggeberrolle
um dialogorientierte punktuelle Beteiligungsformen an politischen Planungs- und
Entscheidungsprozessen. In diesem Bereich können kooperative Formen der Beteiligung
zum einen durch Bürgerforen, Zukunftswerkstätten oder Workshops initiiert werden. Zum
anderen durch Mediations- und Moderationsverfahren zur Konfliktbeilegung. Partizipation
beginnt hier schon in der Planungsphase. In der praktischen Umsetzung der
Mitgestalterrolle können die Bürger, im Bereich der Selbstverwaltung, z. B. Clubhäuser,
Sport- und Freizeitanlagen, Senioreneinrichtungen oder Kulturveranstaltungen leiten. Die
Selbstorganisation und Selbsthilfe umfasst alle gesellschaftlichen Bereiche von
Selbsthilfegruppen, Initiativen zur Verbesserung des Wohnumfeldes bis zur Durchführung
von Sanierungsarbeiten. Das individuelle Engagement kann speziell durch Tauschbörsen,
soziale Dienstleistungen, Freiwilligenzentren, Spielplatzpatenschaften oder Tätigkeiten in
den Bereichen der öffentlichen Grünflächenpflege gefördert werden. Die Beteiligung und
Teilnahme der Bürger wird in der Mitgestalterrolle weitestgehend in der
Implementationsphase in Anspruch genommen. (vgl. Bogumil 2001: 220f)
Bei allen Beteiligungsrollen ist auf die soziale Ausgewogenheit zu achten, da die
Instrumente ihre anwendungsspezifischen Probleme aufweisen und eine Repräsentativität
nicht gewährleisten können2. In den Bereichen der Mitgestaltung von Kollektivgütern für
das Gemeinwesen, sollte eine Ausgewogenheit zwischen den Quartieren der Mittel- und
Oberschicht zu den benachteiligten Quartieren angestrebt werden. Gerade in
benachteiligten Quartieren ist die Mitgestaltung am Gemeinwesen durchaus schwieriger
als in anderen Stadtquartieren. Ähnliches gilt für den Ausbau der Beteiligung in der
Auftraggeberrolle. Hier werden die Partizipations- und Einflussmöglichkeiten überwiegend
von Bürgern der Mittelschicht genutzt. (vgl. Holtkamp 2000: 78) Des Weiteren haben alle
kooperativen Verfahren der Beteiligung ihre Stärken und Schwächen, so dass in der
2
Ausgenommen die Planungszelle, in der durch ein Zufallsverfahren eine Gruppe von Bürgern für
einen begrenzten Zeitraum Lösungsvorschläge zu aktuellen Planungen erarbeitet. Die Ergebnisse werden in
einem Bürgergutachten dargestellt.
13
kommunalen Praxis ausgewählte Instrumente gleichzeitig angewendet werden. (vgl.
Bogumil 2001: 221, Holtkamp 2000:117f)
3.5 Formen und Instrumente in der kommunalen Praxis
Die Entscheidung an Projekten oder Maßnahmen teilzunehmen, sei es durch Betroffenheit,
Interesse oder Unzufriedenheit, prägt die Auswahl des Beteiligungsfeldes. Dass der Einsatz
dialogorientierter kooperativer Verfahren die Bereitschaft zur Partizipation am
Gemeinwesen erhöht, präzisieren Klein und Schmals-Bruns: „Die nichtinstitutionalisierten Formen der Bürgerbeteiligung stellen – nicht nur auf kommunaler
Ebene – den eigentlichen Wachstumsbereich politischer Beteiligung dar“ (Klein/SchmalsBruns 1997: 33).
Die Formen der Mitentscheidung können generell in dialogorientierte und nicht
dialogorientierte Formen, punktuelle oder dauerhafte Beteiligung eingeteilt werden.
Beispiele dafür wurden von Lars Holtkamp in einer Tabelle zusammengefasst, die hier in
einer weiterentwickelten Auswahl wiedergegeben wird:
Tabelle 3: Einordnung der Beteiligungsinstrumente
Punktuelle Beteiligung
Dauerhafte Beteiligung
z
z
z
Dialogorientiert
z
z
z
Nicht-Dialogorientiert
Bürgerforen
Bürgerhaushalt
Mediationsverfahren
Perspektivenwerkstatt /
Zukunftswerkstatt
Runder Tisch
Kooperativer Workshop /
Arbeitskreise
z
Bürgerversammlungen
z Bürgerbefragungen
z
z
z
z
z
Einwohnerbeiräte
Ausländerbeiräte
Kinder- und Jugendparlamente
institutionalisierte
Verbändebeteiligung
Vertreter von gesamtstädtischen
Interessenorganisationen in
Fachausschüssen (Stadtsportbund,
Stadtjugendring)
z
Turnusmäßig wiederholte
Bürgerbefragungen
z aktives Beschwerdemanagement
Quelle: verändert nach Holtkamp 2000: 85
Soziale Stadtentwicklungsprogramme richten ihr Augenmerk für benachteiligte Stadtteile
auf die zeitlich begrenzten Verfahren, so dass einige spezielle Beteiligungsverfahren
bevorzugt in diesen Quartieren angewendet werden. Auch Bürgerbefragungen sind keine
Seltenheit, dienen aber weniger der aktiven Beteiligung, sondern eher zur Analyse der IstSituation und der Erfassung der Stimmung vor oder nach Initiierung einer Maßnahme.
Dauerhafte Beteiligungsformen oder auch institutionalisierte Formen nach dem BauGB
und dem Städtebauförderungsgesetz, wie z.B. Bürgerfragestunden, Anhörungen und
Beiräte, werden von den Bewohnern Sozialer Stadt Quartiere nur unzureichend
angenommen. In sozial benachteiligten Stadtteilen dominiert weitgehend die
Auftraggeberrolle. (vgl. Holtkamp 2000, Bogumil 2001) Im Folgenden möchte ich einige
wichtige Beteiligungsformen kurz anreißen, da sie eine tragende Rolle in Stadtteilen mit
besonderem Erneuerungsbedarf einnehmen.
14
Bürgerversammlungen
Die Bürgerversammlung ist eine verbindlich festgelegte Einrichtung in der Bauleitplanung.
Sie findet häufig als Plenumsveranstaltung statt, in der die Verwaltung interessierte
Bewohner über Planvorhaben informiert. Bürgerversammlungen sind öffentlich und dienen
der Information bei einer speziellen Planungsmaßnahme. Je nach Thema haben
Bürgerversammlungen eine sehr hohe Teilnehmerzahl und werden von vielen Gemeinden
auch außerhalb der Bauleitplanung angeboten. In Abgrenzung zu anderen
Beteiligungsinstrumenten haben Bürgerversammlungen keine externe Moderation. (vgl.
Holtkamp 2000: 102f)
Bürgerforen
Bürgerforen
geben
die
Möglichkeit,
frühzeitig
über
kommunalpolitische
Infrastrukturmaßnahmen und Aufgaben zu informieren und den Planungs- und
Implementationsprozess kritisch zu begleiten. Sie sind öffentlich für alle Interessierten,
werden aber im Unterschied zu Bürgerversammlungen häufig mit einer
Teilnehmerbegrenzung
durchgeführt.
Bürgerforen
können
themenspezifische
Einzelveranstaltungen oder eine Veranstaltungsreihe sein oder dauerhaft durch
Institutionen oder Vereine getragen werden. Des Weiteren sind sie offen für alle
Themenbereiche,
und
ihre
Arbeitsweise
kann
in
Beratungstätigkeiten,
Öffentlichkeitsarbeiten, Vorträgen oder Arbeitsgruppen durchgeführt werden. Foren geben
ebenfalls Raum zur kooperativen Problemlösung und Konfliktbearbeitung. (vgl.
Bischoff/Selle/Sinning 2001: 79ff, Holtkamp 2000: 91f)
Perspektivenwerkstatt/Zukunftswerkstatt
Das Beteiligungsinstrument der Perspektivenwerkstatt -oder auch Zukunftswerkstatt
genannt - ist eine verbreitete Form des Bürgerforums, zu der sich alle interessierten Bürger
anmelden können. Die Teilnehmerzahl ist meistens auf eine kleine arbeitsfähige Gruppe
beschränkt. Zukunftswerkstätten finden unter externer Moderation statt. Unter einem
bestimmten Themenkomplex und Fragestellung werden Argumente und Vorschläge
zusammengetragen, weiterentwickelt und in ein praktikables und realisierbares Konzept
eingebettet. Ziel einer Perspektivenwerkstatt ist es, für eine Kommune oder ein
Stadtquartier Zukunftsideen und Maßnahmenpläne zu entwickeln. (vgl. Holtkamp 2000:
92f)
Stadtteilkonferenzen
Stadtteilkonferenzen können als Plenumsveranstaltung oder in Form Runder Tische
angeboten werden. Sie dienen der Information über Tätigkeiten und Planungen des
politisch-administrativen Systems und ermöglichen mit einer Vielzahl von Bürgern, mit
der Verwaltung oder politischen Mandatsträgern in einen Dialog zu treten oder Fragen zu
beantworten. Der Austausch von Meinungen, Bedürfnissen und Einstellungen steht bei
Stadtteilkonferenzen im Vordergrund. Des Weiteren haben die Experten aus Politik und
Verwaltung ein Forum, um ihre Vorstellungen und Lösungswege bezüglich einer
Maßnahme aufzuzeigen und zur Diskussion zu stellen. Stadtteilkonferenzen sind
öffentliche Veranstaltungen und haben keine Teilnehmerbegrenzung. (vgl. Holtkamp 2000:
92f)
15
Runder Tisch
Der Runde Tisch ist eine Art der Zusammenkunft, in der Probleme und Sachfragen in einer
Gesprächsrunde ohne Kopfende stattfinden. In einem Dialog über städtische oder
quartiersbezogene Sachprobleme können betroffene Akteure in politischen, planerischen
und gesellschaftlichen Fragen gemeinsam beraten und nach Lösungen suchen. Runde
Tische werden speziell in Planungsprozessen, bei Konflikten oder zur Problemlösung
angewendet. Ziel ist der Austausch der betroffenen Akteure, Empfehlungen abzugeben und
Entscheidungen vorzubereiten. Runde Tische können in der Form von Foren stattfinden,
eine befristete Beteiligung darstellen oder zu einer dauerhaften Einrichtung in einem
Quartier werden. (vgl. Bischoff/Selle/Sinning 2001: 73)
Kooperativer Workshop/Arbeitskreise
In kooperativen Workshops oder Arbeitskreisen werden themenbezogene fachliche
Fragestellungen und Planungsaufgaben erarbeitet. Probleme sollen durch die Erarbeitung
eines gemeinsamen umsetzungsorientierten Ergebnisses gelöst werden. Sie dienen ebenso
der Ideenfindung und Prozesstransparenz. Durch die klare Themeneingrenzung und
zeitliche Begrenzung der Beteiligung hat diese Beteiligungsform das Potenzial, auch
andere als die üblichen «Aktivbürger» zu aktivieren. (vgl. Bischoff/Selle/Sinning 2001:
77ff)
Stadtteilmediation
Zweck einer Stadtteilmediation ist es, durch einen unparteiischen externen Vermittler alle
Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Die Konflikte sollen durch die Teilnehmer
aufgearbeitet und benannt werden mit dem Ziel, eine gemeinsame Lösungsstrategie zu
entwickeln und eine Schlichtung des Problems zu erreichen. Mediationsverfahren können
in Form von Runden Tischen, Foren, Arbeitskreisen oder Workshops eingesetzt werden.
Da die erarbeitete Einigung informell ist und wenig Verpflichtungspotenzial in sich birgt,
können Unsicherheiten bei den teilnehmenden Parteien entstehen. (vgl. Holtkamp 2000,
Holtkamp 2002: 137, Bischoff/Selle/Sinning 2001: 75ff)
Viele der angesprochenen Formen werden in der Praxis nicht so streng unterschieden, und
zahlreiche Kombinationen haben sich herauskristallisiert. So werden z.B.
Bürgerversammlungen oft mit Bürgerforen verbunden oder Bürgerforen mit
Perspektivenwerkstätten. (vgl. Holtkamp 2000: 119)
4 Probleme und Erfolgsfaktoren der Beteiligung
4.1 Probleme der Beteiligung
Auch wenn Beteiligung als Schlüsselfunktion einer erfolgreichen legitimierten Politik
angesehen wird, setzen Argumente gegen den Einsatz von Beteiligungsformen vor allem
auf der Output-Seite des Systems an (vgl. Bogumil 2001: 205). Mit zunehmender Anzahl
von Betroffenen wächst auch die Komplexität der Beteiligung und ihrer Formen. Die
Probleme bei dialogorientierten Verfahren überschneiden sich weitgehend mit denen der
kooperativen Verfahren. So werden in vielen wissenschaftlichen Publikationen die
folgenden Problematiken der Bürgerbeteiligung herausgestellt:
16
Informationsdefizite
Die klassischen planungsrechtlichen Instrumente der Anhörung und Auslegung von
Planvorhaben erreichen nicht ihre gewünschten Ziele und bewegen sich bezüglich ihres
Informationsgehaltes häufig an der Oberfläche des Themas. Da nur wenige Bürger die
Auslegungsfristen, den Ort und die Termine oder ihre Möglichkeiten der Einflussnahme
kennen, beteiligt sich nur eine Minderheit. (vgl. Reinert 2003: 37) „Eine
Bürger(innen)versammlung mit 100 Teilnehmern müsste länger als acht Stunden dauern,
wenn alle Teilnehmer nur fünf Minuten zu Wort kommen wollten. Tatsächlich werden nur
die Wenigsten, die Artikulationsstärkeren, etwas sagen“ (Reinert 2003: 37). Fehlende
Transparenz über Fristen, Themenkomplexität, Probleme oder Öffnungszeiten führen dazu,
dass bestimmte Bewohnergruppen und politisch aktive Bürger einen Wissensvorsprung
haben. Eine mangelnde Informationsbeschaffung verstärkt zudem vorhandene
Informationsdefizite und fördert zum einen das Unverständnis, zum anderen aber auch,
dass die Bürger die Komplexität der Maßnahme nicht in ihrer Fülle verstehen und sich
überfordert fühlen. (vgl. Reinert 2003: 37)
Dominanz organisierter Interessen
Vielfach dominieren bei Beteiligungsmaßnahmen organisierte und konfliktstarke
Interessensverbände. In ihren Reihen befinden sich häufig die „Aktivbürger“, die
Artikulationsstarken eines Stadtteils, die gelernt haben ihre Meinung zu vertreten und
gleichzeitig nicht nur sich als Einzelperson darzustellen, sondern ihren Verband zu
repräsentieren. Die daraus entstehende Position gegenüber den Mandatsträgern und
Fachleuten wird stärker beachtet und bewirkt eine deutliche Vetoposition sowie eine
größere Einflussnahme durch konkrete Forderungen an den Planungsprozess (vgl.
Holtkamp 2000). In vielen Bürger- oder Stadtteilforen dominieren organisierte
Interessengruppen, die auf der einen Seite eine Klientelpolitik betreiben und somit
Partikularinteressen vertreten, auf der anderen Seite aber durch ihre Teilnahme an solchen
Beteiligungsstrukturen auch gemeinwohlorientierte, konstruktive und kompromissfähige
Beiträge leisten sollen. So werden Beteiligungsformen oftmals zur Durchsetzung
mächtiger Interessen benutzt, ohne eine breitere Legitimation der Bürger, Effektivität oder
Responsivität zu diskutieren (vgl. Bischoff/Selle/Sinning 2001). Da die Interessen und die
Berücksichtigung des Gemeinwohls oftmals nicht konform gehen, liegt die Lösung der
Problematik stets an den einzelnen Organisationsvertretern, wie sie sich thematisch genau
positionieren und mit welcher Kompromissbereitschaft sie an Lösungswegen für einen
Themenkomplex mitarbeiten wollen (vgl. Renn 2003).
Soziale Selektivität der Teilnehmer
Die aktiv mitwirkenden Bürger repräsentieren nie den gesamten Stadtteil. So genannte
«Beteiligungsprofis» (Holtkamp 2000) melden sich häufig zu Wort, da sie wortgewandt
und geübt in dialogischen Verfahren sind und ihre Ansichten differenziert und verständlich
artikulieren können (Selle 2006, Holtkamp 2000, Bogumil 2001). Diese Personen sind
meistens Mitglied intermediärer Organisationen der Stadt oder eines Stadtteils oder
engagieren sich in gesellschaftlichen Teilbereichen (vgl. Selle 2006: 52). Überrepräsentiert
sind dadurch neben den Interessensorganisationen vor allem die gut ausgebildeten Bürger,
Angestellte in höheren beruflichen Positionen oder im öffentlichen Dienst und Männer
mittleren Alters (vgl. Reinert 2003). Durch ihre berufliche Position, ihren Zugang zu
Informationen und ihr politisches Interesse sind sie diejenigen Bürger, die am stärksten
vertreten sind. Dadurch erhalten die bereits aktiven Bürger erweiterte Mitwirkungschancen
und neue Zugangsmöglichkeiten zum politischen Handlungs- und Entscheidungsprozess
(vgl. Bogumil 2001: 207). Sind die Bewohner eines Stadtteils direkt betroffen, ist ihre
17
Motivation sich zu beteiligen durch das konkrete Anliegen stark ausgeprägt. Die
Aktivierung neuer Teilnehmer, über bestimmte Straßenzüge hinaus, bleibt oft erfolglos
(Sankt-Florians-Prinzip der Bewohner) (vgl. Holtkamp 2000, 2002).
Wechselnde und unterschiedliche Interessenlagen
Bei stadtteilbezogenen Beteiligungsstrukturen spielt die Bewohnerstruktur eine wichtige
Rolle. In Stadtteilen mit einer hohen Bevölkerungsfluktuation, wodurch besonders
benachteiligte Stadtteile gekennzeichnet sind, entstehen andere Problematiken als in
Quartieren mit einer geringen Fluktuation. Durch die starke Begrenzung auf das
persönliche und nähere Umfeld verliert nicht nur der nachbarschaftliche Zusammenhalt an
Bedeutung, sondern ebenso die soziale Identität für den gemeinsamen Raum, in dem sie
leben. Dieser Rückzug aus der lokalen Gemeinschaft bewirkt viele einzelne und
kleingruppenspezifische
Interessenlagen,
die
gleichzeitig
durch
die
hohe
Bevölkerungsfluktuation nicht zu langfristigen Beteiligungsprojekten zu motivieren sind.
Nach Klages ist in solchen Prozessen auch der «schwierige Bürger» der heutigen
Gesellschaft zu berücksichtigen: Ausgelöst durch den Wertewandel streben die Menschen
nach individuellen Freiheiten und wünschen bei optimaler Transparenz eines politischen
Verfahrens, spontan und flexibel Entscheidungen zu treffen. Ebenso möchten sie jederzeit
ihr persönliches Engagement ohne Restriktionen ändern, widerrufen und beenden können.
(vgl. Bogumil 2001, Holtkamp 2000)
Kurz- und mittelfristige Projekte zeigen schnelle Resultate in der Verbesserung und
Gestaltung des Wohnumfeldes (vgl. Reinert 2003) und sind speziell in benachteiligten
Stadtteilen sinnvoller, da die ohnehin geringen Teilnehmerzahlen durch
Stimmungsschwankungen,
Zeitmangel
und
eine
eingeschränkte
Fähigkeit
zukunftsorientiert zu denken (existentielle persönliche Problemlagen) beeinflusst werden
(vgl. Bogumil 2001). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass die Betroffenheit durch eine
Maßnahme auch fehlende Kompromissbereitschaft hervorruft.
„Normativ angemessener und letztlich auch wirkungsvoller dürfte es sein, den
«schwieriger werdenden Bürger» (Münkler) durch gezielte, räumlich, sachlich und
zeitlich begrenzte (aber effektive) Partizipationsangebote so anzusprechen, daß eine
durchaus vorhandene Partizipationsbereitschaft aktiviert und entsprechende
Kompetenzen provoziert und gestützt werden können“ (Klein/Schmals-Bruns 1997:
36).
Ein weiteres Problem kann auch von Seiten der Fachleute ausgehen. Klaus Selle stellt
diesbezüglich heraus, dass eine uneindeutige Perspektivengebung ebenfalls zu Problemen
führt und eine klare Positionierung seitens der Fachleute wichtig ist. So ergibt sich
schließlich oftmals eine Diskrepanz zwischen dem was die Bürger wollen (kurz-, mittel
und langfristige Bedürfnisse) und dem was die Fachleute glauben, was die Bürger
brauchen. (vgl. Selle 2006)
Hohe Opportunitätskosten
Durch die Teilnahme an Beteiligungsverfahren entstehen hohe Opportunitätskosten. Nicht
nur bei dauerhafter Beteiligung, sondern auch bei punktuellen Verfahren müssen gewohnte
Verpflichtungen an einigen Abenden oder Wochenenden eingeschränkt werden.
Zeitmangel ist für viele Bürger eine Teilnahmebarriere, da sie z. B. durch
Wechselschichten oder Betreuung der Kinder, die Zeit für politisches Engagement nicht
aufbringen können. Ebenso müssen die Entscheidungsfindungskosten durch eine längere
Verfahrensdauer im Beteiligungsprozess berücksichtigt werden. Des Weiteren sind die
18
Konsensbildungskosten durch die Wahl und Anzahl der Teilnehmer zu prüfen, um
optimale Verfahrensvoraussetzungen zu schaffen oder Schwierigkeiten während des
Prozesses gering zu halten. (vgl. Holtkamp 2000, Reinert 2003)
Hohe Erwartungshaltung der Teilnehmer
Bürgerbeteiligung führt bei den Teilnehmern zu hohen Erwartungshaltungen. Durch das
starke Engagement erhoffen sich die Beteiligten auch eine Einflussnahme auf den
Entscheidungsprozess und eine Berücksichtigung ihrer Position in den Ergebnissen.
„Hier werden Erwartungen geweckt, die sich schließlich als kaum einlösbar
erweisen dürften; und ein solcher Stau an uneinlösbaren Erwartungen könnte
seinerseits Frustrationen auslösen, die für das ohnehin schon angeschlagene
bürgerschaftliche Selbstvertrauen und in der Folge für die politische Kultur nicht
ohne gravierende Folgen bleiben dürften“ (Klein/Schmals-Bruns 1997: 34).
Die Transparenz der Argumente, die Einbeziehung in den Entscheidungsverlauf und in die
Kompromissfindung kann helfen, die Erwartungshaltungen zu relativieren und
Enttäuschungen zu minimieren. Eine zu hohe Erwartungshaltung der Teilnehmer könnte
sonst Frustrationen und Gegenwehr auslösen und eine kooperative Problemlösung
verhindern. (vgl. Holtkamp 2000, Selle 2006)
Kooperatives Verhalten der Teilnehmer
Eine weitere wichtige Problematik stellt sich vor allem bei den kooperativen Verfahren der
Beteiligung. Anders als in reinen dialogorientierten Verfahren müssen die Teilnehmer eine
kooperative Problementwicklung erarbeiten, Vereinbarungen treffen und in Form einer
Partnerschaft gleichberechtigt agieren. Die beteiligten Bürger müssen von allen anderen
Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung „(...) in ihrer Differenziertheit als
städtische Akteure (...)“ (Fassbinder 1997: 205) angesehen werden. Klaus Selle stellt in
diesem Zusammenhang die Frage: „Wer gewährleistet eine faire Kooperation?“ (Selle
2006: 53). Viele Beteiligungsstrukturen sind gekennzeichnet von ungleichen
Kooperationspartnern. So treffen politische Durchsetzungsfähigkeit, Artikulationsstärke
und wirtschaftliche Macht auf Bürger-/Bewohnerinteressen (vgl. Selle 2006: 53, Bischoff
2001).
Die Verfahrensregeln einer Kooperation sind von entscheidender Bedeutung, um einerseits
Konflikte und Instabilitäten von der Zusammenarbeit abzuwenden und andererseits
Funktionsprobleme durch inhaltliche Stagnationen zu verhindern, dazu gehört auch
Verfestigungen durch entstandene kleine Verbünde aufzudecken (vgl. Selle 2006). Diese
Verfestigungen führen oftmals dazu, dass bei den übrigen Teilnehmern und der
Außenwahrnehmung inhaltliche Selektivitäten stattfinden: „(...) Probleme, von denen
unterstellt wird, daß sie nicht angegangen werden können, werden nicht bearbeitet“(Selle
2006: 53). Ariane Bischoff hat dafür den Begriff der «Schönwetter-Beteiligung» geprägt
(vgl. Bischoff 2001: 5).
Ebenso kristallisiert sich bei der Betrachtung der Probleme im Zusammenhang mit
kooperativen Beteiligungsformen heraus, dass neben den bereits genannten Problemen
auch weitere kritische Argumente auf der Output-Seite des politischen Systems zu nennen
sind. Einer speziellen Betrachtung und weiteren Analyse bedürfen insbesondere die
Fragen, ob bei zunehmender Partizipation eine Abnahme der Wahlbeteiligung zu
befürchten ist und damit eine Legitimationsschwäche gewählter Repräsentanten
einhergeht. Wie auch die kritische Anmerkung, dass durch zu viel Partizipation eine
19
Nachlässigkeit in übergreifenden Stadt- und Regionalentwicklungsmaßnahmen stattfindet
(vgl. Bogumil 2001: 205). Die Analyse dieser Gesichtspunkte liegt nicht im Fokus dieses
Beitrags.
4.2 Erfolgsfaktoren der Beteiligung
Eine adäquate Beteiligung der Betroffenen und Bürger kann aufbauend auf die bisherigen
Erkenntnisse nur erfolgen, wenn im Vorfeld der Entscheidungsprozesse der Grad der
Teilnahme und Mitbestimmung festgelegt wurde. Ebenso sollte eine Themenbegrenzung
vollzogen werden, damit die beteiligten Akteure wissen, in welchem Sachkomplex sie sich
beteiligen können. Eine zielführende Beteiligung verlangt genaue Vorstellungen darüber,
ob die zu beteiligenden Bewohner und Organisationen nur „Ideengeber“ für mögliche
Lösungswege sind oder auch in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Sind diese
wichtigen Fragen im Vorfeld nicht eindeutig beantwortet, ist eine entsprechende
Beteiligung nicht möglich und führt auf allen beteiligten Seiten zu Frustrationen. (vgl.
Selle 2006)
Die Beteiligung der Bürger wird von der Verwaltung und der betroffenen Bevölkerung
verschieden empfunden, so dass nicht selten divergierende Vorstellungen vorherrschen.
Um die unterschiedlichen Sichtweisen zu einem kooperativen und konstruktiven Prozess
zu vereinen, muss eine Instanz den Beteiligungsprozess organisieren und begleiten. Diese
Instanz wird in der wissenschaftlichen Literatur mit dem Begriff des
Partizipationsmanagements beschrieben (vgl. Holtkamp 2000: 77ff). Damit die Bürger
nicht an Allem und Jedem beteiligt werden müssen, ist es wichtig, ein gezieltes
Management für die richtige Beteiligung einzurichten. Eine präzise Einbindung in den
Entscheidungsprozess (wie), der exakte Zeitpunkt der Beteiligung (wann), die Anzahl der
Teilnehmer (wer & wie viele) und die Wahl der Mittel zur Berücksichtigung der
Ergebnisse und Forderungen der beteiligten Bürger (womit) müssen durch ein
Partizipationsmanagement im Voraus bedacht werden (transparente Konzeptentwicklung).
Unterstellt wird hier, dass Partizipation nicht generell bei allen politischen Entscheidungen
sinnvoll ist, sondern als Ergänzung zum repräsentativen System gesehen wird. (vgl.
Bischoff/Selle/Sinning 2001: 12-18)
Eine frühzeitige Einbindung der Akteure und Betroffenen ist für den Erfolg einer
Maßnahme unumgänglich. Dabei ist seitens der Betroffenen das Eigeninteresse eine starke
Motivation und impliziert somit einen hohen Erfolgsfaktor. Diese Dynamik sollte durch
das Partizipationsmanagement gefördert und für andere Projekte genutzt werden. Die
Wahrung der Interessen artikulationsschwacher Gruppen sollte ebenfalls durch das
Partizipationsmanagement sichergestellt werden. Ein neutraler Moderator sollte bei starken
Konfliktparteien unterstützend eingreifen. Grundsätzlich ist es bei allen Formen der
Beteiligung wichtig, dass die Kooperation von den teilnehmenden Akteuren gewollt ist und
Sach- sowie Prozesskompetenzen eingebunden sind, nur so können eine zielführende
Diskussionskultur entstehen und Konsensfähigkeit (Win-Win-Situation) bewiesen werden.
(vgl. Bogumil 2001: 211ff, Holtkamp 2000: 77ff, Selle 2006: 53)
Darüber hinaus ist es wichtig, verbindliche Verfahrensregeln für den Beteiligungsprozess
zu entwickeln. Dabei sollten die Fähigkeiten der Bürger nicht unterschätzt oder überschätzt
werden. Motivierten Bürgern kann durch unkomplizierte Erklärungen und exakter
Einarbeitung in das Thema dazu verholfen werden, qualifizierte Stellungnahmen in den
20
Entscheidungsprozess einzubringen. Kleine überschaubare Gruppen helfen ebenso die
Konsensbildungs- und die Entscheidungsfindungskosten gering zu halten sowie die
Verfahrensdauer zu beschränken. Eine projektorientierte, themenspezifische und temporär
angelegte Beteiligung ist somit unumgänglich. (vgl. Holtkamp 2000; Selle 2006,
Bischoff/Selle/Sinning 2001: 12-18, Bogumil 2001)
Kooperative Beteiligungsformen müssen zusammenfassend folgenden Anforderungen
gerecht werden (vgl. Reinert 2003: 39):
z Ergebnisoffenheit,
z Frühzeitigkeit,
z Transparenz des Verfahrens,
z politischer, planerischer und gesellschaftlicher Stellenwert der Beteiligung,
z Verdeutlichung der zeitlichen Befristung,
z Vermeidung sozialer Schieflagen.
Abschließend ist herauszustellen, dass kein Verfahren oder Partizipationsform eine
Erfolgsgarantie verspricht (vgl. Reinert 2003). Trotzdem bewirkt eine Verfahrensöffnung
unter Einbeziehung der Öffentlichkeit eine schnelle und durch die Öffentlichkeit
legitimierte Maßnahmenumsetzung, die durch gezielte Beteiligungsmethoden gestützt
werden kann (vgl. Bischoff/Selle/Sinning 2001: 12).
„Insgesamt haben die nicht-institutionalisierten Formen der Bürgerbeteiligung den
lokalpolitischen Raum erweitert, eine Demokratisierung kommunalpolitischer
Beteiligungsverfahren «von unten» angestoßen und inhaltliche Alternativen in den
klassischen kommunalpolitischen Politikfeldern (Verkehr, Umwelt, Stadtentwicklung)
formuliert“ (Klein/Schmals-Bruns 1997: 33).
5 Ergebnisse aus vier Fallbeispielen
Wichtig ist zu betonen, dass das gewählte Forschungsdesign für eine empirische Analyse
der anfangs gestellten Frage keinen Anspruch auf Repräsentativität stellte. Die Grundlage
der Datenerhebung war das Verfahren des qualitativen leitfadengestützten
Experteninterviews. Der Untersuchungsgegenstand der Arbeit war die Bürgerbeteiligung
in erneuerungsbedürftigen Quartieren, ihre Rahmenbedingungen, Zielentwicklungen,
Verfahren und Erfahrungen. Eine Bewertung der gesamten Beteiligungsprojekte innerhalb
der Fallkommunen wurde durch Analysen lokaler Experten, der Resonanzen, Probleme,
Potenziale und Perspektiven vorgenommen. Ebenso wurden zur wissenschaftlichen
Untermauerung der Relevanz des Untersuchungsgegenstandes statistisches Datenmaterial,
wissenschaftliche, ministerielle und kommunale Studien ausgewertet.
Vier Erneuerungsgebiete aus dem Landesprogramm „Soziale Stadt NRW“ wurden als
Fallbeispiele ausgesucht: Gladbeck-Butendorf, Hagen-Altenhagen, Hamm-Norden und
Bergheim Süd-West.
Die ausgewählten Fallkommunen geben durch ihre Unterschiedlichkeit in bedeutenden
Merkmalsausprägungen nicht nur einen Einblick in die quartiersspezifischen Bedingungen
und Prozesse, sondern liefern gleichzeitig einen übergeordneten Einblick in die Praxis der
Bürgerbeteiligung in erneuerungsbedürftigen Quartieren, geprägt von einem hohen Anteil
an benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Die folgende Zusammenschau verdeutlicht
relevante Differenzierungsmerkmale der gewählten Programmgebiete:
21
Tabelle 4: Zusammenschau der Untersuchungsgebiete (Stand: November 2006):
Programmgebiet
GladbeckButendorf
HagenAltenhagen
HammNorden
Quartierstyp
gemischtstrukturiertes
Wohn- und
Arbeitsquartier
gemischtstrukturiertes
Wohn- und
Arbeitsquartier
monostrukturmonostrukturierte (Groß-)
ierte
Wohnsiedlungen Wohnsiedlungen
Einwohnerdichte
(2005)
40,3 EW/ha
138,7 EW/ha
34,9 EW/ha
ca. 53,6 EW/ha
Programmlaufzeit
Jan. 1996 –
Dez. 2004
Seit Jan. 1999
Ende 1993 –
Dez. 2004
Seit Jan. 2002
Förderzeitraum
Jan. 1996 –
Dez. 2005
Seit Jan. 1999
Ende 1993 –
Dez. 2005
Seit Jan. 2002
Programmstatus
in der Verstetigung laufend
in der
Verstetigung
laufend
Förderungsvolumen seit Aufnahme
7,0 Mio. Euro
7,6 Mio. Euro
2,8 Mio. Euro
4,1 Mio. Euro
Bergheim
Süd-West
Die Motivation einer Kommune in das Länderprogramm „Soziale Stadt NRW“
aufgenommen zu werden, spiegelt zwei Zielebenen wider: Die Finanzierung von
Stadtteilerneuerungsmaßnahmen und den ganzheitlichen integrativen Ansatz zur
Stabilisierung und Modernisierung schwieriger Quartiere. Die Finanzierung von
Stadtteilerneuerungsmaßnahmen kann dabei als prioritär angesehen werden. Die
Aufhebung oder Abmilderung der Stigmatisierung des Programmgebietes und seiner
Bevölkerung sowie des benachteiligenden Status in der Innen- und Außenwahrnehmung,
sind grundlegende Ziele in allen Fallbeispielen. Die Lebenssituation der Bewohner und
der bauliche und infrastrukturelle Sanierungsbedarf prägen in allen Programmgebieten der
„Sozialen Stadt NRW“ die Arbeitsbedingungen der Akteure und Experten und fließen
ohne konkrete Hervorhebung in die folgenden Analysen zur Beteiligung ein.
Ein zwingendes Aufnahmekriterium ist die Erstellung und Einreichung eines integrierten
Handlungskonzeptes, welches die Situation im Quartier in Abgrenzung zu den anderen
Quartieren der Kommune darstellt. Die Bevölkerungsstruktur und deren Lebenslagen
werden nachgezeichnet und der Handlungsbedarf, verbunden mit einem
Maßnahmenkatalog, in den Vordergrund gestellt. Die bewusst offene Zielformulierung des
Förderprogramms bietet die Möglichkeit einer flexiblen Auslegung des integrierten
Handlungskonzepts und seiner Schwerpunkte. Dieser Tatbestand bedeutet in der Praxis
eine relativ freie Implementation in der Umsetzung ohne konkrete Erläuterungen über die
Formen und Instrumente des Beteiligungsprozesses. Ob sich die Entwicklung
quartiersspezifischer Projekte und Formen der Beteiligung stark von denen anderer
Kommunen unterscheidet soll im Folgenden berücksichtigt werden.
22
5.1 Butendorf - Fazit nach acht Jahren Programmlaufzeit
Der Erneuerungsprozess für Butendorf war anfangs mit viel Skepsis vor allem seitens der
älteren Bewohnerschaft verbunden. Das Stadtteilbüro musste um Glaubwürdigkeit und
Vertrauen kämpfen und dem Ruf entgegenwirken, dass eine direkte Beteiligung der
Bewohner keinen Einfluss auf die politisch-administrativen Entscheidungen hat. Eine
allgemeine Bereitschaft zur Beteiligung an Planungsprozessen musste aktiviert und
gefördert werden. Das Stadtteilmanagement war nach eigener Aussage bemüht, gute
Voraussetzungen zur Bürgerbeteiligung zu schaffen. Man erhoffte sich durch dieses
Vorgehen, passive Bewohnergruppen zu erreichen. So wünschte man sich einen großen
Anteil aktiver Frauen für Wohnumfeldverbesserungen und öffentliche Platzgestaltungen.
Die Projektleitung und das Stadtteilmanagement mussten jedoch feststellen, dass Frauen –
speziell Migrantinnen – kein Interesse an öffentlicher Platzgestaltung als neuem
Aufenthaltsraum hatten. Viele hatten selber große Gärten und trafen sich mit ihren
Freunden und Kindern lieber im geschützten Hinterhofbereich. Zu den geplanten
Veranstaltungen kamen daraufhin nur Männer.
Nach achtjähriger Programmlaufzeit „Soziale Stadt NRW“ konnte die Bereitschaft zur
Beteiligung bei den Anwohnern projektbezogen und themenspezifisch erhöht werden.
Bereits zu Beginn stellte sich heraus, dass sich die Bewohner in Butendorf fast
ausschließlich für ihr direktes Lebensumfeld und ihren Lebensalltag interessieren. Nach
anfänglichem Scheitern des projektübergreifenden Runden Tisches für Butendorf
entschloss sich das Stadtteilmanagement, hauptsächlich punktuelle, niederschwellige,
zielgruppenspezifische und projektbezogene Beteiligungsformen und -maßnahmen zu
entwickeln. So war man speziell seitens der Stadt Gladbeck erstaunt darüber, dass sich in
einer bereits zum Abriss beschlossenen alten Butendorfer Bergarbeitersiedlung, mit
unterdurchschnittlichem Wohnstandard, hohem Leerstand und hohem türkischstämmigen
Ausländeranteil (90%), eine Bürgerinitiative organisierte und den Abriss verhinderte.
Ebenso erreichte das Stadtteilmanagement eine verstärkte Beteiligung und Netzwerkarbeit
bei den intermediären Organisationen, welche sich heute in unregelmäßigen Abständen mit
diversen Akteursvertretern (Multiplikatoren) und interessierten Bewohnern in Form eines
Runden Tisches treffen.
Sowohl das Stadtteilbüro als auch die Projektleitung sind zufrieden mit den erreichten
Ergebnissen in Butendorf. Ebenso gab es während der Programmlaufzeit nur positive
Resonanzen der verantwortlichen kommunalen Akteure. Die vorhandenen Strukturen aus
dem Stadtteil wurden aufgegriffen und in die Umsetzung einbezogen. Aus diesem Grund
konnten die neu eingeführten Beteiligungsinstrumente nur mit Rücksicht auf die Strukturen
und Traditionen des Quartiers entwickelten werden. In den Interviews mit der Verwaltung
und dem Stadtteilbüro stellte sich heraus, dass die Mehrheit der Bewohner in Butendorf
Interesse für den Erneuerungsprozess zeigte, aber nicht in längerfristige Projekte
einbezogen werden wollte. Vorhandenes Engagement war themenspezifisch, unverbindlich
und geprägt von eigener Betroffenheit. Diese Haltung war speziell bei der Initiierung des
Runden Tisches deutlich. Ein regelmäßig organisierter Runder Tisch mit
projektübergreifenden Themenstellungen scheiterte an der individuellen Zeitplanung und
dem Gefühl, zu viel Verantwortung zu tragen. Soziale Beteiligung war gewünscht, zu viel
politisches Engagement und Verantwortung für das gesamte Quartier wurde abgelehnt.
23
Im Laufe des Umsetzungsprozesses reduzierte sich in den Arbeitsgruppen ebenfalls die
Teilnehmerzahl, da sowohl der Informationsbedarf als auch der Beteiligungsbedarf als
abgeschlossen empfunden wurde. Rückwirkend betrachtet gab es nur wenige Menschen
aus dem Quartier, die ihre Interessen langfristig aktiv in die Stadtteilarbeit einbringen
wollten. Die Mehrheit der Bewohner ist mit der Gestaltung ihres Alltagslebens beschäftigt.
Mit Abschluss der letzten Projekte wird auch die Beteiligung beendet sein. Die große
Masse ist nach ihrer Beteiligung wieder passiv, da eine starke Anleitung nach Schließung
des Stadtteilbüros Butendorf nicht mehr vorhanden ist. Einige Patenschaften (Spielplätze
und Skateanlage) bestehen bisher noch weiter, und die Netzwerktätigkeiten und
Kooperationen durch den halbjährlich stattfindenden Runden Tisch können zurzeit noch
aus dem Stadtteilbüro Gladbeck-Brauck mitbetreut werden, aber wie lange noch?
Zusammenfassend ergibt sich für Butendorf, dass die Entwicklung neuer
Beteiligungsstrukturen mit einer Verlagerung der Entscheidungsbefugnisse auf die Bürger
das Verantwortungsbewusstsein und die Nachbarschaftshilfe maßgeblich gestärkt haben.
Die angestrebten Projekte mit Beteiligung der Bürger aus dem Handlungskonzept wurden
erfolgreich umgesetzt. Die Bewohner wurden durch die Teilnahme nicht nur mit neuen
Kompetenzen ausgestattet, sondern bewiesen in den Beteiligungsprozessen die Fähigkeit
zu einer konstruktiven Auseinandersetzung mit den Schwierigkeiten der Teamarbeit und
der Kompromissfindung. Die starke soziale Durchmischung führte bei den großen
Bauprojekten zu divergierenden Meinungen und bargen ein gewisses Konfliktpotenzial
zwischen den Kulturen wie auch zwischen den Altersgruppen, welches sich durch die
Arbeit von Moderatoren und des Stadtteilmanagements auflösen ließ. In der
Zwischenevaluation des ILS NRW wurde die Bürgerbeteiligung im Quartier Butendorf als
„(...) Klebstoff des Erneuerungsprozesses (...)“ (ILS NRW 2000: 177) bezeichnet, durch
den die Modernisierungsmaßnahmen zu einer hohen Akzeptanz unter der Bewohnerschaft
führten (vgl. ILS NRW 2000: 180).
Die entstandenen Beteiligungsprozesse zeigten, dass sich die Maßnahmen nicht so fein
steuern ließen, wie in einer traditionellen „top-down Situation“. So wurden die 1994
entwickelten städtebaulichen Zielvorstellungen für den Stadtteilpark durch die
Beteiligungsprozesse stark verändert. Herausgestellt wurde in den Interviews auch, dass
die ebenen- und fachübergreifende Arbeit wichtig ist und auch die baulichen und sozialintegrativen Maßnahmen in Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf nicht
voneinander zu trennen sind. Eine verbesserte Integration von benachteiligten Personen
konnte durch die noch bestehenden Netzwerkstrukturen der intermediären Organisationen
festgestellt werden. Eine langfristige Stabilisierung kann bisher nicht abgeschätzt werden,
da die aufgebauten Strukturen ohne weitere Betreuung wegbrechen. Eine wichtige Instanz
zur Stabilisierung und Verstetigung dieser aufgebauten Strukturen wäre eine feste Person
zur Entwicklung und Begleitung sozialer Netzwerktätigkeiten. Die bisherige Mitbetreuung
aus dem Stadtteilbüro Brauck ist sporadisch und wird nicht dauerhaft möglich sein.
5.2 Hagen - Fazit nach acht Jahren Programmlaufzeit
Der bisherige Erneuerungsprozess in Hagen-Altenhagen ist geprägt von einer engagierten
Beteiligung der Teilnehmer des Forums und des Stadtteilmanagements vor Ort. Alle
baulichen Maßnahmen wurden nach achtjähriger Programmlaufzeit abgeschlossen, so dass
für den weiteren Verlauf der Förderdauer das Augenmerk speziell auf die sozial-
24
integrativen Projekte und den Eintritt in die Verstetigung gerichtet sein wird. Eine
Betroffenenbeteiligung wird noch durch einige Workshops und Befragungen
aufrechterhalten, und die tragende Rolle des Stadtteilforums wird weiter ausgebaut. Die
Erreichbarkeit der Bewohner und die Informationsverbreitung über die Multiplikatoren des
Stadtteilforums sind nach Ansicht der Interviewpartner geglückt, da viele unterschiedliche
Organisationen und Institutionen aus allen Lebensbereichen involviert sind und somit ein
breites Spektrum an Bewohnergruppen vertreten ist.
Die anfängliche Euphorie der Bürger sich beteiligen zu wollen, spielte sich besonders nach
Beendigung der Leitprojekte auf ein durchschnittliches Niveau ein. Festzuhalten ist, dass
sich durch die zielgruppenspezifischen kurzfristigen Maßnahmen auch Bürger beteiligt
haben, die sich sonst nicht beteiligen. Das Instrument der aufsuchenden Beteiligung und
der Aktivierung von benachteiligten Gruppen zeigte Erfolge bei den Seniorinnen und den
Migrantinnen, welche speziell an Markttagen erreicht und befragt werden konnten. Eine
projektbezogene und themenspezifische Erhöhung der niederschwelligen Beteiligung
konnte bisher durch kleinräumige lebensweltnahe Beteiligungsprojekte erreicht werden.
Der direkte Bezug durch Betroffenheit führte zu einer starken Motivation, an bestimmten
Projekten teilzunehmen. Dies wurde zudem besonders deutlich bei kurzfristigen,
ungebundenen Aktionen, welche sich über einen Tag oder Nachmittag erstreckten.
Themenübergreifende Veranstaltungen und wiederkehrende feststehende Termine wurden
nicht so gut angenommen. Darüber hinaus konnten durch die schnelle Umsetzung der
Starterprojekte einige „bottom-up“ Prozesse – neben den Tätigkeiten im Forum - initiiert
werden. Auch die sog. „open-space“ Veranstaltung brachte viele neue Ideen für den
Erneuerungsprozess und das Zusammenleben im Quartier, so dass der bisherige
Erneuerungsprozess zusammenfassend positiv von den Bewohnern wahrgenommen wird
und alle Veränderungen in den Alltag integriert werden konnten.
Als eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine nachhaltige Stabilisierung des Quartiers
und der Stadtteilentwicklung bleiben das Engagement der aktiven Bürger in Altenhagen
und die Unterstützung der bestehenden Beteiligungs- und Netzwerkstrukturen
(Stadtteilforum, Vereine). Die Stadtteilarbeit und die Zusammenarbeit der zuständigen
Entscheidungsträger wurden von allen Interviewpartnern als geglückt oder
zufriedenstellend bewertet. Die Erfahrungen aus Hagen-Vorhalle und die nicht zu hoch
gesteckten Erwartungen halfen, mit der Beteiligung im Rahmen der verfügbaren
Möglichkeiten und Mittel einen guten Mittelweg zu finden. Die Resonanz der Bewohner
war anfangs geprägt von Skepsis, welche sich aber im Verlauf des Erneuerungsprozesses
wandelte. Seitens der politisch Verantwortlichen fiel die Resonanz durchweg positiv aus,
da einige Gründungsmitglieder des Forums auch politisch aktiv sind. So konnte häufig ein
Parteimitglied die Anliegen Altenhagens in die politischen Gremien bringen. Die
Zusammenarbeit der zuständigen Fachämter hat sich durch die langjährige Kooperation
und
Vernetzung
ebenfalls
gut
entwickelt.
Dennoch
führten
einige
Umstrukturierungsprozesse und Neuzusammensetzungen in den Fachämtern zu
Schwierigkeiten bezüglich einiger Zuständigkeitsfragen im Rahmen der „Sozialen Stadt
NRW“. Nach den bisherigen acht Jahren Programmlaufzeit blickt Altenhagen nach
Ansicht der Interviewpartner auf eine geglückte Stadtteilentwicklung und
Bürgerbeteiligung zurück, welche ohne das Engagement des Stadtteilforums nicht zustande
gekommen wäre.
Die Beteiligung in Altenhagen über das Stadtteilforum und vorhandene stabile Netzwerke
spielt eine wichtige Rolle im jetzigen Stadtteilerneuerungsprozess und für die sich
25
anschließende Verstetigungsphase. Langjährig etablierte Institutionen und Vereine sowie
aufgebaute Beteiligungsstrukturen sind wichtig, um die Teilnahme im Quartier Altenhagen
aufrecht zu erhalten. Das Stadtteilforum als Institution und Sprachrohr einzelner
Bewohnerinteressen konnte seit Programmbeginn zwar neue Mitglieder wie die beiden
islamischen Gemeinschaften gewinnen, trotzdem bleibt kritisch anzumerken, dass dieses
Forum sich aus vielen etablierten, gut situierten und einkommensstärkeren
Bevölkerungsgruppen und Multiplikatoren zusammensetzt. Mit Blick auf die Erfahrungen
mit der Beteiligungsmotivation von benachteiligten Gruppen stellt sich die Frage nach der
langfristigen Erreichbarkeit der breiten Masse und der Gestaltung des
Stabilisierungsprozesses in der Verstetigung, speziell wenn sich Einzelbürger und
Anwohner lieber kurzfristig und ungebunden beteiligen wollen. Die aufgebauten
Beteiligungsstrukturen durch das Forum und über den Weg der Institutionen haben sich
gefestigt und etabliert, so dass auch über die Institutionen im Verstetigungsprozess eine
kleinteilige Beteiligung im unmittelbaren Umfeld der Bewohner zielführender ist.
Für die Verstetigung von Altenhagen bleibt dennoch zu erwähnen, dass viele aufgebaute
Strukturen wie das „BÜrgerBÜro“ wegfallen werden. In Zukunft müssen die entwickelten
Beteiligungsstrukturen und eingeführten Projekte verstärkt durch eine organisatorische
Begleitung innerhalb der existierenden Verwaltungsstrukturen und durch soziale Träger
organisiert und weiterentwickelt werden. Ebenso müssen durch das Ausscheiden aus dem
Landesförderungsprogramm und den Wiedereintritt in die alleinige kommunale
Regelförderung Projektschwerpunkte gesetzt werden.
5.3 Hamm-Norden - Fazit nach 11 Jahren Programmlaufzeit
Der Hammer Norden gehörte zu den ersten fünf Stadtteilen, die Ende 1993 in das NRWLandesprogramm „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“ aufgenommen wurden.
Nach elf Jahren Programmlaufzeit befindet sich das Quartier nun seit zwei Jahren in der
Verstetigung. Innerhalb dieses Zeitraums konnten viele Projekte und sozialflankierende
Maßnahmen umgesetzt werden (Verbessertes Dienstleistungsangebot für Mieter,
Integrationsprojekte, Offene Jugendarbeit, Stadtteilfeste, bauliche Maßnahmen).
Voraussetzung für diese Ergebnisse war, von Beginn an eine bürgernahe und beteiligende
Stadtteilerneuerungsstruktur der verantwortlichen politisch-administrativen Systeme zu
entwickeln. Den Verantwortlichen aus dem Stadtteilbüro und der Verwaltung war bewusst,
dass solche Veränderungen mit den Bürgern nur im lebensweltnahen Umfeld der
Bewohner ansetzen können, dort wo die eigene Betroffenheit am größten ist. Die
Querschnittaufgabe der zielgruppenspezifischen Bewohnerbeteiligung wurde somit
maßgeblich in der niederschwelligen aktivierenden Beteiligung wahrgenommen, um die
endogenen Potenziale zu finden und betroffene Bürger zu motivieren sich projektbezogen
zu beteiligen.
Oft regten die umgesetzten Projekte zu neuer Beteiligung an, da man die Verbesserungen
vor Ort wahrnehmen konnte. So konnten viele Skeptiker von einer unmittelbaren
Bürgerbeteiligung - von der Planung bis zur Umsetzung - überzeugt werden. Ebenso
konnten die hohe Schwellenangst der Bewohner und die Verständigungsprobleme
zwischen den Bewohnergruppen durch die persönlichen Kontakte mit dem Stadtteilbüro,
den regelmäßigen Treffen und den diversen Informationsmöglichkeiten reduziert werden.
Die Nutzung von Synergieeffekten, durch die Kooperation und Vernetzung relevanter
Stadtteilakteure, zeigte nicht nur Erfolge im städtebaulichen Erneuerungsprozess und bei
26
der Effektivierung des Hilfeangebots, sondern ebenso bei den finanziellen
Kosteneinsparungen im sozialen Sektor sowie der Einstellung der Bewohner und ihrer
Wahrnehmung des Stadtteils.
Die Bestätigung für die richtige Wahl der Beteiligungsformen und -strukturen fanden sich
in den hohen Teilnehmerzahlen der Beteiligungsangebote. Eigene Betroffenheit und
Alltagserfahrungen kristallisierten sich als der beste Motor der Bürgerbeteiligung heraus.
Die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen während des gesamten integrierten
Erneuerungsprozesses war nicht nur Voraussetzung, sondern stellte sich als Gewinn für
den Stabilisierungs- und Verstetigungsprozess dar. Stadtteilfeste haben sich als
Selbstläufer der intermediären Organisationen und Multiplikatoren des Quartiers verstetigt.
Ebenso ist die Motivation durch engagierte Bürger im Präventivkreis Hammer Norden
ungebrochen. Auch wenn ein starker Rückgang der Beteiligung nach Beendigung der
Projekte zu verzeichnen war, konnten bis heute viele Patenschaften und selbstverwaltete
Treffpunkte (Stadtteilcafe, Jugendtreff) erhalten bleiben. Des Weiteren gelang es im
Rahmen eines Sinti- Projektes, die Selbsthilfekräfte dieser Bewohner durch die Gestaltung
eines Wohnwagenplatzes und der Gründung eines Vereins zu stärken. Für den Hammer
Norden war es besonders wichtig, dass die vorhandenen organisierten Strukturen und
engagierten Multiplikatoren in den Entwicklungsprozess einbezogen wurden, da viele
Kontakte und Kooperationen über den persönlichen Bekanntheitsgrad einzelner Menschen
aufgebaut werden konnten. Die Rückführung in die kommunale Finanzierung nach
Programmende bewirkte, dass ca. ein Drittel der Stellen innerhalb des gesamten
integrierten Stadtteilerneuerungsprozesses nicht gehalten werden konnten. Ein früh
einsetzender Aushandlungsprozess über die Schwerpunktsetzungen und Zielentwicklungen
nach Programmende wurde daraufhin notwendig, da das erreichte hohe Niveau in der
kommunalen Finnanzierung nicht zu halten war.
Zusammenfassend ist herauszustellen, dass die beteiligten Akteure im Rahmen der ihnen
gegebenen Möglichkeiten zufrieden sind. Die politische Resonanz hatte sich während des
Programmverlaufs nicht verändert und zeugte von hohem Interesse. Die politisch
Verantwortlichen waren seit Beginn ein fester Bestandteil in den Arbeitsgruppen und
engagierten sich für den Erneuerungsprozess. Ebenso konnte aus der Verwaltung
rückblickend eine positive Bilanz der Umstrukturierungen und Erneuerungen vermerkt
werden. Kritiken einzelner Mitarbeiter sind weiterhin vorhanden, bilden aber die
Ausnahme. Bezüglich der Bewohnerresonanz ist festzuhalten, dass die Veränderungen
wahrgenommen und angenommen wurden.
Eine wesentliche Voraussetzung für den langfristigen Stabilisierungsprozess ist der
Rückgriff auf bestehende aktive Strukturen und Organisationen. Speziell die
Multiplikatoren und aufgebauten Netzwerkstrukturen übernehmen eine wichtige Funktion
im Quartier, da die Selbsthilfe und Eigeninitiative der Bürger sich größtenteils durch
Betroffenenbeteiligung äußerte und auf das direkte Wohnumfeld oder die eigenen
Lebensbereiche bezog. Das Interesse an allgemeinen stadtteilpolitischen Problemen und
Fragestellungen
bildete
eher
die
Ausnahme.
Durch
das
integrierte
Stadtteilerneuerungskonzept gelang es, die Nachbarschaftshilfe, den Gemeinschaftssinn
und die Integration sowie die generationsübergreifende Verständigung und Hilfsangebote
zu verbessern.
Die ebenen- und fachübergreifende Arbeit für den Hammer Norden ist weiterhin ein
zentraler Bestandteil für den nachhaltigen Stabilisierungsprozess. Die Bürger brauchen
nach Beendigung des Programms weiterhin Hilfen und Beratungen, so dass die Funktion
27
des Stadtteilbüros unter Trägerschaft des Katholischen Sozialdienstes und der
Arbeiterwohlfahrt als ein wichtiger Baustein erhalten bleibt. Aufgebaute Routinen und
Netzwerke müssen durch eine ständige Präsenz und Kontinuität von Ansprechpartnern im
Stadtteil gepflegt werden, damit Kontakte erhalten bleiben.
5.4 Bergheim Süd-West - Fazit nach fünf Jahren Programmlaufzeit
Durch die recht kurze Programmlaufzeit in Bergheim befinden sich die meisten baulichen
Projekte noch in der Realisierungsphase. Die Zusammenarbeit des Stadtteilbüros, den
politisch-administrativen Entscheidungsträgern und den Bürgern konnte vor allem mit den
kurzfristig angelegten Starterprojekten und der verknüpfenden sozial-integrativen Arbeit
eingeleitet werden.
In der bisherigen integrativen Arbeit wurde schnell deutlich, dass benachteiligte Menschen
über die klassischen Angebote der Beteiligung nicht zu erreichen sind. Sie brauchen
direktere lebensweltnahe Beteiligungsangebote und -instrumente. Es ist wichtig,
benachteiligte Personen und die Migranten stärker in den Erneuerungsprozess
einzubeziehen, da sie eine entscheidende Rolle für die Stabilität im Stadtteil tragen.
Speziell diese Menschen brauchen in erster Linie lebenspraktische Unterstützung und
Beratung (Elemente der klassischen Sozialarbeit), bevor sie für ihr Wohnumfeld und ihre
Nachbarschaft Aufmerksamkeit aufbringen können. Festgestellt wurde des Weiteren, dass
sich junge Familien nur sehr schwer motivieren lassen und leichter über lebensweltnahe
kurze Projekte und Bildungseinrichtungen erreichbar sind. So ergibt sich ein
Verbesserungspotenzial oftmals aus den Problemlagen im Quartier. Für das Quartier SüdWest bedeutet dies speziell die Einstellung von mehr Personal für die Themenbereiche
Integration und Beteiligung. Für 2007 ist deshalb die Einstellung eines „Nationworkers“
mit Fremdsprachenkenntnissen geplant, um die Integration von Migranten zu verbessern.
Die Aktivierung neuer Bewohner konnte durch die angewendeten Beteiligungsformen
insoweit erreicht werden, da es in diesem Quartier vorher keine Beteiligungsstrukturen
oder gesellschaftliches Leben gab und die Beteiligung mit dem Bekanntheitsgrad des
Stadtteilbüros und des Programms zunimmt. Interessierte Bürger engagieren sich seit
Beginn des Erneuerungsprozesses in den Arbeitskreisen, im Budgetbeirat und in
kurzfristigen Projekten mit Teilnehmerzahlen von bis zu 30 Personen. Einige soziale
zielgruppenspezifische Angebote, wie die begonnene Seniorenarbeit, wurden bereits zu
einem Selbstläufer. Ebenso wird der Budgetbeirat durch die Stadtteilakteure positiv
bewertet und verfolgt seine Arbeit mit der nötigen Ernsthaftigkeit, so dass sich anfängliche
Bedenken der Verwaltung nicht bestätigt haben. Die Bedeutung der Beteiligung für den
Stadtteilerneuerungsprozess ist sehr hoch, da die Leute sich nur begeistern lassen, wenn sie
merken, dass ihr Engagement etwas bewirkt. So entwickelten sich durch die Arbeit vor Ort
neue Themenfelder in Zusammenarbeit mit den Bürgern, die durch das Handlungskonzept
nicht berücksichtigt waren. Die Dringlichkeit einzelner Maßnahmen und die Wünsche der
Bewohner veränderten somit die Ausgestaltung der allgemeinen Zielvorstellungen.
In Bezug auf die Zufriedenheit mit dem bisherigen Erneuerungsprozess sind die Befragten
unterschiedlicher Meinung. Einerseits wurde nicht mit so vielen aktiven Bewohnern
gerechnet, andererseits muss das Verbesserungspotenzial in der Querschnittsaufgabe der
Beteiligung und Integration ausgeschöpft und der Handlungsbedarf prioritär behandelt
werden. „Klar könnte man mehr machen. Man könnte wirklich jeden einzelnen Schritt mit
28
Bürgern besprechen. Ich weiß aber nicht, ob das richtig wäre und ob das gut wäre. Ich
bezweifle das auch, dass das gut wäre, wenn man zu stark in die Beteiligung einsteigt und
sagt, jeden Schritt den wir machen, wollen wir diskutieren und besprechen (...) ich glaube
dann würde das Interesse nachlassen“ (Interviewauszug).
Zusammenfassend ist herauszustellen, dass alle interessierten Akteure eine positive
Resonanz bezüglich des Erneuerungsprozesses in ihren Quartieren geben. So ist seitens der
Bewohner festzuhalten, dass besonders kurzfristige identifikationsstiftende Maßnahmen
sehr erfolgreich sind und viele teilnehmende Bewohner motiviert sind, auch bei anderen
Projekten mitzumachen. Die politischen Entscheidungsträger konnten durch die
transparente Information alle Beschlüsse einstimmig verabschieden. Ebenso sind Vertreter
der politischen Parteien in einigen Arbeitskreisen aktiv am Erneuerungsprozess beteiligt.
Im Hinblick auf die Gründung eines Budgetbeirates wurde allerdings angemerkt: „Warum
baut ihr eigene Strukturen auf? Wir entscheiden doch über Gelder und Nicht-Gelder und
Vergabe von ..., das ist doch gar nicht legitimiert. Warum sitzen da Leute zusammen und
entscheiden über 40-, 50-, 60.000 Euro für soziale Belange?“ (Interviewauszug). Die
Resonanz aus der Verwaltung ist ebenfalls positiv und der initiierte Erneuerungsprozess
das Aushängeschild der Verwaltungsspitze. Allerdings kommt auch in den anderen
Fachressorts viel Neid auf, da das federführende Ressort für das Programm „Soziale Stadt
NRW“ das einzige war, welches im Jahr 2005 keine Kürzungen bekam.
Durch die Konzeptionierung als reine Wohnstätte haben sich keine quartiersbezogenen
Vereinsstrukturen
entwickeln
können,
welche
unterstützend
durch
ihre
Multiplikatorenfunktion auf den Erneuerungsprozess einwirken können. Die Teilnahme an
zielgruppenspezifischen Projekten und themenspezifischen Prozessverläufen, musste in
einem ständigen Lernprozess erarbeitet werden. Ebenso war es nötig eine gezielte
Ausarbeitung der (Freizeit-)Angebote und Beteiligungsformen mit den Bürgern zu
entwickeln und die Bedarfe, welche sich stark auf den sozialflankierenden Bereich richten,
zu ermöglichen. Dieses Vorgehen ist nötig, um eine Vertrauensbasis und Kontaktaufnahme
zu den benachteiligten Bevölkerungsgruppen aufzubauen, die keine Beteiligungsstrukturen
vorher kannten. Die allgemeinen Zielvorstellungen aus dem Handlungskonzept waren ein
hilfreicher Baustein, den es in der praktischen Stadtteilarbeit zu vertiefen gilt. Vorteilhaft
war dabei die gewollte Ausarbeitung und Weiterentwicklung der Details im Verlauf des
Erneuerungsprozesses. Der Schwerpunkt innerhalb der Querschnittsaufgabe der
Bürgerbeteiligung liegt während des gesamten Erneuerungsprozesses auf der
zielgruppenspezifischen Projektarbeit. Es gibt kaum sozial durchmischte,
sozialflankierende Projekte, welche größere Konfliktpotenziale in sich bergen. Ebenso
wurde seitens der Verwaltung kein Handlungsbedarf für weitere Verbesserungen oder
Ausdifferenzierung der direkten Beteiligung gesehen.
Die Ergebnisse zeigen, dass Beteiligung sehr niederschwellig angesetzt werden muss und
die praktische Arbeit in der Stadtteilerneuerung stark von den anfänglichen Vorstellungen
über direkte, nicht-verfasste Bürgerbeteiligungsverfahren abweichen kann. Für den
weiteren Verlauf der Stadtteilerneuerung und Verstetigung bleibt der Aufbau nachhaltiger
Strukturen mit Schlüsselpersonen, die die entwickelten Strukturen tragen können, ein
wichtiges Handlungsfeld. Dazu ist es nötig, Eigeninitiative und Verantwortungsübernahme
stärker zu fördern und „(...) Strukturen auf[zu]bauen, die es der Stadtverwaltung
unmöglich machen, uns hier wegzudiskutieren (...)“ (Interviewauszug). Des Weiteren
müssen die Räumlichkeiten des Stadtteilbüros für die sozial-integrativen Freizeit- und
Beratungsangebote erhalten bleiben und eine dauerhafte personelle Stelle für das
29
Stadtteilbüro zur nachhaltigen Stabilität geschaffen werden. Erste Schritte sind bereits
durch die Einstellung eines „Nationworkers“ für die Arbeit und die Integration der
Migranten und der Entwicklung eines neuen Bürger- und Familienzentrums unternommen
worden, weitere Schritte zur Gründung eines Bürgervereins sind geplant. Ziel ist es, durch
die
Gründung
eines
selbsttragenden
Bürgervereins
die
geschaffenen
Wohnumfeldverbesserungen und Angebotsformen zu stabilisieren und das Stadtteilbüro
über diese Vereinsstruktur zu tragen.
Den befragten Interviewpartnern ist es durchaus bewusst, dass ohne das Stadtteilprojekt
auch die Bürgerbeteiligung schnell zum erliegen kommt. So ist es besonders für die
Verwaltung schwierig, weitere Beteiligungsverfahren zu etablieren und zu dulden, ohne
ihre wahrgenommene Handlungsfähigkeit zu beschneiden. Wollte man mehr Beteiligung
einführen, „(...) dann müsste man in einer Stadtverwaltung ganz erheblich umdenken“
(Interviewauszug).
6 Bürgerbeteiligung als Element integrativer Stadterneuerung
Die Notwendigkeit einer stärkeren Bürgerorientierung in den Kommunen wird seit Anfang
der 1990er Jahre zunehmend erkannt. Angestrebt wird dabei eine Verbesserung der
Verbindung zwischen der Input-Seite und der Output-Seite des politischen Systems unter
Einbeziehung aktiver Bürger in die politischen Handlungs- und Entscheidungsprozesse.
Dieser Kooperationsbedarf erschließt sich vorrangig aus den (vgl. Bogumil 2001: 211):
z Rationalitätsgrenzen repräsentativer Demokratie,
z Grenzen rechtsstaatlicher Steuerung,
z Grenzen sozialstaatlicher Leistungserbringung.
Die Bürgerbeteiligung erleichtert die Funktionserfüllung kommunaler Staatstätigkeit mit
Hilfe neuer kooperativer Wege an staatlichen Prozessen. Hierzu zählen insbesondere eine
bessere Umsetzung der Integrationsfunktion und eine verstärkte Auseinandersetzung mit
den Geschehnissen und Problemlagen eines Quartiers und der Menschen die dort leben.
Ebenso ist eine Verbesserung der Innovationsfunktion durch die gezielte Nutzung der
Wissensressourcen der Bürger ersichtlich sowie ihrer Optimierungsfunktion mit Hilfe einer
frühzeitigen Einbindung dieser Wissensressourcen in die gezielten politischen
Kooperationsprozesse. (vgl. Holtkamp 2000: 15f) Anzufügen ist auch die
Sozialisationsfunktion durch das Erlernen demokratischer Regeln und Prozesse. Gerade
diese Funktionen können auf der kommunaler Ebene am besten erprobt und gestärkt
werden.
Kooperative Formen im demokratischen Prozess dienen folglich:
der Überwindung einer Dominanz zu starker Einzelinteressen,
z der besseren Konsensfindung zwischen den betroffenen Parteien,
z der Informationssicherung und Verbreitung von Informationen (Transparenz),
z der Reduzierung von Widerständen und Blockadehaltungen aus der Bevölkerung durch
Klagen etc.,
z der Reduzierung von Kosten für Dienstleistungen,
z der Erweiterung der Handlungskorridore zwischen den Akteuren,
z der Kooperation und Beteiligung zur Machtkontrolle.
z
30
Beteiligung und Kooperation sind demnach wichtige Elemente, um mit den Bürgern
zusammen zukunftsfähige Lösungen zu finden. Im Vordergrund muss die Revitalisierung
der Quartiersgemeinschaft, unter Einbeziehung benachteiligter Bevölkerungsgruppen in
demokratische Verfahrensweisen und Strukturen stehen sowie die Entwicklung einer
hohen Verbindlichkeit der Ergebnisse durch die Beteiligung der Bürger an
kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen. Durch die erweiterten direkten
Partizipationstrukturen wird versucht, die gesellschaftliche Abwärtsspirale zu
unterbrechen, Wohnumfeldverbesserungen einzuleiten und Selbsthilfepotenziale zu
fördern.
Zusammenarbeit und Kommunikation sind dabei Verfahren, die als Idealbild den
bestehenden Strukturen nicht immer entsprechen. So entstehen praxisorientierte
Abwandlungen und eine verringerte Erwartungshaltung an die Mitwirkung und die
Verhandlungsergebnisse. Top-down Prozesse als Führungsentscheidungen mit
angebotsorientierten Beteiligungsformen (Runder Tisch, Stadtteilforum, sozial-integrative
Angebote) verbinden sich mit bottom-up Prozessen durch die Mitbestimmung der Bürger
in Planungs- und Entscheidungsprozessen, in vorgelagerter oder nachgelagerter Teilnahme,
um ihre Wünsche und Belange einzubringen. Das Programm „Soziale Stadt NRW“
verbindet diese beiden Strömungen zu einem Gegenstromprinzip, so dass Grundsatz- und
Richtlinienentscheidungen als top-down Prozesse durchgeführt werden sowie
Projektoptimierungen und Spezifizierungen durch das bottom-up Prinzip sichtbar sind
(down-up Prinzip). Klaus Selle geht in dieser Begriffsdebatte noch einen Schritt weiter und
plädiert für differenzierte, multilaterale und horizontale Zugangs- und
Kommunikationsformen, da vermehrt Kooperationen und Netzwerke in der lokalen
Demokratie und in Strukturprogrammen, wie der „Sozialen Stadt NRW“, eine bedeutende
Funktion einnehmen (vgl. Mitarbeiten 4/2004).
Ebenfalls muss darauf hingewiesen werden, dass die aufgeführten Probleme der
Partizipation nicht beschönigt werden dürfen und die traditionelle Angebotsbeteiligung
über die top-down Prozesse in der kommunalen Beteiligungspraxis erheblich ausgeprägt
ist. (vgl. Bischoff/Selle/Sinning 2001: 11) Deswegen sollten in Zukunft verstärkt Wege
und Mittel gefunden werden, auf die Chancen von Formen der kooperativen Demokratie
als funktionales, ergänzendes Element integrierter Stadterneuerung hinzuweisen.
6.1 Input und Output- Legitimität in der integrierten
Stadtteilerneuerung
Ziel der Nutzung dieser unterschiedlichen Zugangs- und Kommunikationsformen ist eine
Verbesserung der Input- und Output-Legitimität des Systems und seiner
Stadterneuerungsmaßnahmen.
Die Umsetzung des Programms „Soziale Stadt NRW“ in den ausgewählten Fallkommunen
Bergheim Süd-West, Hagen-Altenhagen, Hamm-Norden und Gladbeck-Butendorf hat
gezeigt, dass eine Steigerung der Input-Legitimität durch Bürgerbeteiligung in allen
Quartieren erkennbar ist. Die beteiligten Akteure sind zufrieden, stolz und geben durchweg
eine positive Resonanz über den Erneuerungsprozesses mit direkten Beteiligungsformen.
Erfolge durch eine aktive Teilnahme sind in den zielgruppenübergreifenden baulichinvestiven Projekten und zielgruppenspezifischen sozialflankierenden Maßnahmen zu
erkennen, wodurch eine Aktivierung örtlicher Potenziale möglich war. Speziell die sozial-
31
integrativen Projekte, ohne jegliche Verbindlichkeiten, werden in den untersuchten
Kommunen eingesetzt, um Teile der passiven Öffentlichkeit unter den benachteiligten
marginalisierten Bevölkerungsgruppen zu aktivieren. Projekte mit wiederkehrenden
Treffen, in denen Planungs- und Entscheidungskompetenzen eingebracht werden müssen,
werden hingegen bevorzugt von dem kleinen Teil der aktiven Öffentlichkeit besucht. Des
Weiteren fließt das Wertberücksichtigungspotenzial der Entscheidungsträger,
unterrepräsentierte marginalisierte Gesellschaftsschichten zu schützen und zu vertreten,
ebenfalls in das Landesprogramm „Soziale Stadt NRW“ ein. So werden die meisten
Entscheidungsgremien und Projekte durch das Stadtteilmanagement begleitet und die
politisch-administrativen Entscheidungsträger nehmen an den gegründeten Arbeitskreisen
und Quartiersforen teil. Hierdurch können das Stadtteilmanagement und die politischadministrativen Entscheidungsträger eine Anwaltsfunktion für die passive Öffentlichkeit
übernehmen, die soziale Schieflage korrigieren und das Gemeinwohl wahren.
Eine stärkere Einbeziehung der aktiven Öffentlichkeit und die Formen direkter Beteiligung
in den initiierten Gremien zeigten ebenfalls Erfolge auf der Output-Seite der untersuchten
Quartiere. Die aktive Öffentlichkeit vertritt dabei einerseits die Betroffenen und ist
andererseits der Repräsentant von Individualinteressen. Die Entscheidungsträger aus
Politik,
Verwaltung
und
Stadtteilmanagement
geben
Grundsatzund
Richtlinienentscheidungen durch top-down-Prozesse vor, so dass die Beteiligung und
Mitsprache der Bürger im Rahmen der themenspezifischen Detailarbeit innerhalb der
Stadterneuerung abgedeckt wird. Dadurch werden die Steuerungsfähigkeit des
Landesprogramms und die Zielsetzungen des integrierten Handlungskonzepts gewahrt.
Einzelne sehr engagierte Bewohner und starke Organisationen können eine OutputSteigerung durch Interessensdruck bewirken, welcher sich positiv auf die Effizienz
auswirkt. Wichtig ist, dass die Qualität der Ergebnisse und die angestrebte
bewohnergetragene Nachhaltigkeit die Effizienz und Effektivität fördern und das
Augenmerk nicht nur auf eine kurzfristige kostengünstige Umsetzung der Maßnahmen
gerichtet ist. Ist dies der Fall, können die Bewohner als aktive Öffentlichkeit helfen, die
Effizienz und Effektivität zu steigern. Im Vordergrund stehen hier besonders die Arbeiten
aus der Dienstleistungsproduktion, z. B. durch „Spielplatzbau in Eigenregie“ und die
Mitwirkung an Entscheidungsfindungsprozessen für längerfristig motivierte Bürger
(Forum, Runder Tisch, Budgetbeirat).
Effizienzsteigerung und Bürgerbeteiligung bleiben weiterhin beherrschende kommunale
Themen. Dieses schwer aufzulösende Spannungsfeld kann vor allem auf den höheren
föderalen Ebenen zu einem Legitimitäts-Effektivitäts-Dilemma führen. Auf der
Stadtteilebene bieten der kleine Akteurskreis unter den Entscheidungsträgern und die
kleinteilige Gebietsabgrenzung die Möglichkeit, dieses Dilemma zu minimieren. In den
untersuchten Quartieren führt es sogar zu einer funktionierenden Mischung. Die von
Roland Roth kritische Anmerkung: „Zeit- und ressourcenaufwendige Bürgerbeteiligung
mit offenem Ausgang dürfte aus betriebswirtschaftlicher Sicht allemal eher zu erhöhten
Kosten und zusätzlichen Effizienzproblemen als zu deren Lösung beitragen“ (Roth 1997:
419) trifft deshalb nicht zwangsläufig auf die Bürgerbeteiligung in Kleinquartieren zu.
Input-Legitimität kann in den Kleinquartieren trotzdem die Effektivität einschränken, wenn
die Zeitspanne zwischen Planung und Realisierung durch die Beteiligung der Bürger
hinausgezögert wird, ohne dadurch eine Produktivitätssteigerung zu bewirken
(Kostenfaktor). Hier muss man sich mit der Frage des Stellenwerts der Input-Legitimität
beschäftigen. Eine zeit- und ressourcenaufwendige Beteiligung steigert die InputLegitimität, kann aber bei einer besonders heterogenen Gruppe zu einer Disproportionalität
32
und einem verstärkten Legitimitäts-Effektivitäts-Dilemma führen. In diesem Fall müssen
Effizienz und Legitimation gegeneinander abgewogen werden. Ebenso die Frage nach der
Intensität und dem Zeitpunkt der Beteiligung. Bürgerbeteiligung kann also effektiv und
kostengünstig sein, wenn Bürgermitwirkung z. B. teure Fachkräfte ersetzt. Folglich ist es
möglich, das beschriebene Dilemma bei nachgelagerten Verfahren durch die Bildung von
Arbeitsgruppen aufzulösen. Wichtig ist nicht eine kurze Umsetzungsdauer, sondern ein
bewohnergetragenes nachhaltiges Ergebnis für das Quartier.
Darüber hinaus konnte in den Programmgebieten durch Umstrukturierungsprozesse
innerhalb der Verwaltung und enger politischer Zusammenarbeit der Zugang zu den
Ressourcen für benachteiligte Bevölkerungsgruppen verbessert werden. Die
Beteiligungsziele, wie die Ausbildung demokratischer Verhaltensweisen und
kommunikativer Fähigkeiten sind für den Großteil der benachteiligten Bewohner nötig und
können helfen, Schwellenängste zu reduzieren. Sie können aber keine Behebung der
sozialen Schieflage in den Kleinquartieren bewirken, allenfalls sie ein wenig korrigieren.
6.2 Punktuelle Beteiligung versus Kontinuität
Es zeigt sich aber, dass in der praktischen Umsetzung die Probleme vor allem in den
Bereichen einer längerfristigen und nachhaltigen Beteiligungsstruktur auftreten, hier im
Speziellen bei den marginalisierten Bürgern und Migranten. Dieser Personenkreis ist
weiterhin unterrepräsentiert. Ihre Interessen müssen durch die Anwaltsfunktion des
Stadtteilmanagements stärker vertreten und gespiegelt werden. Mit Blick auf die
Verstetigung muss speziell für diese Bewohner eine Lobby geschaffen werden, da die
Untersuchung in den Quartieren gezeigt hat, dass ihre punktuelle Aktivierung notwendig
aber für die Verstetigung (Eigeninitiative, Selbstverantwortung, langfristige Beteiligung,
Nachbarschaftsnetzwerke) nur geringe, fast gar keine Bedeutung hat. Des Weiteren muss
der begrenzten Innovationsfähigkeit der Bürger (vgl. Gabriel 1983: 320ff) über Strukturen
der aktiven Öffentlichkeit und über Vertreter aus Politik und Verwaltung Rechnung
getragen werden. Es obliegt damit der aktiven Öffentlichkeit, den Funktionsträgern und
den Repräsentativorganen der Kommune über das Gemeinwohl des Quartiers zu
entscheiden. Wie und in welcher Intensität sie dieser Aufgabe gerecht werden und in
welchem Umfang sie für gleiche Chancen während der Beteiligungs- und
Kooperationsprozesse sorgen können, bleibt abzuwarten.
Potenziale für eine punktuelle Bürgerbeteiligung liegen vor allem im Engagement der
Teilnehmer, ebenso ist die Schwellenangst für neue Teilnehmer geringer, wenn sie sich
kurzfristig ohne Verbindlichkeiten engagieren. Die zeitnahe Realisierung fördert die
Motivation und bietet die Gelegenheit zur Aktivierung und weiteren Beteiligung. Die
punktuelle Beteiligung wird überwiegend zur Aktivierung der marginalisierten Bürger
angewendet und beschränkt sich häufig auf eine reine Angebotsbeteiligung. Die geringe
Analysekapazität und die schnelle Umsetzbarkeit beeinflussen die Themenwahl, so dass
sich speziell die kurzfristigen Einzelmaßnahmen auf Befragungen und sozial-integrative
Projekte beschränken. Eine dauerhafte dialogorientierte Beteiligung führt hingegen zu
einer höheren Analysekapazität und bewirkt eine intensive Begleitung bis zur Umsetzung
einer Maßnahme, dies findet häufig bei baulichen und themenübergreifenden Projekten
statt. Sie setzt allerdings einen differenzierten Meinungsaustausch, Kompromissfindung
und relativ kommunikations- und/oder politikerfahrene Teilnehmer voraus. Für die
Ausbildung demokratischer Spielregeln muss in diesen Bereichen oftmals schon
33
Vorwissen, Erfahrung oder eine gewisse Fähigkeit zur Abstraktion erkennbar sein.
Politische Beteiligung und Planungsbeteiligung benötigen demnach immer einen gewissen
Bildungsstand und geübte Kommunikationsstrukturen. Der Grundsatz «die Bürger sind die
Experten vor Ort» ist vorteilhaft für vorgelagerte Beteiligungsstrukturen, wie Befragungen
zur Bedarfsermittlung, reicht aber für die meisten nachgelagerten Beteiligungsinstrumente
im Umsetzungsprozess nicht aus. Kontinuierliche Veranstaltungen und Projekte führen
nach einer Etablierungsphase oftmals zu einer „Organisationsmüdigkeit“ und entwickeln
Motivationsprobleme unter den Teilnehmern, so dass vielfach nur (politisch) hoch
motivierte Bürger dabei bleiben. Hohe Kosten, eine sozial selektive Zusammensetzung und
der Sprachstil fördern in längerfristigen und kontinuierlichen Beteiligungsformen einen
Zusammenschluss der Vertreter von starken Einzelinteressen und Funktionsträgern.
Darüber
hinaus
erschwert
die
hohe
Bevölkerungsfluktuation
in
den
entwicklungsbedürftigen Quartieren die Etablierung dauerhafter Beteiligungsstrukturen.
6.3 Bedeutende Einflussfaktoren auf die Beteiligung und Aktivierung
Bei der Betrachtung der Fallbeispiele fällt auf, dass sich besonders zwei Einflussfaktoren
auf den Umgang mit Bürgerbeteiligung auswirken und diese sich gegenseitig beeinflussen.
So setzt nicht der Quartierstyp lokalspezifische Beteiligungsinstrumente voraus, sondern
die unterschiedliche Ausgangssituationen in den Quartieren. Die Rahmenbedingungen sind
besonders geprägt von den bereits vorhandenen Potenzialen im Stadtteil und spielen eine
entscheidende Rolle für den Verstetigungsprozess. So können bereits bestehende
Netzwerkstrukturen und Vereinskulturen helfen, Beteiligung und Engagement zu fördern
und durch ihre Multiplikatorenfunktion Teile der passiven Öffentlichkeit zu erreichen
(Hamm, Hagen). Sind solche Strukturen und Netzwerke nicht vorhanden, bedarf es eines
großen Aufwandes, Schlüsselpersonen zusammenzubringen und Netzwerkstrukturen
aufzubauen (Gladbeck, Bergheim).
Folglich übernimmt die Struktur der Quartiersbevölkerung eine tragende Funktion im
Erneuerungsprozess. Durch die starke residentielle Segregation und die lokale Disparität
der benachteiligten Bevölkerung können nur schwer nachbarschaftliche Strukturen
aufgebaut werden. Ferner ist eine „(...) geringe politische Partizipation (...) das
milieutypische Verhalten der zunehmend marginalisierten und sozial desintegrierten
großstädtischen Unterschichten“ (Strohmeier 1997: 129). In den Stadtteilen der
Programmgebiete liegt die geringe politische Partizipation in dem hohen Anteil an
Nichtwählern und ausländischen Bevölkerungsgruppen begründet, da die Bevölkerung sich
nicht durch die angewendeten mittelschichtsorientierten Beteiligungsstrukturen
angesprochen
fühlt.
Vorgelagerte
Aktivierungsmaßnahmen
und
weitere
Zugangsmöglichkeiten, speziell für Migranten, müssen eine Alternative zu den
mittelschichtsorientierten Beteiligungsformen bilden.
Viele
Beteiligungsbarrieren
entstehen
durch
mangelndes
Wissen
oder
Demokratieverständnis. Ferner sind Sprachbarrieren, Diskriminierungserfahrungen und
ungenutzte Informationskanäle über die Beteiligungsmöglichkeiten Gründe einem
Beteiligungsverfahren fern zu bleiben. Die Erfahrungen in den Stadtteilen haben gezeigt,
dass benachteiligte Bürger und Migranten einen direkten Lebensweltbezug und
niederschwellige kurzfristige Projektangebote zur Vertrauensbildung brauchen. Fachkräfte
nichtdeutscher Herkunft (Bergheim) und der Einsatz von Sozialarbeitern können helfen,
einen Zugang zu diesen Personen zu finden und weitere Beteiligungsangebote in Richtung
34
sozialer Teilnahme oder einer Betroffenenvertretung durch ihre ethnischen Organisationen
zu fördern.
6.4 Politische oder soziale Beteiligung
Der Begriff der Bürgerbeteiligung wird in einigen untersuchten Stadtteilen sehr weit
definiert. So kann alles Beteiligung sein, sobald einige Bewohner sich politisch oder sozial
für ihren Stadtteil engagieren. Ebenfalls kann Beteiligung sich nur auf konkrete
entscheidungs- und planungsrelevante Bereiche beziehen. Die geringen allgemeinen
Vorgaben durch das Landesprogramm führen zu einem differenzierten Umgang mit
Bürgerbeteiligung und deren Einsatzmöglichkeiten, zeigen aber mehrheitlich die gleichen
Partizipationsformen. Folglich entstehen in der praktischen Stadtteilarbeit viele
Gemeinsamkeiten in der Instrumentenwahl, hinsichtlich der längerfristigen politischen
Beteiligungsstrukturen werden aber andere Schwerpunkte gesetzt.
Politische Beteiligung findet sich vor allem in politischen Planungs- und
Entscheidungsprozessen oder der Gründung von Entscheidungsfindungsgremien, wie
Stadtteilforen und Arbeitsgruppen. Ebenso zählt zu dieser Beteiligungsform die Teilnahme
an sog. Budgetbeiräten zur Vergabe von Pauschalmitteln aus dem Verfügungsfond der
„Sozialen Stadt NRW“. Die politische Partizipation der Bewohner im Landesprogramm
lebt von einem ausgeprägten freiwilligen Engagement und den interpersonellen
Netzwerken des Quartiers.
Die Beteiligung an der Produktion öffentlicher Güter und kommunaler Leistungen zur
Schaffung eines sozialen Klimas und zur Förderung des Austausches zwischen den
Bürgern wird eher durch den Begriff der sozialen Beteiligung beschrieben. Da die
Förderung des bürgerschaftlichen Engagements nur auf einen kleinen Teil der Bewohner
zutrifft, sollen unter dem Begriff der sozialen Beteiligung die lebensweltnahen, zeitlich
begrenzten Projekte oder Angebote zusammengefasst werden. „Die größten Chancen
haben „Selbermacher“-Projekte, in denen Bürger an der Produktion kommunaler
Leistungen bzw. der Verbesserung der kommunalen Infrastruktur aktiv beteiligt werden
und die zugleich einen unmittelbaren, kurzfristig eintretenden Nutzen für die Beteiligten
haben“ (Strohmeier 1997: 129). Diese Maßnahmen lösen Aktivierungs- und
Sozialisationseffekte aus und fördern das Selbstvertrauen und die Kommunikation
zwischen den benachteiligten Bewohnern, so dass soziale Beteiligung kontinuierliche
Treffpunkte für ein Gemeinschaftsleben schaffen kann. Themenbezogene soziale
Beteiligung und Aktivierungsmaßnahmen bilden in allen analysierten Fallkommunen einen
Schwerpunkt. Besonders die Aktivierung hat in den untersuchten Quartieren eine tragende
Funktion. Bestandteil der Aktivierung örtlicher Bewohnerpotenziale ist die Information
und die Förderung der Motivation, sich an gemeinwesenorientierten Projekten zu
beteiligen. Auch Angebote einer lebensweltnahen Beratung gehören zur Aktivierung, da
viele Bewohner erst einmal Hilfe bei der Bewältigung ihrer eigenen unmittelbaren
Probleme benötigen, bevor sie sich für die Belange des Stadtteils öffnen können.
Die Förderung der sozialen Beteiligung wird in allen untersuchten Stadtteilen verfolgt, in
der Hoffnung, dass Partizipation weitere partizipative Handlungen erzeugt. Aktivierung
kann als Vorstufe zu weiterer Beteiligung funktionieren, um Interesse, Vertrauen und
Teamstrukturen auszubilden sowie das soziale Leben und Kommunikationswege zwischen
den Bewohnern zu fördern. Soziale und politische Beteiligung können als wechselseitige
35
Ergänzungen (vgl. Van Deth 2001) betrachtet werden, da politisch engagierte Bürger sich
in anderen Formen der partizipativen Mitgestaltung engagieren als sozial und kulturell
engagierte Bürger. Potenziale für dauerhafte Beteiligungen liegen einerseits in den
Patenschaften und ehrenamtlichen Tätigkeiten und andererseits in der politischen
Gremienarbeit. Ausschlaggebend hierfür sind vor allem die heterogenen sozialstrukturellen und sozial-kulturellen Einflüsse und die Motivlagen.
Wichtig im Umgang mit Bürgerbeteiligung demnach sind folgende Aspekte:
z die Wahl des richtigen Beteiligungsinstruments,
z der richtige Zeitpunkt für die Bürgerbeteiligung,
z Klärung der notwendigen/gewollten Intensität,
z Zielgruppenspezifisch und/oder akteursübergreifend,
z Zweck der Beteiligung,
z Vorbereitung der Beteiligungsverfahren durch professionelle Mitarbeiter.
Zusammenfassend darf dennoch nicht vergessen werden, dass Aktivierung und Beteiligung
Instrumente zur Förderung der Eigenverantwortung und Selbstorganisation sein sollen.
Trotzdem halten die Stadtteile an den Instrumenten fest, die sie anfangs für richtig hielten
obwohl sie nur wenig Potenzial für eine Verselbstständigung haben. Schritte zur
Zielerreichung (stabile tragfähige Initiativen aufbauen, Förderung bürgerschaftlichen
Engagements und politischer Beteiligung) sind in den meisten untersuchten Stadtteilen –
egal ob bereits in der Verstetigung oder in der Förderung – sichtbar, ob sie auf Dauer
Bestand haben kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden. Um eine Stärkung
selbsttragender Strukturen zu erreichen, müssten viele Maßnahmen stärker in die
Eigenverantwortung der Bewohner gelegt werden. Ferner muss eine Verknüpfung
zwischen politischer Beteiligung und sozialer Beteiligung aufgebaut werden. Eine
politische Beteiligung der aktiven Bewohner ist ebenso unerlässlich für die Schaffung
selbsttragender nachhaltiger Stadtteilstrukturen, wie die soziale Beteiligung zur Stärkung
nachbarschaftlicher sozialer Netze. Nur eine Verknüpfung dieser Beteiligungsarten kann
den Aufbau eines selbstständigen Gemeinwesens auslösen.
7 Fazit
Mittels
einer
empirischen
Analyse
konnte
festgestellt
werden,
dass
Entscheidungsfindungsprozesse und deren Problembearbeitung mit der Partizipation der
Bürger durchaus auf untere föderale Ebenen delegiert werden können, da dort
Partizipationspotenzial vorhanden ist. Möglichkeiten auf der Stadtteilebene zur Umsetzung
von Beteiligungsstrukturen können geschaffen werden und sind nach einer
Etablierungsphase erfolgreich (Angebotsbeteiligung durch top-down Prozesse und
Netzwerkaktivitäten). Bürgerbeteiligung in erneuerungsbedürftigen Quartieren hat
demnach durchaus Potenzial, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind (vgl. ILS NRW
2000: 48f):
z niederschwellige aufsuchende Angebote,
z themenspezifische, konkrete Projekte,
z kurzfristige lebensweltnahe Projekte für die temporär interessierten Bewohner,
z Kontinuität und Begleitung im Beteiligungsprozess,
z dauerhafte Erreichbarkeit von Ansprechpartnern für den Beteiligungsprozess,
z frühzeitige Einbindung der Bevölkerung in die Planungs- und Entscheidungsprozesse,
36
z
z
z
z
sinnvoller Einsatz der Beteiligung durch vorhandenes Veränderungspotenzial im
Quartier,
transparente Rahmenbedingungen (vorherrschen) (Intensität, Umfang und Zielsetzung
der Beteiligung),
zeitnahe Realisierung der Maßnahmen und ein
angemessener Mitteleinsatz als Voraussetzung für die Aktivierungs- und
Beteiligungsmaßnahmen.
Die Untersuchungen in den Fallquartieren haben ebenfalls gezeigt, dass speziell bei den
Teilnehmern von Projekten die Identifikation mit dem Quartier (Innenimage) zunehmend
erfolgreich ist und sich die breite Öffentlichkeitsarbeit durch Beteiligungskampagnen,
Stadtteilzeitungen und Veränderungen im Stadtteil positiv auf das Außenimage auswirkt.
Das Zusammenspiel der politischen und sozialen Beteiligung ist wichtig, um
unterschiedliche Teilnehmer und Akteurskonstellationen für den Erneuerungsprozess und
dessen Verstetigung zu gewinnen. Die bisher aufgebauten politischen Arenen der
Beteiligung (Stadtteilforen, etc.) werden nicht von den benachteiligten unterrepräsentierten
Bürgern aufgesucht, sie bevorzugen eher die Teilnahme an sozial-integrativen und
lebensweltnahen aktivierenden (Freizeit-)projekten (kurzfristige Mitgestalterrolle). Die
oftmals
mittelschichtsorientierten
Beteiligungsstrukturen
setzen
Bildung,
Kommunikationsund
Artikulationsfähigkeiten
voraus,
um
zielführende
kompromissfähige Ergebnisse zu produzieren. Sie müssen darüber hinaus dem
Effizienzkriterium gerecht werden. Die Kooperationen und Netzwerkstrukturen zwischen
den einkommensstärkeren, gut situierten und artikulationsstarken Bürgern, welche
innerhalb des Erneuerungsprozesses und aufgrund ihrer Erfahrungen als Bürgerprofis
angesehen werden können (sie repräsentieren die aktive Öffentlichkeit und müssen als
Multiplikatoren die Belange in den Stadtteil tragen), sind wichtige Schlüsselpersonen und
nehmen die Auftraggeberrolle für die soziale Stadtteilerneuerung und die spätere
Verstetigung wahr.
Die Analyse in den untersuchten Quartieren zeigte, dass nur engagierte, politisch aktive
Bürger und Netzwerke sich bereit erklären, Lösungen für gemeinwohlorientierte
Fragestellungen zu suchen. Durch die Aktivierungs- und Beteiligungsangebote wurden vor
allem Multiplikatoren, intermediäre Organisationen, Kinder und Jugendliche sowie
Geschäftsleute erreicht. Kooperationen und horizontale Netzwerke haben sich über
Schlüsselpersonen und Funktionsträger in den untersuchten Quartieren etabliert. In
welchem Ausmaß sich eine Verbindlichkeit einstellt, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht
abzuschätzen, da nur ein kleiner Teil der Quartiersbewohner zu langfristigem Engagement
bereit ist und sich die angewendeten aktivierenden Strukturen hauptsächlich auf eine
punktuelle angebotsorientierte Betroffenenbeteiligung beschränken. Die Teilnahme am
Entscheidungsprozess bleibt somit größtenteils auf die Funktionsträger beschränkt. Es
müssen Wege gefunden werden, die Beteiligungsformen vor einer dominanten
Klientenpolitik zu bewahren, da sie einen Zugang und die Kontrolle über gewisse
Ressourcen ermöglichen.
Eine Anwendung vielfältiger Instrumente mit bewährten Standardformen ist in allen
untersuchten Quartieren erkennbar. Etablierte Instrumente sind nicht lokalspezifisch und
finden sich sowohl als Aktivierungsmaßnahmen für den hohen Anteil der passiven
Öffentlichkeit als auch intensive Beteiligungsformen für aktive Einzelbürger und
Multiplikatoren. Erkennbar ist ferner, dass eine starke Konzentration auf projektbezogene
37
aktivierende Instrumente und Formen, weniger auf eine quartiersweite Bürgerbeteiligung
erfolgt. Die Analyse hat gezeigt, dass die unterschiedlichen Beteiligungsgruppen bevorzugt
in den von ihnen gewählten Beteiligungsformen verharren und nur gezielte Projekte, wie
das Stadtteilfest, die Bewohner ermutigt zusammenzukommen. Festzuhalten ist, dass die
Wahl der Beteiligungsinstrumente hinsichtlich einer politischen Beteiligung für die
marginalisierten, sozial benachteiligten Bewohner in den untersuchten Programmgebieten
zu sehr mittelschichtsorientiert sind. Dadurch wird die anfangs aufgestellte These belegt,
dass die Probleme der Bürgerbeteiligung vielfach in der Wahl der Instrumente begründet
und sowohl auf der Inputseite als auch auf der Outputseite des Systems erkennbar sind. In
allen Fallkommunen wurde gewünscht, die passive Öffentlichkeit noch stärker in den
Mittelpunkt der Bemühungen zu stellen. Hier ist Nachbesserungsbedarf in der Wahl der
Beteiligungsinstrumente und -strukturen nötig, um vor allem Migranten und Arbeitslose
stärker in den Erneuerungsprozess einzubeziehen. Zu beachten ist dabei allerdings, dass
eine ständige oder stärkere Beteiligung der marginalisierten Gruppen schnell eine
Überforderung und Desinteresse hervorrufen kann. Ihre Beteiligung darf nicht
vorausgesetzt werden, auch wenn die Stabilität des Quartiers primär von den
unterrepräsentierten passiven Bevölkerungsgruppen abhängt.
Finanzielle und personelle Mittel sind wichtige Säulen eines nachhaltigen
Erneuerungsprozesses, um aufgebaute Strukturen zu erhalten und ein stabiles Umfeld zu
garantieren. So müssen der Mitteleinsatz und die Mittelbündelung über tragfähige
Bewohner- und Vereinsstrukturen in der Verstetigung erfolgen. Auch wenn dafür bereits in
einigen Quartieren Strukturen entwickelt und gestärkt wurden, sind alle befragten Akteure
der Meinung, dass sie in der späteren kommunalen Finanzierung die jetzigen Standards
nicht aufrechterhalten können. So ist es durchaus plausibel, dass fast nur entstandene
Multiplikatorennetzwerke bestehen bleiben.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch das Thema Bürgerbeteiligung
Modewellen ausgesetzt ist, die Fachöffentlichkeit zunehmend einer Beteiligungseuphorie
unterliegt und gerne Beteiligungsstrukturen für alle Bürger und Bewohnergruppen
entwickeln möchte, dürfen die Grenzen einer gesellschaftlichen Demokratisierung nicht
unterschätzt werden. Es ist zu beachten, dass die Lernfähigkeit der Bürger nie so weit geht,
dass sie keine Interessensvertretung und Beratung bei gesamtstädtischen Belangen und
Prozessen brauchen. Der Motor des Beteiligungsprozesses ist das Stadtteilmanagement mit
seinen Anlaufstellen vor Ort und die entstandenen Netzwerkstrukturen. Deswegen ist zur
Zielerreichung
der
Selbstregulierung,
Selbsthilfe
und
Eigenverantwortung
konsequenterweise ein dauerhaft begleitender Prozess von Fachkräften unumgänglich.
Trotzdem muss bedacht werden, dass das Ziel der „Sozialen Stadt NRW“, ein
selbstständiges Gemeinwesen mit selbsttragenden Bewohnerstrukturen und stabilen
nachbarschaftlichen Netzwerken aufzubauen, nicht in einer Überforderung oder
Verdrossenheit der Quartiersbewohner mündet. Grenzen der Beteiligung sind außerdem
nicht nur dort, wo die Menschen sich überfordert fühlen, sondern ebenfalls an Stellen, wo
dem Bürger durch das föderale System ein Recht auf Nicht-Beteiligung zusteht. Die Wahl
von Repräsentanten und Vertretern sowie die Ausbildung von Fachkräften und Experten
sind sinnvoll für die gemeinwesenorientierten Entscheidungen und sollten nicht aus
Einsparungsnotwendigkeiten und falschen Hoffnungen seitens der Kommune auf die
Bürger abgewälzt werden. Nicht-Beteiligung, Passivität und Desintegration haben
Ursachen, die nicht nur in den Lebensumständen, sondern auch in den (politischen)
Einstellungen zu suchen sind. Beteiligung setzt Integration und Interesse voraus, so dass
38
nur auf ausgeprägten Integrationsbemühungen und einer Interessensgrundlage
Beteiligungsstrukturen zielführend und effektiv aufgebaut werden können. Nicht alle
Bewohner
sind
durch
direkte
Demokratisierungsbemühungen
oder
Stadterneuerungsprogramme zu erreichen. Es ist sicherzustellen, dass die entwickelten
Beteiligungsstrukturen nicht als reine Legitimation zur Förderzustimmung des Landes und
der Aufnahme in das Programm benutzt werden. Auch die Mitgestalterrolle des Bürgers
darf unter dem Blickwinkel der Haushaltskonsolidierung nicht missbraucht werden und ihr
Einsatz ausschließlich die notwendigen Dienstleitungen und Modernisierungen einer
Kommune ersetzen.
Das Landesprogramm „Soziale Stadt NRW“ bleibt darüber hinaus nur ein
Strukturprogramm, in das viele Hoffnungen gesetzt werden und das hohe Ansprüche an die
Bürger und kommunalen Entscheidungsträger stellt. In der quartiersspezifischen
Umsetzung dürfen die Zielsetzungen des Landesprogramms nicht aus den Augen verloren
werden. Der Weg zur Selbsthilfe, Eigeninitiative und zum Aufbau eines eigenständigen
Gemeinwesens sollte weiter gegangen werden. Eine langfristige Stabilisierung des
Quartiers mit Hilfe der Bürger ist, wenn überhaupt, nur mit einem geringen Teil der
Bewohner machbar, und es bleibt nach Auslaufen der Landesförderung die Frage, wie viel
der aufgebauten Beteiligungsstrukturen langfristig erhalten bleiben können. Auch wenn
selbsttragende Bürger- oder Gewerbevereine oder zuständige Multiplikatorennetzwerke
geplant sind oder bereits existieren, ist in den verstetigten Stadtteilen, auch nach mehr als
10 Jahren Programmlaufzeit und Beteiligungserfahrung, keine völlige Stabilisierung
gelungen. Die hohe Wertschätzung der Beteiligung im Landesprogramm und im
integrierten Handlungskonzept nimmt in den Stadtteilen nur einen begrenzten Raum ein.
Zur Erfüllung der Landesziele ist es aber nötig, gerade die Aufgabe der langfristigen
Stabilisierung mit Hilfe der Bürger zu konkretisieren und ihr einen höheren Stellenwert
einzuräumen, da sonst die Zielvorgaben utopisch wirken.
Die auf längere Sicht erhofften Erfolge und Wirkungen des Landesprogramms und seiner
Umsetzung in den Stadtteilen sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht feststellbar. Inwieweit sich
eine stärkere Identifikation durch die Maßnahmen entwickeln konnte oder ein
eigenständiges Stadtteilleben angeregt wurde, bleibt weiterhin abzuwarten. Trotzdem ist es
wichtig, den beschrittenen Weg weiter zu gehen und entwicklungsbedürftige Quartiere in
eine soziale Stadtteilerneuerung einzubeziehen. Demokratie baut auf dem Engagement der
Gesellschaft auf.
39
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