Anonyme Aktionäre

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Governance
Anonyme Aktionäre
Was haben Dark Pools, Investor Targeting und Hauptversammlung gemeinsam?
(MTF) und 12 „systematische Internalisierer“, darunter auch Dark
Pools. Dabei handelt es sich um börsenähnliche Handelsplätze,
die insbesondere für größere Orders von Aktionären und neuen
Investoren Liquidität – Dark Liquidity – bringen, ohne dies in Order­
büchern offenzulegen. Großorders werden hier preisschonend und
anonym mit geringer Transparenz zusammengeführt, anstatt sie
sichtbar über eine Börse abzuwickeln. Wie verteilt sich nun die
Aktivität von Investoren in der EU auf bewährte und neue Handelsplätze? Laut FESE und CESR werden lediglich 50 Prozent an
tra­ditionellen Börsen (Regulated Markets) gehandelt. Der übrige
Handel findet zu 38 Prozent auf OTCs, zu 10 Prozent auf sogenannte MTFs und zu 2 Prozent auf anderen Handelsplätzen statt.
Aktionärspflege vor der HV intensivieren
Die Börsenwelt ist in Bewegung wie noch nie. So waren die letzten
zehn Jahre ein Quantensprung im elektronischen Aktienhandel und
eine Dekade des rasanten Wandels in der Makro- und Mikrostruktur
der Kapitalmärkte. Mit den neuen technologischen Möglichkeiten entwickelten sich eine Vielzahl neuer Handelsplätze. Sie verändern
das Gefüge im Kapitalmarkt fundamental und werben traditionellen
Börsen weltweit zunehmend Marktanteile ab. Zugleich etablierten
sich neue Handelsteilnehmer wie Algo Trader, die einen bedeutenden
Anteil am Handelsvolumen ausmachen. Die Folge ist eine fragmentierte Marktstruktur bzw. Liquidität. All dies hat Auswirkungen auf
die Vorbereitung der Hauptversammlung (HV), denn der strukturelle Umbruch beeinflusst die Beziehung zwischen Unternehmen und
Aktionären bzw. Investoren. Dies bedeutet insbesondere eine Herausforderung für Investor Relations Officers und Corporate GovernanceVerantwortliche, die sich in fragmentierten Märkten und den neuen
Handelsplätzen ihrer Aktionäre und Investoren besonders im Vorfeld der HV auskennen müssen.
Treffen in Handelssälen der neuen Generation
Doch wo handeln mittlerweile Investoren? Neben dem außerbörs­
lichen OTC-(Over the counter-)Markt klassifiziert man drei
Handelsplätze. So existieren allein in der EU 92 „Regulated Markets“,
i. d. R. traditionelle Börsen, 138 „Multilateral Trading Facilities“
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Ernst & Young | Governance Matters®
Ferner schätzt man im Hinblick auf die für das Nachhalten von
Aktionärsbewegungen wichtige Handelstransparenz, dass ca.
57 Prozent des Handelsvolumens 2009 sogenannte „Lit Tradings“
auf tra­ditionellen Börsen und MTFs und 43 Prozent sogenannte
„Dark Tradings“ (Dark Pools und OTCs) darstellen. Eine herausfordernde Transparenzstruktur, mit der die Investor Relations Officers
im Investor Targeting und Aktionärs-Tracking umgehen müssen.
Im „Lit Trading“ führen immer längere Handelszeiten, höhere
­Handelsvolumina, sinkende Transaktionskosten und eine stark gestiegene Anzahl von Handelsabschlüssen zu gesunkenen Ordergrößen.
Dadurch ist es auch hier immer schwerer zu analysieren, ob Retailoder institutionelle Investoren handeln. So erlangen die Pflege
der Aktionäre und das Nachhalten der Aktionärsstruktur durch gute
Investor Relations und Finanzkommunikation gerade vor der HV
eine hohe Bedeutung, insbesondere dann, wenn es sich um strategisch wichtige Themen handelt, die auf der HV beschlossen werden sollen.
Aktionärsstruktur im Nanosekundenhandel nachhalten
Liest man die jüngsten Beiträge und ihre Umschreibungen zu Entwicklungen im Aktienhandel, fühlt man sich in Science Fiction-Filme
wie „Krieg der Sterne“ oder „Terminator“ versetzt. Hauptakteure
sind Computer bzw. Algo Trader, die mittels komplexer Algorithmen
gegeneinander antreten. Entscheidend dabei ist die Geschwindigkeit im High Frequency oder Flash Trading. Der Hochfrequenz­
handel erfordert hoch perfomante Netzwerke und schnellste Anbin-
Governance
Lexikon
Algo Trading
Unter Algo(rithmic) Trading versteht man das automatische
Ausführen von Aktienkäufen/-verkäufen durch Computerprogramme. Manche Algorithmen entscheiden sogar darüber,
was ge- oder verkauft wird. Orderausführung und -routing
zu den jeweils passenden Handelsplätzen erfolgen u.a. auf
der Basis von Preis, Zeit und Menge. Algo Trading wird auch
von institutionellen Investoren (z. B. von Hedgefonds,
Pensionsfonds, Investmentfonds und Banken) aktiv genutzt.
dungen. Die Dauer der Orderübermittlung wird in Nanosekunden
gemessen. Mit dabei sind Smart Order Router (SOR). Sie verbinden mehrere virtuelle Handelsplätze und ermöglichen simultanes
Handeln. Neben Investoren und Liquiditätsspendern sind mit steigender Bedeutung High Frequency oder Algo Trader im selben
Orderbuch. Deren Marktanteil steigt stetig und wird an verschiedenen Börsen zwischen 40 und 60 Prozent, in USA auf 73 Prozent
und im DAX auf 50 Prozent geschätzt. Sie nutzen statistisches
Know-how und generieren über kleine Orders mit sehr hoher
Frequenz enorme Tagesvolumina. Schätzungsweise 50 Prozent
der Investorenorders werden über Algo Trading ausgeführt.
Überraschungen zum Record Date und auf der HV vermeiden
Weltweit zeigen die Dimension von Algo Trading in Orderbüchern
und die Vielzahl von neuen Handelsplätzen, wie wichtig die genaue
Kenntnis der Marktstrukturen in der virtuellen Börsenwelt ist. In­
vestoren werden durch die Fragmentierung und den Rückgang der
durchschnittlichen Transaktionsvolumina gezwungen, auch andere,
­weniger transparente Handelsplätze anzusteuern, um größere Orders
zum besten Preis auszuführen. Zugleich wird es für die Investor
­Relations immer schwieriger, sich ein Gesamtbild von den Stimmungen und Parteien zu machen. Investoren zu identifizieren und Bewegungen zeitnah (quasi blitzschnell) nachzuhalten wird n
­ eben bekannten Themen wie „Street Names“ und „Beneficial Ownerships“ zu
­einer zusätzlichen Herausforderung, besonders bei internationalen
Aktionärsstrukturen. Neue Fragen, neue Aufgaben: Wo wird die
­Aktie gehandelt? Wie hoch ist der Anteil von Algo Trading und wie
ist die Verteilung von Eigen- vs. Auftragshandel? Wen kann man
­ansprechen, um zeitnah informiert zu bleiben? In Zukunft werden HVVerantwortliche und IR umso mehr gefordert sein, bei Inhaber- und
Namensaktien die Versammlung der Aktionäre gut vorzubereiten.
Was haben nun Dark Pools, Investor Targeting und Hauptversammlung gemeinsam? Die Antwort ist einfach, allein die Umsetzung zunehmend komplex: das Erfordernis der fortlaufenden Kenntnis und
guten Pflege der Aktionärsschaft. ■
Ihr Ansprechpartner
Dr. Martin Steinbach
Telefon +49 6196 996 11574 | [email protected]
High Frequency Trading
Beim High Frequency Trading (zu deutsch Hochfrequenzhandel) handelt es sich ebenfalls um einen automatisierten
Handel von Wertpapieren durch Computerprogramme. Die
Strategien beim High Frequency Trading zeichnen sich durch
kurze Haltefristen und niedrige Reaktionszeiten aus. Durch
den schnellen Handel und die hohe Anzahl von Transaktionen
können insgesamt sehr hohe Gewinne erzielt und Volumina
gehandelt werden.
Dark Pool
Dark Pools sind Plattformen mit geringen Transparenzan­
forderungen im Wertpapierhandel. Sie sind börsenähnliche
Handelsplätze, die insbesondere für größere Orders Liquidität bieten, ohne diese in Orderbüchern offenzulegen. Der
Handel mit Finanzprodukten wird anonym betrieben und
eignet sich besonders für Marktteilnehmer, deren Handelsstrategie unerkannt bleiben soll.
MTF
Eine MTF (Multilateral Trading Facility bzw. multilaterales
Handelssystem) ist eine alternative Handelsplattform außerhalb der traditionellen Börsen, die Käufer und Verkäufer
von Aktien und anderen Finanzinstrumenten auf einer börsenähnlichen Infrastruktur zusammenführt. Im Allgemeinen
unterliegen diese Handelsplattformen jedoch geringeren
Anforderungen als der regulierte Markt.
Smart Order Router
Beim Smart Order Router handelt es sich um einen Algo­
rithmus, der Orders anhand definierter Kriterien an verschiedene Marktplätze weiterleitet. Indem der Smart Order
Router alle verfügbaren Preise, Transaktionskosten und
Volumina an allen verfügbaren Handelsplätzen durchsucht,
kann er die beste Ausführungsstrategie für jede Order
bereitstellen. Dies führt häufig dazu, dass die Order auf
mehrere Handelsplätze aufgeteilt und ausgeführt wird.
Systematischer Internalisierer
Systematische Internalisierer bieten bilaterale Orderaus­
führung im außerbörslichen Bereich. Sie werden auch als
„Inhouse-Börsen“ bezeichnet, da sie Marktzugangsintermediäre sind und eigentlich zwischen Investoren und der börs­
lichen Infrastruktur stehen. Zum Beispiel können so Großbanken und Wertpapierdienstleister Aufträge ihrer Kunden
zum Kauf bzw. Verkauf von Aktien gegenseitig oder gegen
ihren eigenen Bestand ausführen.
Quarterly November 2011
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