Vorkurs Mathematik Vorbereitung auf das Studium der Mathematik Skript Institut für Analysis Inhaltsverzeichnis Einleitung 1 Aussagen und Mengen 1.1 Aussagen: Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Beispiele für Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 keine Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 logische Verknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Darstellung von Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Teilmengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Leere Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Schnitt- und Vereinigungsmenge, relatives Komplement . . 1.6.1 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Die Quantoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.1 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.2 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.3 Beispiel: Bedeutung der Reihenfolge der Quantoren 1.8 Verneinung (Negation) von Aussagen . . . . . . . . . . . . 1.8.1 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 Die Zahlenbereiche N, Z, Q, R . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9.1 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.10 Rechenregeln für reelle Zahlen und Ordnungsrelationen . . 1.10.1 Regeln für das Rechnen mit Ungleichungen . . . . . 1.10.2 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.11 Intervalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.11.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.11.2 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Index 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 6 6 6 7 8 9 9 10 10 10 10 11 11 11 12 12 13 13 14 14 15 15 15 16 17 3 Einleitung Dieser Kurs soll wichtige Bereiche Ihres Schulwissens möglichst konsistent aufbereiten. Er richtet sich insbesondere an Studierende, die Unsicherheiten im Umgang mit dem mathematischen Schulstoff haben, deren Mathematikunterricht länger zurückliegt oder deren mathematischer Schulstoff nicht alle für das Studium notwendige Voraussetzungen umfasste. Der Vorkurs muss sich auf das Notwendigste beschränken, soll Sie aber schon vertraut machen mit der präzisen Darstellung mathematischer Sachverhalte, wie sie das Studium vermitteln und verlangen wird. Die dargestellten Inhalte sind vielerorts, sei es frei erhältlich im Internet, oder auf dem Büchermarkt in guten Darstellungen zu finden. In diesen Kurs fließen aber die speziellen Erfahrungen des Lehrbetriebes an der Karlsruher mathematischen Fakultät ein. Über Jahre konnten wir gravierende Lücken vieler Studienanfänger im Umgang mit elementaren Rechentechniken und Definitionen, wie Rechnen mit Beträgen oder den sicheren Umgang mit Ungleichungen beobachten. Wenn solche Lücken nicht aufgearbeitet werden, kann daran leicht das erfolgreiche Studium scheitern. Auch beobachteten wir bei vielen Studienanfängern und -anfängerinnen große Hemmungen, sich eigenständig an das Lösen auch einfacherer Übungsaufgaben zu machen. Das ist aber unumgänglich um mit dem Fortschreiten des Stoffes Schritt zu halten und nicht irgendwann abzuhängen“. Dieser ” Vorkurs soll daher jedem Studienanfänger, jeder Studienanfängerin die Chance bieten, im Studium von Anfang an alle Übungsangebote optimal für sich nutzen zu können und damit die Grundlage für ein erfolgreiches Mathematik- oder Informatikstudium an der Universität Karlsruhe bieten. Auf dem Büchermarkt gibt es eine große Anzahl von mathematischen Einführungen und Vorkursen. Das folgende Material wurde von einigen davon inspiriert. [2]: Dieses Buch bietet eine sehr ausführliche Einführung in alle Grundlagen und Begriffe, die für ein Studium der Mathematik oder Wirtschaftswissenschaften benötigt werden. Da es sich an Studierende der Wirtschaftwissenschaften und Sozialwissenschaften richtet, ist es für mathematisch interessierte Studienanfänger im Bereich Mathematik und Informatik bestimmt etwas zu ausführlich. Einige der Beispiele des vorliegenden Vorkursskripts zu quadratischen Gleichungen und Ungleichungen wurden ihm entnommen. [3]: Dieses Werk bietet eine knappe aber konsistente Einführung in die Bereiche Mengen, Abbildungen, Rechenregeln für reelle Zahlen, Betrag, Intervalle, Summenzeichen. Die 4 Darstellung der Mengen N, Z, Q und R wird in diesem Buch sinngemäß übernommen, wie auch einige Aufgaben. [4]: Dieses Büchlein wird inzwischen leider nicht mehr aufgelegt. Gut verständliche Einführungen, sinnvoller Aufbau und eine große Zahl von Aufgaben mit Lösungen machen ein Selbststudium gut möglich. Einige Beispiele in den Kapiteln 3, 4 und 5 sind ihm entnommen. Zu bemerken wäre allenfalls, dass die Autoren gemäß ihrer Lehrtradition in ihrer Darstellung der Funktionen nicht zwischen einer Funktion f und dem Funktionswert an einer Stelle f (x) unterscheiden. Da diese Unterscheidung im Studium in vielen Vorlesungen aber getan wird, wird auch in diesem Vorkurs streng zwischen Funktion und Funktionswerten unterschieden. [1]: Diesem Buch, das auf anspruchsvolle Weise den Analysis-Stoff des Grundstudiums behandelt, habe ich sinngemäß das Kapitel 2 dieses Vorkurses (dort S. 4 ff) über Prädikatenlogik und die Verwendung der Quantoren entlehnt. Die vielen Beispiele helfen, abstrakte mathematische Definitionen, wie sie gleich zu Beginn des Studiums behandelt werden, zu verstehen. Die oft verwendete Technik des Verneinens von verknüpften Aussagen wird anhand vieler Beispiele geübt. Es handelt sich bei diesem Skriptum um eine überarbeitete Version eines Skriptes, daß von Frau Dr. Johanna Dettweiler im Jahr 2009 für das Institut für Analysis erstellt wurde. 5 1 Aussagen und Mengen Wenn man sich über Mathematik verständigen will, ist es unumgänglich zu verstehen, was eine mathematische Aussage ist und wie sie verknüpft werden kann. Erst dann kann man verstehen, was bspw. ein mathematischer Beweis ist. Daher fängt dieser Vorkurs mit mathematischen Aussagen an und behandelt in Kürze, wie daraus durch verschiedene Verknüpfungen neue Aussagen entstehen. 1.1 Aussagen: Definition Eine Aussage im mathematischen Sinne ist eine Feststellung, deren Wahrheitsgehalt stets mit wahr“ oder falsch“ angegeben werden kann. ” ” 1.1.1 Beispiele für Aussagen • Dienstag ist ein Wochentag. • Dienstag ist Montag. • 2 ist eine gerade Zahl. • 2=1 1.1.2 keine Aussagen • Mathematik macht Spaß. • x2 + 2x + 1. • x2 + 1 = 0. (Was ist x?). 6 1.2 logische Verknüpfungen 1.2 logische Verknüpfungen Folgende logische Verknüpfungen von Aussagen A, B werden wir verwenden: Symbol Bedeutung der Verknüpfung 1. Negation ¬A nicht A 2. Konjunktion (und) A∧B A und B 3. Disjunktion (oder) A∨B A oder B 4. Implikation (Folgerung) A⇒B aus A folgt B 5. Äquivalenz (genau dann, wenn) A⇔B A und B sind äquivalent, d.h. es gilt Bezeichnung A ⇒ B und B ⇒ A Sie werden definiert über Wahrheitstafeln (dabei steht w“ für wahr und f“ für falsch): ” ” A B w w f w f f f ¬A A ∧ B A∨B A⇒B A⇔B w w w w f f w f f w w f w w f f w f f w w Zwei zusammengesetzte Aussagen heißen tautologisch äquivalent, wenn Sie dieselben Wahrheitstafeln besitzen, wir verwenden hierfür das Zeichen =||=. Zum Beispiel gelten (Nachweis über Wahrheitstafeln): 1. ¬(A ∨ B) =||= ¬A ∧ ¬B , 2. (A ⇒ B) =||= (¬A ∨ B), 3. ¬(A ⇒ B) =||= (A ∧ ¬B), 4. (A ⇒ B) =||= (¬B ⇒ ¬A), aber A ⇒ B ist nicht tautologisch äquivalent zu B ⇒ A. 5. (A ⇐⇒ B) =||= A ⇒ B ∧ B ⇒ A 7 1 Aussagen und Mengen Beispiele aus dem alltäglichen Sprachgebrauch (Achtung, hierbei handelt es sich streng genommen nicht um Aussagen in unserem Sinn): Zu 2. Die Aussage Wenn Du nicht aufräumst, dann bekommst Du Stubenarrest“ läßt ” sich auffassen als Implikation A ⇒ B mit den Aussagen A : Du räumst nicht auf und B : Du bekommst Stubenarrest. In der Tat ist diese Aussage auch umgangssprachlich gleichwertig mit Du räumst auf, oder Du bekommst Du Stubenarrest“, ” also mit ¬A ∨ B. Zu 3. Ebenso läßt sich die Aussage Wenn Du aufräumst, dann bekommst Du 10 Euro“ ” als Implikation A ⇒ B auffassen, dieses mal mit den Aussagen A : Du räumst auf und B : Du bekommst 10 Euro. Diese Aussage ist offenbar falsch genau dann, wenn sie eine Lüge“ ist, wenn der Angesprochene also aufräumt, aber keine 10 ” Euro bekommt, wenn also A wahr und B falsch ist, bzw. wenn A ∧ ¬B gilt. Zu 4. Die Aussage Wenn es regnet, wird die Straße naß“ läßt sich als Implikation A ⇒ B ” auffassen mit den Aussagen A : Es regnet und B : Die Straße wird naß. Wenn die Straße also nicht naß wird, kann es nicht regnen, d.h. wir haben tautologische Äquivalenz zur Aussage ¬B ⇒ ¬A, aber wenn die Straße (wie auch immer) naß wird, können wird daraus nicht folgern, daß es auch regnet. Man beachte: • Das logische oder“ ist nicht-ausschließend, also nicht zu verwechseln mit entweder ” ” ... oder“. • Ist A falsch, so ist die Implikation A ⇒ B stets wahr ( ex falso quodlibet“)! Zum ” Beispiel gilt 1 < 0 ⇒ 2 = 3. • Die Negation einer Implikation ist eine und“-Aussage, vgl. dazu auch Punkt 3. ” oben und das zugehörige sprachliche Beispiel. 1.3 Mengen Naiver“ Mengenbegriff nach Cantor: Eine Menge ist eine Zusammenfassung bestimm” ter, wohlunterschiedener Objekte unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. Für jedes Objekt muß eindeutig feststellbar sein, ob es zu der Menge gehört oder nicht. Die zu einer Menge gehörenden Objekte heißen Elemente der Menge. Mengen werden üblicherweise mit Großbuchstaben A, B, C, ... und ihre Elemente mit kleinen Buchstaben a, b, c, ... bezeichnet. Wir schreiben a ∈ A für a ist Element von A“ und ” a 6∈ A für a ist nicht Element von A“. ” 8 1.4 Darstellung von Mengen 1.4 Darstellung von Mengen Elemente von Mengen werden durch geschweifte Klammern {...} zusammengefasst. Dies geschieht entweder durch die aufzählende Darstellung, wie zum Beispiel: die Menge A der Buchstaben des Namens Paula“, mit Unterscheidung großer und ” kleiner Buchstaben: A := {P, a, u, l, a} = {P, a, u, l} = {l, P, u, a}, oder durch die beschreibende Darstellung {x|x hat die Eigenschaft E}, wie zum Beispiel: B := {x|x ∈ A, x ist ein Großbuchstabe } = {P } oder C := {x|x ist eine ungerade Zahl}. Es bedeutet X := Y X sei definiert als Y “. ” Ist für ein x aus einer Menge X die Eigenschaft E in Gestalt eines Ausdruckes E(x) gegeben, so sind gleichbedeutend {x ∈ X| x hat die Eigenschaft E} sowie {x ∈ X| E(x) ist wahr}, oder meist kurz {x ∈ X| E(x)}. Die so definierte Menge ist dann eine Teilmenge von X (s.u.). Man beachte: Eine bedingte (also teilweise) aufzählende Darstellung von unendlichen Mengen mit Pünktchenschreibweise“ ist zwar oft intuitiv und auch anschaulicher, aber ” niemals exakt. Definiert man zum Beispiel M := {1, 2, 4, 8, 16, . . .}, so suggeriert dies zwar M = {n ∈ N | n = 2k für eine k ∈ N}, aber es könnte genauso gut sein M = {1, 2, 4, 8, 16, 30, . . .} = {n ∈ N | n ist die Anzahl der Teiler von m! für ein m ∈ N} 1.5 Teilmengen Eine Menge A heißt Teilmenge einer Menge B, wenn jedes Element a aus A auch Element von B ist. Wir schreiben A ⊆ B. Oft findet man auch die Notation A ⊂ B. Zum Beispiel gilt {1, 2} ⊆ {1, 3, 2}. Insbesondere ist jede Menge Teilmenge von sich selbst: A ⊆ A. Falls A keine Teilmenge von B ist, so schreiben wir A 6⊆ B. Gilt A ⊆ B und B ⊆ A, so sind die Mengen gleich und wir schreiben A = B. Ist A ⊆ B, so nennt man B auch Obermenge von A. 9 1 Aussagen und Mengen 1.5.1 Leere Menge Die Menge ∅, die kein Element besitzt, wird als leere Menge bezeichnet. Achtung: Nicht zu verwechseln mit {∅} oder {0}; insbesondere ist {∅} = 6 ∅, aber ∅ ⊆ {∅} und ∅ ∈ {∅} (Anschaulich: Ein Sack, in dem ein leere Sack ist, ist selbst nicht leer). 1.6 Schnitt- und Vereinigungsmenge, relatives Komplement Seien A, B Mengen. Die Schnittmenge A ∩ B von A und B wird definiert als A ∩ B := {x|x ∈ A und x ∈ B}. Die Vereinigungsmenge A ∪ B von A und B wird definiert als A ∪ B := {x|x ∈ A oder x ∈ B}. Als relatives Komplement von B in A definiert man A \ B := {x ∈ A|x 6∈ B}. 1.6.1 Beispiel Mit A := {1, 2, 3} und B = {3, 4, 5} ist A ∩ B = {3} und A ∪ B = {1, 2, 3, 4, 5} sowie A\B = {1, 2}. 1.7 Die Quantoren Die Quantoren ∃ und ∀ sind logische Zeichen, die der abkürzenden Schreibweise in der Aussagenlogik dienen. Sei X eine Menge und E eine Eigenschaft, durch die für jedes x ∈ X eine Aussage E(x) gegeben ist. Wir schreiben in diesem Fall auch E(·), wobei der Punkt als Platzhalter für ein einzusetzendes Element steht. Dann bedeuten: ∃x ∈ X : E(x) : Es existiert ein x ∈ X so, daß E(x) wahr ist.“ (1.1) ” bzw. Es existiert ein x ∈ X mit der Eigenschaft E.“ ” ∀x ∈ X : E(x) : Für alle x ∈ X gilt E(x).“ (1.2) ” 10 1.7 Die Quantoren 1.7.1 Beispiel Sei X die Menge der Teilnehmer dieses Vorkurses und E(x) die Aussage: x trägt eine ” Brille.“ 1. Dann bedeutet (1.1): Mindestens ein Teilnehmer trägt eine Brille.“ In welchen ” Konstellationen ist diese Aussage wahr bzw. falsch? B 2. (1.2) bedeutet: Alle Teilnehmer tragen eine Brille.“ ” Diese Quantoren kann man auch iterativ verwenden: Seien X, Y Mengen und X × Y := {(x, y) | x ∈ X, y ∈ Y } das sog. kartesische Produkt od. auch Kreuzprodukt von X und Y und E eine Eigenschaft auf X × Y . Da man in diesem Fall zwei (möglicherweise) verschiedene Argumente für die Eigenschaft E hat, schreibt man hier auch E(·, ··). Dann bedeutet bspw. ∃x ∈ X : (∀y ∈ Y : E(x, y)) : Es existiert ein x ∈ X so, daß für alle ” y ∈ Y die Aussage E(x, y) gilt.“ (1.3) 1.7.2 Beispiel Sei X := Y := R. F(x, y) sei die Aussage x · y = 0. Dann bedeutet (1.3): Es existiert ” ein x ∈ R so, daß für alle y ∈ R x · y = 0 gilt.“ Ist diese Aussage wahr? Wenn ja, für welche x? B 1.7.3 Beispiel: Bedeutung der Reihenfolge der Quantoren Die Reihenfolge der auftretenden Quantoren ist für die Bedeutung der formulierten Aussage entscheidend. Die Aussagen ∀x ∃y : E(x, y) und ∃y ∀x : E(x, y) haben eine unterschiedliche Bedeutung. So unterscheiden sich die Aussagen Alle Anwesenden haben ” einen Schuh, der paßt.“ und Es gibt einen Schuh, der allen Anwesenden paßt.“ oder ” auch die Aussagen ∀x ∈ R \ {0} ∃y ∈ R : x · y = 1 und ∃y ∈ R ∀x ∈ R \ {0} : x · y = 1. 11 1 Aussagen und Mengen 1.8 Verneinung (Negation) von Aussagen Oft gelingt es bei einfachen Aussagen, diese nach Gefühl“ zu verneinen. Bei Aussagen, ” die selbst wieder Verknüpfungen anderer Aussagen sind, wird das jedoch immer unzuverlässiger. Es gibt aber eine ganz einfache Regel, wie das Negieren einer Aussage ganz mechanisch“ zu bewerkstelligen ist: ” • Behalte die Reihenfolge bei! • Vertausche ∃ und ∀ sowie ∨ und ∧. • Verneine alle auftretenden Aussagen. Die folgende Zusammenstellung listet Negierungen typischer Aussagetypen auf. Seien dabei A, B Aussagen, X, Y Mengen und E eine Eigenschaft. 1. ¬¬A := ¬(¬A) =||= A. 2. ¬(A ∧ B) = (¬A) ∨ (¬B). 3. ¬(A ∨ B) = (¬A) ∧ (¬B). 4. ¬(∀x ∈ X : E(x)) =||= (∃x ∈ X : ¬E(x)). Die Negation der Aussage Alle ” Teilnehmer waren pünktlich da“ ist die Aussage Mindestens ein Teilnehmer war ” unpünktlich“. 5. ¬(∃x ∈ X : E(x)) =||= (∀x ∈ X : ¬E(x)). Die Negation der Aussage Es gibt einen ” Teilnehmer mit Brille“ ist Alle Teilnehmer tragen keine Brille“, was natürlich eher ” als Kein Teilnehmer trägt eine Brille“ formuliert wird. ” 6. ¬ ∀x ∈ X : (∃y ∈ Y : E(x, y)) =||= ∃x ∈ X : (∀y ∈ Y : ¬E(x, y)) . Die Negation der Aussage Jeder Teilnehmer findet mindestens einen Satz des bisherigen Stoffes ” trivial“ ist die Aussage Es gibt einen Teilnehmer der alle bisherigen Sätze nicht” trivial findet“ 7. ¬ ∃x ∈ X : (∀y ∈ Y : E(x, y)) =||= ∀x ∈ X : (∃y ∈ Y : ¬E(x, y)) . Die Negation der Aussage Es gibt einen Teilnehmer, der alle Anwesenden bereits kennt“ ist ” Alle Teilnehmer kennen mindestens einen der Anwesenden nicht“. ” 1.8.1 Beispiel Seien X, Y Mengen und F eine Eigenschaft auf X × Y , welche für alle (x, y) ∈ X × Y eine Aussage F(x, y) definiert. Formulieren Sie mithilfe von Quantoren die Aussage Zu ” jedem x ∈ X findet man genau ein y ∈ Y so, daß F(x, y) gilt.“. Bilden Sie zudem die Negation dieser Aussage. 12 1.9 Die Zahlenbereiche N, Z, Q, R 1.9 Die Zahlenbereiche N, Z, Q, R Wir gehen an dieser Stelle davon aus, daß die grundlegenden Zahlenbereiche N, Z, Q, R bekannt sind und werden daher nur unformal and die wesentlichen Eigenschaften erinnern. Im Rahmen von fortführenden Vorlesungen werden Sie zumindest teilweise auch eine stringente Konstruktion dieser Zahlenbereiche und Herleitung der charakterisiernden Eigenschaften kennenlernen. Die natürlichen Zahlen N := {1, 2, 3, 4, . . .}: Es gibt eine kleinste natürliche Zahl, und jede Zahl n hat einen Nachfolger n + 1; es gibt also keine größte natürliche Zahl. In N sind die Rechenoperationen + und · uneingeschränkt ausführbar, d.h. für a, b ∈ N gilt a + b, a · b ∈ N. Die ganzen Zahlen Z = {..., −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, ...}: In Z besitzt die Gleichung x + b = a (a, b ∈ N, x unbekannt, a, b bekannt) in Z stets eine Lösung. Es gilt N ⊆ Z. In Z gibt es im Gegensatz zu N keine kleinste Zahl. In Z sind die Rechenoperationen +, − und · uneingeschränkt ausführbar. o n a Die rationalen Zahlen Q = x x = für ein a ∈ Z und ein b ∈ N : Zwischen b zwei rationalen Zahlen liegen stets noch (unendlich viele) andere rationale Zahlen. Es gilt Z ⊆ Q. In Q sind die Rechenoperationen +, − und · sowie teilen durch Elemente q ∈ Q\{0} uneingeschränkt ausführbar. Die reellen Zahlen Es gibt keine Zahl q ∈ Q, für die gilt q 2 = q · q = 2. Also: √ 2 ist irrational“. ” Beweis. Siehe Kapitel ??. Jede rationale Zahl läßt sich als endliche oder periodische Dezimalzahl schreiben und umgekehrt stellt jede endliche oder periodische Dezimalzahl eine rationale Zahl dar. In diesem Kontext soll es genügen, sich unter der Menge R der reellen Zahlen alle möglichen Dezimalzahlen vorzustellen, also endliche, periodische und nicht endliche, nicht periodische Dezimalzahlen. Es gilt N ⊆ Z ⊆ Q ⊆ R. 1.9.1 Beispiel 1∈N 1, 17 ∈ Q 13 1 Aussagen und Mengen 1 = 0.3333... ∈ Q ist periodisch, nicht endlich 3 √ 2 = 1, 41421... ∈ R ist nicht periodisch, nicht endlich π = 3.14159... ∈ R ist nicht periodisch, nicht endlich. Mit der Zahl π identifizieren wir die Länge eines Halbkreisbogens mit dem Radius 1. 1.10 Rechenregeln für reelle Zahlen und Ordnungsrelationen Wir vereinbaren für x, y ∈ R: x = y steht für x ist gleich y“, ” x < y steht für x ist echt kleiner als y“, ” x ≤ y steht für x ist kleiner oder gleich y“, ” x > y steht für x ist echt größer als y“, ” x ≥ y steht für x ist größer oder gleich y“. ” Die reellen Zahlen können auf der Zahlengeraden veranschaulicht werden. Jeder reellen Zahl entspricht genau ein Punkt auf der Zahlengeraden und umgekehrt. Für zwei beliebige reelle Zahlen x, y kann eindeutig entschieden werden, ob x < y, x = y oder x > y gilt. Auf der Menge der reellen Zahlen ist also ein Ordnungsstruktur gegeben. Für diese gelten folgende 1.10.1 Regeln für das Rechnen mit Ungleichungen Seinen a, b, c ∈ R. Dann gilt Aus a < b und b < c folgt a < c. Aus a < b und c > 0 folgt ac < bc Aus a < b und c < 0 folgt ac > bc Aus a < b folgt a + c < b + c ab > 0 gilt genau dann, wenn (a > 0 und b > 0) oder (a < 0 und b < 0) ab < 0 gilt genau dann, wenn (a > 0 und b < 0) oder (a < 0 und b > 0) ab = 0 gilt genau dann, wenn (a = 0 oder b = 0) Entsprechende Aussagen gelten auch für ≤ und ≥ anstelle von < bzw. >. Für das Rechnen mit den reellen Zahlen gelten folgende 14 1.11 Intervalle Rechenregeln Kommutativgesetz der Assoziativgesetz der Addition a+b=b+a Multiplikation ab = ba Addition (a + b) + c = a + (b + c) Multiplikation (ab)c = a(bc) Distributivgesetz a(b + c) = ab + ac 1. binomische Formel (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 2. binomische Formel (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 3. binomische Formel (a + b)(a − b) = a2 − b2 Vorzeichenregeln −(−a) = a −(a + b) = −a − b −(a − b) = −a + b Die Regeln der Bruchrechnung werden als bekannt vorausgesetzt. 1.10.2 Beispiel Lösen Sie die folgenden Ungleichungen und geben Sie die Lösungsmenge L := {x ∈ R| Ungleichung bzw. Gleichung ist für x definiert und x erfüllt sie} an: x − 2 > 2x − 1 B 2(x − 1) < 6(x + 53 ) B 1.11 Intervalle Seien a, b ∈ R mit a ≤ b. 1.11.1 Definition Das offene Intervall (a, b) ist die Menge (a, b) = {x ∈ R|a < x < b}. 15 1 Aussagen und Mengen Das abgeschlossene Intervall [a, b] ist die Menge [a, b] = {x ∈ R|a ≤ x ≤ b}. Die halboffenen Intervalle sind definiert als die Mengen (a, b] = {x ∈ R|a < x ≤ b}, [a, b) = {x ∈ R|a ≤ x < b} Ist speziell a = b, so gelten [a, a] = {a}, bzw. [a, a) = (a, a] = (a, a) = ∅. Als Intervallgrenzen sind auch ±∞ zugelassen. Daraus ergeben sich fünf weitere unbeschränkte Intervalltypen: (−∞, a) := {x ∈ R|x < a} (a, ∞) := {x ∈ R|x > a} (−∞, ∞) := R (−∞, a] := {x ∈ R|x ≤ a} [a, ∞) := {x ∈ R|x ≥ a} Der Schnitt zweier Intervalle ist stets ein Intervall (evtl. die leere Menge). Die Vereinigung zweier Intervalle kann ein Intervall sein, muss es aber nicht. 1.11.2 Beispiel [3, 4] ∩ [1, ∞)=[3,4] [−2, 0) ∩ (−1, 0] = (−1, 0) [4, 7] ∩ [8, 9) = ∅ [7, 8] ∩ [8, 9) = [8, 8] = {8} [4, 5) ∪ (−3, 1] ist kein Intervall [4, 5] ∪ (−3, 4) = (−3, 5] 16 Literaturverzeichnis [1] H. Amann und J. Escher Analysis I, Birkhäuser, Basel, 2006 [2] E. Cramer und J. Nešlehová, Vorkurs Mathematik. Arbeitsbuch zum Studienbeginn in Bachelor-Studiengängen., EMIL@A-stat, Springer, 2008 [3] R. Janßen und K. Benecke, Studienvorbereitung: Mathematik in den Naturwissenschaften -Teil 1-, Oldenburg, 1996 [4] W. Schäfer und K. Georgi, Vorbereitung auf das Hochschulstudium, BSB B. Teubner Verlagsgesellschaft, 1985 17 Index <, 14 =, 14 >, 14 A \ B, 10 L, 15 ⇔, 7 N, 13 Q, 13 ⇒, 7 Z, 13 ∅, 10 ≥, 14 ∈, 8 ≤, 14 ¬, 7 π, 14 ⊆, 9 ∨, 7 ∧, 7 Kreuzprodukt, 11 Lösungsmenge, 15 leere Menge, 10 logische Verknüpfungen, 7 Menge, 8 natürliche Zahlen, 13 Negation, 12 Obermenge, 9 Quantoren, 10 rationale Zahlen, 13 reelle Zahlen Rechenregeln, 14 relatives Komplement, 10 Schnittmenge, 10 Aussage, 6 Teilmenge, 9 binomische Formeln, 14 Bogenlänge des Einheitskreises, 14 Bruchrechnung, 15 Ungleichungen Regeln, 14 Eigenschaft, 9, 10 Element einer Menge, 8 ganze Zahlen, 13 Intervall, 15 abgeschlossenes, 16 offenes, 15 kartesisches Produkt, 11 18 Vereinigungsmenge, 10 Verneinung, 12