e. Prävention und Mobilisierung: Reha-statt-Pflege

Werbung
Empfehlungen der Reformarbeitsgruppe Pflege
zur Verbesserung des Pflegeangebotes, Attraktivierung der
Pflegeberufe, Optimierungen und Finanzierung in Österreich
[1]
Inhalt
Präambel .................................................................................................................................. 3
a.
Ausgangslage ........................................................................................................................... 3
b.
Ziele ......................................................................................................................................... 4
1.
Weiterentwicklung der Pflege- und Betreuungsangebote .................................................. 5
a.
Gemeinsame Angebots-, Qualitäts- und Versorgungsziele ..................................................... 5
b.
Casemanagement ...................................................................... Error! Bookmark not defined.
c.
Hospiz und Palliative Care ....................................................................................................... 8
d.
Demenz.................................................................................................................................... 9
e.
Prävention und Mobilisierung: Reha-statt-Pflege ................................................................. 10
2.
Pflegende Angehörige..................................................................................................... 11
a.
Pflegekarenz und Pflegeteilzeit ............................................................................................. 11
b.
Frauen als pflegende Angehörige .......................................................................................... 12
c.
Pflegende Kinder und Jugendliche ........................................................................................ 13
d.
Erhöhung der Selbstständigkeit im häuslichen Umfeld ........................................................ 14
3.
Personal ......................................................................................................................... 15
a.
Personalbedarf ...................................................................................................................... 15
b.
Ausbildungsoffensive ............................................................................................................ 16
c.
Personalausbildung ............................................................................................................... 17
d.
Erhaltung der Arbeitsfähigkeit .............................................................................................. 18
4.
Finanzierung................................................................................................................... 19
a.
Steuerfinanzierung statt Pflegesozialversicherung ............................................................... 19
b.
Sozialhilfelogik, Vermögenseinsatz und Regress ................................................................... 20
c.
Kostenprognose..................................................................................................................... 21
[2]
Präambel
a. Ausgangslage
Mit der Schaffung eines bundesweiten Pflegegeldes und einer 15a-Vereinbarung von Bund
und Ländern über die Pflegevorsorge wurde mit 1993 beginnend die letzten 20 Jahre von
Bund, Ländern und Gemeinden ein umfassendes Pflegesystem mit einer Basis von Geldleistungen für freie und selbstbestimmte Wahl der Pflege und Betreuung sowie eines kontinuierlichen Ausbaus von vielfältigen Pflegediensten vor Ort, mobil bis stationär, aufgebaut.
Mit über 5% PflegegeldbezieherInnen an der Bevölkerung ist das österreichische Pflegegeld
niederschwellig im Zugang, mit sieben Stufen bedarfsgerecht differenziert. Das Pflegegeld
wurde per 1.1.2012 überdies in alleinige Bundeskompetenz übertragen, die Vollziehung auf
sieben Träger konzentriert und damit Verwaltungseffizienz und Bürgerservice gestärkt. Gemäß Rechnungshof-Empfehlung werden Verfahren im Schnitt unter 60 Tagen abgeschlossen,
in nur 4% wird gegen die Einstufung beeinsprucht. Bei jährlich 20.000 Hausbesuchen wird die
Pflegesituation geprüft und in nur 1,4% pflegerische Mängel festgestellt. Dabei werden auch
pflegende Angehörige beraten und über Entlastungsangebote durch soziale Dienste, aber
auch Unterstützungsmöglichkeiten für Ersatzpflege sowie die sozialversicherungsrechtliche
Absicherung durch den Bund informiert.
Mit ihrer Pension und dem Pflegegeld kaufen rund 50% aller Pflegebedürftigen verschiedene
Leistungen zu, von unterstützenden mobilen Diensten für zu Hause, über Tagesbetreuungen
bis hin zum Pflegeheimaufenthalt. Länder und Gemeinden sorgen nicht nur für die Planung
und Verfügbarkeit dieser Angebote, sondern finanzieren diese mit, da sie sonst für die meisten Pflegebedürftigen nicht leistbar wären.
Um die Länder und Gemeinden bei der Finanzierung der sozialen Pflegedienstleistungen zu
unterstützen, wurde im Jahr 2011 vom Bund ein Pflegefonds vorerst bis 2014 eingerichtet,
wobei 2/3 vom Bund und 1/3 von den Ländern und Gemeinden getragen werden.
Mobile Dienste werden daher zu sozial gestaffelten, öffentlich subventionierten Kostenbeiträgen angeboten. Bei Pflegeheimaufenthalten wird derzeit hingegen, bevor die Unterstützung der Länder und Gemeinden eintritt, die fast vollständige Vermögensverwertung, inkl.
Eigenheim, gefordert.
Das österreichische Pflegesystem steht im internationalen Vergleich sehr gut da. Im Pflegegeldbezug sind wir OECD-weit führend1. Die Versorgung mit mobilen Diensten und stationären Einrichtungen ist hoch. Zahlreiche Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige
(Ersatzpflegeförderung, SV-Absicherung etc.) helfen die Familien, und dort insbesondere die
Frauen, die den Großteil der Pflege übernehmen, zu entlasten. Hausbesuche durch Pflegekräfte bei PflegegeldbezieherInnen und die Pflegeombudseinrichtungen sowie die Ausdehnung der Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft auf Pflegeheime sorgen für Qualitätssicherung, Kontrolle und Transparenz über das Wohlergehen der Betroffenen.
1
OECD Health Data 2010
[3]
b. Ziele
Aufbauend auf dem guten Pflegesystem Österreichs haben sich Bund, Länder, Gemeinden,
Dienstleister und Interessensvertretungen intensiv Gedanken gemacht, welche Verbesserungen nötig sind, um die Herausforderungen der nächsten Jahre zu meistern und den Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf Hilfe, Sicherheit und Qualität zu garantieren.
Ergebnis ist ein Paket mit vielen Maßnahmen in verschiedenen Inhalts- und Zuständigkeitsbereichen. Die Zeit bis zum nächsten Finanzausgleich soll genutzt werden, um rasch Reformen
zu beginnen, die ein gutes Dienstleistungsangebot auch für die Zukunft sichern.
Die Menschen brauchen ein sicheres Gefühl, dass dann, wenn es notwendig ist, bedarfsgerechte Pflege- und Betreuungsdienste verfügbar sind, um die Angehörigen zu entlasten,
Vereinbarkeit von Beruf und Pflege möglich zu machen, oder ganz die Pflege und Betreuung
zu gewährleisten.
Dafür muss das Dienstleistungsangebot weiterhin ausgebaut werden, etwaige Versorgungslücken sind zu schließen. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Ausbau von Casemanagement
zur besseren Angebotszuordnung, neuen Angeboten für Demenzkranke, Implementierung
einer Hospiz- und Palliativkultur. Versorgung, Leistungen und Kostenbeiträge müssen transparent, qualitätsvoll und leistbar sein.
Ausreichendes, motiviertes und kompetentes Pflegepersonal muss sichergestellt werden.
Pflege- und Betreuungsberufe sollen attraktiver, die Ausbildung modular mit Aufstiegsmöglichkeiten, Tätigkeitsfelder den realen Notwendigkeiten angepasst werden. Eine Pflegeausbildung soll auch für bereits berufstätige Menschen sowie Menschen mit Migrationshintergrund ermöglicht werden, sowie auch mehr Männer für diese Ausbildung motiviert werden.
Um die Herausforderungen aus weiterem demografisch notwendigem Ausbau von Pflegediensten, Verbesserung der Personalsituation und Sicherstellung der Finanzierung zu meistern, müssen auch Optimierungen im System stattfinden. Best-Practice-Beispiele, die bereits
in Ländern, Gemeinden oder Pflegeeinrichtungen gelebt werden, können österreichweit angewandt Effizienzsteigerungen, Synergiepotenziale und Schnittstellenbereinigungen bewirken, die bei gleichem Mitteleinsatz zu weniger Bürokratie und mehr Nutzen für Betroffene
und Akteure führen können.
Um präventiv zu wirken und die Selbstständigkeit lange zu erhalten, sollen altersgerechte Sanierungen, sowie der Zukunftszweig Ambient Assisted Living gefördert werden.
Die Finanzierung der Pflege erfolgt durch die Pensionen und das Pflegegeld, mit dem die Betroffenen ihre Pflege frei wählen können. Dienste und Heime werden zusätzlich von Ländern
und Gemeinden aus deren Budgetmitteln und dem Pflegefonds mitfinanziert. Diese Mitfinanzierung soll so gestaltet werden, dass Beiträge für mobile Dienste sozial gestaffelt und leistbar sind und bei stationären Diensten Regresse harmonisiert werden. Die Mittelaufbringung
soll weiterhin budgetfinanziert und damit über die Breite des Steueraufkommens gesichert
werden. Intelligente Optimierungen von Strukturen, Prozessen und Leistungsallokationen
sollen die logischen Kostensteigerungen in einem moderaten und finanzierbaren Rahmen
halten. Mit der langfristigen Implementierung des Pflegefonds könnte auch die derzeit legistisch gesondert geregelte 24h-Betreuung integriert werden.
[4]
1. Weiterentwicklung der Pflege- und Betreuungsangebote
Die Versorgung mit sozialen Dienstleistungen ist in Österreich seit Einführung des Pflegegeldgesetzes erheblich verbessert und ausgebaut worden. Trotzdem bestehen gerade in regionaler Hinsicht erhebliche Unterschiede, einerseits bei der Versorgung mit mobilen und stationären Diensten, vielmehr aber noch beim Ausbau jüngerer Versorgungsformen wie teilstationärer Dienste, alternativer Wohnformen und Kurzzeit- und Übergangspflege. Dies kann zu einem Teil auf regionale Unterschiede im Bedarf zurückgeführt werden, allerdings sind Lücken
in der Versorgung festzustellen, die durch Ausbau des bestehenden Angebotes bzw. Aufbau
neuer innovativer Formen aufzufüllen sind.
Dabei geht zweierlei Hand in Hand einher: die Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung
mit längerem Verbleib zu Hause und gleichzeitig ökonomisch günstigere Dienstleistungen,
um die Pflege weiterhin sicher finanzierbar und individuell leistbar zu halten.
a. Gemeinsame Angebots-, Qualitäts- und Versorgungsziele
Der Rechnungshof kritisiert, dass durch die fehlende bundeseinheitliche Gesetzgebung in den
einzelnen Bundesländern stark divergierende Leistungsstandards bestehen. Dies betrifft
Strukturparameter (Personalschlüssel, Pflegeheimgröße, Ausstattung), Qualitätssicherung,
Verfügbarkeit von Leistungen und bei den Kosten und Tarifen, aber auch innerhalb der Länder bestünden solche Unterschiede, die exakte Umsetzung der Landesvorgaben werde nicht
realisiert.2
M1 Die Länder bekennen sich im Sinne des Beschlusses der LandessozialreferentInnenkonferenz vom Juni 2012 zur Weiterentwicklung von Harmonisierungsmaßnahmen
der Angebotsstruktur und Angebotsqualität der Pflegedienstleistungen unter Einbindung der Sozialpartner und unter der Voraussetzung der Kostenneutralität. Die
regionale Bedürfnis- und Bedarfsorientierung der Angebote muss sichergestellt sein.3
M2 Dabei gilt der Grundsatz: Vorrang ambulanter Leistungen.4 Dies soll nicht nur in der
Angebotsplanung, sondern auch durch Casemanagement und in den Kostenbeiträgen
berücksichtigt werden. Dies entspricht gleichzeitig auch dem Wunsch der Betroffenen, lange in der gewohnten Umgebung bleiben zu können.
Mit dem Pflegefondsgesetz wurden bereits strategische Eckpfeiler zu einer langfristigen Weiterentwicklung Richtung Harmonisierung von Leistungsangeboten, Leistungsversorgung,
Transparenz und Steuerung gesetzt5:


Definition gemeinsamer Kernleistungen, die über den Pflegefonds förderbar sind
Messgrößen und Kennzahlen, die Aufbau, Ausbau und Sicherung von Leistungen definieren
2
Rechnungshof - Arbeitsgruppe Verwaltung Neu, Arbeitspaket 10, S. 17f
Beschluss der LandessozialreferentInnenkonferenz vom 14.06.2012, Kennzeichen VSt-6657/42
4 Beschluss der LandessozialreferentInnenkonferenz vom 14.06.2012, Kennzeichen VSt-6657/42
5 PflegefondsG, BGBl I Nr. 57/2011
3
[5]


Transparenz über die Pflegeleistungen durch Schaffung einer Pflegedienstleistungsstatistik
Verpflichtung zu Ausbau- und Entwicklungsplänen für eine strukturierte Pflegepolitik
Neben der Harmonisierung von einzelnen Parametern (Angebotsdefinitionen, Kostenschlüssel, Leistungseinheiten etc.) soll versucht werden, den Fokus auf eine Ergebnisorientierung
zu richten. Dieser hat das Ziel der flächendeckenden, bedarfsorientierten Versorgung der
pflegebedürftigen Bevölkerung in regionalen Einheiten. Der in den jeweiligen Planungsregionen erhobene Pflegebedarf der Bevölkerung ist im Hinblick auf eine Bedürfniserfüllung sicherzustellen. Der jeweilige Betreuungsmix durch Angehörigenpflege, mobile Dienste, stationäre Pflege oder alternative Angebote kann regional unterschiedlich sein, muss aber insgesamt den Bedarf erfüllen und qualitätsgesichert sein. Die auf vergleichbaren inhaltlichen
Grundlagen durchgeführte Bedarfs- und Entwicklungsplanung der Länder soll, aufgegliedert
in regionale Einheiten, sowohl den aggregierten Pflegebedarf einschätzen als auch den damit
zusammenhängenden Personalbedarf. Dies umfasst die Erhebung der Ist-Situation, die Bedarfseinschätzung sowie die regelmäßige Evaluierung und Anpassung der Planungsgrundlagen.
M3 Der Bund soll diese Pläne im Rahmen einer bundesweiten Versorgungslandkarte darstellen.
M4 Qualitätssicherung durch Entwicklung und Implementierung von Qualitätssicherungssystemen stationärer6 und mobiler Dienste.
6
wie z.B. NQZ
[6]
b. Casemanagement
Oft fehlt es den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen an Orientierung und Information
über die Angebote des Pflegesystems. Pflegebedürftigkeit tritt oft rasch ein, auch nach einem
Krankenhausaufenthalt. In der Praxis sind Angehörige oft überfordert oder finden nicht die
optimale Versorgung für ihre Situation. Ein Einzug ins Pflegeheim wäre in Einzelfällen nicht
notwendig, wenn die Vielfalt an niederschwelligen Unterstützungsangeboten mobiler Pflege
oder Tageseinrichtungen bekannt wäre.
Eine bekannte und umfassende Beratungsstelle soll sowohl Erstinformationen geben können,
als auch beraten, wie Pflegegeld beantragt werden kann, welche Pflegedienstleistungen in
der Region verfügbar sind und welches das optimale Versorgungsmodell für den jeweiligen
Pflegebedürftigen und die Familie, Männer und Frauen, darstellt.
Als zentrales Instrument wird daher ein so genanntes Casemanagement gesehen, es umfasst
viele unterschiedliche Dienstleistungen und kann an verschiedenen Schnittstellen des Gesundheits- und Sozialbereichs angesetzt werden (Krankenhaus, regionale Ebene etc.).
Ein erster Schritt dazu war die Betonung der Bedeutung des Casemanagements im Pflegefondsgesetz und die damit verbundene gezielte Finanzierung dieser Leistungen in den Bundesländern:



Sozial-, Betreuungs- und Pflegeplanung auf Basis individueller Bedarfsfeststellung,
Organisation der notwendigen Betreuungs- und Pflegedienste und
Nahtstellenmanagement
In den Sicherungs-, Aus- und Aufbauplänen der Länder kommt dem Ausbau des Casemanagements eine immer größere Bedeutung zu und kann durch den Pflegefonds gezielt gefördert
und forciert werden.
M5 Schrittweise Entwicklung eines flächendeckenden, grundsätzlich (träger)unabhängigen Casemanagements







Information und Beratung für Betroffene und Angehörige
Erstabklärung
Ermittlung des Pflegebedarfs gemeinsam mit den Betroffenen (Art und Umfang)
Information der pflegenden Angehörigen unter besonderer Bedachtnahme der Vereinbarkeit von Beruf und Pflegebetreuung
Berechnung der Kosten für die gewünschten Pflegeleistungen
Organisation der Pflege- und Betreuungsmaßnahmen
Beratung über Hilfsmittel (wie Gehhilfen, Krankenbetten, Einlagen etc.)
M6 Basierend auf standardisierten Bedarfsfeststellungsmethoden soll ein für Österreich
angepasstes Modell zur Bedarfsfeststellung beim Casemanagement entwickelt werden.
M7 Schrittweiser Ausbau durch Finanzierung aus dem Pflegefonds.
Es sollen, wo Ansätze eines Casemanagements, Schnittstellen- oder Entlassungsmanagements bestehen, bei einer Neuorganisation keine Doppelgleisigkeiten aufgebaut werden.
[7]
c. Hospiz und Palliative Care
Krankheitsverläufe im Alter haben sich in den letzten zehn Jahren sehr stark verändert. Die
ca. 800 Alten- und Pflegeheime in Österreich sind damit konfrontiert, dass viele alte Menschen in immer schlechterem Zustand, multimorbid und oftmals an Demenz erkrankt ins
Pflegeheim kommen. Die BewohnerInnen brauchen palliative Betreuung auf der Ebene der
Medizin, der Pflege, der therapeutischen und spirituellen Begleitung vom ersten Tag der Betreuung und Begleitung an. Die Alten- und Pflegeheime sehen sich in zunehmendem Maße
mit der veränderten Situation (Multimorbidität, Demenz, kürzere Verweildauer) konfrontiert.
Die Pflegenden sind oftmals in Situationen, wo sie keine andere Wahl haben, als in ein Krankenhaus zu überweisen. Vermeidbare Krankenhaustransporte bedeuten Qualitätsminderung
für die BewohnerInnen, Belastung für die Pflegenden, aber auch für die Angehörigen und
sind mit hohen Kosten verbunden, die vermeidbar wären.
Neben der Finanzierungsklarheit zwischen Akut- und Langzeitpflegesektor müssen die jeweiligen Domänen ihre Verantwortung zur nötigen Versorgung wahrnehmen.
Der Ansatz von Hospiz Österreich zielt nicht auf die Schaffung neuer stationärer Hospizeinrichtungen ab, sondern vielmehr wird Hospiz- und Palliative Care-Kultur in bestehende Institutionen integriert und somit zu einem Bestandteil des Alltags aller BewohnerInnen und Beschäftigten des Hauses:



Verbesserte Schmerz- und Symptomkontrolle steigert die Lebensqualität der pflegebedürftigen Personen (vor allem auch bei BewohnerInnen mit Demenzerkrankung)
und in weiterer Folge auch die ihrer Angehörigen.
Psychische und physische Belastungen der Betreuungskräfte können reduziert werden, dadurch kommt es zu einer geringeren Zahl an Krankenständen und weniger
Personalfluktuation.
Entlastung des Budgets durch eine Reduktion der Aufenthalte in Akutspitälern sowie
durch Vermeidung unnötiger Krankenhaustransporte.
M8 Für die Hospiz- und Palliativbetreuung – stationär, teilstationär, mobile Dienste – ist
aufbauend auf der vom ÖBIG ausgearbeiteten abgestuften Versorgung ein konkretes
Organisations- und Finanzierungskonzept auszuarbeiten. Prioritär ist dabei die Kinder-Hospiz- und Palliativbetreuung umzusetzen.
M9 Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bedarf es laufender Fortbildungsmaßnahmen der MitarbeiterInnen, z.B. gibt es von Hospiz Österreich dafür ein Curriculum.
M10 Stärkere Bewusstmachung der Familienhospizkarenz sowie der psychologischen bzw.
psychotherapeutischen Betreuungsangebote für pflegende Angehörige, die zum
Zweck der Betreuung und Begleitung sterbender Angehöriger oder schwerst erkrankter Kinder ihre Arbeitszeit reduzieren oder sich karenzieren lassen können.
[8]
d. Demenz
Rund 100.000 Personen in Österreich leiden an einer demenziellen Erkrankung, nach Schätzungen werden es im Jahr 2050 über 240.000 Menschen sein. Der enorme Anstieg ist durch
die höhere Lebenserwartung und die zunehmende Zahl von älteren Menschen zu erklären.
Eine Früherkennung dieser Krankheit ist äußerst wichtig, um den Verlauf verlangsamen zu
können und für Betroffene mehr Lebensqualität zu erreichen. Je früher eine Demenzerkrankung festgestellt wird, desto eher können medikamentöse und therapeutische Maßnahmen
gesetzt werden. Daher
M11 Früherkennung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen durch Implementierung
von Frühdiagnosetools, frühe Diagnostizierung im Pflegeheim durch geriatrisch spezialisierte Fachkräfte
Gerade bei demenziellen Erkrankungen ist ab einem gewissen Schweregrad eine Betreuungsperson wichtig. Es stehen dabei weniger pflegerische Maßnahmen, als eher Aufsicht,
Begleitung, Aktivierung bis Betreuung im Zentrum, um, je nach Stadium oder Bedarf, die Sicherheit, das soziale Leben oder die kognitive Förderung zu fördern.
M12 Entwicklung eines Aktivitäten-Katalogs, der mit Menschen in Altenheimen durchgeführt und in den Alltag eingebaut werden kann, Implementierung von Standards zur
mentalen Fitness der zu Pflegenden inkl. Schulungstools für PflegerInnen, Heimhilfen,
Angehörige.
Der Großteil der Menschen mit demenziellen Erkrankungen wird zu Hause von ihren Familienangehörigen gepflegt und betreut, oft auch ohne die Unterstützung von professionellen
sozialen Diensten. Die häusliche Pflege von Demenzkranken stellt sich für pflegende Angehörige als eine ununterbrochene Belastungs- und Stresssituation dar und führt mitunter auch
zu einem sozialen Rückzug und zu Isolation. Wissenschaftliche Studien belegen, dass gerade
die demenzbedingten Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen der Pflegebedürftigen
für Angehörige extrem belastend sind.
Betreuungskräfte mit demenzieller Zusatzschulung sollen einen niederschwelligen, aber
mehrstündigen Betreuungsservice darstellen, um damit die Lücke zwischen mobilen Einzelstunden und voller 24h-Betreuung zu schließen.
M13 Alltagsbegleitung soll – nicht nur für Demenzkranke – die Möglichkeit schaffen,
mehrmals wöchentlich bzw. für mehrere Stunden pro Tag diese Dienste in Anspruch
zu nehmen. Durch den Lückenschluss im Angebot kann bedarfsorientierter betreut
werden, als bei (Ganz-)Tageszentren oder (Ganz-)24h-Betreuung. Darüber hinaus
kann es auch zu einer Verzögerung einer allfälligen stationären Unterbringung kommen, was einen Kostendämpfungseffekt mit sich bringt.
[9]
e. Prävention und Mobilisierung: Reha-statt-Pflege
Untersuchungen haben gezeigt, dass Reha-Leistungen der Sozialversicherung in der Altersgruppe ab 65 stark abnehmen.
Der Eintritt der Pflegebedürftigkeit könnte verzögert werden bzw. der Verbleib in einer niedrigeren Pflegestufe verlängert werden, wenn ausreichende und zielgerichtete RehaMaßnahmen speziell mit dem Ziel einer Remobilisierung und Aktivierung zur Hintanhaltung
von Pflegebedürftigkeit angeboten und durchgeführt werden.
Dies würde positive Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen haben sowie mittelund langfristig gesehen Kosten der öffentlichen Hand vermindern.
Schnittstellen zur medizinischen Versorgung in Spitälern und durch niedergelassene ÄrztInnen sind allerdings bei der Rehabilitation, aber auch bei der Übergangspflege sowie bei Heilbehelfen und Hilfsmitteln unzureichend geregelt bzw. lassen Lücken offen, sodass eine bedarfsadäquate Betreuung nicht gesichert ist.
Gerade ältere Menschen sind nach einem Krankenhausaufenthalt noch nicht stabil genug für
die häusliche Pflege, mangels Angeboten in den Bereichen Akutgeriatrie, Remobilisation,
Reha- oder Übergangs-Pflege wird ein Pflegeheimplatz erforderlich. Dadurch kommt es oftmals auch zu der Situation, dass die Wohnung aufgegeben werden muss und keine Rückkehr
mehr möglich ist.
Neben den bestehenden Versorgungslücken (Plätze für Akutgeriatrie und Remobilisation und
zu wenig Kurzzeit- bzw. Übergangspflegeplätze) besteht zudem eine oft unbekannte Situation
über die Leistungsverpflichtungen von Sozialversicherung und Sozialhilfe. Dies betrifft nicht
nur die Finanzierung der Rehabilitationsmaßnahmen, sondern auch die Finanzierung notwendiger Heilmittel bzw. Heilbehelfe.
Für Personen, die sich in stationären Einrichtungen befinden, besteht grundsätzlich wie für
alle anderen Personen Anspruch auf die Leistungen der Krankenbehandlung und auf Maßnahmen der Rehabilitation, außer wenn sie dort im Rahmen ihrer gesamten Betreuung ärztliche Hilfe und Heilmittel erhalten.
M14 Definition eines optimalen Betreuungsnetzes (Verbesserung des Entlassungsmanagements, vom Krankenhaus über die Rehabilitation oder die befristete stationäre
Übergangspflege zur Betreuung durch mobile Dienste zu Hause) und Schließung von
vorhandenen Lücken durch Klärung der Zuständigkeiten bei der Kostenübernahme
M15 Entwicklung von Remobilisations- und Rehabilitationspflege in allen Bundesländern
nach einheitlichen Qualitäts- und Förderrichtlinien, um stationäre Aufenthalte in
Langzeitpflege zu verhindern oder zumindest die Aufnahme verzögern zu können
M16 Forcierung von gesundheitsfördernden Projekten für ältere Menschen insbesondere
in den Settings Pflegeheime und Gemeinden bzw. Tageszentren/MehrGenerationenhäusern
[10]
2. Pflegende Angehörige
a. Pflegekarenz und Pflegeteilzeit
Die Hälfte aller pflegenden Angehörigen ist berufstätig, davon ein Drittel vollzeitbeschäftigt.7
Pflegebedürftigkeit tritt oft unerwartet ein, in Fällen schwerer Erkrankung oder Unfällen von
Kindern/Jugendlichen und/oder älteren Angehörigen (z.B. Schlaganfall) in der Familie. Angehörige sind mit einer neuen Situation konfrontiert, die Zeit braucht, um Pflegeberatung in
Anspruch zu nehmen, Pflegegeldanträge zu stellen und vor allem eine optimale Betreuungssituation zu überlegen und zu organisieren. Unmittelbar sind Angehörige damit konfrontiert,
selbst die Pflege zu übernehmen.
Die Möglichkeit einer (zeitlich befristeten) Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit hilft den arbeitenden Familienangehörigen in der ersten Phase der Pflege, diese selbst zu übernehmen und
nach einer passenden Lösung zu suchen.
Für die Suche nach bzw. die Zeit bis zur Verfügbarkeit von einem adäquaten Heimplatz oder
einer Tagesbetreuung gewährt die Pflegekarenz/Pflegeteilzeit die notwendige Zeit, die optimale Betreuungslösung zu finden.
M17 Eine Pflegekarenz soll für die betroffenen Personen einen Motivkündigungsschutz
beinhalten. Die finanzielle Absicherung soll in Anknüpfung an vergleichbare Modelle
erfolgen. Die Umsetzung ist gemeinsam mit den Sozialpartnern für 2013 angestrebt.
7
KOBV-Umfrage über den Informationsstand und Unterstützungsbedarf von Pflegebedürftigen und
pflegenden Angehörigen, 2012
[11]
b. Frauen als pflegende Angehörige
Nach der Auswertung der im ersten Halbjahr 2012 im Rahmen der „Qualitätssicherung in der
häuslichen Pflege“ durchgeführten Hausbesuche wird die Betreuung und Pflege von Familienmitgliedern im häuslichen Bereich zu über 73% von Frauen durchgeführt, auch auf Grund
ihrer höheren Lebenserwartung. Das Durchschnittsalter der pflegenden Frauen beträgt rund
59 Jahre, jenes der Männer ca. 65 Jahre. Manche der pflegenden Angehörigen betreuen sogar zwei und mehrere Familienangehörige/Bekannte.
Die Pflege der Eltern steht im Vordergrund, in 47% der Haubesuche pflegen die Kinder oder
Schwiegerkinder, gefolgt von den (Ehe)partnerInnen (28%) und den Eltern (7%). Nur zu einem geringen Prozentsatz führen andere Verwandte, Nachbarn oder Bekannte die Pflege
durch.
Je höher die Pflegegeldstufe, desto weniger wird eine Erwerbstätigkeit für pflegende Angehörige realisierbar. Wie eine Umfrage des KOBV ergab, üben 54% der pflegenden Angehörigen keine Berufstätigkeit aus. Schon bei Gebrechlichkeit und beginnender Demenz von Angehörigen stellt sich, meist für die Frau, die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und beginnender Pflegebetreuung.
Erschwerend kommt hinzu, dass viele pflegende Angehörige (oder Bekannte) zudem ihre eigene Kernfamilie zu versorgen haben und somit vor einer Mehrfachbelastung stehen. Für
Frauen in dieser Rolle resultieren multifaktorielle Belastungen.
Bisher wurden bereits einige Maßnahmen initiiert und angeboten, um Frauen in der Situation
als pflegende Angehörige zu entlasten. Hierzu gehören z.B. die Selbstversicherung für Zeiten
der Pflege naher Angehöriger, die Einrichtung von Beratungsangeboten für Pflegebedürftige
und ihre Angehörigen oder die Verbesserungen im Rahmen der Familienhospizkarenz.
M18 Eine Entlastung durch die Bereitstellung von Angeboten zur Kurzzeitpflege und Tagesbetreuung sowie flexible Betreuungsmöglichkeiten am Wochenende und/oder am
Abend wird angestrebt.
M19 Bessere Vereinbarkeit von Beruf und beginnender Pflegebedürftigkeit der Betroffenen durch Ausbau von Tageszentren oder Öffnung der bestehenden Alten- und Pflegeheime für Tagesgäste zur Entlastung der Angehörigen.
[12]
c. Pflegende Kinder und Jugendliche
Vom BMASK wurde auf Grund eines parlamentarischen Entschließungsantrags das Institut für
Pflegewissenschaften der Universität Wien beauftragt, eine Studie betreffend „Pflegende
Kinder und Jugendliche“, sogenannte „Young Carers“, durchzuführen. Diese Kinder leben fast
immer im Verborgenen. Sie nehmen die Pflegearbeit oft selbstverständlich an, sobald sie anfällt. Die Folgen der zum Teil permanenten Pflegearbeit zeigen sich in körperlichen (z.B. Kopf, Rückenschmerzen), psychischen (z.B. Sorgen, Traurigkeit), sozialen (z.B. Freunde, Isolation)
und schulischen Belangen. Viele dieser Auswirkungen werden ins Erwachsenenalter getragen, wenngleich auch eine Reihe positiver Auswirkungen der frühkindlichen Pflegeerfahrung identifizierbar sind.
In einem Zwischenbericht einer Studie des Instituts für Pflegewissenschaften der Universität
Wien im Auftrag des BMASK werden abgestimmte Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von jungen Pflegenden vorgeschlagen:
M20 Enttabuisierung des Themas durch sensible Berichterstattung und Bewusstseinsbildung der Bevölkerung und der professionellen AkteurInnen (Gesundheit, Soziales,
Bildung), aber Vermeiden von Stigmatisierung kindlicher Pflegearbeit als „pathologisch“.
M21 Gesprächsmöglichkeit der Kinder mit Erwachsenen und „Peers“, Beratung und Information im Alltag der Kinder durch aufsuchende niederschwellige Hilfen (Pflegeberatung, mobile Pflege, Case Management).
[13]
d. Erhöhung der Selbstständigkeit im häuslichen Umfeld
Mehr als 148.000 Menschen über 65 Jahren verunfallen jährlich, bei rund 85% handelt es sich
um Stürze. Bei älteren Menschen ziehen diese oft nicht nur akute (Krankenhausaufenthalt),
sondern auch langfristige Folgen (längere oder nachhaltige Pflegebedürftigkeit) mit sich.
Aber auch fehlende Lifte, Heizsysteme, die ein Schleppen von Heizmaterial erfordern etc., ergeben Situationen, bei denen ältere Menschen Hilfe bedürfen.
Zwar werden Barrierefreiheit und altersgerechtes Bauen im Neubau bereits sehr effektiv umgesetzt, doch sind Neubauten meist nicht die Lösung für ältere Menschen. Zur Sanierung des
Altbestands fehlen hingegen die Impulse. Die Folge: Viele ältere Menschen brauchen Pflegegeld, mobile Dienste oder wechseln gar in ein Pflegeheim, obwohl sie bei geänderten häuslichen Bedingungen nicht pflege- oder betreuungsbedürftig wären.
M22 Zu Hause ohne Barrieren alt werden: Wohnungen und Gebäude sollen so adaptiert
werden, dass sie von allen Menschen ohne fremde Hilfe genutzt werden können. Dafür soll die 2013 mit 100 Mio. Euro dotierte thermische Sanierung des Wirtschaftsund Umweltministeriums ab 2014 zusätzliche Förderkriterien für altersgerechte Sanierungen enthalten. Dazu soll bis Juni 2013 von den beiden Ressorts ein gemeinsamer Vorschlag für ein Förderkonzept ausgearbeitet werden.
Neben baulichen Änderungen können aber auch technische Assistenzsysteme für mehr Sicherheit, Selbstständigkeit, Gesundheitsmonitoring und aktive Sozialkommunikation helfen.
Unter dem Begriff Ambient Assisted Living (AAL) sind Methoden, Systeme und Dienstleistungen zu verstehen, die Sicherheit und Komfort für ältere Menschen in den eigenen vier
Wänden erhöhen, stark auf den Nutzer ausgerichtet sind und es ihnen ermöglichen, länger
selbstständig in der vertrauten Umgebung zu bleiben.

Kommunikation, wobei es sowohl um soziale Kontakte mit Angehörigen und Freunden, als auch Kommunikation mit Sozialdiensten oder dem Arzt geht.

Sicherheit mit Systemen, die etwa automatisch den Herd ausschalten, wenn man das
Haus verlässt, oder eine Bodenbeleuchtung, die automatisch angeht, wenn man in
der Nacht aufsteht.

Gesundheits-Bereich, etwa mit medizinischer Fernüberwachung von medizinischen
Daten oder Verhaltens-Coaching.
M23 Die Entwicklung und Einsatzreife von AAL soll gefördert werden, insbesondere im
Hinblick auf Vernetzung und Schaffung von kompatiblen und integrierten Gesamtlösungen, mehr Kooperation und Koordination der verschiedenen Player und Anbieter.
M24 Forcierung des konkreten Einsatzes von AAL-Systemen, einerseits direkt in Privathaushalten, aber auch in institutionellen Einrichtungen wie betreutem Wohnen.
[14]
3. Personal
a. Personalbedarf
Auf Grund der demografischen Entwicklung in Kombination mit familiären Veränderungen
werden professionelle Pflegedienste stärker nachgefragt werden. Dies geht einher mit einem
erhöhten Bedarf an Pflegepersonal.
In der stationären Pflege sind 51% teilzeitbeschäftigt, in der mobilen Pflege sogar 88%.
Der Frauenanteil liegt in der stationären Pflege bei 81%, in der mobilen Pflege bei 93%.
Im Bereich Altenpflege und Betreuung wird die Anzahl der Vollzeitäquivalente von derzeit
45.155 auf 67.650 ansteigen8.
Der tatsächliche Bedarf an auszubildenden Pflegekräften ist durch die hohe Teilzeitquote und
den Ersatz der in den nächsten Jahren kommenden Pensionierungen noch wesentlich höher.
Daher sollen die Ausbildungen forciert und attraktiver gestaltet werden:
8
Hochrechnung aus Daten der GÖG - Kostenprognose der Dienstleistungen in der Langzeitpflege in Österreich von
2010 bis 2025
[15]
b. Ausbildungsoffensive
Ein beruflicher Umstieg in den Pflegebereich oder Aufstieg zu einem höheren Pflegeberuf erfordert häufig Bildungsabschlüsse, die nicht berufsbegleitend erworben werden können. Ein
Großteil der Interessierten kann sich eine berufliche Auszeit auf Grund des damit verbundenen Einkommensverlusts nicht leisten.
Ein Fachkräftestipendium soll Erwachsenen zur Erlangung eines Bildungsabschlusses in einem Zukunftsberuf wie im Pflegesektor gewährt werden.
Es soll damit ein beruflicher Ein- und Umstieg in den Pflegebereich erleichtert werden. Hierbei ist an niederschwellige Ausbildungen zu HeimhelferInnen oder PflegehelferInnen gedacht.
Aber auch Höherqualifizierungen wie zum/r Diplomierten Gesundheits- und KrankenpflegerIn werden damit gefördert.
M25 Um ArbeitnehmerInnen die Teilnahme an einer Ausbildung zu ermöglichen, soll für
längstens 3 Jahre ein Fachkräftestipendium zur Deckung des Lebensunterhalts entsprechend der Mindestsicherung gewährt werden. Während des Bezugs wird auch
die Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung getragen. Das Fachkräftestipendium
soll bis zu 2.000 Stipendien jährlich (für alle Zukunftsberufe) ermöglichen.
Zielgruppe sind gering und mittel qualifizierte ArbeitnehmerInnen sowie Arbeitslose,
die in den letzten 15 Jahren mindestens 4 Jahre arbeitslosenversicherungspflichtige
Beschäftigung nachweisen können und die die Aufnahmevoraussetzungen erfüllen
(bzw. die Aufnahmeprüfung bestanden haben). Das Fachkräftestipendium wird nicht
für Studien an Fachhochschulen und Universitäten vergeben (dort Selbsterhalterstipendium). Während des Stipendiums darf weder ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze (Zuverdienstgrenze), noch eine Alterspension oder sonstige staatliche
Zuwendungen zur Existenzsicherung (Kinderbetreuungsgeld ausgenommen) bezogen
werden.
M26 Das AMS setzt im Pflege-Bereich einen umfangreichen Qualifikationsschwerpunkt
um, der einerseits auf die Ausbildung von Arbeitslosen und andererseits auf die Höherqualifizierung von bereits in diesem Arbeitsmarktbereich Beschäftigten abzielt.
Damit werden z.B. über Implacementstiftungen bis zu 4.000 Personen jährlich in
Pflegeberufen qualifiziert.
M27 Verstärkte männerspezifische Bewerbung von Berufen im Pflegebereich, um den
Männeranteil in Pflegeberufen zu erhöhen
[16]
c. Personalausbildung
Die Ausbildung und die damit verbundenen Berufsfelder brauchen Modernisierung. Vor allem im Bereich der mobilen Pflege und der technischen Anforderungen entsprechen die jetzigen Regelungen nicht den Anforderungen der beruflichen Praxis. Insbesondere geht es um
eine Erweiterung des Kompetenzbereiches der Pflegehilfe.
Eine Ausweitung des Tätigkeitbereiches der Pflegehilfe sieht zu Zeit § 84 Abs. 5 GUKG vor,
welcher nur in Einzelfällen selbstständiges Arbeiten mit intervallmäßiger Aufsicht zulässt. Daher sieht das vom BMG an die GÖG/ÖBIG in Auftrag gegebene Reformkonzept eine kompetenz- und befugniserweiternde Spezialisierung auch auf Ebene der Pflegehilfe vor.
Dazu sollen diesbezügliche Bedarfe erhoben und in einem Kompetenzprofil verankert werden. Gemäß dem Ausmaß der Kompetenzerweiterung sollen darauf aufbauend modular konzipierte, standardisierte und verpflichtend vorgesehene Spezialisierungen möglich und in der
Ausbildung zum gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege anrechenbar sein.
Damit wird auch eine bessere Abstufung der Gesundheitsberufe erzielt.
Auch Sozialbetreuungsberufe mit Pflegehilfekompetenz sollen die Möglichkeit erhalten, diese modular organisierten und befugniserweiternden Spezialisierungen zu absolvieren.
Derzeit bestünde über die Schiene der Weiterbildungen für Pflegehilfe die Möglichkeit, eine
befugniserweiternde Spezialisierung anzubieten, sofern im GuKG eine diesbezügliche Möglichkeit eingeräumt würde. Diese Weiterbildung müsste aber auf Bundesebene standardisiert
und in der Weiterbildungsverordnung verankert werden.
Zur Erhöhung der Durchlässigkeit und somit zur Steigerung der Attraktivität der Berufe ist
eine Kompatibilität mit dem Bildungssystem sicherzustellen. Somit wäre die Durchlässigkeit
zu weiterführenden konsekutiven Studienprogrammen an Universitäten und Fachhochschulen gegeben. Dies entspricht auch den Anforderungen der EU, wobei die Anerkennungsrichtlinie 2005/36/EG aktuell in Überarbeitung ist.
M28 Durchführung einer Ist-Analyse 2013 durch die GÖG bei den bestehenden Berufsgruppen und deren Kompetenzen sowohl im Gesundheits- als auch im Sozialbereich
unter enger Einbindung der Trägerorganisationen.
M29 Erarbeitung eines Reformmodells „Kompetenzmodell Pflege“ 2014, in welchem alle
derzeitigen Berufsgruppen (vom gehobenen Dienst bis hin zu Sozialbetreuungsberufen und Heimhilfe) insbesondere mit dem Ziel einer höheren Durchlässigkeit berücksichtigt werden.
M30 Die Curricula in der Ausbildung 2015 sind auf die Erfordernisse in der Praxis hin zu
überarbeiten.
M31 Prüfung des Bedarfs einer berufsbildenden höheren Schule für Pflege mit Abschluss
„Matura“, in der theoretische und praktische Ausbildung eng verschränkt sind.
[17]
d. Erhaltung der Arbeitsfähigkeit
Hohe Arbeitsbelastungen sind verknüpft mit fordernden Arbeitsbedingungen (hohe körperliche Belastungen, Zeitdruck, psychische Belastungen, Stresssituationen etc.).
M32 Um dem in Zukunft drohenden Personalmangel entgegenwirken zu können, ist es
notwendig, die Fluktuation hintanzuhalten und die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten
zu erhalten und zu verbessern. Wichtig ist dabei auch, die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in der stationären und mobilen Pflege und Betreuung zu berücksichtigen. Während bei der stationären Pflege die betriebliche Gesundheitsförderung im
klassischen Sinn durchaus bewährte Methoden und Instrumente anbietet, muss bei
der mobilen Pflege und Betreuung auf innovative Maßnahmen zurückgegriffen werden.
M33 Ausbau von betrieblicher Gesundheitsförderung v.a. in der stationären Pflege anhand
von erprobten Best Practice Modellen.
M34 Optimierung betrieblicher Rahmenbedingungen (Arbeitszeit, Kinderbetreuung, Arbeitsorganisation, Dienstpläne etc.).
[18]
4. Finanzierung
a. Steuerfinanzierung statt Pflegesozialversicherung
Unter dem Schlagwort „Pflegeversicherung“ stellt man sich gerne ein günstiges VollkaskoModell vor, man zahlt 1% der Lohnsumme ein und erhält später jegliche Pflegeleistungen
nach Wunsch und ohne zusätzliche Kostenbeteiligung.
Eine Pflege-Pflichtversicherung würde eine Reihe von praktischen und rechtlichen Fragen
aufwerfen: Aufwandsteigerung auf Grund uneingeschränkten Exports in EU- und assoziierte
Länder Versorgungslücken wenn Anspruchsvoraussetzungen wie (Wartezeit odgl.) nicht erfüllt werden, Verkomplizierung der Zuerkennungsverfahren.
Bei einer Pflegeversicherung nach dem österreichischen Sozialversicherungsmodell, einer
Umlagefinanzierung durch aktive Arbeitseinkommen, verläuft die Einnahmendynamik relativ
konstant, gemeinsam mit der Lohnsumme. Die Kostendynamik im Pflegebereich ist jedoch
eine andere: Die Dynamik wird durch die demografische Entwicklung und dadurch steigende
quantitative Inanspruchnahme plus einer erwartbaren zusätzlichen Nachfragesteigerung
nach professionellen Diensten durch die Änderung von Familienstrukturen und dadurch entstehender Abnahme von familiärer Pflege beschleunigt.



Demografie und Nachfrageentwicklung sind in der Beitragsentwicklung nicht abgebildet – die Entwicklung der Beitragseinnahmen fiele hinter die Bedarfs- und Kostendynamik zurück, was daher rasch zu leeren Pflegeversicherungskassen führt
Belastung der Arbeitskosten
Schmale Beitragsbasis durch Mindest- und Höchstbeitragsgrundlagen
M35 Pflegebedürftigkeit soll die Menschen nicht finanziell stärker belasten. Aber auch für
die Zeit vor der Pflegebedürftigkeit sollen die Überlegungen in Richtung nachhaltige
Steuer- statt Beitragsfinanzierung gehen. Die Pflege und Betreuung soll auf breitest
möglicher Basis und daher aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden.
[19]
b. Sozialhilfelogik, Vermögenseinsatz und Regress
Da die Kosten eines Pflegeheimes meist durch die monatlichen Einkünfte der Betroffenen aus
Pension und Pflegegeld nicht gedeckt werden, wird der Differenzbetrag von den Sozialhilfebudgets der Länder und Gemeinden finanziert. Diese greifen allerdings zuvor auf das vorhandene Vermögen der Betroffenen, teils auch auf Beiträge von Angehörigen zu.
Somit entsteht eine individuelle Risikosituation, bei Pflegebedürftigkeit das Vermögen, insbesondere auch selbst bewohntes Eigentum, zu verlieren.
Gerade bei Langzeit-Aufenthalten verursacht darüber hinaus die Angehörigenregresspflicht,
die in 4 Bundesländern9 gegen EhegattInnen und in 4 Bundesländern10 gegen EhegattInnen
und auf Eltern für ihre volljährigen Kinder sowie in 2 Bundesländern11 zusätzlich auf Kinder
für ihre pflegebedürftigen Eltern besteht, eine große Belastung.
Durch ein Abgehen vom Regress an allen Angehörigen (EhegattInnen, Kinder, Eltern; Vermögen und Einkommen) wäre Pflegebedürftigkeit kein finanzielles Risiko für Angehörige
mehr.
Ein vollkommenes Abgehen von der so genannten Sozialhilfelogik würde den Verzicht der
Länder auf Einnahmen aus Regress an Angehörigen und auch auf Vermögen der Betroffenen
bedeuten.
Als Variante, um Mittelstandsfamilien zu entlasten, könnten höhere Vermögensfreibeträge
in der Höhe eines durchschnittlichen Eigenheimes angesetzt werden. Gegen den darüber liegenden Vermögensregress wäre eine private Pflegeversicherung als Absicherung möglich.
Als Folgewirkung könnten Mitnahmeeffekte durch ein verstärktes Drängen in den stationären Bereich anstelle häuslicher Pflege entstehen.
Bei (teilweisem) Abgehen vom Vermögenseinsatz ist die Steuerung der Zuerkennung von
Heimplätzen nach einheitlichen Assessmentkriterien notwendig. Dort, wo es machbar ist, sollen mobile Dienste einen Verbleib im häuslichen Umfeld ermöglichen.
Ein Abgehen von der Sozialhilfelogik wäre durch den Entfall von Beiträgen der Betroffenen
mit Mehrkosten für Länder und Gemeinden verbunden. In diesem Zusammenhang treten die
Länder für eine Diskussion über die derzeitigen Regelungen über den Übergang von Pension
und Pflegegeld bei Heimaufenthalt ein. Dazu zählen das so genannte Differenzruhen (nur
80% des Pflegegelds gehen über), das Krankenhausruhen (kein Pflegegeld bei temporärem
Krankenhausaufenthalt eines Pflegebedürftigen) und die Legalzession nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (Übergang von 80% der Pension und Verbleib der Sonderzahlungen zur Gänze beim Betroffenen).
9
Salzburg, Vorarlberg, Wien, Tirol
Burgenland, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten
11 Steiermark, Kärnten
10
[20]
c. Kostenprognose
Wie schon bei der Konzeptionierung des Pflegefonds im Jahr 2010 hat die GÖG in Zusammenarbeit mit den Ländern eine Entwicklungs- und Kostenprognose für soziale Dienste für
Pflege der nächsten Jahre erstellt.
Die Basis-Kostenprognose ist eine Vorschaurechnung über die Mehrkosten für Pflegedienste
auf Grund der derzeit bestehenden Bedarfs- und Aufbaupläne der Länder.
Demnach werden mobile Dienste, Pflegeheime, Tageseinrichtungen, Kurzzeitpflege, alternative Wohnformen, Casemanagement in absoluten Leistungseinheiten weiter ausgebaut.
Entwicklung der Leistungseinheiten bis 2020 (mobile und stationäre Dienste)12
Unter Bezugnahme auf die demografische Herausforderung ist dies auch nötig, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Während der Versorgungsgrad von Pflegeheimen
tendenziell gleich bleibt, sollen vor allem mobile Dienste, aber auch Tageseinrichtungen,
Kurzzeitpflege, alternative Wohnformen, Casemanagement stärker ausgebaut werden, was
den allgemeinen strategischen Grundsatz „Länger Zu Hause“ folgend konsequent widerspiegelt.
Mit dem Ausbau der Pflegeangebote sind – ohne Annahme von exogenen Effekten oder Systemänderungen – auch folgende Kostenentwicklungen für Länder und Gemeinden zu erwarten (Nettoaufwendungen – Preisbasis 2010, ohne Preisanpassung):
12
Quelle: GÖG 2012
[21]
Prognose der Entwicklung der Nettoaufwendungen der Länder und Gemeinden bis 2020 13
Die Gebietskörperschaften bekennen sich so wie bisher bei der Weiterentwicklung der Angebotsstruktur zur Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung.
Vor Ausschöpfung von zu konkretisierenden Optimierungspotenzialen und einer verbesserten kundenorientierten Vermittlung von Pflegediensten kann insgesamt eine Kostenkurve erzielt werden, die trotz Steigerungen Pflegefinanzierung und Pflegeangebotsversorgung sicherstellen kann.
Prognose der Entwicklung der Mehraufwendungen der Länder und Gemeinden gegenüber
2010 bis 2020 14
13
Quelle: GÖG 2012, Nettoaufwendungen, Preisbasis 2010, ohne Preisanpassung
Quellen: 2015 und 2016: die im Bundesfinanzrahmen 2015 und 2016 enthaltenen Dotierungen des
Pflegefonds, 2017 – 2020: GÖG 2012,Erhebung bei den Ländern, ohne Preisanpassung
14
[22]
Herunterladen