Ein spezielles Angebot für junge MS-Patienten an einer MS-Klinik Brita Loevendahl, Director of MS Hospitals ([email protected]) Präsentation: IMSF, Berlin, September 2003 Zunächst möchte ich der IMSF und der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft für das Ausrichten dieser Konferenz danken und Ihnen für Ihr Interesse an unserem neuen Angebot für junge, „neu diagnostizierte“ Leute in Dänemark. Die dänische MS-Gesellschaft betreibt zwei MS-Kliniken: Eine im Westen Dänemarks (Ry), eine weitere im Osten (Haslev). Dieser Beitrag berichtet über eine neue Abteilung für junge Leute mit MS, die wir im Januar 2004 an der Klinik in Haslev eröffnen wollen. Die Abteilung wird im alten Hauptgebäude sein, das vor 100 Jahren als Tuberkuloseklinik gebaut wurde. Es ist meiner Ansicht nach ein sehr gut erhaltenes und schönes Gebäude. Vor etwa 10 Jahren wurde die alte Abteilung mit Mehrbettzimmern geschlossen und durch ein neues Gebäude mit Einzelzimmern ersetzt. Seitdem waren die 300 m² des ersten Stockwerkes nicht in Gebrauch - was sehr schade ist. Heute enthält das Gebäude die Küche, Einrichtungen zur Beschäftigungstherapie, Konferenz- und Gästezimmer. Und bald wird das erste Stockwerk eine neue Abteilung beherbergen mit Rehabilitationskursen für junge Leute mit MS. Unser Ziel ist es dabei, geeignete und maßgeschneiderte Kurse für diese spezielle Gruppe in einer idealen Umgebung anzubieten. Die Zahl der Teilnehmer an jedem Kurs wird auf 8 Personen festgelegt. Die Überschriften meiner Präsentation sind: Der historische Hintergrund – warum wird das Augenmerk auf junge MSBetroffene gerichtet? Von der Idee zur Realität – eine Arbeitsgruppe Wo stehen wir heute? Wer ist die Zielgruppe dieses Angebotes? Die dänische Definition von “jung” im Zusammenhang mit MS Was ist allgemein das Ziel dieses neuen Angebots, und wie ist es organisiert? Die Frage nach dem Alter und die Einteilung der Teilnehmer Welche neuen Ansätze werden benötigt? Welche Herausforderungen ergeben sich für die oft älteren Mitarbeiter durch die jungen MS-Betroffenen? Schlussfolgerungen 1 Seit dem Jahr 2000 versuchte die dänische MS-Gesellschaft die Gesundheitsbehörden davon zu überzeugen, eine spezielle Abteilung für junge MS-Betroffene zu unterstützen. In Dänemark ist eine Rehabilitation für den Betroffenen kostenfrei, da sie über Steuergelder finanziert und den Gesundheitsbehörden zugeordnet wird, wenn man von seinem Hausarzt oder Neurologen überwiesen wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die am besten geeigneten Rehabilitationsprogramme angeboten werden. Der Hintergrund unseres Projektes war die Erkenntnis, dass junge MS-Betroffene durch die verfügbaren Angebote nicht ausreichend angesprochen werden. Wenn junge Leute in eine MS-Klinik kommen, sind sie nicht selten die einzige junge Person, wodurch sie sich ängstigen und einsam fühlen können. Nicht aus dem Grunde, weil die Mitpatienten zu ihnen nicht nett wären, aber als junger Mensch und oft einziger junger Mensch zwischen lauter Leuten in mittleren Jahren - kann man sich außerordentlich einsam fühlen. Mit dieser Krankheit - wenn man noch nicht genau weiß, wie die Krankheit das Leben beeinflussen wird, wenn man vielleicht noch nicht einmal genau weiß, wer man eigentlich ist und was man aus seinem Leben machen möchte - kann es auch eine sehr beängstigende Erfahrung sein, anderen Betroffenen mit stärkeren MS-Symptomen zu begegnen. Der Aufbau dieser Abteilung kann natürlich nicht den Schrecken nehmen, stärker betroffenen MSPatienten zu begegnen, die natürlich auch in der Klinik sind. Aber man kann sich dann in die eigene Abteilung zurückziehen, abseits von den anderen, und man ist dann nicht mehr allein - man kann mit Gleichaltrigen über seine Gefühle sprechen. Nachdem wir Rückmeldungen mehrerer junger MS-Betroffenen erhalten haben, die sagten, dass sie das derzeitige Angebot an den MS-Kliniken für sich nicht für geeignet hielten - einige haben die Kliniken als Pflegeheime für alte Leute charakterisiert - richtete die dänische MS-Gesellschaft eine Arbeitsgruppe ein, die aus jungen MS-Betroffenen bestand und die gebeten wurde, ihre Wunschvorstellung einer Rehabilitations-Abteilung darzulegen. Sie machte ihre Arbeit sehr gut, und ihre Ideen wurden an die Klinikleitungen weitergegeben. Dann begannen die Verhandlungen mit den Gesundheitsbehörden. Es hat eine Weile gedauert, aber im Frühjahr 2003 erhielten wir schließlich die Genehmigung für eine dreijährige Versuchsperiode für eine Spezialabteilung für junge Leute. Letzten Herbst wurden alle formalen Genehmigungen für das Projekt erteilt, und wir erwarten, im Januar 2004 die ersten 8 Teilnehmer begrüßen zu können. Von der Idee zur Realität – eine Arbeitsgruppe Nach der Erkenntnis, dass ein neuer Service notwendig ist, initiierten wir eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitarbeitern beider Kliniken und jungen MSBetroffenen. 2 Zur Arbeitsgruppe gehörten ein Psychologe, zwei Physiotherapeuten (davon ein Spezialist für Gruppenprozesse), ein Beschäftigungstherapeut, eine Krankenschwester, ein Assistent für soziale Fürsorge, drei junge MS-Betroffene und ich. Die Arbeitsgruppe ist auch ein Beispiel für ein Modell zur Arbeitsorganisation, das wir derzeit aufstellen. Wir entwickeln unseren Service für MS-Betroffene auf allgemeinem Niveau, und zwar indem wir Projekte initiieren, die von Arbeitsgruppen mit Mitarbeitern und Betroffenen gelenkt werden. Wir halten es für sehr wichtig, deren verschiedene Sichtweisen bezüglich der MS zusammenzuführen und zu nutzen. Die jungen Leute in der Arbeitsgruppe wurden nicht zufällig ausgewählt aus einem Bestand junger MS-Betroffener. Wir baten das Jugend-Komitee der dänischen MSGesellschaft um Hilfe bei der Auswahl der Kandidaten nach folgenden Gesichtspunkten: Sie sollten verschiedene Altersgruppen repräsentieren, aus entfernten Regionen Dänemarks stammen (Frage: Würden sie eine Abteilung weit weg von ihrem Zuhause nutzen?) und einige sollten die MS-Kliniken genutzt, andere bisher nicht genutzt haben. Schließlich war es wichtig, dass sie überhaupt Interesse daran hatten, ein gutes Angebot für junge MS-Betroffene auszuarbeiten. Die drei jungen Leute, die ausgewählt wurden, waren 18, 27 und 30 Jahre alt und wiesen das dargelegte Profil auf. Sie waren sehr wertvolle Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe. Wo stehen wir heute? Heute sind wir dabei, die endgültige und detaillierte Kursplanung auszuführen. Wir wollen diese Kurse jungen MS-Betroffenen in Dänemark anbieten, aber nur als eine Option unter vielen anderen. Sie werden auf landesweiter Ebene angeboten, aber wenn ein junger Mensch innerhalb der Zielgruppe zu einem normalen Rehabilitationskursus an eine der MS-Kliniken kommen möchte, so steht dies ihm oder ihr frei. Wir wissen im Voraus nicht, wie beliebt dieses neue Angebot sein wird, und deshalb starten wir in kleinem Rahmen mit wenigen Kursen Anfang 2004. In Abhängigkeit vom Bedarf werden wir 2004 eine Reihe von Kursen durchführen. Experten wurden gebeten, Vorschläge zur Gestaltung dieser Jugend-Abteilung zu unterbreiten. Die Vorschläge wurden der Arbeitsgruppe präsentiert, die sich dazu entschoss, die Designerin Liselotte Risell zu beauftragen. Unsere Vorstellung ist es, eine ganz neuartige, nicht “krankenhausartige” Abteilung für junge Leute zu kreieren. Sie wird aus acht Räumen bestehen, die groß genug sind, auch Partner oder Kinder zu Besuch einzuladen und über Nacht zu beherbergen. Die Schlüsselbegriffe für die Innenausstattung sind Reflexionen von Tiefe, Ruhe vielleicht beinahe „Zen“-artig. Die geräumigen Zimmer sind in kleinere „Zimmer im 3 Zimmer“ unterteilt durch ein Bett mit vier Pfosten und eine Wand, hinter der sich eine Waschgelegenheit befindet. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, sich im privaten Zimmer die Zähne zu putzen und sich zu schminken. Die Abteilung wird so aufgeteilt sein, dass sich in der Mitte eine Zone zum Lernen und gesellschaftliche Aktivitäten befindet - die „lebendige“ Zone sozusagen - während der Einzelschlafraum und der Außenbereich eine eher private und stille Zone zum Reflektieren und Ausruhen darstellen wird. Wer ist die Zielgruppe dieses Angebotes? Am Anfang wurde die Zielgruppe “neu diagnostiziert“ genannt. Heute jedoch ziehen wir die Begriffe „relativ neu diagnostiziert“ und „auf sich selbst angewiesen“ vor. Der Grund, weshalb wir den Begriff „relativ neu diagnostiziert“ gewählt haben liegt darin, dass wir aus der Erfahrung wissen, dass „neu“ nicht die Frage einer bestimmten Zeitspanne wie zum Beispiel ein oder zwei Jahre ist. Mit einer Krankheit wie MS ist dies eher daran zu messen, wann eine Person das Gefühl hat, dass die Krankheit tatsächlich sie und ihr Leben beeinträchtigt. Dies kann zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten nach der Diagnose der Fall sein. Bei einigen ist dies sofort nach Erhalt der Diagnose der Fall. Bei anderen, deren erste Strategie - und Möglichkeit - darin besteht, einfach weiterzuleben und die Diagnose zu ignorieren, kann dies aber auch erst später, ein, zwei oder fünf Jahre nach der Diagnose, der Fall sein. Unser neues Angebot ist für jene, die dieses Stadium erreicht haben, an dem sie einen tieferen Einblick in die MS und ihren möglichen Einfluss auf einen selber als Person und auf das Leben erhalten möchten. Deshalb sollte der Zugang zu dem Angebot flexibel sein in Bezug auf die Zeit, wie lang die Diagnose zurückliegt. Das Angebot wird direkt und ebenso in den Jahren nach der Diagnose zur Verfügung stehen. Wir betonen jedoch, dass die Zielgruppe Personen sind, die sich in dem Prozess befinden, sich daran zu gewöhnen mit MS und ihren Folgen zu leben - und daher haben sie noch nicht die Erfahrung schwerer Symptome gemacht und benötigen kaum Hilfe bei der Pflege. Die dänische Definition von “jung” im Zusammenhang mit MS Ich bin nicht sicher, ob es auf der ganzen Welt so ist, aber in Dänemark haben wir eine spezifische Definition, die es Leuten ermöglicht geheiratet zu haben, Kinder bekommen zu haben, sogar mehrfach geschieden zu sein - und im Zusammenhang mit MS immer noch als „jung“ zu gelten. Wir definieren „jung“ als unter 40-jährig. Die Altersspanne in der Zielgruppe ist deshalb recht weit. Die Gruppe junger MSBetroffener in Dänemark teilt sich wie folgt auf: 4 Altersstufen Unter 20: 14 20-24: 75 25-29: 254 30-34: 425 35-39: 699 Total 1467 Quelle: The Danish Sclerosis Register, 2003 Wir wissen nicht im Voraus, wie viele in dieser Altersgruppe unter die Definition der Zielgruppe fallen - genauere Kenntnisse werden natürlich den tatsächlichen Bedarf und die Anzahl der Kurse beeinflussen. Im Augenblick müssen wir - im Zusammenhang mit der Untersuchung - bei jedem Einzelnen entscheiden ob er/sie in die Zielgruppe fällt. Was ist allgemein das Ziel dieses neuen Angebots, und wie ist es organisiert? Der Hauptzweck dieser Kurse für junge MS-Betroffene besteht für die Teilnehmer darin, ihre eigenen Ressourcen und Fähigkeiten zu identifizieren und zu entwickeln und mit der neuen Lebenssituation fertig zu werden. Überblick über die Kurse 5 The new offer for young persons with ms Introduction Rehabilitation 1 week 3 weeks 25/02/2004 Brita Løvendahl, Director of Hospitals 1 Der erste Teil des Kurses ist ein 5-tägiger Informationskurs, der alle möglichen Fragen zur MS behandelt: Was ist MS, welche Möglichkeiten der Behandlung gibt es, physische und psychische Konsequenzen der MS, was kann ich selber tun etc. Während dieser Einführung wird den Teilnehmern auch das MS-Netzwerk, das Jugend-Komitee der dänischen MS-Gesellschaft vorgestellt, das Clubs, einen ChatRoom auf seiner Webseite und auch auf vielfältige andere Weise Unterstützung, Hilfe und Rat anbietet. Das Hauptziel des Einführungskurses besteht darin Informationen zu vermitteln, so dass die Teilnehmer Kenntnisse über MS erhalten und erfahren, welche Möglichkeiten zur Unterstützung und zur Behandlung bestehen. Dieser ersten Einführung folgt ein 3-wöchiger Rehabilitationskurs, dessen Schwerpunkt auf der Entwicklung der Fähigkeit, mit der Krankheit umzugehen, liegt. 6 Das Hauptziel des längeren Kurses ist es, Lernprozesse anzuregen, wodurch die Teilnehmer die Fähigkeit entwickeln, mit einer chronischen Krankheit - der MS - zu leben. Andere Ziele beinhalten, dass die Teilnehmer: Kenntnisse, Einsichten und Lernstrategien erhalten, die das Leben mit der Krankheit erleichtern und es den Teilnehmern ermöglichen, ein Leben zu führen, das den Wunschvorstellungen nahe kommt. die Gelegenheit erhalten, Netzwerke aufzubauen mit anderen Leuten in ähnlichen Situationen ihre ganz persönlichen Strategien erkennen und entwickeln, mit einem Leben mit MS zurecht zu kommen und dabei sowohl ihr eigenes Potenzial als auch die eigenen Grenzen zu erkennen. Angehörige wie Partner, Kinder, Eltern, Geschwister oder Freunde sind bei allen längeren Kursen eingeladen, an einem Wochenende teilzunehmen. Die Frage nach dem Alter und die Einteilung der Teilnehmer Wie ist die Frage nach dem Alter? In Anbetracht der oben erwähnten Altersklassen könnte man denken, dass die Teilnehmer danach eingeteilt würden. Die Arbeitsgruppe fand jedoch heraus, dass eine Differenzierung zwar wichtig ist, aber nicht nach dem Alter. Die einzige Ausnahme stellt ein spezielles Angebot für Teenager mit MS dar. Wir denken alle, dass es eine sehr spezielle Situation ist, in so jungen Jahren MS zu bekommen. In einem Alter, in dem man sich müht, seine eigene Identität zu finden, die richtige Ausbildung oder Arbeit für sich zu suchen, einen Partner und geeigneten Lebensstil zu finden und viele andere wichtige Punkte. Auch für die Eltern von Teenagern ist es eine sehr schwierige Situation - wie können sie gute Eltern bleiben? Indem sie sich so verhalten, wie sie sich ohne die MS verhalten hätten, oder indem sie ihr Kind stärker beschützen? Es ist auch schwierig, ein Geschwister eines Jugendlichen mit MS zu sein. Wie unser jüngstes Mitglied der Arbeitsgruppe sagte: „Wo ich lebe bin ich, soviel ich weiß, der einzige Mensch mit MS. Und der einzige, den meine Eltern und Geschwister kennen. Und es ist nicht leicht zu erklären, dass es an manchen Tagen schön ist so behandelt zu werden, als hätte ich keine MS. An anderen Tagen ist das aber eine Last, weil ich so müde bin und leicht verwirrt werde. Aber auf der anderen Seite möchte ich nicht bedauert werden.“ Wir werden deshalb einen zweiwöchigen Rehabilitationskurs speziell für Teenager mit MS anbieten. Für ihre Eltern und Geschwister werden wir einen Kurs an dem Wochenende zwischen den zwei Wochen anbieten, so dass wir Unterstützung und 7 Entwicklungsmöglichkeiten gleichzeitig dem jungen Menschen und seinen/ihren nächsten Angehörigen und Freunden bieten. A two weeks course for teenagers with ms - including one weekend with parents and siblings Weekend 25/02/2004 Brita Løvendahl, Director of Hospitals 2 Außer der Erkenntnis, dass Bedarf für ein spezielles Angebot für Teenager mit MS besteht, fand die Arbeitsgruppe heraus, dass das Alter nicht der entscheidende Unterschied zwischen Leuten von 20 bis 40 Jahren ist. Statt dessen sahen wir den Hauptunterschied in unserer modernen oder postmodernen Zeit im Lebensstil. Der Lebensstil ist der einzige wichtigste Faktor, besonders die Frage, ob man Kinder hat oder nicht, also ob man die Verantwortung der Elternschaft und der Unterstützung einer Familie hat. Da wir unser Leben auf sehr vielfältige Art leben können und wählen, wann wir Kinder bekommen wollen, kann man 35 Jahre alt sein und ein Leben ohne Kinder führen, noch Student sein, Zeit für Freunde, gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse haben etc. Ebenso kann man aber auch mit 25 Jahren Voll- oder Teilzeit arbeiten und zwei Kinder mit allen Pflichten der Elternschaft und Familienverantwortung haben. 8 Kursüberblick The courses for young persons with ms Introduction Rehabilitation 1 week 3 weeks Focus on children & parenthood Children are not in focus 25/02/2004 Brita Løvendahl, Director of Hospitals 3 Deshalb werden wir getrennte Kurse für Leute anbieten, die Kinder wollen oder schon haben, Leute die den Schwerpunkt auf Themen im Zusammenhang mit Kindern, Elternschaft und MS legen wollen. Unserer Erfahrung nach sind für diejenigen mit Kindern insbesondere zwei Themen von Bedeutung: Zunächst besteht die Notwendigkeit abzuklären, ob ein bestimmtes Problem darauf beruht, dass man ein Elternteil mit MS ist oder einfach darauf, dass man ein überhaupt Elternteil ist. Das andere Thema ist die Sorge um die Kinder, wenn die MS von Mutter bzw. Vater sich verschlimmert und damit die Fähigkeit zur elterlichen Fürsorge beeinträchtigt. Und schließlich gibt es noch die Gruppe Menschen, die noch keine Kinder haben, aber gerne welche hätten, jedoch noch nicht wissen, ob sie dies wagen sollen. Der andere Kurs ist für Leute gedacht, die (noch) keine Kinder haben, deren Kinder bereits erwachsen sind oder bei dem anderen Elternteil leben. Kurz: Dies ist ein Kurs für Leute, bei denen die Frage nach Kindern nicht im Mittelpunkt steht. 9 Welche neuen Ansätze werden benötigt? Das Personal, das diese neuen Kurse für junge MS-Betroffene durchführt, wird hauptsächlich aus unseren erfahrenen Mitarbeitern bestehen, die ein multidisziplinäres Team bilden werden. In unserer heutigen Praxis erhält ein Betroffener ein Programm für seine bzw. ihre individuelle Behandlung und andere Möglichkeiten oder Angebote. Bei diesem neuen Angebot ist das Programm ein integriertes Ganzes für eine Gruppe von 8 Personen. Wir haben dabei auf die jungen Mitarbeiter der Arbeitsgruppe gehört, die betont haben wie wichtig es ist, in kleineren Gruppen zu arbeiten. Einer sagte: „Ich lerne mehr vom Teilhaben und Diskutieren als durch einen Vortrag.“ und sie betonten auch, dass es in Ordnung ist, „Hausaufgaben“ zu bekommen wie z. B. Fragen zu einer bestimmten Lektion vorzubereiten. Daher werden wir mit einer ganzen Reihe verschiedener pädagogischer Methoden arbeiten, damit jeder Teil des Programms so maßgeschneidert wie möglich wird. Die Kurse werden eine Kombination von individueller Reflexion und Beratung, Gruppenarbeit, selbst organisierten Aktivitäten und traditioneller Plenarsitzung sein. Die individuelle Reflexion wird tägliche Routine sein in Verbindung mit dem Schreiben des jeweiligen Tagebuchs und den wiederholten Gruppen-Reflexionen auf „was lerne ich - was ist meine Perspektive“. Diese Reflexionen werden am Ende den qualitativen Teil der Evaluation darstellen und hoffentlich für die einzelnen Teilnehmer eine gute Methode werden, seinem/ihrem täglichen Leben die notwendige Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Außerdem wird zwischen aktiven Zeiten und Zeit zum Ausruhen variiert werden, um auf diese Weise das äußerst wichtige Energie-Management einzuführen. Das Programm wird flexibel gestaltet sein, so dass genügend Zeit zur Verfügung steht, individuelle Bedürfnisse nach Beratung oder Behandlung zu befriedigen und dass für die Gruppe junger Leute die Möglichkeit besteht, sich Aktivitäten oder Lektionen auszuwählen. 10 Beispiele für ein mögliches Programm: Examples of day-programmes Day X Day Z 0808-09 Breakfast 0808-09 Breakfast 0909-10 Group: Preparing questions to the psychologist (Group -manager) 0909-10 GroupGroup-reflexions (Group -manager) 10.30 -12 Physiotherapy in theory and practise ( Physiotherapist) Physiotherapist) 1212-14 Dinner & individual time (rest, exercise, exercise, and/or and/or reflexions) reflexions) 10.30 -12 MS & opportunities for education & job. (Socialworker ) (Socialworker) 1414-16 Energy management (Nurse & occupational therapist) therapist) 1212-14 Dinner & individual time (rest, exercise and/or and/or reflexions) reflexions) 161617.30 Individual time: rest or reflexions 1414-15 Individual consultations 17.30 -19 Meal & individual time 1515-19 1919-21 Excursion to sport activities in Haslev MS diet: principles and practise, practise, Including meal 25/02/2004 Brita Løvendahl, Director of Hospitals 4 Ein Bestandteil des Kurses ist die Möglichkeit für die Teilnehmer, eine spezielle MSDiät zu probieren und deren Zubereitung zu erlernen, während sie parallel dazu etwas zum prinzipiellen Hintergrund dieser Diät erfahren. Die neuen Rollen der Mitarbeiter - im Verhältnis zu den Teilnehmern - werden hauptsächlich zwei verschiedene sein: Die neueste und allerwichtigste ist die Rolle der Kursmanagerin. Sie ist für den pädagogischen „Roten Faden“ zuständig, entsprechend den definierten Zielen jedes Kurses, und hilft ihm auf den Weg mittels Ressourcen-orientierten Methoden zur Lebensplanung. Sie ist für die Entwicklungen im Kurs verantwortlich: Dass die individuelle Entwicklung jedes Teilnehmers Fortschritte macht und dass die Gruppendynamik produktiv ist. Sie ist auch diejenige, die die Teilnahme der anderen Team-Mitglieder erleichtert, wenn es sich etwa um den Unterricht handelt, oder wenn Fragen oder Programmpunkte vor der eigentlichen Sitzung von den Teilnehmern eingebracht werden. Sie ist auch diejenige, die wichtige Kenntnisse vom Status der Gruppe oder den Einzelpersonen kommuniziert - und sie ist auch diejenige, die eine Einzelperson an individuelle Entscheidungen heranführen kann wie zum Beispiel 11 Konsultationen mit dem Arzt, dem Psychologen, dem Physiotherapeuten oder anderen. Sie kann auch die selbstorganisierten Aktivitäten der Gruppe unterstützen. Und schließlich ist sie auch für die Evaluierung, also die tägliche und abschließende Evaluierung der Teilnehmer, die Evaluierung des multidisziplinären Teams und die abschließende Evaluierung für die Klinikleitung und die dänischen Gesundheitsbehörden verantwortlich. Welche Herausforderungen ergeben sich für die oft älteren Mitarbeiter durch die jungen MS-Betroffenen? Die wichtigste Herausforderung ist für uns die Zielgruppe selbst: Die jungen Leute, also die Aufgabe, ihnen wirklich zu begegnen und ihnen zu entsprechen. In der Lage zu sein, ihnen aus der Position einer weisen Person, professionell und persönlich, zu begegnen, als ein Berater, Unterstützer oder „Geburtshelfer“. Nicht aus der Position einer altmodischen Autorität, eines Lehrers oder Elternteils. Im Allgemeinen sind viele der jungen Leute, denen wir in der neuen Abteilung begegnen werden, mit außer Haus arbeitenden Müttern aufgewachsen, so dass sie Erfahrung darin haben, mit vielen anderen Kindern in Tagespflegeeinrichtungen zusammen zu sein. Sie sind bis zu ihrem 16. oder 19. Lebensjahr zur Schule gegangen und daher gewohnt, Präsentationen zu geben oder Projektarbeit in Gruppen durchzuführen. Viele von ihnen sind Einzelkinder und daher das, was die Chinesen “Kleine Kaiser” nennen, gewohnt, von ihren Eltern ungeteilte Aufmerksamkeiten zu erhalten und viel Bewunderung ebenso wie Forderungen. Sie wuchsen in einer Ära der Individualisierung auf, und viele von ihnen werden Vertreter des Konzeptes des „zukünftigen Patienten“ sein - ein Konzept, das in der dänischen MS-Gesellschaft und an den MS-Kliniken heftig diskutiert wurde. Wir haben nicht den Schluss gezogen, dass alle Patienten jetzt oder in der Zukunft wie dieser „zukünftige Patient“ sind oder sein werden - aber es gibt eine Tendenz dorthin. „Der zukünftige Patient“ ist eine sehr kompetente Person, die viel über die Krankheit weiß oder in der Lage ist, sich Kenntnisse darüber anzueignen. Er oder sie nutzt das Internet und könnte sich dazu entschließen, sich einer „MS Cyber Space Organisation“ statt einer nationalen Organisation anzuschließen. Der „zukünftige Patient“ ist autonom, werteunabhängig und ein kritischer Konsument. Diese Patienten sind erfahrene Konsumenten, die wissen was sie wollen und dafür, falls notwendig, kämpfen, und sie sind es gewohnt, für sich selbst zu entscheiden. Das Konzept des „zukünftigen Patienten“ ist eine wichtige Perspektive, die in Betracht gezogen werden muss, wenn man einen Service entwickeln will, der den 12 Bedürfnissen und Wünschen junger MS-Betroffener gerecht werden soll - einfach aus dem Grunde, weil eine größere Anzahl von ihnen Repräsentanten dieses „zukünftigen Patienten“ sein werden. Die zugrundeliegenden Werte sind Respekt vor dem Individuum, das Recht frei zu entscheiden und Unabhängigkeit. Dies sind sehr wichtige Werte, auch - oder vielleicht vor allem - für Menschen mit einer chronischen Erkrankung wie MS und möglicherweise verschiedenen Behinderungen. Es sind Werte, die wir mit unserem Weg stärken möchten. Unsere zweite Herausforderung ist der Fokus auf die Gruppe. In unserer üblichen Praxis liegt das Augenmerk vor allem auf dem Individuum, dem direkten Kontakt mit einer Person. Hier liegt das Augenmerk viel stärker auf der Gruppe, mit allen Vorund Nachteilen, die dadurch entstehen. Wir verlieren die Einzelperson nicht aus den Augen, sehen sie aber vor allem im Gruppenzusammenhang. Unsere Herausforderungen sind dreifach: Sich auf diese Gruppe jüngerer Menschen mit MS zu konzentrieren und ihnen wirklich zu begegnen, mit ihnen in der Gruppe zu arbeiten, sich auf das Individuum in der Gruppe zu konzentrieren - was oft wie ein Spiegel für die Entwicklung der einzelnen Person und ihre Fähigkeiten zu Beziehungen mit anderen ist - und dabei nicht den einzelnen Menschen aus den Augen zu verlieren. In unserem neuen Angebot werden wir Lernprozesse betonen und anregen, damit die Teilnehmer sich mit ihrer Lage abfinden und Strategien für ein erfülltes Leben mit MS entwickeln können. Es ist auch notwendig, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass auch wir in Bezug auf diese neue Konzentration auf junge Leute und die Gruppe noch viel zu lernen haben. Als Folge dessen - vor und am Beginn der neuen Kurse werden wir mehr Ressourcen auf unsere eigenen Reflexionen und Evaluierungen verwenden, Beaufsichtigung erhalten und zwei Kursmanagerinnen haben. Damit können wir die notwendige Sensibilität, das Bewusstsein und das Wissen darüber erhalten, wie Kurse mit Schwerpunkt auf der Gruppe und der Person in der Gruppe zu leiten und zu entwickeln sind. Wir wissen, dass das neue Angebot von jungen MS-Betroffenen in Dänemark sehr begrüßt wird - wir wissen auch, dass sie sehr hohe Erwartungen an uns stellen - nicht nur bezüglich des Zusammenseins mit anderen jungen Leuten, sondern auch bezüglich des neuen Ansatzes, sowohl in der dahinterstehenden Philosophie als auch in der Praxis. Schlussfolgerungen Wir werden unser Bestes geben, um diesen Erwartungen zu entsprechen. Wir hoffen, ein Angebot zu entwickeln, dem „man nicht widerstehen kann“ - ein Angebot, das 13 junge MS-Betroffene als geeignete Option für sich ansehen und erkennen, dass es eine Gelegenheit darstellt, anderen jungen Leuten in der gleichen Situation zu begegnen und eine Gelegenheit, mit den vielen Herausforderungen zu wachsen, die die MS an sie stellt. Wir als Mitarbeiter und Organisation freuen uns darauf, von dem „zukünftigen Patienten“ herausgefordert zu werden und unsere eigene „Studienreise“ zu beginnen, nicht nur um dadurch neue Kurse für junge Leute anbieten zu können, sondern ebenso, um die wertvollen neuen Erkenntnisse auf unsere anderen Angebote für MS-Betroffene zu übertragen. Unser Ziel ist es, unser Bestes zu geben, um differenzierte Angebote zu entwickeln für die verschiedenen Bedürfnisse unter den Menschen mit MS - junge und ältere - in Dänemark. 14