1 Rolf Sistermann, Symbole, Mythen und Gefühle, Zur Theorie der Gefühle als Grundlage einer symboldidaktischen Glaubenslehre, aus: Der Evangelische Erzieher 48 Jg./1996, H.1, S.69-85 (überarbeitete Fassung) 1. Erfahrungsorientierte Symboldidaktik oder Orientierung an der Gefühlsbedeutung von Mythen und Symbolen? "Wir müssen mit den Erfahrungen anfangen, die der Mensch in seiner Situation hier und jetzt macht, und mit den, Fragen, die in ihr ihren Grund haben und aus ihr entstehen. Dann erst können wir zu den Symbolen weitergehen, die Anspruch darauf erheben, die Antwort zu erhalten."1 Peter Biehl hat diesen entscheidenden Grundsatz seiner erfahrungsbezogenen Symboldidaktik nach eigenen Angaben von Paul Tillich übernommen. Tillich selbst hat diesen Ansatz in seiner Systematischen Theologie auf einer sehr abstrakten Ebene, nämlich in Auseinandersetzung mit der philosophischen, vornehmlich der existenzphilosophischen Analyse menschlicher Erfahrung in bahnbrechender Weise ausgeführt. Für den Unterricht mit philosophisch nicht vorgebildeten Kindern und Jugendlichen ist damit jedoch allenfalls eine Richtung vorgegeben. Der Weg erweist sich in der Praxis als überaus holprig und verschlungen und führt immer wieder vor frustrierend weite Abgründe. Erfahrung als sinnhaft gedeutetes Erlebnis2 ist immer in vielfacher Weise biographisch und gesellschaftlich vermittelt und verschlüsselt. Wieweit mir meine eigenen biographischen Erfahrungen verfügbar sind und ich mir ihrer überhaupt bewußt sein kann, ist schon sehr die Frage3. Umso problematischer ist es, bei der Planung von Unterricht von den Erfahrungen anderer, nämlich unserer Schüler (hier und im folgenden sind natürlich auch immer die Schüler- bzw Lehrerinnen gemeint), ausgehen zu wollen. Damit die Orientierung an der Erfahrung nicht bei der unsäglichen Aufforderung endet, alles einmal durch die "Brille des Glaubens"4 zu betrachten, sollte der Religionslehrer D. Zilleßens Mahnung beachten: "Religionspädagogik muß Erfahrungsorientierung problematisieren."5 Der Ausweg, durch erlebnisorientierte Projekte im Unterricht Erfahrungen zu organisieren, stößt bei ein oder zwei Wochenstunden, zusammengewürfelten Lerngruppen und der Belastung des Lehrers bei voller Stundenzahl sehr bald auf Grenzen. Überdies trägt das organisierte Erlebnis oft manipulative Züge oder ereignet sich in "-vielleicht phantasievollerBeliebigkeit"6. Dies gilt oft auch für bibliodramatische Versuche in der Schule. Es werden viele mehr oder weniger tiefgehende, mehr oder weniger echte oder künstliche Erfahrungen gemacht. Aber wie sie aufgegriffen werden können und was die traditionellen Symbole christlichen Glaubens damit zu tun haben, ist unklar. Diese sind auch nach vielen Jahren Religionsunterricht oft nur leere Worte ohne jede persönliche Bedeutung. Eine symboldidaktischen Glaubenslehre für die Schule kann nicht bei Gegenstandssymbolen, wie Haus, Berg und Weg stehen bleiben, sondern muß die wichtigsten Symbole des christlichen 1 P.Tillich, Existentialanalyse und religiöse Symbole (l956), in: Ges.Werke, Bd.5, Stuttgart 1964, S.236; vgl P. Biehl, Erfahrungsbezug und Symbolverständnis, in: P. Biehl/ G. Baudler, Erfahrung- SymbolGlaube, Frankfurt 1980, 66 2 Vg1 A. Schütz, Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt (l932), Frankfurt 1974,104ff 3 B. Russell meint sogar, "daß, wir bei gegenwärtigen Erlebnisvorgängen im allgemeinen nicht wissen, daß sie sich gerade abspielen". B. Russell, Philosophie, Die Entwicklung meines Denkens (1959), Frankfurt l998, 144; vgl auch D. Zilleßen: "Unsere individuelle Lebensgeschichte ist unbewußt in Geschichten präsent, die wir erinnern, und in Symbolen, deren persönlicher Bedeutungsgehalt sich nur erahnen läßt." D. Zilleßen, Abschied von der Symboldidaktik? ,in: Ev. Erz. 46 (1994), 33 4 Die Aufforderung, die Alltagserfahrung durch die "Brille des Glaubens" zu sehen, kann man tatsächlich mehrere Male in der an Biehls Erfahrungsorientierung angelehnten symboldidaktischen Glaubenslehre von R. Lachmann lesen. (R. Lachmann, Grundsymbole christlichen Glaubens, Göttingen 1992, 23,24,102 u.103) Eine eingehendere Kritik dieses Buches und anderer Beiträge "zum Problem einer symboldidaktischen Glaubenslehre für Jugendliche" finden sich in in meinem gleichnamigen Aufsatz im Ev. Erz. 46 (1994), S.65-78 5 D. Zilleßen, Sinnvolle problematische Erfahrung, in: JRP, Bd.7, l991,291 6 H. Lenhard, Erfahrungen machen im Religionsunterricht, Störende Anmerkungen zu einem religionspädagogischen Trend, in Ev. Erz. 39 (1987), 620 2 Glaubensbekenntnis verständlich machen und wieder so mit Leben füllen, daß die Schüler Stücke ihres Lebens darin wiedererkennen können. Für diese schwierige Aufgabe sollte man den überzogenen Anspruch der Erfahrungsorientierung zurückschrauben und sich damit zufrieden geben, wenn den Schülern deutlich wird, daß diese Symbole nicht nur leere Begriffe sind, sondern eine Gefühlsbedeutung haben. Von dieser darf vermutet und gehofft werden, daß sie jenseits aller unbegreiflichen und ungreifbaren individuellen Erfahrung bei den verschiedenen Menschen ähnlich und deshalb in einer besonderen, nämlich symbolischen Weise vermittelbar und verstehbar ist. Die Schüler können dann vielleicht auch selbst wieder eine Sprache finden für Gefühle, die sie selbst schon gespürt haben, die aber in ihrem Alltag nur schwer ihren Ausdruck finden. Emotionales Lernen im Religionsunterricht, das sich nicht mit händchenhaltender Sentimentalität und einem irgendwie gearteten Gefühlsbrei begnügen will, braucht m.E. eine differenzierte Theorie der Gefühle. Von dieser erwarte ich eine Antwort auf die Frage, welche Gefühle die Symbole wieder mit Leben erfüllen können. Die andere Frage ist: Welches sind die Grundsymbole christlichen Glaubens und woher weiß ich das? Bei der Frage der Auswahl der Grundsymbole kann eine Symboldidaktik, die deren Gefühlsbedeutung erschließen will, sich nicht damit begnügen, auf die dogmatische Tradition zurückzugreifen. Damit kommt man allenfalls zu Problemkreisen, bei denen noch fraglich ist, wieweit damit Probleme der Schüler angesprochen sind7. Die Symbole des Glaubensbekenntnisses, das in der dogmatischen Tradition reflektiert wird, müssen als Teile eines Heilsdramas verstanden werden und szenisch revitalisiert werden. Das kann methodisch im Bibliodrama geschehen. Didaktisch ist die Auseinandersetzung mit der den einzelnen Szenen zugrundeliegenden Erzählung, der Ur- Kunde, dem Mythos, unerläßlich. Diese Folgerung ziehe ich aus der grundlegenden Einsicht Paul Tillichs, daß die Symbole christlichen Glaubens als Elemente eines gebrochenen Mythos begriffen werden müssen. "Ein Mythos, der als Mythos verstanden, aber nicht beseitigt oder ersetzt wird, kann 'gebrochener Mythos' genannt werden...Es gibt keinen Ersatz für Symbole und Mythen, sie sind die Sprache des Glaubens."8. Daraus ergibt sich eine wichtige didaktische Konsequenz mit ideologiekritischen Implikationen. Die ganze Bedeutung der Symbole christlichen Glaubens kann nur in Opposition zu dem ungebrochenen Mythos erfaßt werden. Wenn man nach einem typischen Mythos sucht, erweist sich die Religionstheorie von René Girard als didaktisch äußerst bedeutsam. Wenn Tillich fortfährt: "Ein Glaube, der seine Symbole wörtlich versteht, wird zum Götzenglauben."9, kann man mit Girard begreifen, wie es dazu kommt und welche Konsequenzen das hat. Seine Theorie ist eine gute Grundlage für eine mythen- und ideologiekritische Symboldidaktik10. Sie kann hier nur andeutungsweise zusammen gefaßt werden11. Girard geht aus von der unbestimmten Begierde des Menschen, die ihr Objekt nur durch die mimetische Nachahmung eines Vorbildes findet. Diese führt zwangsläufig zur Rivalität und zum latenten Konflikt innerhalb jeder Gesellschaft. Der gewaltsame Konflikt wird verhindert, indem man die Aggression auf einen Sündenbock lenkt, der zum Opfer gemacht wird. Sein Opfer hat für die Gemeinschaft höchsten Wert. Die Opferstätte ist die Geburtsstätte der Götter, die zur Legitimation dieses als Untat zugleich erschreckenden, wie als Lösungsmöglichkeit faszinierenden Aktes herhalten müssen (vgl R. Ottos Definition des Heiligen als 'tremendum et faszinosum'). Vom "strukturierenden Mechanismus" des Opfers aus12 kann man nach R.Girards Theorie vom Ursprung der Religionen folgenden Standardmythos rekonstruieren, der nicht nur jedes religiöse, sondern auch jedes ideologische Wertsystem legitimiert: 7 Vgl den immer wieder, z.B. von Früchtel, Biehl und Lachmann, im Zusammenhang mit einer elementaren Glaubenslehre zitierten W. Lohff: "Traditionell sind es vier Problemkreise." Nämlich Schöpfung, Fall und Sünde, Versöhnung und Gnade, Unsterblichkeit und Auferstehung, W. Lohff, Glaubenslehre und Erziehung, Göttingen 1974,32 8 Vgl z.b. P. Tillich, Wesen und Wandel des Glaubens, III,3, (1961), Berlin 1963, 63 9 a.a.O.,65 10 Vgl R. Sistermann, Symboldidaktik und gebrochener Mythos, in: Ev. Erz. 42(1990), 331ff 11 Eine ausführlichere Zusammenfassung von mir findet sich in Ev. Erz 41 (1989), 350-356 unter dem Stichwort: Das besondere Buch 12 R. Girard, Der Sündenbock (1982), Zürich 1988, 172 3 (Dimension I in dem abschließenden Begriffsnetz s.u.) Ein ursprüngliches, ganzheitliches Paradies (a) wird durch einen Frevel oder ein Ungeheuer bedroht (b). Um die Ordnung wieder herzustellen, muß ein Opfer gebracht werden (c). Der Held, der das Opfer darbringt oder das Ungeheuer tötet, wird zum unsterblichen Idol (d) und in die himmlische Welt der Götter aufgenommen (e). Die Ähnlichkeit folgender Symbole des christlichen Glaubensbekenntnisses zu den oben genannten Elementen des Standardmythos fällt nun ins Auge: (Dimension V) a) Schöpfung b) Sünde c) Kreuz d) Auferstehung e) Reich Gottes - Totales Paradies - Ungeheurer Frevel - Opfer - Unsterblichkeit des Idols - Himmlische Welt der Götter Zweifellos werden diese Symbole auch von vielen nicht anders verstanden als der Mythos und in diesem Verständnis mit Recht von der Religionskritik in Frage gestellt. Deshalb hängt ihre Glaubwürdigkeit davon ab, wieweit es gelingt, dem Schüler den Unterschied in der Bedeutung klar zu machen. Komplizierte religionsgeschichtliche Differenzierungen werden den Schüler nicht erreichen, wenn ihm nicht auch die Unterschiede in der Gefühlsbedeutung klar werden. Welche Gefühle bringt der ungebrochene Mythos zum Ausdruck und wie unterscheidet davon sich die symbolische Bedeutung der mythischen Elemente im christlichen Glauben? In der inzwischen wieder lebhaft geführten Diskussion um die Wahrheit des Mythos wird die Gefühlsbedeutung des Mythos wenig beachtet. Man ist nicht viel weiter gekommen als Wilhelm Wundt, der schon 1910 festgestellt hat: "Die Affekte der Furcht und des Hoffens, Wunsches und der Begierde, der Liebe und des Hasses, sind allverbreitete Quellen des Mythus."13..."So entspringt alle Mythenbildung aus dem Affekt und aus den von ihm ausgehenden Willenshandlungen; nicht das intellektuelle Interesse, sondern der Trieb, dem Affekt Befriedigung zu verschaffen, bestimmt im Geist des primitiven wie noch jetzt des abergläubischen Kulturmenschen die Verknüpfung der Erscheinungen."14 Das besondere in der mythenbildenden Phantasie ist für ihn, "daß bei ihr jene Projektion der Gefühle, Affekte und Willensantriebe in die Objekte so gesteigert ist, daß die Objekte selbst als belebte Wesen erscheinen."15 Der Gedanke ist 1944 von Ernst Cassirer weiter ausgeführt worden: "Die Natur im empirischen oder wissenschaftlichen Verstande läßt sich beschreiben als 'das Dasein der Dinge, sofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist' (Kant Prolegomenea §14). Eine derartige 'Natur ' gibt es für die Mythen nicht Die Welt des Mythos ist dramatischeine Welt des Handelns, der Kräfte, der widerstreitenden Mächte. In jeder Naturerscheinung sieht der Mythos den Zusammenprall dieser Mächte. Die mythische Wahrnehmung ist stets in dieser Weise emotional gefärbt. Alles Sichtbare und Spürbare ist von einer besonderen Atmosphäre umgeben- einer Atmosphäre von Freude oder Trauer, von Furcht , Erregung, Jubel oder Niedergeschlagenheit. Hier können wir von den Dingen nicht wie von einem toten, gleichgültigen Stoff sprechen. Die Gegenstände sind entweder wohlwollend oder böswillig, freundlich oder feindlich gesonnen, vertraut oder unheimlich, verlockend und faszinierend oder abstoßend und bedrohlich."16. Eine genauere Bestimmung des dem ungebrochen Mythos zugrundeliegenden Affekts findet sich bei P. Ricoeur in der Beschreibung der Idolbildung. Er beschreibt die Idolbildung als einen Prozeß leidenschaftlicher Besessenheit, wobei er Kants Erörterung der drei unnatürlichen Leidenschaften Habsucht, Herrschsucht und Ehrsucht vor Augen hat. "Wenn der Leidenschaftliche 'alles will', setzt er sein 'Alles' in eines dieser Objekte, das wir in Korrelation mit 13 W. Wundt, Mythus und Religion, Völkerpsychologie, Bd.4, 2.A., Leipzig 1910,60 a.a.O., 62 15 a.a.O., 65 16 E. Cassirer, Versuch über den Menschen, Einführung in eine Philosophie der Kultur, (1944), Frankfurt a.M. 1990, 123 14 4 dem Ich des Besitzes, der Herrschaft und der Geltung sahen." ... "Nur ein Wesen, das das Ganze will und es in den Gegenständen des menschlichen Begehren schematisiert, kann sich vergreifen, d.h. seine Zielsetzung für das Absolute nehmen, den Symbolcharakter der Verknüpfung des Glücks mit einem Ziel des Begehrens vergessen; diese Vergessenheit macht aus dem Symbol ein Idol."17 In dieser Bestimmung des Idols aus der bisher in der Religionspädagogik kaum wahrgenommenen Gefühlstheorie Ricoeurs aus dem ersten Band der 'Symbole des Bösen' wird die ethisch- politische Bedeutung klarer als in der von Biehl immer wieder zitierten Definition aus Ricoeurs Buch über Freud: „Das Idol ist die Verding1ichung des Horizonts zur Sache“. Individualpsychologisch entspricht die Idolisierung im ungebrochenen Mythos dem von Alfred Lorenzer beschriebenen Prozeß der Klischeebildung. D. h. die zugrundeliegende Szene kann nicht spielerisch mit Leben und Gefühl erfüllt werden, sondern muß zwanghaft wiederholt werden18. Für unseren Zusammenhang wichtig ist aber auch die schon 1925 von Ernst Cassirer festgehaltene Entdeckung, daß "das mythisch- religiöse Bewußtsein als eines der wichtigsten Faktoren des Gemeinschaftsgefühls und des Gemeinschaftslebens erscheint."19 Beides paßt zur Mythostheorie Girards. Von Girard aus wird aber klar, daß diese Gemeinschaft durchaus nicht harmlos ist, sondern von leidenschaftlicher Besessenheit geprägt ist. Blumenbergs postmoderne, den Polytheismus favorisierende Grundformel des Mythos: "Entängstigung des Menschen von allen ihm unbegreiflichen Gewalten"20 verschleiert, auf wessen Kosten die Entängstigung geht. Das von Alfred Adler als Ziel der Individualentwicklung angesehene Gemeinschaftsgefühl entpuppt sich als zweideutig. Die vom ungebrochenen Mythos getragene Gemeinschaft ist eine "ideologische communitas" im Sinne V. Turners21. Jede Gemeinschaft hat ihren Geist, der zum Ursprung eines Mythos werden kann. Es gilt, die "Grenzen der Gemeinschaft"22 zu sehen und zu fragen, wieweit der symbolisch gebrochene Mythos Ausdruck "spontaner communitas" (Turner) sein kann. Der ungebrochene Mythos kann also als Ausdruck leidenschaftlicher Besessenheit einer Gemeinschaft verstanden werden, die ihr Opfer gesucht oder gefunden hat. Der Mythos verbirgt und verbrämt einen Schematismus der Sucht23, der genau umgekehrt abläuft, wie die Geschichte, die er erzählt: 17 P. Ricoeur, Die Fehlbarkeit des Menschen, Phänomenologie der Schuld , Bd. I (1960), 2.A., Freiburg u.a.l989, 170; vgl I. Kant, Anthropologie in pragmatischer Absicht, 1798, §79ff; die unterschiedlichen Bewertungen von Leidenschaft scheinen mir von großer theologischer und religionspädagogischer Relevanz. Daß diese noch wenig geklärt ist, führt H. Schröer auf die "uneinheitliche Terminologie in Philosophie und Psychologie insbesondere im Blick auf die Abgrenzung des Affekt- Begriffs zu Leidenschaft, Emotion, Gefühlsbewegung, Gefühlserregung" zurück. H. Schröer, Art. Affekt, IV. PraktischTheologische Aspekte, TRE, Bd.1, Berlin u.a. 1977, 621f 18 Vgl. Sistermann, 1990, 334f 19 E. Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen, 2.Teil; Das mythische Denken, Berlin 1925, 219 20 H. Blumenberg, Arbeit am Mythos, (1979), 2.A., Frankfurt. a.M. 1982, 597 21 Victor Turner, Vom Ritual zum Theater: Der Ernst des menschlichen Spiels, (New York 1982), Frankfurt a.M. u.a. 1989, 76ff 22 H. Plessner, Grenzen der Gemeinschaft, eine Kritik des sozialen Radikalismus, (1924), in: ders, Gesammelte Schriften, Bd. 5, Frankfurt a.M. 1981, 7-134 23 In der theologischen Affektenlehre von W. Pannenberg werden wie bei Thomas von Aquin positive und negative Leidenschaften unterschieden. Zu den letzteren heißt es: "Darin liegt sicherlich die Gefahr, daß die absolute Vollendung mit dem Gegenstand der Leidenschaft verwechselt wird, so daß Sucht und Hörigkeit resultieren." (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, Göttingen 1983, 258 Treffend formuliert der Psychologe U. Beer: "Sucht ist halbierte Sehnsucht. Wahre Sehnsucht richtet sich aufs Ganzsein, sucht etwas Fehlendes, dessen wir zur Ergänzung noch bedürfen. Sehnsucht ist Hoffnung, daß das Leben für uns noch etwas unglaublich wichtiges bereithält."(Ulrich Beer, Kraft aus der Einsamkeit, (1990), München 1992,65) .."Eben weil er sich unheil, unvollkommen, unzulänglich empfindet, sucht und sehnt sich der Mensch nach mehr, nach der vollkommenen Ergänzung und einem heilenden Gott. Wenn der Mensch in diesem Glauben lebt und von dieser Hoffnung sich bewegen läßt, erfährt er sich geborgen und getragen von einem höheren Sinn. Wenn er dagegen diese Spannung zwischen Himmel und Erde nicht aushält, sondern die Befriedigung auf der Erde ungeduldig schon jetzt sucht, halbiert sich die namenlose Sehnsucht zu einer Sucht, die viele Namen hat. "....Wir können Sucht definieren als die Vereinfachung und Vereinseitigung eines umfassenden Suchens nach Sinn."(66) .."Der Süchtige und der Gegenstand seiner Leidenschaft sind auf unerklärliche Weise zusammengekettet, er ist 5 (Dimension II) Die mimetische Begierde als Habsucht und Gier(e) führt zu Neid, Schadenfreude (d) und schließlich zum Haß, der den Tod des Rivalen wünscht (c). Sein Bild wird zum Ungeheuer verzerrt, das Grauen erregt.(b) Seine Niederlage wird als rauschhaftes Fest erlebt(a), das suchtartig wiederholt werden muss. Wie kann dem gegenüber die Gefühlsbedeutung des symbolisch gebrochenen Mythos verstanden werden? 2. Grundsymbole christlichen Glaubens als Ausdruck seelischer Gefühle Paul Tillich hat das Symbol mit der Seele in Verbindung gebracht: "So wirkt jedes Symbol in zwei Richtungen: es öffnet die Wirklichkeit und die Seele."24 Leider hat er diesen interessanten Ansatz in seiner Systematischen Theologie nicht ausgeführt. Unter dem Eindruck des Sprachgebrauchs in der modernen Psychologie, die in Aufnahme der aufklärerischen Kritik an einer unsterblichen Seelensubstanz zu einer Psychologie ohne Seele geworden sei, kommt er zu der Ansicht, daß das "Wort Seele seinen Nutzen für die allgemeine wie auch für die theologische Beschreibung des Menschen verloren hat." Andererseits sieht er jedoch, daß das "Wort Seele in der Dichtung und im täglichen Leben gebräuchlich geblieben" ist und oft "den Sitz der Gefühle und Leidenschaften" bezeichnet.25 Er halt es zwar für ein Mißverständnis, den Glauben als Gefühlsakt anzusehen. Dies bezieht er jedoch nicht auf das Gefühl im Sinne Schleiermachers, sondern auf die "Subjektivität bloßen Fühlens"26. Sein Verständnis des Glaubens als "Ergriffensein, von dem, was uns unbedingt angeht," geht über die subjektive Innerlichkeit hinaus und entspricht durchaus dem Gefühlsbegriff bei H. Schmitz, dem Betroffensein von etwas, was auf mich zukommt. Dieser Zusammenhang von Glaube und Gefühl ist bei der mehr oder weniger oberflächlichen Rezeption von Tillichs Religionsbegriff in der Religionspädagogik m.E. bisher zu wenig beachtet worden. Tillich ist dabei weitgehend durch den phänomenologischen Ansatz R.Ottos bestimmt27. Dort heißt es: "Verständnis von Religion und auch von Vorreligion muß in erster Linie Gefühlsanalyse sein."28 Zur Erfassung des religiösen Gefühls forderte Otto allerdings schon damals eine differenzierte Theorie der Gefühle: "Wir würden hier klarer sehen, wenn die Psychologie im allgemeinen entschiedener versuchen wurde, die 'Gefühle' auf Qualitäts- Unterschiede zu untersuchen und dar nach zu sortieren. Immer noch hindert uns hier die allzu grobe Einteilung in 'Lust' und 'Unlust' überhaupt...Es sind spezifisch andere Zuständlichkeiten, ob sich die Seele befindet in Lust oder in Vergnügen, in Freude, in ästhetischer Wonne, in ethischer Erhobenheit und endlich in religiöser Seligkeit des Andachtserlebnisses."29 Trotz der Skepsis Tillichs scheint der Weg, der Seele im Religionsunterricht mehr Raum zu geben, vielversprechend zu sein. Schon l982 hat H. Halbfas in seinem 'Dritten Auge' die Definition gefunden 'Symbol als Sprache der Seele'. Nach seinem jetzt vollständig erschienen Lehrbuch für die Sekundarstufe I sollen auch schon die Schüler im sechsten Schuljahr diese kennen. Die Definition ist glücklich gewählt, denn sie ist eingängig und regt zum Nachdenken 'addicted', das heißt, er widmet sich, ja er weiht sich dieser Leidenschaft." (67) Von Levinas aus dürfte Ganzsein allerdings nicht im Sinne der von ihm kritisierten Totalität verstanden werden. 24 P. Tillich, Das Wesen der religiösen Sprache (1959), in: Ders, Gesammelte Werke, Bd. 5, Stuttgart 1964, 216 25 P. Tillich, Syst. Theologie, Bd.III (1963), Stuttgart 1966,35 26 P. Tillich, Wesen und Wandel des Glaubens (1960), Frankfurt u.a. 1975 (Ullstein TB), 51 27 W. Schüssler, Der philosophische Gottesgedanke im Frühwerk Paul Tillichs (1910-198.3), Würzburg 1936, 175ff 28 R. Otto, Mythus und Religion in Wundts Völkerspsychologie, in: Theologische Rundschau 13 (1910), Nachdruck Breslau 1921, 11 29 R. Otto, Das Heilige,Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, 3.A., Breslau 1919, 18 6 an. Man wird sich allerdings darüber streiten müssen, was unter Seele zu verstehen ist. Da dies in der Religionspädagogik in den letzten Jahrzehnten kein Thema war, wäre eine solche Diskussion zu begrüßen. Bei Halbfas ist die Seele auf eine Raum der Innerlichkeit festgeschrieben: "Solange wir Gott noch außen suchen anstatt im eigenen Seelengrund, sind Mensch und Gott sich fremd."30 Diese platonisch- gnostische Seelenvorstellung31 ist nicht zuletzt nach den Arbeiten des Kieler Philosophen Hermann Schmitz höchst problematisch geworden. Die Introjektion der Götter in eine innere seelische Welt ist demnach genauso ein Ausweichen vor dem Betroffensein von dem, was uns wirklich im wörtlichen Sinne "angeht", nämlich die Atmosphären, die einen wahrnehmbaren Gefühlsraum bilden, wie deren Projektion in eine Überwelt.32 Wenn man überhaupt noch von Seele sprechen will, so muß sie demnach weniger- als Brunnen wie bei Halbfas, sondern eher als Turm, als Empfangsantenne oder Wachturm verstanden werden, wenn dieses Bild nicht schon anderweitig verbraucht wäre. Ich plädiere dafür, trotz aller Mißverständlichkeit den Begriff 'Seele' möglichst früh in einen symboldidaktischen Unterricht einzuführen. Mit ihm können Schüler für die Wahrnehmung unterschiedlicher Gefühlsdimensionen sensibilisiert werden. Wenn man den Begriff 'Seele' Schülern nahe bringen will -und ich meine, daß es dafür gute didaktische Gründe gibt, weil hier an einem ebenso bekannten wie vieldeutigen Begriff der 'Streit um die Wirklichkeit' (G.Ebeling) mit theologischer Kompetenz geführt werden kann-, dann muß sie symbolisch als Ort oder Organ verstanden werden, an dem und mit dem das gespürt wird, was mich in der Welt, in der ich lebe, unmittelbar und unbedingt angeht und betrifft.33 Ingo Baldermann hat sich mit der einprägsamen Definition von Hubertus Halbfas 'Die Sprache der Symbole ist die Sprache der Seele' auseinandergesetzt: "Wohl ist sie die Sprache der Seele, aber nicht einer unsterblichen Seele, sondern so, wie sie in den Psalmen erscheint, der Seele als Kern meiner Emotionalität, von dem alles ausgeht, was meinem Leben Wärme gibt, Spontaneität und Farbe, die aber auch so zugänglich ist für alle Erfahrungen der Angst, 30 H. Halbfas, Der Sprung in den Brunnen, Eine Gebetsschule, Düsseldorf 1981, 117 Zum Vorwurf der Gnosis und zur Kritik an der Aufassung von Halbfas, daß Bilder und Symbole immer unbewußt sind, vgl R. Gronbach, Kritischer Blick ins 'dritte Auge' und darüber hinaus, in: Entwurf, H.3, 1991, 4 u.6f. Gronbach stellt hier die Frage, ob es sich bei der Betonung des Unbewußten bei Halbfas nicht eher um eine Klischeedidaktik als um eine Symboldidaktik handelt. 32 Schmitz erklärt das Auftreten dieser Idee folgendermaßen: Im fünften und vierten Jahrhundert vor Christus "riß die erste Aufklärung den Schleier des Mythos von der Welt bis auf einen Rest, der sich der distanzierenden Vergegenständlichung entzog und in die Innenwelt, die Seele, das Bewußtsein abgeschoben wurde; aber diese Innenwelt war selber nur ein neuer Mythos, von dem sich die Folgezeit, einschließlich der sogenannten Aufklärung im achtzehnten nachchristlichen Jahrhundert, nicht mehr lösen konnte." (H.Schmitz, Der Gefühlsraum, System der Philosophie, Bd. Ill,2, Bonn 1969,XIV) Er kommt von daher zu einer Kritik am Monotheismus, der aber nicht mit dem christlichen Glauben an den trinitarischen Gott verwechselt werden darf. "Wie der Mensch sich als Herr im eigenen Haus, d.h. in der ihm im Zuge der Introjektion beigelegten Seele, und zugleich als dieses selbst über die nun dort untergebrachten unwillkürlichen Regungen erhebt, so übersteigt der monotheistische Eingott die Götter, die ja eigentlichwie etwa der heilige Geist- selbst solche (personifizierten) Regungen sind, freilich nicht subjektive Inhalte, sondern überpersönliche, eventuell leiblich den Menschen ergreifende Atmosphären und Mächte." (H. Schmitz, Das Göttliche und der Raum, System der Philosophie, Bd. Ill, 4, Bonn 1977, 180 33 Vgl G. Simmel, Die Religion (1906-1912), in: ders., Gesammelte Schriften zur Religionssoziologie, Berlin 1989: "Frömmigkeit ist die Stimmung der Seele, die zur Religion wird, sobald sie sich in besondere Gebilde projeziert." (130) "Die Seele ist durch Gott und ohne ihn nichts, aber doch auch Gott nichts ohne Seele." (120) Auf die anthropologisch-religionsphilosophische Diskussion um die Seele und ihr Verhältnis zum Geist und Leib, die religionspädagogisch noch kaum aufgearbeitet worden ist, kann hier nicht weiter eingegangen werden. Besonders interessant: C.G. Carus, Psyche, Zur Entwicklungsgeschichte der Seele (1860), Darmstadt l964; einen ersten Überblick bieten: G. Jüttemann, M. Sonntag, Chr. Wulf (Hs), Die Seele, Ihre Geschichte im Abendland, Weinheim 1991; die wichtigste und ausführlichste theologische Auseinandersetzung mit diesem Thema findet sich immer noch bei K. Barth, Kirchliche Dogmatik, Bd. III/2, Zollikon- Zürich 1948; die dort vorgenommene klare Unterscheidung von Geist und Seele trifft von einem ganz anderen Ausgangspunkt aus, nämlich dem der Tiefenpsychologie C.G.Jungs, auch Thomas Moore. Sein Buch ist lesenswert wegen der vielen Beispiele aus dem täglichen Leben. Seine polytheistische Psychologie paßt allerdings besser zu H. Schmitz als zu K. Barth: T. Moore, Die Seele lieben, Tiefe und Spiritualität im täglichen Leben, (New York 1992), München 1995 31 7 34 verletzlich und sterblich." Das hier angelegte Programm eines emotionalen Lernens im Religionsunterricht hat Baldermann in seinem Werk "Wer aber hört mein Weinen?", das grundlegend ist für das von ihm mit herausgegebene neue Schulbuch im Klett- Verlag 'Hoffnung lernen', eindrucksvoll ausgeführt. Allerdings fehlt hier, wie Baldermann sehr wohl bewußt ist, eine Theorie der Gefühle, die etwa zwischen Freude, Lust und Schadenfreude unterscheiden könnte35. Eben darum soll es im folgenden gehen. Eine Theorie der Gefühle würde dann auch der Rede von der Seele mehr Substanz geben. Die Religionsphilosophie des jüdischen Phänomenologen E. Levinas bietet m.E. den wichtigsten Ansatz zu der gesuchten symboldidaktisch bedeutsamen Gefühlstheorie. Bei Levinas wird ein Verständnis von Seele angedeutet, das nicht auf den Raum der Innerlichkeit beschränkt ist: "Die Idee des Unendlichen setzt eine Seele voraus, die mehr zu enthalten vermag, als sie aus sich selbst ziehen kann. Sie zeichnet ein Inneres vor, das...nicht seine Innerlichkeit für die Totalität des Seins hält."36 Levinas kennt ein Verständnis von Seele, das auch der Destruktion durch H. Schmitz stand hält. Pointiert heißt es in einer Anmerkung bei Levinas: "Die Seele ist der Andere in mir."37 "Die Beseeltheit des Leibes durch eine Seele bringt nur das der- Eine- für- den- Anderen der Subjektivität zum Ausdruck "38. Beseeltheit ist "Ausgesetztheit auf den Anderen hin."39 Dabei steht für Levinas fest: "Durch meine Beziehung zum anderen bin ich in Beziehung zu Gott."40 Für die Theorie der Gefühle ist die Unterscheidung von Sehnsucht und Bedürfnis, désir und besoin, bei Levinas von grundlegender Bedeutung. "Das Bedürfnis öffnet sich für eine Welt, die für mich ist. ... Das Bedürfnis ist die Rückkehr selbst, die Angst des Ich um sich, die ursprüngliche Form der Identifikation, die wir Egoismus genannt haben. Das Bedürfnis ist die Angleichung der Welt mit dem Ziel der Koinzidenz mit sich selbst oder des Glückes." Dem Bedürfnis gegenüber steht das Begehren. "Das Begehren des Anderen entsteht in einem Wesen, dem nichts fehlt, oder genauer, es entsteht jenseits all dessen, was ihm fehlen oder was es befriedigen kann." ..." Im Begehren richtet sich das Ich auf den Anderen; so gefährdet es die selbstherrliche Identifikation des Ich mit sich selbst, nach der allein das Bedürfnis sich sehnt und die vom Bewußtsein des Bedürfnisses vorweggenommen wird. ...Die Beziehung zum Anderen stellt mich in Frage, sie leert mich von mir selbst; ... Das Begehrenswerte sättigt nicht das Begehren, sondern vertieft es. Es nährt mich in gewisser Weise mit neuem Hunger."41 Levinas betont unter Bezugnahme auf Valéry und Platon, daß désir ein Verlangen sei, ''daß durch keinen vorgänglichen Mangel bedingt wird", und spricht unter Verweis auf Dostojewski von "unersättlichem Mitleid"42. Der Unterschied zum Bedürfnis wird m.E. im Deutschen deutlicher, wenn man désir mit 'Sehnsucht'43 übersetzt. Lust ist für Levinas "die Abhängigkeit, die in Herrschaft, in ein wesentlich egoistisches Glück umschlägt". "Das Ich bildet sich erst im Genuß." Die Vereinzelung in der Lust am Genuß wird 34 I. Baldermann, Kinder entdecken sich selbst in der Sprache der Psalmen, in: J. Ölkers/K. Wegenast., Das Symbol- Sprache des Verstehens, Stuttgart u.a. 1991, 204 35 "Um eine genaue Definiton dieser Grenze sind wir einstweilen noch verlegen." I. Baldermann, Wer aber hört mein Weinen? Kinder endecken sich selbst in den Psalmen, Neunkirchen- Vluyn 1986, 91. Eine solche scheint aber dringend nötig, wenn es um Verstehensprozesse geht. Ob ein stärker handlungsbezogener Ansatz emotionalen Lernens im RU, wie ihn H. Zwergel vorführt, durch kognitive Analyse solche Definitionen umgehen kann, müßte noch diskutiert werden. Vgl H. Zwergel, Zur emotionalen Verankerung religiöser Lernprozesse, in RpB 33/Jg94, 40-60 36 E. Levinas, Totalität und Unendlichkeit (1961), Freiburg u.a. 1987, 262 37 E. Levinas, .Jenseits des Seins oder anders als Sein geschieht (1978), Freiburg u.a. 1992, 157 38 a.a.O., 178 39 a.a.O., 162 40 E. Levinas, Eine Religion für Erwachsene, in: ders., Schwierige Freiheit, Frankfurt 1992, 10 41 E. Levinas, Die Spur des Anderen, (1983), 2.A., Freiburg u.a. 1987, 218ff 42 E. Levinas, Humanismus des anderen Menschen (1972), Hamburg 1989,37f; dieses Mitleid kann jedoch wohl nicht im metaphysischen Sinne wie bei Schopenhauer verstanden werden, weil es dann nicht zur Entdeckung des Mitmenschen verhilft. Ich spreche deshalb lieber von Anteilnahme. Vgl A. Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, (1818) 1844, l.Bd, 4.Buch, 67. Kap.; "Mitleid ist die agape." Zur Kritik an Schopenhauers Mitleidbegriff vgl H. Cohen, Die Religion der Vernunft, 2.A., Köln 1959, 163 43 Vgl R. Funk, Sprache und Transzendenz im Denken von Emmanuel Levinas, Freiburg u.a. 1989, 405ff 8 von Levinas her sehr deutlich." Egoismus, Genuß und Sinnlichkeit und die ganze Dimension der Innerlichkeit sind Artikulationen der Trennung."44 Dem gegenüber verbindet die Freude und wird um so größer, je mehr sie geteilt wird. Das Verbindende der Freude zeigt sich aber in der Philosophie des Anderen bei Levinas in seiner ganzen Ambivalenz. Ich erlebe den Anderen immer nur in der Zweideutigkeit von Distanz und Nähe. "Das Rätsel ist die Transzendenz selbst, die Nähe des Anderen als eines anderen."45 Es kommt nicht zu einer ausgewogenen Begegnung wie bei Martin Buber, sondern ich kann immer nur "Die Spur des Anderen" erleben. Freude bekommt aber gerade im Zusammenhang mit dem unendlichen Verlangen eine Tiefendimension, in der sie sich mit dem Gefühl der Sehnsucht und der schlechthinnigen Abhängigkeit nach Schleiermacher berührt.46 Von hier aus können Gefühle nach Formen seelischen Ergriffenseins durch die Transzendenz des Anderen auf der einen Seite und ähnlichen, aber auf den eigenen Leib und die Selbsterhaltung bezogenen Empfindungen auf der anderen Seite zusammengestellt und unterschieden werden. Die existenzphilosophische Unterscheidung von Furcht und Angst47 kann damit aufgegriffen, gefühlstheoretisch umgedeutet und erweitert werden. Gehen die positiven oder negativen Erwartungen Furcht und Bedürfnis bzw. Angst und Sehnsucht in Erfüllung, so empfindet der Körper Lust und Schmerz, die Seele dagegen wird von Freude und Mitleid oder Liebe ergriffen. Dazwischen heben sich die seelischen Gefühle des Mutes48 und der Anteilnahme49 von den auf den Leib bezogenen Empfindungen der Selbstsorge ab50. Ich komme also zu folgender Zuordnung: (Dimension III) Körperliche Empfindungen Selbsterhaltung a) Lust b) Furcht c) Schmerz/ Ärger d) Selbstsorge e) Bedürfnis 44 der Seelisches Ergriffensein von Transzendenz - Freude - Angst - Mitleid/Liebe - Anteilnahme/ Mut - Sehnsucht Levinas, (1981)1987, 159, 206,212 Levinas, (1983)1987, 254 46 Zum Zusammenhang von Sehnsucht und schlechthinniger Abhängigkeit bei Schleiermacher vgl R. Sistermann, Zu einer Theorie der Gefühle als Grundlage emotionalen Lernens im Religionsunterricht, in RpB, 30/1992, 67ff. Auch der bedeutende Neukantianer Herrman Cohen stellte am Ende des ersten Weltkriegs in seiner Philosophie der jüdischen Religion die Sehnsucht als zentrales religiöses Gefühl heraus: "Die Sehnsucht bezeichnet, sie erfüllt das ganze Innenleben der Seele, sofern es auf die Korrelation mit Gott eingestellt wird zur Erzeugung der Religion." (Cohen, 1959, 435). Von dort her kommt er zu einer klaren Abgrenzung von Lust und Freude. "Die Freude wird zum Ziel und Zweck des Festes gesetzt. sie ist keine dionysische, keine bacchantische Lustfreude. Sie ist definiert durch die Mitfreude des Fremdlings und des Armen." (528) Dagegen: "Alles, was mit Lust und Unlust zusammenhängt, kann nicht als positiver Beweggrund der Religion gültig sein." (7) Inzwischen ist eine interessante und wichtige, weil allzu seltene neue theologische Affektenlehre erschienen, die auch auf die Theorie von H. Schmitz eingeht. Sie macht allerdings zwischen der "Befriedigung eines Bedürfnisses" und der "Erfüllung einer Sehnsucht" in der Tradition von Aristoteles und Thomas von Aquin keinen Unterschied. (K. Stock, Grundlegung der Protestantischen Tugendlehre, Gütersloh 1995, 52). 47 Vgl S. Kierkegaard, Der Begriff Angst (1844), 4.A., Reinbek 1965, 55: Angst ist im Unterschied zur Furcht ein Ausdruck der Sehnsucht Auch bei O.F. Bollnow, Das Wesen der Stimmungen (1941), Frankfurt 3.A. 1956 sollen neben der Angst andere seelische Stimmungen erfaßt werden. Auch hier geht es nicht um ein "Innenleben", sondern um die "umgreifende Einheit von Leben und Welt" (38ff). Allerdings ist der Andere als Ursprung und Herausforderung der Transzendenz der subjektiven Identität hier noch nicht in den Blick genommen. 48 Vgl P.Tillich, der Mut zum Sein, (1952), Hamburg 1965 (Stundenbuch Bd.50) 49 Vgl Anm. 42 50 W. Schmid will die christliche Reduzierung der Sorge auf Seelsorge rückgängig machen, indem er die antike Sorge um das äußere Selbst als Selbstsorge wieder in den Mittelpunkt der Lebenskunst stellt (W. Schmid, Philosophie der Lebenskunst, eine Grundlegung, 6. A. , Frankfurt a.M. 2000, 144ff). 45 9 Dabei muß betont werden, daß es bei allen seelischen Gefühlen nicht etwa um etwas Innerliches oder Ichbezogenes geht, sondern um die Seele als die "Augen für die Anderen"51. Die Bedeutung der Grundsymbole christlichen Glaubens wird erst dann bewußt verstanden, wenn sie mit diesen seelischen Gefühlen in Verbindung gebracht werden. Dann erst erschließen sie sich als verschiedene Zugänge zu dem sie verbindenden einen Grundsymbol >Gott<, dem eigentlichen Thema des Religionsunterricht. Die Unterscheidung von Sehnsucht und Bedürfnis nach Levinas52 bietet die Möglichkeit einer Differenzierung der unbestimmten Begierde, die im Sinne R. Girards unausweichlich zur mimetischen Rivalität führt. Die Unterscheidung von Sehnsucht und Bedürfnis ermöglicht eine Antwort auf die bei R. Girard offengebliebene Frage, was denn nach dem Durchschauen des Opfermechanismus an die Stelle der Begierde treten soll. Deswegen muß eine gefühlstheoretische Fundierung einer Symboldidaktik, wenn sie mythen- und ideologiekritisch sein soll, von dieser Unterscheidung ihren Ausgangspunkt nehmen. Die Symbole werden hier im Sinne Paul Tillichs als Elemente eines gebrochenen Mythos verstanden, die für sich genommen sinnlos sind. Sie bekommen erst dann ihren Sinn, wenn sie mit ihrer anderen Hälfte, der Gefühlswirklichkeit, bewußt zusammengebracht werden. Der ungebrochene Mythos dagegen hat eine in sich abgeschlossene Bedeutung, die scheinbar nichts zu tun hat, mit den ichbezogenen Empfindungen. Es wäre auch falsch, diese zu verteufeln und direkt mit dem ungebrochenem Mythos in Verbindung zu bringen. Kritische Symboldidaktik aber sollte zeigen können, daß der ungebrochene Mythos in Wahrheit der illusorische und kompensatorische Überbau der ichbezogenen Empfindungen ist. Damit sollen diese nicht abgewertet werden, wie es in einer langen leibfeindlichen Tradition in der Christentumsgeschichte der Fall war. Für sich genommen haben sie ihre natürliche Berechtigung und Bedeutung. Erst wenn sie übersteigert und mythisch überhöht werden, werden sie gefährlich und zum Ursprung von Götzendienst und Idolatrie. Die mythischen Elemente müssen also als leidenschaftliche Übersteigerungen der für die Selbsterhaltung wichtigen körperlicher Empfindungen gelesen werden: (Dimension II) Die Lust wird zur Sucht nach dem Rausch übersteigert, wenn sie auf das Klischee des totalen Paradieses fixiert ist (a). Der Mythos vom ungeheuren Frevel oder vom Frevel durch das Ungeheuer steigert die begründbare Furcht zum Grauen (b) Der unvermeidbare Schmerz und Ärger, wenn unsere Bedürfnisse nicht erfüllt werden, wird zum Hass, der sein Opfer sucht(c). Die natürliche Selbstsorge wird, wenn sie sich am Idol des unsterblichen Helden misst, zum Neid auf den Rivalen und zur Schadenfreude bei seinem Untergang (d). Das zu Habsucht, Herrschsucht und Ehrsucht leidenschaftlich übersteigerte Bedürfnis meint seine mythische Erfüllung nur in der himmlischen Welt der Götter finden zu können. (e) 3. Vorschlag zu einem mythenkritischen symboldidaktischen Begriffsnetz Die gefühlstheoretische Grundlegung der Symboldidaktik kann mir Hilfen geben bei der Auswahl der Medien, bei der Entscheidung, auf welche expliziten oder impliziten Gefühlsäußerungen in Schüleräußerungen in bibliodramatischen Versuchen, aber nicht nur dort, ich eingehen soll und welche Gefühle ich bei der narrativen Erschließung der Symbole betonen soll. Nicht jedes Gefühl und jedes Bedürfnis muß im Religionsunterricht thematisiert werden. Welche verschiedenen Bedürfnisse Menschen haben und wie diese befriedigt werden können, ist in erster Linie eine Frage, die in die Sozialwissenschaften gehört. Bedürfnisse stehen 51 N. Mette, Subjektwerden an den und mit den anderen, in: Ev. Erz. 43 (1993), 628f. Es mag sein daß Levinas, bei dieser Unterscheidung von Kants Ethik angeregt ist. Dieser stelIt dem empirisch, pathologischen Interesse das reine, praktische gegenüber. Weil Kant die Sehnsucht als leere Erwartung abwertet (Vgl. I.Kant, Anthropologie in pragmatischer Absicht, 1798, Drittes Buch, § 70 Vom Begehrungsvermögen), kann er jedoch diese nicht mit dem reinen, praktischen Interesse in Zusammenhang bringen. 52 10 sozusagen neutral zwischen Habsucht und Sehnsucht. Werden sie aber idolisierend und ideologisch mythisiert, sind sie von theologischer Relevanz und gehören in den Religionsunterricht. Vom Horrorfilm über Videoclips bis zur Werbung bieten Massenmedien und Trivialkultur hier ein noch viel zu wenig, beachtetes Medienarsenal. (Als ersten Einstieg in die Unterscheidung von ichbezogenen Empfindungen und seelischen Gefühlen in der Klasse 5 hat sich z.B. das Märchen 'Das kalte Herz' von W. Hauff bewährt. Die dort angehäuften moralisierenden Klischees können mit Levinas resymbolisiert werden.) Mit der Unterscheidung von körperlichen Empfindungen und seelischem Ergriffensein von Transzendenz soll nicht einer religionspädagogischen Zwei- Reiche- Lehre das Wort geredet werden. Natürlich sind die Übergänge zwischen den Gefühlslagen, die in dieser einen Welt erlebt werden, oft fließend. Mit dieser Unterscheidung bin ich jedoch von dem Zwang entlastet, zu allem und jedem ohne gründliche Sachkenntnis Stellung nehmen zu müssen, womit ein problem- und erfahrungsorientierter Religionsunterricht oft nicht ohne Grund in den Geruch eines 'Laberfaches' geraten ist. Darüber hinaus hat emotionales Lernen mit und an Symbolen aber auch ethische Implikationen. Die falsche Transzendenz der sich an mythischen Idolen entfachenden leidenschaftlichen Besessenheit wird kritisch betrachtet. Stattdessen soll den Formen wirklichen seelischen Ergriffenseins von Transzendenz Sprache und Raum gegeben werden. Hier liegen sicherlich, das soll nicht verhehlt werden, erzieherische Ziele vor, die sich aus dem ideologieund opferkritischen Ansatz ergeben. Wenn ich mir die Zusammenhänge von Gefühl, Mythos und Symbol klar gemacht habe, kann ich aber auf das Moralisieren mit erhobenem Zeigefinger verzichten. Stattdessen kann ich mit den Schülern den Zusammenhängen nachgehen und sie für Alternativen sensibilisieren. Die Grundsymbole christlichen Glaubens entsprechen den mythischen Elementen des Standardmythos. Sie werden deshalb auch nur zu oft damit verwechselt und damit höchst fragwürdig. Sie können jedoch im Sinne Paul Tillichs als "gebrochener Mythos" symbolisch verstanden werden, wenn sie nicht mit zur leidenschaftlichen Besessenheit gesteigerten ichbezogenen Empfindungen, sondern mit den seelischen Gefühlen in Verbindung gebracht werden. Für mich haben sie dann etwa folgende Bedeutung: (Dimension V) a)Das Symbol >Schöpfung< kann Ausdruck sein für mein Gefühl der Freude, mit dem Anderen eine gemeinsame Welt bauen und bewahren zu können. b)Das Symbol > Sünde< kann Ausdruck sein für meine Angst um mein eigentliches Selbst, die mich zum Kampf um Anerkennung in der Ordnung der Rivalität treibt. c)Das Symbol >Kreuz< kann Ausdruck sein für mein Gefühl des Mitleids für den53, der zum Sündenbock gemacht wird, und für das Gefühl der Liebe dessen, der bereit ist sein Leben für den anderen hinzugeben54. d)Die Symbole >Erlösung < oder >Auferstehung< können Ausdruck sein für mein Gefühl der Anteilnahme am Leid des anderen. Der Glaube, daß ich den anderen, so unwahrscheinlich es ist55, in seiner Angst verstehen kann, gibt Mut zum Aufstehen gegen die alte Ordnung der Rivalität. 53 Der Hass, mit dem Nietzsche das Christentum seziert, erkennt hellsichtiger als viele Theologen das Mitleid als bedeutsames christliches Grundgefühl, das aus seiner sozialdarwinistischen Sicht bekämpft werden muss: „Man nennt das Christentum die Religion des Mitleidens.(...) Nichts ist ungesunder, inmitten unsrer ungesunden Modernität, als das christliche Mitleid.“ Friedrich Nietzsche, Der Antichrist, Fluch auf das Christentum (1894), 7. Abschnitt 54 „Liebe ist wesentlich Hingabe.(...) Mit dieser These wird einerseits der Begriff Liebe abgegrenzt von dem einer bloßen Interessengemeinschaft. Andererseits soll mit ihr einer Verabsolutierung von Selbstaufgabe und Opfer gewehrt werden. Diese sind nicht in sich, sondern nur relativ wertvoll: insofern sie für ein geliebtes Du geleistet werden.“ F. J. Nocke, Liebe, Tod und Auferstehung, Über d. Mitte d. Glaubens, München 1978, 115 55 Vgl N.Luhmann, Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation, in: ders, Soziologische Aufklärung, Bd.3, Opladen 1981, 25-34 11 e)Das Symbol >Reich Gottes< kann Ausdruck sein für meine unendliche Sehnsucht (Levinas), den anderen im >Hei1igen Geist der Versöhnung< so anerkennen zu können56, daß wir gemeinsam die befreiende Gegenwart Gottes spüren.57 Man sieht, daß man mit den Symbolen immer eine Situation oder eine Szene verbinden kann. Daraus ergibt sich die Bedeutung bibliodramatischer Versuche. Ich habe versucht, die seelischen Gefühle mit den dogmatischen Begriffen so zusammenzubringen (gr. symballein), daß aus den leeren Begriffen wieder Symbole mit einer zweiten Bedeutungshälfte, meinen Gefühlen nämlich, werden. Die Zusammenfügung der auseinandergebrochenen Hälften kann ich durch dieses > < Zeichen im Unterricht unterstreichen, wenn ich etwas an der Tafel festhalten will. In dem folgenden Schema habe ich versucht, die mir wichtigsten Symbole des christlichen Glaubens in ein Begriffsnetz zu bringen, das die Affinitäten und Differenzen zu den verschiedenen Gefühlen und zu den mythischen Elementen deutlich macht. Der Schematismus liegt in dem zur Leidenschaft erhobenen Bedürfnis und führt zu klischeehaft- mythischen Bildern. Die seelischen Gefühle dagegen gehen ineinander über und finden nur andeutungsweise ihren fragil- symbolischen Ausdruck. Die Symbole verweisen aufeinander und geben dadurch "zu denken" (Ricoeur). Begriffsnetz zu Symbole, Mythen und Gefühle Kategorien Dimensionen I) Ungebrochener Mythos: a) Origo b) Corruptio c)Paradosis d) Initiation e) Apotheose Totales Paradies Ungeheurer Frevel Opfer Unsterblichkeit d. Idols Himmlische Welt der Götter II) Leidenschaftliche Besessenheit: Rausch Grauen Herrschsucht/ Haß Ehrsucht/ Schadenfreude Habsucht/ Gier III) Köperliche Empfindungen: Lust Furcht Schmerz/ Ärger Selbstsorge Bedürfnis IV) Seelisches Ergriffensein von Transzendenz: Freude Angst Mitleid/ Liebe Mut /Anteilnahme Sehnsucht V) Grundsymbole christlichen Glaubens: Schöpfung Sünde Kreuz Erlösung/ Auferstehung Reich Gottes/ Geist der Vergebung 56 G.W.F.Hegel, Phänomenologie des Geistes (1807), 6.A., Hamburg 1952, 471 Vgl P.Tillich, Von der Freude, in: ders. , Gegenwart des göttlichen Geistes, Auswahl der 'Religiösen Reden', Stuttgart o.J., 172 57 12 Die jeweilige Zuordnung entspricht meinem augenblicklichen Verständnis und kann mir helfen in der Planung von Unterrichtsreihen, in der Medienanalyse oder der Akzentuierung der wichtigsten Inhalte im Unterricht, z.B. beim Erzählen biblischer Geschichten. In dieser Weise benutze ich das Begriffsnetz in der Referendarsausbildung als Anregung dazu, daß Referendare sich ihr eigenes Verständnis der Grundsymbole christlichen Glaubens in einem ähnlichen Schema bewußt machen. Sie kommen dabei zu erstaunlichen Ergebnissen, die ihnen entscheidende Hilfen geben bei der Analyse von Themen. Daß diese Ergebnisse von meinen abweichen, halte ich für selbstverständlich. Aus einer anderen Konzeption ergeben sich z.B. andere Dimensionen. Mein Begriffsnetz erhebt in keiner Weise den Anspruch von Allgemeingültigkeit oder Endgültigkeit, sondern erfüllt nur dann seine didaktische Funktion, wenn es immer wieder auf seine Aussagekraft überprüft und, wenn nötig, verändert wird. Es wäre falsch verstanden und würde jede "Revitalisierung" der Symbole ad absurdum führen, wenn man darin eine endgültige Zuordnung sehen würde. Das würde nur dazu führen, daß der, der diese Ordnung durcheinander wirft (diaballein), verteufelt, d.h. zum Diabolos gemacht würde58. Es gibt nur eine Stelle im Neuen Testament, an der im griechischen Text das Wort symballein auftaucht, nämlich am Ende der Weihnachtsgeschichte, Lk.2,19 in der Perfektform symballousa. Luther hat den Vers sehr feinsinnig so übersetzt: "Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen". Die symbolische Bedeutung eines Wortes erfassen heißt also, das Wort im Herzen, dem symbolischen Sitz der seelischen Gefühle, bewegen und immer wieder zu begreifen versuchen, was uns daran ergriffen hat und unbedingt angeht. 58 Vgl M. Serres, Der Parasit (1980), Frankfurt 1987, 384