VO Klinische Psychologie/Intervention VO KLINISCHE PSYCHOLOGIE INTERVENTION/PSYCHOTHERAPIE GELESEN VON U. BAUMANN ® SS/05 CONCEPT, TEXT & TEXTREVISION © JO Post skriptum: Kein Anspruch auf Vollständigkeit und Tippselfehler - Freiheit ;-) Bezug auf: U. Baumann & M. Perrez (Hrsg.), Lehrbuch: Klinische Psychologie – Psychotherapie, 2. überarbeitete Aufl., Hans Huber Verlag, 1998 und die Vorlesung 1 VO Klinische Psychologie/Intervention Inhaltsverzeichnis Kapitel 4 (Wissenschaftstheorie) …………………………………………. S. 3- 10 Kapitel 18 (Systematik der klinisch – psychologischen Intervention) ……. S. 11 - 20 Kapitel 19 (Gesundheitsversorgung) …………………………………….. S. 21 -34 Kapitel 20 (Methodik der klinisch – psychologischen Interventionsforschung) ……………………………………………………. S. 34 - 51 Kapitel 21 (Prävention und Gesundheitsförderung) …………………….... S. 52 - 62 Kapitel 22.1 (Psychotherapie: Systematik) ……………………………….. S. 62 –73 Kapitel 23 (Psychologische Aspekte der Rehabilitation) …..……………... S. 73 –78 Kapitel 24 (Psychopharmakologie) …..………………………………….... S. 78 –86 2 VO Klinische Psychologie/Intervention Kapitel 4 Wissenschaftstheorie 1. Welche Relation besteht zwischen Intervention, Therapie und Wissenschaft? Die klassische Ansicht lautet wie folgt: Alles, was ich in der Praxis mache, kommt aus den Grundlagenfächern der Psychologie, deshalb ist Psychotherapie = Angewandte Psychologie. Angewandte Psychologie folgt direkt aus der Psychologie. Der Prototyp dafür ist die Verhaltenstherapie, da sie im Grunde eine angewandte Lerntheorie darstellt. In den 60er und 70er Jahren erfolgt eine Kontroverse in der Wissenschaftstheorie und man unterscheidet zwischen TECHNOLOGISCHEN WISSEN ANGEWANDTEN ABER: Praxis besteht nicht nur aus den Grundlagen, sondern es spielen auch andere Faktoren eine Rolle. 2. Verschiedene Arten des Wissens: Nomologisches, nomopragmatisches und Tatsachenwissen Nomologisches Wissen = Wissen, das in den Grundlagenfächern erarbeitet wird - es handelt sich hier also um theoretisches Wissen Nomopragmatisches Wissen ≈ Technologisches Wissen, da es mittels praktischen Wissen beeinflusst wird z.B.: T(A) → p (F) Gelesen als: Handlung T unter Ausgangspunkt A, führt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zur Folge F 3 4 VO Klinische Psychologie/Intervention Technologisches Wissen = Handlungs - & interventionsbezogenes Wissen Tatsachenwissen = betrifft einzelne Sachverhalte, Tatbestände oder individuelle Ereignisse Tatsachenwissens will nichts verändern, sondern nur etwas über Tatsachen erfahren (z.B.: Epidemiologie: Wie ist die Verteilung psychischer Störungen?) 2.1 Nomologisches Wissen Nomologisches Wissen betrifft gesetzmäßige Zusammenhänge zwischen Variablen. Dabei kann zwischen deterministischen und probabilistischen Gesetzesaussagen unterschieden werden. Nomologisches Wissen Deterministisch probabilistisch deterministisch: Wenn A, dann B probabilistisch: Wenn A, dann mit Wahrscheinlichkeit (p) B 2.2 Nomopragmatisches/technologisches Wissen Ziel des nomopragmatischen Wissens ist die Generierung von Wissen über die Herstellung und Beeinflussbarkeit von Phänomenen (z.B.: Entwicklung von Interventionsmethoden). Aussagen haben eine nomopragmatische Form, wenn sie Handlungen (T) und ihre Handlungsfolgen (F) beschreiben: Bei Handlung T unter Ausgangsbedingung Wahrscheinlichkeit P die Folge F. A, folgt daraus mit der Aus diesen nomopragmatischen Aussagen, werden technologische Regeln abgeleitet. Wenn unter bestimmten Ausgangsbedingungen definierte Ziele erreicht werden sollen, empfehlen diese technologischen Regeln bestimmte Handlungen. 5 VO Klinische Psychologie/Intervention Technologisches Wissen ist also auch bewährtes Wissen, wo auch das Risiko eine wichtige Rolle spielt, da dieses gering gehalten werden sollte. Technologischen Regeln sind Empfehlungssätze, die das Effektivitätskriterium kennzeichnen (bewertet die Wirksamkeit in Hinblick auf eine Kosten – Nutzen Überlegung). Also: Wie hoch ist der Nutzen? Was ist billiger, was bringt mehr Nutzen? Beim technologischen Wissen fragt man zuerst „Funktioniert etwas?“, erst danach kommt die Erklärung. Nicht die Erklärung, sondern das Funktionieren ist primär – so kann z.B.: eine Interventionsmethode auch dann weiter bestehen, wenn sich die Erklärung bezüglich der Wirkung verändert. 2.3 Tatsachenwissen Tatsachenwissen beruht auf singulären Beobachtungstatsachen, die durch singuläre Aussagen beschrieben werden. Tatsachenwissen bezieht sich auf den IST – Zustand bestimmter Merkmale in einer Population oder bei Individuen zu einem bestimmten Zeitpunkt. z.B.: Wie viele Personen in Österreich leiden an psychischen Störungen? 3. Unterschiedliche Wissensstandards Lassen sich durch den Erfahrungstyp differenzieren, die sich wie folgt unterscheiden lassen: Tabelle 1 Wissensarten Rechtfertigungsquellen Kontrollierte Wissenschaftliche Erfahrung Subjektive Alltagserfahrung Ideologien/Mythen Gesetz der klassischen Konditionierung Wie der Herr, so der Knecht Reinkarnation Technologisches Wissen Methode der Expositionstherapie Wer großes will, muss sich zusammenraffen Urschreitherapie Tatsachenwissen Epidemiologische Verteilung einer Störung in einer Stichprobe „In der Klasse sind die Schüler heute sehr zerstreut Schöpfungsmythos Nomologisches Wissen 6 VO Klinische Psychologie/Intervention 4. Anwendung der verschiedenen Wissensbereiche Grundlagenwissen: Wenn A, dann B Nomopragmatisches Wissen: Wenn A*, dann B* (Wenn Ich auf das Lächeln eines Patienten positiv reagiere, dann führt dies vermehrt zu einem Lächeln. Da Lächeln sehr komplex ist, muss es nicht nur aufgrund meiner positiven Verstärkung vermehrt aufgetreten sein, es können auch andere Faktoren im Spiel gewesen sein. Technologische Regel: Tue A*, um B* zu erhalten (Reagiere positiv auf das Lächeln eines Patienten, um vermehrt dieses Verhalten zu replizieren) 5. Psychotherapeutische Methoden als technologisches Wissen Psychotherapeutische Methoden sind technologische Regeln, wenn die Beschreibung der Methode folgende Informationen enthält: Bei welcher Problemausgangslage und Diagnose welche Therapieziele und welche psychotherapeutische Handlungen empfohlen werden. Psychotherapeutische Manuale stellen therapeutische Handlungsprinzipien zur Lösung umschriebener Probleme dar. Sie stellen Informationen zur Verfügung und sichern, dass verschieden Psychotherapeuten die gleichen Handlungsprinzipien zur Lösung eines definierten Problems anwenden (das ist ein zentrales Gütekriterium). 6. Psychotherapie Psychologie? als Anwendung von Theorien der Bunge (1983) konnte zeigen, dass praktische Verfahrensprinzipien nie stringent aus der Grundlagentheorie ableitbar sind, die sie sich auf idealisierte Bedingungen beziehen und die Variablen für abstrakte theoretische Konstrukte stehen. Theoretische Begriffe müssen über eine pragmatische Handlungsbegriffe (pragmatische Begriffe) übersetzt werden. z.B.: Theoretisch: Wenn A, dann B ↨ Technologische Regel: Tue A*, um B* zu erhalten Aussage in 7 VO Klinische Psychologie/Intervention Theoretisch: Wenn A, dann B ↓ Zwischenschritt über eine pragmatische Aussage: Wenn A* getan wird, kann B* beobachtet werden ↓ (unter der Bedingung dass sich das bewährt, violà:) Technologische Regel: Tue A*, um B* zu erhalten Grundlagentheorien können nicht immer angemessene Erklärungen für therapeutische Effekte leisten. So ist im Falle der Verhaltenstherapie der erforderliche stringente logische Ableitungszusammenhang von der Lerntheorie nicht gegeben. Trotz alledem sind verhaltenstherapeutische Methoden aus der Lerntheorie entstanden. Die Grundlagentheorie kann auch wenn sie in einem Falle falsch ist, einen Fundus für wirksame Methoden bilden. So können Methoden im Laufe der Zeit durch unterschiedliche Theorien erklärt werden. seltsam, aber so steht’s geschrieben 7. Unter welchen Bedingungen soll eine psychotherapeutische Methode als wissenschaftlich fundiert gelten? Eine Methode kann als mehr oder weniger gut fundiert gelten. - Gesetzgeber + Eine psychotherapeutische Methode ist, wissenschaftlich fundiert, wenn folgende Punkte gegeben sind: (1) Wirksamkeit (2) Keine Vorraussetzungen die im Widerstand zur wissenschaftlichen Erkenntnis stehen z.B.: Ich heile durch göttliche Kräfte . (3) Im Idealfall aus bewährten psychologischen Gesetzen abgeleitete nomopragmatische Grundlagen VO Klinische Psychologie/Intervention (4) Ethische Kriterien Der Zweck heiligt nicht die Mittel! (5) Qualität und Wahrscheinlichkeit der zu erwartenden Nebeneffekte (6) Kosten für die Anwendung der Therapie (2) & (3) Epistemologischer Aspekt der Wahrheit 8. Therapeutische Handlungsmaximen (1) Ursache, Ziel und Regel ist bekannt (Optimal) Angst (B) ist die Konsequenz eines Vermeidungsverhaltens von einem Objekt (A). → Nicht Angst (Non B) durch Begegnung (Non A). Regel: Mache eine Konfrontationstherapie um dem Vermeiden eines Objektes zu begegnen (2) Ursache unbekannt, Ziel definierbar und Regel bekannt Ursache: Alkoholismus Ziel: Abstinenz. Regel wie Abstinenz erreicht werden kann, ist bekannt (z.B.: Erhöhe das Selbstwertgefühl der Person) (3) Ursache unbekannt, Ziel vage bekannt und Regel unbekannt Patient hat somatische Beschwerden, aber die somatische Medizin findet nichts. Für den Psychotherapeut ist das Ziel unbekannt, ebenso wie die Ursache. Nun geht man nach Heuristischen Regeln vor: Man senkt z.B. die Belastungen und beobachtet ob Veränderungen geschehen. Bei Interventionen ist auch der normative Aspekt zu beachten: Soll jemand der Homosexuell ist, zu einem Heterosexuellen verändert werden? 9. Nomologisches und technologisches Wissen als Grundlage des praktischen Handelns Bedingungswissen = Erkenntnisse über Bedingungen und Dynamik von Problemen. Wissenschaftlich fundierte Psychotherapie hat den Anspruch die Kriterien professionellen zweckrationalen Handelns anzuwenden. 8 9 VO Klinische Psychologie/Intervention In der Praxis wird zweckrationalen Handeln durch teilweise sehr komplexe Probleme behindert und um die Rationalität nicht der Willkür preiszugeben entwickelte Westmeyer (1897) ein Verhandlungsmodell zur Begründung therapeutischer Entscheidungen: Ein Praktiker, sollte die Wahl seiner Therapiemethode gegenüber einem Rationalitätsprüfer rechtfertigen, wobei beide Seiten Sachverständige zu Rate ziehen können. Der Verhandlungsprozess wird dabei durch einen Rationalitätsbeurteiler beobachtet, der nach rationalen Kriterien die wissenschaftliche Fundiertheit der Entscheidung beurteilt. 10. Wie beeinflusst wissenschaftliches Wissen das praktische Handeln? Diese Frage ist handlungspsychologischer Natur. Epistemisch kognitive Struktur = organisiertes Zusammenhangs-wissen im Langzeitgedächtnis Fakten – und Heuristisch - kognitive Struktur = operatives Wissen Wenn die Ausgangslage, das Ziel und die zur Zielerreichung erforderliche Handlung bekannt sind, reicht epistemisches Wissen zur Lösung von Aufgaben aus. Ist dies nur eingeschränkt der Fall, wird heuristisches Wissen benötigt. Vorhandenes Wissen ? Benötigtes Wissen Heuristiken + privat evaluiertes Wissen 10 VO Klinische Psychologie/Intervention 11. Normative Aspekte des therapeutischen Handelns Die Konditionalnorm: „Wenn Ängste reduziert werden sollen, konfrontieren sie den Patienten mit Angstauslösenden Situationen!“ begründet sich dadurch, dass sie effektiv ist und das Ziel in kürzerer Zeit als andere Methoden erreicht (sie ist effizient). Die Konditionalnorm erklärt Warum der Therapeut so handelt, begründet aber nicht, warum man jemanden helfen soll, seine Ängste zu reduzieren. Wenn ein Psychologe sich für die Erreichung bestimmter Therapie – oder Präventionsziele einsetzt, trifft er eine Wertentscheidung. Warum soll bei Patient P eine Konfrontationsmethode geheilt werden? ankonditionierte Angst durch die Nomopragmatisch Wenn A, dann B; Wenn ich X mit einer Konfrontationstherapie behandle, schwindet die Angst. Allgemeine Normaussage Wenn jemand Angst hat, ist er zu heilen. A: X hat Angst E: Behandle X mit einer Konfrontationstherapie Eine allgemeine Norm ist aber in sich noch nicht begründet, deshalb muss man die nächste Ebene erreichen, in diesem Fall die Berufung auf eine oberste Norm: Oberste Norm A: Wenn jemand Angst hat, ist er unglücklich E: Wenn jemand unglücklich ist, sollte er glücklich sein. 11 VO Klinische Psychologie/Intervention Kapitel 18 Systematik der klinisch – psychologischen Intervention 1. Psychologische Interventionsmethoden 1.1 Interventionsmöglichkeiten INTERVENTION Psychologisch Medikamentös Chirurgisch Physikalisch … In der Psychologie werden für eine dauerhafte Veränderung am Erleben und Verhalten psychologische Mittel eingesetzt. Innerhalb der Psychologie können in Anlehnung an die 3 großen Anwendungsbereiche folgende Interventionsmethoden unterschieden werden: PSYCHOLOGISCHE INTERVENTION Arbeits – Pädagogisch – und psychologische Organisations – INTERVENTION Psychologische INTERVENTION Klinisch – psychologische INTERVENTION 12 VO Klinische Psychologie/Intervention 2. Klinisch – psychologische Interventionsmethoden Klinisch – psychologische charakterisieren: Interventionsmethoden lassen sich wie folgt Tabelle 2 Intervention mit folgenden Charakteristika (1) Wahl der Mittel (2) Interventionsfunktion Psychologische Mittel setzen im Erleben und Verhalten an und vollziehen sich im Rahmen der sozialen Interaktion zwischen Helfern und Hilfesuchenden Gesundheitsförderung & Therapie, Rehabilitation. Prävention, Behandlung/ Zusätzliche Charakteristika: (3) Zielorientierte Prozesse (4) Theoretische Fundierung (5) Evaluation Prozesse zur Erreichung der Ziele durch psychologische Theorien Empirische Überprüfung (besonders der Wirksamkeit) (6) Professionelles Handeln Die Interventionsfunktion ist wesentlich psychologischer Interventionsmethoden. zur Abgrenzung innerhalb Merkmal (3),(4), (5) und (6) sind Teil auch anderer wissenschaftlich fundierter Interventionsmethoden, 2.1 Wahl der Mittel Typisch psychologische Mittel sind das Gespräch, die Übung oder die zwischenmenschliche Beziehung. Wesentlich: Man verändert nicht psychische Merkmale und Prozesse, sondern man nimmt mit psychologischen Mitteln Einfluss. VO Klinische Psychologie/Intervention Denn nicht nur psychisch, sondern auch genetisch oder zerebral verursachte Verhaltensphänomene wie z.B. geistige Behinderungen sind der psychologischen Beeinflussung zugänglich. 2.2 Klinisch – psychologische Interventionsfunktionen Klinisch – psychologische Interventionsfunktionen grenzen sich durch ihre speziellen Interventionsfunktionen von jenen der Pädagogischen oder Arbeits – und Organisationspsychologie ab. Die wichtigsten klinisch – psychologischen Interventionsfunktionen: (1) Gesundheitsförderungs- & Präventionsfunktion (2) Behandlungs-/Therapiefunktion (3) Rehabilitationsfunktion 2.2.1 Gesundheitsförderungs- & Präventionsfunktion Die gesundheitsfördernde Funktion dient der Förderung der psychischen, körperlichen und sozialen Gesundheit und ist von der präventiven Funktion nicht eindeutig abgrenzbar Die Präventionsfunktion umfasst die Krisenintervention und jene Interventionsmethoden/-strategien die der Verhinderung von Störungen dienen – sie sollen die Inzidensrate (Neuauftreten von Störungen) senken. 2.2.2 Behandlungs-/Therapiefunktion (u.a. Psychotherapie) Soll die Prävalenzrate senken. Die Psychotherapie deckt aber nur einen Teil dieser Behandlungs-/Therapiefunktion ab, da sie auch zur Behandlung gestörter psychischer Grundfunktionen (z.B. Gedächtnistraining nach einem neurochirurgischen Eingriff) verwendet wird. Alle Interventionen die unter diese Funktion subsumiert werden, sind therapeutisch und werden unter dem Oberbegriff „Behandlung“ bzw. “Therapie“ zusammengefasst. 2.2.2 Rehabilitationsfunktion Ziel der Rehabilitation ist es Personen, bei denen eine Störung oder Krankheit oder Behinderung aufgetreten ist dauerhaft in die Arbeit, das Sozialfeld und die Gesellschaft einzugliedern. Dadurch sollen die Langzeitfolgen einer Störung oder Krankheit a) verhindert b) bei chronischen, unheilbaren Störungen vermindert bzw. minimiert werden. 13 14 VO Klinische Psychologie/Intervention Rehabilitative Maßnahmen können die Prävalenzrate senken sowie Rückfälle verhindern. Dies stellt einen präventiven Aspekt dar. PRÄVENTION BEHANDLUNG/THERAPIE/PSYCHOTHERAPIE REHABILITATION Zeitachse der Störungsverhinderung, -entwicklung und –behandlung Bei allen Funktionen (Gesundheitsförderung & Prävention, Behandlung/Therapie/ Psychotherapie, Rehabilitation) kann unmittelbar eher die psychische oder mittelbar die somatische Zieldimension im Vordergrund stehen. Unmittelbar Psychisch Mittelbar Somatisch Bsp. Für eine unmittelbare Beeinflussung der somatischen Zieldimension: Durch eine präventive Intervention wird das Gesundheitsverhalten verbessert was zu einem verminderten Risiko für koronale Erkrankungen führt. Dabei können unmittelbar Erlebens – und Verhaltenstendenzen (psychisch) beeinflusst werden, mit dem mittelbaren Ziel das somatische Erkrankungsrisiko zu vermindern. 2.3 Zielorientierung Die Ziele, für die eine bestimmte Methode anzuwenden ist, sind explizit umschrieben. Das bildet die Grundlage für strukturierbare und zielorientierte Interventionsprozesse. Die psychologischen Mittel müssen in ihrer Beziehung zu den Zielen klar beschrieben sein (also klare Mittel – Ziel – Relation). Die Ziele können positiv formuliert, oder daran interessiert sein, einen Zustand zu stabilisieren: z.B. Demenz; Trotz der Verschlechterung, kann ein Ziel erreicht worden sein (Minderung des Verlaufs). Jede Form der Psychotherapie ist zielorientiert, wobei das jeweilige Ziel zu erreichen ist. 15 VO Klinische Psychologie/Intervention Ziele können auch unterschiedliche formuliert sein (siehe Tabelle 1): (1) Erleben aufbauen/abbauen Meist in Kombination: z.B.: Depression; Abbau negativer Bewertungen und Aufbau sozialer Tätigkeiten (2) unterschiedliche Auflösungsgrade a) Beobachtungsbegriff (1 x in der Woche ins Kino gehen), überprüfbar b) Dispositionsbegriff (jemand weniger depressiv zu machen) c) Theoretische Begriffe (reife Persönlichkeit), Bei theoretischen Begriffen handelt es sich um sehr globale, kaum überprüfbare Ziele, die nur sinnvoll und überprüfbar sind, wenn sie in Beobachtungsbegriffe transformiert werden können. Zielformulierungen in Beobachtungsbegriffen sind Vorraussetzung!! Tabelle 3 Änderungsrichtung Sachverhalt beschrieben in Theoretischen bzw. quasitheoretischen Begriffen Dispositionsbegriffen Beobachtungsbegriffen Aufbau Ich-Stärke, Integration von ES; ICH und ÜBER – ICH, Individuation usw. Fähigkeit zur positiven Selbstkommunikation, Kompetenz zur Ärgerkontrolle usw. Angemessenes Reattribuieren, Entspannen, Selbstexplorieren in der Therapiesituation usw. Abbau Diskrepanz von Selbstkonzept und Idealkonzept, Widerstand usw. Sucht, Angst usw. Ängstliches Sprechen in der Therapiesituation, Anzahl der Zigaretten pro Tag VO Klinische Psychologie/Intervention 2.5 Evaluation: Empirische Überprüfung (insbesondere der Wirksamkeit) Warum müssen klinisch – psychologische Interventionsmethoden empirisch überprüft werden? (1) Nur empirisch überprüft Theorien gelten als gesichert (2) Nur wenn ihre Wirksamkeit empirisch überprüft wurde, sind Interventionen ethisch und wissenschaftlich vertretbar. Letztlich sind sogar Interventionsmethoden mit mangelnder theoretische Fundierung legitimiert, wenn die Wirksamkeitsprüfung zureichend ist (vgl. symptomatische Behandlung: Hier weiß man keine Ursache, und behandelt die Symptome ohne theoretische Fundierung). Daher ist für jede Interventionsmethode die empirische Überprüfung ihrer Wirksamkeit durch eine Evaluation von zentraler Bedeutung. Nach der Frage der Wirksamkeit kommt die Frage der Effizienz (Kosten – Nutzen – Relation) und der Patientenbewertung hinzu. Wirksamkeit Effizienz 2.6 Klinisch – psychologische Intervention als Teil des Gesamtbehandlungsplans Interventionen können auch miteinander kombiniert werden - besonders bei komplexen Störungen hat man mehrere Behandlungsansätze. Dabei sind speziell bei psychischen Störungen Psychopharmaka von Bedeutung. Wenn man Interventionen miteinander kombiniert (z.B.: klinisch –psychologische Intervention und Psychopharmakotherapie) können daraus folgende Effekte resultieren: a) Kein Kombinationseffekt Einzelinterventionen Einzelintervention. A & B sind kombiniert gleich wirksam wie eine b) Positiver Kombinationseffekt Einzelinterventionen A & B sind kombiniert wirksamer als Einzelintervention A oder B. 16 17 VO Klinische Psychologie/Intervention Dabei kann der Kombinationseffekt (1) die Summe der einzelnen Effekte (additiver Effekt) ausmachen (2) weniger als die Summe, aber mehr als der stärkste Einzeleffekt ausmachen (3) mehr als die Summe der Einzeleffekte (potenzierender Effekt) ausmachen c) Negativer Kombinationseffekt Die Kombination der Einzelinterventionen A & B ist weniger wirksam, als Einzelinterventionen A oder B. 2.7 Klinisch –psychologische Intervention und Beratung Im Gesundheitswesen ist unter anderem auch die Beratung anzutreffen. Der Beratungsbegriff (Counseling) hat eine alte Tradition, wobei der Beratungsbegriff im Laufe der Zeit sehr verwaschen wurde. Insbesondere im Gesundheitswesen stellt sich die Frage nach der Abgrenzung der Beratung zu klinisch –psychologischen Interventionsformen (besonders der Psychotherapie). Doch Beratung und Psychotherapie sind nicht eindeutig voneinander zu trennen, da Psychotherapie eine Teilmenge von Beratung ist - Psychotherapie und Beratung sind überlappende Konzepte. Aufgrund der angeführten Systematik kann Beratung, wie folgt umschrieben werden: (1) Merkmal Mittel Hier wird im Erleben und Verhalten angesetzt, wobei bei den psychologischen Mitteln die Informationsvermittlung im Vordergrund steht. (2) Merkmal Interventionsfunktion Beratung erfolgt im Gesundheitswesen vor allem in Bezug Gesundheitsförderung und Prävention. Teilweise als Behandlung Rehabilitation. auf und (3) Merkmal Zielorientierung Im Rahmen einer Beratung werden für ein umschriebenes Problem Lösungsalternativen erarbeitet, um die Entscheidungs – oder Handlungsgrundlage zu verbessern. Die Entscheidung bzw. Veränderung wird aber nicht im Rahmen der Beratung, sondern von der hilfesuchenden Person vollzogen. VO Klinische Psychologie/Intervention Bezüglich Merkmal (4) bis (6) finden sich zwischen Beratung und klinisch – psychologischer Intervention keine Unterschiede. Psychotherapie und Beratung werden zusätzlich auch bezüglich des zeitlichen Aufwandes unterschieden (Beratung hat im Gegensatz zur Psychotherapie nur wenige Sitzungen). Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen Beratung und Psychotherapie ist der Stellenwert des Veränderungsprozesses: Im Beratungskonzept erfolgt der Veränderungsprozess nach der Beratung ohne Begleitung durch den Experten, während beim Interventionskonzept der Veränderungsprozess selbst ein zentrales Thema ist und vom Experten begleitet wird. In der Praxis gibt es häufig starke Überschneidungen zwischen Beratung und klinisch – psychologischer Intervention, da auch bei Beratungen Interventionen vorgenommen werden. Dies kommt dem Staat entgegen, da diese Beratungsstellen aus anderen Quellen wie die Psychotherapieambulanzen finanziert werden. Zusammengefasst Beratung setzt im Verhalten und Erleben an und wird oft im Rahmen der Prävention und Gesundheitsförderung, aber auch im Bereich Behandlung/Therapie eingesetzt. Beratung ist auf ein Thema fokussiert und im Rahmen der Beratung wird eine Entscheidungsgrundlage erarbeitet, wobei die Entscheidung oder der Veränderungsprozess vom Betroffenen selbst getroffen/ausgeführt werden muss. Der Übergang zwischen Beratung und Psychotherapie ist fließend. 3. Ebenen der klinisch –psychologischen Intervention und ihre Verbindungen zur Interventionsfunktion Klinisch –psychologische Interventionen können sich auf verschiedene Komplexitätsebenen beziehen: (1) Ebene der psychischen Funktionen (Wahrnehmung, Gedächtnis etc.) bzw. Störungen der Funktionen z.B.: präventive Gedächtnistrainings bei älteren Personen oder psychologische Interventionsprogramme gegen Lese – Rechtschreibschwäche. 18 VO Klinische Psychologie/Intervention (2) Ebene der Funktionsmuster bzw. Störungen von Funktionsmustern (repräsentiert durch Syndrome und Diagnosen) Hier soll ein Syndrom von Funktionen beeinflusst werden. Z.B.: eine depressive Person soll auf kognitiver Ebene lernen, Fehler der Informationsverarbeitung zu korrigieren und gleichzeitig wird bei der Person die Realisierung von Aktivitäten angestrebt. (3) Ebene der interpersonellen Systeme (Familie, Schule etc.) bzw. Störungen von interpersonellen Systemen 19 20 VO Klinische Psychologie/Intervention Die Relation zwischen Psychotherapie und dem Gesamtbegriff ist eine Frage des Fachs und der Gesetzgebung. In Österreich gibt es dazu 2 Bestrebungen: 1) Psychotherapiegesetz (alles ist Psychotherapie) 2) Psychologengesetz (Psychotherapie ist relativ eng, Klinische Psychologie ist das gesamte Feld) KLINISCHE INTERVENTION umfasst Prävention Behandlung/Therapie (u.a Psychotherapie) Rehabilitation Ziel aller Intervention ist die Verbesserung der Gesundheit der Betroffenen. VO Klinische Psychologie/Intervention Kapitel 19 Gesundheitsversorgung 1. Einleitung Interventionen im Versorgungssystem können von verschiedenen Auflösungsgraden aus betrachtet werden: a) Makroperspektive (Gesundheitsversorgung) Interventionen als Versorgungsangebot bestimmter Institutionen für eine definierte Bevölkerung, in Hinblick auf ein bestimmtes Ziel. z.B.: Wie gut ist die Versorgung psychisch kranker in Salzburg? b) Mikroperspektive Intervention als Methode bei Einzelpersonen, Familien, Gruppen etc., wobei das konkrete Interventionsgeschehen in den Mittelpunkt rückt. z.B.: Wie soll ich mit einem Patienten umgehen, der depressiv ist? c) Schnittstelle von Mikro – Makroperspektive Betrifft das Handlungsfeld des Patienten und der Person, die die Intervention anbietendet. z.B. das Gesundheits – und Krankheitsverhalten vor und während der Intervention. Dieses Verhalten entscheidet ob eine Intervention gesucht bzw. angenommen wird. 2. Geschichte der Gesundheitsversorgung Im Gegensatz zu Versorgung somatischer Krankheiten entwickelten sich institutionalisierte Formen der Versorgung psychischer Störungen relativ spät. 17. Jhrt. Psychisch Kranke („Geisteskranke“) wurden mit Bettlern, Dirnen und Landstreicher zusammen abgesondert. 18. Jhrt Im Zuge der Aufklärung wurde eine Trennung zwischen psychischen Störungen und sozialer Devianz vorgenommen und psychisch Kranke wurden zusammen mit somatischen Patienten untergebracht. 21 VO Klinische Psychologie/Intervention 19. Jhrt. Die Behandlung psychisch Kranker wurde als wichtiges Anliegen aufgefasst, was den Bedarf an Behandlungsmöglichkeiten massiv steigerte, aber durch die bisherigen Institutionen (Allgemeine Krankenhäuser) nicht gedeckt werden konnte. Dies führte zur Gründung eigener Anstalten für psychisch Kranke. Diese Anstalten wurden meist isoliert am Land, getrennt von medizinischen Diensten realisiert. Meist wurden sakuläre Kloster in Anstalten umgewandelt, wo man dann die Kranken unterbrachte. 1867 kritisiert Griesinger, dass den psychisch Kranken ein Sonderstatus eingeräumt wird. Weiter postuliert er, dass Geisteskrankheiten Krankheiten des Gehirns seien (impliziert eine Gleichstellung von psychisch mit somatisch Kranken und eine integrierte Versorgung). Dieses Konzept wurde aber nicht realisiert. Durch die Beschäftigungs- und Arbeitstherapie, Außenfürsorge und Gründung von Hilfsvereinen wurde die Versorgung verbessert, aber die Anstaltsversorgung erfuhr keine Verbesserung. Zeit des Nationalismus Hier kam es zu Zwangssterilisierungen und zur Tötung psychisch Kranker, was die Gesundheitsversorgung im deutschsprachigen Raum stark beeinträchtigte. Entwicklung der Gesundheitsversorgung nach dem 2. Weltkrieg Bis zu den 50er Jahren wurden die Patienten im Prinzip festgehalten und mit somatischen Methoden behandelt, doch ab jetzt kommt zu einer zunehmenden Vielfalt an therapeutischen Möglichkeiten: Sozialtherapie (ab 40er Jahren), Psychopharmakotherapie (seit den 50er Jahren), und Psychotherapie. Ab den 50er Jahren gewinnt die Psychotherapie in der gesamten Gesundheitsversorgung an Bedeutung, da nicht nur tiefenpsychologische, sondern auch psychologisch fundierte Verfahren (wie Gesprächstherapie, Verhaltenstherapie) verwendet werden. Zwischen 1950 (England) und 1960 (U.S.A.: mental health centers act © Kennedy) zeichnet sich auch die Integration psychisch Kranker, als neue Perspektive der Gesundheitsversorgung ab. In den deutschsprachigen Ländern hält die Integration ab 1970 Einzug. Ende der 70er Jahre Die Gesundheitsdiskussion wird um den Aspekt der Gesundheitsförderung (Health promotion) erweitert. Hiermit geht es um Gesamtkonzepte für Gesundheit/ Krankheit, in welchem Prävention und Förderung der Gesundheit einen besonderen Stellenwert besitzen. 22 23 VO Klinische Psychologie/Intervention 2.1 Folgen und Ergebnisse der Reformbewegungen der 70er, 80er und 90er Jahre Die „neue Psychiatrie“ konzentriert sich auf den Abbau von Betten und auf die Schaffung von vielschichtigen Behandlungsmethoden. Die Bettenzahl und Verweildauer wird reduziert Der wirtschaftliche Rückgang sowie eine immer noch ambivalente Einstellung der Bevölkerung gegenüber psychisch Kranken erschweren den weiteren Ausbau. In den 90er Jahren geraten diese Innovationen zunehmend ins Stocken, da die finanziellen Mittel immer geringer werden 3. Leitbilder der Gesundheitsversorgung Leitbilder werden in der Gesundheitsversorgung als Zielpunkte für Veränderungen und zur Bewertung bestehender Systeme verwendet. Diese Leitbilder werden durch Experten gewonnen und beinhalten meist auch eine Bestandsaufnahme. 3.1 Leitbilder zur psychiatrischen psychosomatischen Versorgung und – psychotherapeutisch Grundsätze einer Neuordnung der Versorgung psychisch Kranker und Behinderter: (1) Die Kenntnisse über die Entstehung von psychischen Störungen müssen erweitert, und an Betroffene, Institutionen und Entscheidungsträger weitergegeben werden (2) Intensive, allgemeine Aufklärung der Bevölkerung bezüglich psychischer Gesundheit und eine gründliche Schulung der Berufsgruppen, die mit psychischen Störungen konfrontiert werden können (3) Selbsthilfemaßnahmen sollen gefördert werden, und die Erkennung von Krankheiten soll schon im Vorfeld verbessert werden (4) Es muss eine Vielschichtigkeit der Behandlungsmöglichkeiten gewährleistet werden Dienste und (5) Alle Dienste, bei denen dies möglich ist sollen gemeindenah sein Ad 5) Wichtig wäre hier, dass die Ambulanzen gemeindenah sind. Gemeindenähe versucht man teilweise durch Sektionisierung zu erreichen (in einem Krankenhaus sind verschiedene Sektionen, wobei z.B.: Sektion A für Region A zuständig ist (indirekte Gemeindenähe) VO Klinische Psychologie/Intervention Krankenhaus A B D C (6) Differenzen zwischen körperlichen und psychischen Krankheiten sollen aufgehoben werden. Ad 6) Schon durch eine Trennung der Institutionen wird diese Trennung signalisiert. Deshalb versucht man Psychiatrische Abteilungen in Somatische Kliniken zu integrieren. Das vermindert auch eine etwaige Stigmatisierung. (7) Psychiatrische und psychotherapeutische/psychosomatische Dienste können ihren Aufgaben nur durch eine multidisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen gerecht werden (8) Menschen die an einer psychischen Störung leiden, sollen von Menschen mit geistigen Behinderungen getrennt werden (9) Die erforderlichen Angebote und Dienste sollen so miteinander vernetzt sein, dass psychisch Kranke und Behinderte soweit und solang wie möglich die Beziehung zur Facheinrichtung oder Fachgruppe aufrechterhalten können. 3.2 Leitbilder für die Gesundheitsförderung Gesundheitsversorgung (Public Health) ist breiter konzipiert als die Krankenversorgung, da Public Health sowohl Krankheit als auch Gesundheit mit einschließt. Public Health ist interdisziplinär und bezieht sich von der Makroebene aus auf die Gesundheit. Spezifische Beiträge der Psychologie zu Public Health werden als Public Health – Psychologie bezeichnet. 4. Institutionen der Gesundheitsversorgung Krankheitsverhalten/Hilfesuchen = Weg von der Symptomwahrnehmung und Aufsuchen einer Institution zur Behandlung. 24 VO Klinische Psychologie/Intervention 4.1 Krankheitsverhalten Bezüglich des Krankheitsverhaltens lassen sich mehrere Stufen, die nicht nacheinander durchlaufen werden müssen, ausmachen: (1) Symptomwahrnehmung & Eigenbewältigung Das beobachtete Phänomen wird als Problem interpretiert, wodurch ein Leidensdruck entstehen kann. (2) Mitteilung an signifikante Andere Soweit Selbstmedikation und intrapsychische Bewältigungsversuche scheitern, teilen sich die Personen wichtigen Bezugspersonen mit. Die Umwelt kann auf die Symptomwahrnehmung Einfluss nehmen. (3) Problemlösen bei unterschiedlichen Systemen Sofern der Änderungswunsch weiter besteht, und die Eigenbewältigung nicht ausreicht, führt das zu aktiven Hilfesuchverhalten, bei dem zu Lösungen auch andere Personen mit einbezogen werden (Fremdbewältigung). Dabei stehen unterschiedliche Systeme zur Verfügung a) Laiensystem Dabei handelt es sich um für den Problembereich nicht ausgebildete Helfer, die ihre Hilfe nicht berufsmäßig geben. Ein wesentlicher Bestandteil des Laiensystems sind soziale Netzwerke inkl. sozialer Unterstützung, bei denen Lösungsvorschläge entweder nur vorgeschlagen oder auch realisiert werden. b) Halbprofessionelles System im Vorfeld fachspezifischer Dienste Darunter werden Berufsgruppen subsumiert, die nicht im Gesundheitswesen tätig sind, aber in begrenzten Maß für das Erkennen von psychischen Störungen ausgebildet sind (z.B.: Personen in Schule, Seelsorge etc.). c) Professionelles System im Vorfeld oder im Feld fachspezifischer Dienste Dieser Bereich wird von Berufsgruppen repräsentiert, die aufgrund ihrer Ausbildung für psychische Störungen im allgemeinen (Vorfeld fachspezifischer Dienste, keine Spezialisierung; z.B.: Psychologen ohne klinisch – psychologische Spezialisierung, Allgemeinärzte etc.) oder speziellen kompetent sind (Feld fachspezifischer Dienste, spezialisiert; z.B.: Klinische Psychologen Psychiater). d) Paramedizinisches Feld (Heiler, Rutengänger etc.) 25 26 VO Klinische Psychologie/Intervention 4.2 Institutionen Heute wird bezüglich der Institutionen Wohnortnähe gefordert, wobei im wesentlichen eine komplexe, umfassende Versorgung gewährleistet werden soll. Dieses Kriterium ist besonders für ländliche Regionen einzulösen. Nach Wing (1989) wirkt sich die Gesundheitsversorgung vor allem auf Arbeit, Wohnen und Freizeit (inkl. Kontaktbereich) aus. Da der Bereich „Freizeit“ heute umfassender konzipiert wird und neben dem Freizeitbereich auch Kontaktmöglichkeiten, Alltagsgestaltung und Tagesstrukturierung beinhaltet, verwendet man den Begriff der Sozialen Funktionsfähigkeit. Tabelle 4 Bereich Bsp. Für Berufsgruppen, Institutionen, Tätigkeiten Alltagsfunktion A Halbprofessionelles System Seelsorge, Erziehung Professionelles System (nicht spezialisiert, Vorfeld fachspezifischer Dienste) Psychologen (nicht klinische Psychologie) und Allgemeinärzte Professionelles System (spezialisiert, Feld fachspezifischer Dienste) Ambulante Dienste Klinische Psychologen, Psychiater, Ambulanzen an Fachkliniken Halbstationäre Dienste (Nachtkliniken) Komplementäre Dienste W + + + + + + + + + + + - + - - - - + (+) + (+) + (+) (+) + + Psychologen (klinische Psychologie) und Psyciater Tageskliniken Stationäre Dienste SF Fachkliniken (Psychiatrie, Psychosomatik) und entsprechende Abteilungen an Allgemeinen Krankenhäusern Wohnbereich, Club Tagesstätten VO Klinische Psychologie/Intervention A = Arbeit SF = Soziale Funktionsfähigkeit (≈ Freizeit) W = Wohnen + keine Beeinträchtigung; (+) begrenzte Beeinträchtigung; - massive Beeinträchtigung ambulante Dienste Fachspezifische Dienste, die die Person punktuell zur Beratung bzw. Behandlung aufsucht und bei denen die Alltagsfunktionen nicht beeinträchtigt werden. halbstationäre Dienste Über einen Zeitraum erfolgt ein Versorgungsangebot, dass nur einen Teil des Tages umfasst. Halbstationäre Dienste dienen zur Vermeidung oder Abkürzung der stationären Versorgung stationäre Dienste Hier sind alle Alltagsfunktionen beeinträchtigt – die Patienten erhalten einen neuen 24 – Stunden Ablauf. Außerhalb der stationären Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, finden sich relativ viele Personen im somatisch – stationären Bereich, die zu ihrer somatischen Erkrankung noch eine psychische Erkrankung aufweisen, oder aufgrund der psychischen Störung in der somatischen Medizin behandelt werden. Deshalb muss auch in der somatischen Medizin eine optimale Behandlung psychisch Kranker gewährleistet werden. Folgen: 1) Einführung eines Konsiliardienstes für Psychiatrie/Psychosomatik Der Konsiliardienst wird von dem behandelten Arzt in Hinblick auf den Patienten angefordert, mit der Bitte um Untersuchung und Behandlungsempfehlung. 2) Einführung eines Liaisondienstes Hier ist die Fachperson (Klinische Psychologen, Psychiater) an den Tätigkeiten der jeweiligen somatischen Station beteiligt (also Visite, Stationsbesprechung etc.) bzw. partiell in das Stationsgeschehen integriert. Institutionen die beide Aufgaben wahrnehmen, werden Konsiliar – Liaison – Dienst genannt. 27 VO Klinische Psychologie/Intervention komplementäre Dienste Hier stehen Angebote für Personen im Vordergrund, die nicht oder noch nicht ohne besondere Hilfestellung den Wohn – oder Arbeitsbereich gestalten können bzw. in der sozialen Funktionsfähigkeit eingeschränkt sind. Bei den komplementären Diensten werden Alltagsfunktionen durch spezifische Rahmenbedingungen unterstützt. - Wohnbereich Betreutes Wohnen in Form von Langzeitwohnheimen, Übergangswohnheimen oder geschützte/betreute Wohngemeinschaften bzw. Einzelwohnen. - Arbeitsbereich Für Personen, die an psychischen Störungen leiden sind folgende Probleme zu lösen: (1) Berufsvorbereitung (im Falle keiner Berufsausbildung) (2) Zusatzqualifikationen (3) Beschützte Beschäftigung (4) Betreuung von Personen im normalen Arbeitsprozess Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Angebote will man dies erreichen, zu nennen sind: (1) Arbeitstrainingzentren (Erwerb von Arbeitsfertigkeiten innerhalb einer begrenzten Zeit) (2) geschützte Werkstätten (kontinuierliche, den Fähigkeiten entsprechende Arbeit) (3) geschützte Arbeitsplätze (4) Selbsthilfefirmen - Soziale Funktionsfähigkeit Zu den angeführten komplementären Diensten kommen noch Institutionen, die u.a. die Funktionsbereiche Kontakt und Tagesstrukturierung (z.B.: Kochen, Einkaufen etc.) beinhalten. Weitgehend erfolgt eine Unterscheidung zwischen intramuraler (stationärer) und extramuraler (nicht stationärer) Versorgung. 28 VO Klinische Psychologie/Intervention 5. Evaluation und Qualitätssicherung in der Gesundheitsversorgung 5.1 Qualitätssicherung (quality assurance), Qualitätsmanagement Qualitätssicherung hat das Ziel Qualität zu gewährleisten. Nach Donabedian können im Gesundheitswesen 3 zueinander in Verbindung stehende, Qualitätsbegriffe unterschieden werden: (1) Strukturqualität Darunter werden die Rahmenbedingungen (Ressourcen) verstanden, die eine konkrete Intervention (inkl. Diagnostik) ermöglichen. z.B.: politisch (Gesetze bezüglich des Gesundheitswesens) - organisatorisch (Dienstplan innerhalb einer Klinik) - Ausstattung (Tests, Biofeedbackgeräte) - Etc Bei Versorgungsregionen gehören zur Strukturqualität auch Systemelemente (wie Bedarfsklärung, Versorgungsdichte, Wartelisten). (2) Prozessqualität z.B.: Kongruenz zwischen Behandlungsziel und Behandlungsergebnis. Dazu gehört auch die Verweildauer, % der Therapieabbrüche etc. (3) Ergebnisqualität Darunter wird das Ausmaß der Kongruenz zwischen Behandlungsziel und Behandlungsergebnis verstanden. Für die Qualitätssicherung bzw. Qualitätsmanagement sind folgende Fragen von Bedeutung: 1) Woher kommen die Standards zur Beurteilung einer Indikation? 2) Welche Indikatoren können für einzelne Bereiche verwendet werden? 3) Wie kann die Qualität erhalten bzw. verbessert werden 29 VO Klinische Psychologie/Intervention Standards (Beurteilungsmassstäbe) sind zu erreichende oder bewahrende Zielgrößen. Sie werden vielfach quantitativ (z.B.: Zahl der Therapieabbrüche soll < als x% sein) aber auch verbal umschrieben. Dabei markieren Schwellenwerte, die unteren bzw. unteren Grenzwerte für Standards. Kriterien bilden die Basis für Standards. Mit dem Begriff Kriterium werden in der Qualitätssicherung Aussagen über adäquate Dienstleistungen (Therapie etc.) getroffen, die zum Teil in Form eines Bereiches formuliert werden (z.B.: für eine umfassende psychologische Diagnostik werden x bis y Stunden benötigt). Unter Norm versteht man in der Qualitätssicherung den durchschnittlichen Wert einer Dienstleistung. Indikatoren stellen Operationalisierungen für Standards dar: z.B.: Ab wann ist ein Therapieabbruch gegeben? - Qualitätsmonitoring Für das Qualitätsmonitoring ist die Festlegung adäquater Indikatoren wesentlich; je nach Einsatzfeld werden unterschiedliche Parameter benötigt. Zur Qualitätsbeurteilung (besonders Prozess – und Ergebnisqualität) ist eine Dokumentation der durchgeführten Aktivitäten unerlässlich. - Qualitätsmanagement (impliziert ein Entwicklung) Für das Qualitätsmanagement sind die Mechanismen der Qualitätssicherung im engeren Sinne bzw. der Qualitätsverbesserung zentral. Qualitätssicherung kann intern oder extern (Aufsichtsbehörden etc.) erfolgen. Für die interne Qualitätssicherung haben sich Qualitätszirkel bewährt, welche Arbeitsgruppen von 10 – 15 Personen beinhalten, die sich regelmäßig in einer Institution treffen, um in ihrem Bereich Qualitätssicherung – bzw. verbesserung zu erreichen. 30 VO Klinische Psychologie/Intervention 6. Berufssituation der Klinischen Psychologie 6.1 Struktur der Berufstätigkeit Berufstätig entspricht 3 Aspekten: Kompetenz Welche Fertigkeiten und Fähigkeiten werden für bestimmte Tätigkeiten benötigt und wie werden sie vermittelt? Hier geht es um eine wissenschaftliche, ethische, politische Legitimierung des Handelns. Berufszulassung Welche Personen bzw. Berufsgruppen mit welchen Kompetenzen sind berechtigt, bestimmte Tätigkeiten auszuüben? Hier geht es um eine institutionelle Legitimierung. Finanzierung Welche Tätigkeiten welcher Berufsgruppen sollen von der Sozietät finanziell übernommen werden? 6.2 Kompetenzerwerb Weiterbildung beinhaltet eine berufliche Spezialisierung und schließt vielfach mit der Anerkennung durch Berufsorganisationen, staatliche Stellen etc. ab. In der Klinischen Psychologie umfasst eine Weiterbildung einen mit einer Stundenanzahl umschriebenen Praxis – und Theorieteil, der in Form einer Ganztags – oder Halbtagsbeschäftigung über einen bestimmten Zeitrahmen zu absolvieren ist. Fortbildung dient der Aktualisierung der beruflichen Fertigkeiten und Kenntnisse. Im deutschsprachigen Raum ist man sich einig, dass ein abgeschlossenes Universitätsstudium (auch mit Doktorat) nicht für eine selbstständige Tätigkeit im Klinischen Sektor ausreicht. Deshalb ist eine Weiterbildung erforderlich, die derzeit durch 3 Modelle realisiert wird: (1) Methodenspezifische Weiterbildung in Psychotherapie (für Klinische Psychologie nicht vorhanden) Hier werden spezifische Therapiekenntnisse in einer Psychotherapiemethode erworben. Wird diese Variante ausschließlich verwendet, erfolgt aus wissenschaftlicher Sicht eine nicht vertretbare Einengung auf nur eine Perspektive des Handelns. Kritisch ist diese Ausbildungsmethode auch aus der Sicht der 31 32 VO Klinische Psychologie/Intervention Gesundheitsversorgung zu sehen, da durch methodenspezifische Weiterbildung nur für Teilgruppen ein Versorgungsangebot bereitgestellt werden kann. (2) Tätigkeitsspezifische Weiterbildung Hier werden für bestimmte Tätigkeitsbereiche Qualifikationen vermittelt. In Bezug auf die Weiterbildung stellt dies aber eine zu frühe Spezialisierung innerhalb des klinischen Sektors dar. (3) Fachspezifische Weiterbildung in Psychotherapie) oder Psychotherapie Klinischer Psychologie (inkl. Hier werden die für einen Berufssektor notwendigen Kompetenzen vermittelt (z.B.: Weiterbildung zum Klinischen Psychologen). Diese Form der Kompetenzvermittlung gewährleistet am ehesten die notwendige Kompetenzbreite – ist daher allen anderen Modellen vorzuziehen. 6.3 Regelungen zur Berufszulassung Hierzu sind verschiedene Möglichkeiten denkbar: (1) Keine Regelung Der freie Markt mit Angebot und Nachfrage regelt den Sektor. Aber in den verschiedenen Ländern genießen Ärzte einen besonderen Schutz und im Falle von Überschneidungsgebieten in der Tätigkeit ( Psychotherapie), würde eher eine Zuschreibung zu den Ärzten erfolgen. Dies würde für den gesetzlich nicht geschützten Psychologen zu Nachteilen führen. (2) Regelung für die gesamte Psychologie (inkl. Klinische Psychologie) Würde auch Bereiche regeln, die keiner formalen Regelung bedürfen. (3) Regelung für die Klinische Psychologie (mit/ohne Psychotherapie) In Österreich liegt ein Gesetz zur Klinischen und Gesundheitspsychologie vor. Im Gesetz erfolgt keine Abgrenzung zwischen Klinischen und Gesundheitspsychologen, die Behandlung und Rehabilitation wird der Klinischen Psychologie zugeordnet, Prävention und teilweise Rehabilitation der Gesundheitspsychologie (4) Regelung für die Psychotherapie Hier wird nur ein Tätigkeitsfeld geregelt, wobei die Regelung (meist mittels Gesetz) folgendermaßen getroffen werden kann: VO Klinische Psychologie/Intervention a) nur für Psychologen b) für unterschiedliche Berufsgruppen (mit Basisberuf und Weiterbildung Psychotherapie) c) ohne Bezug auf die Psychologie in Hinblick auf einen eigenen Psychotherapieberuf 6.3.1 Regelung in Österreich Es wurde ein Psychotherapiegesetz erlassen, dass auch eine Berufsgruppe der Psychotherapeuten schuf. Dabei ist die Psychotherapieausbildung nicht mit bestimmten Ausgangsberufen oder einem universitären Psychologiestudium gekoppelt, sondern der Titel Psychotherapeut wird aufgrund einer 3jährigen Ausbildung auf Fachhochschulniveau erworben. Die Ausbildung besteht aus Theorie und Praxis (inkl. Supervision und Selbsterfahrung). Im Gesetz wird implizit ausgesagt, dass es zur Psychotherapie mehrere Zugänge gibt, einer davon ist Psychologie. Dies ist gesundheitspolitisch und wissenschaftlich abzulehnen, da die wissenschaftliche Fundierung (und Qualitätssicherung) hauptsächlich über die Psychologie erfolgt. 6.4 Finanzielle Regelungen (1) Patient bezahlt die Leistung allein Bei mittleren und längeren Interventionen ist dies nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung möglich. Es käme zu massiven Versorgungslücken, deshalb ist diese Variante als einzige Lösung abzulehnen. (2) Patient bezahlt keine oder nur einen Teil der Leistung (Selbstbehalt) direkt: Bezahlung durch Krankenkassen bzw. Krankenversicherung Private oder staatliche Institutionen zahlen einen Teil oder die gesamte Leistung. Durch die Bezahlung der Psychotherapie durch die Krankenkassen kann ein großer Teil des Interventionsbedarfes abgedeckt werden. Bei komplexeren Störungen mit Notwendigkeit zur Langzeitbehandlung oder bei komplexen Leistungen eines Behandlungsteams, sind die Kassenregelungen nicht immer adäquat. Im amerikanischen Raum gibt es auch so genannte Manage Cards (geführte Versicherungen), wo der Kostenträger über einen organisatorischen Rahmen, die Kosten des Gesundheitswesens zu senken versucht. Dabei schließen Kostenträger (Versicherung) Verträge mit Praxisinstitutionen ab oder bieten eigene Behandlungsinstitutionen an. Dabei werden vor allem kurzfristige, ambulante Behandlungsvarianten favorisiert. Das führt zu dem Problem, das Klinischen Psychologen und Psychotherapeuten im Wettbewerb zu anderen Minderqualifizierten Anbietern stehen, die aufgrund geringerer Qualifikation auch günstigere Tarife haben. 33 VO Klinische Psychologie/Intervention (3) Patient bezahlt keine Leistung: Gratisangebot durch Ambulatorien, Beratungsstellen etc. und die Kosten werden von Trägern der jeweiligen Institution übernommen Eine umfassende Lösung sollte jeden dieser Aspekte beinhalten: zum einen sind selbstständige und eigenverantwortliche Tätigkeiten von Klinischen Psychologen (Diagnostik, Intervention und Psychotherapie) über die Krankenkasse abzurechnen. Zum anderen sollten auch die Leistungen, die von Trägern der Gesundheitsversorgung ausgehen, ausgebaut werden. Die Gesundheitsversorgung wird nicht durch verbesserte Interventionsmethoden verbessert, sondern ist vom Angebot der Dienste, den beteiligten Berufsgruppen, den finanziellen Regelungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen abhängig. 6.4.1 Finanzielle Regelung in Österreich Im Rahmen des Psychologiegesetzes werden diagnostische Leistungen durch zugelassene Klinische Psychologen bezahlt. Psychologische Behandlung hingegen ist keine Kassenleistung. Die Kassen erstatten bei nichtärztlicher Psychotherapie einen Grundbetrag (300 ÖS; ≈ 24 €) zurück, was keine adäquate Lösung darstellt. Kapitel 20 Methodik der klinisch – psychologischen Interventionsforschung 1. Einleitung Klinisch – psychologische Intervention benötigt aus folgenden Gründen eine wissenschaftliche und methodologische Reflexion: (1) Wissenschaftliche Begründung Wenn man Intervention als begründetes Handeln sieht, ist dieses Handeln zum Forschungsgegenstand zu machen und das fordert entsprechende wissenschaftliche Theorien und empirische Untersuchungen (2) Gesundheitspolitische Begründung Klinisch – psychologische Interventionen stellen Maßnahmen im Rahmen der Gesundheitsversorgung dar. Durch die Interventionsforschung erfährt sie gegenüber der kostentragenden Öffentlichkeit eine Legitimierung. 34 VO Klinische Psychologie/Intervention 35 (3) Ethische Begründung Klinisch – psychologische Interventionen sind auf in ihren Möglichkeiten eingeschränkte Personen gerichtet. Ein Angebot an Hilfe muss daher besonders sorgfältig begründet sein – dies ist nur durch Interventionsforschung möglich. Klinisch – psychologische Interventionsforschung grundlagenorientiert technologisch Beschreibung, Bewertung Theoretische Begründung von Interventionen Erklärung von Veränderungsprozessen im allgemeinen oder von Einzelaspekten der klinisch – psychologischen Intervention Die Methodik der klinisch – psychologischen Intervention bezieht sich vor allem auf (1) Mikroperspektive (2) Psychische Störungen (3) Klinisch – psychologische Behandlung/Therapie (Psychotherapie) von Funktionsmustern (4) Behandlung von Erwachsenen Die Methodik der klinisch – psychologischen Interventionsforschung ist immer stark von der Effektivitätsfrage geprägt worden, ist aber nicht allein darauf zu reduzieren. Erst durch die Erklärung der Wirkung liegt eine umfassende wissenschaftliche Fundierung von Interventionen vor. 2. Leitbilder der Interventionsforschung Klassisch: Hilft Psychotherapie? In der klassischen Wirksamkeitsforschung wird mit Statistiken gearbeitet (Wie viele wurden gesund, wie viele blieben krank?) 36 VO Klinische Psychologie/Intervention Eysenck stellte die Frage: Wirkt Psychotherapie? Ja oder Nein. Psychoanalytiker geben ⅔ als Heilquote an. Für diese Diskussion beschaffte er sich Versicherungsakten von Patienten und fand heraus, dass nach 2 Jahren ⅔ der Personen geheilt waren. Eysenck führte das auf eine Spontanremission (Heilquote ohne Behandlung) zurück. Aber: Keine spezielle Behandlung, aber allgemeine ärztliche Unterstützung? Differenziere Ohne jegliche fachliche Intervention? Eysenck darauf: „Alle Psychologen in den Konferenzraum – wir brauchen Kontrollgruppen!!“ Erfolgsquoten müssen an Vergleichsmaßstäben gemessen werden, doch dabei berücksichtigte Eysenck 2 Sachen nicht: 1. Keine spezielle, aber allgemeinärztliche Behandlung 2. Der Verlauf ist entscheidend Für die Interventionsforschung sind folgende Leitbilder von Bedeutung: (1) Allgemeine Wirksamkeitsüberprüfung Psychotherapie bedarf einer systematischen Wirksamkeitsüberprüfung (2) Kontrollgruppendesign Laut Eysenck würden ⅔ der neurotischen Patienten ohne Psychotherapie (in seinem Fall meinte er tiefenpsychologische Ansätze) geheilt werden (Spontanremission). Um eine Spontanremission als Alternative Erklärung des Therapieerfolges auszuschließen, forderte er Kontrollgruppen (3) Differentielle Therapieforschung Forderung nach einer differentiellen Forschung durch Kiesler. Hier werden differentielle Aspekte der Patienten, Therapeuten (Geschlecht, Erfahrung), Techniken (Welche Technik ist bei welcher Störung erfolgreich?) berücksichtigt. 37 VO Klinische Psychologie/Intervention 3 Faktorieller Versuchsplan (Patient, Therapeut, Technik) Therapie ist als zeitliches Geschehen zu konzipieren (Prozess – Erfolgsforschung). Deshalb ist zur Erfolgsbeurteilung einer Therapie auch eine Katamnese erforderlich, da erst dadurch gewisse Phänomene sichtbar werden (z.B.: Jo – Jo Effekt einer Diät). Eine Katamnese ist heute Standard bei Therapien. Der Therapieerfolg ist multimodal zu formulieren. (4) Perspektivenansatz: Makro-, Mikroebene Sieht man Interventionen, nicht wie bei den bisherigen Leitbildern von der Mikroebene, sondern von der Makroebene, sind Interventionen in das gesellschaftliche Geschehen eingebettet und wird auch durch dieses beeinflusst. Ab den 70er Jahren gibt es Ansätze, die die Psychotherapie von der Mikro – und Makroebene sehen. (5) Phasenmodell/Forschungsprozess Interventionsforschung wird hier als komplexer Forschungsprozess gesehen, der sich über verschiedene Phasen erstreckt, mit denen auch verschiedene methodische Forderungen und Bewertungen verbunden sind: 1. Umsetzung eines neuen Konzeptes in die Realität 2. Erste globale Überprüfung 3. Systematische Evaluation 4. Implementierung in die Praxis 5. Überprüfung in der Praxis (6) Metaanalysen Aufgrund der zahlreichen Interventionsstudien, müssen die Vielzahl an Ergebnissen integriert werden: Metaanalysen. 38 VO Klinische Psychologie/Intervention (7) Richtlinien für Interventionen (Guideline) Durch die Vielzahl an Therapien und den Druck möglichst rasch wirksame und effiziente Wirkung zu erzielen, werden ab den 90er Jahren von Expertengruppen Empfehlungen abgegeben. Diese Empfehlungen beinhalten welche Therapien erprobt sind und welche Therapien für welche Störungen anzuwenden ist. (8) Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement Intervention kann einerseits als Anwendung von Techniken (Manuals, Anweisungen), andererseits auch als Zusammenspiel von Einzelelementen gesehen werden, auf welche das Phasenmodell anwendbar ist. Die Qualitätssicherung ist besonders in der Phase IV (Praxis) wichtig und stellt bezüglich der Evaluation und damit verbunden der Qualitätssicherung eine Daueraufgabe dar. Tabelle 5: Phasen der Interventionsforschung Ausgangspunkt Aufgrund klinischer Beobachtungen, theoretischen Überlegungen und unsystematischen Einzelversuchen, liegt eine neue Interventionsmethode vor. Phase I: Erkundungsphase Die neue Interventionsmethode wird systematisch beobachtet und überprüft. Es liegen nur wenige, globale Hypothesen vor. Phase II: Pilot – Phase Aufgrund der in Phase I gewonnenen Erkenntnisse, wird die therapeutische Wirkung mit gezielten Hypothesen überprüft. Dazu notwendig sind kombinierte Prozess-/Erfolgsstudien mit Kontrollgruppen und Überprüfung der Katamnese (Krankennachgeschichte). Phase III: Testphase Im Großversuch wird die Interventionsmethode überprüft. Dabei werden auch Verbundsstudien verwendet (gleiches Design in mehreren Institutionen. Phase IV: Praxiskontrolle Bewährt sich die neue Interventionsmethode auch in der Routine? VO Klinische Psychologie/Intervention 3. Evaluationskriterien (1) Effektivität/Wirksamkeit (efficacy) Wirksamkeit = Durch die Intervention bewirkte Ausmaß an Veränderung zu einen Zielzustand (Zielabstand) Wirksamkeit einer Interventionsmethode kann nur in Bezug auf definierte Ziele und einen Vergleichsmaßstab (z.B.: Kontrollgruppe) beurteilt werden. Das Konstrukt „Wirksamkeit“ beinhaltet verschiedene Freiheitsgrade, die im konkreten Fall zu berücksichtigen sind, weil es die „Wirksamkeit“ nicht gibt. Effektivität muss multimodal erfasst werden. Eine Wirksamkeitsbeurteilung kann je nach Überprüfungszeitpunkt (Therapieende, Katamnese) und Vergleichsmaßstab verschieden ausfallen. Weiter muss eine Wirksamkeitsbeurteilung je nach Ablauf im Forschungsprozess unterschiedlich beurteilt werden. Wie kann ich die Wirkung erfassen? Dabei sind die unterschiedlichen Auflösungsgrade (interpersonelle Systeme, Funktionen etc.) zu berücksichtigen. Dabei kann die Beurteilung der Veränderung über verschiedene Kriterien erfolgen: - Statistische Signifikanz der Veränderung - Klinische Signifikanz (Bedeutsamkeit) der Veränderung Klinische Signifikanz impliziert eine bedeutende Veränderung im Leben des Patienten. - Prozentsatz an gebesserten Patienten Hierzu wird ein Hauptindikator herausgegriffen. Für die Festlegung der Besserungsrate werden häufig bedeutsame Veränderungen zugrunde gelegt (Z.B.: Responer vs. Non – responder) - Breite der Veränderung (Wirkungsspektrum) Die Erfassung möglicher positiver und negativer bewerteter Wirkungen, macht eine breite multimodale, über die Zielsymptomatik hinausgehende Erfassung möglicher Effekte notwendig. - Veränderungsmuster 39 VO Klinische Psychologie/Intervention Die Erfassung der Veränderung erforderte eine komplexe Merkmalsanalyse. Therapieeffekte können durch spezifische Veränderungsmuster charakterisiert sein. - Dauerhaftigkeit der Veränderung Interventionen müssen über die Intervention ihre „Wirksamkeit“ beweisen; Wie sieht die Katamnese aus? - Ausmaß an negativen Effekten Dazu zählen: unerwünschte Wirkungen in Funktionen und Funktionsmuster Therapieablehnung (kein Therapiebeginn) trotz Indikation Drop – out Raten Rückfälle innerhalb eines bestimmten Zeitraums (2) Effizienz (cost – effectness, cost - benefit) Die Effizienzfrage beinhaltet Kostenüberlegungen: a) Kosten – Effektivitäts - Analyse Mit welchen Kosten, ist die Zielerreichung verbunden (Was kostet die Wirksamkeit?). b) Kosten – Nutzen - Analysen Hier sind Behandlung (=Kosten) und Gewinn (Nutzen), der durch das Erreichen des Therapieziels erreicht wird, monetär darstellbar. Neumer & Margraf (1996)unterscheiden 2 Formen des Nutzens: a) positiver Nutzen (Aufgrund der Therapie bessere Arbeitsfähigkeit und höheres Einkommen) b) Nutzen durch Kosteneinsparung Bei den Kosten wird auch der mit der Behandlung verbundene monetäre Aufwand einbezogen. Doch der Nutzen der Intervention ist nur begrenzt monetär erfassbar, da auch ideelle Werte als Therapienutzen berücksichtigt werden müssen (z.B.: Lebensqualität, Patientenzufriedenheit). 40 VO Klinische Psychologie/Intervention (3) Patienten- Zufriedenheit Klinisch – psychologische Intervention kann nur erfolgreich sein, wenn sich die Patienten dem therapeutischen Setting unterziehen und an die vereinbarten Regeln halten (= Compliance) Compliance = Grad der Übereinstimmung im Verhalten des Patienten mit der durch den Therapeuten intendierten Intervention (4) Praxisbewährung Wie läuft die Therapie in der Praxis? Bewährt sie sich? (5) Ethische Angemessenheit Sind die angewandten Mittel mit dem angestrebten Ziel kompatibel? (Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel!) Ethische Probleme ergeben sich auch, wenn Körperkontakt als Therapiemittel eingesetzt wird, oder die Therapie neben dem Patienten auch Auswirkungen auf seine Umwelt haben. 4. Methodik der Erkundungsphase 4.1 Analogstudien Analogstudien bilden die Realität (was immer das auch sein mag :-P), nur partiell oder vergleichsweise ab. In der Interventionsforschung sind folgende Abweichungen von der Realität wichtig: a) Gattungen (Tierstudien vs. Humanbereich) b) Störung (Klassifikations- vs. Zielvariable; quantitative vs. Qualitative Abweichung von klinischen Störungen) c) Untersuchungsverfahren (Die Komplexität einer Störung wird mit einem Untersuchungsverfahren untersucht) 41 VO Klinische Psychologie/Intervention Zusätzlich sind folgende Aspekte für die klinisch – psychologische Intervention bedeutsam: Behandelte Personen Ohne vs. mit Störung; Behandlungswunsch und Bereitschaft an einer Studien teilzunehmen; Störung mit Behandlungswunsch Therapeut Einsatz von für die Intervention geschulten Studenten; Ausbildungskandidaten; Therapeuten mit viel/wenig Erfahrung Setting Labor, in klinischen Forschungssettings; Interventionen im klinischen Alltag; Zeitdimension Intervention von einer Sitzung; wenigen Sitzungen oder der üblichen Psychotherapiedauer 4.2 Einzelfallstudien Gegenstand der Analyse ist ein einzelnes Element, welches exakt beschrieben, beobachtet und experimentell systematischen Bedingungsvariationen unterzogen wird. Bei Einzelfallstudien lassen sich methodisch 3 Varianten differenzieren: 1. quantitativ – experimentelles (Einzelfallexperiment) 2. quantitativ nicht experimentelles (quantitative Einzelfallanalyse) 3. beschreibendes Vorgehen (Fallstudie) In Einzelfallstudien muss die Kontrollbedingung durch Bedingungsvariationen innerhalb des Individuums erfolgen. Das einfachste Design bezüglich der Bedingungsvariationen innerhalb eines Individuums ist das A - B – A Design (A = Kontrollbedingung; B = Interventionsbedingung). 42 43 VO Klinische Psychologie/Intervention 5. Methodik der Pilot - Phase 5.1 Versuchspläne 5.1.1. Kontrollgruppendesigns A. Keine expliziten Kontrollbedingungen: Eingruppenplan (1) Eingruppenplan mit retrospektiver Datenerhebung am Interventionsende (2) Eingruppenplan mit mindestens Prä – und Postmessung (3) Eingruppenplan mit Eigenkontrollgruppe: Patienten bleiben eine Zeit lang unbehandelt (Baseline), sodass eine Kontroll – und Interventionsphase vorliegen, die man miteinander vergleichen kann. B. Explizite Kontrollbedingungen: Interventions- und Kontrollgruppe Kontrollgruppenplan mit (4) Kontrollbedingung ohne Behandlung: Unbehandelte Kontrollgruppe (5) Kontrollbedingung ohne Behandlung in der Kontrollphase mit anschließender Behandlungsphase: Wartelisten – Kontrollgruppe (6) Kontrollbedingung mit geringer Behandlung: Placebo – Kontrollgruppe (7) Kontrollbedingung mit üblicher Behandlung: Routine – Behandlung (8) Kontrollbedingung mit spezifischer Behandlung: andere Therapieform (9) Kontrollbedingung mit spezifischer Behandlung: Parametermodifikation in Form von Parametervariation, - addition, -subtraktion (10) Kombination der Variante (4) – (9) Für die Pilotphase sind explizite Kontrollbedingungen anzustreben, bei denen Personen zufällig den Bedingungen zugeordnet werden. Dazu bieten sich Gruppen mit unterschiedlichem Behandlungsaufwand an: - Keine Behandlung Unbehandelte Kontrollgruppe, bei denen die Patienten mindestens 1 Jahr ohne Behandlung waren. Ist ethisch und klinisch problematisch, da eine Intervention auf längere Zeit nicht vorenthalten werden darf. VO Klinische Psychologie/Intervention - Wartelisten Kontrollgruppe Bei diesen Patienten ist die behandlungsfreie Zeit begrenzt (Monate). - andere Therapieform - z.B.: Kognitiv Verhaltenstherapie vs. Antidepressivum - Parametermodifikationen, bei denen Parameter verändert werden a) Parametermodifikation - Interventionsform X mit unterschiedlicher Sitzungsdauer ( 45 vs. 90 min) b) Parameteraddition/bzw. –subtraktion - Hinzufügen/ Wegnehmen von Therapieelemente 44 VO Klinische Psychologie/Intervention 45 Tabelle 5 Kriterienkatalog zur Planung & Beurteilung klinisch – psychologischer Interventionsstudien Beschreibung der Interventionsformen – Art der Kontrollgruppen. Darstellung und Vergleich der einzelnen Gruppen bezüglich der folgenden Punkte: Instruktionen pro Gruppe Settings der Gruppen 1. Interventionen Interventionsdauer Häufigkeit und Dauer der Kontakte Zeitraum der Untersuchung Interferierende Interventionen 2. Klassifikation (Gruppenbildung bei Patienten und Therapeuten) 3. Abhängige Variablen 4. Versuchsleiter/Therapeut 5. Patienten 6. Verlauf der Untersuchung 7. Datenanalyse Beschreibung der Klassifikationsinstrumente (Inhalt; Gütekriterien) Breite der Abhängigen Variablen Situationsbezug der Daten Datenerheber und – auswerter Beschreibung der Instrumente Art der Zuordnung von Therapeut zu Patient Vergleichbarkeit der Therapeuten in Bezug auf Persönlichkeitsmerkmale, allgemeine Therapiekompetenz etc. Beschreibung der Rekrutierungsprozedur Beschreibung der Selektionsprozedur Klinischer Status des Patienten Patienten – Ausfälle Berücksichtigung der Ausfälle bei der Auswertung Patientenausschluss (Anzahl, Gründe) Beschreibung der statistischen Prüfverfahren Signifikanzniveau Komplexität der Analysetechnik (uni – vs. multivariat) VO Klinische Psychologie/Intervention 5.1.2 Kritik an der Übertragung des medikamentösen Placebo – Begriffes auf die klinisch – psychologische Intervention Die Übertragung des medikamentösen Placebo – Begriffes auf die klinische – psychologische Intervention ist aus folgenden Gründen nicht möglich: (1) Placebo und Wirksubstanz können äußerlich und in der Anwendung nicht unterschieden werden. Für die klinisch – psychologische Intervention ist das kaum realisierbar. (2) Medikamentöse Placebos und die echte Substanz lassen sich bezüglich der pharmakologischen, aber nicht der psychologischen Mechanismen unterscheiden. Psychotherapie und psychotherapeutisches Placebo, setzen beide im Erleben und Verhalten an – es ist keine vergleichbare Differenzierung möglich. Dies gilt umso mehr, wenn bei dem Psychotherapie- Placebo psychotherapeutische Elemente verwendet werden. (3) In der medikamentösen Therapie ist die Substanz („Technik“) und die damit verbundene psychologische Prozedur trennbar. In der klinisch – psychologische Intervention ist dies nicht möglich, da die Technik durch das Therapeutenverhalten realisiert wird. Eine unwirksame Technik mit einer wirksamen Therapeutenhaltung, wie beim medikamentösen Placebo zu koppeln, ist unmöglich. (4) Teilweise wird der medikamentöse Placebo Begriff mit dem Begriff der allgemeinen, gemeinsamen, nicht spezifischen Faktoren, die oft in der Psychotherapieforschung für nicht vorhandene differentielle Effekte zwischen verschiedenen Interventionsfaktoren verantwortlich gemacht werden, gleichgesetzt. Das ist aber problematisch, da diese allgemeinen Faktoren durchaus echte Wirkfaktoren darstellen. 5.2 Prozessforschung, Prozess - Erfolgsforschung Nach Kiesler ist der Therapieverlauf eine wichtige Größe, die explizit analysiert werden sollte. Der Interventionserfolg ist zusammen mit dem Interventionsprozess zu sehen. In der Prozessforschung wird das Augenmerk auf Mikro – Variablen der Veränderung gelegt: (1) Veränderungen innerhalb einer therapeutischen Sitzung (Prozessdauer: Sekunden, Minuten bis max. Therapiesitzungsdauer) Elemente der Therapiesitzung werden im Verlauf einer Sitzung beobachtet und teilweise in Relation zueinander gesetzt (z.B.: Redezeit: Schweigen; etc.). Zusätzlich können noch die Beurteilungen einer Sitzung erfolgen. 46 47 VO Klinische Psychologie/Intervention (2) Veränderungen zwischen den Sitzungen (Prozessdauer: Tage) Hier werden zwischenzeitliche Geschehnisse analysiert (z.B.: Bewältigung von beruflichen Stress) (3) Veränderungen in einzelnen Phasen einer Intervention (Prozessdauer: Wochen – Monate) Diese Varianten ergänzen sich und stellen zusammen eine umfassende Prozessanalyse dar. So können Interaktionsmuster in mehreren Sitzungen erhoben und miteinander verglichen werden, woraus eine Verlaufsanalyse (über mehrere Sitzungen) von Verlaufsmustern (jeweils pro Sitzung) entsteht. Nach Orlinsky, Grawe & Parks (1994) bedürfen Prozessaussagen bzw. Prozess /Erfolgsaussagen weitere Präzisionen: - Beobachtungsperspektive Unterschiedliche Datenquellen (Patienten, Therapeuten etc.) können Prozesse unterschiedlich konzipieren: das ist bei der Interpretation zu berücksichtigen. - Therapieprozess vs. Veränderungsprozess Hier sollte terminologisch zwischen Therapieprozess (z.B.:) und Veränderungsprozess unterscheiden werden - Zeitliche vs. kausale Verläufe Es sollte zwischen Zeitreihen und Kausalketten unterschieden werden. - Zeitsegment Prozesse können von der Mikroanalyse einzelner Äußerungen bis zur Analyse einzelner Behandlungsphasen reichen. In der Prozessforschung werden häufig Fragebögen zur Bewertung von Therapiesitzungen durch Therapeuten und Patienten verwendet. Fremdbeurteilungsverfahren dienen der Analyse der Therapiesitzungen. Zur Feinabstimmung werden zusätzliche Untersuchungsverfahren und Registriertechniken (Video & Audio) benötigt. Wichtig ist vor allem die Analyse des verbalen und nonverbalen Verhaltens. 48 VO Klinische Psychologie/Intervention Orlinsky, Grawe & Parks nennen als entscheidende Prozessmerkmale zu untersuchende formale Aspekte (sozialer Rahmen der Therapie: Rollenverständnis) technische Aspekte (therapeutische Intervention) interpersonelle Aspekte (therapeutische Beziehung) intrapersonelle Aspekte (Einstellung des Patienten zur Therapie) klinische Aspekte (therapeutische Realisierung) zeitliche Aspekte (Dauer der Therapie) 6. Methodik der Testphase Hier soll die Interventionstechnik auf eine möglichst breite empirische Basis gestellt werden. Wünschenswert sind hier eine Multizenter – Studien, bei denen ein gemeinsamer Versuchsplan für verschiedene Institutionen erstellt wird. Wichtig ist auch die Replikation der Befunde durch voneinander unabhängige Studien. 6.1 Metaanalysen (engl. Meta – analysis) In Metaanalysen wir die vorhandene Literatur systematisch mit Nutzung statistischer Verfahren ausgewertet. Metaanalysen integrieren dabei die Befunde von mehren Studien. Von besonderer Bedeutung ist die Quantifizierung der Studienergebnisse durch Kennwerte, die vom Maßstab der einzelnen Merkmale unabhängig sind – dadurch wird ein Vergleich zwischen Studien möglich. Dafür wird oft die Effektstärke ES als Kennwert verwendet, die auf Korrelationskoeffizienten beruht. Effektstärke ES (effect size): d = (MT – MK) SK MT; MK: Mittelwert nach Therapieende von Therapie (T) bzw. Kontrollgruppe (K) SK: Standartabweichung der Kontrollgruppe am Therapieende Als Vergleichsmaßstab sind Kontrollgruppen ohne oder mit geringer Behandlung heranzuziehen. Bei der Normalverteilung der Nachtestwerte bedeutet eine Effektstärke von d= .85, dass eine durchschnittliche Person, durch die Therapie 49 VO Klinische Psychologie/Intervention einen Kriteriumswert von PR = 80 erreicht, was eine eindeutige Verbesserung bedeutet Allgemeiner Ablauf von Metaanalysen: (1) Formulierung der Forschungsfrage, die mit der Metaanalyse beantwortet werden soll. Bsp.: In welcher Relation steht sie Wirksamkeit von Psychotherapie zur Wirksamkeit medikamentöser Behandlung bei depressiven Störungen? (2) Literatursuche Definition der Suchbegriffe Bsp.: Psychotherapiestudie; medikamentöse Therapie, depressive Störung Suchstrategien (Computerunterstützte Literatursuche) Evtl. Selektion der gefundenen Literatur aufgrund weiterer Kriterien (3) Erstellen eines Beschreibungssystems für die einzelnen Studien Struktur der Studie Quantifizierung der Studienergebnisse Bewertung der Studien (4) Überprüfung der Beurteiler- Übereinstimmung bezüglich des Beschreibungssystems (5) Auswertung der einzelnen Studien mittels Beschreibungssystems (6) Aufbereitung der Daten (7) Ergebnisdarstellung & Interpretation (8) Dokumentation (besonders Literaturverzeichnis der verwendeten Studien) Kritik an Metaanalysen (1) Studien mit unterschiedlicher methodischer Dignität sind nicht zusammenfassbar (2) Daten innerhalb einzelner Studien sind voneinander abhängig, deshalb darf pro Studie nur eine mittlere Effektstärke berechnet werden (3) Therapiemethoden unterscheiden sich in Anzahl und Auswahl der Untersuchungsverfahren – das führt zu Vergleichsproblemen (4) Metaanalysen berücksichtigen keine Prozessdaten und Einzelfallstudien VO Klinische Psychologie/Intervention 6.2 Normative Verfahren: Kriterienkataloge, Behandlungsrichtlinien 1. Der Kriterienkatalog American Psychological Association ist der Herausgeber Wann ist ein Therapieverfahren empirisch validiert? verhaltensorientiert 2. Die Behandlungsrichtlinien (Practice Guidelines) herausgegeben von der American Psychiatric Association störungsorientiert haben Richtcharakter, man muss sich daran halten z.B.: Wenn eine Depression vorhanden ist, dann Diagnose. Dann eine Medikamentation mit Menge X von Medikament Y setzen ein kompetentes Expertengremium voraus, dass umfassend, die vorhandene Literatur sichtet und daraus Empfehlungen ableitet Wesentlich ist, dass dieses Gremium breit ist, um auch unterschiedliche Ansätze differenziert beurteilen zu können Behandlungsrichtlinien stehen im Grenzbereich der Phasen III und IV und dienen deshalb auch der Qualitätssicherung Therapiemanuale sollen gewährleisten, dass Konzepte in der Therapie umgesetzt werden. Dabei ist für die Therapieforschung die Überprüfung der Konzepttreue wesentlich: Wieweit werden die intendierten Therapiekonzepte in die Realität umgesetzt? Sie geben auch einen Rahmen vor, der einen Freiraum lässt 6.2.1 Kriterien für empirisch validierte Behandlungen gut überprüfte Studien I. Die neue Methode ist einer medikamentösen Behandlung oder einem psychologischen Placebo überlegen II. Die neue Methode ist äquivalent zu einer gut eingeführten III. Große Serie von Einzelfall – Experimenten (>9) die Effizienz demonstrieren 50 VO Klinische Psychologie/Intervention Weitere Kriterien für I. - III. IV. Die neue Methode ist einer anderen Behandlung überlegen V. Gutes experimentelles Design VI. Die Effekte müssen von mindestens 2 verschiedenen Forschern oder Forschungsteams nachgewiesen worden sein 7. Methodik der Praxiskontrolle, Qualitätssicherung Geht eine neue Interventionstechnik in die Praxis über, ergeben sich weitere Evaluationsfragen: Werden positiv evaluierte Verfahren auch in der Praxis eingesetzt? Interventionen bedürfen auch nach ihrer Praxisimplementierung einer Überprüfung, um Probleme, die sich erst in der Praxis und im Langzeitverlauf ergeben, zu identifizieren. In der Qualitätssicherung, nimmt die Dokumentation von Interventionen einen besonders wichtigen Stellenwert ein, da: - Dokumentation ist aus rechtlichen, ethischen, berufsständischen und wissenschaftlichen Gründen unerlässlich. - Rechtliche Rahmenbedingungen sind adäquat zu berücksichtigen - Dokumentation hat multimodal, nach Möglichkeit mittels allgemein anerkannter Systeme, routinemäßig zu erfolgen - Dokumentationsinhalte sind komplex zu wählen 51 VO Klinische Psychologie/Intervention Kapitel 21 Prävention und Gesundheitsförderung 1. Verhinderung von Störungen versus Förderung der Gesundheit Prävention = Maßnahmen zur Vorbeugung und Verhinderung unerwünschter psychischer und physischer Störungen, die vor dem Eintreten einer Störung ansetzen. Prävention will die Inzidenz psychischer Störungen vermindern. Im Gegensatz zu verkleinert die Behandlung/Therapie die Prävalenz. Die allgemeinen Ziele der psychologischen Prävention und Gesundheitsförderung können wie folgt so zusammengefasst werden: (1) Veränderung und Abschwächung von Risikoverhalten und intrapersonellen Risikofaktoren (2) Eliminierung oder Milderung von Risikofaktoren in der sozialen und physikalischen Umwelt. (3) Personeninterne, protektive Faktoren (=Gesundheitsförderung). (4) Förderung gesundheitsschützender Umwelten; Gesundheitsförderung zielt auch auf die Beeinflussung von Institutionen, Instanzen und Systemen ab, die Einfluss auf das individuelle Verhalten ausüben. (5) Krisenintervention, wenn die sozialen und persönlichen Ressourcen zur Bewältigung von Belastungen nicht mehr ausreichen. 2. Spezifische vs. unspezifische Prävention und Gesundheitsförderung Spezifische Prävention Unspezifische Prävention Verhinderung spezieller Störungen Verhinderung des allgemeinen Erkrankungsrisikos 52 53 VO Klinische Psychologie/Intervention 2.1 Unspezifische Prävention und Gesundheitsförderung Unspezifische Prävention richtet sich gegen allgemeine Risikofaktoren (besonders bei Störungen, deren Ursachen nicht ganz klar sind). Lebens – und entfaltungswichtigen Grundgütern (basic supplies) nach Caplan: - materielle Grundgüter, wie Nahrung, Wohnung und Qualität des Lebensraumes - psychosoziale Grundgüter, wie Akzeptanz, Zuneigung, soziale Unterstützung - soziokulturelle Grundgüter, wie Werte, Rollen ,Grundrechte einer Gesellschaft Nach Caplan entstehen Störungen, wenn es dem Individuum über längere Zeit hinweg an einzelnen oder mehreren lebenswichtigen Grundgütern mangelt. Die Störungswahrscheinlichkeit ist aber nicht nur von der Umwelt abhängig, sondern liegt auch im Individuum selbst (z.B.: kritische Lebensereignisse und Krisen). Ursprungsorte für Krisen Umwelt Individuum Nach dem Ressourcen – Konzept soll Gesundheitsförderung bereits vorhandene personeninterne und - externe Ressourcen erhalten helfen und fördern. Personeninterne und - externe Ressourcen interagieren miteinander – sie stehen in einer Transaktion zueinander, deren Ergebnis von personeninternen und – externen noxischen Faktoren abhängig ist Zu unspezifischen Interventionsprogrammen zählen Elternverhaltenstrainings aber auch Gesundheitstraining. VO Klinische Psychologie/Intervention 54 Tabelle 6: Beispiele für unspezifische Prävention in der Erziehung Störungsquellen Mögliche Präventionsziele (1) Individuelle Ursprungsorte allgemein: Kompetenzmangel Allgemein: Aufbau von Kompetenzen Speziell: Dysfunktionales Coping Mangel an metakognitiven Kompetenzen Speziell: Förderung der Copingstrategien Förderung metakognitiver Kompetenzen (2) Umweltbezogene Belastungen (2.1) Materielle Güter Allgemein: Armut Allgemein: Verbesserung der materiellen Bedingungen Speziell: Schlechte Wohnbedingungen Speziell: Bereitstellung von Wohnung/Lebensraum (2.2) Psychosoziale Grundgüter Allgemein: Mangel an Interaktion/gestörte Interaktion Speziell: Schädigender Erziehungsstil Eltern als aggressive Verhaltensmodelle Allgemein: Verbesserung der Qualität der sozialen Ressourcen Speziell: Förderung der Akzeptierung, Wertschätzung und Unterstützung bei Eltern/Lehrern/Erziehern Förderung der Fähigkeit zur aggressionsfreien Konfliktlösung im Umgang mit Kindern und Erwachsenen 2.2 Spezifische Präventionsprogramme Spezifische Prävention beinhaltet Ätiologiewissen, da sie sich gegen spezielle Störungen/Erkrankungen richtet. 3. Populations- versus zielgruppenorientierte Prävention Populationsbezogene Prävention zielt auf die Gesamtbevölkerung oder auf Teile der Gesamtbevölkerung ohne besonderes Risikoverhalten ab. 55 VO Klinische Psychologie/Intervention Bsp. Für ein populationsbezogenes Präventionsprogramm: Interventionsprogramm zur Prävention des Zigarettenrauchens bei Schülern der 7. und 8. Klasse. Zielgruppenorientierte Prävention zielt auf spezielle Gruppen ab, die von einer Störung überdurchschnittlich gefährdet sind, aber noch keine Symptome der Störung aufweisen. Bsp. Für ein zielgruppenorientiertes Präventionsprogramm: Prävention der HIV – Übertragung bei weiblichen Gefangenen (hier ist durch häufigen Drogenkonsum und damit verbundenen Spritzentausch, ein erhöhtes Risiko vorhanden). Zielgruppe = Gruppe in der die Risikofaktoren höher sind, als bei anderen Gruppen Indizierte Prävention (indicated preventive intervention) richtet sich an Personen mit hohem Risiko und mit bereits geringfügigen und identifizierbaren Zeichen/Symptomen einer bevorstehenden psychischen Störung oder mit biologischen Markern, die eine Prädisposition für eine psychische Störung aufweisen. 4. Personenorientierte vs. systemorientierte (umweltorientierte) Prävention: Interventionsorte bzw. ebenen Systemorientierte Prävention zielt auf strukturelle Maßnahmen ab um das Störungsrisiko für Personen oder Personengruppen zu mindern z.B.: Fluor ins Trinkwasser mischen um die Kariesinzidenz zu mindern. Personenorientierte Prävention: Interventionsprogramm zur Prävention des Zigarettenrauchens bei Schülern der 7. und 8. Klasse. spezifisch zielgruppenbezogen Training für Typ A Personen HIV –Übertragung bei Gefängnisinsassen unspezifisch Gesundheitstraining für HIV - Positive 56 VO Klinische Psychologie/Intervention populationsbezogen STOPAIDS – Kampagne Schweiz Zigarettenkonsum bei Schülern Elterntraining Paartraining 5. Ausgewählte Methoden der Prävention und Gesundheitsförderung 5.1 Für welche Zielgruppe welche Methode? Optimale (1997): Voraussetzungen für personenorientierte Interventionen nach Jeffery a) Verhaltensänderung verspricht großen und relativ unmittelbaren persönlichen Nutzen b) Aufwand für die Veränderung ist bescheiden Eine Umweltveränderung liegt nahe wenn: a) Viele Personen der Bevölkerung vom Risiko betroffen sind b) Störung/Risikoverhalten durch öffentliche, kontrollierbare Bedingungen mitbeeinflusst wird. c) Aus dem Risikoverhalten und seinen Folgen hohe Kosten für die Allgemeinheit entstehen (1) Absolutes Risiko Wahrscheinlichkeit, dass ein Individuum in einer definierten Zeitspanne an einer bestimmten Störung erkranken oder sterben wird, gleichgültig ob es einem Risiko ausgesetzt ist oder nicht z.B.: Das ein Nichtraucher innerhalb eines Jahres an Lungenkrebs stirbt. VO Klinische Psychologie/Intervention (2) Relatives Risiko Wahrscheinlichkeit, dass ein Individuum im Vergleich zu Personen ohne Risikoexposition, in einer definierten Zeitspanne, wenn es einem Risikofaktor ausgesetzt ist, an einer bestimmten Störung erkranken oder sterben wird. (3) Der Exposition zuzuschreibendes Risiko (attributables Risiko) Zahl der zusätzlichen Störungen einer Population, die einem speziellen Risikofaktor zugeschrieben werden kann. Ein relatives Risiko kann aus Populationsperspektive unbedeutend sein, wenn das absolute Risiko sehr niedrig ist. Laut Jeffery (1997) setzen Individuen auf das relative und absolute Risiko nach einem Herzinfarkt hören 50% der Betroffenen zum Rauchen auf. Aufgrund allgemeiner Präventionsprogramme nur circa. 5%! Für die Wahl der Methode ist entscheidend, inwieweit die Gefahr des Risikoverhaltens dem Individuum nahe gebracht werden kann. Welche präventiven bzw. gesundheitsfördernden Methoden induziert werden, hängt neben der Berücksichtigung der Perspektive (individuelle vs. populationsbezogene) von den Ausgangsmerkmalen der Adressaten ab. In Maccoby & Solomons (1981) Modell der Verhaltensänderungshierarchie werden 6 Ebenen als Vorraussetzung für die Veränderung des Gesundheitsverhaltens unterschieden: (1) Problembewusstsein (2) Wissen (3) Motivation (4) Fähigkeiten (5) Ausführung (6) Aufrechterhaltung Für die Wahl der präventiven Interventionsstrategie muss geklärt werden, auf welcher Stufe sich der Adressat befindet. 57 VO Klinische Psychologie/Intervention 5.2 Aufklärung als Methode der Gesundheitsförderung und Prävention Aufklärung sollte gesundheitsrelevante Wissensdefizite mindern, Problembewusstsein schaffen und durch neue Information zu neuen Verhaltensweisen motivieren. Aufklärung als psychologisches Mittel wendet primär symbolisch kodierte Information an, die als repräsentationsorientierte Methode auf die Änderung kognitiver Repräsentationen ausgerichtet ist. Das funktioniert besonders gut, wenn das mit dem Risikoverhalten verbundene Bedrohungspotential hoch ist und das Risikoverhalten unter leicht beeinflussbaren psychischen oder sozialen Bedingungen steht. 5.3 Beratung als Methode der Gesundheitsförderung und Prävention In der Beratung wird neben den psychologischen Mitteln auch die Person des Beraters eingesetzt, die über Merkmale der Gesprächsgestaltung, die Akzeptanz der Information erleichtern kann. 5.4 Training als Methode zur Gesundheitsförderung und Prävention Hat das Risikoverhalten stark Gewohnheitscharakter, sollten Trainingsmethoden, als Ergänzung zur Beratung eingesetzt werden. Es liegen mittlerweile schon evaluierte Trainingsmethoden für die Veränderung des Raucherverhaltens, Essverhaltens, der Sonnexposition oder zur Stressbewältigung vor. Wesentliche psychologischen Mittel, die in Trainings eingesetzt werden sind: (1) Wiederholung/Übung (2) Rollenspiel (3) Mentales Training 5.5 Umgebungsbezogene (systembezogene) Interventionen Die umgebungsbezogenen präventiven, gesundheitsfördernden Interventionen definieren sich durch den Ort des Interventionsbezuges. Diese Interventionen können sich auf die Grundgüter (vgl. Caplan) beziehen. 58 VO Klinische Psychologie/Intervention Für präventive, umweltbezogene Interventionen unterscheidet Jeffery (1997) 3 Typen von Strategien: (1) Ökonomische Anreize, die das Risikoverhalten hemmen, dazu gehören z.B. spürbare Steuern auf schädigende Produkte. Gewünschtes Verhalten kann durch die Verbilligung entsprechender Produkte und Aktivitäten gefördert werden (2) Aufbau von Umweltbarrieren, zwischen Individuen, Situationen und Produkten, die ein Risiko darstellen. (3) Kontrolle der Reklame und der Promotion von ungesunden Produkten und Verhalten. Z.B.: gesetzliche eingeschränkte Zigarettenwerbung Die umgebungsbezogenen präventiven und gesundheitsfördernden Interventionen können auch unter der Berücksichtigung des Adressatenkreises bzw. des sozial – ökologischen Umwelttyps, der beeinflusst werden soll, gegliedert werden: (1) Personen aus der Primärgruppe von Risikopersonen oder –gruppen (Mediatorenkonzept) (2) Betriebliche Umwelt (Führungsverhalten) (3) Schulumwelt (Lehrerverhalten, Architektur) (4) Größere kulturelle Einheiten (kulturelle Normen und Werte) (5) Gemeinde (Psychosoziales Versorgungssystem) Als Mittel zur umgebungsbezogenen Intervention, werden vor allem Aufklärung, Beratung, Training und gesetzliche Maßnahmen zur Änderung der sozialen, ökologischen und kulturellen Bedingungen. 5.6 Krisenintervention Krisenintervention = professionelle psychosoziale Hilfestellungen für Personen, die durch ein kritisches Lebensereignis in ihrem psychischen und sozialen Gleichgewicht nachhaltig gestört worden sind, ohne das man dabei von einer psychischen Störung sprechen kann. Wie aus der Definition erkennbar ist, ist die Krisenintervention teil des Stresskonzeptes. Krisen stellen life events dar, die als besonders tragisch oder problematisch erlebt werden und zu einem Ungleichgewicht zwischen psychischer Beanspruchung und vorhandenen psychischen und natürlichen sozialen Ressourcen. führen können. Eine Krise bedeutet nicht unbedingt eine psychische Störung, kann aber eine psychische Störung auslösen. 59 VO Klinische Psychologie/Intervention Die Krisenintervention soll dem Betroffenen helfen, das seelische und soziale Gleichgewicht wiederzuerlangen, bevor sich das Problem zu einer Störung verhärtet. Damit ist die Krisenintervention präventiv. Bei vorhersehbaren kritischen Lebensereignissen (z.B.: Pensionsantritt) können betroffene Personenkreise durch gezielte Maßnahmen bereits vor dem Eintreten der antizierbaren Belastung, auf den Umgang mit dem Ereignis vorbereitet werden. 5.6.1 Kriseninterventionsziele – und Mittel Wichtige Interventionsziele der Krisenintervention sind (1) Die Person psychisch zu stabilisieren (2) Spezifische Kompetenzen zu fördern (3) Verfügbare soziale Ressourcen zu mobilisieren bzw. die soziale Integration zu festigen - Stabilisierung der Person Das die Betroffenen das Ereignis als Entwicklungsaufgabe interpretieren können und Vorrausetzungen für die Bewältigung zur Verfügung zu stellen, sind Empathie, sicherheitsstiftende Maßnahmen und die Vermittlung neuer Sichtweisen, wesentliche Elemente der Krisenintervention. - Kompetenzförderung Die Kompetenzförderung umfasst je nach Vorrausetzung des Patienten und Ereignistyp spezielle Lernziele (z.B.: Im Verlustfall die Fähigkeit zu trauern). Diese Ziele sind personenorientiert und zielen auf eine Verbesserung der personeninternen Ressourcen ab. - Erschließung sozialer Ressourcen und soziale Eingliederung (evtl. in eine neue Umwelt Krisenintervention bezieht oft die soziale Umwelt des Patienten in die Hilfestellung ein mit ein. Dabei können Personen aus der näheren Umgebung Adressaten der Intervention sein, um ihr Hilfspotential unterstützenden ins Spiel zu bringen. 5.6.2 Ereignisbezogene Kriseninterventionskonzepte In unserer Kultur ist Scheidung beinahe „normativ geworden, deshalb gibt es eigene Interventionskonzepte, die den Betroffenen eine Vermittlung anbieten. Andere Interventionskonzepte wurden für die Bewältigung schwerer chronischer Krankheiten, Arbeitslosigkeit, Bewältigung der Elternschaft oder HIV Infizierte entwickelt. 60 VO Klinische Psychologie/Intervention 5.7Abgrenzung Krisenintervention von Therapie 1. sofortige Betreuung 2. Beziehungsaufbau 3. Fokus liegt auf der Aktuellen Problematik 4. das soziale Umfeld wird einbezogen 5. aktives Verhalten des Krisenberaters 6. Wissenschaftliche Fundierung und Evaluation von präventiven und gesundheitsfördernden Interventionsprogrammen 6.1 Fragestellungen Für die wissenschaftliche Fundierung von präventiven und gesundheitsfördernden Programmen ist ätiologisches (nomologisches Wissen) und Interventionswissen (technologisches Wissen) erforderlich. Für die Planung wissenschaftlich fundierter Präventionsprogramme muss bekannt sein, durch welche Bedingungen der zu verhindernde Zustand herbeigeführt bzw. begünstigt wird (Ätiologie) und durch welche Handlungen (Intervention) dieser Zustand unterbunden werden kann. z.B.: Man muss über Risikofaktoren für koronalen Erkrankungen, wie Übergewicht, Typ – A etc., welche physiologisch und biochemisch erklärt werden können, bescheid wissen (nomologisches Wissen) - Dies ist die Grundlage für die Planung spezifischer Interventionsprogramme. Damit dieses Verhalten beeinflusst werden kann, ist technologisches Wissen notwendig, welche durch die systematische Evaluation von Interventionsprogrammen zu gewinnen ist. Erst durch den Umfang des technologischen und ätiologischen Wissens ist eine wissenschaftliche Fundierung von spezifischer Prävention möglich. 6.2 Evaluationsziele und – typen Evaluationsziele: (1) Wirksamkeitsschätzung (am wichtigsten) (2) Akzeptanz der Programme durch die Betroffenen (3) Kosten – (Nutzen) – Analyse (4) Bewertung des Programms nach ethischen Standards bezüglich der Ziele und Methoden 61 62 VO Klinische Psychologie/Intervention Untersuchung der Wirksamkeit und eventuell der Kosten- Nutzen Relation entspricht einer summativen Evaluation. Rossi & Freeman oder Mittag & Jerusalem bei Präventionsprogrammen verschiedene Evaluationstypen: 1. Die antizipatorische Evaluation Ideenentwicklung und Absicherung der Konzepte Identifizierung der Probleme Festlegung der Programmziele Identifizierung der Risikogruppen Entwicklung des Interventionsprogramms 2. Die formative Prozessevaluation Programme sollen vorschriftsmäßig umgesetzt werden Auftretende Probleme erkennen und darauf reagieren 3. Die summative Evaluation Hauptarten der Evaluationsforschung Vor einer Maßnahme Während einer Maßnahme Nach einer Maßnahme Evaluation der Evaluation der Evaluation der Programmentwicklung Antizipatorische Evaluation Programmdurchführung Prozessevaluation Programmwirkung Ergebnisevaluation 6.3 Versuchsplanerische Aspekte/ Unterschiedliche Komplexität der Programme Normalerweise sind Interventionsstudien Feldexperimente, deren Aussagekraft durch geeignete Versuchspläne erhöht werden kann. Auch die Komplexität ein VO Klinische Psychologie/Intervention Faktor der die Evaluation beeinflusst, dabei zeichnen sich Programme mit geringerer Komplexität durch ihre kürzere Dauer aus (z.B.: Programme mit kürzerer Dauer im Bereich der HIV – Problematik). Je komplexer und längerfristiger präventive Programme angelegt sind (z.B.: Programme zur Optimierung von Erziehungseinstellungen und erzieherischen Verhaltensweisen), desto vielfältiger sind die Fehlerquellen für den Nachweis, das multiple Langzeiteffekte auf spezielle Faktoren eines Programms zurückzuführen sind. 7. Schlussbetrachtungen geringer Umfang an gesicherten ätiologischen Wissen Unklarheit was lebens – und entfaltungswichtige physikalische, soziale und kulturelle Grundgüter sind und wie sie mit individuellen Vorrausetzungen von Personen zusammenspielen In Bezug auf den Streit um die richtige Methodologie der empirischen Begründung von Programmen in Bezug auf ihre Wirksamkeit, geht dieser deutlich zugunsten der klassischen Evaluationsforschung aus (Sieg nach Punkten ) die auf der klassischen Evaluationsidee beruhenden Head – and start Programme, erweisen sich auch für komplexe Programme als nützliche Lerngrundlagen auf gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene, hat die Prävention wenige Strukturänderungen bewirkt Kapitel 22.1 22.1 Psychotherapie: Systematik 1. Was charakterisiert psychotherapeutische Methoden? Der Psychotherapiebegriff wird stärker für Interventionen bei Funktionsmustern (Syndromen) und bei interpersonellen Systemen verwendet. 63 VO Klinische Psychologie/Intervention 2. Gemeinsamkeiten in der Verlaufsstruktur 2.1 Phase der Veränderung beim Patienten Verlaufskonzept nach Prochaska, DiClemente und Norcross (1992) : (1) Phase ohne Problembewusstsein (Präkontemplationsphase) keine Absicht, das eigene Verhalten zu ändern – es besteht keine Krankheitseinsicht meist von der Umwelt zur Psychotherapie gebracht (2) Phase des Problembewusstseins (Kontemplationsphase) Patienten nehmen die Probleme wahr Vor – und Nachteile der Therapie wird abgewogen Noch keine Veränderungsbereitschaft (3) Phase der Entscheidung und Vorbereitung (Vorbereitungsphase) Patienten entschließen sich in naher Zukunft eine Therapie zu machen Umgebung spielt oft eine große Rolle für die Entscheidung (4) Handlungsphase Patienten investieren in die Veränderung Zeit, Geld und psychischen Aufwand (5) Aufrechterhaltungsphase Abschnitt nach der Therapie Patienten investieren in die Aufrechterhaltung des Erreichten Diesbezüglich können 4 Verlaufstypen unterschieden werden: 1. Stabiler Typus Patient verharrt für längerer Zeit in einer Phase 64 65 VO Klinische Psychologie/Intervention 2. Progressiver Verlaufstypus Lineare Bewegung von einem Stadium in das nächste 3. Regressiver Typus Patient fällt in ein früheres Stadium zurück 4. Recycling – Typus Patienten ändern die Veränderungsrichtung innerhalb der Therapie mindestens 2 mal 2.2 Strukturähnlichkeit in der zeitlichen Organisation der Psychotherapie den psychotherapeutischen Methoden teilen weitgehend eine elementare Strukturähnlichkeit in ihrer zeitlichen Organisation Die Veränderungsprozesse werden mehr oder weniger systematisch und kontinuierlich evaluiert und aufgrund der Evaluation wird das therapeutische Handeln korrigiert oder die Therapie abgeschlossen. Ablaufstrukturen von Psychotherapien Phase Ziele Mittel diagnostische Abklärung 1. Indikation Klärung der geeigneten Therapiemethode Medizinische oder psychologische Intervention? Aufklärung über die Therapie und Interview/Anamnese Persönlichkeitstests und klinische Tests Event. medizinische Untersuchungen Einwilligung (informed – consent) Wertschätzung & 2. Aufbau der therapeutischen Beziehung und Klärungsarbeit Rollenstrukturierung Empathie Bildung von positiven Klärung der Veränderungserwartungen Aufbau der therapeutischen Beziehung therapeutischen Spielregeln Therapeutischer Vertrag 66 VO Klinische Psychologie/Intervention Systematischer Kompetenzaufbau 3. Inszenierung des therapeutischen Lernens (Verhaltenstherapie) psychotherapeutischer Analyse und Erfahrung von Techniken Verhaltens - & Erlebensmotiven (Psychoanalyse) Restrukturierung des Selbstbildes (Gesprächstherapie) Psychodiagnostische Klärung der 4. Evaluation vor/nach Abschluss Einsatz spezieller Therapiezielereichung Sicherung der Generalisierung der Therapieergebnisse Formelle Beendigung des therapeutischen Verhältnisses Kontinuierliche Beobachtung und Evaluation des Therapieverlaufes Gespräch Diagnostische Verfahren Reduktion der therapeutischen Kontakte Einvernehmliche Abschlussvereinbarung Phasen in der Psychotherapie (1) Phase der Indikation Indikationsaussagen = Handlungsregeln, die angeben welche Maßnahmen unter den gegebenen Randbedingungen optimal sind (Struktur technologischer Regeln). Eingangsindikation legt den groben Handlungsrahmen fest Kontinuierliche Adaption der therapeutischen Einflussnahme ist aufgrund des dynamischen therapeutischen Prozesses nötig (adaptive Indikation) Die adaptive Indikation definiert den exakteren Handlungsablauf (2) Aufbau der therapeutischen Beziehung Im Rahmen der Rollenstrukturierung mit seiner Rolle als Patient vertraut machen Welche Spielregeln gibt es und welche Leistungen werden vom Therapeuten erwartet Eine vertrauensvolle Beziehung als Vorrausetzung für angstfreies therapeutisches Lernen und Unterstützung der Motivation und Compliance 67 VO Klinische Psychologie/Intervention (3) Inszenierung des therapeutischen Lernens therapeutisches Lernen ist ein Aufbau von relativ stabilen Verhaltensdispositionen und die Neuorganisation von kognitiven Strukturen aufgrund therapeutischer Erfahrung alle psychotherapeutischen Ansätze verschaffen dem Patienten eine Möglichkeit unter besonderen Bedingungen neue Beziehungserfahrungen zu machen und Feedback bezüglich des eigenen Verhaltens zu bekommen das bereitgestellte Lernarrangement ist in der Regel zielorientiert (4) Evaluation und Abschluss des therapeutischen Lernens Begleitung des therapeutischen Geschehens durch psychodiagnostische Prozesse Prozessdiagnostik besteht in der Kontrolle des therapeutischen Verlauf und Prüfung wie weit therapieprozessorientierte Ziele schon erreicht wurden Statusdiagnostik klärt wieweit die Makroergebnisse erreicht wurden Allgemeine Zielstrukturen von Psychotherapien (vgl. Orlinsky & Howard) Zieltyp Ziele für die Therapiesitzung (therapieprozeßbezogen) konkret & kurzfristig Mikroergebnisse Beispiele Erhöhung der Selbstexploration Verminderung der Angst beim Sprechen über tabuisierte Inhalte Instruktion einer Übung befolgen Konkrete, bisher gemiedene Alltagssituationen, nicht mehr meiden konkret & kurzfristig Makroergebnisse Global und langfristig Positives Selbstbild Angemessene Ichstärke Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit VO Klinische Psychologie/Intervention 3. Schulenübergreifende Grundmechanismen der Veränderung in Psychotherapien 3.1 Theorienübergreifende Mechanismen und Prozesse 4 theorienübergreifende Grundmechanismen der Veränderung (Grawe, 1997), die in allem psychotherapeutischen Lernen beteiligt ist: (1) Bewältigungskompetenz Fähigkeit des Patienten, die fehlenden, störungsspezifischen Bewältigungskompetenz aufzubauen. Dadurch, dass er adäquat mit Problemsituationen umgehen kann, ändert sich auch die „sekundäre Bewertung“ seiner Kompetenzen und die Selbstwirksamkeitserwartung wird erhöht. Bsp.: Expositionstherapie. (2) Klärung und Veränderung der Bedeutungen Veränderung der „primären Bewertung“ nach Lazarus. Z.B.: Veränderung der Einschätzung einer Situation als bedrohlich. (3) Problemaktualisierung Aktualisierung problematischer Erlebens – und Verhaltensmuster um optimale Lernbedingungen gestalten zu können und Erfahrungslernen zu ermöglichen. Bsp.: Psychodrama oder Interaktions – Rollenspiel. (4) Ressourcen –Aktivierung Mobilisierung patienteninterne Kräfte, um eine Veränderung in Gang zu setzen und zu stabilisieren. 4. Methodenübergreifende Therapiewirkung Erfolgreiche Behandlung und Therapie charakterisiert sich durch therapeutisches Lernen beim Patienten. Relativ methodenübergreifende Wirkungen der psychotherapeutischen Interaktion können wie folgt postuliert werden: (1) Auf der Prozessebene gestärkte Therapeutische Beziehung Stärkung der Hoffnung auf konstruktive Veränderungen beim Patienten Selbstexploration wurde erhöht 68 VO Klinische Psychologie/Intervention (2) Auf der Ergebnisebene a) Mikroergebnisse kleine Fortschritte durch einzelne Therapiesitzungen, die beim Patienten das Erleben und Verhalten im Alltag beeinflussen (postsession outcome) Diese kurzfristigen Ergebnisse bauen Makroergebnisse auf b) Makroergebnisse sind von längerfristiger Bedeutung und betreffen zentralere Strukturen der Person bei erfolgreichen Therapien wird hier eine Erhöhung der Selbstwirksamkeitserwartung und damit Erhöhung des Selbstwertes erwartet Patienten lernen ihre Umwelt neu zu interpretieren Howard, Lueger, Maling und Martinovich fanden in ihrer Studie zur Wirkung von Psychotherapie 3 Wirkungsgrößen: 1) Veränderung des Wohlbefindens 2) Symptomveränderung 3) Veränderung der Persönlichkeitsstruktur 5. Methodenübergreifende Therapeutenvariablen Therapeutenvariablen = Merkmale des Therapeuten, deren Ausprägung vermutlich in einem funktionalen Zusammenhang mit Prozess – und Ereignisvariablen der Patienten steht. Therapeutenvariablen a) Alter, Geschlecht, ethische Zugehörigkeit b) Therapeutische Beziehung und Erwartungen c) Persönlichkeitsmerkmale d) Erfahrungsvariable 69 70 VO Klinische Psychologie/Intervention abhängige es gibt von der Therapiesituation Merkmale unabhängige 6. Methodenübergreifende Patientenvariablen a) Attraktivität des Patienten b) Therapieerwartung c) Ausmaß der Defensivität d) Persönlichkeitsmerkmale e) Intensivität und Form der Störung 7. Methodenübergreifende Merkmale der Therapeut – Patient Dyade Methodenübergreifende Merkmale der Therapeut – Patient - Dyade charakterisieren die Aspekte der Beziehungsstruktur zwischen Helfer und Hilfesuchenden, die nur im Rahmen der Interaktion zu diskutieren sind. VO Klinische Psychologie/Intervention Merkmale der Therapeuten – Patienten – Dyade a) Die wechselseitige interpersonelle Attraktivität Ausmaß indem 2 Personen zueinander positiv eingestellt sind und inwieweit sie beide füreinander Belohnungswert besitzen b) Passung von Therapeuten – Patienten Merkmalen im Sinne von Ähnlichkeit oder Komplementarität von Persönlichkeitsmerkmalen c) Formale Merkmale der Therapeuten - Patienten Interaktion Das therapeutische Geschehen ist in ein umfassendes Setting integriert, das folgende Punkte umfasst: a) Kassenwesen b) Behandlungssetting c) Supervision 8. Methodenübergreifende institutionelle, soziale und soziokulturelle Kontextvariablen 1) Der Behandlungs – oder Psychotherapieprozess findet in einem institutionellen und organisatorischen Kontext statt, der die therapeutischen Rahmenbedingungen beeinflusst. So hat die ökologische und ökonomische Zugänglichkeit oder das Tarifniveau einer Institution Einfluss auf die Selektion der Patienten etc. 2) Der Therapieprozess ist auch vom sozialen Umfeld des Patienten abhängig – so haben Patienten mit einer unterstützenden Umwelt bessere Prognosen. 3) Auch sozio – kulturelle Faktoren beeinflussen den Therapieprozess. So beeinflusst die Sozialisation in der Subkultur die Wahl des Therapeuten, die Erwartungen des Patienten und die dem Therapeuten zugeschriebene Kompetenz. 71 72 VO Klinische Psychologie/Intervention 9. Systematik der psychotherapeutischen Behandlungsformen 9.1 Einteilung nach formalen Merkmalen 1) Anzahl der therapeutischen Interaktionspartner: Eine vs. mehrere Personen 2) Zeitfaktor: Langzeit vs. Kurzzeittherapie 3) Ort der therapeutischen Macht: Direkt, intermediäre Methoden, Selbsthilfemethoden a) Power to the therapist: Therapeut arbeitet direkt mit den Patient(en) zusammen b) Power to the Bezugspersonen mediator: Hilfestellung richtet sich an relevante c) Power to the person: Selbstorganisation des Hilfesuchenden und Abwesenheit des Experten 4) Beeinflussungsebene: intrapersonelle vs. Funktionen & Funktionsmuster vs. interpersonelle Systeme 9.2 Enteilung der Therapieformen nach theoretischen Ansätzen In der Praxis orientieren sich viele Psychotherapeuten an unterschiedlichen Konzepten, wobei auch in der Psychotherapieforschung eine schulenübergreifende Bemühung zu erkennen ist: a) Integration Unterschiedliche Ansätze sollen theoretisch verschmolzen werden. Dabei handelt es sich um einen allgemeinen Theorierahmen, der alle Handlungen abdeckt (bisher noch nicht realisiert) b) Eklektizismus Entspricht einer technologischen Position, bei der wirksame Elemente, ohne Rücksicht auf theoretische Kompatibilität herausgegriffen und kombiniert werden. VO Klinische Psychologie/Intervention c) Konzept der methodenübergreifenden Variablen Gemeinsame & spezifische Faktoren aller Psychotherapien 1) Patient geht zum Therapeuten 2) Patient bezahlt den Therapeuten 3) Patient bringt ein Anliegen vor 4) Erfolgserwartung 5) Konfrontation mit Problemen 10. Schlussbemerkungen Eine einheitliche Systematik der methodenorientierten Darstellung umfasst folgende Teile: (1) Einleitung, die auf das Gesundheits- und Krankheitskonzept und auf die Therapieziele Bezug nimmt (2) Interventionstechniken (3) Interventionsebenen (4) Wirksamkeit und Indikation (5) Erklärung der Wirksamkeit für den jeweiligen Ansatz 73 74 VO Klinische Psychologie/Intervention Kapitel 23 Psychologische Aspekte der Rehabilitation 1. Das System der Rehabilitation Rehabilitationspsychologie und die Rolle der 1.1 Die Begriffe „Behinderung“ und „Rehabilitation“ sowie Ziele der Rehabilitation In der WHO – Definition von Behinderung werden 3 Aspekte hervorgehoben: 1. der Schaden (impairment) ↓ 2. die funktionelle Einschränkung (disability) ↓ 3. soziale Beeinträchtigung (handicap) Rehabilitation = Bemühungen zu verhindern, dass eine Krankheit oder Behinderung zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der persönlichen, sozialen oder/und beruflichen Umstände führt. Für den Fall, dass dies nicht erreicht wird, sind die Auswirkungen auf die vorhin genannten Bereich zu minimieren. Als ein weiteres Ziel der Rehabilitation kann die soziale Integration des Kranken oder Behinderten genannt werden, wobei auch eine Veränderung der Umwelt bewirkt werden kann (z.B.: Rolli gerechte Zugänge zu öffentlichen Gebäuden). Rehabilitation betrifft folgende Teilbereiche einer Person Persönliche Bereiche Soziale Bereiche Berufliche Bereiche 75 VO Klinische Psychologie/Intervention Zeitachse Wie man sehen kann, gehen die Behandlung (B) und die Rehabilitation (R) ineinander über. Behandlungsansätze werden geringer, Rehabilitationsmaßnahmen werden mehr. B R 1.2 Das System der medizinischen, beruflichen und schulischen Rehabilitation Leistungsspektrum rehabilitativer Maßnahmen Medizinische Leistungen Bewegungs – oder Sprachtherapie Berufsfördernde Leistungen Hilfe zur Erhaltung/Erlangung des Arbeitsplatzes Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung Angemessene Schulbildung für Behinderte Ergänzende Leistungen Haushaltshilfen, Übergangsgeld (1) medizinischen Rehabilitation Großteil der Leistungen im stationären Bereich. Rehabilitative Maßnahmen wie Krankengymnastik, Kur etc. (2) berufliche Rehabilitation soziale und berufliche Ein – bzw. Wiedereingliederung von Kranken und Behinderten (3) schulische Rehabilitation Kritik am System der Rehabilitation 1. stark ausgeprägte Institutionalisierung des Rehabilitationswesens 2. zu spätes Einleiten von medizinischen und beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen 3. fehlen ambulanter rehabilitativer Maßnahmen VO Klinische Psychologie/Intervention 4. Unzureichend entwickelte Verbindungen zwischen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation 5. Fehlende Evaluation der rehabilitativen Maßnahmen 1.3 Kritik am gegenwärtigen System der medizinischen Rehabilitation aufgrund des Fortschrittes chronischer Krankheiten passt das sequentielle Modell nicht mehr zu den Anforderungen Systemeigenschaften schränken die Flexibilität ein Starke somatische Orientierung Mangelnde Bedarfsorientierung 1.4 Neuere Entwicklungen in der medizinischen Rehabilitation Initiativen zur Frührehabilitation, die sich vor allem in der Neurologie mit konkreten Modellen niedergeschlagen hat Entwicklung und Implementierung einer am Rehabilitationsbedarf orientierten Rehabilitationsdiagnostik Größere Vielfalt in der Dauer der einzelnen Reha – Maßnahmen Etc. 1.6 Psychosoziale Rehabilitation und Rehabilitationspsychologie Psychosoziale Rehabilitation = Wie kann die Person wieder am Leben teilhaben? die psychosoziale Rehabilitation verfügt über kein ausgebautes Netz institutioneller Einrichtungen Hauptaufgabe der psychologischen Rehabilitation (Witte, 1988) ist die Regelung des Verhältnisses zwischen dem Behinderten und seiner Umwelt. Durch psychologische Hilfen sind Selbstwertgefühl und Selbstsicherheit zu stärken sowie Möglichkeiten der Selbstverwirklichung zu vermitteln. Die Umwelten sind so zu verändern, dass der Behinderte in ihr einen optimalen Handlungs und Bewegungsraum findet. 76 77 VO Klinische Psychologie/Intervention Aufgaben für Psychologen im Gesamtprozess der Rehabilitation Phase 1. Akutphase Diagnose Inte Psychodiagnostische Psych Maßnahmen psychoth Ge Versch. Entsch psychodiagnostische Psychoth Aufgaben zur Planung der Maß weiteren Rehabilitationsmaßnahmen 2. Rehabilitationsvorbereitung & -findung Begleitende Diagnosen 3. Soziale & berufliche Rehabilitation Eingliederungshilfe mittels Diagnose und/oder Diagnosen 4. Phase der beruflichen und schulischen Rehabilitation 2. Ausgewählte Probleme einzelner Rehabilitation Zielgruppen in der 2.1 Frühförderung von Kindern mit angeborener Behinderung und Familien mit behinderten Kindern 2.1.1 Frühförderung Frühförderung beinhaltet: a) Früherkennung b) Spezielle Erziehung und Integration von Behinderten oder von einer Behinderung bedrohter Säuglinge und Kleinkinder Entscheidend ist hier die Entwicklungsdiagnostik, um etwaige Risikofaktoren auszumachen Frühbehandlung behinderter Kinder hat das Ziel Entwicklungsstörungen zu normalisieren oder die Symptomatik zu lindern Vorsorgeuntersuchung und ärztliche Behandlung etc. Ärztliche Frühbetreuung Therap VO Klinische Psychologie/Intervention Krankengymnastik 78 Förderung sensumotorischer Fähigkeiten und Behandlung cerebraler Bewegungsstörungen Psychologische Betreuung Psychotherapeutische Behandlung psychopathologischer Störungen des Kindes; Eltern – und Familienarbeit Information und Unterstützung bei sozialrechtlichen Sozialarbeit Kenntnissen (Sozialhilfe, Erwerbsfähigkeit etc.); Logopädie: Bei hörbehinderten Kindern und bei Störungen oraler Heilpädagogische Übungsbehandlung Funktionen Pädagogische Frühbetreuung Behinderter Kinder 2.1.2 Schwierigkeiten der Kinder mit behinderten Kindern Erste Leistung ist die Verarbeitung der Diagnose Bedeutsamkeit des Trauerprozesses, da erst darauf aufbauend die Eltern eine emotionale Bindung zu behinderten Kind aufbauen können Psychosoziale Auswirkungen sind zum einen die praktische Pflege und Versorgung des Kindes und die zusätzlichen finanziellen Belastungen aufgrund der Sondermaßnahmen Größte Belastung der Familien besteht in wiederkehrenden Krisen 2.2 Prozesse der Krankheitsverarbeitung bei chronisch körperlich Kranken Chronisch körperlich Kranke sind die Hauptzielgruppe der Rehabilitation und somit auch der klinisch – psychologischer Tätigkeit Alle chronischen Krankheiten sind durch einen länger dauernden Krankheitsprozess, bei dem Heilung oder eine vollständige Beseitigung der Krankheit nicht möglich ist gekennzeichnet ist Stellt die Krankheitsverarbeitung eine eigene Kategorie von Coping dar? Nicht wirklich, weil Coping – Strategien im Alltag und bei Krankheit verwendet werden. Krankheitsverarbeitung stellt in diesem Sinne eine Copingstrategie dar, die auf die Krankheit bezogen ist – also keine eigene Kategorie darstellt. 2.2 1 Begriffsbestimmung und Definition der Krankheitsverarbeitung VO Klinische Psychologie/Intervention Krankheitsverarbeitung = Bemühen, durch die Krankheit bereits bestehende oder zu erwartende Belastungen innerpsychisch oder durch zielgerichtetes Handeln zu reduzieren, auszugleichen oder zu verarbeiten. Die Bewältigung einer Krankheit kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen: a) Kognitiv b) emotional c) handlungsbezogen Im Sinne von subjektiven Krankheitstheorien spielen auch Einstellungen und Haltungen eine zentrale Rolle. Krankheitsbewältigung ist ein komplexer Prozess, der durch die Interaktion von subjektiven und situativen Faktoren geprägt ist. Hier ist die individuelle Einschätzung der internen und externen Belastungen zentral für die Wahl der Verarbeitungsformen. In der Regel werden mehrere Bewältigungsstrategien simultan oder nacheinander angewandt. Je nach Krankheitsphase setzt das Individuum unterschiedliche Bewältigungsstrategien ein. Kapitel 24 Psychopharmakologie 1. Einteilung der Psychopharmaka Psychopharmaka sind Medikamente die auf das Verhalten und Erleben wirken und aufgrund dieser psychotropen Wirkung, als therapeutisches Mittel eingesetzt werden. Man unterscheidet derzeit folgende Klassen von Psychopharmaka: (1) Neuroleptika (Antipsychotika) Behandlung von Schizophrenie und Unruhezuständen bei anderen psychischen Störungen (2) Antidepressiva Behandlung von Depressionen Subunterteilung in Stimmungsausgleicher und Stimmungsanreger Auch Lithium zählt dazu (3) Tranquilizer Behandlung von Angststörungen und Spannungszuständen 79 VO Klinische Psychologie/Intervention Sie sind im engeren Sinn Beruhigungsmittel und im weiteren Sinne Schlafmittel (4) Stimulantien sind antriebs – und leistungssteigernde Medikamente 2. Nebenwirkungen von Psychopharmaka Psychopharmaka haben ein Wirkungsspektrum, mit erwünschten und unerwünschten Wirkungen. Diese unerwünschten Wirkungen werden oft als Nebenwirkungen bezeichnet, was aber eine irrige Definition ist, die nicht zutrifft. Wirkungsspektrum von Psychopharmaka - + Antidepressiva: Motorische und vegetative „Nebenwirkungen“ die abhängig machen können Tranquilizer und Hypnotizer: Abhängigkeitsgefahr Stimulantien: Frage des der Gefahr einer Abhängigkeit 3. Neuroleptika 3.1 Klinische Wirkung und Anwendung Neuroleptika sind dämpfende Medikamente, die gegen starke Angst und innere Unruhe, psychomotorische Erregung und schwere Schlaflosigkeit eingesetzt werden. Diese Zustände treten auf bei: 80 VO Klinische Psychologie/Intervention Schizophrenie (vor allem Katatone und paranoide Schizophrenie) Manien Psychotische Syndromen aufgrund hirnorganischer Störungen Depressionen Neuroleptika heben sich von Tranquilizers und Schlafmittel folgendermaßen ab: a) wirken nicht muskelrelaxierend b) wirken auch in höheren Dosen nicht narkotisch 3.2 Terminologie und Vielfalt von Neuroleptika Markennamen Sie werden von der Herstellerfirma festgelegt und sind als Markenzeichen geschützt. Freinamen/generic names Geben Hinweise auf die chemische Struktur 3.3 Unterschiede zwischen verschiedenen Neuroleptika Warum gibt es so viele Präparate und Gegenpräparate? a) Kommerzielle Gründe b) Patienten variieren interindividuell Ein Medikament setzt nicht an der Ätiologie, sondern an der Symptomatik an – z.B.: ein Neuroleptika dämmt die Schizophrenie, heilt sie aber nicht. Deshalb erfordern manche Störungen eine Dauermedikation. 3.3.1 Pharmakokinetik Pharmakokinetik = Studium der Bewegung des Pharmakons Medikamente werden abhängig von der chemischen Struktur, der galenischen Zubereitung (Spritze, Kapsel etc) und den Verhältnissen im menschlichen Körper unterschiedlich aufgenommen, verteilt, abgebaut und ausgeschieden. Der Übertritt in das Hirn über die Blut – Hirn – Schranke sowie die Bindung an die relevanten Rezeptoren ist von der chemisch – physikalischen Eigenschaften der Moleküle abhängig. Das Zusammenspiel dieser und weiterer Faktoren erklärt, warum Neuroleptika unterschiedlicher chemischer Struktur, Milligramm für Milligramm 81 82 VO Klinische Psychologie/Intervention ungleich stark wirksam sind und Wirkungsmerkmale unterscheiden. sich auch in Bezug auf zeitliche 3.3.2 Pharmakodynamik Neuroleptika unterscheiden sich auch in Bezug auf ihr pharmakologisches und klinisches Wirkungsprofil. Man unterscheidet: a) stark dämpfende Neuroleptika b) Initial schlafanstoßende Neuroleptika c) Neuroleptika deren schlafanstoßende Wirkung schwächer ist Stark dämpfende, initial schlafanstoßende Präparate führen vor alle bei hoher Dosierung zu verschiedenen Nebenwirkungen: a) vegetativen Störungen (Blutdruckabfall, Veränderung der Herz- muskeltätigkeit) b) Schwitzen c) Trockener Mund d) Störung der Sexualfunktion Bei stärker psychotisch wirkenden Neuroleptika kommt es zu: a) Störungen der Motorik (Dyskinesien) b) Medikamentösen Parkinsonoid c) Spätdyskinesien nach Langzeitmedikamentation Unabhängig vom Wirktypus können Neuroleptika auch unerwünschte hormonelle Veränderungen bewirken (Erhöhung des Prolactinspiegels). Atypische Neuroleptika sind Medikamente starker antipsychotischer Wirkung und eventuell auch Wirksamkeit bei therapieresistenten Patienten. Atypische Neuroleptika verfügen nicht über die typischen motorischen Nebenwirkungen der typischen antipsychotischen Neuroleptika. 4. Antidepressiva VO Klinische Psychologie/Intervention 4.1 Klinische Wirkungen und Anwendungen Antidepressiva werden aufgrund ihrer stimmungsaufhellenden Wirkung gegen Depressionen verschrieben. Ihre Wirkung ist krankheitsspezifisch, da sie bei Gesunden ihre Wirkung nicht entfalten. Kein Sucht – oder Missbrauchspotential 4.2 Die bekanntesten Antidepressiva Klinisch & pharmakologisch kann unterschieden werden in: a) initial dämpfende, antriebsneutrale Antidepressiva b) antriebssteigernde Antidepressiva die sich in ihrem Spektrum unerwünschter Nebenwirkungen unterscheiden. Initial dämpfende Antidepressiva vor allem bei Depressionen mit ängstlich – agitierte Symptomatik und wirken beruhigend und schlaffördernd. Sie entfalten ihre stimmungsaufhellende Wirkung erst später. Schwach dämpfende oder gar antriebssteigernde Antidepressiva werden verschrieben, wenn eine Sedierung des Patienten nicht angezeigt oder unerwünscht ist. Häufige Nebenwirkungen älterer Antidepressiva (besonders beim sedierenden Typus) 1) Mundtrockenheit 2) Akkomodationsstörungen der Augen 3) Verstopfungen 4) Potenzstörungen bei Männern 5) Vermehrtes Schwitzen und Herzklopfen Neuere Antidepressiva mit spezifischeren Wirkmechanismus 1) Übelkeit 2) Appetitlosigkeit 3) Kopfschmerzen 4) Sind bei Überdosierung weniger toxisch 83 VO Klinische Psychologie/Intervention 4.3 Wirkmechanismen der Antidepressiva fast alle antidepressiv wirkenden Präparate erhöhen im Gehirn funktionell verfügbare biogene Amine (Noradrenalin, Serotonin & Dopamin) ältere Antidepressiva wirken zentral und peripher anticholinerg eine neue Gruppe von Antidepressiva (SSRI´s = selektive Serotonin – Wiederaufnahmehemmer) wurden aufgrund der SerotoninmangelHypothese entwickelt 4.4 Lithium Präventives Mittel Einsatz bei bipolaren Störungen Als Dauermedikamentation Lithium dient auch als Phasenunterdrücker: Die Intervalle zwischen den depressiven Episoden werden länger und die depressiven Phasen werden abgeschwächt oder bleiben ganz auf Lithium ist besser verträglich als viele Antidepressiva, aber auch nicht völlig frei von Nebenwirkungen Bewährtes und gängiges Mittel Nebenwirkungen von Lithium 1) Feiner Tremor (vor allem zu Beginn der Behandlung) 2) Übelkeit 3) Völlegefühl und Durst 4) Vermehrte Urinausscheidung 5) Gewichtszunahme 5. Tranquilizers und Schlafmittel 84 VO Klinische Psychologie/Intervention 5.1 Klinische Wirkung und Anwendung Tranquilizers haben eine beruhigende, entspannende und angstlösende Wirkung und werden bei Unruhe-, Angst- und Spannungszuständen aller Art angewendet. Die heutigen Tranquilizer stammen weitgehend aus der Gruppe der Benzodiazipine und zeichnen sich durch eine geringe Toxizität und gute Verträglichkeit aus. Anwendung a) neurotischen Störungen b) vegetativen Störungen c) psycho – somatischen Störungen und Epilepsie Viele der derzeit verwendeten Schlafmittel oder Hypnotizer stammen aus der Klasse der Benzodiazipine. Sie unterscheiden sich von den Tranquilizers in Bezug auf ihre zeitliche Wirkung: Die Wirkung setzt rasch ein und klingt nach wenigen Stunden ab. 5.2 Abhängigkeit von Benzodiazipinen Aufgrund der wenigen, subjektiv kaum wahrgenommen Nebenwirkungen, besteht bei den Tranquilizers eine gewisse Missbrauchstendenz. Länger anhaltender Gebrauch von Benzodiazipinen führt zu psychischer Abhängigkeit. Bei monate – oder jahrelangem Missbrauch erfolgen oft Entzugssymptome (Unruhe, Schlafstörungen, etc.) die für eine körperliche Abhängigkeit sprechen. 5.3 Wirkmechanismen der Benzodiazipine Die beruhigende, entspannende Wirkung der Tranquilizer wird auf die Wirkung der Benzodiazipin – Moleküle an GABAergen Rezeptoren zurückgeführt. GABA (Gamma – Aminobuttersäure) ist mengenmäßig beim Menschen der am weitesten verbreitete erregungshemmende Neurotransmitter. Benzodiazipine erhöhen die Empfindlichkeit der postsynaptischen GABA – Rezeptoren, sodass der freiwerdende präsynaptische Transmitter eine stärkere bzw. länger anhaltende postsynaptische Hemmung auslöst. 85 VO Klinische Psychologie/Intervention Benzodiazipine Erhöhen die Empfindlichkeit postsynaptischer GABA – Rezeptoren freiwerdender präsynaptischer Transmitter löst eine stärkere bzw. länger anhaltende postsynaptische Hemmung aus 6. Stimulantien und Nootropika 6.1 Klinische Wirkung und Anwendung Stimulantien sind anregende Medikamente die Erschöpfungszustände und Gefühle der Müdigkeit verhindern oder vorübergehend unterdrücken können. Sie fördern die Aufmerksamkeit, Konzentration und Unternehmenslust wobei sich ein Gefühl ausgeprägten Wohlbefindens bzw. bei größeren Dosen Euphorie einstellen kann. Aufgrund des Missbrauches in Sport (Doping) und im Drogenmilieu, werden sie heute nur mehr selten verwendet. Ein wesentlicher Nachteil ist, dass diese Substanzen bei wiederholtem Gebrauch rasch an Wirkung verlieren, was zu einer Dosissteigerung führt. Beim Absetzen kann das zu einem Entzugssyndrom führen (unüberwindliche Schläfrigkeit, Lethargie oder auch Depressionen). Therapeutisch werden Stimulantien beim hyperkinetischen Syndrom von Kindern oder bei Narkolepsie eingesetzt. Bei geringer Dosierung führen die Stimulantien zu einer Linderung und bei richtiger Dosierung erschöpft sich auch langfristig die Wirkung nicht. 6.2 Wirkungsmechanismen der Stimulantien Verstärkung der katecholaminergen Neurotransmission, durch ein temporäres Überangebot von Noradrenalin und Dopamin an den entsprechenden Synapsen Noradrenalin und Dopamin werde vermehrt aus den präsynaptischen Speichern in die Synapsen freigesetzt Für das Stimulans Methylphenidat wird zusätzlich noch eine Hemmung der Wiederaufnahme der freigesetzten Katecholamine angenommen 86 87 VO Klinische Psychologie/Intervention 6.3 Wirkung und Anwendung von Nootropika Nootropika werden für Aufmerksamkeits – Gedächtnis- und kognitiven Störungen bei älteren Menschen verwendet. Verwendung von Nootropika bei Alzheimer Patienten Symptomatik Alzheimerverlauf Stimulantien halten den Verlauf für eine weile an Man bemerkt die Erkrankung Zeitachse