1 Zusammenfassung Dieses Skript gibt einen Einblick in das Wesen und die Grundzüge der heutzutage am häufigsten angewandten Psychotherapien. Darüber hinaus versuche ich die wichtigsten Begrifflichkeiten in Bezug auf Psychotherapien zu erläutern und allgemeine Grundfragen zu klären. Allgemeine Fragestellungen wie „Wie wirken Psychotherapien?“ oder „Was ist die beste Psychotherapie?“ sollen erläutert werden. II Einleitung ...................................................................................................... 1 Unterscheidung der Begriffe.......................................................................... 2 Therapie-Begriffe ...................................................................................... 2 Therapeuten-Begriffe ................................................................................ 7 Psychische Krankheiten ................................................................................ 9 Die Psychotherapien ................................................................................... 13 Vielfalt ..................................................................................................... 13 Ausgewählte Psychotherapien ................................................................ 14 Tiefenpsychologische Therapien ............................................................. 17 Psychoanalyse .................................................................................... 17 Verhaltenstherapien ................................................................................ 22 Die rational-emotive Verhaltenstherapie (REVT) ................................ 25 Humanistische Therapien........................................................................ 28 Gesprächspsychotherapie ................................................................... 28 Systemische Therapien ........................................................................... 33 Ausgewählte Methoden ........................................................................... 33 Fazit ............................................................................................................ 34 Literaturverzeichnis ..................................................................................... 36 III Einleitung Es gibt eine Vielzahl von Psychotherapien. Bekannt sind in Deutschland vor allem diejenigen, die von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden: Verhaltenstherapie und Psychoanalyse. Auf die Abgrenzung der Begriffe gehe ich später noch genauer ein. Interessanterweise werden in unseren Nachbarländern Österreich und Schweiz für eine Vielzahl mehr an Psychotherapien die Gebühr von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Als die für dieses Skript, und damit auch für die zugehörige Präsentation, relevanten Psychotherapien habe ich mich zusätzlich für die Gesprächspsychotherapie entschieden, da diese bis 1998 von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wurde und somit auch eine weite Verbreitung fand. 1 Unterscheidung der Begriffe Therapie-Begriffe Im alltäglichen Sprachgebrauch benutzen wir die Begriffe „Therapeut“ und „Therapie“ ziemlich allgemein gültig, ohne sie weiter auszudifferenzieren. Für die vorliegende Arbeit ist es jedoch notwendig, einige Begriffe auseinander halten zu können. Beginnen wir also mit einer verständlichen, nicht all zu sehr ins Detail gehenden, Unterscheidung der wichtigsten Begriffe. Was ist die Psychoanalyse? Die Psychoanalyse geht auf Sigmund Freud zurück und beinhaltet wohl das ureigenste Bild, das viele Menschen von einer Psychotherapie haben: Der Klient liegt auf der Couch und erzählt; hinter ihm sitzt der Psychoanalytiker, macht sich Notizen und versucht, einen tieferen Einblick in das Seelenleben des Klienten zu erlangen. Er analysiert sozusagen die Worte des Klienten, um seine Psyche zu verstehen. Dabei stehen die unbewussten seelischen Vorgänge im Zentrum der Betrachtung, da diese unbewussten Vorgänge zum Erleben und Verhalten von Menschen führen. Tatsächlich ist dieses Bild richtig und soll jetzt erstmal nicht weiter erläutert werden. Sehen wir nun im Gegensatz dazu andere geläufige, aber oft schwer greifbare, Begriffe bezüglich Psychotherapien. 2 Was ist die Tiefenpsychologie? Die Tiefenpsychologie wurde von Siegmund Freuds Zeitgenossen synonym für die Psychoanalyse verwendet, da man in beiden Ansätzen tief in die Psyche des Menschen blickt, um diese zu erforschen und eventuelle Spannungen zu lösen. Mit der Zeit entwickelte sich die Tiefenpsychologie dann als Oberbegriff für alle Ansätze, die die unbewussten seelischen Vorgänge zur Erklärung des Erlebens und Verhaltens der Menschen verwendeten. Heute kann man also Tiefenpsychologie als Oberbegriff für die „Psychoanalyse“, die „Analytische Psychologie“ des Freud-Schülers C. G. Jung und die „Individualpsychologie“ ebenfalls des Freud-Schülers Alfred Adler ansehen. Was ist der Unterschied zwischen Psychoanalyse und Tiefenpsychologie? Die unterschiedliche Genese der beiden Begriffe haben wir jetzt angerissen. Zurück zu unserem Thema „Psychotherapien“: In der heutigen psychotherapeutischen Praxis ist der Hauptunterschied das unterschiedliche therapeutische „Setting“ – also die räumliche Anordnung der relevanten Objekte und Subjekte während einer Psychotherapiesitzung. Wie schon erwähnt, sitzt der Psychotherapeut während einer Psychoanalyse hinter dem Klienten, während dieser erzählt, was in seinem Kopf vor sich geht. Dieses Setting hat den Sinn, dass der Klient seine ganze Aufmerk- 3 samkeit auf sein Inneres richten kann und so wenig wie möglich durch den Therapeuten beeinflusst wird. Bei allen anderen Settings sitzen sich Klient und Therapeut gegenüber – so auch bei der Tiefenpsychologie; oder besser gesagt, bei der „tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie.“ Was ist die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie? Die Erklärungskraft einer reinen Psychoanalyse ist heute umstritten und strengt den Klienten an. Der Klient muss die ganze Zeit seine Gedanken aussprechen und bekommt kaum eine Reaktion vom Therapeuten zurück. Außerdem ist nicht jeder Klient für ein psychoanalytisches Setting geeignet. So z. B. Klienten, die nicht alles von sich preisgeben wollen, weil sie sich ihrer Gedanken oder Gefühle wegen schämen. Also gingen die Psychotherapeuten dazu über, das therapeutische Setting in Richtung „Gegenübersitzen“ zu ändern, die Themen des Klienten aufzugreifen und gezielt nachzufragen, um die Gedankengänge des Klienten besser nachzuvollziehen oder in bestimmte Richtungen zu lenken. Währenddessen machten sie sich Notizen und versuchen weiterhin das Erleben und Verhalten mittels unbewusst ablaufender Prozesse zu erklären und dem Klienten evtl. bewusst zu machen. Eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie schließt jedoch nicht ein „psychoanalytisches Setting“ aus. Zeitweise kann auch hier die Methode der Psychoanalyse angewandt werden; in selteneren Fällen besteht sogar heute noch der gesamte Therapieverlauf aus Psychoanalyse. Auch werden eine ganze Reihe weiterer Techniken angewandt – dazu später mehr. 4 Wenn man heute eine Psychotherapie beginnt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Therapeut eine „tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“ anwendet. Eine weitere, oft verwendete, Therapieform ist die Verhaltenstherapie. Was ist die Verhaltenstherapie? Pauschal gesagt versucht die Verhaltenstherapie, das Erleben und Verhalten von Menschen mittels bestimmter Werkzeuge und Wirkprinzipien in die richtigen Bahnen zurückzulenken. Als Grundlage dienen der Verhaltenstherapie dabei das „Klassische“ und das „Operante Konditionieren“: Wenn ein Klient bspw. Angst vor Spinnen hat, wird er der Konfrontation mit der Spinne ausgesetzt, während in ihm jedes Mal positive Gefühle erzeugt werden, z. B. mit Glückwünschen. Mit der Zeit verbindet er die Spinne mit positiven Gefühlen und verliert seine Angst. Der Vorteil von Verhaltenstherapien bestand darin, durch Anwendung und Auswertung der Methoden die Psychotherapie messbar machen zu können. Für jede psychische Störung1 wurde jetzt eine spezifische Methode angewandt. Diese Standardisierung verlieh der Verhaltenstherapie eine klare Struktur, machte sie leicht verständlich und gewann ihr somit viele Anhänger. 1 Wenn ich von „psychischer Störung“ rede, meine ich damit jede kleinere, unspezifi- sche psychische Erscheinung, die auch für Laien auffällig „negativ“ ist. Mit „psychischer Krankheit“ meine ich die manifeste, diagnostizierte Störung des Erlebens und Verhaltens, die therapiebedürftig ist. 5 Da psychische Beeinträchtigungen jedoch ein hohes Maß an Variabilität aufweisen, konnte man niemals für jedes Leiden die passende Methode anwenden. Also entwickelte sich auch die Verhaltenstherapie etwas weiter weg von diesem „mechanistischen“ Menschenbild und bietet heute sowohl kognitive als auch emotionale Methoden an. Was ist die Gesprächspsychotherapie? Die Gesprächspsychotherapie war bis 1999 eine ziemlich verbreitete Therapieform, bis im selben Jahr das Psychotherapiegesetz regelte, dass diese Therapie nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden musste. Der Grundgedanke der Gesprächspsychotherapie ist im „humanistischen“ Menschenbild zu suchen: Das wahre Wesen den Menschen soll ergründet werden. Dabei soll es dem Menschen wohl ergehen und die Weiterentwicklung jedes Einzelnen zum Wohle der Gesellschaft soll gewährleistet sein. Diese positiven Assoziationen mit dem „Mensch-Sein“ griff die Gesprächspsychotherapie auf und stellte den Menschen und sein Wohlergehen in den Mittelpunkt des Geschehens: Der Therapeut vermittelt dem Klienten zu jeder Zeit, dass dessen Gefühle und Gedanken akzeptiert werden, dass er alles aussprechen kann, was er möchte und dass nichts davon bewertet wird. Dadurch merkt der Klient, dass seine Gefühle nichts Schlimmes sind, er sie zulassen kann und lernt somit, sie besser wahrzunehmen. Dadurch weiß er bald besser, wann welches Gefühl aufkommt und lernt, förderliche von fatalen Situationen für sein Gefühlsleben zu unterscheiden. Er hat nun die Grundsätze wiedererlangt, sein Gefühlsleben positiv zu entwickeln und alles Schlechte in ihm zu erkennen, neu zu bewerten und abzulegen. 6 Therapeuten-Begriffe Was ist der Unterschied zwischen Psychiater und Psychologe? Was ist ein Psychiater? Ein Arzt, der nach seinem Medizinstudium eine entsprechende Facharztausbildung im psychologischen Bereich absolviert hat. Nach der psychologischen Zusatzausbildung darf ein als Psychotherapeut Menschen behandeln. Er darf (als Arzt) auch Medikamente verschreiben, die die Behandlung des Patienten während der Psychotherapie unterstützen können. Was ist ein Psychologe? Ein Diplom-Psychologe, der sein Studium erfolgreich abgeschlossen hat. Er darf jedoch (noch) nicht als Psychotherapeut tätig sein. Was ist ein psychologischer Psychotherapeut? Ein Diplom-Psychologe, der nach seinem Psychologiestudium eine Psychotherapeutenausbildung durchlaufen hat. Er muss jedoch im Hauptstudium „Klinische Psychologie“ erfolgreich absolviert haben. Die Psychotherapeutenausbildung dauert etwa doppelt so lange wie die psychologische Facharztausbildung für Ärzte, weshalb ein „psychologischer Psychotherapeut“ auch eine breitere praktische und theoretische Wissensbasis bezüglich der Psychotherapie hat. Was ist ein Psychotherapeut? Als Psychotherapeut wird allgemein jeder gesehen, der Psychotherapien anbietet. Außer dem Psychiater und dem psychologischen Psychotherapeu- 7 ten dürfen noch Kinder- und Jugendtherapeuten und Heilpraktiker für Psychotherapie als Psychotherapeuten tätig sein. 8 Psychische Krankheiten2 Grundlegende Erscheinung Eine psychische Krankheit ist häufig nicht eindeutig: Das bedeutet, dass man nicht sagen kann, Patient A. hat Krankheit X und Patient B. hat Krankheit Y. Ob eine psychische Krankheit wirklich besteht, hängt von mehreren Faktoren ab; die subjektive Empfindung spielt dabei eine Rolle oder die Heftigkeit der Abweichung vom Normalverhalten. Wenn bspw. einem Patienten Depressionen diagnostiziert werden, er sich aber nicht danach fühlt, wo ist da die Grenze zum tatsächlichen Bestehen der Krankheit? Oder was legt man als Maßstab für Normalverhalten an – ist es normal, wenn man sich so verhält wie alle Anderen oder ist das schon eine Störung des Selbstbewusstseins und sind eigentlich nur die Extravaganten stabil genug als Maßstab für Normalverhalten? Eine psychische Krankheit liegt eher auf einem Kontinuum - einem stufenlosen Übergang also - zwischen „keine Auffälligkeiten“ und „heftige Auffälligkeiten“. Eine psychische Krankheit ist häufig nicht ausschließlich: Das heißt, dass eine psychische Krankheit nicht selten in Verbindung mit weiteren psychi2 Die neuere Entwicklung geht dahin, dass man anstatt des Begriffes „psychische Krankheit“ den Begriff „psychische Störung“ verwendet, um eine Stigmatisierung der Betroffenen zu minimieren. Meiner Meinung nach wird jedoch der Begriff „psychische Störung“ von Menschen als schwerwiegender empfunden, weshalb ich bei der alten Begriffsbezeichnung bleibe. Auch bin ich der Meinung, dass man generell mehr Dinge beim Namen nennen sollte und die euphemistischen Tendenzen übertrieben werden. 9 schen Störungen auftritt. Die Symptome, die sich dadurch miteinander vermischen, erschweren eine eindeutige Diagnose einer bestimmten Krankheit erheblich, wenn sie sie nicht sogar unmöglich machen. Auf dem Kontinuum liegt nun also irgendwo mittendrin der Patient und seine Symptome können auch von anderen Störungen herrühren. Wie bewertet man ihn also? Ab wann ist er gesund oder krank? Oder diagnostiziert man ihm gleich mehrere psychische Krankheiten? Diagnose Ab wann gilt eine psychische Beeinträchtigung als Krankheit und sollte therapiert werden? Generell kann man sagen, dass eine therapiebedürftige, psychische Krankheit dann vorliegt, wenn das durch die psychische Beeinträchtigung hervorgerufene Erleben oder Verhalten erheblich von der Norm abweicht oder der Betroffene den Leidensdruck als nicht mehr erträglich wahrnimmt. Die Diagnose einer psychischen Krankheit kann nur durch einen psychologischen Psychotherapeuten oder Psychiater (manchmal auch zugelassenen Arzt) erfolgen. Es gibt Psychotherapeuten, die eine Diagnose erst nach einigen Sitzungen stellen. Das macht ja auch Sinn, da die Psyche des Klienten erst nach einer bestimmten Zeit einigermaßen zuverlässig eingeschätzt werden kann. Andere Psychotherapeuten benutzen standardisierte oder strukturierte Interviews, um eine psychische Krankheit zu diagnostizieren. Hierzu werden Tests wie DIPS und CIDI eingesetzt. Der Cidi ist übrigens der weltweit am 10 meisten eingesetzte Test, da er offiziell von der WHO zur Diagnose psychischer Krankheiten (nach ICD-103 und DSM-IV4) empfohlen wird. Klassifikation Die Klassifikation psychischer Krankheiten nach ICD-10 oder DSM-IV hat den Vorteil, dass man klare, allgemein verständliche Begriffe für psychische Störungen hat und die Informationen über die psychische Krankheit sinnvoll reduziert werden. Ein großer Nachteil einer Klassifikation ist aber genau diese Informationsreduktion, wodurch nun mal auch ein Informationsverlust entsteht. Die qualitative (ausführlich auf den Einzelfall bezogene) Beschreibung eines Patienten wird verhindert: Die für eine spezifische psychische Krankheit atypischen Symptome, die beim Patienten jedoch trotzdem auftreten können, werden „unter den Teppich gekehrt“. Oder dem Patienten werden laut Definition seiner Krankheit (nach ICD-10 oder DSM-IV) irgendwelche Symptome „angedichtet“, die er eigentlich gar nicht aufweist. Ein weiterer Nachteil einer Klassifikation kann die Stigmatisierung eines Menschen mit einer psychischen Störung nach sich ziehen. Besonders fatal könnte so eine Stigmatisierung bei einer Fehldiagnose wirken (vgl., Mayer, 2008): Der Mensch wird als (vermeintlich) psychisch gestörter Mensch auch dementsprechend von seinem Umfeld behandelt und gemäß der „self- 3 ICD = International Classification of Diseases. Hier werden alle Krankheiten ver- schlüsselt aufgelistet. Die „10“ bedeutet, dass die ICD-10 die zehnte Revision dieses Kataloges ist. 4 DSM = Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. 11 fulfilling prophecy“ eben durch diese veränderte Behandlung erst psychisch krank oder zumindest werden dadurch die „grundlegenden Schienen“ in die entsprechende Richtung erst gelegt. 12 Die Psychotherapien Um über eine bestimmte Psychotherapie zu sprechen oder zu schreiben, muss man wissen, was ihr grundlegendes Konzept beinhaltet. In diesem Rahmen ist für die Leser bzw. Zuhörer besonders interessant, wie die jeweilige Therapie psychische Krankheiten angeht und evtl. heilt. Um aber verstehen zu können, wie so eine Heilung im Menschen abläuft, muss man wissen, wie die Psyche des Menschen aussieht und funktioniert; dazu muss man die Theorien hinter den jeweiligen Therapiemethoden studieren, die erklären, wie der Mensch nach der jeweiligen Therapie funktioniert. Vielfalt Es gibt eine unüberschaubare Anzahl von Psychotherapien. Die bekannten Psychotherapien findet man in Listen wieder, wo sie auf verschiedene Weise eingeteilt werden. Man muss aber unter wirklichen Psychotherapien und Behandlungsmethoden unterscheiden. Dann gibt es noch Formen, die beides sein können. Die Psychoanalyse kann eine eigene Psychotherapie sein, kann aber auch als Methode innerhalb einer anderen Psychotherapie angewandt werden; genauso wie die Musiktherapie usw. Ganz deutlich erkennt man die Form der Psychotherapie bei der Verhaltenstherapie, der tiefenpsychologisch fundierten Gesprächstherapie und der Gesprächspsychotherapie. In diesen 3 Psychotherapien können eine Vielzahl von den Methoden angewandt werden, die ich auszugsweise am Ende dieser Arbeit für den interessierten Leser erläutert habe. 13 Ausgewählte Psychotherapien Im Folgenden werde ich explizit auf 4 Psychotherapien eingehen, die, mit Ausnahme der Psychoanalyse, ganz deutlich als Psychotherapien herausstechen. Die Psychoanalyse als „Mutter der Psychotherapien“ findet eben deshalb Erwähnung. Außerdem sind diese Psychotherapien die in Deutschland am meisten angewandten, da sie von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden – mit Ausnahme der Gesprächspsychotherapie, die seit 1999 nicht mehr übernommen wird, bis dahin aber eine bedeutende Rolle spielte. Außerdem wollte ich eine große Bandbreite unterschiedlicher Psychotherapien untersuchen, um die verschiedenen Aspekte der Psyche des Menschen sowie deren krank- und gesundmachenden Faktoren je nach Psychotherapie gegenüberstellen zu können. Zu dieser Veranschaulichung dient folgende Grafik: 14 Abb. 1: Bandbreite der hier behandelten Psychotherapien. Zur Systematischen Einteilung der Psychotherapien möchte ich erwähnen, dass es (nach einer von mehreren Einteilungen) 4 große Kategorien gibt, in die Psychotherapien eingeordnet werden können: Tiefenpsychologische Therapien Verhaltenstherapien Humanistische Therapien Gruppentherapien 15 Warum verschiedene Theorien unter eine der 4 Kategorien subsumiert werden, was die grundlegende Idee jener „Schule“ ist, erkläre ich im entsprechenden Kapitel. 16 Tiefenpsychologische Therapien Tiefenpsychologischen Psychotherapien liegt der Gedanke zugrunde, dass es etwas „Unbewusstes“ gibt, zu dem wir unter normalen Umständen keinen Zugang haben. In diesem Bereich geschieht die Konfliktverarbeitung und Triebregulation, die unser Erleben und Verhalten beeinflussen. Psychoanalyse Entstehung psychischer Störungen Nach Freud hat jeder Mensch Triebe, z. B. den Sexualtrieb, die auf Befriedigung aus sind. Um befriedigt werden zu können, verspürt der Mensch ein Bedürfnis, das durch diesen Trieb ausgelöst wurde. Die Triebe können sich nach Walter (2008) an jede unbewusste, seelische Vorstellung anhängen. Dadurch erhalte diese Vorstellung die nötige „psychische Energie“, um ins Bewusstsein zu gelangen. Daraufhin könnten wir sie in Verhalten umsetzen und der Trieb habe sein Ziel erreicht: die Triebabfuhr, die als lustvoll erlebt werde. Mit der Zeit können bestimmte Vorstellungen aber nicht mehr ausgelebt werden - je nach Umwelt, in der wir leben. Es entwickelt sich das „ÜBERICH“, das die Moralvorstellungen der Gesellschaft vertritt und das „ICH“ dazu veranlasst, die Vorstellungen nicht zuzulassen. Da an diesen Vorstellungen die Triebe „hängen“, werden durch Sozialisation die Triebe unterdrückt. Freud hält diesen ständigen Kampf zwischen „ÜBER-ICH“ und „ES“ für einen natürlichen Prozess unserer Entwicklung. Umso ausgewogener diese Spannungen sind, desto besser fühlt sich ein Mensch. Wenn diese Unter- 17 drückung der Triebe aber nun über längere Zeit geschieht oder in großem Gegensatz zu den Bedürfnissen und Trieben steht, so können sich psychische Leiden entwickeln – die Psychoneurosen. Genau das gleiche passiert, wenn das „ÜBER-ICH“ zu nachlässig ist. Einen hohen Stellenwert hatten für Freud die Phasen der „psychosexuellen Entwicklung“. Je nachdem, in welcher Phase die eben genannten „Triebkonflikte“ auftreten, entwickeln sich Neurosen, die über ihre Gestalt auf die jeweilige Phase schließen lassen. Zugänge zum Unbewussten Laut Sigmund Freud gibt es verschiedene Zugänge zum Unbewussten, wie z. B. die Hypnose, die Traumdeutung“ oder die „Freie Assoziation“. Durch diese Methoden bekommt der Therapeut einen Einblick in Prozesse, die für das Bewusstsein des Klienten nicht zugänglich sind. Es ist aber nicht so, dass der Therapeut direkt das Unbewusste ablesen kann; er muss sich vielmehr die „Ausdrucksformen“ des Unbewussten untersuchen, um das Unbewusste dadurch „deuten“ zu können. Beispiele: In der Hypnose erzählt der Klient Dinge, an die er sich nicht mehr erinnern kann; Dinge, die aus dem Bewusstsein entschwunden sind. Diese Dinge, die er unter Hypnose erzählt, sind die Ausdrucksformen des Unbewussten. In der Traumdeutung sind die Träume nicht die direkte Sprache des Unbewussten, sondern wurden durch das Ich so verändert, dass sie ausreichend akzeptierbar sind, um ins Bewusstsein zu gelangen. Das ist die Ausdrucksform des Unbewussten durch Träume. 18 In der freien Assoziation verpflichtet sich der Klient, alles auszusprechen, was ihm gerade in den Sinn kommt – egal, wie unangenehm, peinlich, beleidigend usw. es ist. Ein Gedanke zieht weitere nach sich. Es wird alles das ausgesprochen, was sonst nicht ans Tageslicht kommen würde: die Ausdrucksform des Unbewussten. Diese Ausdrucksweisen müssen durch den Psychoanalytiker interpretiert werden. Dadurch kann er erahnen, was im Unbewussten schlummert. Warum der Zugang zum Unbewussten? Dort im Unbewussten schlummern Teile des „ES“. Von den drei Instanzen („ÜBER-ICH“, „ICH“ und „ES“) ist das „ES“ diejenige Instanz, die sofort alle Triebe ausleben will. Da dies aber nicht möglich ist, müssen viele Triebe unterdrückt werden. Das „ICH“ unterdrückt diese Triebe und schiebt sie ins Unbewusste. Es existieren also im Unbewussten verdrängte Triebe und Impulse, die das Ich (durch die Beeinflussung des Über-Ich) nicht zulässt. Dies kann auf bewusster oder auf unbewusster Ebene geschehen. Grad an Triebkontrolle 19 ÜBER-ICH ICH ES Grad an Bewusstheit Abb. 2: Freuds Instanzen in Hinsicht auf zwei Dimensionen. Behandlung psychischer Krankheiten in der Psychoanalyse Sigmund Freud unterschied in Neurosen und Psychosen. Neurosen waren weniger schwerwiegende psychische Erkrankungen, bei denen der Erkrankte von seiner Krankheit wusste und die sich im Kindesalter entwickelten. Die Psychosen waren schwerwiegende psychische Krankheiten, die auch genetisch veranlagt sein konnten und der Erkrankte oft nichts von seiner Krankheit wusste. Durch Psychoanalyse können nur Neurosen behandelt werden. Wie die Neurosen entstanden sind, haben wir weiter oben behandelt. Bei der Behandlung gilt es nun, von der jeweiligen Neurose auf die dahinter liegenden Triebe und Bedürfnisse zu schließen. Dazu braucht man den Zugang zum Unbewussten, denn dort äußern sich die unterdrückten Triebe in ihren jeweiligen Ausdrucksformen. Dort kann der Psychoanalytiker also durch die Ausdrucksformen auf die Beschaffenheit und Konflikte des Unbewussten schließen - und sie schließlich behandeln. Behandlung mittels Übertragung 20 Freud geht davon aus, dass die Keimzelle der Neurosen die (ambivalente) Beziehung zu den Eltern in der Kindheit ist. Durch den Ödipuskomplex musste das Kind sowohl die Gefühle gegen den Vater als auch durch die Sozialisation die Gefühle für die Mutter unterdrücken. Je nachdem, wie gut dieses gemeistert wurde, besteht nun eine Spannung im Unbewussten. Bei neurotischen Patienten ist diese Spannung zu groß: Das Kind hatte seine Lebensaufgabe nicht bewältigt – sei es wegen schlechtem Verhältnis zu den Eltern oder anderer Ursachen. Die Wirkung der Übertragung besteht nun darin, dass der Klient (Analysand) zusammen mit dem Analytiker bis zu seinen unbewussten Gefühlen in Bezug auf die Eltern vordringt und diese endlich auslebt. Er projiziert dann diese Gefühle auf die Person des Analytikers, das kann bis hin zu Verliebtheit oder Vergötterung führen. Oder auf der anderen Seite zu Hass und Beleidigung. Ist der Analysand erstmal wieder in dieser Kinderrolle drin, so hat der Analytiker die Möglichkeit (an Stelle des Vaters oder der Mutter) erziehend zu wirken und die zu strenge oder nachlässige Überwachung des „ÜBER-ICH“ zu korrigieren. Beispiel: Wenn der Analysand hier bei manchen Aussagen Schuldgefühle verspürt, reagiert der Analytiker anders als die Eltern reagiert hätten. Die Aussagen können zugelassen, Schuldgefühle somit beseitigt und Spannungen gelöst werden. 21 Verhaltenstherapien Grundgedanke der Verhaltenstherapie ist, dass psychische Störungen im Laufe des Lebens erlernt wurden. Dementsprechend können sie auch wieder verlernt werden. Deshalb ist die Grundlage für die verhaltenstherapeutische Anschauung auch die Lerntheorie, bzw. die klassische und die operante Konditionierung. Ich möchte hier eine weit verbreitete Meinung korrigieren. Nämlich die, dass viele Menschen bei „Verhaltenstherapie“ an die bloße Symptomunterdrückung denken, wobei die Ursache der psychischen Störung nicht behandelt wird. Es werde sozusagen nur das Verhalten verändert, um das Symptom unsichtbar erscheinen zu lassen. Um dies mit den Worten eines geschätzten Dozenten auszudrücken: „Wenn man sich wegen einer psychosomatischen Krankheit, wie z. B. Hautausschlag im Gesicht mittels der Verhaltenstherapie behandeln lässt, hat man zwar den Erfolg, dass der Ausschlag aus dem Gesicht verschwindet und nicht mehr sichtbar ist, aber dann am Knie auftritt.“ Bei dieser Meinung wird aber übersehen, dass das Verhalten selbst schon psychische Prozesse auslöst und ganz allgemein psychisch wirken kann. Und wenn das Verhalten verändert wird, um bestimmte Symptome „zu unterdrücken“, so kann zusätzlich noch die psychische Grundlage, die das Symptom auslöste, verändert, bzw. behandelt werden. Dazu ein Beispiel: 22 Bei einer spezifischen Angststörung wird der Klient der Angst machenden Situation unter Anleitung ausgesetzt und positiv verstärkt. Dadurch lernt er, die bisher bedrohlichen Situationen als positiver wahrzunehmen. Durch dieses positive Denken, bekommt der Klient generell wieder mehr Selbstvertrauen, Situationen meistern zu können. 23 Abb. 3: Vereinfachtes Grundkonzept der Verhaltenstherapie nach landläufiger Meinung. 24 Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) Die REVT zählt zu den kognitiven Verhaltenstherapien und wurde von Albert Ellis entwickelt und eingeführt. Im Sinne der kognitiven Therapien sind Affekte, Gefühle und Leidenschaften hauptsächlich bestimmt durch kognitive Prozesse. (vgl. Jong-Meyer, 2003, S. 509). Demnach seien es nicht die Dinge selbst, die einen beunruhigten, sondern die subjektiven Vorstellungen der Dinge. Die REVT von Albert Ellis ist außerdem der ausschlaggebende Punkt der „kognitiven Wende“ in der Verhaltenstherapie. Vereinfachtes Grundkonzept der REVT Als Grundlage zum Verständnis wird von einem vereinfachten Schema ausgegangen, dem „ABC-Modell“: 25 Abb. 4: Vereinfachtes Schema der REVT. Nach diesem Schema gibt es ein auslösendes Ereignis (A), das je nach Rezipient anders bewertet wird (B) und so schließlich zu spezifischen Konsequenzen führt (C). Wenn man nun bei „B“ ansetzt und das subjektive Erleben verändert, kann man damit auch die folgende Reaktion, das Empfinden (C) ändern. Als Beispiel hierfür kann ein einfaches Tuscheln dienen: Ein Mensch sieht, wie zwei andere leise tuscheln (A). Wenn er sich denkt, „die lästern über mich“ (B), dann wird er sich schlecht damit fühlen (C). Wird nun aber sein subjektives Erleben (B) auf das Tuscheln (A) verändert, dass er sich denkt: „die reden über ihre Männer“, dann wird sich das positiv auf 26 sein Empfinden auswirken. Er denkt nicht mehr, es wird über ihn getuschelt, sondern er sieht nur noch mit Abstand zwei Frauen tuscheln. Diesen Vorgang kann man auch Referenztransformation, Reframing o. A. nennen. 27 Humanistische Therapien Gesprächspsychotherapie Entstehung psychischer Krankheiten Klassische Auffassung Nach der Theorie von Carl Rogers ist Inkongruenz die Hauptursache für die Entstehung psychischer Krankheiten. Sie kann sogar die Ursache für fast alle seelischen Störungen sein, wenn sie lange anhält oder sehr stark ist. (vgl. Höder, 1994, S. 85). Inkongruenz bedeutet „Nicht-Übereinstimmung“; in unserem Zusammenhang die „Nicht-Übereinstimmung“ zwischen Selbstbild und tatsächlichem Verhalten. Unser Selbstbild wird dadurch definiert, wie wir gerne sein möchten. Wenn wir dies aber nicht können, weil unsere Gefühle und Gedanken auf negative Reaktionen in unserem Umfeld stoßen würden, müssen wir sie unterdrücken und uns anders Verhalten. Oder wir zeigen ein gewünschtes Verhalten nicht und rechtfertigen uns vor uns selbst, um die innere Spannung zu lösen. (vgl. Dissonanz-Theorie). Diese ganzen Anpassungen und Rechtfertigungen führen zu Inkongruenz zwischen dem „wie wir sein wollen“ und dem „wie wir sein müssen“ und können bei langer Dauer oder extremen Situationen zu einer seelischen Störung führen. (vgl. Höder, 1994, S. 85). Dazu möchte ich gerne ein fiktives Beispiel anführen. Der jugendliche Marco erzählt in einer Therapiestunde folgenden Sachverhalt: 28 In meiner Clique gilt es als Mutprobe, Leute auf der Straße anzupöbeln oder anzurempeln. Das wird von den Anführern erwartet, wenn man sich gut darstellen will. Ich hasse diese Art, aber ich muss das trotzdem auch machen, sonst werde ich nicht akzeptiert und stehe als Versager da. (…) Das gezeigte Verhalten steht in keinem Verhältnis zu den wahren Verhaltenswünschen von Marco. Umso länger er diese inkongruenten Verhaltensweisen zeigt, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, eine psychische Störung davonzutragen. Neuere Auffassung Die Auffassung von Carl Rogers, dass es nur „die“ eine Ursache für psychische Krankheiten gibt – nämlich die Inkongruenz – ist in der Gesprächspsychotherapie überholt. Mittlerweile bezieht man mehrere Faktoren in die Entstehung psychischer Krankheiten mit ein. Diese kann man in die drei Gruppen „körperliche“, „psychische“ und „soziale Faktoren“ zusammenfassen. (vgl. Höder, 1994, S. 86). Die körperlichen Faktoren, die an einer psychischen Störung beteiligt sein können, wären z. B. schlechte Ernährung, mangelnde Bewegung oder genetische Dispositionen zu mehr Ängstlichkeit. Auch kann das Fehlen bestimmter Botenstoffe im Gehirn die Ursache für Depressionen sein. Die psychischen Faktoren können unbefriedigte Bedürfnisse (z. B. fehlen von Erfolgserlebnissen) geringe Bewältigungsfähigkeiten (z. B. „Vor-sich-herschieben einer wichtigen Lebensaufgabe führt zu andauernder innerer Anspannung) 29 oder ungünstige Attrributionen (z. B. ursächliche Zuschreibung von negativen Ereignissen auf persönliches Verhalten) sein. Die sozialen Faktoren kann man am ehesten mit einer mangelnden Unterstützung seitens der engsten Bezugspersonen erklären. Wenn man Menschen hat, die einem zuhören und unterstützen, wird die Auftretenswahrscheinlichkeit einer psychischen Krankheit enorm gemindert - selbst, wenn man diese Hilfe nicht in Anspruch nimmt und nur weiß, dass sie existiert. Es gibt eine hohe Korrelation zwischen dem Leiden an einer psychischen Krankheit und dem Fehlen von engen Bezugspersonen. (vgl. Höder, 1994, S. 93). Ich stelle ergänzend die These auf, dass fehlende Liebe und Zuneigung, vor allem im Kindes- und Jugendalter, einen erheblichen Einfluss auf eine pathologische psychische Entwicklung haben. Behandlungsmethode Die Entstehung psychischer Leiden ist also nach der Gesprächspsychotherapie zurückzuführen auf physische, psychische und soziale Faktoren. Die Gesprächspsychotherapie kann aber nur bei den psychischen Faktoren ansetzen, da sie nicht den Körper (physisch) behandelt und nur indirekten Einfluss auf die sozialen Beziehungen haben kann. Deshalb ist eine Kombination mit „ergänzenden Maßnahmen“, die physische und soziale Faktoren mit einbeziehen, sinnvoll. (vgl. Höder, 1994. S. 94). Die Behandlung der psychischen Faktoren Die psychischen Faktoren, die zur Entstehung psychischer Leiden beitragen, werden in der Gesprächspsychotherapie behandelt, indem man dem Klienten sein eigenes, ursprüngliches Erleben zugänglich macht. Jeder hat seine eigene, innere Welt, mit der er die Wirklichkeit wahrnimmt und wie er auf Umwelteinflüsse reagiert. Diese Wahrnehmung und die Reak- 30 tionen – oder anders ausgedrückt: das Erleben und Verhalten – verändert sich im Laufe unseres Lebens. Wenn es sich in eine negative Richtung entwickelt und uns belastet, versucht man, wieder das ursprüngliche Erleben und Verhalten zu entdecken und von dort erneut eine Entwicklung zu initiieren, bevor es in eine falsche Richtung gelaufen ist. Erreicht wird das Wahrnehmen der ursprünglichen Gefühle dadurch, dass der Klient alles ausspricht, was ihn beschäftigt. Der Therapeut versteht achtet den Klienten aus tiefer innerer Überzeugung heraus. Dazu gehört, dass alles, was der Klient fühlt, denkt und wünscht, ausgesprochen wird, ohne vom Therapeuten bewertet zu werden. Im Gegenteil, der Therapeut akzeptiert alles, was in dem Klienten vor sich geht und ermutigt ihn, weiter zu „graben“ und zu sprechen. Diese Ermutigung geschieht nach Höder (1994) durch Einfühlendes Verstehen Achten, Wärme, Sorgen und Echtsein. Oder mit den Worten von Carl Rogers (1977): „Wenn der Klient feststellt, dass ihm jemand zuhört und ständig akzeptiert, wie er seine Gedanken und Gefühle äußert, lernt er nach und nach dem zuzuhören, was in seinem Inneren vorgeht: er lernt wahrzunehmen, dass er wütend oder ängstlich ist oder liebevolle Empfindungen verspürt. Allmählich wird er fähig, auf Empfindungen in seinem Innern zu lauschen, die ihm früher so seltsam, so erschreckend oder bedrohlich erschienen waren, dass er sie ganz aus dem Bewusstsein verbannt hatte (…) wenn der Klient schließ- 31 lich im Stande ist, sich selbst besser wahrzunehmen, gelangt er zu größerer Kongruenz und kann sich offener äußern. Er gewinnt zuletzt die Freiheit, sich zu verändern und in die Richtung hin zu entwickeln, die der reifende menschliche Organismus natürlicherweise einschlägt.“ 32 Systemische Therapien Auf die systemischen Therapien wird in diesem Umfang nicht eingegangen. Aber es ist klar, dass damit jene Therapieformen gemeint sind, die das Umfeld des Klienten mit einschließen. Ausgewählte Methoden Systematische Desensibilisierung Positive Verstärkung Hypnose Imagination Rekonditionierung Autogenes Training Musiktherapie Kunsttherapie Sporttherapie Progressive Muskelrelaxation Transaktionsanaylse Freies Assoziieren Feldenkrais NLP Logotherapie Gruppentherapie Psychodrama 33 Fazit Aus einer unüberschaubaren Vielzahl von Psychotherapien haben sich die tiefenpsychologischen Psychotherapien und die Verhaltenstherapien herausgebildet, die heute von den gesetzlichen Krankenkassen auch übernommen werden. Unter Psychotherapeuten hört man vermehrt die Befürchtung, dass sich mit der Zeit die Verhaltenstherapie gegenüber den tiefenpsychologischen Ansätzen durchsetzen wird. Dies stünde ja auch tatsächlich in der Tradition unserer an Ergebnissen orientierten Gesellschaft, da die Verhaltentherapien klare Ergebnisse vorweisen können. Dass die tiefenpsychologischen Verfahren keine klaren Ergebnisse vorweisen können, liegt aber nicht zwangsläufig an deren nicht vorhandener Wirkung, sondern vielmehr an der Schwierigkeit der Messung ohne „greifbare“ Instrumente. Darüber hinaus lehnen einige Psychoanalytiker eine Untersuchung ihrer Intervention von vornherein kategorisch ab, da sie damit ein Eingreifen in den Therapieverlauf befürchten, der dem Klienten und dessen Heilung schaden könnten. Grundsätzlich bleibt festzuhalten: Viele Wege führen nach Rom. Bei Untersuchungen ist nicht eindeutig bewiesen worden, dass es eine Therapieform über allen anderen geschafft hat, durchgängig bessere Ergebnisse der Heilung zu erzielen. Deshalb muss immer eine individuelle Anpassung Anpassung der Therapiemethoden an den Klienten vorgenommen werden. Darüber hinaus ist in allen Studien der überragende Wirkfaktor das Verhältnis zwischen Therapeut und Klient. Wenn dieses Verhältnis nicht in Ordnung ist, durch Misstrauen oder Ablehnung gekennzeichnet ist, hat keine der Therapieverfahren eine Aussicht auf Heilung. 34 Außerdem ist der überragende präventiv wirkende Faktor der soziale Rückhalt. Wenn ein Mensch andere Menschen in seiner Nähe, die ihm immer beistehen, ihn unterstützen, ihn verstehen, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mensch an einer psychischen Störung erkrankt auf ein Minimum. Dieser Effekt tritt sogar auf, wenn der Mensch die Hilfe gar nicht in Anspruch nimmt, sondern lediglich weiß, dass Hilfe das sein würde, so er sie denn in Anspruch nehmen wollte. In einer Gesellschaft, in der die psychischen Erkrankungen immer mehr zunehmen, bleibt nur zu hoffen, dass weiterhin die teuren Psychotherapien durch gesetzliche Krankenkassen abgedeckt werden und nicht noch weitere Gestaltungsmöglichkeiten der Heilung von psychisch Kranken Menschen genommen werden, so wie durch das Therapiegesetz von 1999. 35 Literaturverzeichnis Bücher Höder, J. (1994). Gesprächspsychotherapie – Was sie kann, wie sie wirkt und wem sie hilft. 2. Auflage. Mannheim: PAL. Jong-Meyer, R. (2003). Kognitive Verfahren nach Beck und Ellis. In J. Margraf (Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie (S. 509-524). 2. Band. 2. Auflage. Heidelberg: Springer. Kriz, J. (2001). Grundkonzepte der Psychotherapie. 5., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz. Lang, H. (Hrsg.). (2003). Wirkfaktoren der Psychotherapie. Würzburg: Königshausen & Neumann. Margraf, J. (Hrsg.). (2003). Lehrbuch der Verhaltenstherapie. 2. Band. 2. Auflage. Heidelberg: Springer. Reimer, Ch., Eckert, J., Hautzinger, M., Wilke, E. (2005). Psychotherapie: Ein Lehrbuch für Ärzte und Psychologen. 3. Auflage. Heidelberg: Springer. Internet Behrendt, S. (2004). Basisseminar: „Klinische Diagnostik“ [online]. URL: http://www.psychologie.tudresden.de/i2/klinische/studium/ws0506/diag/Diagn-1-Einfuehrung.pdf [13.12.2009]. Mayer, K. C. (2008). Probleme der Klassifikation [online]. URL: http://www.neuro24.de/psychdat.htm [12.12.2009]. 36 Brühlmeier, A. (1995). Die Psychoanalyse Sigmund Freuds [online]. URL: http://www.bruehlmeier.info/freud.htm [14.12.2009]. Walter, O. (2008). Verhaltenswissenschaft.de - Psychoanalyse [online]. URL: http://www.verhaltenswissenschaft.de/Psychotherapie/Psychoanalyse/psych oanalyse.htm Interessante Links: http://www.psychologie.tu-dresden.de/i2/klinische/studium/ws0506/diag/ 37