Neue Sterne am Aquarienhimmel: Xenotilapia Walter Eysel Die im Tanganjikasee endemische Gattung Xenotilapia, von der bisher etwa 14 Arten bekannt sind, wurde bis vor drei Jahren zwar in der Literatur behandelt, flir unsere Aquarien standen diese Fische jedoch nicht zur Verfiigung. Der Hauptgrund daliir ist, daß Xenotilapia wesentlich empfindlicher sind als die ,,harten" Tropheus, Petrochromis und Lamprologzs. Die Verlustrate zwischen Fang und endlich geglückter Eingewöhnung im Aquarium ist außergewöhnlich hoch mit entsprechendem Risiko für a1le Beteiligten: Fänger, Exporteure, Importeure, Einzelhändler und Aquarianer. Pierre Brichard (1978) beschreibt dies außerordentlich realistisch in seinem Buch, und ich kann es aus eigener Erfahrung nur bestätigen: Bei meinen beiden Besuchen am südlichen Teil des sees warcn xenotilapiavon allen Fischen am schwierigsten zu hä1tern, und im März 1986 gelang es mir nur unter Verlusten, zwei Iür unsere Aquarien neue Arten erstmals einzuftihren. Besonders anftillig sind die Tiere gegen (bakterielle?) Entzündungen an Flossen und Mau1, die ich nur mit Chloramphenicol zurückdrängen konnte (an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen jeweils eine Messerspitze auf 40 Liter Wasser im boden- und pflanzenfreien Aquarium bei starker Durchlüftung). Ein weiterer Grund Iür die hohe sterblichkeit noch nicht eingewöhnter Importtiere ist die schreckhaftigkeit der Fische, die vor al1em bei plötzlichen Licht- und schattenreflexen durch das Aquarium rasen, dabei mit voller wucht gegen die scheiben donnern und sich leicht tödlich verletzen. Dieses Verhalten rührt daher, daß sich die Fische im Biotop auf dem deckungslosen Sandboden vor Räubern nur durch panikartige Flucht retten können. Bei eingewöhnten Tieren treten diese Probleme aber kaum noch auL Trotz al1 dieser Schwierigkeiten sind in jüngster Zeit mehrere Arten importiert worden, und nachdem sich einige Spezialisten mit deren Nachzucht beschäftigen, werden auch zunehmend Nachzuchten angeboten. Da sich unter den Xenotilapia eitige herrliche Fische befinden, die zu den Juwelen des Sees zählen,läßt sich voraussagen, daß sie in unseren Aquarien einen ähnlichen Siegeszug antreten werden wie derzeit die Fadenmaulbrüter. Nicht zuletzt wird hierzu auch das variantenreiche Brutpfl egeverhalten b eitragen. Xenotilapia sind Fische, die je nach Art maximal 8 bis 16 Zentimeter lang werden (siehe Tabelle) und überwiegend stark bodengebunden leben. Dabei bevorzugen sie sandig-schlammigen, sandigen oder kiesigen, ebenen Grund. Am nach unten oft in Kies und Sand übergehenden Fuß der Felsenzone trifft man sie auch in feinen bis groben Geröllfeldern an, aber dort stets aufkleinen, eingesprengten, ebenen Kies- DCG-Info 18(1) 1987: 1-6 flächen, zuweilen sogar, wenn die kleiner a1s einen Quadratmeter sind. Als Ausnahme habe ich lediglich Xenotilapia spilopterus mehrmals am reinen Felsenufer gesehen sowie auch über grobem Geröll ohne Sand. Die einzelnen Arten sind sehr gut bei Poll (1956) beschrieben und durch Schwarzweißzeichnungen dargestellt (letztere wurden mehrfach in die Literatur übernommen, zuweilen, ohne Poll zu zitieren); ein Bestimmungsschlüssel wurde von Brichard (1978) entwickelt. Einige Abbildungen finden sich nebst Text bei Staeck (1977,1983), Mayland (1978), Neergaard (1982) und vor allem bei Brichard (1978). Jüngste Publikationen mit Aquarienbeobachtungen werde ich bei den einzelnen Arten nennen. Die erste importierte Art wurde zunächst häufig mit den wesentlich größeren X. boulengeri verwechselt; heute trägt sie den Namen X. flavipinnis. Sie ist eine der kleinsten und zugieich ,,härtesten" Arten. Die beiden beigefügten Abbildungen mit den unterschiedlichen gelben Rückenflossenzeichnungen zeigen, daß auch bei Xenotilapia-Atten Rassenbildung auftritt. Neben diesen gelben sind auch noch orangefarbene X.flavipinnisbekannt. Der erste Zuchtbericht durch Kallweit (1983) stellte eine kleine Sensation dar: Im zweiten Intervall der Maulbrutpflege übernahm das Männchen die Larven und pflegte sie weiter. Herr Kallweit hatte mich damals telefonisch über seine Beobachtungen informiert, und wenig später konnte ich sie bei meinen eigenen Fischen bestätigt finden. Ollensichtlich hat dieses kleine Fischchen den höchsten Entwicklungsstand in der Maulbrutpflege, die abwechselnde Betreuung der Larven durch die Eltern, erreicht. Der Vorteil liegt auf der Hand: Während der zweiten Hälfte der Brutpflegezeit kann das entlastete Weibchen wieder unbehindert fressen, früher Laich ansetzen und so fiir eine schneliere Generationsfolge und höhere Vermehrungsrate sorgen. Es sei in diesem Zusammenhang daraulhingewiesen, daß Iiir die Überlebensftihigkeit einer Art (das heißt Iiir ihre Anpassungsfähigkeit an veränderliche Umweltverhältnisse) die Schnelligkeit der Generationsfolge einen mitentscheidenden Faktor darstellt. Maulbrütende Larvenpflege durch beide Eltern war bis dahin aus dem Tanganjikasee nur von den ,,Grundelcichliden" (Eretmodus, Tanganicodus, Spathodus) bekannt sowie von dem Schuppenfresser Perissodus microlepis; aufgrund kürzlich durchgeführter eigener Aquarienbeobachtungen ist hier attch Asprotilapia leptura zu nennen. Inzwischen wurde X. flavipinnis zahllose Male nachgezüchtet. In einer sehr guten jüngeren Veröffentlichung von Zurlo werden Verhalten, Pflege und Zucht dieser Art zusammenfassend dargestellt. Es zeichnet sich somit ein deutlicher Unterschied zu X. ochrogenys und X. melanogeirys ab, die nach Biotopbeobachtungen von Brichard in riesigen Schwärmen gemeinsam ablaichen und bei denen die Brutpflege anschließend nur von den Weibchen übernommen wird. A1s weitere Arten wurden in jüngster Zert X.o.ochrogenys, X. melanogenys wd X. siin a eingeführt.Uber Beobachtungen an diesen Fischen im Aquarium liegen Berich- DCG-Info 18(1) 1987: ,n @ Xenotilapia spec. ,,Nrlole" lebt auf den Sandstreifen zwischen den parallel zum Ufer verlaufenden Sandsteinriffen Die zuerst eingeführte Rasse von Xenotilapia flavipinnis Männchen von Xenotilapia spec. ,,Ndole" über seiner Laichgrube mit den vier ,,Wachtürmchen" DCG-Info 18(1) 1987: 1-6 te von Herrmann (1985, 1986) mit sehr guten Bildern vor. Alle drei Arten wurden im Aquarium bereits vermehrt. Eine von mir zuerst 1983 im Biotop beobachtete und photographierte und im März 1986 von J. Heitz, meinem Sohn und mir erstmals importierte noue Xenotilapia-Art stammt aus der Ndole-Bay in Zambia und erhielt von uns deshalb den Namen Xen otilapia spec. ,,Ndole". Sie gehört meines Erachtens zu den schönsten Fischen im See. Poll (1956) beschreibt eine Xenotilapia mit schwarzen Punkten aufden Seiten und in der Dorsale als südliche Form von X. ochrogenys. Xenotilapia spec. ,,Ndole" ist wahrscheinlich damit identisch und wäre dann eine dritte Variante dieser Art neben X. o. ochrogenys und X. o. bathyphylas. Leider gibt Poll nicht an, ob diese Zuordnung durch Messungen am Fisch oder nur dürch Inaugenscheinnahme erfolgte. Im Biotop trifft marr X. spec. ,,Ndole" über Sand oder schlammigem Grund paarweise oder in kleinen Gruppen bis zu acht Tieren an, wobei stets nur ein einziges Männchen balzaktiv ist und die herrlichen Farben zeigt. Dieses Männchen fi.ihrt die Gruppe stets an; die anderen Fische schwimmen hinterher. Nach meinen Beobachtungen sind letztere stets Weibchen, oft mit Eiern oder Larven im Maul. Daß sich darunter auch ungefärbte Männchen befinden, kann ich bei dem über Sand meist etwas angetrübten Wasser nicht ganz ausschließen. Gegenüber dem führenden Fisch waren die anderen jedoch stets etwas kleiner. Darüber hinaus fand ich an tieferen Stellen mehrmals große, farbige Männchen, die schwer atmend, erschöpft und mit eingerissenen Flossen auf dem Boden lagen. Wahrscheinlich kämpfen die Männchen um die Führung der Weibchengruppen und ziehen sich - wenn sie verlieren - zur Erholung zurück. Wir haben mehrmals Weibchen gefangen, die lertig entwickelte Larven im Maul hatten, solche aber niemals bei Männchen gefunden. Nach der gemeinsamen Pflegebei X. flavipinnis und dem von Brichard beschriebenen kollektiven Verhalten von X. ochrogenys und melanogenys stellt das Fortpflanzungsverhalten von ,{. spec. ,,Ndole" also eine dritte Variante bei den Xenotilapia dar: Maulbrutpflege durch die Weibchen in kleinen Gruppen, die durch ein Männchen angeführt werden. In meinem Aquarium (Grundfläche 120 x 50 Zentimeter) ist von den Männchen tton X. spec.,,Ndo1e" auch meist nur ein einziges in Balzlärbung und unterdrückt die anderen. Da diese Tiere dabei äußerst aktiv sind, erschöplen sie sich nach einigen Tagen, und dann übernimmt ein anderes Männchen die Führung. Die flachen Laichgruben werden dabei,nicht mit gleichmäßigen Kraterrändern gebaggert, sondern der herausgeschoberi#Sand v/ird zu einzelnen Hügelchen aufgehäuft, von denen meist vier wie kleine Wachtürme um die Grube stehen. Beim Balzen spreizt das Männchen die Kiemenbögen imponierend weit nach unten, wie dies von Herrmann (1986) auch für X. melanogenys abgebildet wurde. Die bisher beschriebenen Arten sind ähnlich den Panzerwelsen Südamerikas (Konvergenz) bodengebunden mit abgeflachtem Bauch, zu Stützorganen umgebildeten Bauchflossen und unterständigem Maul. Wie die Welse seihen auch die Xenotilapia DCG-Info 18(1) 1987: 1-6 Eine Rasse von Xenotilapia flavipinnis mit einem antleren Rückenflossenmuster Ein Männchen der aquaristisch neuen Xenotilapia spec.,,Ntlole" mit ilen charakteristischen schwarzen Seiten- flecken Die Seiten von Xenotilapia spilopterus sind mit leuchtendblauen Punkten geschmückt Fotos: EyseI DCG{nfo 18(1) 1987: 1-6 den Bodengrund ständig nach Detritus und anderem Freßbaren durch. Ganz anders sieht das bei der von uns ebenfalls mitgebrachten Art X. spilopterur aus. Diese Art, die sich durch ein schwarzes submarginales Band in der Rückenflosse auszeichnet (ich habe auch Lokalvarianten gesehen, die dort nur einen schwarzen Punkt hatten) sowie durch bei Auflicht sehr schöne hel1blaue Leuchtpunkte aufdem ganzen Körper, ist sehr hoch gebaut, wesentlich weniger bodengebunden als die vorgenannten Arten und besucht auch Felsbiotope. Darüber hinaus treten keinerlei Geschlechtsunterschiede auf, weder in der Größe noch der Gestait oder der Färbung. Es erscheint fraglich, ob dieser Fisch wirklich zur Gattung Xenotilapia gehört. Im Biotop habe ich die Fische immer nur einzeln oder in kleinen Gruppen bis zu etwa zehn Stück gesehen, nie jedoch in riesigen Schwärmen wie zum Beispiel Xenotila- pta stma. Inzwischen haben meine X. spilopterus auch nachgezüchtet. Die Eier wurden zunächst vom Weibchen aufgenommen, das die Larven etwa bei ,,Halbzeit" an das Männchen weiterreichte, das dann die weitere Pflege übernahm. Die beiden Partner blieben während der Pflege eng zusammen. Schluß folgt. Weibchen von X. spec. ,,Ndole"; gut zu erkennen iler Kiefermechanismus Foto: Walter Eysel DCG-Info 18(1) 1987:rn @