Nonagonreport -1- NONAGONREPORT von ALFRED ROSSI 3 HEXANOMETRISCHE NÄHERUNGSKONSTRUKTIONEN (S.1 – 4) Diese erste Lösung wurde angeregt durch den Chorplan von St. Nikolai zu Wismar (1381). Zeichne ein Achsenkreuz. Sein Schnittpunkt soll der Mittelpunkt eines Kreises sein (M). Vom obersten und untersten Punkt des Durchmessers (A, D) aus schlägt man den Radius jeweils nach links und nach rechts ab (F, B und E, C). Fig. 1 NB: Würde man die Punkte A, B, C, D, E und F durch einen Streckenzug verbinden, ergäbe sich ein Hexagon. Würde man nur mit jedem 2. Punkt so verfahren, käme man zum gleichseitigen Dreieck, etwa DBF. Betrachten wir den Kreissektor BMF, so zeigt sich, dass jener bei Halbierung seines Zentriwinkels, in 2 Sektoren eines Sechsecks zerfallen würde (120:2=60). Bei Drittelung hätten wir 3 Sektoren eines Neunecks vor uns (120:3=40). Und um diese Winkeldreiteilung geht es im Prinzip. Am Kreis sind demnach zur Erzeugung eines Nonagons zwischen den Punkten B, D, F und B anstelle je eines - wie in Figur 1 - zwei Punkte einzuzeichnen. Fig. 2 Der Radius wird nun von Punkt G nach oben und unten am Kreis abgeschlagen (H und I). Die Verbindungslinie HI hilft r/2 zu ermitteln. Durch den Punkt H wird eine Hilfsgerade mit dem Neigungswinkel von 45° gelegt, d.h. eine Parallele zu AG. Wo sie den nach oben verlängerten Radius MA schneidet, entsteht der Hilfspunkt S2. Nonagonreport Fig. 3 Fig.4 -2- S2 kann man auch anders erhalten. Es wird zunächst S1 ermittelt, indem man durch H eine Parallele zu GM legt. Der Abstand JS1 entspricht der Radiuslänge (AJ wiederum entspricht der Höhe des MGH). S2 liegt auf der Symmetrale von JS1. Schneidet man jene mit der HI enthaltenden Gerade, bekommt man K. Man erhält diesen Punkt auch, wenn durch J eine Parallele zu AG (also eine 45grädige Schräge) gelegt wird. Für welchen Weg man sich auch entscheiden mag, K ist der gesuchte Nonagoneckpunkt. Durch ihn ist der Umkreis zu legen. Die drei benachbarten Eckpunkte sind leicht zu finden. Man spiegelt den Punkt K am senkrechten Durchmesser und erhält S. Durch Verlängerung der Radien MB bzw. MF kommt man am Umkreis des Neunecks zum Punkt L bzw. R (bezüglich B und F siehe Fig. 1). Dadurch wird der 120° Sektor LMR in drei 40grädige Sektoren (LMK, KMS, SMR) unterteilt. © Rossi 06 Man kann sich den Umweg über den Punkt J oder S2 ersparen und folgender Weise vorgehen: © Rossi 06 Betrachten wir das gleichseitige Dreieck MGH. Es reicht völlig aus durch Abschlagen des Radius von G und M aus den Punkt H darzustellen. Auch die Höhen auf GM und GH werden mittels Zirkelschlägen eingezeichnet und entsprechend verlängert (h1, h2). Erst jetzt braucht man den halben Radius in den Zirkel zu nehmen, den man über der Dreiecksspitze (H) auf h1 nach oben aufträgt (K). Mit Hilfe des Nonagonradius MK wird der Umkreis konstruiert. Wo er h2 schneidet, entsteht der Nachbarpunkt L. Fig. 5 (Das ´Logo´ neben der vorseitigen Überschrift wurde aus der Fig. 5 entwickelt.) Nonagonreport -3- Bei dieser Konstruktionsweise entsprechen sich die Polygonseite (KL) und der Radius des inneren Kreises (MB) fast, MB : KL = 1:0,9926 (siehe die Fig. 4 der Vorseite). Demnach verhält sich MB zu BL wie 1:0,4547. Das korrekte Zahlenverhältnis aber lautet, 1:0,4619. Addiert man die Werte MB und BL, so erhält man den Radius des Nonagonumkreises (ML). Setzt man ihn in Beziehung zur Polygonseite, ergibt sich ein Zahlenverhältnis wie folgt: ML: KL = 1,4547:1 (siehe dazu S. 5 oben). Die Ringdicke BL entspricht in Wirklichkeit dem Durchmesser der Apsispfeiler von St. Nikolai, wie die obige Grundrisszeichnung zeigt. Es erscheinen darauf die Gewölbe des inneren Chores als drei Neuneck- und zwei Sechsecksektoren, während die Ummantelung einen 5/9 Schluss darstellt. © Rossi 06 Bei dieser zweiten Konstruktionslösung ist die gesuchte Vieleckseite um 0,997 % zu kurz. Wenn auch die größere Abweichung als nachteilig anzusehen ist, so wird sie durch die reduzierte Zahl der Arbeitsschritte gewissermaßen wettgemacht. Die Zirkelspanne muss erst im Abschluss der Arbeit beim Abtragen der Neuneckseiten am Umkreis verringert werden. Es werden zunächst ein Kreis mit dem Radius r und seine aufeinander normal stehenden Durchmesser gezeichnet (AB und CD). Im Unterschied zum Fünf- und Sechseck ist eine geometrisch einwandfreie Konstruktion beim Sieben- und Neuneck nicht möglich. Nehmen wir die richtig bemessene Polygonseite mit 100% an, so ist sie nach dem auf der Vorseite gezeigten Verfahren mit 99,75% um 0,25% zu kurz. Von den Endpunkten A und B aus schlägt man den Zirkel nach oben und unten ab und erhält die Strecken EF und GH. Dadurch lassen sich zum einen die halbierte Hexagonform und ihre drei Sektoren darstellen (AME, EMG, GMB) und zum anderen kann man damit die Halbierungspunkte der Strecke EM und GM ermitteln. Die so entstandenen Punkte seien I und J. Vom Punkt D wird je eine Hilfsgerade durch I bzw. J gelegt und mit dem Kreis geschnitten (K und L). Diese Sehne KL ist die gewünschte Nonagonseite. Indem wir den Kreisradius von C aus nach links und rechts abtragen, kommen wir zu den Nachbarpunkten, die auf Fig. 1 mit B und F bezeichnet wurden. Nonagonreport -4- NONAGON NACH DÜRER Auch Albrecht Dürer (1471-1528) beschäftigte sich mit den regelmäßigen Vielecken – u.a. mit dem Nonagon. Bei seiner Näherung weicht die Neuneckseite mit 99,025% um 0,975% von der wahren Länge ab. Wie ging er vor? Er zeichnet zunächst einen Kreis, dessen Radius er am Umfang sechsmal abträgt. In jedem zweiten der so entstandenen Schnittpunkte setzt der Nürnberger Meister den Zirkel ein und schlägt ihn nach innen ab, sodass im Kreis eine strahlenförmige Figur aus drei Spindeln entsteht. In die Senkrechte wird hierauf der Radius eingetragen und gedrittelt (was wir mit Hilfe des Strahlensatzes leicht bewerkstelligen können). Durch den untersten Teilungspunkt legt er eine Waagrechte. Ihre Schnittpunkte mit der Spindel markieren eine Nonagonseitenlänge. Den zugehörigen Umkreis stellt Dürer ebenfalls dar. Die beiden Schenkel des so entstandenen Neunecksektors verlängert er bis zum ursprünglichen Kreis hinauf. Folglich ist die Sehne die gesuchte Polygonseite. Siehe auch http//www.mathe.tu- freiberg.de/~hebisch/cafe/duerer/necke.html Nonagonreport -5- METHODE 13/19 Wir wissen, dass beim Sechseck Umkreisradius und Vieleckseiten gleich lang sind. Beim Neuneck verhält sich die Polygonseite (PS) zum Radius (r) wie 1:1,4619. Für die manuelle Darstellung ist folgendes Zahlenverhältnis hinreichend genau und so nehme man anstatt PS:r = 1:1,4619, vereinfachend PS:r ~ 13:19. (13:19 = 1:1,4615) Man beginnt mit dem Radius des Kreises und wählt für ihn 19 Einheiten. Nach Anwendung der Sechseckkonstruktion wird der Kreis durch Überspringen jedes zweiten Schnittpunktes in drei gleiche Sektoren geteilt. Diese gilt es zu dritteln. Dazu nimmt man dreizehn Einheiten in den Zirkel und schlägt sie jeweils von den bereits ermittelten und korrekten Nonagoneckpunkten aus in beide Richtungen ab. Erst bei einem Polygonseitenmaß von 3,9m (Radius=5,7m!) ergibt sich eine Ungenauigkeit von etwa 1mm. Eine Simplifizierung dieser Methode ist es, das Zahlenverhältnis von 9:13 zu wählen. Der hierbei rechnerisch ermittelte Fehler liegt bei +1,209%. Es versteht sich, dass diese Konstruktion im engeren Sinne keine ist, da sie auf mathematischen Daten fußt. Zum Abschluss sei noch auf fünf Nonagonkonstruktionen aus dem Internet hingewiesen (www.geocities.com/robinhuiscool/nonagon.html). Bei der besten Lösung sind die Vieleckseiten um mehr als ein halbes Prozent zu lang, während die vom Chorplan abgeleitete um ein Viertel Prozent zu kurz ist. Fast um ein Prozent irrte Dürer. Die nachstehende Tabelle listet die vorgestellten Konstruktionsverfahren nach steigender Ungenauigkeit auf. Verfahren 13:19 Rossi 1 / S.2 Hu Dürer / S.4 Rossi 2 / S.3 9:13 Abweichen der PS vom wahren Maß in Prozenten 100 : 100,027 + 0,027 100 : 99,75 - 0,25 100 : 100,665 + 0,665 100 : 99,025 - 0,975 100 : 99,003 - 0,997 100 : 101,209 + 1,209 Nonagonreport -6- NÄHERUNGSKONSTRUKTIONEN DES REGELMÄSSIGEN NEUNECKS NACH EINEM DER DIAGONALSYSTEME DIE LESEARTEN DIESES DIAGONALSYSTEMS Fig. 1 Fig. 2 Fig. 3 Fig. 4 Es kann sein, dass einem beim Betrachten der ersten Figur die durch die Diagonalen entstandenen Binnenformen der sieben Dreiecke und der drei Trapeze ins Auge stechen. Es kann einem genau so gut, wie die Darstellungsweise der zweiten Figur hervorzuheben versucht, das lineare Gefüge selbst, das man aus einem Drahtstück nachbilden könnte, auffallen (sog. Endlos-Figur). Doch vielleicht liest so mancher auf Grund der dreiachsigen Symmetrie die sich verkeilenden Dreiecke heraus (Fig. 3) oder sieht sie als sich verschachtelnde am Kopf stehende Gebilde gleicher Ausrichtung an (Fig.4). Wie dem auch sei, unter den vielen Möglichkeiten im Nonagon Diagonalen einzuzeichnen, ist diese eine, die sowohl eine radiale als auch eine nicht radiale Leseart zulässt (vergl. dazu: http://www.mathematische-basteleien.de/neuneck.htm Seite 3). ERSTES KONSTRUKTIONSPRINZIP Drei auf der Spitze stehende kongruente, gleichseitige Dreiecke verschränken sich so, dass ein kleines Dreieck als mittige Überlappungsfigur entsteht. Sein Höhenschnittpunkt ist der Mittelpunkt des zu suchenden Nonagonumkreises. Betrachten wir zunächst die beiden schraffierten Dreiecke der Fig.5, nämlich JLK und BKC. Die Länge der Seitenkante (a) des Ersteren findet sich als Höhe (h) des Letzteren wieder. Auch die Symmetrieachse, etwa des Trapezes JKBI, weist Fig. 5 dieses Maß auf. Verlängert man die Schenkeln des mittleren Dreiecks (a), so werden sie zu denen © Rossi 06 der sie umkreisenden Trapeze und Dreiecke. Wo sie die auf die Höhen (h) normal stehenden Basislinien der Trapeze und Dreiecke schneiden, ergeben sich die Nonagoneckpunkte B, C, E, F, H und I. Jetzt kann auch der durch sie gehende Umkreis eingezeichnet werden. Die noch fehlenden Eckpunkte (A, D, G) finden sich, indem man die Symmetrieachsen der Trapeze mit dem Umkreis schneidet. Nonagonreport -7- DIE KONSTRUKTIONSGENAUIGKEIT Fig. 6 © Rossi 06 Richten wir das Augenmerk vorerst auf die rechte Kreishälfte der Fig. 6. Alle die Trapezflächen überdeckenden Sektoren weisen einen je um 0,104° zu geringen Zentriwinkel auf – anstelle von 40° bloß 39,896° (siehe das Dreieck MDC). Der entsprechende Winkel des anliegenden Sektors (MCB) ist hingegen um 0,208° zu groß (40,208°). Blicken wir nun auf die gespiegelten Figuren MHG und MIH der linken Hälfte, um die abweichenden Maße der Polygonseiten zu ersehen. Die in Korrespondenz zum 39,9° Winkel Stehenden betragen 99,7505 Prozent (ca. ¼ % zu kurz), während die auf den 40,2° Winkel Bezogenen um etwa ½ Prozent zu lang_sind_(=100,4978%). Im Unterschied zu den vorhergehenden Näherungskonstruktionen, bei denen man wohlweislich die aus dem Hexagon ermittelten drei Groß-Sektoren von je 120° als Korrekturrahmen benutzt, tut dies hier nicht Not (siehe die Zeichnung auf S. 5). Auf diese Art konnte man dort die große Ungenauigkeit der zuletzt gezeichneten Vieleckseite vermeiden, die sich notwendigerweise beim neunmaligen Abschlagen am_Umfang_ergeben_hätte. PRAKTISCHE HINWEISE ZUR DURCHFÜHRUNG Um ein möglichst exaktes Ergebnis zu erzielen, empfiehlt es sich nicht mit dem mittleren Dreieck, sondern mit einem Kreis, dessen Radius mindestens drei mal so groß wie der Umkreis des kleinen Dreiecks (z.B. 9,3cm : 3cm) ist , zu beginnen. Mit diesem Längenverhältnis kommt man zu einem Hilfskreis, der etwas größer als der Nonagonumkreis ist. Zunächst legt man eine senkrechte Mittelachse durch ihn und schlägt dann den Radius vom obersten und untersten Schnittpunkt nach links und rechts auf seinem Umfang ab. Die so entstandenen Kreispunkte werden kreuzweise verbunden Fig. 7 (siehe strichpunktierte Linien). Sie stellen die Symmetrieachsen der besagten Dreiecke und Trapeze dar. Da wir am Umfang bereits die Sechseckpunkte haben, lässt sich ein gleichseitiges Dreieck einschreiben, das durch zwei strichlierte Schenkeln angedeutet wird. Durch deren Parallelverschiebungen kommt man zum inneren Dreieck, dessen Umkreis man schon vorher eingezeichnet hat. Nonagonreport -8- WEITERE MASSVERHÄLTNISSE ZWISCHEN DEN DREIECKEN DIESES DIAGONALSYSTEMS Gemeint sind die in Fig. 5 (S. 6) bezeichneten gls. Dreiecke, die drei mal wie etwa BKC und JEC und ein mal als JLK aufscheinen. Ein zweiter Konstruktionsweg macht sich diese Maßverhältnisse zunutze. Er führt vom mittleren zum äußeren Dreieck. Man beginnt mit dem Umkreis des ersteren (Fig. 8). Der Durchmesser (d) wird von K aus auf die verlängerten Schenkel LK und JK abgeschlagen. So gelangt man zu den Eckpunkten B und C. Man sieht: es gibt neben der Beziehung a1 = h noch die d = a2. Aus der Abbildung geht auch folgendes hervor: Halbiert man das Dreieck BKC, so lässt es sich in den Umkreis des mittleren Dreiecks einschreiben. In welche Lage man es auch dort bringen mag, es wird seine Hypotenuse (= d) immer durch den Mittelpunkt gehen. Die kürzere Kathete (a2/2) weist die Länge des Radius auf. Die längere Kathete, die nichts anderes als die Höhe des vollständigen Dreiecks BKC war, hat, wie schon erwähnt, das Maß a1. Die Seitenkante des Dreiecks JEC (siehe JC) setzt sich aus a1 und dem Durchmesser zusammen, sodass diese Länge der Seitensumme des gleichschenkligen Dreiecks (r + r + a1) über dem Dreieck JLK gleichkommt. Nonagonreport -9- ZWEITES KONSTRUKTIONSPRINZIP Wie die Fig. 9 zeigt, ist die Grundgestalt ein in Sektoren zerlegtes Hexagon. Man drittelt seine Vieleckseiten und verbindet jene Teilungspunkte untereinander, die parallel zu den Dreiecksschenkeln verlaufen. Im nächsten Arbeitsschritt sind jene drei Geraden zu zeichnen, die jeweils Parallele zu den Höhen dieser Dreiecke bilden (Fig. 10). Die zwei schräg laufenden Geraden (BF und EI) ziehen von den äußeren Teilungspunkten der oberen Sechseckseiten zu den inneren Teilungspunkten der unteren. Die waagrecht laufende Gerade (CH) geht durch die oberen Teilungspunkte der zwei senkrechten Polygonseiten (man beachte die schwarz strichlierten Abschnitte der Hexagonseiten). Fig. 9 Fig. 10 Alle drei Geraden wurden bis zum Umkreis verlängert, sodass sich die Nonagoneckpunkte B, C,E,F,H und I darstellen lassen. Das vollständige Neuneck tritt somit in Erscheinung, da die drei restlichen Eckpunkte (A, D,G) schon gegeben sind. © Rossi 06 KONSTRUKTIONSGENAUIGKEIT Der Zentriwinkel BMC beträgt 40,81°, die Polygonseite BC ist um 1,9° (= 101,9%) zu lang. Der Zentriwinkel des Sektors CMD hat 39,59°, die zugehörige Sehne (CD) weist bloß 99,026% auf. Demnach schneidet diese im Vergleich zur ersten Konstruktion schlechter ab (siehe. S. 7 oben). Nonagonreport - 10 - PRAKTISCHE HINWEISE ZUR DURCHFÜHRUNG Fig. 11 Methode A: Zunächst gilt es die in der Fig. 11 als N,O,P und Q bezeichneten Punkte auf den Hexagonseiten zu ermitteln. Jeder zweite Eckpunkt wird durch eine Gerade verbunden (siehe die strichlierten Streckenzüge AC, CE, EA und BD, DF, FB). Sie formen jeweils zwei gls. Dreiecke. Ihre Schenkeln schneiden sich in den Hilfspunkten R und S. Wo sich die Dreiecksbasis EC mit den Schenkeln des am Kopf stehenden Dreiecks schneidet, entstehen die Hilfspunkte T und U. Alle vier Punkte werden – parallel zu AD – bis zu den entsprechenden Polygonseiten verlängert (punktierte Linie). Auf diese Weise erhalten wir N, O, P und Q. Nun sind die waagrecht liegenden Neuneckpunkte H und C zu ermitteln (siehe Fig. 10). Sie gehen durch J und K. J und K stellen sich als die Schnittpunkte der nach oben verlängerten Geraden PT und QU mit den schrägen Durchmessern CF und BE dar. Abschließend werden die Strecken JK, NQ und OP beidseits bis zum Umkreis verlängert. Methode B: In der Fig. 12 wird mit Hilfe des Strahlensatzes die Polygonseite AB gedrittelt. Man erhält so den Punkt O. Der Abstand AO wird um die Punkte A, E und C mittels Kreisbögen auf die restlichen Polygonseiten abgeschlagen um die Hilfspunkte N, O, P, Q, R und S zu erhalten. Sinngemäß wird wie bei der Methode A fortgesetzt. Fig. 12 Nonagonreport - 11 - DIE WINKELDREITEILUNG Die Dreiteilung eines Winkels wurde bereits auf der ersten Seite unter “NB” angesprochen. Gelingt es einen Winkel von 60° zu dritteln bzw. 40° oder 20° darzustellen, so ist der Nonagonzentriwinkel bestimmt. Mit eigenen Beispielen, die diesem Prinzip folgen, soll dieser Bericht abschließen. Vorerst wollen wir diesbezüglich in der Geschichte zurückblättern. HISTORISCHER ABRISS Zu einem der sog. „drei klassischen Grundprobleme“, welche die altgriechischen Mathematiker zu lösen versuchten, gehörte auch die Winkeldreiteilung. Indem man sich Fragen dieser Art immer wieder stellte und sich nur auf die euklidischen Werkzeuge beschränkte, die unserem heutigen Zirkel und dem unmarkierten Lineal entsprechen, machte man zusehends Fortschritte.1 Erst im frühen 19. Jh. wies der geniale Mathematiker Evariste Galois mit der von ihm weiter entwickelten algebraischen Gleichung nach, dass die geometrische Methode für die Dreiteilung des Winkels ungeeignet war.2 Wenn man heute nichtsdestoweniger diese Aufgabe zeichnerisch angeht, muss man sich jedenfalls eingestehen nur Näherungwerte zu erbringen. 3 Lösungen dieser Art kennen wir u.a. von Dürer.4 Man entwickelte seit der Antike sehr wohl Verfahren, die im Prinzip zu exakten Ergebnissen führten, nur sah man sich gezwungen das euklidische Instrumentarium zu erweitern.5 Soweit es unsere Beispiele aus der Antike und des Mittelalters betrifft, wandte man eine mechanische Methode an, die dem Ziehen einer Kreiskonchoide entspricht. Dieser Zusammenhang von Neusis6 und Winkeldreiteilung wird uns im folgenden beschäftigen. Wir wollen in chronologischer Reihenfolge drei große Meister der Geometrie und Mathematik zu Wort kommen lassen und ihre ins Lateinische gefassten bzw. übertragenen Texte lesen und kommentieren. ARCHIMEDES 287 v. Chr. (?), Syrakus – 212 v. Chr., Syrakus Es folgt die Abschrift der relevanten Textstelle samt zugehöriger Skizze. Sie wurde neu erstellt, die Bezeichnungen wurden jedoch beibehalten, lediglich der griechische Kleinbuchstabe „Alpha“ wurde eingefügt.7 Wie auch bei den anschließenden Buchauszügen wird dem lateinischen Text eine vom Autor dieser Arbeit stammende Übersetzung gegenübergestellt. KAISER & NÖBAUER „Geschichte der Mathematik“, Wien 1984, S. 130 Ebd.: S. 55 und 149 3 Ebd.: S. 134 oben 4 Ebd.: S. 137 f, siehe auch S. 4 dieses Berichtes 5 Historische Beispiele, ebd.: S. 134-137 6 Definition der Neusis: Ein auf einer Geraden liegender Punkt wird längs eines gegebenen Kreises oder einer gegebenen Geraden geführt (Leitkreis bzw. Leitlinie). Dabei bleibt die sich bewegende Gerade ständig mit einem Punkt in Berührung als würde sie, einem Stab vergleichbar, durch eine Öse gezogen (Pol). Zwei Punkte auf der gezogenen Geraden werden markiert, sodass zum eingangs erwähnten Punkt ein fixer Abstand gewahrt bleibt. Die Spur dieser Punkte werden aufgezeichnet (Konchoide). Auch Konstruktionen mit einem Punkt gibt es. 7 HEIBERG „Archimedis Opera“, Leipzig 1910-15, II2, S. 518 1 2 - 12 - Nonagonreport LIBER ASSUMPTORUM (Buch der Hilfssätze) Satz 8 Wenn man in einem Kreis eine xbeliebige Gerade (AB) legt, sie geradlinig weiter führt und BC die Länge des Kreisradius gibt, weiters C mit dem Mittelpunkt – nämlich D – verbindet und diese Linie bis E weiter zieht, (dann) wird der Bogen AE das Dreifache des Bogens BF ausmachen. Wir zeichnen also parallel zu AB die Gerade EG und verbinden B und G jeweils mit D. Weil die beiden Winkel DEG und DGE gleich sind, wird der Winkel GDC das Doppelte des Winkels DEG sein [Eukl. I. 32].1 Und weil der Winkel BDC gleich dem Winkel BCD ist und der Winkel CEG gleich dem Winkel ACE ist [Eukl. I. 29], wird der Winkel GDC doppelt so groß wie der Winkel CDB sein.2Der gesamte Winkel BDG wird somit das Dreifache des Winkels BDC betragen, und die Bögen BG und AE werden gleich groß und jeweils drei mal so groß wie der Bogen BF [Eukl. III, 26] sein, und das wollten wir ja. LIBER ASSUMPTORUM VIII Si egrediatur in circulo linea AB ubicumque et producatur in directum, et ponatur BC aequalis semidiametro circuli, et iungatur ex C ad centrum circuli, quod est D, et producatur ad E, erit arcus AE triplus arcus BF. Educamus igitur EG parallelam ipsi AB, et iungamus DB, DG. Et quia duo anguli DEG, DGE sunt aequales, erit angulus GDC duplus anguli DEG [Eucl. I, 32].1 Et quia angulus BDC aequalis est angulo BCD, et angulus CEG aequalis est angulo ACE [Eucl. I, 29], erit angulus GDC duplus anguli CDB2 et totus angulus BDG triplus anguli BDC, et arcus BG aequalis arcui AE tríplus est arcus BF [Eucl. III, 26]. Et hoc est, quod voluimus. Wie wir sehen, beruft sich Archimedes auf die Winkelsätze Euklids. Es steht nur mehr an, darzulegen, dass die spitzen Winkeln des Dreiecks DCB denen des schon genannten gleichen, da so der Gesamtwinkel BDG aus drei gleichen Winkeln bestünde. Dies ist der Fall, denn die Strecken AB und EG sind parallel und bilden durch die Verbindungslinie CE gleiche Winkel. Sowohl diebeiden Winkelsumme eines Dreiecks (siehe EGD) als auch ein gestreckter Winkel (siehe (Dass die Dreiecke gleichschenklig EDF)beweisen betragendie je 180°. Um den stumpfen sind, je kürzeren Schenkel, dieWinkel dieses Dreiecks zu ermitteln, hat man daher von 180° Summe der beiden spitzen Dass Winkel an der Basislinie abzuziehen. Folglich muss der alle derdie Länge des Radius entsprechen. Außenwinkel FDG des besagten stumpfen Winkels jener Summierung gleich kommen. sie auch deckungsgleich sind, wird durch die Wie wir gegebene sehen, beruft sich Archimedes auf die Winkelsätze Euklids. zusätzlich Winkelgleichheit bewiesen.) Nonagonreport - 13 - KOMMENTAR: Aus dem ersten Satz der Textstelle geht hervor, dass mit dieser Methode auf die Winkelgröße kein Einfluss genommen werden kann. Will man hingegen einen bestimmten Winkel dritteln, ist folgendes zu tun; man zeichnet zunächst einen Kreis und macht den Mittelpunkt zum Scheitel des gewünschten Winkels ADE. Dann wird die Strecke ED über den Kreis hinaus verlängert. Nun nimmt man ein Lineal zur Hand und markiert die Radiuslänge von einem seiner Enden ausgehend und bezeichnet diesen Abschnitt etwa mit E´D´. Während der anschließenden Bewegung des Messstreifens im Uhrzeigersinn ist darauf zu achten, dass dessen Kante stets den Punkt A berührt, und E´ am Kreisumfang entlang zieht. Der Vorgang wird so lange fortgesetzt, bis D´ den verlängerten Durchmesser schneidet, womit E´D´ über BC liegt. Der so entstandene Winkel BDF ist ein Drittel des gegebenen ADE bzw. seiner achsensymmetrischen Entsprechung BDG. Die Kurve, die das Linealende hier beschreibt, ist eine Kreiskonchoide 1. Bringen wir kurz die Definition der Neusis der S. 11 (Fußnote 6) zu diesem Ergebnis in Beziehung: Punkt A wäre, allgemeiner gesagt, der Pol. Den beiden Linien entsprechen hier zum einen der Kreisbogen (Leitlinie), und zum anderen der durch die Radiuslänge (konstanter Abstand k) entstehende spezielle Kurvenverlauf. Clagett zitiert T.L. Heath und Heiberg.2 Nach ihnen könne man zwar nicht das Gesamtwerk des „liber assumptorum“, aber sehr wohl diesen Lehrsatz auf Archimedes zurückführen. Denn die Propositionen VI und VII seiner Abhandlung „Über Spirallinien“ schließen die Winkeldreiteilung der Möglichkeit nach ein.3 1 Wir müssen zwischen Kreiskonchoiden und Geradenkonchoiden unterscheiden (Suchbegriff „Konchoide“ im Internet). Unter http://www-history.mcs.st-and.ac.uk~history/Indexes/Greeks.html stößt man auf die obige Darstellung, doch ohne den Streckenzug DGED. Diese Zeichnung wird nochmals gebracht, diesmal mit der Kreiskonchoide. 2 CLAGETT,ebd.:Bd. I, S. 667 f 3 T.L. HEATH (deutsch von F. Kliem), „Archimedes´ Werke” (Leipzig, 1914), S. 94 f und 289 f Nonagonreport ABU´l WAFA - 14 - (Abu´l Wefâ’) Er wurde 940 n. Chr., in Buzagan (jetzt im Iran) geboren, starb 997 in Bagdad und gilt heute noch als bedeutender Mathematiker (Berechnungen von Sinustafeln; Sinussatz) und Geometer (ebene und sphärische Trigonometrie). Auch als Astronom leistete er Wesentliches, so entdeckte er beispielsweise die Variation in der Mondbahn. Daher verwundert es nicht, dass nach ihm ein Mondkrater benannt wurde.1 Abgesehen von seinen naturwissenschaftlichen Leistungen, tat er sich als einer der letzten Übersetzer und Kommentatoren der griechischen Autoren hervor (u.a. von Werken des Euklids und des Diophantus). Außerdem schrieb er für Kunsthandwerker eine Abhandlung über geometrische Konstruktionen. Für Abu´l Wafa, dem Geometer, trifft der Spruch Goethes ´in der Beschränkung erst zeigt sich der Meister´ zu. Von der Reduktion des Instrumentariums bei den Griechen haben wir schon gehört. So gesehen, war es eine „asketische Zugabe“ seinerseits geometrische Operationen mit einer fixierten Zirkelöffnung auszuführen (später tauchte dafür die Bezeichnung „rostiger Zirkel“ auf). Es heißt, er hätte auf diese Weise sogar ein Fünfeck konstruiert.2 Überhaupt beschäftigte er sich mit den regelmäßigen Vielecken, beschrieb ihre Konstruktion und zeichnete sie.3 Was das Nonagon anlangt, griff er auf die Konstruktion der Winkeldreiteilung des Archimedes zurück und ging logischerweise vom 60° Winkel aus (siehe den Winkel AMB auf der umseitigen Zeichnung4). Konstruktionsvorgang: Der Eckpunkt M des gleichseitigen Dreiecks MBA bildet den Mittelpunkt eines Halbkreises mit dem Radius MB. Über ihn wird eine Senkrechte errichtet. Und nun kommt wieder die Bewegungsgeometrie zum Einsatz: Vorerst aber hat man noch die Länge des Kreisdurchmessers auf einem Lineal von einem der Enden weg, etwa mit den Bezeichnungen E´C´, zu markieren. Die über C´ hinausweisende Linealkante legt man an den Kreispunkt A an. Während man das Linealende jenseits des Halbkreises auf der verlängerten Strecke BM auswärts zieht, ist es erforderlich, dass seine Kante stets A berührt. Man führt die Messstabspitze so lange darauf weiter, bis C´ die senkrechte Achse über M schneidet. damit wir der Kreisschnittpunkt D zum Halbierungspunkt der Strecke EC, sodass die Abstände ED und DC jeweils der Radiuslänge entsprechen. Man kommt zum selben Ergebnis, wenn man am Lineal den Halbierungspunkt von E´C´ einzeichnet (D´) und ihn am Kreisumfang nach links zieht, wobei er wieder durch A geführt werden muss (siehe auch S. 22, Fig. 3). Abschließend legt man durch M eine Parallele zu EA. Beweis: Die Schenkel der beiden Dreiecke EMD und ADM an den stumpfen Winkeln haben Radiuslänge, sodass wir es mit gleichschenkligen Dreiecken und ihren jeweils gleich großen Winkeln zu tun haben. Weil bekanntlich der Außenwinkel 1 Encyclopaedia Britannica: http://www.aam314.vzz.net/EB/Abul-Wafa.html http://www.oliver-bieri.ch/mascheroni/abul_wefa.htm http://www.oliver-bieri.ch/mascheroni/abul_5eck.htm 3 SUTER, H. „Das Buch der geometrischen Konstruktionen des Abu’l Wafa“, Abhandlungen zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Medizin, Erlangen, Heft 4,1922, S. 94-109 / siehe die Seiten 96 f und 102-105 (an dieser Stelle sei Herrn Prof. Udo Hebisch für die voranstehende Literaturangabe gedankt) 4 Zur umseitigen Figur , vgl. die Darstellung auf S. 105 in Suters Buch (Fußnote 3) 2 Nonagonreport - 15 - eines Dreiecks die Summe der nicht anliegenden Innenwinkel ausmacht, ist in diesem Fall der Winkel ADM (2α) das Doppelte des Winkels DEM (α). Die Winkelöffnung von DAM (2α) wiederholt sich in der von AMF (2α), da die Parallelen EA und MF, durch die Verbindungslinie AM bedingt, nur gleich große Winkel einschließen können. Durch diese Parallelen entstehen auch die sich gleichenden Winkel DEM (α) und FMB (α). Daher setzt sich der angenommene 60° Winkel AMB aus den Winkelmaßen α und 2α (= 20° + 40°) zusammen. JORDANUS DE NEMORE Die herausragende Rolle von Archimedes in der Wissenschaftsgeschichte ist unbestritten. Alle großen Gestalten, die am Vorbeginn der mechanischen Revolution stehen, wie etwa Galilei, erwähnen ihn. Doch kaum jemand weiss, wie dieses Wissen aus Griechenland in das mittelalterliche Europa eindrang. Vor dem 12. Jahrhundert gab es hier keinen Archimedes in lateinischer Sprache, im Unterschied zu einem Euklid oder Aristoteles. Da selbst in Byzanz nur eine geringe Anzahl seiner Werke bekannt war, galt das auch für die Araber. Sie übersetzten, kommentierten seine Werke und zogen daraus auch ihre Schlussfolgerungen. Durch ihre Transkriptionen gelangten die archimedischen Lehren nach Westen. Erst 1906 entdeckte Heiberg in Konstantinopel das noch fehlende Manuskript, womit sich - spät aber doch - der Forschung diesbezüglich ein abgerundetes Bild bot.1 Im Sinne der Wissensvermittlung ist für das späte Mittelalter das Schriftgut der „Drei Brüder“ nicht zu unterschätzen, das man im sog. „liber trium fratrum“ zusammenfasste. Auch die Bezeichnung „verba filiorum“ war üblich, was so viel wie ´Die Unterredungen der Söhne´ heißt. Im Bagdad des 9. Jh. hatten drei Jünglinge das Glück, dass ihnen ihr Vater eine naturwissenschaftlich orientierte Ausbildung angedeihen ließ. Als erwachsene Männer gehörten sie einem Gelehrtenzirkel an, der „Banu Musa“. Die jüngere Forschung nimmt an,2 dass des „Jordanus vom Walde“ Lebensdaten in das späte 12. und das frühe 13. Jh. fallen und identifiziert diese Gestalt immer weniger mit „Jordan von Sachsen“ (Jordanus de Saxonia), dem zweiten Ordensgeneral der Dominikaner, wie das die frühere Forschung zumeist tat. 3 MARSHALL CLAGETT, „Archimedes in the Middle Ages“ (Bd. I – V, 1964-68), siehe Bd. I, S.2 Wie etwa Barnabas Hughes u. M. Clagett 3 Wie etwa MAXIMILIAN CURTZE in „Jordani Nemorarii Geometria vel de Triangulis Libri IV” (Thorn, 1887), S. IV-VI 1 2 Nonagonreport - 16 - Der 20. Lehrsatz des vierten Buches des „liber de triangulis“ wird uns auf den folgenden Seiten beschäftigen. Clagett kam auf Grund seiner umfangreichen Recherchen immer mehr zur Ansicht, dass Jordanus nemorarius nicht dieses Werk schrieb, dass aber sehr wohl Teile seines „liber philotegni“1 hereingenommen, andere aber und zwar die, welche mit zum Kernstück seiner Lehrsätze gehörten, herausgestrichen wurden.2 Damit hat sich das inhaltliche Schwergewicht von den Dreiecken und Vielecken auf eine mehr allgemein gehaltene Geometrie hin verlagert, worauf auch die Titelerweiterung schließen lässt (siehe Fußnote 3 der Vorseite). Und vieles mehr spricht gegen die Urheberschaft des Jordanus de nemore, laut Clagett. 3 Das uns betreffende Kapitel über die Winkeldreiteilung ist ergo ein Teil dieser Anreicherung, die mit noch anderen von einem Anonymus zusammengestellt wurde. Es ist in drei Abschnitte gegliedert.4 Der Erste paraphrasiert die Stelle aus den „verba filiorum“, was ein Textvergleich belegt.5 Er beinhaltet den Konstruktionsvorgang und seinen Beweis (siehe die nächsten zwei Seiten). Der sehr kurze Zweite stellt eine Variante dar (S.19). Für beide ist die Fig. 20a dienlich, die wir in Nachzeichnungen den jeweiligen Textstellen zuordnen. Der zweite und dritte Teil gehen nicht auf die „Drei Brüder“ zurück, dürften aber ebenfalls arabischen Ursprungs sein. Die Art, wie alle drei Abschnitte verknüpft wurden, lässt auf einen einzigen Urheber schließen. Dann wären sie in ihrer Gesamtheit dem „liber de triangulis“ eingefügt worden. 6 Für den dritten Teil wurde die Figur 20b erstellt (S.21). Curtze und etwa 100 Jahre nach ihm Clagett vertreten die Ansicht, dass der Literaturverweis des letzten Abschnitts auf Alhazen, der eigentlich Ibn al-Haitham (engl.: Ibn al-Haytham) hieß, abzielt (siehe Fußnote 1, S. 20). Alhazen wurde 965 (?) in Basra geboren und starb 1039 in Kairo.Er soll als erster ein Nilstaudammprojekt in Angriff genommen haben, dessen Durchführung jedoch scheiterte. Sein Hauptwerk „de aspectibus“ bzw. „perspectiva“ übte bis ins frühe 17. Jh. seinen Einfluss auf das naturwissenschaftliche Denken Europas aus.7 Sein Inhalt ist im weitesten Sinn „das Optische“ und handelt von der Lichttheorie und Strahlengeometrie, auch von der visuellen Wahrnehmung. Damit kommt auch die Perspektive zu Wort. Gerade die letzteren Aspekte erschlossen den Künstlern neue Wege der Darstellung, wie die Werke etwa von Giotto, Ghiberti und Leonardo in steigendem Maße zeigen. 8 Bei den Figuren 20a und 20b der Tafel IV aus Curtzes Werk über „Jordanus“ fällt die generelle Bezeichnung von Punkten und Geraden mit Kleinbuchstaben auf (siehe S.21). Sie wurde in den Nachzeichnungen beibehalten. So wird z.B. eine Strecke von z über h nach q unterteilt, ohne bestimmtes Ende fortgeführt und als Gerade zh oder zeh im Textteil angeführt. 1 Zur Begriffsherleitung siehe CLAGETT, ebd.: Bd. V, S. 151 CLAGETT, ebd.: Bd. V, S.297 f 3 CLAGETT, ebd.: Bd. V, 302 ff 4 Die in Curtzes Buch (ebd.:S.38 f) wieder gegebene Textstelle (IV. 20) des herangezogenen Manuskripts wird gegliedert in die Zeilen: 3-24, 25-28, 29-43. Sie entspricht in diesem Bericht den Seiten 17 f, 19, 20. 5 Vergl. dazu CLAGETT, Bd. V, S.412 f mit Bd. I, S. 344 f 6 Siehe CLAGETT, ebd.: Bd. V, S. 324 7 Die Titelfrage betreffend, siehe A. MARK SMITH, „Alhazen´s theory of visual perception“ (Philadelphia, 2001), S. XXI 8 SMITH, ebd.: S. CIV-CXII 2 - 17 - Nonagonreport 20. WENN EIN X - BELIEBIGER WINKEL IN DREI GLEICHE TEILE ZU TEILEN IST 20. QUEMLIBET RECTILINEUM IN DIVIDERE ANGULUM TRIA EQUA Es soll der spitze Winkel abg in drei gleiche Teile geteilt werden. Über dem angenommenen Zentrum b sei der Kreis dzm zu zeichnen und db bis l zu verlängern, und weiters sei auf dl die Senkrechte bz zu errichten. Ich werde die Strecke ze auf h weiter ziehen und die Gerade zh nicht begrenzen. Auch werde ich von zh (das Teilstück) zq, das dem Radius gleich kommt, abtrennen. Stellen wir uns also vor, die Linie zeh würde so gegen a bewegt werden, dass z sich nicht im Laufe seiner Weiterbewegung vom Umfang entfernen, [und] zh unablässig über e hinausgehen, (hiebei) jedoch stets am Punkt e festhangen würde.1 Auch würde z die Bewegung (so lange) nicht einstellen, bis q auf bz sei. Das Ende der Bewegung wäre (erst) in t erreicht, womit t sozusagen ein Teil von zh sein wird. Oder um es anders zu sagen, zh wird auf te liegen und ts wird gleich zq oder dem Radius bd sein. Sit angulus abg acutus in tria dividendus. Super b sumpto centro describatur circulus dzm, protrahatur db in l, erigaturque bz perpendicularis ad dl, protrahamque lineam ze in h et non ponam lineae zh finem determinatam, et resecabo de zh zq equalem db semidiametro. Imaginemus igitur quod linea zeh moveatur versus a ita, quod z motu suo non recedat a circumferentia, et linea zh non cesset transire super e, sed semper inhereat puncto e,1 et non cesset z motu, quousque q sit super bz, sitque terminus illius motus t, erit ergo et quasi pars lineae zh, vel, ut aliter dicam, zh iacebit super te, eritque ts equalis zq, sive bd semidiametro. d 1 Ist man mit der Bewegungsgeometrie nicht vertraut, wird man diesen Passus wahrscheinlich missinterpretieren. Betrachtet man nämlich die zum verlängerten Durchmesser sich neigende Gerade zh, kann man sich nur vorstellen, dass jene nach rechts ihre Richtung einschlagen wird. Liest man dann, dass letztlich zq auf ts zu liegen kommt, so denkt man, dass diese Gerade in e wohl eine Wende macht, um auf die „Schiene“ te zu gelangen. Tatsächlich ist diese Lage der Sehne tse am Ende ihrer Bewegung – im Sinne der Neusis – das Ergebnis des Umlaufes von zqh am Kreis nach links. Jordanus bzw. der Anonymus geben die entsprechende Textstelle der „Drei Brüder“ nicht wortwörtlich wieder. Denn in den „verba filiorum“, so wie sie von Gerard von Cremona übersetzt wurden, ist von einer Bewegung in Richtung l die Rede, also gegen einen Punkt und nicht gegen eine Gerade (a). Siehe dazu CLAGETT, ebd. : Bd. I, S. 344 – 349, insbes. 346 f. 1. Anmerkung: Während wir uns bei der Übertragung dieser Textstelle allein auf die in Curtzes Buch (ebd.: S. 38 f) zitierte Handschrift stützten, hatte Clagett zu diesem Zweck noch andere zur Hand (ebd.: Bd. V, S. 412 ff, 468 f u. Bd. I, S. 669). Was nun den Satz mit der Bewegung von zh gegen l angeht, ist zu sagen: Die von Clagett zur Übersetzung benutzten Abschriften folgen den „Drei Brüdern“ (man vergleiche die Texte von Bd. I, S. 374 mit Bd. V, S. 468). Clagett nimmt an, dass diese originelle Lösung der Banu Musa-Gelehrten möglicherweise auf Archimedes zurückgeht (ebd.: Bd. I, S. 667 f). 2. Anmerkung: Der Ausdruck in der eckigen Klammer steht zwar im lat. Text, kann aber überlesen werden, der in der runden Klammer Nonagonreport - 18 - hingegen wurde aus Gründen der Text- geschmeidigkeit in die Übersetzung eingefügt. Ferner behaupte ich, dass der Bogen tl ein Drittel des Bogens de ausmacht. Wir wollen von Punkt b beginnend die zu te Parallele bm ziehen, und ich will (dann) bm bis k verlängern, und es sollen (noch) die Punkte t und m miteinander verbunden werden. Dico autem tl esse terciam arcus de. Protrahamus a puncto b bm equedistantem te lineae et protraham bm in k, et coniungantur puncta t, m. Beweisführung Ts und mb sind gleich lang und parallel. Also sind auch mt und bs1 gleich lang und parallel. Es steht bz senkrecht auf dl, also schneidet dl mt im rechten Winkel und deshalb schneidet dl die Sehne mt zu gleichen Teilen.2 Damit sind (auch) die Bögen ml und lt gleich lang. Ebenso gleichen sich die Bögen ml und dk, weil die im Mittelpunkt b sich überschneidenden Geraden mk und dl wechselseitig gleiche Winkel bilden.3 Folglich ist der (in vorstellbarer Weise) aus zwei gleichen Stücken bestehende Bogen ke4 in Bezug auf dk das Zweifache, und deshalb macht der Winkel kbe bezüglich kbd das Doppelte aus. Hat man also kbe in zwei gleiche Sektoren geteilt, wird (auch) der vorgeschlagene Winkel abg in drei gleiche Sektoren zerfallen. Falls man sich aber vornimmt einen Winkel, der über einen spitzen hinausgeht, zu dritteln, so muss jener zuerst halbiert werden, und so wird jede Hälfte spitzwinklig sein. Dann erst ist es möglich jede von ihnen nach besagter Weise in drei gleiche Abschnitte zu teilen und damit geht der Plan auf. Argue Ts equalis est mb et equedistans, ergo mt, bg1 sunt equales et equedistantes; et bz est perpendicularis ad dl, ergo mt secat dl ad angulos rectos, ergo dl secat mt cordam in duo equa,2 ergo ml, lt arcus sunt equales. Item ml, dk arcus sunt equales, quia mk, dl sese intersecantes in centro b faciunt angulos ad invicem equales,3 ergo a duplici pari kl4 arcus ad dk est duplus, ergo angulus kbe ad kbd est duplus. Diviso ergo kbe in duo equa erit angulos propositus abg in tria equalia divisus. Si vero proponatur angulus maior acuto in tria equalia dividendus, dividatur primo ille in duas medietates, quarum utraque pars erit angulus acutus; demum dividatur utraque illarum medietatum in tria equa secundum dictum modum, constat ergo propositum. 5 5 Der Ausdruck „bg“ im lateinischen Text ist falsch, es müsste „bs“ heißen (siehe CURTZE, ebd.: Seite 39 /Zeile 5). 1 2 mt zerfällt nur deswegen in gleiche Teile, weil dl deren Symmetrale ist. Darauf weist der Text allerdings nicht hin. 3 Wir würden heute von Scheitelwinkel sprechen. 4 Der Ausdruck „kl“ im lateinischen Text ist falsch, es müsste „ke“ heißen (siehe CURTZE, ebd.: Seite 39 / Zeile 10). Da der Bogen ke in der Zeichnung keineswegs als halbiert aufscheint, wurde in der Übersetzung der Passus „....in vorstellbarer Weise ...“ eingefügt. Wenn „Jordanus“ bei diesem Bogen die Zweigeteiltheit vorwegnimmt, tut er dies in der Gewissheit, dass er dem anderen, tatsächlich halbierten, als spiegelsymmetrische Form gleicht. Den Beweis für die gleiche Größe der beiden Bögen zu erbringen, achtete er indes für nicht notwendig. Er könnte lauten: mt und ke stellen sich als Schenkel eines gleichschenkligen Trapezes dar mit dem Umkreismittelpunkt in b. Nonagonreport Ein klein wenig anschaulicher [auch] lässt sich das nur (noch) mit folgender Version erbringen und zwar, wenn an Stelle von hz len verlängert wird, [und] insofern (der Streckenzug) lbz rechtwinklig ist, gleicht (der Abschnitt) ol bl.1 Stellen wir uns also vor; die Gerade ln bewege sich so auf z zu, dass sie stets durch e hindurchgeht, und werde (so lange) weiter bewegt, bis o auf bz liegt.2 Alles weitere, wie gehabt. - 19 - Paululum quoque apertius idem probatur hoc solo variato , quod pro hz protrahatur len, et cum lbz sit rectus sit ol equalis bl lineae.1 Imaginemus ergo nl sic moveri versus z, ut ln semper pertranseat super e, moveaturque ln quousque o sit in bz, cetera ut prius.2 1 Es wird ein Zusammenhang zwischen den aufeinander recht winkligen Radien hergestellt und deren Länge mit ol, der einfach so nicht besteht. Die Aussage, dass man lb auf ln überträgt und so den Punkt o erhält, hätte genügt. 2 Um nicht nur auf unsere Vorstellung angewiesen zu sein, wurde auf der obigen Darstellung die vorseitige Zeichnung um die Gerade n ergänzt und zh, das hier keine Rolle spielt, eliminiert (siehe Abb. S. 17). Wir bemerken, dass die Strecke lo dem Radius gleicht und dass n den Punkt e schneidet. Denken wir uns l als Endpunkt dieser Geraden und lassen jenen in unserem geistigen Auge am Kreisbogen bis t ziehen, so wird letztlich lo mit ts identisch sein. Die Handschrift, auf die Curtze sich in seinem Buch stützt, stellt für den 20. Satz des vierten Buches zwei Darstellungen zur Verfügung (Fig. 20a, Fig. 20b), wobei die zweite einem alternativen und letzten Konstruktionsweg zugeordnet ist (siehe übernächste S.). In einer anderen Handschrift wurden sie zu einer zusammen gefasst, wobei zusätzlich die Linie n aufscheint (siehe CLAGETT, ebd.: Bd. I, S. 673, Fig. 97, er nennt auch zwei Manuskripte mit je drei Diagrammen, siehe seinen Bd. I, S. 669f). Die Fig. 20a entspricht der aus den „verba filiorum“ (siehe CLAGETT, ebd.: Bd. 1, S. 345, Fig. 53). Auf die Fig. 20b könnte auch eine dem Campanus zugesprochene Darstellung zurückgehen. Dieser brachte 1482 seine Fassung der „Elemente des Euklid“ heraus und fügte ihr ein kurzes Kapitel über die Winkeldreiteilung an (siehe CLAGETT, ebd.: Bd.1, S. 678 – 681, Fig. 98). Nonagonreport Mit der obigen Darlegung der Winkeldreiteilung bin ich keineswegs zufrieden, weil sie nicht genügend Beweiskraft hat. Damit sie mich (aber) zufrieden stellt, führe ich dasselbe so vor (siehe auch Fig. 20b): Gegeben sei der spitze Winkel abg; es soll in b die Zirkelspitze eingesetzt und ein Kreis gezeichnet werden. Auch soll ab bis zum Punkt l, der am Umfang liegt, verlängert werden. Weiters sei vom Mittelpunkt ausgehend die Normale auf dl, nämlich bz, zu errichten. Und dann heißt es (noch) eine vom Punkt e ausgehende Gerade durch den Radius bz zu legen, wobei man den 19. Satz der „fünften Perspektive“ zu Rate zieht, auf dass ts gleich dem Radius bl werde.1 Nun zeichne man (noch) die zu tse parallele Gerade bm und verlängere sie bis k. Weil also bm und ts gleich lang und parallel sind, werden das auch bs und mt sein. Nachdem lbz einen rechten Winkel bildet, gilt dies auch für bft, und deshalb wird mt durch die Strecke bf halbiert,2 und damit ist der Bogen mt doppelt so groß wie der Bogen ml. Aber der Bogen mt gleicht dem Bogen ke wegen der Parallelität.3 Deshalb beträgt er das Zweifache des Bogens ml – also auch des Bogens dk. Würde man ergo ke halbieren, (dann) wird sich die Annahme bestätigen. Wenn der Winkel größer als ein spitzer ist, hat man ihn in zwei Spitze zu zerlegen, muss jeden der beiden dritteln, und so ist die Aufgabe erfüllt. - 20 - De divisione anguli in tres partes equales mihi nequaquem sufficit dicta demonstratio, eo quod nihil certum in eo reperio, ut autem mihi me sufficientem faciam, hoc idem sic demonstro: Datus angulus acutus sit abg; igitur in b posito pede circini describatur circulus, et protrahatur ab ad l in peripheria, et e centro super dl extrahatur perpendicularis bz, et a puncto e per bz semidiametrum ducatur linea per figuram 19. quinti perspectivae ut ts sit equalis semidiametro bl.1 Ducatur ergo bm equedistans lineae tse, et protrahatur ad k. Quia igitur bm, ts sunt equales et equedistantes, erunt bs et mt equales et equedistantes, ergo, cum angulus lbz sit rectus, erit bft rectus, ergo mt secatur per lineam bf per equalia,2 ergo arcus tm est duplus ad arcum ml. Sed arcus mt est equalis arcui ke propter equedistantiam,3 ergo arcus ke est duplus ad arcum ml, ergo et ad arcum dk. Dividatur ergo ke per equalia, habebitur propositum. Si fuerit angulus maior acuto, dividatur in duos acutos et utriusque sumatur pars tertia, et habetur propositum. 1 Curtze vermutet, dass Jordanus sich auf die betreffende Stelle aus dem 5. Buch der PERSPECTIVA ALACEN bezieht (Ebd.: XIII unten, XIV) räumt jedoch ein die betreffende Handschrift nicht zu kennen. Clagett hatte jedoch die Möglichkeit in sehr viele Abschriften der PERSPECTIVA des arabischen Mathematikers Alhazen einzusehen. So etwa erwähnt er den Codex 5322 (147v – 150r) der Österr. Nationalbibliothek (CLAGETT, ebd.; Bd. IV, S. 19, Fußnote 41). Er meint aber, dass sich der Autor des “liber de triangulis” auf den 34. und nicht auf den 19. Lehrsatz bezogen hätte (CLAGETT, ebd.: Bd. IV, S.19 f). 2 Der Grund für die Halbierung kann nur der sein, dass mt eine Kreissehne ist und lb deren Symmetrale darstellt (die durch den Mittelpunkt gehen muss). Siehe dazu Fußnote 2 der S. 18. 3 Gemeint ist, dass mk und te Parallele im Kreis sind und folglich die Bögen mt und ke nur gleiche Länge haben können. Nonagonreport - 21 - Abschließend sollen die Zeichnungen 20a und 20b der Tafel IV aus Curtzes Buch 1 zwei Nachzeichnungen gegenüber gestellt werden. Beim ersten Vergleichspaar (IV, 20a / Fig. 1) besteht der Unterschied lediglich in der Drehung des Durchmessers lbd gegen den Uhrzeigersinn aus der Senkrechten in die Waagrechte, was die Figuration statischer erscheinen lässt. Da sie so der Ausrichtung und Lage nach auch mit den Abbildungen der zwei älteren Meister übereinstimmt, wird eine wechselweise Betrachtung erleichtert. Lediglich zeh wurde eliminiert (siehe S.17) und auf die Gerade n der alternativen Methode (siehe S.19) wurde ebenfalls verzichtet. Somit zeigt sich die Fig. 1 als eine purifizierte Fassung – bar jener „bewegungsgeometrischen Krücken“. Sehen wir nun die Darstellung 20b mit der Fig. 2 zusammen: Bloß eine geringfügige Lagenveränderung ist festzustellen, denn die Gerade a liegt jetzt horizontal. Beide Zeichnungen beziehen sich auf den letzten Textabschnitt, der auf Alhazen Bezug nimmt (siehe vorige Seite). Vergleichen wir noch die übereinander gesetzten Darstellungen (Fig.1 und Fig.2). Sie sind identisch und wurden nur um eine imaginäre, horizontale Achse gespiegelt. Fig.1 Fig.2 Also ist es einsichtig geworden, dass der Autor des „liber de triangulis“ uns im Prinzip ein und dieselbe Figur vorführt. Wie sie und die Abu’l Wafas mit der entsprechenden des Archimedes zusammenhängt, wird im Folgenden ausgeführt. 1 Siehe S. 15, Fußnote 3 Nonagonreport - 22 - DER ZUSAMMENHANG MIT ARCHIMEDES „Wenn A irgendein Punkt auf einem Kreis mit dem Radius MB ist, so ist es möglich durch A eine Gerade zu ziehen, die den Kreis zum zweiten mal in D und die Verlängerung von BM in E schneidet, sodass der Abschnitt DE eine gegebene Länge hat.“1 „Wenn ADE so gezogen wird, dass DE gleich dem Radius MB ist, dann ist der Bogen AB drei mal so groß wie der Bogen DF.“ Der Text stammt wieder aus dem oben genannten Werk (S. 95). Die nebenstehende Zeichnung macht klar, wie das allgemeine Theorem dem Zweck der Winkeldreiteilung dienlich gemacht wurde. Wir kennen diese Graphik schon von S.12, doch jetzt ist sie spiegelbildlich dargestellt. Der verlängerte Durchmesser EFC (S.12) kam in die waagrechte Lage (EFB). Hinzugefügt wurde die Normale MC über dem Mittelpunkt. Damit hat sich ausschließlich das Erscheinungsbild gewandelt, das so mit der Fig. 3 übereinstimmt. Es fehlt bloß die untere Kreishälfte. Auch diese Darstellung ist uns bekannt (S. 15). Hier wurde jedoch ein Teilstück der Konchoide hinzugefügt. Abu´l Wafa wendet also die Neusis-Konstruktion des Archimedes an, um den 60° Winkel zu dritteln. Das zu ziehende Messlineal hat im Moment, wo es noch parallel zu FM liegt, auch diesen Abstand – siehe GA. Der Streckenzug FGABF stellt sich dann als ein halbes Sechseck dar und die Punkte F,M,A,G und F umreißen einen Rhombus. Fig.1 Fig.2 Fig.3 Es sei angemerkt, dass die Höhe des MBA der Strecke EF fast gleich kommt. Tragen wir diesen Abstand von F aus auf der Geraden BF nach links ab, so kommt man dem Punkt E sehr nahe. Nennen wir ihn E´. Der AE´B würde 20,104° aufweisen. Die Ergänzung auf 60° ergäbe 39,896°. Siehe T.L. HEATH (Deutsch von F. Kliem) „Archimedes´ Werke“ ( Berlin, 1914), S. 95. Bei diesem Zitat wurden die Punkte umbenannt, was auch bei der Nachzeichnung geschah, die außerdem seitenverkehrt wiedergegeben wurde. 1 Nonagonreport Schon bei den Fig. 2 und 3 der Vorseite fiel auf, dass die Abschnitte ED und CD (Radiuslänge!) sich gleichen. Die rechts stehende Zeichnung kennen wir schon vom „Pseudo-Jordanus“ (siehe die Abb. auf S. 20). Bloß die Sehne AD wurde hier verlängert, um die Formgleichheit mit den zwei letzten Darstellungen zu dokumentieren. - 23 - Fig.1 Diese Neusis-Konstruktion ist insofern eine Alternative zu den vorhergehenden als der gegebene Abstand k (= Radius) sich nicht außerhalb, sondern innerhalb des Kreisbogens (= Leitkurve) bewegt (siehe die Kurve zwischen A und C). Fig.2 Die Fig. 2 fasst – ganz im Sinne des Wortes – die Darstellungen dieses Theoriekapitels zusammen.1 Die Gerade h – so stelle man sich vor – wird so durch den Punkt A am Kreis (= Pol) gezogen, dass der Halbierungspunkt J der Teilstrecke K´K bei der Bewegung am Umfang (= Leitkurve) bleibt. Dadurch entsteht eine innere und äußere Konchoide. Letztere schneidet den verlängerten Diameter FB in E. Abu´l Wafa bediente sich ihrer (siehe zum Vergleich Fig. 3 der Vorseite). Sehen wir nun die Pascal´sche Schnecke mit der Darstellung auf S. 17 zusammen, für die ja die Banu Musa-Gruppe Pate stand.2 Dem auf den Durchmesser ld gefällten Lot sb ist hier die auf FB errichtete Senkrechte CM gleichzusetzen. Den Markierungen z und q auf dem Bewegungslineal entspricht hier J und K auf der Geraden h. Für die Winkeldreiteilung von AMB ist der Weg von Punkt J bis D am Umfang zurückzulegen, derweilen K die senkrechte Mittelachse über dem Durchmesser FB in C schneidet. Man vergleiche bei den Abbildungen dieser Seite die Bahn der Konchoide von A nach C. 1 Sie wird nach Etienne Pascal, dem Vater Blaise Pascals, Pascal´sche Schnecke genannt. Ob sie schon in der Antike bekannt war, wissen wir nicht. 2 Siehe Clagett, ebd.: Bd. I, S. 345, Fig.: 53 Nonagonreport - 24 - Die Pascal´sche Schnecke beinhaltet auch die erklärende Figur zum 8. Satz aus dem „liber assumptorum“ des Archimedes. Der z-förmige Streckenzug DAGHMIB entspricht nämlich dem auf S.12 [ABCFDEG]. Der Bogen DI [bzw. AE, S. 12] ist das Dreifache des Bogens AH [bzw. BF, S. 12]. Die genannten Winkelbeziehungen scheinen auch in den Zeichnungen Abu´l Wafas und der Banu Musa-Gruppe und somit auch beim „PseudoJordanus“ auf, denn die Messlatte h zieht durch die „Öse“ A nach links (siehe Fig. 3 der S. 22 und Fig. 1 der Vorseite). Welche Arbeitsschritte müssen wir Archimedes unterstellen, um beim Trisezieren des DMI [= ADE, S. 12] den AMH [=BDF, S.12] zu erhalten? Er verlängert den Durchmesser HI über den Kreis hinaus und nimmt D als Pol. Ausgehend etwa von der Lage der Sehne DJ, wird das Lineal ab dem Punkt J bis zu seinem Ende mit der Radiuslänge markiert und am Umfang im Uhrzeigersinn bewegt. Schneidet das Linealende die über HI hinausgezogene Gerade in G, so ist die Dreiteilung gelungen. Man hat nur mehr G mit D zu verbinden, um den Punkt A am Kreis darzustellen. Wir sehen: der Pol A wurde gegen den Pol D getauscht, da der Messstab hier die Gegenrichtung einschlug. Zwischen A und D, bzw. zwischen E und G, kann man eine Symmetrieachse legen, sodass die Dreiecke GEM und IBM halbiert werden. Man betrachte das GEM und die je gleich langen Schenkeln am stumpfen nämlich EM und GM, deren Teilstrecken FM und MH (=r), und die von EF und GH sich jeweils entsprechen. Die Basiskante setzt sich dreimal aus der Radiuslänge zusammen (ED + DC + AG) und dem Abschnitt AC. Verlängert man AM um das Dreifache (=3r), so stellt man damit die Symmetrieachse der inneren und äußeren Konchoide dar. Nicht nur für die Winkeldreiteilung ist das allgemeine Theorem anwendbar (siehe S. 22 oben). Auch die Sätze 5, 6 und 7 aus Archimedes´ Buch „Über Spiralen“ sind davon Spezifikationen. Da bei ihnen die Neusis als möglich vorausgesetzt wird, kann man nur annehmen, dass der Grieche aus Syrakus sie ebenso als Konstruktionshilfe für das 8.Lemma (= 8. Satz) des „liber assumptorum“ ansah, aber es nicht für notwendig hielt das anzumerken (siehe S. 12). Indem die „Drei Brüder“ aus Bagdad auf diesen Hilfssatz zurückgriffen und sich ihn für ihre Aufgabe zu Nutze machten, ist klar, dass sie auch das Wissen um die bewegungsmechanische Methode von den Griechen bezogen. Letztere aber gingen immer mehr dazu über an Stelle dieser Ausführungsweise, Kegelschnittkonstruktionen anzuwenden, um ganz im Sinne Euklids lediglich auf Zirkel und Lineal angewiesen zu sein.1 Die an Körperoberflächen (Kegelmäntel) sich bildenden Kurven (Kurven 2. Ordnung) nannten sie RÄUMLICHE ÖRTER. Je nach der Lage der Schnittebene zum Mantel stellen sie sich als Ellipse, Parabel oder Hyperbel dar. Ihre Konstruktion und die Bewältigung von Aufgaben dieser Stufe erfordern eine punktweise Ausführung, während man bei Problemstellungen auf der Höhe der Elementargeometrie bloß Gerade und Kreise zu ziehen und es dementsprechend mit EBENEN ÖRTERN zu tun hat. Folglich genügen Gleichungen 1. und 2. Grades. Indem die Winkeldreiteilung nur mit solchen 3. Grades zu lösen war, spielte sie in der Geschichte der späteren Mathematik nochmals eine_Rolle.2 H. G. ZEUTHEN „Die Lehre von den Kegelschnitten im Altertum“, S. 81 (Leipzig, 1896) Um 1570 etwa gelang es dem gelernten Juristen Francois Viète den sog. casus irreducibilis der kubischen Gleichung zu lösen. Damit konnte man auf komplexe Zahlen verzichten (siehe ZEUTHEN, ebd.: S. 82 und KAISER / NÖBAUER, ebd.: S.39) und ÉVELYNE BARBIN „Françoise Viète, un Mathematicien sous la Renaissance (Vuibert, 2005 / bes. S.1-5). 1 2 Nonagonreport - 25 - „Zuerst Ei oder Henne“, eine Problemstellung dieser Art beschäftigte Heath und Zeuthen. Sie fragten sich etwa, ´wie kamen die griechischen Geometer auf besondere Fälle, bei denen sich räumliche (oder körperliche) Aufgaben in ebene umwandeln ließen?´ ´Indem man von den Kegelschnittdefinitionen her auf spezielle Anwendungen kam,´ meint Zeuthen.1 Dem widerspricht Heath2. Mehr als das interessiert uns hier… DER WISSENSSTAND ÜBER KEGELSCHNITTE IM MITTELALTER Das sei ganz allgemein kurz skizziert, doch im Besonderen ist auf den 19. Satz des 5. Buches der PERSPECTIVA des Alhazen (V. 19) zurückzukommen, da auf ihn im „liber de triangulis“ verwiesen wird (siehe S.20, dort selbst Fußnote 1).3 Mehrmals bezieht sich Alhazen in seinem Hauptwerk auf die „Kegelschnitte“ des Apollonius, z.B. in den Lehrsätzen I. 14, II. 4 und II. 5, doch gibt er deren Nummern nicht an, so auch in den Propositionen V. 33 und V. 34 (V. 34 = V. 19 im „liber de triangulis“). Doch er nennt Apollonius als Autor (Cl. 19, Cl. 30). 4 Auf Grund dieser spärlichen Hinweise konnte vom mittelalterlichen Leser der Bezug zu den Kegelschnitten wohl nicht hergestellt werden (Cl. 31). Wer nur beim Studium von IV. 20 des „liber de triangulis“ den Verweis auf Alhazen und die zugeordnete Zeichnung vor sich hatte, war sicherlich ratlos. Erst nach 1270, als Witelos Übersetzung der „Konika“ des Apollonius zur Verfügung stand, war es Fachkundigen möglich die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.5 Kurz zuvor, 1269, übertrug der Freund dieses polnischen Gelehrten, nämlich der Niederländer Wilhelm von Moerbeke, die damals bekannten Werke von Archimedes aus dem Griechischen ins Lateinische. D.h., dass erst im späten 13. Jahrhundert mit diesen beiden Übersetzungswerken das Wissen über die Kegelschnitte beträchtlich anwuchs. Und dennoch; eingehend befassten sich damit erst im 16. Jahrhundert italienische Gelehrte wie beispielsweise Federigo Commandino (Cl. 63).6 Ich beschließe diesen historischen Abriss mit einigen Hinweisen. Um Alhazens Proposition V. 34 und auch den Zusammenhang mit dem Lehrsatz IV. 20 aus dem „liber de triangulis“ zu verstehen, lese man: CLAGETT ebd.: Bd. IV, S. 25 – 30. Um Einblicke in die Wissenschaftsgeschichte der Kegelschnitte vom 12. bis ins 16. Jahrhundert zu gewinnen, seien die folgenden Kapitel desselben Bandes hervorgehoben: 1. Kapitel (S. 3 – 31), 3. Kapitel (S. 63 – 98), 5. Kapitel (S. 159 – 184), 6. Kapitel (S. 235 – 268), 7. Kapitel (S. 311 – 359); dieses mehrbändige Werk wurde von der American Philosophical Society (Philadelphia) herausgegeben. Zeuthen ist der Ansicht, dass der Ausdruck „räumliche Örter“ von der stereometrischen Definition der Kegelschnitte herrührt (ebd.: S. 213). 2 Zu diesem Disput siehe HEATH (ebd.: S 280, 282). Er zitiert dort ZEUTHEN (ebd.: S. 108, 110), siehe weiters das Kapitel V der deutschen Ausgabe von HEATH (ebd.: S. 94 - 116). 3 Ich werde hiebei sinngemäß Clagetts 1. Kapitel folgen (ebd.: Bd. IV) und in Klammerausdrücken auf die entsprechenden Seitenzahlen hinweisen – z.B. (Cl. 18). Die Literaturangaben bezüglich Heath, Knorr, Zeuthen, Bretschneider entstammen großteils demselben Band. 4 Apollonius von Perge (262 v.Chr.? – 190 v.Chr.?) wird als Vorläufer der projektiven Geometrie betrachtet. Er schrieb ein Werk über Kegelschnitte (Konika). Siehe dazu C. A. BRETSCHNEIDER „Geometrie und Geometer vor Euklides“ (vor allem die Seiten 157 – 162, 170) 5 ´Der erste Autor, der Alhazens Lösung mit dem Text von Apollonius in Verbindung bringen konnte,wird wohl Witelo gewesen sein´, meint Clagett (ebd.: Bd. II, S. 86, 90). 6 Auf dieser Seite finden sich die erwähnten Literaturangaben über Zeuthen und Heath, aber auch über J. L. Heiberg. Siehe dessen Aufsatz: „Die Kenntnisse des Archimedes über die Kegelschnitte“ IN Zeitschrift für Mathematik und Physik, Hist.– lit. Abtheilung, XXV. Jahrgang (1880), S. 41 – 67. In diesem Zusammenhang sei hingewiesen auf KAISER / NÖBAUER, ebd.: § 5 „Der Ursprung der Kegelschnitte“, S. 152. 1 - 26 - Nonagonreport KONSTRUKTION DES NONAGONS MITTELS BEWEGUNGSMECHANIK In diesem Kapitel, das sich als Annex zum Thema „Winkeldreiteilung“ versteht, lösen wir uns vom historischen Kontext. Denn ein für das Siebeneck konzipierter Konstruktionsgang wurde bloß vom Autor weitergeführt und so auf das Neuneck anwendbar. Was auf den Seiten 6-10 des Heptagonreports geschrieben und gezeichnet wurde, bildet die Verständnisgrundlage dieser Seiten. Die unten stehende Grafik ist ident mit der von Seite 8, soweit es die in Grau gehaltene Figur betrifft. Jene zeigt den Anfang der Bewegungsphase an. Der Ort ihres Endes ist jeweils ein anderer, wie die schwarzen Linien der Zeichnungen beweisen. Im Falle des Siebenecks wird er früher erreicht und zwar dann, wenn der Schnittpunkt K von TZ mit DL auf dem senkrechten Diameter liegt. In K´ schneiden sich demnach drei Gerade: AB, D´L´, T´Z´ (siehe Abb. S. 8). Bei der Neuneckkonstruktion hat man den T-Balken weiter zu drehen bis sich D´L´ und T´Y´ am Kreis schneiden, sodass deren Endpunkte, nämlich L´ und Y´ (somit auch K´) in eins zusammen fallen. Für die Polygonseite wurde dort und wird hier die Sehne D´B gewählt, wobei klarerweise D´ jeweils ein anderer Punkt am Kreis ist. Dass man zu diesem Ergebnis auch ohne jegliche Apparatur kommen kann, bezeugt die NeusisLösung des Archimedes (siehe Abb. S. 12). Um seine Konstruktion mit der nebenstehenden vergleichen zu können, ist es ratsam die erstere auf den Kopf zu stellen und die letztere um 90° nach rechts zu drehen, sodass die jeweiligen Durchmesser (EF/S. 12) bzw. (AB/ S. 26) in die waagrechte Lage kommen. Der Bogen BF ist ein Drittel des Bogens BG (S. 12) und ebenso ist der Bogen BK´ ein Drittel des Bogens D´K´ (S. 26). Der Streckenzug F D G E D B (S. 12) entspricht dem Streckenzug B G D´ A G K´ (S. 26). Man vermisst auf der obenstehenden Grafik lediglich die Strecke ABC der Abb. von S. 12. Da sie mit dem Ende der Bewegung des Messstreifens E´D´ ident ist, scheint sie hier nicht auf (bezüglich E´D´ siehe Kommentar S. 13). Nonagonreport - 27 - BEWEISFÜHRUNG NACH DEN MEISTERN Um die Richtigkeit dieser Methode aufzuzeigen, kann man den Beweis des Archimedes (S. 12), den des Abu´l Wafa (S. 14f) oder den des Jordanus (S. 18) anführen. Man hat allerdings zwei Hilfsgerade in die Konstruktionszeichnung der Vorseite einzufügen, wobei die eine der Position des Messstreifens am Ende seiner Bewegung entspricht. Diese Position stellt auf den Fig. 2 und 3 der Seite 22 jeweils die Strecke ACDE dar. Diese Darstellungen sind uns bereits von den oben genannten Seiten bekannt, doch wurden sie hinsichtlich Winkelgröße, Lage und Bezeichnung konformiert. Um also die Schenkeln des Winkels AEB der Figuren 2 und 3 auf die vorseitige Grafik eintragen zu können, müsste man den senkrechten Durchmesser AB nach unten verlängern und eine Paralelle zu K´M´ durch D´ legen. Wo sich die beiden Geraden schneiden, liegt der Scheitel, der dem Punkt E der Figuren 2 und 3 entspricht. Hat man diesen Winkel eingezeichnet, kann man mit der Beweisführung von Seite 12 oder 14f operieren. Zieht man die von „Jordanus IV, 20“ heran (S. 18), so ist die unten stehende Graphik hilfreich. Achse In ihr finden wir die von S. 18 und die der Vorseite (graue Linien) vereint, wobei die letztere seitenverkehrt wiedergegeben und der Durchmesser K´M´ in die waagrechte Lage gebracht wurde. Zieht man eine Parallele zu ihm durch D´ (= e), so erhält man den Kreispunkt t. Die Sehne mt entspricht der achsensymmetrischen von D´B. Da der ebd (bzw. D´GK´) hier mit 60° angenommen wurde, ist der mbt und damit auch der D´GB je 40°. BEWEISFÜHRUNG MITTELS DER KINEMATISCHEN APPARATUR Es soll nun ohne Anlehnung an die historischen Neusis-orientierten Konstruktionen der Beweis erbracht werden, dass derD´GB 40° beträgt und die Sehne D´B die zugehörige Nonagonseite ist (siehe IV). I. Wir bezeichnen den BGK´ mit α und fragen uns, welche der anderen Winkel ihm gleichen. Der AGE´ als sein Scheitelwinkel ist ebenfalls α und so auch der E´AG, weil das GAE´ gleichschenklig auf Grund der Höhe E´H, welche die Symmetrie-achse bildet, ist. Zwei gleich lange Schenkel zeigt auch das AD´G (AG = r, D´G = r). Somit ist auch der AD´G mit α zu benennen. I.1 BGK´ = AGE´ = E´AG = AD´G = α Nonagonreport - 28 - II. Es ist nachzuweisen, dass der BGD´ doppelt so groß wie der BGK´ ist (II.1). Bekanntlich ist jeder Außenwinkel eines genauso groß wie die Summe der beiden nicht anliegenden Innenwinkel. Zieht man von 180° den AGD´ ab, so erhält man seinen Ergänzungswinkel BGD´ (II.2). Um den AGD´ zu bestimmen, muss man von 180 die beiden Basiswinkel des AD´G abrechnen (II.3). II.1 BGD´ = 180 - AGD´ II.2 II.3 AGD´ AGD´ BGD´ = 180 - ( D´AG + AD´G) = 180 - 2α = 180 - (180 - 2α) = 2 α III. Dass das D´K´G gleichseitig ist, soll nun bewiesen werden. Es ist nichts anderes als das um G gedrehte DYG (siehe Abb. S. 26). Um Y zu erhalten, hatten wir den Abstand DG (= r) einmal von G und dann von D aus nach unten abgeschlagen. Auch ohne sich auf diesen Zusammenhang zu beziehen, kann einsichtig gemacht werden, dass die restlichen Winkeln jeweils so groß wie der D´GK´ sind. Das D´K´G ist aufgrund der Schenkel D´G und GK´ (jeweils r) auf jeden Fall gleichschenklig. Da die Höhe K´T´ die Seite D´G halbiert, zerfällt es in zwei spiegelgleiche, rechtwinklige Dreiecke. Daher müssen auch die Seiten GK´ und D´K´ gleich lang sein. Folglich sind alle Winkel je 60° (= 3α). IV. Ergo ist der D´GK 60°. Die Winkelöffnung D´GB ist demnach 40° (= 2α) und α = 20°. Die Sehne D´B ist die exakte Nonagonseite. EINE ABGELEITETE NÄHERUNGSKONSTRUKTION, die sich der Figuration am Beginn der Bewegungsphase der mechanischen Lösung bedient, sei hier präsentiert, bzw. dem Abschlusskapitel vorangestellt (siehe Abb. S. 26). Ohne die Zirkelspanne zu verändern und ohne jegl. Parallelverschieben ist sie zu bewerkstelligen. Indem man die Zirkelspitze mit dem gegebenen Umkreisradius einmal im Punkt A und einmal in D einsetzt, kommt man zum Halbierungspunkt H und der Streckensymmetrale von DG, auf der die Punkte E und Y liegen. Wenn man von H aus den Radius auf sie abschlägt, erhält man einen Punkt, der (leider) nicht ganz mit K identisch ist und deshalb mit einem Klammerausdruck versehen wurde (siehe nebenstehende Zeichnung). Verlängert man die Strecke A (K), erhält man am Kreis (D´). Der (D´)GB beträgt 40,21°. Das entspricht einer um 1/2 Prozent zu langen Polygonseite (Diese Konstruktion wurde nicht in die Tabelle auf S. 33 aufgenommen). Nonagonreport - 29 - NÄHERUNGSKONSTRUKTION DES REGELMÄSSIGEN NEUNECKS DURCH ERZEUGUNG DES 40° ZENTRIWINKELS Wenn wir kurz rekapitulieren: Neben der in den Titelzeilen angekündigten Vorgehensweise haben wir mit einer begonnen, die von einem 5/9 Chorschluss abgeleitetet wurde. Ein Kreisring und bestimmte Sechseckpunkte führten zum Ergebnis (S. 1f). Auch bei der zweiten Lösung waren aus dem Hexagon hervorgehende Schnitt- und Eckpunkte von Bedeutung (S. 3). Letztlich fußt auch Dürers Konzept darauf, wenn er die dienliche Spindelfigur einem Kreis einschreibt (siehe S. 4). Ein ganz anderer Weg wurde beschritten, als eines der Diagonalsysteme des Nonagons zum Vorbild des Konstruierens gemacht wurde. Es galt Methoden zu ersinnen, welche den vorgegebenen Maßen und Winkeln möglichst nahe kamen. Die Erste von ihnen basierte auf der Relation von der inneren zur äußeren Überschneidungsfigur. Bei der Zweiten führte ein Sechseckraster aus (9 x 9) Dreiecken zum Ziel (S. 6-10). Es haben demnach alle auf den Seiten 1-10 vorgestellten Verfahren den Zentriwinkel über die Polygonseite ermittelt. Die Beispiele dieses Kapitels gehen den umgekehrten Weg. Beim Ersten von ihnen ist die Entwicklung aus dem 60° Winkel ablesbar, d.h. die Winkeldreiteilung wird sichtbar (siehe die Winkel EMD undGMD der unten stehenden Zeichnung). ERSTE KONSTRUKTION © Rossi 06 KONSTRUKTIONSVARIANTE © Rossi 06 Gegeben sei ein Kreis mit dem Radius MD. Man zieht dazu rechtwinklig AM. Von A aus wird der Radius beidseitig (B, C), von C aus nach unten (F) und von D nach oben (E) abgeschlagen. Mit den so ermittelten Punkten lassen sich im Halbkreis BAF die zwei DreieckeBFE u. BFC einschreiben, deren Katheten BC u. EF sich in G schneiden. Der Winkel GMD beträgt 39,89°,was einer Neuneckseite von 99.75% entspräche. Bei dieser Konstruktion kommt man ohne das Parallelverschieben aus. Außerdem kann die ursprüngliche Zirkelspanne belassen werden. Wir arbeiten gleichsam mit Abu´l Wafas „rostigen Zirkel“. Wir ermitteln den Schnittpunkt der Geraden BE mit AM (H) und ziehen durch ihn eine Parallele zu MD. Jene berührt im Punkt I die verlängerte Strecke CF. Der Winkel IMD ist 40,2078°. - 30 - Nonagonreport Der Mittelwert der beiden Konstruktionsweisen ergibt 40,0422°. Auf dieser Zeichnung versinnbildlichen sich die altbekannten Schuldreiecke (mit den Winkeln von 45°, 45°, 90° und 30°, 60°, 90°) als Einschreibungen in einem Halbkreis, dessen Durchmesser mit deren Hypothenusen, nämlich BF, ident ist. ZWEITE KONSTRUKTION Man zeichnet einen Halbkreis über dem Durchmesser AMB und schlägt von B aus den Radius am Kreis ab (C). Von C aus wird das Lot auf den Radius MB gefällt, © Rossi 06 wodurch man den Halbierungspunkt D erhält. Durch ihn zieht man dann eine Parallele zu CM, die in F den Kreis berührt. CD sei der senkrechte Durchmesser eines Kreises mit dem Mittelpunkt E. Der Waagrechte schneidet in I die Gerade AF, die wieder den Kreis in G schneidet. Durch G legt man eine Parallele zu CM, sodass man den Schnittpunkt H erhält. Der WinkelIHD beträgt 40,047°. Würden wir mit seinen Schenkeln einen Neunecksektor bilden, hätten wir eine um 0,113% zu große Polygonseite (100,113%). Diese Figuration lehnt sich an eine Darstellung aus dem „liber philotegni“ bzw. „liber de triangulis“an. Sie weist allerdings andere Proportionen und zusätzliche Linien auf. Die geometrischen Absichten sind selbstredend andere (siehe CLAGETT, ebd.: Bd. V, S. 265, 438; Diagramme S. 625, 643). DRITTE KONSTRUKTION © Rossi 06 Es sei ein Halbkreis mit dem Durchmesser AB und dem Mittelpunkt M gegeben, über den wir die Normale MC errichten. Die Sehne AC wird von A aus am Durchmesser abgetragen und so ermitteln wir den Punkt D. Die Senkrechte über ihn schneidet den Kreis in E. Durch E legen wir eine Parallele zu AB, die im Punkt F den Kreisbogen mit dem Radius AC berührt. Der WinkelDAF weist 40,06° auf. Fassen wir FD als Neuneckseite auf, so hätte sie 100,1438%. Nonagonreport - 31 - VIERTE KONSTRUKTION Diese Näherung lässt sich – ganz im Sinne Abu´l Wafas – mit unveränderter Zirkelöffnung und auch ohne jegliches Parallelverschieben, wie die erste Konstruktion (S. 26) durchführen. Wir zeichnen einen Kreis mit dem Radius MA, setzen dann den Zirkel in A ein, um die übereinander liegenden Kreispunkte B und C zu ermitteln. Deren Verbindungslinie, die wir nach oben etwas verlängern, © Rossi 06 schneidet den waagrechten Durchmesser im Punkt D. Wir machen ihn zum Mittelpunkt eines Halbkreises mit dem Radius MA, auf dessen Umfang die Punkte E, F und G für den weiteren Konstruktionsgang wichtig sind. Verbinden wir E mit F durch eine Gerade, so schneidet sie den Kreis in H. Von dort wird eine zweite Gerade nach G gezogen. Der HGE ist der gesuchte Zentriwinkel (39,9386°). Man nimmt am besten G als Mittelpunkt des zu zeichnenden Nonagonumkreises oder legt eine Parallele zu HG durch M. FÜNFTE KONSTRUKTION Das rechtwinklige ABC ist einem Halbkreis eingeschrieben, wobei die Kathete BC die Radiuslänge (MB) aufweist. Schneidet man die andere Kathete (AC) mit dem durch M gelegten Lot über der Hypotenuse (AB), so erhält man © Rossi 06 D. Der Abstand MD wird von M aus auf den großen Diameter (AB) beidseits abgetragen (E, F). Schlägt man den Abstand AF auf den großen Halbkreis ab, kommt man zum Punkt G. Wir verlängern die Geraden EG und FC nach oben, bis sie sich in H schneiden. Der HAB ist der gesuchte Nonagonzentriwinkel von 40,049°. Die Polygonseite beträgt 100,118%. - 32 - Nonagonreport SECHSTE KONSTRUKTION Zunächst ziehe man den Halbkreis ABC. Von den Endpunkten des Durchmessers ausgehend (A, C) schlage man den Radius BM am Kreis ab (D, E), verbinde diese Punkte, und zeichne ihren Halbierungspunkt ein (F). Hierauf fällt man durch E das Lot auf den Diameter und erhält so K. Zwei weitere Kreispunkte sind noch zu ermitteln, nämlich G und H. Sie liegen auf der Streckensymmetrale von AD bzw. von AB. Von H beginnend zeichnet man eine Parallele zu AM, die in I die Normale auf M berührt. Die Symmetrale dieser Strecke wird eingezeichnet. Ihren Schnittpunkt mit der Schrägen GF nennen wir J. Der Winkel JKA beträgt 40,014958°. Man beachte: Der gesuchte Punkt J liegt nicht auf HI sondern darüber. Und weiters; verlängert man JK nach oben, so wird der Kreis etwas unterhalb von D geschnitten. Durch Parallelverschiebung kann man den Scheitel des Schenkels in M erzeugen, womit man bereits einen Nonagonsektor des gegebenen Halbkreises dargestellt hat. © Rossi 06 - 33 - Nonagonreport Seite 2 3 4 5 5 5 7 7 9 9 22 29o 29u 30 30o 30u 31o 31u 32 33 5 5 Abweichen des Zentriwinkels [°] nicht ermittelt nicht ermittelt nicht ermittelt nicht ermittelt nicht ermittelt nicht ermittelt 39,896 40,208 40,81 39,59 39,896 39,89 40,2078 40,0422 40,04725 40,06 39,9386 40,04925 40,015 40,1322 39,71514 35,6590877 Abweichen der Polygonseite vom wahren Maß [%] 99,75 -0,25 99,003 -0,997 99,025 -0,975 100,027 +0,027 101,209 +1,209 100,665 +0,665 99,7505 -0,2495 100,4978 +0,4978 101,9 +1,9 99,026 -0,974 99,7505 -0,2495 99,75 -0,2495 nicht ermittelt nicht ermittelt 100,113 +0,113 100,1438 +0,1438 99,85365 -0,15 100,11809 +0,11809 100,03586 +0,03586 100,3168 +0,3168 99,3167 -0,6833 89,5229 +10,4771 Autor Rossi Rossi Dürer Rossi Rossi Hu Rossi Rossi Rossi Rossi Rossi Rossi Rossi Rossi Rossi Rossi Rossi Rossi Rossi Kopf Ind. Formel Abu’l Wafa Anmerkung 1 2 3 3 4 4 5 6 7 8 Zu den Anmerkungen: 1 Keine geometrische Lösung 2 Vereinfachung der obigen Lösung 3 Eine Lösung mit zwei Werten 4 Eine Lösung mit zwei Werten 5 Mittelwert der beiden vorangegangenen Lösungen, wird in der unten stehenden Reihung nicht angeführt. 6 KAISER & NÖBAUER, ebd.: S. 137. Es wird eine Näherungskonstruktion für die Dreiteilung eines x-beliebigen, spitzen Winkels vorgestellt, die hier auf den 60° Winkel angewendet wurde. Diese Trisektion ergab 19,8678°. Durch eine Parallelverschiebung lässt sich die Ergänzung auf 60° darstellen mit dem Ergebnis von 40,1322°. 7 Siehe Heptagonreport S. 5 (algebraische Lösung) 8 Siehe Heptagonreport S. 5 (algebraische Lösung) -----------------------------------------------------------------------------------------------------------Reiht man die Ergebnisse nach dem zunehmenden Grad der Abweichung, ergibt sich die nachstehende Seitenfolge: 5*(RO1)....32....30o....31u....30u....31o....22,26o....7....2....33....5 (HU)....5**(IND.F.).... 4....9....3....5**(WAFA) * keine geometrische Lösung. ** Heptagonreport / S.5 (keine geometrische Lösung).