Datum: 07. Mai 2007 Thema: Strahlen können nützen: Diagnostik und Therapie in der Nuklearmedizin Referent: Prim. Univ.-Doz. Dr. Peter Lind Vorstand der Nuklearmedizinischen Abteilung, LKH Klagenfurt DIE SCHILDDRÜSE Die Hauptaufgabe der Schilddrüse besteht in der Produktion von zwei Hormonen: dem Thyroxin (T4) und dem Tri-Jod-Thyronin (T3). Diese beiden Hormone wirken auf beinahe alle Zellen im menschlichen Körper. Sie steuern die Geschwindigkeit, mit der die Körperzellen aus der Nahrung Energie herstellen und verbrauchen. Außerdem erhöhen sie im Darm die Aufnahme von Kohlenhydraten. Auch der Fettstoffwechsel wird durch die Schilddrüsenhormone beeinflußt. Sie bewirken eine Senkung des Cholesterinspiegels im Blut. DIE UNTERSUCHUNGEN DER SCHILDDRÜSE BLUTUNTERSUCHUNGEN Im Blut kann die Konzentration der Schilddrüsenhormone und außerdem der Spiegel einiger übergeordneter Kontrollhormone gemessen werden. Anhand unterschiedlicher Tests kann bereits im Labor zwischen Über- und Unterfunktionszuständen der Schilddrüse unterschieden werden. Basales TSH, das thyreoidea-stimulierende Hormon, wird in der Hirnanhangsdrüse gebildet und steuert die Ausschüttung der Schilddrüsenhormone. Eine Bestimmung des TSH-Spiegels ist als Suchtest für den Nachweis einer Schilddrüsen-Funktionsstörung sehr geeignet. Die Konzentration der beiden Schilddrüsenhormone, Thyroxin und Tri-Jod-Thyronin, im Serum kann bestimmt werden. Im Blutbefund können auch Antikörper festgestellt werden. Ein positiver Befund gibt Anhaltspunkte für Autoimmunerkrankungen, wie z.B. den Morbus Basedow oder die Hashimoto-Thyreoiditis. DIE SCHILDDRÜSEN-SZINTIGRAPHIE Bei der Schilddrüsen-Szintigraphie werden dem Patienten radioaktiv markiertes Jod oder häufiger Technetium-99m, eine Substanz, die sich im Organismus genauso wie Jod verhält, verabreicht. Beide Substanzen sammeln sich in der Schilddrüse an und zwar genau dort, wo das Drüsengewebe Hormone produziert. Mit Hilfe dieser Untersuchung kann man ein Bild von dem Funktionszustand der Schilddrüse machen. Bei einer normal arbeitenden Schilddrüse zeigt das Szintigramm eine schmetterlingsförmige, mehr oder weniger gleichmäßig helle Struktur. Besonders helle Bereiche im Szintigramm der Schilddrüse deuten auf eine hohe Hormonproduktion in diesen Arealen hin. Dort wo sich kein radioaktiv markiertes Jod ansammelt, das Szintigramm also dunkle Flecken aufweist, produziert die Thyreoidea keine Hormone. Nehmen wir als Beispiel einen Kropfpatienten. Durch eine Ultraschalluntersuchung wurden knotige Strukturen in der vergrößerten Schilddrüse festgestellt. Aufgrund der Blutbefunde, wie bereits oben beschrieben, hat der untersuchende Arzt genaue Daten über die produzierte Menge der Schilddrüsenhormone. Jetzt ist noch die Frage zu klären, ob die festgestellten Knoten aktiv sind oder nicht. Diese Informationen liefert die Schilddrüsenszintigraphie. Denn bei knotigen Veränderungen der Schilddrüse stellt sich immer die Frage, ob diese Knoten „kalt“ (sie produzieren keine Hormone) oder „heiß“ (sie produzieren viele Hormone) sind. „Kalte“ Knoten müssen weiter abgeklärt werden, weil möglicherweise die Gefahr besteht, dass sich hinter diesem Knoten ein Schilddrüsenkrebs verbirgt. „Heiße“ Knoten sind Areale, in denen die Schilddrüse besonders hohe Aktivitäten zeigt. Bei solchen Knoten besteht der Verdacht, daß sie sich den Kontrollmechanismen entzogen haben, autonom zu hohe Mengen an Schilddrüsenhormone produzieren und es damit zu einer Überfunktion der Schilddrüse kommt. KROPFENTSTEHUNG Jod ist für die Funktion der Schilddrüse von essentieller Bedeutung. Nimmt der Körper zuwenig Jod auf, dann erschöpfen sich die Jodvorräte der Schilddrüse rasch und schließlich sinkt die Ausschüttung der Hormone. Hält die Jodunterversorgung länger an, so versucht die Thyreoidea diesen Mangel durch Wachstum auszugleichen, um mit mehr Drüsengewebe die Hormonproduktion zu steigern. Aus der einst nur 20 g schweren Schilddrüse kann so ein imposanter Kropf werden. Dieser Kompensationsversuch ist auf Dauer allerdings sinnlos und für den Körper sogar schädlich. Man unterscheiden zwischen einem diffusen, also gleichmäßigen, und einem knotigen Wachstum der Schilddrüse. Das Auftreten eines Kropfes muss nicht mit einer Störung der Hormonproduktion einhergehen. Tritt nun Jodmangel während einer Schwangerschaft auf, so ist die Gefahr groß, dass das Kind im Mutterleib schwere Schäden erleidet. Besonders in Jodmangelgebieten war das in der Vergangenheit häufig der Fall. Das Krankheitsbild des Neugeborenen ging unter der Bezeichnung „Kretinismus“ in die Geschichte ein. Seitdem der Zusammenhang - zwischen der Jodunterversorgung der Mutter und dem Krankheitsbild Kretinismus beim Kind - bekannt wurde und vor allem, seitdem Jod dem Speisesalz zugesetzt wird, ist diese furchtbare Störung in Österreich fast zur Gänze verschwunden. STÖRUNGEN DER SCHILDDRÜSENFUNKTION SYMPTOME: Bei einer Schilddrüsenüberfunktion kann es zu Gewichtsverlust, Herzrhythmusstörungen, Schlaflosigkeit, innerer Unruhe, Reizbarkeit, Nervosität und Durchfällen kommen. Die Haut ist warm und weich, man schwitzt übermäßig, die Nägel brechen leicht und beim Kämmen verliert man außergewöhnlich viele Haare. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion wird unser Körper - bildlich gesprochen - auf Sparflamme herabgedrosselt. Verlangsamter Herzschlag, Verstopfung, erhöhter Cholesterinwert, Antriebsschwäche und Depressionen können die Folge sein. Nicht selten steckt hinter einem verwirrenden Beschwerdebild eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse. DIE UNTERFUNKTION - HYPOTHYREOSE Unterfunktionen der Schilddrüse können mehrere Ursachen haben. Hypothyreosen können angeboren, entzündlich, medikamentös bedingt sein oder durch Jodmangel, eine Operation, eine Schilddrüsenentzündung oder durch eine Radiojodbehandlung verursacht werden. Sinnvoller Weise werden die fehlenden Hormone ersetzt. Die Therapie muß langsam und vorsichtig erfolgen, da die Schilddrüsenhormone ja weitverzweigte Wirkungen, vor allem auch auf das Herz, haben können. Regelmäßige Untersuchungen sind erforderlich, um die Dosis der Medikamente eventuell neu abstimmen zu können. DIE ÜBERFUNKTION - HYPERTHYREOSE Auch für die Hyperthyreose gibt es verschiedene Ursachen. Eine Sonderform ist der Morbus Basedow, der zum Formenkreis der Autoimmunerkrankungen zählt. Häufiger sind es allerdings ein oder mehrere autonom produzierende Knoten, die zur vermehrten Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen führen. Generell kann man sagen, dass bei Hyperthyreosen versucht wird, die Schilddrüse in ihrer Aktivität zu hemmen und auf diese Weise den Hormonspiegel zu normalisieren. Die Therapie dieser Erkrankung sollte in spezialisierten Zentren erfolgen und hängt auch von der Ursache ab. DIE THYREOIDITIS Zu einer Entzündung der Schilddrüse kommt es durch Bakterien, Viren, oder durch gegen die eigene Schilddrüse gerichtete Antikörper. Ähnlich wie beim Morbus Basedow bildet der Körper bei der Hashimoto-Thyreoiditis also aus unbekannten Gründen plötzlich Abwehrstoffe gegen das Schilddrüsengewebe. Allerdings resultiert daraus keine Hyperthyreose, sondern es kommt zu einer Schädigung der Schilddrüsenzellen. Dadurch entsteht nach einiger Zeit eine Unterfunktion (Hypothyreose) der Schilddrüse mit den dafür typischen Anzeichen. DER KREBS DER SCHILDDRÜSE Das Schilddrüsenkarzinom gehört zu den eher seltenen Krebsformen. Spezialisten unterscheiden zwischen dem papillären, dem follikulären, dem medullären und dem undifferenzierten Schilddrüsenkrebs. Durch Ultraschallaufnahmen, Blutbefunde und die Szintigraphie verschafft sich der Schilddrüsenexperte einen ersten Überblick. Bestehen Verdachtsmomente so wird meist eine Feinnadelbiopsie des auffälligen Knotens durchgeführt und das entnommene Gewebe unter dem Mikroskop untersucht. Bestätigt sich der Krebsverdacht, so werden die Schilddrüse und - soweit nötig auch die angrenzenden Lymphknotenstränge entfernt. In vielen Fällen wird den Patienten eine anschließende Radiojodtherapie empfohlen. In diesem Fall werden die nach der Entfernung der Schilddrüse fehlenden Hormone nicht substituiert. Innerhalb von etwa 5 Wochen steigt der TSH Spiegel und damit die Bereitschaft der im Körper noch vorhandenen Schilddrüsenzellen das bei der Radiojodtherapie verabreichte Jod aufzunehmen stark an. Die Behandlungserfolge sind beim Schilddrüsenkrebs ausgesprochen gut. In mehr als 90 Prozent aller Fälle kann mit einer Heilung gerechnet werden. NUKLEARMEDIZIN - ALLGEMEIN Nuklearmedizinische Untersuchungen werden oft auch unter dem Überbegriff „Szintigraphie“ oder „Scan“ zusammengefasst. Szintigramme liefern Diagnosen, die mit anderen Untersuchungsmethoden nicht gestellt werden können. Zumeist geht es um die Beurteilung von Stoffwechselvorgängen mit Hilfe schwach radioaktiver Substanzen. Aus den Messdaten errechnen leistungsstarke Computer 2- und 3- dimensionale Bilder. DIE STRAHLENBELASTUNG Die Strahlenexposition durch nuklearmedizinische Untersuchungen ist in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgegangen. Das liegt zum einen daran, dass die verwendeten Radiopharmaka immer weiter verbessert werden konnten. Zum anderen wurde die Kameratechnik immer weiter optimiert. Im Mittel entspricht die Strahlenexposition bei einer nuklearmedizinischen Untersuchung jener Strahlendosis, die ein Mensch im Verlauf eines Jahres aus der Umgebung aufnimmt. Vergleichbar wäre das mit einer Röntgenuntersuchung der Lunge (wobei die Nuklearmedizin bei gleicher Strahlenbelastung den gesamten Körper darstellt). Die Strahlendosen sind bei der Therapie naturgemäß höher als in der Diagnostik. Diese erhöhte Dosis entsteht aber nur im jeweiligen Zielorgan, etwa die Gelenksinnenhaut bei der Radiosynoviothese oder die Schilddrüse bei der Radiojodtherapie. Unter der künstlichen Strahlenexposition versteht man die aus künstlichen Strahlenquellen herrührende „Strahlenbelastung“, der die Menschen ausgesetzt sind. Sie wird, wie die natürliche Strahlenbelastung, als effektive Dosis mit der Maßeinheit Sievert bzw. Millisievert (mSv) angegeben. NUKLEARMEDIZIN UND KREBSERKRANKUNGEN - PET Bei vielen Krebserkrankungen liefert die PET bei der Suche nach dem Ausgangsherd wertvolle zusätzliche Hinweise. Anders als beim Röntgen-CT und MRT können dabei krankhafte Zell- und Gewebefunktionen sichtbar gemacht werden. Nuklearmedizinische Untersuchungen werden sowohl bei der Diagnose, der Wahl der richtigen Therapie, als Kontrolle der laufenden Therapie als auch als „Beweis“ für eine erfolgreich abgeschlossene Behandlung herangezogen. DIE NEUE GENERATION: PET/CT Dank immer ausgefeilterer technischer Möglichkeiten steht Fachleuten nun ein Gerät zur Verfügung, das sowohl die Möglichkeiten eines CT’s als auch eines PET kombiniert. Es liefert noch präzisere Daten über Lage und Ausmaß bzw. Beschaffenheit von Erkrankungen wie z.B. von Tumoren. DIAGNOSE UND WAHL DER THERAPIE Um eine Krebserkrankung optimal behandeln zu können, ist es wichtig zu wissen, in welchem Stadium sich die Krankheit befindet. Bei der PET können selbst sehr kleine Metastasen ab 3 – 4 mm entdeckt werden. Im besten Fall erkennt man entartete Zellen bereits zu einem Zeitpunkt, wo sie sich noch nicht über Lymph- oder Blutbahn in andere Organe verbreitet haben. In diesen Fällen stellt eine Operation somit eine erfolgversprechende Therapie dar. Gibt es dagegen bereits Ansiedlungen (Metastasen) in anderen Organen entscheidet sich der Arzt in den meisten Fällen (zusätzlich) für eine Chemo- oder Strahlentherapie. Vor einer entsprechenden Behandlung muss der Arzt jedoch zweifelsfrei wissen, ob es bereits zu einer Streuung des Primärtumors gekommen ist, oder nicht. Bei folgenden Krebserkrankungen kann das Ergebnis nuklearmedizinischer Diagnostik bei der Wahl der Therapie herangezogen werden: Lungenkrebs, Tumoren im Kopf- und Halsbereich, malignen Melanomen, malignen Lymphomen, bestimmten Formen des Schilddrüsen-Krebses. PET IN DER THERAPIEKONTROLLE Muss eine Krebserkrankung etwa mit einer Strahlen- oder Chemotherapie behandelt werden, ist es wichtig die gewählte Therapie frühzeitig zu überprüfen. Denn die Wirksamkeit beispielsweise einer Kombination von Zytostatika (Medikamente, die bei der Chemotherapie zum Einsatz kommen) kann von Patient zu Patient und von Tumor zu Tumor sehr unterschiedlich sein. Mit konventionellen Verfahren ist eine solche Aussage jedoch erst dann möglich, wenn der Tumor tatsächlich an Größe verliert. Die PET dagegen macht bereits in einem wesentlich früheren Stadium den Erfolg oder Misserfolg einer Chemotherapie sichtbar: Denn lange bevor der Tumor „schrumpft“, sind die einzelnen Tumorzellen bereits so stark geschädigt, dass ihr Stoffwechsel erheblich absinkt. In einem solchen Fall reichert das Tumorgewebe deutlich weniger FDG als zuvor an. FDG (F18-Desoxyglukose) ist ein mit radioaktivem Fluor markiertes Traubenzuckermolekül. Im Vergleich zu vorangegangenen Untersuchungen ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Therapie anschlägt und erfolgreich fortgesetzt werden kann. Ist dies nicht der Fall, hat der behandelnde Arzt die Möglichkeit, die Therapie entsprechend abzuändern, indem er zum Beispiel die Wirkstoffkombination oder die Strahlendosis variiert. Besonders erfolgversprechend ist Therapiekontrolle mit der PET bei folgenden Krebserkrankungen: Dick- und Enddarmkrebs Brustdrüsenkrebs Malignes Lymphom Bösartige Knochentumoren Bestimmte Formen des Keimzelltumors des Mannes Malignes Melanom SICHERHEIT NACH DER THERAPIE Kann eine Krebserkrankung frühzeitig erkannt und der Primärtumor operativ entfernt werden oder ist er nach einer Chemo- oder Strahlentherapie im Röntgenbild nicht mehr sichtbar, ist das schon ein guten Zeichen. Um allerdings sichergehen zu können, dass wirklich alle Krebszellen entfernt worden sind, ist eine entsprechende nuklearmedizinische Nachsorge erforderlich: Nach einem bestimmten Zeitraum wird der Patient auf ein Rezidiv hin untersucht - also auf eine neuerliche Tumorneubildung aus eventuell zurückgebliebenen Krebszellen. Beim Einsatz konventioneller bildgebender Verfahren kann die Unterscheidung zwischen Narbengewebe und nachgewachsenem bzw. verbliebenem vitalen Tumorgewebe oft nicht einwandfrei ermittelt werden. Sowohl das Narben- als auch das Tumorgewebe sind im Röntgen- oder MRT-Bild als „Gewebeanomalie“ oder „Raumforderung“ sichtbar. Erst eine Gewebeprobe gibt Aufschluss darüber, ob es sich um harmloses Narbengewebe oder eben um vitales Tumorgewebe handelt. Diese Unsicherheit ist jedoch mit der PET zu beseitigen. Denn im PET-Bild ist der Unterschied zwischen Narbengewebe und vitalem Tumorgewebe überdeutlich: Während sich vitales Tumorgewebe durch einen erhöhten Zuckerstoffwechsel auszeichnet, hat Narbengewebe gegenüber gesundem Gewebe häufig sogar einen reduzierten Stoffumsatz. Insbesondere bei folgenden Krebserkrankungen ist die PET in der Nachsorge eine wichtige, bisweilen therapieentscheidende Ergänzung zu anderen Verfahren: Hirntumore Lungenkrebs HNO Tumore Malignes Lymphom Melanom Dick-/Enddarmkrebs Bestimmte Formen des Schilddrüsenkrebses Weitere Informationen: Prim. Univ.-Doz. Dr. Peter Lind Abteilung für Nuklearmedizin & Endokrinologie LKH Klagenfurt St. Veiter Str. 47, 9020 Klagenfurt Tel: 0463 538 29103 Email: [email protected]