Mein langer Weg zum 32. real,- BERLIN-MARATHON Am 19.01.2005 fand ich mich zur jährlichen Prostata-Vorsorgeuntersuchung beim Urologen ein. Für mich als Sportler eine reine Routineuntersuchung dachte ich – da ich keine Probleme hatte. Am 28.01.2005 kam ein Brief vom Urologen, dass ich mich am 02.02.2005 zu einem Vorgespräch einfinden sollte. In den bisherigen Untersuchungen waren die Werte alle unauffällig – doch diesmal war der Tumormarker (PSA = Prostata-SpezifischesAntigen) nach der Blutabnahme über dem Normwert. Mein PSA-Wert von bisherigen Vorsorgeuntersuchungen (2 - 3 ng/ml) war auf über 5 ng/ml angestiegen. Bei diesem Wert dürften sich noch keine Metastasen (z.B. in Lymphknoten oder Knochen) gebildet haben - laut Urologen. Die Tastuntersuchung (Palpation) sowie die Ultraschalluntersuchung (Sonographie) waren ohne Befund. Der Urologe riet mir zu einer Gewebeuntersuchung (Biopsie). Am 16.02.2005 erfolgte die Prostatastanzbiopsie wegen Verdacht auf ein Prostatakarzinom. Zur definitiven Diagnose ist immer eine Gewebeprobe nötig. Mit 6 Gewebezylindern kann man ca. 75% der Karzinome, die vorhanden sind, auch entdecken. Die Erhöhung der Biopsieanzahl auf 12 Gewebeproben erhöht die Detektionsrate auf ca. 90 %. 12 Gewebeproben (Stanzen) unter örtlicher Betäubung wurden von meiner Prostata entnommen. Am 23.02.2005 kam der niederschmetternde Befund, dass in drei Proben Krebs nachweisbar war. Bei der histologischen Untersuchung wurde ein T1-Tumor diagnostiziert. Beim T1-Tumor bilden sich Gott sei Dank noch keine Metastasen. Am 03.03. 2005 habe ich im Röntgen-Institut die Lunge (Thorax) und ein Skelettszintigramm durchführen lassen, beide waren ohne Befund. Auf Empfehlung habe ich mich am 04.03.2005 an Herrn Prof. Dr. med. Weißbach gewandt, um mir eine Zweitmeinung einzuholen. Prof. Weißbach hat mir zu einer minimal invasiven (laparaskopischen) Operation in der Charité in Berlin-Mitte geraten. Der PSA-Wert war an diesem Tag allerdings sehr niedrig 2,67 normalerweise würde kein Urologe bei diesem Wert Gewebeproben entnehmen. Ein "Glück", dass vor Wochen, anscheinend zufällig mein Wert über 5 war und der Urologe dann gestanzt hat - nur dadurch wurde der Krebs entdeckt. Bei meinen noch zu erwartenden 23 Lebensjahren - laut Prof. Weißbach - musste der Krebs allerdings raus. Meine Frau Monika und ich sind dann Mitte März für 1 Woche nach Sylt gefahren – ich lief dort noch den Syltlauf über 33 km. Die geplanten Marathons in Freiburg im April und Helgoland im Mai wurden storniert. Mein Ziel blieb aber eine erfolgreiche Teilnahme am 32. real,- BERLIN-MARATHON – einfach nur ankommen. Am 12.04.2005 wurde eine radikale Prostatektomie in der Charité in Berlin-Mitte durchgeführt, d.h. die Samenblase, -leiter und Prostata sowie eine Zyste aus dem Hoden wurden entfernt. Die Operation dauerte 3,5 Stunden unter Vollnarkose. Der Vorteil der minimal invasiven Operation zu einem Bauchschnitt liegt in der hervorragenden Visualisierung (20-fach vergrößert auf dem Bildschirm) des Operationsfeldes durch die in den Körper eingebrachte Kamera mit der entsprechenden Vergrößerung und in der deutlich geringeren Traumatisierung während der Operation. Dadurch wird nicht nur ein nebenwirkungsarmer Eingriff mit geringerem Blutverlust, sondern auch eine deutlich verkürzte Heilungsphase erreicht. Bei der Prostataoperation muss der eine Schließmuskel am Blasenausgang immer mit entfernt werden. Der zweite Muskel sitzt unterhalb der Prostata und kann mit den anderen Muskeln des Beckenbodens trainiert werden. Es ist notwendig, die Muskeln des Beckenbodens zu trainieren, damit bei bestimmten Belastungen, wie zum Beispiel beim Aufstehen vom Liegen oder Sitzen, nicht unbewusst Harn austritt. Am 18.04.2005 wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Da die Verbindung Harnblase/Harnröhre noch nicht völlig dicht war, hatte ich weiterhin einen Katheter im Penis. 10 Tage später musste ich wieder zur Charité, dort wurde mir erneut über den Katheter ein Kontrastmittel in die Harnblase gespritzt, um zu überprüfen ob die Verbindung dicht ist. Zusätzlich hatte ich mir eine Harnweginfektion zugezogen, die sehr schmerzhaft war, außerdem hatte ich noch Wundschmerzen. Am 02.05.2005 konnte der Katheter erneut nicht gezogen werden, weil die Verbindung Harnröhre – Harnblase immer noch undicht war. Am 17. 05.2005.: Kontrolluntersuchung - Kontrastmittel in die Harnblase gespritzt. In der Rückenlage sah es auf dem Monitor gut aus. In der Seitenlage war eine Stelle undicht. Nach Beratung des Ärzteteams: "Sie bleiben gleich hier" Moni fuhr wieder nach Hause und brachte mir nachmittags meine Utensilien. 18.05.2005: 09.00 Uhr unter Vollnarkose ein kleiner Eingriff - Katheter ziehen - und eine Nadel in den Penis geschoben - um die Verbindung Harnröhre/-blase zu verschweißen - die Haut wird verbrannt - aufgefrischt - damit die Verbindung zusammenwächst – Katheter wieder rein. 19.05.2005: Entlassung aus dem Krankenhaus. Seit 7 Wochen keinen Schritt mehr gelaufen – mein Ziel bleibt aber immer noch der 32. real,- BERLIN-MARATHON. Am 02.06.2005 war bei der Kontrolluntersuchung endlich alles „dicht“ und der Katheter konnte gezogen werden. Am 03.06.2005 habe ich mit meiner Frau Moni seit dem 10.04.2005 den ersten kleinen Lauf über 5 km – sinnigerweise zum Friedhof – absolviert. Es war für mich nicht einfach und ich habe ganz schön geschnauft, ziemliche Kreislaufprobleme Vom 07.06. bis zum 27.06.2005 habe ich eine Rehabilitationsmaßnahme im Auguste-Viktoria-Krankenhaus wahrgenommen. Seit dem 30.08.2005 habe ich im linken Knie starke Schmerzen - kann gar nicht schmerzfrei auftreten - das ganze Kniegelenk eine dicke "Pauke“. Die Orthopädin Frau Dr. Lock hat mir eine Spritze ins Knie gegeben und Tabletten verschrieben. Das MRT in der Charité Poliklinik ergab einen Meniskusriss im linken Hinterhorn. Die genaue Beurteilung des linken Kniegelenkes: - Grad III Innenmeniskusläsion mit basisnahem vertikalem Einriss sowie horizontaler Ruptur des Innenmeniskushinterhornes. 35 mm craniocaudal ausgedehntes Innenmeniskusganglion dorsomedial. - Grad II Gonarthrose mit Knochenmarködem medial im Sinne einer Aktivierung. - Grad II Chondropathia patellae. - 6 mm durchmessender appositioneller Knochenkern am inferioren Patellapol und patellarer Insertionstendinitis. - 48 mm große Bakerzyste. - Geringgradiger Gelenkerguss. Die Entzündung wurde nach 10 Tagen Trainingpause langsam besser. Am 17.10.2005 ist die Operation im DRK Krankenhaus Westend BerlinCharlottenburg. Gegen einen Start beim Berlin-Marathon wurden aus orthopädischer Sicht keine Einwände erhoben. Vom 22.09. bis zum 24.09.2005 haben Moni und ich den Messestand für den BerlinMarathon-Jubilee-Club betreut. 25.09.2005 32. real,- BERLIN-MARATHON – Marathonfieber in Berlin 05.00 Uhr aufgestanden. Ich bin noch sehr müde von den letzten 3 Tagen auf der Messe. Morgentoilette - Gewicht: 65,5 kg. Zum Frühstück gab es wie üblich: Kaffee + Toast mit Banane und Honig. Meine größte Sorge heute - hält mein linkes Knie? In den letzten 6 Tagen bin ich nicht gelaufen – im September bin ich überhaupt nur einige Kilometer gelaufen, damit ich bei meinem 32. Berlin-Marathon gut durchhalte. Der Schmerz im Knie ist erträglich – zur Stabilisierung habe ich mir noch eine Kniebandage verschreiben lassen. Mental bin ich noch mal die Strecke durchgegangen. Mit dem rbb-Redakteur Herrn Jörg Klawitter habe ich bereits am Sonnabend auf der Messe den Ablauf besprochen, weil der „rbb“ mich an mehreren Übertragungsstellen interviewen und über meine Prostata-Erkrankung sowie über meine Meniskusläsion berichten wollte. Auf dem neuen roten Singlethemd hat mir Moni die Startnummer und die Rückenstartnummer des Jubilee-Clubs befestigt. Kurz vor 07.00 Uhr bin ich mit dem Auto zum Mexikoplatz gefahren. Dort traf ich Jörg Klawitter vom rbb, nur die mobilen Kameraleute erschienen nicht. Jörg und ich nahmen dann den 07.18 Uhr – S-Bahnzug Richtung Unter den Linden. Es war nur ein Kurzzug, er war bereits sehr voll. Ich bekam keinen Sitzplatz mehr und Jörg hatte große Probleme mit seinem Mountainbike. Der Zug war voller Kinder die um 09.10 Uhr vom Potsdamer Platz aus den Mini-Marathon in Angriff nehmen wollten. Jörg orderte in der S-Bahn per Handy sein Fernsehteam zum Hotel Adlon. Als wir dort ankamen war niemand vom rbb zu sehen. Weil ich das Fotoshooting mit dem LT Bernd Hübner nicht verpassen wollte, bat ich Jörg zum Reichstagsgebäude nachzukommen. Vor dem Reichstagsgebäude standen schon viele „Rothemden“, sodass wir gleich unsere Kameras zücken konnten. Als das Kamerateam mit Jörg eintraf, waren die „Roten“ schon weg – schade. Ich begrüßte dann noch einige vom ForumTeam des Berlin-Marathon. Jetzt war es Zeit den Kleiderbeutel im entsprechenden Kleiderwagen abzugeben und danach begab ich in meinen Startblock „E“. Das Wetter war super – mein Knie war auch ok - meine Blase habe ich auch noch entleert. Diesmal hatte ich eine Bauchtasche dabei, mit Handy, Kamera und für alle Fälle eine Vorlage. Der Block „E“ war bereits gut gefüllt und die Zeit bis zum Start um 09.00 Uhr verging wie im Fluge. Nach dem Startschuss setzte sich der Tross langsam in Bewegung. Die ersten beiden Kilometerschilder habe ich nicht gesehen, aber ich bin wahrscheinlich für meine Verhältnisse zu schnell angegangen – so um die 5:30 m/km. In der Franklinstr. stand rechts auf dem Bürgersteig Jörg mit seinem Mountainbike – von dort begleitete er mich bis ins Ziel. Die Stimmung war von Anfang an sehr gut – das Wetter auch – sogenanntes Kaiserwetter und mein Bein signalisierte keine Schmerzen. Alles im grünen Bereich. Bei km 8 war die erste Übertragungsstelle des rbb mit Werner Damm. Wir mussten mit unserem Interview noch warten bis wir „LIVE“ auf dem Sender waren. Inzwischen liefen Tausende vorbei. Jetzt sollte ich noch ein Stück zurücklaufen und so tun als ob ich gerade ankomme. Da mir die Zeit egal war, hatte ich keine Probleme damit. Danach hieß es langsam wieder anlaufen. Im Ostteil der Stadt war m.E. ordentlich was los. Am Kottbusser Tor wieder ein „LIVE - Interview“ mit Wartezeit. Das erste Drittel war geschafft, Blase + Knie hielten immer noch! Superstimmung an der Strecke und auch mein langsames Tempo war eine völlig neue Erfahrung für mich. Ab der Yorckstr. spürte ich, dass schon viele „Körner“ verschossen waren und ich sehnte den Kilometerpunkt 24 herbei, wo Moni mit einer Cola stand. Kurz vor dem Innsbrucker Platz stand die Fangruppe vom ForumTeam. Unter der S-Bahnbrücke am Innsbrucker Platz war eine bombastische Stimmung – die Zuschauer lärmten hier mächtig und dann schallte es noch besonders – Gänsehautfeeling. 200 Meter weiter in der Hauptstr. auf dem Balkon im 1. Stock steppte der Bär – da ging eine Party mit ca. 15 Personen ab – voll geil! Wann kommt Moni mit der Cola? Da ist Moni – herrlich – ein Küsschen und jetzt eine Cola. Das mobile Fernsehteam war auch vor Ort. Ich musste mich einige Minuten erholen, so kaputt war ich schon. Na ja, kein Wunder – ohne Training ist eben nichts los. Jetzt wieder anlaufen und das Knie muckert nicht – ein Wunder! Mit der Inkontinenz habe ich auch keine Probleme – alles trocken – obwohl ich reichlich trinke – schwitze anscheinend sofort alles aus! Sodele – nächster Stopp – Wilder Eber – wieder warten bis wir „LIVE“ drauf sind. Dieter Baumann moderiert hier noch zusätzlich. Jetzt der lange Hohenzollerndamm – ist der lang – wenn man nichts drauf hat. Konstanzer Str. steht meine Nachbarin mit einer Cola – herrlich. Zwischenzeitlich höre ich immer wieder „Hübi“ – Rufe. Toll – die neuen Hemden! Auch viele Läuferinnen und Läufer gratulieren mir unterwegs zum 32. Berlin-Marathon – anhand meiner Rückenstartnummer des Jubilee-Clubs. An der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche steht Moni wieder mit einer Cola – cool!!! Potsdamer Str. muss ich mal eine Auszeit nehmen und ein Stück gehen. Am Potsdamer Platz wieder ein Interview – kommt mir gerade recht – so kann ich mich wieder etwas erholen. Leipziger Str. wird mein Schritt immer langsamer – fast nur ein „tappern“ – ein dahinschleichen! Aber ich bin mir jetzt sicher - du kommst durch – egal wie!!! Am Gendarmenmarkt noch einmal ein „LIVE-Interview“ – natürlich wieder warten. Stimmung auch hier wunderbar und Sonnenbrandwetter. Jetzt noch die verdammten letzten 3 Kilometer. Karl-Liebknecht-Str. und nur noch geradeaus Unter den Linden runter – der „Teufelslappen“ – noch 1 km – unendliche Freude kommt auf – in meinen Ohren schallt es „HÜBI“ – „HÜBI“!!! Ich weiß, gleich ist es geschafft – die letzten Reserven werden mobilisiert. Das Brandenburger Tor – noch 195 Meter – ein Bad in der Menschenmenge – das Ziel und die Doppelfaust!!! Moni in die Arme gefallen – Küsschen – Küsschen. Ach ja – die Zeit: 4:30:15 Stunden. Jetzt das letzte Interview mit Werner Damm! Für mich geht ein denkwürdiger und unvergesslicher Marathon zu Ende!!! Trockene Sachen angezogen und die Siegerehrung der Asse am Brandenburger Tor verfolgt. 2 Tage danach bin ich immer noch geschafft – Muskelkater – das Kniegelenk schmerzt sehr – aber egal – Hauptsache angekommen. Mir ist heute völlig unklar wie ich den Marathon so gut absolvieren konnte! Am 17.10.2005 nun die Arthroskopie, danach Krankengymnastik und dann beginnt die Vorbereitung für den 33. real,- Berlin-Marathon 2006!!! Apropos Krankheit und Marathon: Ich möchte meiner Frau Moni für die liebevolle Unterstützung danken, im Dezember sind wir seit 34 Jahren verheiratet. Mein Dank geht auch an die Mitglieder des Laufsport Berlin Forums!