Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Die Entwicklung der psychischen Operationen als Basis der Lernorganisation (Erste Fassung Garnitschnig, Karl (1998). Die Entwicklung der psychischen Operationen als Basis der Lernorganisation. Nichtveröffentlichtes Manuskript (Linz: TPO)) 1 Lernen als aktive, ganzheitliche, bedeutungsvolle Aneignung von Welt, das vom Kind aus geplant ist ______________________________________________________________ 4 1.1 Wie kann TPO für die Unterrichtsgestaltung eingesetzt werden? ___________________5 1.2 Übersetzung der Lernziele in psychische Operationen ____________________________8 1.3 Genaue, sensible Beobachtung der Schüler als Grundlage für die Gestaltung von Lernsituationen __________________________________________________________________11 1.4 Exemplarität und fächerübergreifendes Lernen ________________________________12 1.5 Die Lebenswelt des Schülers und die vorbereitete Umgebung _____________________14 1.6 Individualisierung oder die Notwendigkeit einer entwicklungsdynamisch orientierten Förderdiagnostik _________________________________________________________________16 1.7 2 Offenes Lernen als angemessene Methode für diese Form des aktiven Lernens ______17 Psychische Funktionen - Begriffsbestimmung _______________________________ 25 2.1 3 Operationen als Bausteine psychischer Funktionen ______________________________26 Entwicklungsdynamische Darstellung der psychischen Operationen _____________ 27 3.1 Bewegen__________________________________________________________________28 3.2 Empfinden und Wahrnehmen _______________________________________________30 3.3 Denken ___________________________________________________________________32 3.3.1 3.3.2 Die Entwicklung des Zahlenbegriffs _________________________________________________ 36 Die Entwicklung des räumlichen Denkens, dargestellt am Beispiel der spontanen Zeichnung _____ 38 3.4 Die Entwicklung des Sprechens im Hinblick auf verbales Verstehen und Erklären ___39 3.5 Fühlen ___________________________________________________________________39 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 Die Übernahme von Rollen und gegenseitige Zusammenarbeit _____________________________ 40 Die Entwicklung der Objektbeziehung________________________________________________ 41 Unbewältigte Entwicklungsphasen und daraus resultierende Konsequenzen ___________________ 45 Die Entwicklungsstufen des Selbstempfindens _________________________________________ 46 Das Weltbild des Kindes - Die emotionale Besetzung der Umwelt __________________________ 47 3.6 Wollen ___________________________________________________________________50 3.7 Intuieren oder kreatives Denken _____________________________________________52 3.8 Merken oder Erinnern ______________________________________________________53 3.8.1 3.8.2 4 4.1 Synapsendifferenzierung als Grundlage des Gedächtnisses ________________________________ 54 Die Makroebene - Das Zusammenspiel von Körper und Seele _____________________________ 54 Beobachtung der Entwicklungsdynamik als Grundlage der Lernplanung _________ 55 Planung von fächerübergreifendem Unterricht _________________________________57 -1- Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Die Geschichte der Pädagogik ist reich an Ideen, die die Schule zu einem idealen Lernort für Kinder und Jugendliche machen könnten, wenn sie umgesetzt würden. Überblicken wir nur die jüngere Geschichte seit der Reformpädagogik, dann lassen sich für den pädagogischen Auftrag in Schulen nach dem „Handbuch der reformpädagogischen und alternativen Schulen in Europa“ zumindest fünf gemeinsame Orientierungen der innovativen Schulkonzepte erkennen: 1. Das Kind/der Jugendliche steht im Zentrum aller organisierenden Überlegungen. Die Gestaltung von Schule und die Planung von Lernen erfolgt „vom Kinde aus“ und berücksichtigt die Bedürfnisse aller am Schulgeschehen Beteiligten. Ihre Würde ist die Leitidee für die gesamte Gestaltung des Schullebens. Der Lehrer geht von dem aus, was der Schüler kann, hat eine positive Leistungserwartung und fordert die Schüler zu intelligenten Handlungen, zu Fragen und Einsicht über einen Gegenstand aus seinen Wurzeln im Sinne der genetisch-sokratisch-exemplarischen Methode Martin Wagenscheins (1991) heraus (vgl. Altrichter 1995, S. 10). 2. „Die Schule ist eine aktive Schule. ... Oberstes Ziel ist dabei die Entfaltung der Eigenaktivität und Selbstverantwortung des Schülers“ (Klaßen/Skiera/Wächter 1990, S. VIII) als Ziel aller pädagogischen Interaktionen. Alle dürfen am Schulleben teilnehmen, es mitgestalten und mitplanen. Dadurch nehmen die Kinder und Jugendlichen am Ganzen teil und übernehmen auch Verantwortung, was alle ihre psychischen Kräfte und Funktionen aktiviert. Musisch-kreative Bildung und Spiele verschiedenster Art (vor allem auch das darstellende Spiel) werden als grundlegende Selbstbildungsmittel in das Lernen integriert. Der Lehrer hilft den Schülern, ihr Lernen selbst zu organisieren. Lernen erfolgt aus der Gegenwart des Kindes und nicht für seine Zukunft. Hermann Röhrs, der langjährige Präsident der deutschsprachigen Sektion des Weltbundes für Erneuerung der Erziehung, will das Eigenrecht des Kindes auf das „Eigengesetz jeder Lebensstufe“ (Röhrs 1995, S. 17) erweitert wissen. Es muss darauf geachtet werden, dass das Kind zu einem freien Ausdruck kommt und zu einer „zweckmäßigen Wahrnehmung“ (Jacoby 1992), wodurch es zu einer genaueren Darstellung und Erfassung seiner Welt gelangt. 3. „Die Schule erstrebt eine Erziehung des ganzen Menschen.“ (Klaßen/Skiera/Wächter 1990, S. VIII) Dies folgt direkt aus der aktiven Teilnahme an einem offenen Schulleben, das die Gesamtwirklichkeit des Schülers einbezieht. Dadurch kann er alle seine psychischen Kräfte und Funktionen aktivieren. 4. Die Achtung vor dem Kind erfordert eine funktionierende Schulgemeinde, in der alle gleichberechtigt sind. „Schule als Lebensgemeinschaft“ bedeutet auch, „daß die das Schulleben bestimmenden Kommunikations- und Aktionsformen von Lehrern, Schülern und Eltern gemeinsam gestaltet werden“ (ebd.). Beim Lernen wird die Kompetenz und Kapazität der gesamten Gruppe ausgeschöpft. Lernen erfolgt aktiv und kooperativ. Der deutsche Pädagoge Hartmut von Hentig, der angesichts des tödlichen Fremdenhasses die Schule neu denken will, schreibt ihr in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Wenn „Schule heute für den größten Teil der Kindheit für den größten Teil ihrer Zeit der einzige Aufenthaltsort geworden ist, sollte er auch ihr Lebensort sein können“ (1993, S. 184), an dem sie wie in einer Polis Mitträger aller Entscheidungen sind und so demokratisch-politisches Bewusstsein lernen. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 2 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen 5. „Das Selbstverständnis der Schule kann mit dem Leitsatz ... Lernen aus dem Leben für das Leben“ gekennzeichnet werden, das sich „um den Anschluß an die Lebens- und Arbeitswelt“ bemüht und „eine Erweiterung des Lernraums über das Klassenzimmer hinaus auf die konkrete soziale Wirklichkeit außerhalb der Schule“ erstrebt. Den Schülern wird durch Öffnung der Schule eine Welt vielseitiger Erfahrungen ermöglicht und Lernen setzt bei den Interessenszentren der Kinder an (Klaßen/Skiera/Wächter 1990, S. VIII, vgl. dazu auch Skiera 1995, S. 13, Hentig 1993, S. 214 - 232). Über diese fünf Grundorientierungen hinaus müssten wir alle seit der Gestaltpädagogik und der Themenzentrierten Interaktion gelernt haben, das gesamte Lernumfeld zu beachten. Das Lernumfeld einer Klasse steht in der Umwelt einer individuellen Schule, diese wieder in der Umwelt eines Landes oder Staates und diese wieder in der Umwelt von Gesellschaften. Bleiben wir im Bereich des Staates, dann muss beachtet werden, dass eine Schule dann innovativ und reformfreudig, eine gute Schule sein wird, wenn in ihr - im Gegensatz zu Isolation - Kooperation und Kommunikation, über die allein die zur Verfügung stehenden Ressourcen bei Lehrern, Schülern und Eltern genützt werden können, vorherrschen. Schule wird also als eine Schulgemeinde verstanden, in der es ein verbindliches Verhältnis zum Elternhaus gibt (vgl. Röhrs 1995, S. 41). Kooperation und Kommunikation auf allen Ebenen, die für Innovation Bedingung sind, legt eine kollegiale Schulleitung nahe, zumindest eine solche, die, wenn es nur einen Schulleiter noch dazu ohne Rotation gibt, kollegial ist. Ausgeprägte Hierarchie trägt nicht zu Innovation bei, sondern nur vielfache, freie Kooperation, eine autonome, kooperative Organisation aller Beteiligten. Man bleibt dann auch freiwillig länger in der Schule (vgl. Röhrs 1995, S. 41). Lehrer beginnen sich auf diese Weise selbst zu professionalisieren. Wir können diesen Prozess als innere Professionalisierung bezeichnen, deren Bedeutung viel zu wenig beachtet wird. Im Mikrobereich des Unterrichts ist bedeutsam, dass in der Klasse ein offenes Lernklima herrscht, in dem sich alle als Lernende verstehen, der Lehrer als Organisator und Berater bei der Gestaltung und Planung von Lernprozessen, der für ein entspanntes, anerkennendes Klima sorgt. Mit diesen Orientierungen und ihren Ergänzungen sind die Kriterien guter Schulen, wie sie Herbert Altrichter aus der Schulqualitätsliteratur zusammenfasst, nicht nur erfüllt, sondern es ist auch angedeutet, wie diese Kriterien praktisch werden können: „1. positive Leistungserwartung und intellektuelle Herausforderung 2. transparente, stimmige und ‘berechenbare’ Regeln 3. positives Schulklima mit Engagement für Schülerinnen 4. Mitsprache und Verantwortungsübernahme durch Schülerinnen (dadurch wird auf der Schülerseite Punkt 2 praktisch umsetzbar, KG) 5. Zusammenarbeit und pädagogischer Konsens im Lehrkörper 6. wenig Fluktuation von Lehrer/innen und Schüler/innen 7. zielbewusste, kommunikations- und konsensorientierte Schulleitung Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 3 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen 8. reichhaltiges Schulleben (ein solches wird möglich, wenn das Schulleben in den Mittelpunkt der Schul- und Lernorganisation gerückt wird und die Schule geöffnet wird, KG) 9. schulinterne Lehrerfortbildung (ergänzt durch das Konzept innerer Professionalisierung, KG) 10. Einbeziehung der Eltern 11. Unterstützung durch die Schulbehörde“ (1995, S. 10) Nur dieser Punkt ist oben nicht genannt. Er ergibt sich aus einer makroorganisatorischen Betrachtung der Schule, von der her es unzweifelhaft ist, dass Schulen im genannten Sinn besser funktionieren, wenn sie dazu Unterstützung von außen bekommen. Es erhebt sich nun die Frage, in welchem Theoriezusammenhang alle diese Orientierungen und Kriterien gefasst und praktisch werden können. Es muss ein Begriff von einem Lernen und seiner schulischen Umsetzung sein, aus dem heraus sich Menschen aktiv in Auseinandersetzung mit ihrer vielfältigen Umwelt ganzheitlich erleben können. Alle Orientierungen und Kriterien müssen sich aus einem solchen Lernen ergeben. 1 Lernen als aktive, ganzheitliche, bedeutungsvolle Aneignung von Welt, das vom Kind aus geplant ist Lernen ist immer dann effektiv, weil auch hoch motiviert, wenn es mit Interesse, mit allen Sinnen, kurz mit allen psychisch-geistigen Kräften und Funktionen erfolgt. Ein solches Lernen ist dann auch ganzheitlich. Die psychisch-geistigen Funktionen sind jene Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit denen wir uns unsere Welt in all ihren Dimensionen aneignen. Es sind 1. Bewegen, 2. Empfinden und Wahrnehmen, 3. Denken oder Bilden von Bedeutungen, 4. Sprechen, 5. Fühlen oder sozial-emotionales Handeln, 6. Wollen, 7. Intuieren oder unser schöpferisches Handeln und 8. Merken oder Erinnern. Diese Funktionen können wieder in einzelne Operationen aufgegliedert werden, die die letzten Einheiten darstellen, die wir bei der Aneignung unserer Welt aktivieren. So verstandenes Lernen vermag die genannten Grundorientierungen praktisch werden zu lassen. Jean Piaget betont bei der Entwicklung der Intelligenz, dass man, um diese beschreiben zu können, „den Standpunkt der Handlung einnehmen“ müsse. Erst dadurch dränge „sich auch die Kontinuität auf, welche die Operationen mit der wirklichen Tätigkeit als Ursprung und Nährboden der Intelligenz verbindet“ (1984, S. 38). Er fasst seine Überlegungen so zusammen: „Kurz: der wesentliche Charakter des logischen Denkens besteht darin, daß es operativ ist, d. h. aus dem Tun hervorgeht, indem es dieses verinnerlicht.“ (a. a. O., S. 40) Wir eignen uns unsere Welt nicht wirklich an, wenn wir sie uns nicht in direktem Austausch operierend - und das heißt dann - verstehend und erklärend aneignen. Wissen aus zweiter Hand ist kein wirkliches Wissen. Jene psychischen Operationen, die dazu dienen, dass wir uns eine bedeutungsvolle Welt aufbauen, aktivieren wir, wenn wir uns mit ihr handelnd auseinandersetzen. Es wäre für das Lernen äußerst kontraproduktiv, würden wir wichtige Funktionen, die unseren psychisch-geistigen Apparat bilden, nicht aktivieren. Genau solche fatale Ereignisse passieren aber, wenn wir uns Wissen oder besser unsere Welt nicht Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 4 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen ganzheitlich, d. h. mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln aneignen, sondern wir von Wissen und Welt nur hören, vielleicht das Gehörte auch noch aufschreiben. Das, was niemand für sich selbst tut oder kann, nämlich eine abstrakte Welt, abstrakte Begriffe ohne Anschauungen und Vorstellungen zu verstehen und sich dann auch zu merken, wird immer noch Schülern aller Schultypen, trotz anders lautender Lehrplanforderungen, zugemutet. Es könnte aber ganz anders sein (vgl. dazu für viele Rumpf 1988, 1973, Kükelhaus/Lippe 1991). Die Theorie dieses ganzheitlichen Lernens, bei dem alle unsere psychisch-geistigen Kräfte und Funktionen aktiviert werden, wollen wir im Weiteren zum leichteren Gebrauch als Theorie psychischer Operationen (= TPO) bezeichnen. Mit TPO wird der Anspruch verbunden, die progressiven pädagogischen Ideen der Vergangenheit und die heutigen pädagogischen Innovationen praktisch umzusetzen. Über TPO sind die wesentlichen reformpädagogischen Ideen konkret umsetzbar und Lernen kann auf ihrer Basis optimal gefördert werden. TPO ist höchst innovativ bzw. kann über sie die Innovation, die durch die derzeit innovativsten schulpädagogischen Maßnahmen, nämlich Integration (Garnitschnig 1994) und Leistungsbeurteilung ohne Noten, eingebracht worden sind oder zumindest eingebracht werden könnten (Vierlinger 1993a, 1994, Garnitschnig 1991, Zangerl 1995), umgesetzt werden. Sie bietet dazu ein geeignetes Instrumentarium. Es mag der Eindruck entstehen, dass der Anspruch überzogen sei, dass es unmöglich sei, dass eine Theorie das leisten könne. TPO ist aber tatsächlich sehr komplex und doch wieder so fundamental, dass es innerhalb dieser Theorie gut gelingt, diverse Ansprüche einzulösen. Über eine Bewegung der Augen oder des ganzen Körpers wendet man sich jemandem zu. Wenn man sich dabei seiner inne wird, – aufmerksame Zuwendung zu sich selbst (= Wille, Intuition) – fühlt man, wie der andere auf einen selbst wirkt. Dieses Fühlen wird nur durch ein aufmerksames (= Wille) Wahrnehmen seines inneren Gefühlszustandes (= Wahrnehmung) bewusst. Dabei kommen bisherige Erfahrungen ins Spiel (Erinnerung), die man mit Personen ähnlichen Aussehens usw. hatte und bringt das auch innerlich zur Sprache. 1.1 Wie kann TPO für die Unterrichtsgestaltung eingesetzt werden? Beim Lernen als Aneignung von Welt in direkter Auseinandersetzung mit ihr werden psychische Operationen aktiviert. Es werden natürlich andere psychische Operationen aktiviert, wenn ein Inhalt z.B. nur zu Gehör gebracht wird, oder wenn der Schüler sich einen Inhalt in direkter Auseinandersetzung aneignet. Im zweiten Fall werden jedenfalls mehr psychische Funktionen aktiviert, woraus folgt, dass der Inhalt auch besser gemerkt wird, weil man sich unter dieser Bedingung mit ihm intensiver auseinandergesetzt hat und er auf diese Weise für den Schüler existentiell bedeutsam werden kann. Für die Lernplanung bedeutet dies, dass zu überlegen ist, mit welchen Lernmaterialien und welchen Lernsituationen Schüler konfrontiert werden müssten, durch die sie jene psychischen Operationen aktivieren, die sie aufgrund ihres Entwicklungsstandes zur weiteren Förderung aktivieren sollten. TPO versucht die Entwicklung der psychischen Operationen so genau wie möglich in ihrer entwicklungspsychologischen Abfolge zu erfassen, zumindest so genau, dass über die einzelnen Elemente der Aufbau der Welt des Kindes und natürlich dann des Jugendlichen in allen Facetten genau beschrieben werden kann. Es ist ihr also nicht primär um die Inhalte zu tun, sondern darum, über welche Operationen sie angeeignet werden. Es geht auch beim Lernen nicht darum, sich alle Inhalte anzueignen, was völlig unmöglich ist, sondern um das Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 5 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Lernen jener Operationen, über die wir uns die spezifischen Inhalte aneignen können. Dies ist der eigentliche Sinn von Lernen lernen. Die grundlegende Frage ist also, welche psychischen Operationen jeweils aktiviert werden müssen, um sich bestimmte Inhalte aneignen zu können, sie zu erfassen, zu verstehen, mit seinen Elementen operieren zu können, ob die Inhalte nun Zahlen oder Daten über Bienen oder das Weltgeschehen sind, ob das schöpferische Tätigkeiten sind oder der Zugang des Menschen zu Gott. Genau dieses intelligente Handeln zu lernen, was den intelligenten Erwachsenen im Gegensatz zum Intellektuellen ausmacht, der nicht weiß, was er weiß und daher auch nicht, was er nicht weiß und demnach bloßer Skeptiker oder Agnostiker ist, ist nur über genetisches Lernen möglich, wie es vorbildlich Martin Wagenschein beschrieben hat. In seinem Sinn ist es zu begrüßen, dass im neuen Lehrplan der Volksschule von 1986 die Tendenz erkennbar ist, nicht vordergründig Wissensinhalte sondern Aktivitäten und Fähigkeiten anzugeben. Auf eine Anregung von Martin Wagenschein formulierte der Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen in seinen Empfehlungen und Gutachten schon in den 60er Jahren nicht inhaltliche Lernziele, sondern Funktionsziele. Dort heißt es, dass Funktionsziele „an nahezu jedem Gegenstand erreicht“ werden könnten. Allerdings sollte dieser Gegenstand bzw. sollten jene Themenkreise, zu denen der Gegenstand gehört, bestimmte Kriterien erfüllen. Dies gelte im besonderen dann, wenn nach der exemplarisch genetischen Methode vorgegangen wird. Verfährt man nach ihr, sollte man „solche Themenkreise bevorzugen, die a) geistesgeschichtlich und philosophisch bedeutsam sind, b) in möglichst viele Teilgebiete <eines Fachbereichs> übergreifen, c) möglichst wenige Vorkenntnisse erfordern.“ (1966, S. 52) Für den mathematischen Bereich betont der Deutsche Ausschuß, was für jeden Unterricht notwendig ist, „daß die Schüler das Erfaßte wirklich verstehen und von seiner notwendigen Geltung überzeugt sind.....Daß die Schüler mathematisch anschauen und denken lernen, hat auch den absoluten Vorrang vor dem Umfang der erworbenen Kenntnisse.“ Es sei also zu fragen, ob der große Umfang mathematischer Bildung, wie ihn der Lehrplan vorsieht, nicht „eher hindert als fördert“, das Funktionsziel mathematischen Anschauens und Denkens zu lernen. In diesem Zusammenhang zitiert er die Empfehlungen des Wissenschaftsrates, in denen es heißt, dass es auch für die Hochschule „auf die an wenigen Gegenständen der Elementarmathematik erlernbare Denkfähigkeit“ ankomme (Empfehlungen des Wissenschaftsrates, Teil I, 1960, S. 26, zit. nach a. a. O. S. 50). Alle Lehrplanziele sind als psychische Funktionen bzw. psychische Operationen darstellbar. Jene steuern den spezifischen Inhalt bei. Ein gutes Kriterium, ob ein Lernziel im geläufigen Sinn ein solches ist, oder ob es sich um ein Funktionsziel handelt, ist, dass letzteres mehreren Lernzielen zugeordnet werden kann. TPO erspart nicht die Frage nach den Inhalten zu stellen, also bildungstheoretische Fragen nach dem, was gelernt werden soll. Sie relativieren sich aber auf die Frage, an welchen Inhalten denn exemplarisch jene psychischen Operationen gelernt werden sollen, über die alle anderen verwandten Inhalte als generalisierte Operationen angeeignet werden können. Wir können auch von exemplarischen Austauschprozessen zwischen Individuum und Umwelt sprechen. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 6 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Nach der genetisch-sokratisch-exemplarischen Methode von Martin Wagenschein ist immer von einem Problem auszugehen, das die Fragebereitschaft und Spontaneität der Schüler herausfordert. Im Sinne der genetischen Methode sollten Gegenstände, Begriffe und Sachverhalte erst dann eingeführt werden, wenn sie sich der Gruppe aufdrängen und sie sich ganz dem Bedenken der Sache überlassen können. Es verlangt ein intensives und dauerndes einfühlsames Beobachten und Verstehen der Kinder, wenn man folgende Empfehlung, die der Deutsche Ausschuß wiederum auf Anregung von Martin Wagenschein gibt, beachten möchte. Es „sollte darauf geachtet werden, daß ein Begriff, eine Operation, eine Begriffserweiterung immer dann erst eingeführt werden, wenn eine konkrete Fragestellung den Schüler so weit geführt hat, daß er von sich aus nach der Erweiterung verlangt“ (1966, S. 52), denn erst dann wird es zu einem lebendigen Wissen. Folgende methodische Hinweise möchte Wagenschein im Besonderen beachtet wissen: „a) Die Gründung auf Anschauung darf nie verloren gehen, und der Zusammenhang mit der naiven Erfahrung des Schülers ... darf nicht zerrissen werden. b) Der Umgang mit Kalkülen darf nie in leeren Formalismen ausarten, d.h. man muss sich vergegenwärtigen können, was man tut. c) Die Themenkreise müssen auch vom Schüler in ihrem Zusammenhang erkannt werden.“ (a. a. O., S. 53) Ist dieser Lebenszusammenhang für den Schüler nicht gegeben, wird Lernen nur zu schnell zu einer intellektuellen Anstrengung und hört auf intelligentes Handeln anzuregen und zu sein, operativer und für die Schüler bedeutungsgeladener Umgang mit spezifischen Inhalten. Es kann nicht genug betont werden, dass man sich, um die Funktionsziele des Sachunterrichts erreichen zu können, gründlich und ernsthaft auf ein Arbeiten am Phänomen einlassen muss, wenn man Verstehen erreichen will. Jede abstrakte Form der Aneignung von Wissen führt nur dazu, dass das Kind eine eigene Phantasiewelt aufbaut. Auch wenn diese die richtige Welt sein sollte, bleibt sie für das Kind so lange in der bloßen Vorstellung oder in der Phantasie, bis es diese Welt selbst erfahren kann. Sonst passiert das, was Martin Wagenschein von sich selbst berichtet: „Von diesen vielen Jahren mit über tausend Schulstunden weiß ich merkwürdig wenig. Es ist als blickte ich in einen schwach beleuchteten Raum und fast so, als wäre ich nicht dabei gewesen.“ (a. a. O., S. 15) Der genetische Unterricht leitet also Aussagen von den Phänomenen her und baut auf dem Wissen der Schüler auf. Alles andere Lernen produziert nur Scheinwissen, das schnell vergessen wird, und zu „‘imposanten Schotterhaufen’“ und „‘Angstneurosen’“ führt (a. a. O., S. 106, S. 144). Wir müssen also sehr wohl darauf achten, welche Verhaltenseinschränkungen und Aggressionen die Schule durch ihre Lernarrangements selbst produziert, bevor man sie voreilig dem Elternhaus oder der negativ beeinflussenden sozialen Umwelt eines Schülers zuschiebt. Darauf hat schon Maria Montessori aufmerksam gemacht, die unter schwierigen Bedingungen scheinbar nicht entwicklungsfähige Kinder in ihre Häuser aufgenommen hat (Montessori 1988, vgl. auch Mann 1978). Man muss also direkt an die Phänomene selbst herankommen, sonst bleibt die Welt unverstanden. Ein verstehender Aufbau der Welt geschieht über das, was der Fall ist. Aber sie muss unsere Wirklichkeit werden, sonst ist sie nicht für uns. Man kann im eigentlichen Sinn auch nur etwas benennen, was für uns da ist. Man wird die Formel H2O erst verstehen, wenn man eine Elektrolyse von Wasser gemacht hat und dann ausprobiert, wie unterschiedlich die Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 7 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen beiden Gase reagieren und was passiert, wenn man sie wieder zusammenführt und dass das Ergebnis davon wieder Wasser ist. Sonst kann H2O nur den alltäglichen Sinn von Wasser haben oder die Formel bleibt abstrakt. 1.2 Übersetzung der Lernziele in psychische Operationen Für die schulische Lernplanung im besonderen bedeutet dies, dass die Lernziele – ausgehend von den spezifischen methodischen Zugängen der Fächer (Wissenschaften) – erst einmal in psychische Operationen übersetzt werden müssen, um dann jene Lernsituationen planen zu können, in denen die Schüler genau diese psychischen Operationen aktivieren können. Auf diese Weise wird dann Lernen zu einem ganzheitlichen Prozess, was im Besonderen durch die Gestaltpädagogik (Petzold/Brown 1977) und die themenzentrierte Interaktion (Cohn 1980) immer wieder forciert wurde. Es ist dies ein Merkmal effektiven Lernens, das schon von Johann Amos Comenius (1592 - 1670) als Bedingung, dass alles leicht und mit Freude gelernt werde (Große Didaktik, 1657, 1993), gefordert wurde. Wenn Lernen Austausch mit der Wirklichkeit ist (Garnitschnig 1993, 1994), dann muss Lernen in spezifischen Situationen erfolgen, in denen der Schüler sich tatsächlich mit Umwelt, Gegenständen, Ereignissen austauscht. Solange er noch im Stadium der konkreten Operationen steht, also seine Denkstrukturen noch nicht unabhängig von realen Situationen aufbauen kann, ist es notwendig, Lernen an realen Gegenständen und Ereignissen zu vollziehen. Erkenntnis ist also als eine "Konstruktion von Realität", als "eine aktive Transformation der Umwelt mittels der [bisher gewonnenen, KG] Struktur des Erkennenden" (Baumgartner 1994, S. 405) aufzufassen, die sich im aktiven Austausch mit der Umwelt dynamisch hält. Effizientes und signifikantes Lernen erfolgt also über Anpassungsprozesse des Individuums in der Form der Assimilation und Akkomodation (vgl. Piaget 1984). Lernen bedeutet also Erweiterung der Strukturen des Repräsentationssystems einer Person, um ein höheres Gleichgewicht zwischen den Repräsentationsstrukturen und der Außenwelt zu erreichen. Die übliche Form der Unterrichtsvorbereitung verläuft auf einer Oberflächenstruktur (vgl. Oser/Patry 1994), die auf Unterrichtsmethoden und Medien ausgerichtet ist, die der Lehrer umsetzt und verwendet und nicht auf die Operationen der Lernenden zur Aneignung der Inhalte zentriert ist. Unterrichtsmodelle, bei denen der Lehrer nur Auswähler von Werkzeugen ist, sind problematisch. Lehrer als Steuerer oder Erleichterer von Lernprozessen müssen jedenfalls den Entwicklungsstand der Kinder beachten. Ist dies nicht integraler Bestandteil eines Unterrichtsinstruments, ist es problematisch. Es bleibt abstrakt. TPO geht davon aus, dass (1) die Lernziele nicht unabhängig vom Schüler formuliert werden und (2) im Besonderen die Lernziele nicht unabhängig von der Möglichkeit des Schülers, jene psychischen Operationen zu aktivieren, die er zu ihrer Erreichung braucht, bestimmt werden. Wenn Lernen Austausch mit der Umwelt ist, dann sind auch Lernsituationen bedeutsam und vom Lehrer zu planen, die sich aber nicht in einen eindeutigen Zusammenhang mit den Lernzielen bringen lassen, weil sie in der Regel über mehrere Lernsituationen anzusteuern sind, wenn es auch bisweilen eindeutige Zuordnungen geben mag. Es fordert analytisches Vorgehen, um aus einem Lernziel die Operationen herauszufiltern, die Schüler aktivieren müssen, um sich das Lernziel aneignen zu können. Z. B. sind im Lernziel "Sich in der neuen Gemeinschaft zurechtfinden und das Gemeinschaftsleben mitgestalten" Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 8 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen viele Operationen enthalten. Man würde verkürzt vorgehen, wollte man gleich auf Lernsituationen lossteuern, sondern man muss zunächst fragen, was denn die Bedingungen dafür sind, dass sich ein Schüler in der neuen Gemeinschaft zurechtfindet. Das liegt an Personfaktoren, wie z. B. dem eigenen Selbstwert, an der Vertrautheit mit den Personen, dem Finden einer Position in der Gemeinschaft und an Situationsfaktoren, wie denn die neue Gemeinschaft beschaffen ist. Sind die neuen Mitschüler z. B. aggressiv; wie hoch ist der Anteil der Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache, der Kinder mit besonderen Bedürfnissen? Als Lehrer wird man zunächst einzuschätzen versuchen, wie diese Faktoren nach ihrer Bedeutsamkeit zu reihen sind. Für das Erlernen des genannten Lernziels gibt es im täglichen Schulleben derartig viele Situationen, dass dafür keine besondere Situation arrangiert zu werden braucht. Jedenfalls muss der Schüler im Bereich des sozial-emotionalen Handelns sich geborgen fühlen können, er muss sich Personen zuwenden, zu ihnen Kontakt suchen, er muss Erwartungen anderer vorwegnehmen können und eigene Erwartungen artikulieren, er muss sich auf andere einlassen, Frustrations- und Angsttoleranz aufbringen, ein stabiles Gefühl von Einheitlichkeit haben, Gefühle ausdrücken, sich einfühlen, sich einem Gruppenprozess eingliedern, Regeln befolgen, seine Wünsche aufschieben, Verantwortung übernehmen, seine Position in der Gruppe wahrnehmen, Zugehörigkeit fühlen, die Perspektiven anderer übernehmen, sich zu anderen in Beziehung setzen, Regeln bilden, zusammenarbeiten, Regeln verinnerlichen, aufeinander hören, andere anerkennen, sie achten, sie als gleich sehen, Vorstellungen über ein wünschenswertes Zusammenleben bilden. Im Bereich des Wollens muss der Schüler bereit sein, neue Situationen aufzusuchen, seine Aufmerksamkeit von Personen und Situationen steuern lassen, seine Wünsche äußern, planen und entscheiden, eine Sache zu Ende führen, Grenzen erkennen und sie erweitern wollen, Raum ausfüllen, sich Raum schaffen, anderen Raum geben, Zeit strukturieren, sich selbst darstellen, sich selbst verantworten, sich gegenüber Ansprüchen von außen behaupten. Im Bereich des Sprechens muss er zumindest von Aktionen begleitete Hinweise verstehen, sich mit anderen auf sie teilweise eingehend unterhalten, Erfahrungen in einer spontanen Form erzählen, handlungsbezogen sprechen, eigene Gedanken und Vorstellungen mitteilen, neue Ideen über freies Assoziieren einbringen, Ideen anderer folgen. Im Bereich des Denkens wird der Schüler für dieses Lernziel symbolisches Handeln aktivieren, durch Experimentieren Probleme lösen, Ideen vergleichen und sie nach ihren Folgen abwägen, planen, Situationen in ihrer Ganzheit erfassen, einzelne Elemente von Situationen in ihrem Zusammenhang erfassen, Zusammenhänge intuitiv herstellen. Der Bereich des schöpferischen Denkens ist mit dem Entwickeln von neuen Ideen schon berücksichtigt. Natürlich werden alle die Handlungen an sich und an anderen auch wahrgenommen, Situationen und Ereignisfolgen, Regeln müssen gemerkt werden und alle diese Prozesse sind auch von Bewegungen begleitet, die aber in diesem Zusammenhang von nicht so großer Bedeutung sind (vgl. dazu Garnitschnig u.a. 1995, S. 11 - 15). Deutlich ist jedenfalls geworden, dass erst eine genaue Analyse von Lernzielen auf der Basis der grundlegenden Operationen, die aktiviert werden müssen, um ein bestimmtes Lernziel zu erreichen, klar erkennen lässt, was mit einem bestimmten Lernziel gemeint ist. Sonst bleibt es in der Regel viel zu komplex. In den einzelnen Handlungen der Schüler fließen ohnehin die Operationen der einzelnen psychischen Funktionen zusammen. Wenn dies so ist, dann taucht die Frage auf, ob für die Konstruktion von Lehrplänen nicht von den psychischen Operationen ausgegangen werden sollte. Eine Lehrplankonstruktion unter anderen Gesichtspunkten bleibt willkürlich, wie sich leicht nachweisen ließe. Dies zeigt ja schon die oben durchgeführte Aufschlüsselung eines Lernziels. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 9 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Die aufgezählten Operationen sind auf die Inhaltsstruktur bezogen und sind Resultat ihrer Analyse. Die Inhaltsstruktur meint die gegenstandsbezogenen (Subjekte, Objekte, Sachverhalte, Ereignisse, Theorien, ...) Begriffe und Relationen, um einen Sachverhalt erfassen zu können. Die Operationen der Inhaltsstruktur sind die Elemente und Relationen, mit denen sich die verschiedenen Logiken beschäftigen bzw. zum Inhalt haben: Begriffslogik, Relationenlogik, Prädikatenlogik, Aussagenlogik und Speziallogiken wie die deontische Logik. Diese wiederum sind die formalisierten Methodenkonzepte der einzelnen Wissenschaften. Die inhaltlichen Operationen der Lernziele werden vom Kind über psychische Funktionen bzw. Operationen angeeignet. Diese werden vom Kind über Lernsituationen und Lernmaterialien aktiviert, die wiederum in sich die entsprechenden inhaltlichen Operationen enthalten müssen, damit sich das Kind auch wirklich durch sie die gewünschten Lernziele aneignen kann. Von den Lernsituationen ist gefordert, dass sie den Kriterien aktiven Lernens genügen, d. h. sie müssen reales Leben sein, bzw. das Kind zu realen Handlungen auffordern. Sie können ganz unterschiedlich komplex sein. Somit werden durch sie immer mehrere Ebenen psychischer Funktionen angesprochen. Diese sind durch unterschiedliche Grade der Ausprägung der Entwicklung, ihrer Koordination gekennzeichnet. Die Lernsituationen sollten alle diese Unterschiede zulassen, was heißt, dass sie in der Regel nicht auf eine psychische Funktion mit einem bestimmten Ausprägungsgrad zugeschnitten sein sollten, außer es soll eine bestimmte psychische Operation für sich geübt werden. Wird Lernen an das Schulleben angebunden, dann erfüllen die Lernsituationen selbstverständlich dieses Kriterium. Abbildung 1: Planungsmodell Lernziel Inhaltsstruktur Lernvoraussetzungen Methoden des Faches Psychische Funktionen/ Operationen Lernsituation Lernmedien Am Beispiel des Lernziels "Sich in der neuen Gemeinschaft zurechtfinden" kann für ein autistisches Kind schon viel bedeuten, wenn es sich auf jemanden zubewegen kann, ohne mit diesem Kontakt - und sei es nur Augenkontakt - aufzunehmen. Für ein anderes Kind kann es Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 10 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen bedeuten, dass es zur Einsicht kommt, es müsste sich gegenüber anderen zurücknehmen, um auch ihnen eine Chance zu geben, sich in die Gruppe integrieren zu können. Lernziele wären also jeweils differenziert nach der Entwicklung eines Kindes zu sehen, aber auch nach der Gesamtgruppe und den Subgruppen in ihr. Dies ist wieder nur durch eine Analyse der Lernziele auf der Basis der Entwicklung der psychischen Operationen bei den einzelnen Schülern erkennbar. Was dem einen zugemutet werden kann, muss noch lange nicht von allen bewältigt werden können. In diesem Sinne ist Unterricht auf dieser Basis integrativ. Auf Situationen bezogen können Kinder an diese je nach ihren entwicklungsbedingten Möglichkeiten herangehen. Außerdem ist es gut möglich, dass Kinder gemeinsam eine und dieselbe Situation je nach ihren Möglichkeiten bewältigen. Um gerade das Moment der Zusammenarbeit an einer Sache zu betonen, empfiehlt der Sozialpädagoge Georg Feuser, der kompromisslos Integration als Menschenrecht vertritt, konsequent durchgängig Projektunterricht (Feuser 1987, 1993, Feuser/Meyer 1987). Im Zusammenhang dieser Arbeit wird der Situationsbegriff vorgezogen, weil er analytisch brauchbar ist, und weil Situationen von ganz unterschiedlicher Komplexität sein können. Sie können von ganz einfachen Handlungen, die eine Person durchführt, bis zu Ereignissen reichen, die äußerst komplex sind und in die eine ganze Klasse oder sogar die ganze Schule eingebunden sein kann. In solchen Situationen wird eine Arbeitsteilung mit unterschiedlich schwierigen Verrichtungen, in die alle Schüler je nach ihren Fähigkeiten eingebunden werden können, vorzunehmen sein. Aus diesen Überlegungen ergibt sich das oben dargestellte Planungsmodell. 1.3 Genaue, sensible Beobachtung der Schüler als Grundlage für die Gestaltung von Lernsituationen Jede Beobachtung kann wichtig sein, weil sich Lern- oder Handlungseinschränkungen in kleinsten Äußerungen zeigen, die später enorme Auswirkungen haben können, wenn nicht gleich auf sie reagiert wird. Gute Lehrer achten primär auch darauf, ob sich die Schüler wohl fühlen. Sie versuchen die Schüler möglichst tief zu verstehen. Daher werden sie z. B. bei Aufsätzen weniger „auf Ausdrucks- und Rechtschreibfehler und unlogische Schlußfolgerungen“ achten als vielmehr darauf, „welche Erfahrung das Kind im Aufsatz zum Ausdruck bringt, welche Wünsche und Ängste“ (Mann 1978, S. 117). Es liegt nun die Frage auf der Hand, welche Anforderungen eine Schule an die Schüler stellt, wie weit ihre psychischen Funktionen bei Schuleintritt entwickelt sein müssten oder sollten. Aber genau diese Frage ist nicht zu stellen, wenn Integration ernst genommen wird. Diese geht nicht von einem Erfolgskonzept, sondern von einem Konzept des Zusammenlebens aus (Feuser 1992, Preuss-Lausitz 1990, Garnitschnig 1994). Vielmehr ist zu fragen, was alle Kinder aus diesem Zusammenleben lernen können und was auch die Kinder mit dem größten Entwicklungsrückstand zu diesem und natürlich auch zu den gemeinsamen Aufgaben, die durch die spezifische Institution Schule gestellt werden, beitragen können. Auf Selektion wird zugunsten von Integration in jeder Hinsicht verzichtet. Anstelle von äußerer Differenzierung wird eine innere Differenzierung angestrebt. Diese ist wegen der offenen Lernformen in einer vorbereiteten Umgebung sogar individualisiert möglich. Das Lernen wird über Jahres-, Monats- oder Wochenpläne je nach der Eigeninitiative und der Aufmerksamkeitsspanne der Schüler gesteuert. Auf Noten kann verzichtet werden. An ihre Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 11 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Stelle tritt eine genaue, dauernde Rückmeldung über die Beobachtung der Entwicklung der Schüler. 1.4 Exemplarität und fächerübergreifendes Lernen Es sei noch darauf verwiesen, dass durch die Analyse von Lernzielen nach ihren Operationen inhaltlicher und psychischer Art die Frage der Exemplarität und des fächerübergreifenden Lernens erst wirklich bestimmt werden können. Bei der Analyse zeigt es sich nämlich, dass durch die Lernziele immer viele Operationen aktiviert werden, die ebenso auch in anderen Lernzielen enthalten sind. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Kinder auch dann alle zum Austausch mit Welt in unserer Kultur nötigen psychischen Operationen erlernen werden, wenn von ihren Interessen ausgegangen wird und ad hoc Probleme der Kinder aufgegriffen werden. Natürlich dürften dabei vom Lehrer keine Lösungen angeboten oder gar vorgeschrieben werden, sondern die Lösungen müssten von den Kindern selbst gefunden und evaluiert werden. Kinder beherrschen sehr bald die Operationen des Dazugebens oder Zusammenzählens, des Wegzählens und des Teilens, wenn man sie diese konkret durchführen lässt und nicht von der Konkretisierung trennt. Wenn man also von Situationen und Ganzheiten ausgeht und erkennt, über welche Operationen man eine bestimmte Zahl erreichen kann. Auszugehen wäre von der Vorstellung, dass Wissen auf Zusammenhängen zwischen Begriffen und Theorien basiert und dass die Lösung von Problemen nicht in Fächer sektioniert wird. Eine Sektionierung würde bestimmte Methoden der Problemlösung vorschreiben. Es wären nicht Methoden der Problemlösung vorzugeben, sondern es wären Problemlösungen zu versuchen und der Prozess, der dabei durchlaufen wird, zu reflektieren oder zu analysieren. Dann wird sich sekundär zeigen, ob dafür ein anderes Vorgehen (= eine andere Methode) nötig oder günstiger als das gewesen wäre, das angewendet wurde. Dadurch, dass der Schüler die Wurzeln der Differenzierung des Wissens aus den zugrunde liegenden unterschiedlichen Operationen erfährt, wird er besser für den nachfolgenden Fachunterricht vorbereitet. Auf diese Weise lernt er nicht ein Wissen, das die Tendenz hat, in Vergessenheit zu geraten, sondern Denk- und Verstehensstrukturen. In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll, nicht von einem fächerübergreifenden, sondern von einem themenübergreifenden Lernen zu sprechen. Es gibt viele Themen und Fragestellungen, die mit einer überschaubaren Menge von Denkstrukturen erörtert werden können. So gesehen wäre es wichtiger, die Denkstrukturen (= Denkmethoden) an vielen, unterschiedlichen Themen zu üben (vgl. De Bono 1994, S. 39), als Themen zu erörtern, ohne die dabei verwendeten Denkmethoden bewusst zu machen, um auf sie bei der Erarbeitung von weiteren Themen zurückgreifen zu können. Auf diese Weise würde selbständiges Denken gefördert, und Lernen würde beginnen, Spaß zu machen. Es ist also das Ziel, „Denkfähigkeiten aufzubauen, und nicht nur eine interessante Diskussion in Gang zu bringen, in der ein wenig Denken stattfindet“ (De Bono 1994, S. 40). Dabei könnten die Kinder auch lernen, auf Zeit und Konzentration zu achten und nicht abzudriften. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 12 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Jedes Thema wäre nicht von den für es nötigen Informationen ausgehend aufzuschlüsseln, sondern von den mit ihm verbundenen Fragen. Denn erst Fragen regen zum Denken und damit zum Eindringen in das Thema an (vgl. Wagenschein 1991). Es wird dann auch im Sinne der Descartschen Methode deutlich und klar, warum man bestimmte Informationen braucht, wozu sie gut sind, d. h., warum man sie sich aneignen sollte - man beginnt zu verstehen, zu begreifen. Fragen wir nochmals zusammenfassend, wodurch sich TPO auszeichnet: TPO geht von einem Lernbegriff aus, der einen aktiven Austausch mit Welt über Lernmaterialien und Lernsituationen aus dem privaten und schulischen Lebensbereich forciert. TPO ist ganzheitlich orientiert, indem sie die Handlungen von Individuen in den Mittelpunkt stellt, bei denen immer alle psychischen Funktionen in spezifischen Modellierungen zusammenspielen. TPO richtet das Augenmerk auf den Lernprozess. Der Lehrprozess wird jenem untergeordnet. TPO legt den Schwerpunkt auf die lernenden Individuen, nicht auf die zu lernenden Inhalte. TPO strebt generalisierte Operationen solcher Art an, die für viele Situationen anwendbar sind, nicht spezialisiertes Wissen. TPO achtet auf eine Lernatmosphäre, in der sich die Lernenden frei äußern können und ihre psychischen Funktionen leicht aktivieren können. Daher übt der Lehrer keine Macht aus, sondern versteht sich auch als Mitlerner mit den Schülern (vgl. Mann 1978). Er achtet bei der Organisation von Lernprozessen auf die Bereitstellung von Lernmaterialien und Lernsituationen, über die und in denen sich die Kinder ihr Lernen selbst organisieren. Die Hauptaufgabe des Lehrers beim aktiven Lernen der Schüler ist, diesen eine entspannte, vorbereitete Lernumgebung zu schaffen und die genaue Beobachtung ihrer Tätigkeiten, um zu erkennen, wie weit sie die psychischen Operationen aktivieren (können), um für die Schüler jene Lernumwelt individualisiert gestalten zu können, die ihr Lernen, ihre Entwicklung fördert, was heißt, dass es ihnen gelingt, Probleme auf immer komplexerer Operationsbasis zu lösen. Es ist ermutigend von Lehrerinnen, die mit TPO arbeiten, zu hören, sie böte eine Rechtfertigung für das, was sie immer schon machten, sie könnten nun ohne Scheu mit den Kindern spielen, Geburtstagsfeste und Klassenfeste vorbereiten, weil die Kinder dabei eine Menge lernen, was aber im Grunde doch - aber nur anders im Lehrplan steht, was sie für Deutsch, Mathematik, Sachkunde und natürlich für die Unterrichtsprinzipien, z. B. das soziale Lernen bräuchten. Man müsste nur tatsächlich die Kinder in die Planung und Umsetzung und Gestaltung einbeziehen. Damit wagen sie es, das Schulleben in den Schulalltag einzubringen. Für Iris Mann steht im Zentrum einer emanzipatorischen Pädagogik, dass Individuen von Fremd- zu Selbsterfahrung kommen. In unserer Gesellschaft, im Besonderen in der Schule, die unsere Gesellschaft widerspiegelt, sind strukturell Situationen vorhanden, die den Übergang von Fremd- zu Selbsterfahrung verhindern (1978, S. 7). Lernen wäre so zu organisieren, dass Erfahrung mit der Welt zu einer direkten Erfahrung wird, bei der Welt als nach Gesetzen, sofern sie natürliche Welt ist, und als nach Maximen des guten Handelns, sofern es die soziale Umwelt betrifft, machbar und veränderbar erscheint. Dazu ist es nötig, Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 13 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen dass die Schüler selbst tätig werden, selbst schöpferisch handeln. „‘Lernen kann man alles. Man muß es sich nur vorstellen können.’“ (Mann 1978, S. 34) Lernen als Austausch mit der Umwelt kann unbewusst, automatisch, instinktiv, gewohnheitsmäßig oder bewusst, geplant, aktiv, methodisch erfolgen. Diese zweite Form des Lernens ist anzustreben, bei dem das Kind sich aktiv fragend, planend, hantierend auseinandersetzt. Dieser Austausch mit der Umwelt steht unter Bedingungen, die wiederum entwicklungsbedingt sind: 1. Abgestimmtheit des Organismus mit der Umwelt - unter Umständen Veränderung der Umwelt 2. Wendung des Organismus zur Umwelt hin, instinktiv oder triebhaft, passiv, organisch bedingt oder aufgrund von Bedürfnissen oder Interessen, aktiv, psychisch-noetisch bedingt Bewegung, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit als eine Willensmodalität 3. Erkundung, Beobachtung und Erfassung - Wahrnehmung, Beobachtung: Sammeln von Informationen, Daten - Verwendung von Registriertechniken - Klassifikationen, Schätzen und Messen der Daten nach komparativen und quantitativen Größenverhältnissen Schätzverfahren, Messtechniken 4. Systematisieren von Informationen, Daten - Herstellen von Zusammenhängen, Relationen zwischen den Daten - Hypothesen-, Theoriebildung 5. Evaluieren, Bewerten - Angabe von Kriterien für die Güte von Theorien 6. Kreativität: Kann vielfältig eingesetzt werden: beim Bilden von Hypothesen, Finden von Kriterien, Sammeln von Vorschlägen und Ideen bei Entscheidungen und Problemlösungen 7. Metadenken: Denken über Denken, Lernen lernen, Merktechniken 1.5 Die Lebenswelt des Schülers und die vorbereitete Umgebung Der einzige Weg, Intelligenz zu erwerben, ist, intelligent zu handeln. Genau solche Lernsituationen sind also gefragt, in denen der Schüler intelligent handeln kann. Das gilt für alle Handlungen, in denen er sich aktiv mit seiner Umwelt auseinandersetzen kann. Dabei soll er Erfahrungen auf seinem höchsten intellektuellen Niveau machen können. Es macht einen wesentlichen Unterschied aus, ob der Schüler z. B. eine Rechnungsart mechanisch nach regelhaften Anleitungen des Lehrers durchführt oder ob er genau verstanden hat, wie die einzelnen Operationen, die zur Lösung führen, zu machen sind. Dies wird aber erst dann möglich sein, wenn ihm Zeit gelassen wird, die einzelnen Operationen - wenn nötig unter vorsichtigen Frageimpulsen oder Aufforderungen des Lehrers, es in einer bestimmten Weise einmal anders zu versuchen, die ihm die Lust des selbst Entdeckens nicht nehmen - selbst zu entdecken. Etwas Vorgezeigtes nachzumachen fördert nicht intelligentes Handeln, wenn auch bei vielen Lernprozessen v. a. in jungen Jahren dieser mit der Nachahmung beginnt. Ziel des Lernens ist es, sich die universellen Schemata der Weltdeutung in den unterschiedlichen Bereichen anzueignen, damit der Schüler zu einer differenzierten Weltsicht kommt. Dabei ist darauf zu achten, dass der Schüler mit Objekten und in Situationen operativ umgehen kann, sonst kann er nicht verstehen. Er soll also aktiv handeln können und die Schüler merken bald, dass diese Tätigkeiten ihren Lohn in sich selbst tragen. Anspruchsvolle Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 14 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Tätigkeiten sind an sich selbst lohnend. Solche lassen sich aber nicht in einer abstrakten Welt, sondern nur in realen Situationen, mit konkreten Materialien erleben. Daher ist es die vornehmlichste Aufgabe des Lehrers, unter Ausnutzung des Schullebens, das in sich viele Möglichkeiten bietet, aber auch noch durch Öffnung angereichert werden kann, für die Schüler eine nach ihrem Entwicklungsstand anregende Lernumwelt zu gestalten, in der sie nach ihrem Tempo individuell lernen können. Normale Pädagogik glaubt, einen Prozess verkürzen zu können, der aber je nach der Individualität des Schülers seine Zeit braucht. Im Endeffekt führt dies allerdings dazu, dass das, was Schüler zur gegebenen Zeit in sehr kurzer Zeit lernen können, auf Jahre verteilt wird, weil Lehrer ohne dieses Bewusstsein zu wenig auf den inneren Entwicklungsplan und die Eigenmotivation der Schüler vertrauen. Schon Rousseau hat gemeint „Man soll nicht Zeit einsparen, sondern verlieren“ (zit. nach Dennison 1976, S. 23). Und Wagenschein bemerkt: „Eile verdirbt alles.“ (1983, S. 150) Lehrer glauben immer wieder, sie müssten in die Schüler viel Stoff hineinpressen. Eigentlich kann es nur darum gehen, dass diese ihre psychischen Operationen intelligent anwenden können. Wenn jemand glaubt, diesen Prozess beschleunigen zu müssen, dann gelingt das effektiv nur, wenn dem Schüler eine anregende Umwelt zur Verfügung gestellt wird, in der er seine psychischen Operationen aktivieren kann. Am deutlichsten zeigt es sich bei Behinderten, wie sehr man bei all ihrem Tun und ihren (ehrgeizigen) Zielen auf die Kräfte der Schüler angewiesen ist. Eine derartig organisierte Schule ist eine Entwicklungsschule, die auf folgenden Grundsätzen aufbaut: 1. Die Entwicklung psychischer Funktionen ist an sich wertvoll. 2. Die organisierten Handlungen des Lehrers sollen die Entwicklung der psychischen Operationen des Schülers und so seine Selbsttätigkeit fördern, die eine Grundbedingung für eine gesunde psychische Entwicklung ist. 3. Dies geschieht durch eine vorbereitete Umgebung, die dem Aktivierungsniveau der psychischen Operationen der Kinder entspricht. 4. Wenn der Schüler frei ist, dann lässt er sich von den Dingen und Ereignissen der Umwelt zentrieren (vgl. Jacoby 1991) und arbeitet engagiert und geschickt an der eigenen Entwicklung. Er wird lernen, seinen Maßstab in sich zu haben, seine Möglichkeiten einzuschätzen und zu einer freien Beziehung zu sich selbst kommen. Der Schüler zentriert sich auf sich selbst und auf die Dinge - im Sinne einer „sachbezogenen Aufmerksamkeit“ (Furth/Wachs 1978, S. 67) - und nicht auf den Lehrer als die einzige Quelle des Wissens. Wissen wächst ihm vielmehr aus der Auseinandersetzung mit Welt zu. Der Lehrer bietet Möglichkeiten an und überlässt es den Kindern, daraus Nutzen zu ziehen. 5. Das Lernen läuft in einem sozialen Kontext ab. Schüler arbeiten immer wieder in unterschiedlichen sozialen Gruppen und Konstellationen zusammen. Bei dieser Zusammenarbeit kommt die sehr effektive Form des Lernens durch Lehren zum Tragen. 6. Der Lehrer ist Modell für einen emotional offenen, sozialen, denkenden und kreativen Menschen. Er erfüllt die Aufgabe, die Schüler bei der Entwicklung ihrer psychischen Operationen zu beobachten und daraus ableitend eine Umwelt bereitzustellen, die diese Entwicklung fördert. Der Lehrer beurteilt die Schüler nicht, sondern meldet ihnen seine Beobachtungen über die Entwicklung ihrer psychischen Operationen zurück und plant die jeweils nächsten Angebote. Auf diese Weise entsteht ein gutes Klima, in dem die Schüler sich Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 15 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen frei fühlen können. Dies führt „zur Überwindung unkontrollierter emotionaler Verhaltensweisen“ (a. a. O., S. 82) wie z. B. Einnässen in Stresssituationen (a. a. O., S. 65 ff.) Das Denken kann nicht als Unterrichtsfach gelehrt werden und ist kein Wissen, das man erinnern oder vergessen kann. Intelligenz ist die Totalität der verfügbaren Denkschemata. „...das Denken ist in den Handlungen, in den Wahrnehmungen, Bildern, in der Sprache anwesend.“ (Furth/Wachs 1978, S. 46) Intelligenz ist unter diesem Gesichtspunkt die „schrittweise Produktion neuer Denkschemata“ (a. a. O., S. 47). Wie Kinder beim Erlernen der Sprache mit unglaublicher Sicherheit Generalisierungen vornehmen und auf diese Weise die Grammatik richtig anwenden lernen, so koordinieren und systematisieren sie von selbst ihre Erfahrungen. Mit diesen Ausführungen sollte deutlich geworden sein, wie die eingangs genannten Ideen die Organisation von Lernprozessen in der Schule tragen können und auch sollten, damit nach den Ideen ein ganzheitliches Lernen vom Kinde aus in einer aktiven Schule als Lebensgemeinschaft aller Beteiligten als ein Lernen aus dem Leben für das Leben geschehen kann. 1.6 Individualisierung oder die Notwendigkeit einer entwicklungsdynamisch orientierten Förderdiagnostik Nur zu häufig wird von der Vorstellung der Komplementarität des Verhältnisses von Lehrer und Schüler ausgegangen und eine abstrakte Beziehung postuliert, nach der der Schüler von seiner Funktion als Schüler, der bestimmte Aufgaben zu erfüllen hat, und nicht als individuelle Person verstanden wird. Vielmehr ist dem Schüler mit Achtung und in Anerkennung seiner Individualität zu begegnen. Was der Lehrer dafür braucht, ist eine entwicklungsdynamisch fundierte Theorie, die es ihm ermöglicht, den Schüler in seiner Individualität mit seiner spezifischen Lebens- und Lerngeschichte, die auch von traumatischen Erfahrungen oder von leiblich-seelisch-geistigen Besonderheiten gekennzeichnet sein mag. Damit der Lehrer nun den Schüler in seiner Individualität zu erkennen vermag, wird die teilnehmend verstehende Beobachtung eine der wichtigsten Aufgaben des Lehrers sein. Diese wird sich auf die Ganzheit der Äußerungen des Schülers beziehen, auf seine leiblich-seelischgeistige Einheit. Schon von Ganzheit zu sprechen – wie dies üblich geworden ist –, wenn zur kognitiven auch der sozial-emotionale und der psychomotorische Bereich einbezogen wird, reicht nicht aus. Denn zur Ganzheit des Menschen gehören alle seine psychischen Funktionen, auch das Wahrnehmen, Sprechen, Intuieren oder sein Kreativsein und das Erinnern. Erst im Zusammenspiel all dieser Funktionen in ihrem spezifischen Zugriff auf die Vielgestaltigkeit unserer Welt und unseres Handelns in ihr wird die Ganzheit des Menschseins sichtbar. Die Planung von Lernen beruht also auf zwei Voraussetzungen: Es ist einerseits die Entwicklungsdynamik des Schülers, sein erreichter Zustand der Entwicklung der psychischen Funktionen und andererseits die Struktur lebensweltlicher Phänomene und Prozesse, die er sich aneignen will und soll. Diese sind vom Lehrer in Lernsituationen so zu übersetzen, dass der Schüler an ihnen genau jene psychischen Operationen aktivieren kann, die bei ihm zu einem gegebenen Zeitpunkt entwicklungsdynamisch an der Reihe sind. Somit haben die Lernsituationen wieder das rückkoppelnde Merkmal, das wir schon oben bei der Beschreibung des Lernprozesses hatten, einerseits in ihnen den nächsten Lernschritt als Aneignung eines Stücks Welt zu vollziehen und andererseits ist dieser Aneignungsprozess der Anlass, jene Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 16 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen psychischen Operationen zu erlernen, über die wir uns unsere Welt aneignen (vgl. Garnitschnig 1995, S. 9 f.; 1996, S. 16 f.; 1997, S. 14 f.). Der Lehrer hat also eine sehr komplexe Aufgabe zu erfüllen, will er wirklich professionell fördernd vorgehen. Im Blick auf die Dynamik der Entwicklung der psychischen Operationen bei der Aneignung von Welt und beim Handeln in ihr erfährt der Lehrer, welche nächsten Schritte für den Schüler an der Reihe sind. Auf der Basis dieser Beobachtung kann der Lehrer jene Lernsituationen planen, die genau für diesen bestimmten Schüler passen. 1.7 Offenes Lernen als angemessene Methode für diese Form des aktiven Lernens Offenes Lernen als eine von vielen Lehrern besonders in alternativen Schulen aber auch in Regelschulen erprobte Methode ermöglicht dem Lehrer die vielen Lehrern unwahrscheinlich vorkommende Leistung, einerseits Zeit für die Beobachtung der Schüler als Basis für die Individualisierung zu haben und andererseits einzelne Schüler individuell zu fördern. Dem widerspricht nicht, dass der Lehrer zeitweise für alle oder für einen Teil der Schüler einer Klasse kursartige Informationseinheiten gibt.1 Außerdem sollte beim offenen Unterricht nicht auf die Lehrkompetenz der Gleichaltrigen vergessen werden. Dabei kann man sich das Faktum vergegenwärtigen, dass durch Lehren gelernt wird. Bei einem solchen Unterricht können alle Schüler, auch die Hochbegabten gefördert werden, zumal dadurch höchste Eigenaktivität gefordert ist. Durch die individuelle Arbeit mit Schülern, die bei offenem Unterricht möglich wird, kann die aktuelle Entwicklungsdynamik bei den einzelnen Schülern erfasst werden. Dazu bedarf es einer Entwicklungsdiagnostik, die für schätzungsweise etwa 95% der Schüler durch die folgende Tabelle gegeben ist. Hat ein Schüler in irgendeiner Funktion oder in mehreren Funktionen besonders schwere Einschränkungen, dann müsste der Entwicklungsverlauf in noch kleineren Schritten beschrieben werden, um 1. gezielter fördern und um 2. auch kleine Lernfortschritte erkennen zu können. 1 Derartige Formen sind in kleinen Schulen mit Abteilungsunterricht gang und gäbe. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 17 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Abbildung 2: Tabelle der Entwicklung der psychischen Funktionen EntwicklungsPhase Bewegen Empfinden, Wahrnehmen Denken Modalitäten Pulsieren, Atmen, Saugen, Schlucken, Strecken, Beugen, Strampeln, Greifen, Halten Ziehen, Dehnen, Drehen, Federn, Schwimmen, Krabbeln, Robben, Sitzen, sich Aufrichten, Klettern, Gehen, Springen Modalitäten Riechen, Hören, Schmecken, Tasten, Sehen, Schmerz-/Wärme-Empfinden, Raum-/Lage-Empfinden, Gleichgewicht, Körpersinn, Rhythmus-/Harmonie-Empfinden, Energiefluss Spüren Modalitäten digitales, analytisches, logisches Denken analoges, ganzheitliches, synthetisc Denken sensomotorische 1. reflektorisches, instinktives Phase Bewegen 2. Betätigen und Üben der Reflexe egozentrische 3. Differenzieren v. Bewegungen Rollenüber4. Koordinieren v. Bewegungen nahme 5. spontanes, autonomes Bewegen 6. Koordination v. Bewegungen und Wahrnehmung 7. Fließen der Bewegung 8. Beweglichkeit 9. Automatisierung von Bewegungen 10. Kombinationen von Bewegungen 11. über Wahrnehmung ausgelöstes/gesteuertes Bewegen 12. Übernahme visuell oder akustisch wahrgenommener Bewegung in die eigene Bewegung 13. Gleichgewicht halten 14. Überkreuzen der Mittellinie 1. an den Augenschein gebundenes Wahrnehmen 2. Wahrnehmen v. Ganzheiten 3. kreuzmodales Wahrnehmen 4. Zentriertheit der Wahrnehmung auf nur ein Merkmal 5. Gliederung von Wahrnehmungen 6. intermodales Wahrnehmen 7. Integrieren von Wahrnehmungen aus verschiedenen Sinnesmodalitäten 1. 2. 3. 4. 5. EntwicklungsPhase Bewegen Empfinden, Wahrnehmen Denken Symbolisches/ vorbegriffliches Denken 15. einzelne Bewegungsverläufe als Gesamthandlung empfinden 16. Aneignung v. komplexer werdenden Bewegungsabläufen 17. Automatisierung von Bewegungsabläufen 18. Vorgegebenes und Vorgestelltes in Bewegung umsetzen 19. Bewegungen nach Tempo, Kraft, Spannung ausführen und variieren 20. einzelne Bewegungsabläufe in unterschiedliche Handlungen integrieren 21. Lateralität/Seitigkeit ausbilden 8. zwei Merkmale miteinander verbinden/aufeinander abstimmen 9. Körperwahrnehmung 10. Körperschema aufbauen 11. Raumwahrnehmung 12. Isolieren und verfeinern von Wahrnehmungen 13. Sequentieren von Wahrnehmungen 14. abgestimmt auf Außenreize reagieren 8. vorstellungsmäßiges Vergegenwärtigen v. bildhaften Symbolen 9. topologische Ordnung: benachb getrennt, eingeschlossen, umschlossen 10. Sortieren nach unterschiedlichen Merkmalen 11. Gegensätze bilden 12. Bewerten nach wesentlichen/ unwesentlichen Eigenschaften 13. symbolisches Handeln 14. durch Experimentieren Problem lösen Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Wahrnehmungsschemata bilden Generalisieren, Diskriminieren Permanenz der Person Permanenz des Objekts zwei Verhaltensschemata so kombinieren, dass daraus eine neue Handlung entsteht 6. zielgerichtetes/intentionales Handeln 7. Kombination von Verhaltensschemata Seite 18 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen 15. sich Gegenstände vorstellen 16. Symbole gebrauchen 17. Gegenstände/Ereignisse nach mehreren Merkmalen vergleiche 18. intentionales Kausaldenken Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 19 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen EntwicklungsPhase Bewegen Anschauliches Denken 22. weiteres Isolieren und Verfeinern von Bewegungen 23. Verfeinern der Koordination Subjektive 24. bewusstes Steuern von komplexen Rollenübernahm Bewegungen e 25. sich selbst über Bewegung, Atmung regulieren 26. adäquat, schnell reagieren 27. Kraft dosieren, lenken 28. Bewusstsein von Körperhaltung und Gleichgewicht Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Empfinden, Wahrnehmen Denken 15. weiteres Verfeinern und Isolieren von Wahrnehmungen 16. anschauliche Beziehungen eines Systems in ihrem Zusammenhang sehen 17. gleich bleibende Einheiten unabhängig von der Zahl der Merkmale erfassen 18. Erhaltung des Ganzen 19. serielles Wahrnehmen 19. die funktionelle Abhängigkeit zweier Merkmale erfassen 20. assoziative/transitive/reversible Komposition 21. euklidische Formen Erfassen: Gerade, Kreis, Winkel, Quadrat Dreieck 22. Transformation verstehen 23. Invarianz der Menge/Anzahl 24. Invarianz des Gewichts 25. Invarianz der Substanz 26. Zahlbegriff 27. Ziele planen, für die es mehrere Lösungswege gibt 28. Realitätsbewusstsein Seite 20 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen EntwicklungsPhase Bewegen konkrete Operationen 29. Muskeltonus gezielt aufbauen 20. innere Vergegenwärtigung von Wahrnehmungen 30. Bewegungen reflektieren 21. rein vorstellungsmäßige 31. Körperhaltungen/Bewegungen bei Vergegenwärtigung von inneren sich und bei anderen als Ausdruck und äußeren Wahrnehmungen seiner/ihrer selbst erfahren 32. Bewusstheit von Körperhaltung und Gleichgewicht 33. Körpergefühl und Körperbewusstsein in Bewegungen umsetzen 28. Reihenfolgen: räumlich, zeitlich 29. Erfassen von Größenverhältniss 30. Ordnen bildhaft dargestellter Objekte und Situationen 31. Mengen und Ordnungsverhältni 32. umfassendes Ursache-Wirkungs Schema 33. Strategien entwickeln 34. Bildung interner, reversibler Handlungsschemata 35. Operationen variabel kombinier 34. mentales Vergegenwärtigen von Bewegungsabläufen 35. Bewegungsabläufe frei zu Gestalten kombinieren 36. universelles Klassifikationssche 37. Invarianz des Volumens 38. Operieren mit Operationen 39. vernetzt denken 40. hypothetisch-deduktives Denken von Annahmen ausgehend folge 41. dialektisches Denken 42. mehrere Lösungswege nach Qualitätskriterien erkennen und bewerten 43. systematisches Testen mögliche Ursachen unter kontrollierten Bedingungen 44. Reflexion des Erkenntnisprozes 45. Geschichtsverständnis selbstreflexive Rollenübernahme formale Operationen wechselseitige Rollenübernahme Empfinden, Wahrnehmen Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 22. innere Vergegenwärtigung von Wahrnehmungen 23. rein vorstellungsmäßige Vergegenwärtigung von inneren und äußeren Wahrnehmungen Denken Seite 21 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen EntwicklungsPhase Sozial-emotionales Handeln Wollen Intuieren Modalitäten Lieben - Hassen, Sicherheit spüren ängstlich Sein, sich Fürchten, sich Freuen - Trauern, offen Sein gedrückt, verschlossen Sein, interessiert Sein, überrascht Sein, sich Ekeln, sich Ärgern, Schuld Fühlen Modalitäten aufmerksam Sein, sich Konzentrieren, sich Zuwenden, Streben Modalitäten Phantasieren, freies Assoziieren, kreativ Sein, Erfinden/Entwerfen vo Vorstellungen und Ideen, Neues Entwickeln, sich Einfällen Öffnen, sich Einfällen Öffnen sensomotorische 1. von Körperempfindungen und Phase wahrnehmungen ausgelöstes Fühlen 2. Personen mit libidinöser Energie egozentrische besetzen Rollenübernahme 3. Prägung durch Bezugspersonen/ direkte Übernahme von Verhaltensschemata 4. reagieren, nachahmen 5. sich geborgen fühlen/Ur-Vertrauen 6. teilnehmen, sich einer Bezugsperson zuneigen 7. Kontakt suchen 8. sich hingeben 9. Gefühle anderer übernehmen 1. innen und außen unterscheiden 2. sich von Unangenehmem abwenden 3. sich Personen zu-/von Personen abwenden 4. sich selbst zuwenden 5. sich Gegenständen zuwenden 6. nachahmen 7. neue Situationen aufsuchen 8. Aufmerksamkeit von Personen/Gegenständen gesteuert 9. nach seinen Bedürfnissen handeln 10. Wünsche äußern 11. sich als Urheber von Handlungen wahrnehmen 1. (reflektorische) Bewegungen an Gegebenheiten anpassen 2. inneren Impulsen folgen 3. einem inneren Erleben unmittelb Ausdruck geben 4. ein inneres Bild von einer Perso haben 5. ein inneres Bild von einzelnen Gegenständen/Abläufen haben 6. Bilder kombinieren 7. Entdecken neuer Mittel durch aktives Ausprobieren EntwicklungsPhase Sozial-emotionales Handeln Wollen Intuieren symbolisches/ vorbegriffliches Denken 10. erste Loslösung 11. Ich-Bildung 12. Beziehung aufnehmen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen 13. Erwartungen haben 14. Erwartungen anderer vorwegnehmen 15. Verinnerlichung eines Bildes von anderen Personen 16. Perspektiven von Beziehungspartnern teilweise übernehmen 12. Handlungen anderer innerlich nachahmen 13. Handeln auch gegen den Willen von Bezugspersonen 14. Phantasie- und Rollenspiele, expressive Spiele 15. Bewusstsein eines eigenen unabhängigen Ich 16. voll aufmerksam Prozessen folgen 17. voll aufmerksam Prozesse ausführen 18. bereit sein, sich aktiv mit Berührung auseinander zu setzen 8. sich auf neue Mittel einlassen 9. schöpferische Erfindungsakte, z B. Wortschöpfungen 10. Ahnungen haben, wie Prozesse ablaufen könnten 11. Gestaltungsvariationen zulassen 12. Vorstellungen mit Hilfe verschiedener Mittel eine Gesta geben 13. Erfinden von Regeln, gebunden vorgegebene Inhalte 14. Probehandeln Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 22 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen EntwicklungsPhase Sozial-emotionales Handeln Wollen Intuieren 17. die Abwesenheit einer Bezugsperson aushalten 18. Frustration und Angst ertragen subjektive 19. stabiles Gefühl der Einheitlichkeit Rollenübernahm - Selbstgrenzen e 20. Gefühle ausdrücken 21. Zuneigung zeigen 22. sich in jemanden einfühlen 23. Regeln wörtlich befolgen 24. sich in die Gemeinschaft einordnen 25. sich einem Gruppenprozess eingliedern 26. seine Wünsche aufschieben 27. sich gegenüber Ansprüchen von außen behaupten 28. Verantwortung übernehmen 29. seine Position in der Gruppe wahrnehmen 30. affektives Erfassen von psychophysischen Zuständen 19. sich selbst einschätzen/behaupten 20. sich selbst einen Wert geben 21. Pläne umsetzen, entscheiden 22. eine Sache zu Ende führen 23. Grenzen erkennen 24. Grenzen erweitern 25. Raum ausfüllen 26. sich Raum schaffen 27. Zeit strukturieren 28. sich selbst darstellen/ausdrücken 29. psycho-physische Spannungszustände selbst regulieren 30. sich selbst verantworten 31. ausgleichen, rhythmisieren 32. auf ein stabiles Gefühl der Einheitlichkeit - Selbstgrenzen achten 33. volle Aufmerksamkeit 34. sich selbst als Bezugspunkt seines Handelns sehen 15. neue Ideen über freie Assoziationen entwickeln 16. Gestaltungsvariationen aktiv umsetzen 17. mehrere Tätigkeiten variabel kombinieren 18. Assoziationsketten herstellen EntwicklungsPhase Sozial-emotionales Handeln Wollen Intuieren konkrete Operationen 31. Zugehörigkeit fühlen 32. seine Position in einer Gruppe einnehmen/ausfüllen 33. Perspektiven anderer ohne Einschränkung übernehmen 34. sich zu anderen in Beziehung setzen 35. sich um andere sorgen, sie begleiten 36. Regeln bilden 37. Zusammenarbeiten 38. Regeln verinnerlichen 39. aufeinander hören 35. Identifikation mit einem >Helden< 19. freies Erfinden von zu einem System gehörenden Regeln 36. sich selbst strukturieren 20. bewusstes freies Fluktuieren von 37. anderen Raum geben Vorstellungen 38. für sich selbst und für andere 21. einem inneren Erleben unmittelb Verantwortung übernehmen Ausdruck geben 22. einem inneren Erleben mittelbar über Medien Ausdruck geben 23. Relationen von Elementen als Ganzheit erkennen 24. Elemente einer Ganzheit variier 25. neue unbekannte Beziehungen zwischen Elementen und anschauliches Denken selbstreflexive Rollenübernahme Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 23 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen 40. affektives Erfassen von Körperzuständen formale Operationen wechselseitige Rollenübernahme 41. Einheit in sich selbst erleben 39. sich selbst voll aktualisieren 42. sich gegenseitig anerkennen/ 40. sein eigenes Handeln von sich aus achten bewerten 43. sich als gleichberechtigt gegenüber 41. selbst bestimmt nach Prinzipien anderen sehen handeln 44. Identität bilden über ein eigenes Wertesystem, eigenen Sinn 45. solidarisch sein 46. gerecht sein, wie es jeder braucht 47. universelle Vorstellungen über ein gutes Zusammenleben bilden 48. sich der Bewertungsgrundlage in sich bewusst sein 49. Intimität leben 50. universelle Liebe Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Ganzheiten herstellen 26. sich bewusst für neue Einfälle le machen 27. intuitives Herstellen von potenti universellen Zusammenhängen 28. Ideen, Vorstellungen konstruktiv umsetzen Seite 24 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen 2 Psychische Funktionen - Begriffsbestimmung Schon William James hat das geistige Leben in seiner dynamischen Einheit als ein Gefüge von Funktionen definiert, das auf die Anpassung des Organismus an seine Umwelt zur Befriedigung seiner Bedürfnisse gerichtet ist (vgl. Arnold u. a., 1991, S. 651). Die psychischen Funktionen sind gewissermaßen das menschliche Potential, das es zu entwickeln gilt. Sie gehören zur Ausstattung des soziophysischen Organismus’ des Menschen. Ihre Ausbildung und Entfaltung erfolgt über den Austausch mit der sozialen und natürlichen Umwelt. Zu diesem gehört auch das Erlernen der in unserer Kultur entwickelten Techniken verschiedenster Art (vom Schreiben, Lesen, Rechnen bis hin zur Bedienung hochkomplexer Apparaturen) oder Formen sozialer Kommunikation und auch der Fertigkeiten, die zum Aufbau von Technik und Kultur geführt haben, bis hin zur metatheoretischen, philosophischen Reflexion und Theoriebildung über unser Erkennen. Alle diese Fähigkeiten und Fertigkeiten, so komplex sie sein mögen, bauen durch Kombination auf grundlegenden psychischen Funktionen auf. Lernziele wären also im didaktischen Prozess zunächst nach den psychischen Funktionen, die für ihre Realisierung nötig sind, zu analysieren und diese wären primär anzueignen. Lernziele wären also zunächst durch Funktionsziele zu ersetzen, um eine gesicherte Basis für Lernziele zu haben. Im Anschluss daran ist die wesentliche didaktische Frage, in welcher Umwelt oder vorbereiteten Umgebung, über welche Austauschprozesse mit welcher Umwelt diese Funktionen vom Kind bzw. dem Individuum wahrgenommen, erfahren und geübt werden können. Wir sprechen zunächst einmal von einer vorbereiteten Umgebung und meinen damit sowohl Lernmaterialien als auch Lernsituationen schulischer und außerschulischer Art sowie das Lernklima, um die Fragestellung nicht vorschnell eng zu führen. Konkret wird es in dieser Untersuchung um die Analyse einzelner geeigneter Lernmaterialien und Lernsituationen gehen müssen, die für das Wahrnehmbar- und Erfahrbarmachen und Üben bestimmter psychischer Funktionen geeignet sind. C.G. Jung unterscheidet vier Grundfunktionen der Psyche: Denk-, Fühl- und Empfindungsfunktionen und das Intuieren (vgl. Arnold u. a. 1991, S. 652). Es wird unsere Aufgabe sein zu zeigen, wie sich diese im Laufe der Entwicklung im sich erweiternden Austausch mit der Umwelt differenzieren. Feldenkrais verwendet eine seinem praktischen Hintergrund entsprechend andere Einteilung. Für ihn sind an jedem Tun, an jeder Handlung Bewegung, Sinnesempfindung, Gefühl und Denken beteiligt (1978, S. 33 f.) Für die gegenständliche Untersuchung unterscheiden wir Bewegen, Empfinden und Wahrnehmen, Denken oder Bilden von Bedeutungen, dazugehörig die Sprachentwicklung, Fühlen, Wollen, Intuieren und Merken oder Erinnern. Theoretisch stellt die Theorie psychischer Funktionen den Anspruch, dass aus diesen psychischen Funktionen das gesamte menschliche Handeln abgeleitet oder dargestellt werden kann. So entsteht das Wahrnehmen aus dem Zusammenspiel von Empfinden, Denken und Erinnern. Das Denken bildet die Schemata der Anschauung, die Empfindungen deutend zusammenfasst und aus der Erinnerung kommen Erfahrungen hinzu, die die Wahrnehmungen entsprechend unserer Lebensgeschichte und unseren Motiven selektiert. Durch die aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt in Assimilations- und Akkomodationsprozessen gelingt es dem Menschen, immer komplexere Schemata der Wahrnehmung zu bilden, die schließlich von der konkreten Anschauung gelöst werden können und zu abstrakten Begriffen werden, zu Kategorien des Denkens und des Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 25 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Verstandes, mit deren Hilfe wir die Welt deuten. Durch Kombination von einfachen Denkschemata können wir sehr komplexe Denkstrukturen aufbauen (vgl. Rapoport 1972). Das Sprechen ist ein komplexer Vorgang, bei dem wir Symbole benützen, die wir mit Hilfe unseres Sprechapparates verbunden mit Gefühlsausdruck, der sich in Mimik, Gestik und metasprachlichen Elementen äußert, artikulieren. Erinnern spielt natürlich dabei wieder eine bedeutende Rolle. 2.1 Operationen als Bausteine psychischer Funktionen Piaget betont in seiner Darstellung der Psychologie der Intelligenz, dass man, um diese beschreiben zu können, „den Standpunkt der Handlung einnehmen“ müsse. Erst dadurch dränge „sich auch die Kontinuität auf, welche die Operationen mit der wirklichen Tätigkeit als Ursprung und Nährboden der Intelligenz verbindet“ (1984, S. 38). So bezeichne jedes Glied eines mathematischen Ausdrucks eine Handlung. Zeichen Handlung = Substitution + Verbindung - Trennung xx reproduzieren x-malige Erzeugung von x Was für das mathematische Denken gilt, gilt auch für die Logik. „Der Begriff einer Klasse ist psychologisch nichts anderes als der Ausdruck der identischen Reaktion des Subjekts gegenüber den Gegenständen, die er in einer Klasse vereinigt; logisch drückt sich diese Assimilation in der qualitativen Äquivalenz aller Elemente einer Klasse aus.“ (a. a. O., S. 40) Piaget fasst diese Überlegungen zusammen: „Kurz: der wesentliche Charakter des logischen Denkens besteht darin, daß es operativ ist, d. h. aus dem Tun hervorgeht, indem es dieses verinnerlicht.“ (ebd.) Dies bestätigt voll obige Aussagen, dass, wenn das Denken operativ ist, es über Operieren, d.h. den Umgang mit Welt angeeignet wird oder es entsteht eine künstliche, unverstandene Welt. Das Denken baut sich aus Senso-Motorik auf (vgl. dazu auch Frostig 1980, S 224). Alle intelligenten Operationen, die Jugendliche in der Form formaler Operationen also rein gedanklich unabhängig von konkretem Material etwa ab dem 12. Lebensjahr benutzen, ruhen auf konkreten Handlungen als ihren Grundelementen oder Grundgesamtheiten auf. Es sollte so betrachtet möglich sein, alle Lernziele oder Lernaufgaben über solche Grundoperationen zu beschreiben. Als psychische Funktionen werden alle psychischen Leistungen im engeren Sinn verstanden, die dazu beitragen, dass es uns gelingt, im Austausch mit der Umwelt ein Bild der Welt und von uns selbst zu entwickeln, Bilder, die dynamisch gehalten werden können und sollen. Die Wiener Psychologin Sindelar, deren praktischer Schwerpunkt Legasthenie ist, spricht von „Teilleistungen als die grundlegenden Fähigkeiten, die notwendig sind, um höhere psychische Funktionen, wie z.B. Sprache und Denken, aufzubauen und auszudifferenzieren“ (1988 S. 63). Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 26 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Wir werden auch diese Teilleistungen als psychische Funktionen bezeichnen, betrachten es aber als sinnvoll, die komplexen psychischen Funktionen in psychische Operationen aufzugliedern, um ihre Entwicklung besser verfolgen und fördern zu können. Zu beachten ist, dass Kinder vor Schuleintritt in der Regel schon sehr komplexe Denkprozesse und andere Handlungen unmittelbar ausüben können. Sie haben die hochkomplexe psychische Funktion „Sprechen“ schon erlernt, sind aber noch nicht in der Lage, Sprache zu reflektieren oder mit Sprache reflexiv umzugehen. Wird dies zu früh verlangt, dann kann sich Versagen einstellen und Kinder fallen unter ihr erreichtes Niveau zurück. Tatsächlich ist es so, dass Lesebücher unter dem erworbenen Sprachniveau des Kindes sind und trotzdem können sie für Kinder schwierig sein, weil oder wenn sie zu früh das Reflektieren auf Sprache erwarten. Das Kind beherrscht die Grammatik unmittelbar, kann sie auch anwenden, aber nicht bewusst. Dafür ist es nötig, dass weitere psychische Operationen auf der Basis der erworbenen Operationen manifest werden, als Bedingung dafür, dass sie das Kind auch reflexiv gebrauchen kann. Daher ist es von eminenter Bedeutung, dass Kinder nicht zu bestimmten Leistungen gezwungen werden, sondern dass sie diese angeboten bekommen, dass sie selbst wieder zu Aufgaben oder Tätigkeiten zurückkehren dürfen, die sie bereits beherrschen. Sie müssen die Gelegenheit haben, immer wieder auf ihren vertrauten Positionen zu stehen, damit sie ihr Selbstvertrauen nicht verlieren. Selbstvertrauen und Selbstwert sind zu wichtige Lernmotive, als dass sie verschleudert werden dürften. 3 Entwicklungsdynamische Darstellung der psychischen Operationen In der Entwicklung fördern sich die psychischen Funktionen gegenseitig. Das Handeln oder der Austausch mit der Umwelt sind ganzheitliche Prozesse, bei denen grundsätzlich alle Funktionen zusammenspielen. Jeder Austausch mit Welt hat die willentlich hinwendende und hantierende Bewegung, die Wahrnehmung über verschiedene Sinne, Denkoperationen sowie Erinnerung zur Grundlage, welche Funktionen ihrerseits immer auch von Gefühlen begleitet sind. Vor allem für die kindliche Entwicklung bis zu der Zeit, zu der die Kinder eine einigermaßen sichere Ichstruktur aufgebaut haben (9 - 13 Jahre) ist die emotionale für die kognitive Entwicklung von größter Bedeutung. Denn zuerst erzeugen Kinder ihre Welt zum Großteil in Beziehungen zu Personen. Z. B. wird die so wichtige Objektkonstanz zunächst über die Mutter oder eine andere Bezugsperson erfahren. Für die Untersuchung ist es sinnvoll, die Entwicklung der psychischen Funktionen ab der Geburt zu skizzieren, weil schon ganz früh Störungen verschiedenster Art möglich sind. Das Feld reicht von ausgeprägten körperlichen Symptomen, wie verschiedene Spasmen, bis hin zu sehr unauffälligen Entwicklungshemmungen, die oft nicht bemerkt, allzu leicht falsch interpretiert, in der Regel personalisiert werden. D. h. dem Kind werden negative Charaktereigenschaften zugeschrieben, wo es sich um leichte angeborene oder erworbene Wahrnehmungsstörungen, Bewegungsanomalien usw. handelt. Normalerweise haben sich die psychischen Funktionen bis zum 7. Lebensjahr entwickelt. Dann folgt ihre weitere Differenzierung und Ausformung. Ein Sprung findet dann noch ungefähr beginnend mit dem 11. Lebensjahr statt, wenn die Operationen formal, losgelöst von Objekten, ausgeführt werden können. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 27 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen 3.1 Bewegen Wie schon betont, ist keine psychische Funktion und im Besonderen keine spezifische Tätigkeit, die wir lernen, isoliert. Alles, was das Kind tut, trägt zu seiner Entwicklung bei. So ist es nicht abwegig mit Furth/Wachs (1978) von „Bewegungsdenken“ zu schreiben. Durch Bewegungen lernt das Kind zuerst sich selbst zu empfinden. Wenn es sich auch zunächst nur reflexhaft und instinktiv bewegt, so beginnt es doch schon in den ersten Tagen nach der Geburt - möglicherweise schon vor ihr - im Wechselspiel von Reflexbewegungen und eigener Empfindung, diese zu verändern. Schon sehr bald lernt es auch, Bewegungen zu isolieren, was die Bedingung für die Koordination von Tätigkeit und Wahrnehmung ist. Es bildet Handlungsschemata (Piaget), die ohne direkten Bezug zu Verallgemeinerungen nicht denkbar sind. Über die Tätigkeiten bilden sich die ersten kognitiven Strukturen aus und Operationen bilden die Basis der Intelligenz und des Bewusstseins. Von einer Bewusstseinstheorie aus wäre zu sagen, dass keine Tätigkeit ohne Bewusstsein erfolgt oder dass es prinzipiell unmöglich ist, irgendein menschliches Verhalten von Bewusstsein zu isolieren. Es lässt sich an Handlungen auch feststellen, ob sie zweckmäßig, intelligent und bewusst und im weitesten Sinn kreativ, d.h. aus dem Eigensein der Person entspringend, ausgeführt worden sind. Grundsätzlich lässt sich an allen Modalitäten der Bewegung und der Empfindung arbeiten und sind alle für die Entwicklung von Bedeutung. Es hat noch einen weiteren Sinn, der eigentätigen Bewegung des Kindes einen großen Stellenwert zuzumessen. Denn: „In dem Maße, wie es dem Kind gelingt, seine Körperbewegungen mit Leichtigkeit zu steuern, wird es ihm möglich, sich mehr auf die abstrakten Aspekte einer Aufgabe zu konzentrieren.“ (Furth/Wachs, 1978. S. 89) Daher darf die erforderliche Koordination von Fingern, Hand, Arm und Augen beim Schreiben nicht als spezialisierte Schreibbewegung gelernt werden, sondern als ein Bewegungsablauf, der variabel eingesetzt werden kann, so dass „Schreiben oder Schnitzen eher die Anwendung eines internalisierten Wissens über die angemessenen Bewegungen als das mechanische Erlernen einer spezifischen Fähigkeit“ ist (a. a. O., S. 90). Die Geläufigkeit und Selbstverständlichkeit der Bewegungen ermöglichen es dem Kind, seine Energie und Aufmerksamkeit auf die Aufgabe selbst zu richten. Kleinste Fehler in der Bewegung z.B. der Augen können den Leseoder Schreibfluss empfindlich stören. Daher muss der Lehrer auf die Beobachtung kleinster Fehler spezialisiert sein. Furth/Wachs unterscheiden „fünf Hauptkomponenten des allgemeinen Bewegungsdenkens ...: 1. Reflexkontrolle 2. Geistige Vorstellung vom Körper 3. Koordination der Körperachsen 4. Gleichgewichtssinn 5. Koordiniertes Handeln“ (a .a. O., S. 93) Bewegung für sich betrachtet entwickelt sich aus reflektorischen und instinktiven Bewegungen. Durch ihren Gebrauch werden sie aber sehr bald verfeinert und verlieren ihre ursprüngliche Fixierung. Die Reflexbewegungen müssen soweit als möglich verschwinden, um nicht „das zielbewußte Bewegen in ungelegenen Momenten“ zu stören (Kohnstamm 1985, S. 34). Die Beherrschung der Muskel beginnt in zweiten Monat. Vorher ist die Beugehaltung vorherrschend. Die Muskeln, die dem Gehirn an nächsten liegen, können zuerst beherrscht Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 28 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen werden. Der Säugling beginnt zu lernen, den Kopf gerade zu halten, dann die Schultermuskeln einzusetzen und die Aufrichtung aus der Bauchlage wird möglich. Auf den Zehen können Kinder erst zwischen drei und fünf Jahren stehen, auf einem Bein erst mit sechs Jahren. Mit Schulbeginn also „beherrschen die meisten Kinder die grundlegenden Fertigkeiten (der Grobmotorik, KG)“ (a. a. O., S. 37). Die Entwicklung der Bewegung wird durch die Möglichkeit der Isolierung von Bewegungen gefördert, z.B. dass man nicht die ganze Hand, sondern nur einzelne Finger bewegt. Durch die Koordination von Bewegung und Wahrnehmung, vor allem dem Sehen und der Eigenwahrnehmung können Bewegungen immer feiner auf Erfordernisse von außen und von innen abgestimmt werden, bis es zu einem harmonischen Fluss der Bewegungen kommt. Eine neue Stufe wird erreicht, wenn Bewegungsschemata verinnerlicht werden, sie also ohne äußeren Anlass für sich geübt werden können. Dies wird durch Wiederholungen in Spielen und später vor allem im Rollenspiel angebahnt, bis sie in einfachen Präsentationsspielen für sich geübt werden. Gelingt es dann auch noch die Bewegungen, ausgehend von einfachen Rückmeldeschleifen, bewusst zu reflektieren und zu verinnerlichen - dies gelingt mit sechs/sieben Jahren - dann ist das Ende der Entwicklung der Bewegung erreicht. Es sind nur noch Verfeinerungen des harmonischen Flusses, der Kombination, Koordination und des Einsatzes von Energie möglich. Getragen wird diese Entwicklung - und das darf nicht außer acht bleiben - von einer bergenden Umwelt, die Sicherheit gibt. Ist diese gegeben, kann das Kind sich mehr zutrauen, mehr nach außen gehen und dies hängt mit der Entwicklung des Wollens zusammen. Je sicherer sich das Kind fühlt, desto eher und intensiver kann es sich Personen, sich selbst und Gegenständen zuwenden. Dadurch kann das Kind positive Erfahrungen machen und seinen Selbstwert erhöhen. In besonderer Weise, weil verhältnismäßig leicht zugänglich, kann über Bewegung Bewusstheit gefördert werden (Feldenkrais, 1978). Dabei kommt der Eigentätigkeit eine besondere Bedeutung zu. Furth/Wachs geben viele Beispiele an, wie das Bewegungsdenken geübt werden kann und legen darauf aus den genannten Gründen größten Wert, dass es zumindest in der Grundschule auch geübt wird (a. a. O., S. 94 - 193). Sie zitieren Newell Kephart, einen der ersten, der Bewegungsspiele eingeführt hat: „’Das Kind muß lernen, sich zu bewegen, bevor es daran geht zu lernen!’“ (a. a. O., S. 126) Das Spiel und im besonderen Bewegungsspiele haben für die allseitige Entwicklung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. „Spiel kann als eine spezifische Form des Lernens und geradezu als eigene Lernmethode aufgefaßt werden, bei der vor allem subjektive Momente wie Entscheidungsfreiheit, Freude, Genuß, Spannung, Lösung und imaginatives Denken zum Tragen kommen.“ (Kluge 1981, S. 9) Die Bedeutung des Gleichgewichtssinns ist einleuchtend. Ist dieser nicht genügend ausgebildet, ist es schwierig, sein Körpergleichgewicht zu bewahren. Auf diese Weise muss viel Energie von anderen Tätigkeiten abgezogen werden. Kinder mit Gleichgewichtsproblemen neigen dazu, „funktionale und strukturelle Schwächen zu entwickeln wie Sehschwächen, Knochenverformungen, Haltungsschäden und sogar Zahnschäden“ (Furth/Wachs, 1978, S. 113). Sein eigenes räumliches Körperschema zu internalisieren, ist Bedingung dafür, dass „man wirksam mit dreidimensionalen Begriffen und räumlichen Transformationen operieren“ (a. a. O., S 102) kann (z.B. geometrische Körper und ihre Drehung, Entstehung von geometrischen Körpern aus der Drehung von Flächen, dreidimensionale geistige Schemata wie die Bildung von Gruppen mit mehr als drei Variablen). Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 29 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Es sei noch auf die diskriminierende und koordinierende Bewegungstätigkeit von Fingern, Augen, Lippen, Zunge für das Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Zeichnen, aber auch für die Artikulation fremdsprachlicher Laute hingewiesen. Nochmals sei abschließend betont, dass das Versagen bei einer Problemlösung „oft auf eine zu geringe Integration der diskriminierenden Subsysteme zurückzuführen“ ist (a. a. O., S. 153). Sie ist mit einer unscharfen Focuseinstellung oder mit einem Rauschen in der Leitung zu vergleichen, so dass das Bild bzw. der Ton nicht klar ist. Bewegung ist auch Ausdruck der Person. Sie begleitet alles mit Bewegung. Im Besonderen ist das Sprechen der Kinder von Bewegungen, Gestik und Mimik begleitet. Eine besondere Ausdrucksform ist die Gebärde in den verschiedenen Riten religiöser oder profaner Art und der Tanz. Bewegung hat auch mit dem Bewusstwerden der Person zu tun, der Entwicklung ihres Selbstwerts. In der freien Bewegung fühlt sich der Mensch lebendig, kann sich spüren, erlebt sich, lernt sich selbst zu vertrauen und auch kreativ zu sein. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn das Kind sein Handeln wirklich frei bestimmen kann. Das so wichtige pädagogische Ziel freier Handlungsfähigkeit entwickelt sich, wenn es frei handelt. Wenn nun nur jenes Handeln erlaubt wird, das von jemand anderem geplant wurde, dann handelt eine Person, die Objekt dieses geplanten Aktionsraumes ist, nicht im eigentlichen Sinn. Es fällt das wichtige Element der Selbstentscheidung weg und damit auch die das Handeln begleitende Reflexion, wie weit diese Entscheidung gut, sinnvoll, zweckmäßig, nützlich war. Die Person ist dann nur ausführend und nicht handelnd. Darauf sind Schüler zum Großteil reduziert. Es sollte nicht so sehr um die Aneignung von Wissen, sondern von Fähigkeiten gehen. 3.2 Empfinden und Wahrnehmen Als „Empfinden“ kann - wenn man es von „Wahrnehmen“ unterscheiden möchte - die Aufnahme von Reiz-Informationen bezeichnet werden, die der Organismus über die Sinne von außen bzw. vom Körper bekommt. Diese Unterscheidung ist allerdings abstrakt, denn wir können nicht empfinden, ohne dass die Empfindungen nicht schon mit Gefühlsanteilen aufgeladen wären, sie nicht schon für das momentane Interesse emotional und gedanklich gefiltert wären und durch unsere Intuition ergänzt und durch unsere Erinnerungen aufgeladen wären. All das wird aber dem Wahrnehmen zugesprochen. Es wäre also nur dann erlaubt, von Empfinden zu sprechen, wenn physiologische Vorgänge oder in behavioristischer Manier ausgedrückt nur Reiz-Reaktionsprozesse zur Frage stehen. Im Weiteren interessieren daher die Prozesse der Wahrnehmung (vgl. Arnold/Eysenck/Meili, 1991, Sp. 456 - 460). Die Sinnesorgane funktionieren schon vorgeburtlich, so dass der Embryo schon viele Wahrnehmungen macht. Das Baby ist aktiv und verarbeitet auch schon aktiv Reize, aber es braucht anregende Bedingungen, damit sich seine Verarbeitungsprozesse verfeinern. „Eine Umwelt, die reich an Reizen ist, macht ein Baby aktiv. Und eigene Aktivität ist ein Motor der Entwicklung.“ Ein stimulierendes Klima „dient weniger der Übung bestimmter Fertigkeiten, für die das Kind ein bestimmtes Sinnesorgan gebrauchen muß, sondern der Vermittlung einer bestimmten Lebenseinstellung.....Das Kind muß von klein auf die Erfahrung machen, daß es selbst etwas in Gang bringen kann.“ (Kohnstamm2 1985, S. 26 f.) Dabei ist aber darauf zu 2 Rita Kohnstamm war Chefredakteurin einer großen holländischen Elternzeitschrift und dann Chefredakteurin von „Psychologie“. Sie gibt eine Buchreihe „Erziehen als Beruf“ heraus und betreut die Loseblatt-Sammlung über „Problemkinder“. Sie rezipiert die Forschungen von Piaget ebenso wie die der kognitiven Psychologen. Ihr Ansatz im Behaviorismus schlägt durch. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 30 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen achten, dass das Maß für Stimulation in sensibler Abstimmung mit dem Säugling erfolgt. Ein zuviel kann auch schädlich sein und dazu führen, dass das Kind sich abwendet (vgl. Stern 1994, S. 141 - 158) Die meisten Sinne sind schon bei der Geburt voll ausgebildet. Es sind vor allem die Nahsinne wie der Geschmacks-, der Tast- und der Geruchssinn, die bereits vorgeburtlich funktionsfähig sind. Wohl ist auch schon das Hören bei der Geburt voll ausgebildet, es wird aber durch entsprechende Sensibilisierung von außen noch erstaunlich verfeinert. Was das Sehen betrifft, gibt es in der Literatur sehr unterschiedliche Aussagen. Durch genauere Untersuchungsmethoden rücken die Zeitangaben näher zur Geburt. Jedenfalls kann das Kind nach einer Woche das Sehen bis zu 20 cm scharf einstellen. Dies entspricht genau dem Abstand zu den Augen der Mutter beim Stillen. Daran erkennt man, wie die Ausbildung der Sinne mit ihrer funktionalen Bedeutung für die sozial-emotionale Entwicklung des Kindes zusammenhängt (vgl. dazu Stern 1994). Nach vier Wochen beginnt die Akkomodation zu wirken und mit drei Monaten wird das Kind auf sich bewegende, dreidimensionale Objekte aufmerksam. Dies ist die Bedingung für die Befähigung zum räumlichen Sehen. Mit etwa vier Monaten ist auch die Entwicklung der Farbwahrnehmung praktisch abgeschlossen. Ist zunächst die Wahrnehmung völlig an den Augenschein gebunden, kann sich die Wahrnehmung sehr bald auf Merkmale zentrieren, zunächst einmal nur auf ein Merkmal, mit etwa zwei Jahren können zwei Merkmale miteinander verbunden werden. Mit etwa vier Jahren können Beziehungen von Merkmalen, die zusammengehörig sind, gruppiert gesehen werden. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass gleich bleibende Einheiten unabhängig von Merkmalen erfasst werden und die Erhaltung des Ganzen möglich wird. Parallel dazu verläuft die Entwicklung der Fähigkeit, Wahrnehmungen zu isolieren und zu verfeinern. Bildet sich schon mit etwa zwei Jahren das Körperschema aus, womit die Raumwahrnehmung mit ihren Dimensionen von unten-oben, vorne-hinten und innen-außen verbunden ist, bedarf die Zeitwahrnehmung der Bedingung, dass Einheiten als Ganzheiten aufgefasst werden. Die Raumwahrnehmung ergibt sich aus einer Verbindung von Wahrnehmungen aller Sinnesmodalitäten. Sie entwickelt sich aus dem Körpergefühl und bildet die Grundlage für das Rechnen. Die Zeitwahrnehmung baut auf dem Vorstellungsvermögen und der Abstraktionsfähigkeit auf. Ein Kind mit zwei Jahren lebt noch völlig in der Gegenwart. An die Zeitperspektiven Vergangenheit und Zukunft kann es sich nur über die Raumwahrnehmung herantasten. Zeiteinheiten werden an räumlichen Einheiten gemessen. So fährt ein Auto, das schneller fährt und daher eine längere Wegstrecke zurücklegt, als ein Auto, das langsamer fährt auch länger (Piaget 1955). Bei Kindern ist die Zeitwahrnehmung noch viel stärker als bei Erwachsenen an das Zeitgefühl gebunden. Ein Zeitraum, der angenehm verbracht wird, wird als kurz, der Unangenehmes brachte, als lange empfunden. Das volle Verständnis von Zeit baut nach Piaget/Inhelder (1980, S. 109 f.) auf drei Operationen auf: 1. dem Aneinanderreihen von Ereignissen, 2. der Einschließung der Räume zwischen den Ereignissen, wodurch der Eindruck einer Kontinuität, also einer Dauer gegeben ist, 3. der Erfassung von gleichen (zeitlichen) Maßeinheiten. Die Uhrzeit wird zwar mit etwa sieben Jahren richtig angegeben, aber der Zeitbegriff in seiner vollen Dimension wird erst später erworben. Ein Verständnis für geschichtliche Zeiträume sowohl der Vergangenheit als auch der Zukunft, erwirbt das Kind erst ab dem 12. Lebensjahr (vgl. Schraml, 1990 S. 164). Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 31 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen 3.3 Denken Lange vor dem Operieren mit Begriffen, begreift das Kind im Sinne von „betasten“. Diese Chance müssen wir auch dem Schulkind lassen, dass es wirklich begreifen kann, bevor es begreifen soll. Auch Erwachsene begreifen besser, wenn sie Begriffe aus ihrer Genese, dem tatsächlichen Austausch oder Umgang oder Operieren mit den Phänomenen selbst entwickeln. Die Basis allen Begreifens liegt in der Einheit von tätiger sinnlicher Wahrnehmung, der Vorstellung, dem Vergleichen von Wahrnehmungen und Vorstellungen und dem Entwerfen von Hypothesen wie etwas ist oder sein könnte. Für den Säugling gilt zunächst einmal die Hypothese: Alles, was ich begreifen kann, ist zum Essen. Er führt zunächst alles in den Mund. Aber sehr bald differenziert er. Unter Denken und Sprechen als dem geistigen Potential des Menschen könnte mehr zusammen gefasst werden, nämlich alle seine Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Welt in ihren verschiedenen Aspekten zu verstehen, beginnend von unseren alltäglichen Theorien bis hin zu den hochkomplexen Erklärungsversuchen, die nur noch wenige Menschen beherrschen, mit den unterschiedlichen Formen der Verarbeitung von Informationen und ihrer Darstellung bzw. Vermittlung. Dazu gehören auch alle metatheoretischen Versuche, den Prozess des Erkennens selbst zu beschreiben. Das Besondere des Menschseins liegt wohl darin, dass wir Fragen stellen können, die am Anfang jedes Denkprozesses stehen. Ludwig Wittgenstein hat mehr Fragen gestellt als beantwortet, und ist vielleicht deshalb zum bedeutendsten Philosophen des Jahrhunderts geworden. Fragen entstehen aus der Neugierde und deshalb ist es bedeutsam, die Kinder nicht mit fertigen Antworten zu beschäftigen, die sie nur noch zu reproduzieren brauchen. Dadurch ginge das geistige Potential verloren. Daher ist es so wesentlich, genetisch vorzugehen, nämlich von Fragen auszugehen, den Fragen der Kinder - und diese von den Phänomenen selbst her zu lösen und nicht vorzugeben. Es ist „Gängelung“, wenn der Lehrer sagt, welchen „Ablauf man machen muß“ (Wagenschein 1991, S. 153), ohne ihn ganz verstanden zu haben. Ganz verstehen heißt, eine solche Einsicht in eine Sache zu haben, dass man sie selbst entdeckend vollziehen kann. „Zur Lösung des ...Problems ist nichts nötig als: daß wir bewußt machen, was wir getan haben.“ (a. a. O., S. 155) Suchen und Finden macht klüger als Nachvollziehen. „Die Fragen halten das Denken in Bewegung, die Antworten führen gewöhnlich seinen Stillstand herbei.“ (Freese 1990, S. 9) Der Fortschritt der Wissenschaft passiert großteils dadurch, dass Selbstverständliches in Frage gestellt wird. Eine Antwort oder eine Aussage hat nur soweit Gültigkeit als gezeigt wird, über welche Operationen sie gewonnen wurde. Der Schweizer Psychologe Jean Piaget, der bislang am differenziertesten die Entwicklung von Denkprozessen untersucht hat und aktives Lernen als Motor der Entwicklung fordert (1972c), unterteilt die Entwicklung des Denkens Piaget (1972) in fünf aufeinander folgende Perioden: 1. Die sensomotorische Intelligenz (0 bis 2 Jahre) 2. Das symbolische und das vorbegriffliche Denken (2 bis 4 Jahre) 3. Das anschauliche Denken (4 bis 7 Jahre) 4. Die konkreten Operationen (7 bis 11 Jahre) 5. Die formalen Operationen (ab ca. 11 Jahren) Die den jeweiligen Entwicklungsstufen zugeordneten Altersangaben stellen lediglich Richtwerte dar. Die Abfolge der Perioden sieht Piaget (1972) allerdings als invariant an. Sein Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 32 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen zentrales Anliegen liegt im Aufzeigen der Gesetzmäßigkeiten, nach denen die einzelnen kognitiven Strukturen der jeweiligen Entwicklungsperiode auseinander hervorgehen und aufeinander folgen. 1. Die sensomotorische Intelligenz (0 bis 2 Jahre) Piaget (1975) nennt die erste Periode der kognitiven Entwicklung sensomotorische Intelligenz. Mit diesem Begriff möchte er verdeutlichen, dass das Kind in dieser Phase im wesentlichen Intelligenz mit Hilfe von motorischen und Empfindungs-Aktivitäten aufbaut. Das Kind trachtet aufeinander folgende Empfindungen oder einander folgende reale Bewegungen miteinander zu koordinieren. Ziel dieser kognitiven Tätigkeiten ist ihre praktische Erfüllung selbst, also der Erfolg der Handlung. Damit dienen sie noch nicht der Erkenntnis als solcher. Die sensomotorische Intelligenz wird gelebt und nicht bewusst reflektiert. Sie bildet aber die Basis des späteren logischen Denkens. Aus dem konkreten Begreifen dieser ersten Periode wird ein verinnerlichtes Begreifen der späteren Stufen. Zunächst kommt das Kind durch Ausweitung des Reflex- und Instinktverhaltens zu neuen Verhaltensweisen, die es ständig zu wiederholen versucht und damit stabilisiert. Diese primären und später sekundären Zirkulärreaktionen, die die Umwelt einbeziehen, bilden die erste Vorform und damit die exakte Nahtstelle zwischen vorintelligenten, von Reflexen und der Anschauung gesteuerten Handlungen und intelligenten Operationen. Intentionales Verhalten wird möglich, wenn das Kind in der Lage ist, zwei Verhaltensschemata, die bis jetzt getrennt blieben, zu einem Handlungskomplex zu koordinieren und neuartige Kombinationen zu bilden. Das Kind lernt, Objekte von sich selbst zu trennen, was mit der Ausbildung des Wahrnehmungsraumes im Zusammenhang steht. Ein typisches Verhalten wäre z.B. das Suchen nach versteckten Gegenständen, die nur nach Beseitigung eines Hindernisses gefunden werden können. Der Gegenstand wird in Beziehung zu wahrgenommenen Dingen und nicht in Relation zum eigenen Handeln gesehen. Somit beginnt das Kind seine Umwelt als von sich selbst unabhängig zu erleben. Das Kind will alles Neue „erforschen“. Neu erzielte Effekte werden mit der Absicht modifiziert, deren Eigenart zu erfassen. Das Kind kann nun durch Experimentieren Probleme lösen. Handlungsschemata werden zunehmend verinnerlicht. Anstelle äußerer sensomotorischer Handlungen tritt die Fähigkeit der inneren geistigen Kombination. Folgende Voraussetzungen für die Entwicklung einer bewussten Ebene des Denkens lassen sich festhalten: „Geistige Kombination der Verhaltensschemata mit der Möglichkeit, deduktive Prozesse zu vollziehen, die über das äußere Experimentieren hinausführen; schöpferische Erfindungsakte und vorstellungsmäßige Vergegenwärtigungen durch bildhafte Symbole, das sind alles Hinweise, dass die Entwicklung der sensomotorischen Intelligenz abgeschlossen ist. Diese Eigenschaften machen sie fähig, in den Rahmen der Sprache eingespannt zu werden und sich so mit Hilfe sozialer Einflüsse und Anregungen in die rationale Intelligenz zu verwandeln.“ (Piaget, 1975, S. 358) 2. Das symbolische und das vorbegriffliche Denken (2 bis 4 Jahre) Am Ende des zweiten Lebensjahres beginnt das Kind, die Sprache systematisch zu benutzen. Das Erlernen der Sprache fällt mit der Bildung von Symbolen zusammen. Die Symbolfunktion erlaubt es, die Wirklichkeit durch Zeichen auszudrücken, wobei Bezeichnendes von Bezeichnetem sowohl unterschieden als auch aufeinander bezogen werden kann. Ein Symbol wird vom Kind geschaffen (symbolisches Spiel) - ein Zeichen wird vom sozialen Leben Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 33 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen erzeugt. Die Sprache ist ein System kollektiver Zeichen, die Bedeutungen haben, also Symbole für Bezeichnetes sind. Sprache setzt daher die Fähigkeit der Symbolbildung voraus. Piaget (1972) sieht die Entstehung der individuellen Symbole im Zusammenhang mit der Entwicklung der Nachahmung. Auf der Stufe der sensomotorischen Intelligenz gibt es ein Nachahmungsspiel, das primär eine akkomodatorische Funktion aufweist. Erst im Symbolspiel, das eine innere Nachahmung voraussetzt, wird das Gleichgewicht zwischen Akkomodation und Assimilation zugunsten der Assimilation verschoben (z.B. ein Holzstück wird zu einem Auto). Dazu ist ein bereits verinnerlichtes Schema vorausgesetzt. Die Bildung der Symbole fasst Piaget folgendermaßen zusammen: „Die aufgeschobene Nachahmung, d.h. die Akkomodation, die sich in nachahmenden Entwürfen verlängert, schafft die Bedeutungsträger, die das Spiel oder die Intelligenz auf die verschiedenen Bedeutungen anwendet, je nach der freien oder angepassten Assimilation, die diesen Verhaltensweisen eigen ist. Das symbolische Spiel setzt immer ein Element der Nachahmung voraus, die als Symbol fungiert, und ebenso benutzt die Intelligenz in ihren Anfängen die bildliche Vorstellung als Symbol oder als Bezeichnung.“ (Piaget, 1972, S. 143) Die Assimilation der Wirklichkeit herrscht vor. Das Phantasiespiel ist eine Form dieses symbolischen Denkens, das wiederum notwendig dafür ist, dass das Kind sich von der Nachahmung löst und zu Eigentätigkeit kommt. In dieser Phase des symbolischen Denkens besitzt das Kind noch keine Begriffe. Piaget (1972) spricht von Vorbegriffen. Das sind Vorstellungen, die das Kind an die ersten sprachlichen Zeichen anknüpft. Ein solcher Begriff, der zwischen dem Individuellen und dem Allgemeinen steht, entspricht noch nicht unserer Logik (z.B. bleibt der Berg, der sich während des Ausflugs verändert, nicht ident). Schlussfolgerungen, die solche Vorbegriffe miteinander verbinden, bezeichnet Piaget (1972) als Transduktionen. Sie sind nicht reversibel, sondern noch an den Augenschein gebunden. Oft sind sie auf ihre sehr individuelle Verwirklichung praktischer Ziele ausgerichtet. 3. Das anschauliche Denken (4 bis 7 Jahre) In dieser Phase befindet sich das Kind noch immer auf einer prälogischen Stufe; Operationen sind noch unvollkommen. Das anschauliche Denken kontrolliert die Urteile durch anschauliche Regulierungen. Ein Experiment soll dies verdeutlichen: Ein Kind ordnet eine Perle nach der anderen in jeweils zwei verschieden geformte Gläser. Nachdem alle aufgebraucht sind, stellt es fest, dass in dem höheren Glas mehr Perlen sind. 4 - 5-jährige behaupten, dass sich die Menge verändert, wenn man ein Glas mit Perlen in ein anders geformtes Glas schüttet. Diese Denkweise erinnert an den bildlichen Charakter der Vorbegriffe und die oben besprochenen transduktiven Urteile. Es handelt sich nicht um eine Wahrnehmungstäuschung, sondern das Denken ist noch sehr stark von momentanen Wahrnehmungen beeinflusst. Piaget (1972) spricht daher von anschaulichem Denken. Er unterscheidet zwischen anschaulicher Zentrierung und Dezentrierung. Bei dem Beispiel mit den Perlen zentriert das Kind zunächst sein Denken auf die Höhenbeziehung. Werden die Perlen in ein noch höheres und schmäleres Gefäß geschüttet, meint es: „Da sind weniger, denn es ist zu schmal“. Die Zentrierung auf die Höhe wird berichtigt durch eine Dezentrierung der Aufmerksamkeit auf die Breite. Wenn beide Beziehungen gleichzeitig berücksichtigt werden, findet eine wirkliche Operation statt. Die Wirkung der Anschauung ist noch zu groß und daher irreführend. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 34 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Folgende typische Eigenschaften anschaulichen Denkens lassen sich zusammenfassen: Die transitive, reversible und assoziative Komposition fehlen noch. Die Identität der Elemente und die Erhaltung des Ganzen ist noch nicht gegeben. „Man kann auch sagen, daß die Anschauung phänomengebunden bleibt, da sie die Umrisse der Wirklichkeit nachahmt, ohne sie zu berichtigen, und daß sie egozentrisch bleibt, weil ihre Zentrierung immer von der augenblicklichen Tätigkeit abhängt. Es fehlt ihr daher das Gleichgewicht zwischen der Assimilation der Gegenstände der Umwelt an die gedanklichen Schemata und der Akkomodation dieser Schemata an die Wirklichkeit.“ (Piaget, 1972, S. 156) Je mehr ein Kind in der Lage ist, noch gegliederte Anschauungen als Ganzes zu sehen und ihre Reversibilität zu begreifen, desto mehr nähert es sich der Möglichkeit der konkreten Operation. 4. Die konkrete Operation (7 bis 11 Jahre) In dieser Phase wird das Kind fähig, anschauliche Beziehungen eines Systems gruppiert zu sehen, also als einzeln für sich und als zusammengehörig. Es erfasst die Erhaltung eines Ganzen. Bei dem Beispiel, bei dem es um das Umfüllen von Perlen in verschieden geformte Gläser ging, wird dem Kind klar, dass es sich jeweils um die gleiche Menge Kugeln handelt. Die Invarianz steht außer Zweifel. Zwei Merkmale können gleichzeitig in ihrer funktionellen Abhängigkeit berücksichtigt werden, ohne von einem hervorstechenden Wahrnehmungsaspekt in die Irre geleitet zu werden. Reversibilität ist ein anderes wichtiges Merkmal operatorischen Denkens. Eine Handlung kann in beiden Durchlaufsrichtungen gesehen werden. Die Erklärung dafür liegt darin, dass sich erst in diesem Stadium der kognitiven Entwicklung zum ersten Mal ein Gleichgewicht zwischen Assimilation und Akkomodation einstellt. Piaget (1972) fasst folgende kognitiven Transformationen zusammen, die er als Vorraussetzung für dieses Gleichgewicht ansieht: „1. zwei aufeinander folgende Handlungen können zu einer einzigen koordiniert werden; 2. das Handlungsschema, das bereits beim anschaulichen Denken mitwirkte, wird reversibel; 3. ein und derselbe Punkt kann, ohne dadurch verändert zu werden, auf zwei verschiedenen Wegen erreicht werden; 4. bei der Rückkehr zum Ausgangspunkt wird dieser verändert vorgefunden; 5. wenn die gleiche Handlung wiederholt wird, fügt sie entweder nichts zu sich selbst hinzu, oder aber sie ist eine neue Tätigkeit, die kumulativ wirkt.“ (Piaget, 1972, S. 160) Das Kind wird nun fähig, einzelne Handlungsschemata als Gesamthandlung zu begreifen. Die Zentrierung auf Wahrnehmungsaspekte wird durch die vollkommene Dezentrierung abgelöst. Ein Ganzes kann gesehen werden. Klassifikation beginnt schon sehr früh, aber das universelle Klassifikationschema hat das Kind erst mit zehn Jahren. Es wird von Handlungen abstrahiert, die es in bezog auf Objekte setzt: „Vergleichen, Gegensätze bilden, Hinzufügen, Wegnehmen, Sortieren, Beobachten von Ähnlichkeiten und Unterschieden und Bewerten dessen, was eine wesentliche und unwesentliche Eigenschaft ist.“ (Furth/Wachs, 1978, S. 38) 5. Die formalen Operationen (ab ca. 11 Jahren) Sind im vorangehenden Stadium kognitive Operationen noch weitgehend von konkreten Inhalten abhängig, gewinnt das Kind ungefähr im Alter von 11 - 12 Jahren die Fähigkeit, hypothetisch-deduktiv zu denken. Piaget (1972) bezeichnet das auf die unmittelbare Wirklichkeit bezogene Schließen als eine operative Gruppierung ersten Grades. Das formale Denken besteht im Gegensatz dazu im Schaffen von Operationsgruppierungen zweiten Grades. Sowohl Reflexion über die Operationen als auch Schlussfolgerungen aufgrund von Annahmen Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 35 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen sind möglich. Die Stufe formaler Logik und mathematisch-deduktiven Denkens wird daher erst nach dieser Entwicklung erreicht. Das Kind kann nun Handlungen aufgrund von Zeichen setzen, die von der Wirklichkeit losgelöst sind. Piaget (1972) sieht in diesem Stadium den Endpunkt der kognitiven Entwicklung, die Erreichung des höchsten Gleichgewichtszustandes, zu dem schon die konkreten Operationen streben. Die Errungenschaften des Stadiums der konkreten Operationen können nun reflektiert und beliebig kombiniert werden. Es bleibt nun noch die Aufgabe, die Entwicklung psychischer Funktionen in einigen wesentlichen Teilbereichen des Denkens zu verfolgen. 3.3.1 Die Entwicklung des Zahlenbegriffs Piaget sieht die Invarianz des Zahlenbegriffs als unbedingt notwendige Voraussetzung für mathematisches Verständnis an. „Eine Zahl ist nur in dem Maße verständlich, wie sie sich selber gleichbleibt, unabhängig von der Disposition der Einheiten, aus denen sie zusammengesetzt ist.“ (Piaget, 1972, S.15-16) Seine Untersuchungsergebnisse lassen den Schluss zu, dass die kontinuierlichen Quantitäten (z.B. Flüssigkeitsmenge) erst nach und nach als konstant betrachtet werden. Zunächst verändert sich nach Aussagen des Kindes die Menge je nach Form und Größe des Gefäßes (siehe anschauliches Denken). In einer Übergangsphase wird Invarianz entdeckt, jedoch nicht auf alle Fälle verallgemeinert. Schließlich setzt das Kind von vornherein die Invarianz der Quantitäten voraus (siehe konkrete Operation). Das Konstantbleiben der Mengen fällt zusammen mit der Fähigkeit des Kindes, Ganzheiten zu bilden. Um die Entstehung der Quantifikationen zu analysieren, wirft Piaget (1972) in seinen Versuchsreihen die Frage der Korrespondenz auf. Zwei Quantitäten miteinander zu vergleichen bedeutet, ihre Elemente Stück für Stück zuzuordnen, was als unmittelbares Maß zur Entdeckung der Gleichheit der Mengen angesehen wird. Zwecks genauerer Erläuterung soll im Folgenden auf einige Untersuchungen eingegangen werden. Drei Stadien, die zur Lösung der Aufgabe führen, sechs Flaschen sechs Gläsern zuzuordnen, lassen sich unterscheiden: 1. Weder genaue Korrespondenz noch Äquivalenz: Das Kind ist weder fähig, genau zuzuordnen, noch wird die Menge der zuzuordnenden Gegenstände als konstant angesehen. 2. Stück für Stück Korrespondenz, jedoch ohne dauernde Äquivalenz der korrespondierenden Gruppen: Die Kinder glauben nicht mehr an die Äquivalenz, sobald die korrespondierenden Paare voneinander getrennt werden, oder die Dichte der Elemente einer Gruppe verändert wird. Die richtige Lösung ist anschauungsgebunden. 3. Stück für Stück Korrespondenz und dauerhafte Äquivalenz der korrespondierenden Gruppen: Die Anzahl der Gläser und Flaschen bleibt nach Ansicht der Kinder unabhängig von ihrer Anordnung konstant. Es entwickelt sich ein Zahlbegriff unabhängig vom beanspruchten Raum. In einer weiteren Untersuchungsreihe möchte Piaget (1972) den Mechanismus der Korrespondenz selbst analysieren. Er gibt dabei Situationen vor, in denen die Kinder gezwungen werden, spontan Zuordnungen zu finden. Die Methoden, die dazu führen sind von Interesse. Das Untersuchungsmaterial soll dafür aus inhaltlich nicht zusammenpassenden Elementen, also nicht wie im letzten Beispiel Glas und Flasche, bestehen. Es werden Kärtchen, auf denen Spielmarken in verschiedenen Anordnungen (Kreis, Quadrat, Kreuz usw.) gezeichnet sind, verwendet. Dazu folgt die Instruktion, jeweils gleichviel Münzen zu legen. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 36 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Wieder werden drei Stadien unterschieden: 1. Die verschiedenen Konfigurationen werden global wiedergegeben. Die Figur, welche die Kinder darstellt, ist der des Modells ähnlich. Der Begriff der Kardinalszahl fehlt, es wird noch keine quantitative Wertung vorgenommen. Die Wertung ist lediglich global durch Vergleiche mit „mehr“ oder „weniger“ entstanden. 2. Eine qualitative Korrespondenz wird auf anschauliche Art wiedergegeben, das heißt, alle Teile der Figur werden richtig wiedergegeben. Die Zahl der Spielmarken der beiden Figuren ist gleichwertig. Eine Stück für Stück-Korrespondenz, die von größerer Genauigkeit ist, findet statt. Es handelt sich noch immer um einen Wahrnehmungsvergleich, der nicht unbedingt numerisch ist. Die Äquivalenz der beiden Gruppen von Elementen wird nämlich dann von den Kindern bestritten, wenn eine Figur verändert wird. 3. Beim dritten Stadium wird eine Zuordnung aufgrund einer operatorischen Korrespondenz hergestellt. Die Äquivalenz zweier Gruppen wird grundsätzlich erkannt. Die Herstellung einer dem Modell ähnlichen Figur ist nicht mehr notwendig, die richtige Anzahl der Spielmarken wird in beliebiger Weise dazugelegt. Das bedeutet, der Äquivalenzbegriff steht offensichtlich im Zusammenhang mit dem Erfassen der Reversibilität. Im folgenden Versuch wird die Frage der Reihenbildung, der Korrespondenz zwischen zwei Reihen asymmetrischer Relationen (relative Ähnlichkeit) und der ordinalen Korrespondenz (numerisch gewordene Ähnlichkeit) aufgeworfen. Das Untersuchungsmaterial bestand daher aus zwei Gruppen von Elementen, die sich durch Merkmale unterscheiden, die eine Reihenbildung im Kind provozieren. Die Rangordnung der Gruppen korrespondiert aufgrund derselben Merkmale. Z. B. verwendet Piaget (1972) zehn Holzmännchen in verschiedenen Größen und zehn Spazierstöcke, die durch ihre verschiedene Länge mit den Puppen korrespondieren. Wiederum findet Piaget drei Etappen, die das Kind bei der Herstellung der ReihenKorrespondenz durchläuft: 1. Ein globaler Vergleich ohne genaue Reihenbildung und ohne genaue Stück für StückKorrespondenz, 2. progressive und auf die Anschauung gründende Reihenbildung und Korrespondenz und 3. unmittelbare und operatorische Reihenbildung und Korrespondenz. Andere Ergebnisse zur Problemstellung der Herstellung der Reihen-Korrespondenz sollen zusammengefasst werden: Weder die Konstruktion jeder einzelnen Reihe noch die Herstellung einer Stück für Stück-Zuordnung kann als leichter oder schwerer bezeichnet werden. Wenn das Kind eines von beiden beherrscht, gelingt auch das andere. Die Reihenbildung bezeichnet Piaget (1972) lediglich als eine innere Korrespondenz und die Reihen-Korrespondenz als eine äußere Korrespondenz zwischen zwei Reihen. Wichtig zur Herstellung einer ReihenKorrespondenz ist die Fähigkeit der Relativierung. Anfangs verfährt das Kind nach Qualitäten wie groß und klein, später nach den Relationen größer und kleiner und erst im letzten Stadium wird die Gesamtheit der Verhältnisse zwischen allen Bestandteilen betrachtet. Es wird bei jeder Relation das größte Glied von allen herausgesucht. Wenn die Elemente einer Reihe dichter zusammen geschoben werden oder eine der beiden Reihen durcheinander gebracht wird, verliert das Kind zunächst jede Vorstellung von Korrespondenz und ordnet meist untereinander liegende Elemente zueinander. Mit Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 37 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen zunehmendem Alter beginnt das Kind zu zählen oder aber verwechselt die gesuchte Rangstufe mit der des vorhergehenden Gliedes. Die Schwierigkeit liegt hier bei der Übersetzung eines Ordinalwertes in einen Kardinalwert. Erst wenn verstanden wird, dass jeder Ordinalwert einem Kardinalwert entspricht, d. h., wenn eine Zahl als eine Ganzheit erfasst werden kann, gelingt die sichere Zuordnung. Wann kommt es also zu einer Koordinierung zwischen Kardinierungsoperationen und Reihenbildungsoperationen? Wenn das Kind in der Lage ist, die Ordnung der einzelnen Elemente bestimmen zu können und somit diese als eine Gesamtheit zu erkennen. Jedes Element hat seinen bestimmten fixen Platz in der Reihe. Der Rang eines Elementes wird von einem Kardinalwert der Gesamtheit, die das in Frage kommende Element wie auch die ihn vorangehenden Elemente umfasst, bestimmt. 3.3.2 Die Entwicklung des räumlichen Denkens, dargestellt am Beispiel der spontanen Zeichnung Nach einem bloßen Kritzelstadium unterscheidet Piaget (1971) drei Stufen der Entwicklung der Kinderzeichnung. Die Zeichnung eines dreieinhalbjährigen Kindes, die ein Männchen darstellt, sieht etwa folgendermaßen aus: An einem Kopf sind zwei Linien (Arme), zwei andere Linien (Beine) und ein Rumpf ohne Verbindung zu den Gliedmaßen angehängt. Im Kopf sind zwei Augen, eine Nase und ein Mund - dieser liegt über der Nase - gezeichnet. Piaget (1971) ist der Ansicht, dass die Zeichnung keinerlei Information über die Wahrnehmung gibt. Sie ist eine Vorstellung und gelingt aus Mangel an Raumvorstellung nicht. Das Kind ist zu einer Synthese noch nicht fähig. Damit ist gemeint, dass es eine Raumvorstellung bildet, „die die euklidischen (Proportionen und Entfernungen) und projektiven Relationen (Perspektiven mit Projektionen und Schnitten) vernachlässigt und in der Konstruktion der topologischen Relationen gerade die ersten Schritte tut, sie aber nicht beherrscht, sobald es sich um komplexe Figuren handelt.“ (Piaget/Inhelder, 1971, S. 74) Elemente werden einfach aneinandergereiht anstatt sie miteinander zu verbinden. Topologische Relationen werden als ein erster wichtiger Entwicklungsschritt beherrscht. Dann folgt ein Stadium des intellektuellen Realismus. Es wird nicht das Visuelle, was vom Gegenstand sichtbar ist, gezeichnet, sondern alles was drinnen ist. Topologische Relationen werden schon richtig angewandt. Zum Beispiel: Benachbartes wird dargestellt, Getrenntes wird gezeichnet, eine Reihenfolge berücksichtigt und Relationen wie Umgebensein, Umschlossensein und Innensein gewinnen an Bedeutung. Der Vorstellungsraum ist hinsichtlich der Perspektiven oder Entfernungen noch nicht strukturiert. Der Blickwinkel kann etwa auf einer Zeichnung hinsichtlich verschiedener Gegenstände ganz verschieden sein (z.B. ein Pferd im Profil, ein Wagen von vorne auf einer Ebene liegend mit heruntergeklappten Rädern). Die Kinder beginnen, einfache euklidische Formen (Kreise, Winkel, Quadrate, Geraden) richtig zu zeichnen. Maße und Proportionen stimmen noch nicht. Projektive Relationen finden ihren Anfang, jedoch die perspektivische Gesamtkoordination fehlt noch. Dann erst zeigt die Kinderzeichnung Perspektiven, Proportionen und Maße oder Entfernungen. Diese Form der Darstellung entwickelt sich im Alter von acht bis neun Jahren. Projektive Relationen (Perspektive) und euklidische Relationen (Koordinaten und Proportionen) treten gleichzeitig auf. Sowohl Figuren im Verhältnis zueinander, als auch ihre gegenseitigen Entfernungen werden berücksichtigt. Ein Gesamtbild im Gegensatz zu mehreren Einzelbildern innerhalb einer Zeichnung ist entstanden. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 38 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen 3.4 Die Entwicklung des Sprechens im Hinblick auf verbales Verstehen und Erklären Das Sprechen baut physiologisch betrachtet auf der Motorik, dem Atmen, Schreien, Saugen und Schlucken auf. Es entwickelt sich außerdem nur in sozialen Interaktionen, beginnend mit nachahmenden Lauten bis hin zu sozial reiferen Formen im Alter von sechs bis sieben Jahren und bis zu Zusammenarbeit und gegenseitiger Anerkennung. Piaget (1972) unterscheidet zwei Typen, den handlungsbezogenen und den verbalen Gesprächstypus. Im handlungsbezogenen Gespräch wird die Diskussion von Gesten begleitet oder Gegenstände zur Erarbeitung zu Hilfe genommen. Diese Bewegungssprache bezeichnet Piaget (1972) als die wahre soziale Sprache der Kinder. Beim verbalen Gespräch erfolgt eine Erzählung oder Erklärung auf rein verbaler Ebene. Kinder untereinander verstehen sich im handlungsbezogenen Gespräch gut. Dies hat zur Konsequenz, dass, wenn Kinder anderen etwas erklären, sie die Möglichkeit haben sollen, Anschauungsmaterial zu verwenden. In dieser Altersstufe liegt das Verstehen zwischen Kindern nicht so hoch wie das zwischen Kindern und Erwachsenen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Erwachsene bemüht sind, kindgemäß zu sprechen. Grundsätzlich handelt es sich bei der Fähigkeit zu verstehen um folgendes Phänomen: Von den Wörtern, die gesprochen werden, trifft der kindliche Gesprächspartner immer eine Auswahl, bzw. modifiziert sie nach seinen Interessen und Vorstellungen. Jeder Gesprächspartner bleibt in seiner Welt, gleichgültig ob er sich bemüht, einen Gedanken oder eine Erklärung wiederzugeben oder den anderen zu verstehen. Die Kinder gehen jedoch davon aus, immer zu verstehen oder verstanden zu werden. Sie sprechen daher mehr zu sich selbst als zum Gesprächspartner. Piaget (1972) sieht hier auch den Grund vieler Ungenauigkeiten in der Sprache der Kinder. Beispielsweise werden häufig zeitliche oder kausale Beziehungen in den Erzählungen vernachlässigt. Die Betonung liegt bei den Geschehnissen selbst. So wirkt das Gespräch sprunghaft, von eigenen Gedankenassoziationen geprägt. Die Fähigkeit, Erzählungen zu ordnen, dürfte um das siebente bis achte Lebensjahr erfolgen. Vor dieser Entwicklungsstufe wird eine Geschichte eher in fragmenthafte Einzeldarstellungen zerlegt und aneinandergereiht. Das wird auch durch den häufigen Gebrauch des Wortes „und“ deutlich. Selten erklärt das Kind „wie“ und „warum“ es etwa zu einem Ereignis gekommen ist, obwohl es dies verstanden hat. Es glaubt entweder, der Gesprächspartner wisse diese Zusammenhänge auch, oder es empfindet Desinteresse an gewissen Einzelheiten. Zum Schluss soll noch der Frage der Objektivität in den Berichten der Kinder nachgegangen werden. Laut Piagets Ergebnissen zeigt sich diesbezüglich im Alter von ca. sieben bis acht Jahren eine Tendenz zur Genauigkeit bei der Wiedergabe einer Geschichte. Jüngere Kinder fabulieren mehr, sind sich dessen aber nicht bewusst. Erst wenn eigene Gedanken objektiv mitgeteilt werden, entsteht das Bemühen, auch die anderen zu verstehen. 3.5 Fühlen Wie Bewegen und Wahrnehmen hat das Fühlen viele Modalitäten, die einerseits mit physischen Empfindungen verbunden sind, insofern Empfindungen von Schmerz, Gleichgewicht usw. Gefühle auslösen oder mit ihnen verbunden sind, und andererseits mit Situationen verbundenen Gefühlen wie Vertrauen, Trauer, Heiterkeit, Dankbarkeit bis hin zu weitgehehend von Situationen abgehobenen geistigen Repräsentationen wie Ehrfurcht und Liebe. Zunächst aber sind alle Gefühle an Objekte oder Situationen gebunden. Im Grunde sind alle Tätigkeiten mit Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 39 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Gefühlen verbunden. Es wäre darauf zu achten, dass es angenehme Gefühle sind, denn ein Kind, das sich wohl fühlt, verhält sich auch wohl. Die kognitive ist eng mit der sozialen und affektiven Entwicklung des Kindes verbunden. Die Affektivität stellt die Energetik der Verhaltensweisen dar, deren Strukturen den kognitiven Funktionen entsprechen. Soziale Reife steht im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Regelbewusstseins bzw. der moralischen Urteilsfähigkeit. Piaget (1979) unterscheidet drei Stadien des Regelbewusstseins: Die Regeln sind noch nicht zwingend, es besteht kein Bewusstsein von Regelhaftigkeit, die Regel ist motorisch festgelegt. Am Höhepunkt des egozentrischen und der ersten Hälfte des Stadiums der Zusammenarbeit „wird die Regel als heilig und unantastbar angesehen, sie ... hat ewigen Bestand“ (Piaget, 1979, S. 24). Wird von den Erwachsenen Zwang auf das Kind ausgeübt, so erzeugt dieser beim Kind einen „moralischen Realismus“, der durch Heteronomie, wörtlicher Befolgung der Regeln und durch eine objektive Verantwortlichkeit gekennzeichnet ist. Gehorsam gegenüber den Regeln und den Erwachsenen, die sie aufstellen, wird als gut angesehen. „In dem Maße, wie die Eltern gerecht sein können und besonders soweit das Kind mit zunehmenden Alter den Reaktionen der Erwachsenen sein eigenes Gefühl entgegensetzt, vermindert sich die Bedeutung der objektiven Verantwortlichkeit (a. a. O., S 145). Dies setzt voraus, dass die Erwachsenen den Kindern keine Regeln aufzwingen, sondern „gegenseitige Sympathie“ vorherrschen lassen. Erst wenn das Kind lernt, vom anderen aus zu handeln und zu denken, fängt es an, nach den Absichten des Handelns zu urteilen. Vom anderen aus zu denken, wird gefördert, wenn die Bezugspersonen dem Kind ein Gefühl der Gleichheit geben. Schließlich wird die kollektive Regel verinnerlicht und „erscheint in gleichem Maße als das in Freiheit geschaffene Erzeugnis wechselseitiger Übereinstimmung und autonomen Bewußtseins“. Die auf „gegenseitigem Übereinkommen“ beruhende Regel kann beliebig umgestaltet werden, sofern man dafür ein allgemeines Einverständnis erhält (a. a. O., S. 23 f.). Die Wandlung von Heteronomie zu Autonomie ist erfolgt. Die Regelhaftigkeit beruht auf gegenseitiger Achtung. Besteht eine spontane Zuneigung der Eltern zum Kind, so wird dieses „Handlungen der Großmut und sogar der Aufopferung“ setzen. „Hier ist zweifellos der Ausgangspunkt jener Moral des Guten, die sich später neben derjenigen der Pflicht entwickelt und bei gewissen Individuen völlig siegen wird. Das Gute ist ein Ergebnis der Zusammenarbeit (a. a. O., S. 221) . Aus diesen Überlegungen verlangt Piaget vom Lehrer im Sinne seiner Auffassung der Entwicklung der autonomen Moral aus der gegenseitigen Achtung und Zusammenarbeit, dass er „für die Kinder ein älterer Mitarbeiter, und, wenn er das Zeug dazu hat, ein einfacher Kamerad“ sei (a. a. O., S. 413). 3.5.1 Die Übernahme von Rollen und gegenseitige Zusammenarbeit Mit dem Konzept von Piaget, der die Moralentwicklung eng im Zusammenhang mit der Beziehungskultur sieht, was vor allem in seinen Vorschlägen zur Moralerziehung zum Ausdruck kommt, ist das Konzept der Entwicklung der sozialen Rollenübernahme von Selman/Byrne (1990) verwandt. Auch sie nehmen eine Parallelität der Entwicklung der kognitiven und sozialen Denkstrukturen an. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 40 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Auf der sensomotorischen und präoperationalen Stufe ist das Kind noch nicht in der Lage, zwischen verschiedenen Standpunkten zu unterscheiden. Es geht auch bei seinen Rollenspielen völlig in den einzelnen Rollen auf. Die Normen der Erwachsenen befolgt es zwar, aber es kann sich von ihnen nicht lösen. Das Kind löst also weder sich noch die anderen von seinem unmittelbaren Erleben ab. Eine Loslösung kann erst auf der Grundlage von Reversibilität erfolgen. Reversibilität schafft die Möglichkeit, immer wieder zum Ausgangspunkt einer Operation zurückzukehren. Dies erlaubt es, die Lösung eines Problems verschieden anzugehen, also ein bestimmtes Ereignis vor anderen herauszuheben, dem Lauf der Ereignisse zu entrinnen. „Das Kind kann sich in die Situation einer anderen Person versetzen und den Standpunkt eines anderen einnehmen.“ (Muuss 1980, S. 99). Der andere oder das Ereignis müssen ihm aber gegeben sein, real vorliegen. Es ist die Stufe der selbstreflexiven Rollenübernahme, in der das Kind seine Vorstellungen in konkreten Situationen mit denen anderer vergleichen kann. Es kann verschiedene Standpunkte nacheinander einnehmen, es kann sie aber noch nicht koordinieren. Erst, wenn es verschiedene Standpunkte koordinieren kann, kommt es zu einer echten Zusammenarbeit. Die Möglichkeit, unterschiedliche Standpunkte gleichzeitig aufeinander zu beziehen, setzt kognitiv ein formales Denken allein aufgrund verbaler Repräsentation voraus. So wird es möglich, die reale, objektive Welt hinter sich zu lassen und in das Reich der Ideen einzutreten (Muuss 1980, S. 101). Die Umkehrung von Wirklichkeit und Möglichkeit kann auftreten und das Kind kann sich zu sich und zur Umwelt reflexiv verhalten, zu sich selbst und anderen wie anderem in Beziehung treten. Volle Zusammenarbeit und wechselseitige Rollenübernahme werden möglich. Gegenseitigkeit ist Bedingung für Autonomie. Wie weit sie von Individuen real umgesetzt wird, ist äußerst fraglich. Umso wesentlicher sind zwei Prinzipien für den Erzieher zu beachten: „1. Die wirklichen Wahrheiten sind einzig jene, die man frei selbst erarbeitet, und nicht jene, die man von außen empfangen hat. 2. Das moralisch Gute ist im Wesentlichen autonom und kann nicht vorgeschrieben werden.“ (Muuss, 1980, S. 108) 3.5.2 Die Entwicklung der Objektbeziehung Die Psychoanalyse hat die Bedeutung der ersten Lebensjahre für das spätere Leben aufgezeigt. Parallel dazu lieferte die vergleichende Verhaltensforschung mit dem Begriff der Prägung frühkindlicher Verhaltensmuster beim Gänseküken (Lorenz 1935) in Kombination mit der systematischen Beobachtung der Kontaktaufnahme zwischen Neugeborenem und Mutter aufschlussreiche Informationen. Bowlby (1969), Mahler (1968) und Spitz (1980) haben aus psychoanalytischer Sicht die symbiotische Phase beschrieben. Sie sind sich darüber einig, dass die frühe Mutter-Kind-Bindung eine phylogenetisch angelegte Entwicklungsphase darstellt, deren Reifung nach einem bestimmten Plan verläuft. Bedingung für die gesunde Entwicklung des reifenden Kindes ist die adäquate Reaktion einer Umwelt, die sich in dieser Zeit fast nur auf die Mutter beschränkt. Die Reifung der kindlichen Fähigkeiten weist bestimmte Wendepunkte (Spitz, 1980) auf, an denen sich die Art der Kommunikation grundlegend ändert. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 41 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Abbildung 3: Ätiologische Klassifizierung von psychogenen Erkrankungen im Säuglingsalter entsprechend den Einstellungen der Mütter _______________________________________________________________ Ätiologischer Faktor, Einstellung der Mutter Krankheit des Säuglings _______________________________________________________________ Psychotoxizität Primäre unverhüllte Ablehnung Koma des Neugeborenen (Ribble) Primäre ängstlich übertriebene Besorgnis Dreimonatskolik Feindseligkeit in Form von Ängstlichkeit Neurodermatitis des Säuglings Kurzschlägiges Oszilieren zwischen Verwöhnung und Feindseligkeit Hypermotilität (Schaukeln) Zyklische Stimmungsverschiebungen Koprophagie Bewusst kompensierte Feindseligkeit Aggressiver Hyperthymiker (Bowlby) _______________________________________________________________ Mangelerscheinungen (Quantität) Partieller Entzug affektiver Zufuhr Anaklitische Depression Völliger Entzug affektiver Zufuhr Marasmus _______________________________________________________________ Auf zweierlei Art kann der kommunikative Prozess gestört werden. Durch Mangel an Dialog (die Mutter fehlt ganz oder teilweise) oder durch gestörten Dialog, wenn die Mutter nicht in der Lage ist, auf die Reize des Kindes adäquat zu reagieren oder ihm adäquate Reize zu bieten. Mangel an Dialog führt zu anaklitischer Depression, Marasmus und Hospitalismus, gestörter Dialog zu psychotischen Störungen (siehe Abb.2). Zwischen dem 6. und 12. Monat ist zwischen Kind und Mutter die volle symbiotische Beziehung hergestellt. Die Achtmonatsangst zeigt das Erscheinen des zweiten Organisators der Psyche an. Ein neuer Abschnitt in der Entwicklung des Säuglings beginnt. Das Kind lebt in seelischer Einheit mit seiner Mutter. Es reagiert mit Unbehagen, wenn sie weggeht und mit Freude, wenn sie wieder erscheint. Die Teilnahme am Selbst der Mutter setzt die Fundamente des späteren eigenen Selbst. Treten im Selbst der Mutter Störungen auf, so werden sie sich im Selbst des Kindes spiegeln. Sie werden Teil seines Selbst und später seines Ichs, als ob sie vererbt wären. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 42 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen „Eine aggressive ablehnende oder ambivalente Haltung der Mutter zum Kind schafft die Voraussetzungen für einen zwar sehr bekannten, aber deswegen nicht leicht verstehbaren Prozeß der Umkehrung der Aggression nach innen, die bis zur bewußten oder unbewußten Selbstzerstörung führen kann. Durch ihre positive uneingeschränkte Zuwendung setzt damit die Mutter in dieser Zeit die Grundlagen für das spätere Ich des Kindes und gibt ihm das Selbstwertgefühl, das zur Realisierung dieses Ichs und seiner Potenzen notwendig ist.“ (Liacopoulos 1976, S. 9) Mit ca. 10 Monaten ist das Kind an seiner Umwelt sehr interessiert. Es zeichnet sich durch erhöhten Bewegungsdrang, verstärkte Rezeption und Lernen aus. Das Kind geht daran, aktiv eine Erfüllung seiner emotionalen Ansprüche zu fordern. Erste Schritte in die Außenwelt erfolgen, wenn sein Tätigkeitsdrang seitens der Umgebung ermutigt wird. Es entdeckt das Nein und praktiziert es stets (Einsetzen des dritten Organisators der Psyche). Im Laufe der ersten Jahre entsteht eine Ich-Struktur. Kommt es aber zu einer psychischen Erkrankung im Säuglingsalter, so kann man von der Annahme ausgehen, dass sich in irgendeinem Anteil des rudimentären Ich gewisse Störungen ereignet haben. Es ist ein Mangel an denjenigen Faktoren entstanden, die für diese Entwicklung notwendig sind. Psychische Störungen sind eine Folge unzureichender Befriedigung kindlicher Bedürfnisse, die sowohl somatischer als auch emotioneller Art sein können. Das Kind hat Freude daran, Situationen zu suchen, die von der vertrauten Umgebung etwas abweichen, und erlebt sie als lustvoll. So führt das Beschäftigen mit einer wohldosierten Menge neuer Reize zu immer neuen Informationen. Neue Bewegungen, Gegenstände oder Spiele erwecken das Interesse des Kindes. Eltern sind oft gar nicht erfreut darüber, dass ihre Kinder Tätigkeiten setzen, die sie noch nicht richtig können. Solche Tätigkeiten sind aber nach dem Inkongruenzprinzip nötig, dass Kinder zu neuen Erkenntnissen kommen. Mit einer Rückkehr zur Mutter fängt die Zeit der Loslösung an. Mit ca. 18 Monaten wird das Kind auf einmal ängstlich und verlangt verstärkt emotionelle Zuwendung, es scheint abhängiger als zuvor zu sein. Nun fängt das Kind an, sich als getrennte Person zu erleben. Dieser desillusionierende Vorgang bringt die große Gefahr des Zusammenbruchs eines Selbstgefühls mit sich. Die Verarbeitung der Frustrationen, die dieser Übergang mit sich bringt, ist nur durch die stabile, positive Zuwendung der Mutter möglich. Diese Zeit ist durch eine ambivalente Haltung zur Mutter gekennzeichnet. Das Kind braucht die Zuwendung der Mutter, um sich aus der Symbiose zu lösen. Symbiotisch fixierte Mütter versuchen diesen Prozess zu hemmen und die Aggressionen zu unterdrücken. Sie drohen dem Kind mit Liebesentzug und mit der Vernichtung der Mutter als Folge der kindlichen Aggression. Das Kind kann die Grenzen der Möglichkeiten seines Verhaltens nicht erfahren. Es erlebt stattdessen Angst und Schuldgefühle, sobald sich aggressive Impulse melden. Das Ergebnis des Abgrenzungsprozesses ist die Ich-Bildung und die Fähigkeit des Ichs, kommunikative Beziehungen herzustellen, um seine Bedürfnisse befriedigen zu können. Die in dieser Zeit erfolgten Bindungen bleiben teilweise lebenslang bestehen. Sie bilden das Muster für die spätere soziale und sexuelle Interaktion des Erwachsenen. Die Bindung an die Mutter entsteht erst durch die kommunikative Interaktion zwischen Mutter und Kind. Unabhängig davon, ob die Mutter das Kind annimmt oder ablehnt, ob sie seine Bedürfnisse befriedigt oder nicht, die Bindung findet statt. Allerdings hängt von der individuellen Art der Bindung der Erfolg der nachfolgenden Ich-Bildung im Prozess der Loslösung ab. Mit der Beendigung des 3. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 43 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Lebensjahres hat das Kind die „libidinöse Objektkonstanz“ (Mahler, 1968) erreicht. Die symbiotische Entwicklungsphase ist abgeschlossen. Die Entwicklung der Objektbeziehung steht also in engem Zusammenhang mit dem Auftreten von Krisen-, Spannungs- oder Beruhigungsphasen. Es entstehen Voraussetzungen zu einem Trennen aus der Mutter-Kind-Dyade, einem Gewahrwerden dieser Trennung. Dadurch erst ist es möglich, dass sich eine eigenständige Persönlichkeit entwickeln kann. Mahler spricht davon, dass die biologische und die psychische Geburt des Menschenkindes zeitlich nicht zusammenfallen. Als psychische Geburt wird ein sich langsam entfaltender intrapsychischer Prozess angesehen. „Wir bezeichnen die psychische Geburt des Individuums als den Loslösungs- und Individuationsprozess: die Entstehung eines Gefühls des Getrenntseins von einer realen Welt und einer Verbundenheit mit ihr, insbesondere im Hinblick auf das Erlebnis des eigenen Körpers und auf den im Empfinden des Kindes wichtigsten Vertreter der Welt - das primäre Liebesobjekt ... Doch die hauptsächlichen psychischen Errungenschaften dieses Prozesses fallen in die Zeit zwischen dem 4. oder 5. und den 30. oder 36. Lebensmonat. Diese Periode nennen wir die Loslösungs- und Individuationsphase.“ (Mahler 1982, S. 13) Mahler benutzt „die Termini Loslösung oder Getrenntheit, um den intrapsychischen Erwerb eines Gefühls des Getrenntseins von der Mutter und dadurch von der Welt im allgemeinen zu bezeichnen.“ Von Symbiose spricht sie als „von einem Merkmal primitiven, kognitivaffektiven Daseins, in dem es keine Unterscheidung zwischen dem Selbst und Anderem differenzierten Zustand stattgefunden hat (der die symbiotische Phase kennzeichnete).“ (Mahler 1982, S. 19) Den Terminus Identität verwendet sie, „um die früheste Wahrnehmung eines Daseinsgefühls, einer Einheit zu beschreiben - ein Gefühl, das unseres Erachtens eine partielle Besetzung des Körpers mit libidinöser Energie umfaßt.“ (Mahler 1982, S. 19) Die Individuation schreitet schnell voran. Doch das Kind erlebt auch die Getrenntheit von der Mutter immer stärker und versucht sich dagegen zu wehren. Man spricht von der charakteristischen Ambivalenz der Wiederannäherungsphase. Bei Kindern, deren Entwicklung nicht optimal verlief, zeigt sich der Ambivalenzkonflikt in rasch wechselndem Anklammern und negativistischem Verhalten. Im dritten Lebensjahr sind zwei Aufgaben zu bewältigen: 1. Die Erringung von Individualität und 2. die Erlangung von Objektkonstanz. Es kommt zu einer weit reichenden Strukturierung des Ichs. Die elterlichen Gebote werden verinnerlicht, was auf Bildung von Überich-Vorläufern hinweist. Wird ein beständiges, positiv besetztes innerliches Mutterimago allmählich verinnerlicht, kann eine emotionale Objektkonstanz errichtet werden. Die Mutter kann, zum Teil, während ihrer Abwesenheit durch ein verlässliches inneres Bild ersetzt werden. Renggli (1982), Portmann-Schüler und Psychoanalytiker, versuchte die soziokulturellen Folgen der Mutter-Kind-Beziehung genauer zu klären. Über die Verhaltensforschung, Psychoanalyse und Ethnologie kam er zu einem neuen Modell der Entwicklung des Kleinkindes. Das Heranreifen seiner individuellen Bindung an die Mutter ist eine der wichtigsten Etappen des Kindes im ersten Lebensjahr. In der Verhaltensforschung wurde dieses Phänomen von Lorenz (1935) entdeckt. Er bezeichnet es als „Prägung“. Diese Prägung erfolgt in einer sensiblen Phase. Danach ist sie nur schwer oder überhaupt nicht mehr nachholbar. Nach erfolgter Prägung besteht ein enges Band zwischen Mutter und Kind. Dies bezeichnet Renggli als Bindung (1982, S. 61). Zwei Verhaltensweisen des Kindes beinhaltet dieser Begriff: Der Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 44 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Kontakt mit der Mutter wird bevorzugt oder ausschließlich gesucht, bzw. der bestehende Kontakt will aufrecht erhalten werden. Das Kind kann zwischen seiner Mutter und anderen Individuen unterscheiden. Ist es einem Kind gelungen, zu seiner Mutter eine starke Bindung aufzubauen, neigt es dazu, auch zu anderen Personen Beziehungen zu knüpfen. Ist das Kind unsicher in seiner Bindung, so sind seine Bestrebungen blockiert, zu anderen Beziehungen aufzubauen. 3.5.3 Unbewältigte Entwicklungsphasen und daraus resultierende Konsequenzen In der ersten Lebenszeit bezieht sich die intensive Angst des Kindes auf den Verlust von Körperkontakt. Eine andere genau so wichtige Angstquelle besteht darin, dass eine Mutter ihr Kind nicht in einer adäquaten Art und Weise im Arm halten kann oder eine ängstlich überbesorgte Mutter manipuliert ununterbrochen an ihrem Kind herum. Solch ein ständiger Wechsel in der Behandlungsweise wirkt auf das Kind immer fremdartig und somit bedrohend. Nur ein Verhalten der Mutter, das ihrem Kind einen beruhigenden Körperkontakt gewährt, kann vom Kind als „Ich“ erlebt werden. Die Empfindung von Körperkontakt beruhigt ein Kind optimal. Ein Kind braucht die gesamten neuartigen und somit befremdlichen Umweltreize nicht als bedrohlich erleben, wenn es sich im Körperkontakt mit der Mutter befindet. Je mehr Körperkontakt ein Kind erleben darf, umso vertrauender wendet es sich der gesamten Umwelt zu. Es wendet sich mit einem desto größeren Misstrauen der Umwelt zu, je weniger Körperkontakt ihm gewährt wird, da ihm alle neuartigen Reize und Empfindungen als unheimlich erscheinen. Gerade, wenn sich das Kind der Welt vertrauend zuwenden will, so braucht es neben dem Körperkontakt ein Konstanzerleben. Schon durch geringe Verhaltensänderungen der Pflegeperson wird es erschreckt und geängstigt. Welche Folgen hat es, wenn das Klima frühester emotionaler Beziehungen nicht positiv ist? Das Kind, das ein solches Klima erlebt, leidet später an einem mangelnden Geborgenheitsgefühl, seine Zuwendung zu sich selbst und zur Welt ist gestört. Zwischen ihm und seiner Umwelt besteht eine Kontaktlücke. Die Welt wird voll bedrohlicher und feindlicher Kräfte erlebt. Sobald Wünsche auftreten, folgt der Gegenimpuls, die Hemmung. Es will nicht mehr von einer Person abhängig sein und hat große Angst vor Nähe und Hingabe. Es ist gestört in seinem Hergeben von Besitz, es kann nicht nein sagen, aber ebenso wenig kann es das Besitzstreben mit allen seinen Konsequenzen bejahen. So wie es die Welt zuerst präsentiert bekommen hat, so erlebt es sie wieder. Hat das Kind die intentionale Phase positiv erleben können, so wendet es sich nicht nur aufmerksam der Welt zu, sondern es erlebt alle möglichen Sinneswahrnehmungen immer positiver und lustvoller. Es lernt allmählich zwischen eigenem Körper und Umwelt zu unterscheiden. Das Kind lernt nun auch zu trennen zwischen sich selbst und einem davon unabhängigen Wesen, seiner Pflegeperson. Es entwickelt sich eine Ich-Du-Beziehung. Je besser es zwischen sich selbst und seiner Mutter unterscheiden kann, umso mehr sucht es zu dieser durch Nachblicken, Lächeln oder Arme Entgegenstrecken Kontakt. Sein Ich-Du-Bewusstsein wird desto stärker, je ausgeprägter und lustvoller das Kind solche Kontakte sucht, abhängig von der Antwort der Mutter darauf. Das Kind lernt allmählich auch seine Wirkung auf den Partner kennen. Es erfährt so, dass es in der Mutter-Kind-Beziehung eine aktive Rolle spielt. Das kann aber nur dann geschehen, wenn die Mutter seine Äußerungen adäquat beantwortet. Ist die Mutter dabei konstant, kann sich beim Kind aus dieser Erfahrung Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 45 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen der eigenen Wirkung ein erstes primitives Machtgefühl entwickeln. Antwortet sie hingegen inadäquat auf Schreien und Lächeln und Plaudern des Kindes, so befällt das Kind ein tiefes Ohnmachtsgefühl. Die Bindung des Kindes an seine Mutter wird zwiespältig oder schwach, so dass sie im Extremfall ganz ausfallen kann. Diesem Kind wurde auch die Möglichkeit genommen, zu anderen Personen (sekundären Bindungspartnern) eine affektive Beziehung herzustellen. Damit sich das Kind aber selbstsicher zu fühlen beginnt, darf die Mutter den Kontakt zu ihm nicht nur nicht abbrechen lassen, sondern muss möglichst intensiv auf dieses Kontaktsuchen eingehen, indem sie zurückplaudert, zu ihm hingeht, sich mit ihm beschäftigt. Je sicherer sich das Kind im Besitz seiner Mutter weiß, umso sicherer und mit größerem Vertrauen wird es diesen Besitz loslassen und aufgeben. Es kann sich sogar lustvoll von seiner Mutter ablösen, um die Umwelt zu erkunden. Ein solches Kind kann sich viel selbständiger entwickeln, es ist fähig expansiv zu werden. Kinder, die keine konstante Zuwendung erfahren dürfen, kleben ständig an ihrer Mutter. Sie durften sie nie voll in Besitz nehmen und müssen ständig Angst haben, den wenigen Besitz, den sie beanspruchen durften, auch noch zu verlieren. Welche Folgeerscheinungen treten auf, wenn es dem Kind nicht ermöglicht wurde, eine Bindung an seine Mutter zu entwickeln? Später hat das Kind bzw. der Erwachsene Angst vor Selbständigkeit und Ich-Werdung. Jedes aufkeimende Bedürfnis, jede Ablösungstendenz wird als Verlust erlebt, so dass jeder Wunsch nach Ablösung sofort unterdrückt wird. Besitz- und Machtanspruch kann nicht befriedigt werden. Auch die gesamte Denkentwicklung kann dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden. Hemmung und Ängstlichkeit verhindern die Informationsaufnahme und verzögern die Denkentwicklung. Die Denkhemmung tritt besonders im Zusammenhang mit Verstimmungen auf. Die Ursachen können auch in mangelnden Erfolgserlebnissen und zu geringem Anregungsgehalt der Umgebung liegen. 3.5.4 Die Entwicklungsstufen des Selbstempfindens In neuen Untersuchungen, die als Methode die Babybeobachtung verwenden, wird der Säugling im Unterschied zu früheren Untersuchungen auch von Piaget als aktiv und als „kompetent“ betrachtet (Stern 1994, Dornes 1996). Dies zeigt sich im Besonderen bei Stern, der das Selbstempfinden des Kindes prinzipiell mit 18 Monaten als gegeben, wenn auch als unabschließbar differenzierbar betrachtet. Es entwickelt sich nach Stern in Stufen und ist ein organisierendes Prinzip, aus dem heraus der Säugling sich und die Umgebung erfährt und ordnet. 1. Das auftauchende Selbstempfinden (sens of an emergent self) entwickelt sich zwischen 0 und 2 Monaten. Schon in diesem Alter stellen Säuglinge Verbindungen zwischen verschiedenen Ereignissen her. Ein erstes Gefühl von Regelmäßigkeit und Geordnetheit (emergent organisation) wird erlebt. 2. Das Kernselbstempfinden (sens of a core self) herrscht zwischen 2/3 und 7/9 Monaten vor. Säuglinge dieses Alters machen die Erfahrung, dass sie und der andere physisch getrennte Wesenheiten sind, zwei Körper, die miteinander in Beziehung treten können, ohne miteinander zu verschmelzen. Diese Konzeption nimmt von der alt vertrauten und fest verwurzelten psychoanalytischen Vorstellung Abschied, dass die Anfangsgründe des menschlichen Daseins symbiotisch seien. Stern postuliert als anfänglichen Zustand eine Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 46 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Trennung von Selbst und Objekt (self versus other), die als solche auch empfunden werde. Was bisher in der Psychoanalyse in Begriffen wie Symbiose und Verschmelzung beschrieben wurde, diskutiert er unter dem Titel „self-with-other“: Gemeinsamkeitserlebnisse mit dem anderen sind möglich, und in diesem Zeitraum auch reichlich vorhanden, aber ihnen gehen die gefühlten Grenzen zwischen Selbst und Objekt im Normalfall nicht verloren, sondern bleiben intakt. 3. Die Phase des subjektiven Selbstempfindens (sens of a subjectiv self) wird von 7/9 bis 15/18 Monate datiert. Kinder dieses Alters merken, dass es auch andere als ihre eigenen „minds“ gibt. In Bezug auf das menschliche Objekt, das Stern den Anderen (other) nennt, entsteht beim Kleinkind die Vermutung, dass es ein Wesen mit einer Psyche ist, und weiter, dass psychische Zustände des Subjekts (Affekte, Absichten, Aufmerksamkeit) und solche des Objekts „teilbar“ sind, d. h. mitgeteilt und ausgetauscht werden können. Es entsteht die Idee von Psychen, die getrennt sind, sich aber „überschneiden“ können, indem sie bestimmte Erfahrungen gemeinsam haben und miteinander kommunizieren. Stern nennt diese Ahnung des Kleinkindes eine „theory of interfacable separate minds“. Sie ist der Beginn von Intersubjektivität im psychologischen Sinn. 4. Das verbale Selbstempfinden beginnt mit 15/18 Monaten und ist nie abgeschlossen. Kinder entdecken, dass sie persönliches Wissen und Erfahrungen haben, die sie mit Hilfe von Sprache kommunizieren können. Es gibt jetzt nicht mehr nur Gefühle und gemeinsame subjektive Zustände, sondern gemeinsames und symbolisch kommuniziertes Wissen um dieselben. 3.5.5 Das Weltbild des Kindes - Die emotionale Besetzung der Umwelt Der Mensch erwirbt ein umfassendes Wissen von der Welt in den ersten sieben bis zehn Jahren. Es wird zunächst über die Sinne erworben (Tast-, Geschmacks-, Gesichts-, Geruchs-, Temperatur-, Gehör- und auch Gleichgewichtssinn). Um diese Welterkundung durchführen zu können, ist die Bezugsperson als feste Basis unerlässlich. Erlebt das Kind in seiner Beziehung keine Geborgenheit, richtet es alle Sinne auf die Erhaltung der Existenz und ist nicht offen für die Welt. Konkretes Erfassen ist die Voraussetzung für das abstrakte Denken. Oft wird es Kindern erschwert, sich mit der stofflichen Welt auseinanderzusetzen. Werden ihre Erkundungstouren ständig eingeschränkt, verlieren sie die Neugierde. Ihr Weltbild entwickelt sich einseitig. In der frühen Kindheit wird das Leben durch Tun und Handeln bestimmt. „Dieser Form des Denkens entsprechen auch die Märchen: Wir hören vom Handeln der Personen, das Geschehen steht im Vordergrund. Auch die Gefühle der Helden werden uns als Handlungen vor Augen geführt. So heißt es nicht, ‘sie war traurig’, sondern ‘da setzte sie sich hin und weinte’. In den Schlußanwendungen wird ebenfalls keine gedankliche Verarbeitung angeboten, es heißt lediglich: ‘sie feierten ein Hochzeitsfest’ oder ‘sie lebten lange und mit Freude’. Das Märchen begründet und erklärt also nicht im rationallogischen Sinn. Der alte Mann oder die alte Frau kennen ‘den Jammer’ schon, es wird aber nicht gesagt, woher. Ähnlich geht das Kind zunächst mit der Welt um, und in einem weiteren Entwicklungsschritt kommt es dazu, nach dem Warum und Woher zu fragen.“ (Diergarten/Smeets 1987, S. 16) Das Weltbild des Kindes beruht auf einer eigenen Logik, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das Kind an die Wahrnehmung gebunden ist und noch keinen Zeitbegriff hat. Es befindet sich Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 47 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen in einem Prozess von Umorientierungen und hat starke Emotionen, weil es nicht in der Lage ist, seine unmittelbaren Bedürfnisse zu distanzieren. Es ist gekennzeichnet durch ein unbeständiges Verhältnis zur objektiven Welterfassung. „Jede Entwicklungsstufe enthält spezifische Wagnisse und aktiviert ganz bestimmte, damit in Verbindung stehende Ängste. Diese werden jedoch erst dann zum Problem, wenn sie uns überschwemmen und wir keine Fähigkeiten entwickeln konnten, mit ihnen umzugehen.“ (Diergarten/Smeets 1987, S. 11) Die Entwicklungspsychologinnen Anne Diergarten und Friedericke Smeets betonen, daß sich die Kinder in den ersten acht bis zehn Lebensjahren „ein eigenes Bild von der Welt machen und sich mit ihr auseinandersetzen. Gerade das Spiel mit der Phantasie dient der geistigen Gesundheit. Denn das magische, vorwissenschaftliche, vorlogische Denken ist kein vereinfachtes Denken, sondern eine qualitativ völlig anders geartete Form der Welterfassung: intensiv, spontan, sprunghaft und assoziativ, ein komplexes Bilddenken, so wie wir es in den Märchen wiederfinden.“ (Diergarten/Smeets 1987, S.13 f.) Beim Kind erfolgt die Deutung und gefühlsmäßige Einordnung der Umwelt in den Kategorien, die es an sich selbst erfahren hat, wie lieb - böse, angenehm - unangenehm... . Im Zusammenhang mit Bedürfnisbefriedigung ergeben sich positive emotionale Besetzungen. Fühlt sich das Kind geborgen, erlebt es die Welt freundlich. Sie wird unfreundlich und feindlich, wenn Kinder sich verlassen fühlen oder in einer bedrückenden Situation leben. Ein positives Erleben der Umwelt in frühester Zeit bedeutet Lebensfreude und Zuwendung zur Welt. Ein negatives Erleben bedeutet vermehrte Angst, abwartendes Verhalten bis hin zum Rückzug. „Ein erreichbares Lebensziel für jeden Menschen ist es, erwachsen zu werden. Dies ist kein Prozess, der sich nur in körperlicher Reife oder durch die Summierung von gelebten Jahren ausdrückt. Es ist ein psychischer Prozeß, der sich darin zeigt, daß ein Mensch nach gelungener Symbiose und Loslösung seine Autonomie erlangt, die in die Individuation mündet. Dies ist nicht nur Thema der ersten Beziehung zwischen Mutter und Kind, sondern ein lebenslanger Prozeß. In jeder Beziehung, die wir eingehen, liegt schon die Notwendigkeit, zwar eine gute Symbiose zu leben, aber auch die folgende spätere Trennung und Selbstwerdung, die für die Differenzierung der Persönlichkeit notwendig ist, gedanklich miteinzubeziehen.“ (Diergarten/Smeets, 1987, S. 50). Kinder, die den Loslösungsprozess nicht oder nur teilweise bewältigen konnten, können durch Märchen eine Hilfestellung erfahren. Es erzählt von Gefahren und Begebenheiten, ähnlich wie das Kind sie erlebt. „Auf die Bedeutung der Märchen zum Verständnis der Welt mit ihren Licht- und Schattenseiten, kann in diesem Zusammenhang gar nicht nachdrücklich genug hingewiesen werden.“ „Märchenhelden werden oft schweren Prüfungen unterworfen, die sie immer bewältigen - eine tröstliche Erfahrung in Situationen, in denen ein Kind den Eindruck hat, daß ‘gar nichts mehr geht’. Märchen vermitteln aber auch die Erkenntnis, daß Entwicklung nicht von alleine geschieht: Bewährungsproben und Kampf gehören unvermeidlich dazu. Sie präsentieren also keine ‘heile Welt’, sondern im Gegenteil, sie schildern die menschliche Existenz ganz so, wie auch das Kind sie erlebt: chaotisch, unüberschaubar, oft ungerecht und voller existentieller Ängste. Die Furcht vor dem Tod und Krankheit, das Bedürfnis geliebt zu werden, die Furcht, als schwach, unwissend oder dumm hingestellt zu werden, sind seine Themen. Aber - und das ist entscheidend - das ‘Gute’ siegt immer. Der Held mag noch so viele Gefahren bestehen müssen, er geht immer siegreich aus der Geschichte hervor. In Zeiten, wo keine Lösung möglich zu sein scheint, kommt sie von völlig unerwarteter Seite - aber nie ohne Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 48 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen sein Zutun. Die Wunder, die in Märchen geschehen, sind keine Wunder - der Held hat zuvor immer etwas getan, damit sich die Situation zu seinen Gunsten verändern kann. Damit geben sie dem Kind die Gewißheit, daß es auch eine Chance hat und aktiv zu der Veränderung seiner Situation beitragen kann. ‘Es gibt für alles eine Lösung - mag die Situation auch noch so ausweglos erscheinen’ und ‘du selbst kannst diese Lösung finden’, sind die Erfahrungen, die das Kind dort machen kann.“ (Wüthrich/Gauda 1990, S. 40 f.) Jede kindliche Aktivität hat eine symbolische Bedeutung, die einerseits im Bereich der Phantasie liegt und andererseits einen kognitiven Wert besitzt. Persönliche Wünsche und Ängste werden vom Kind auf Spielgegenstände projiziert. So schafft das phantasievolle Spiel Situationen, die ein Eigenleben gewinnen und zu neuen Entdeckungen, verbalen Urteilen und Überlegungen führen. Der Ausgangspunkt wird vom symbolischen Wert der Spielgegenstände gebildet und führt als Brücke zur aktiven Erforschung der Gegenstände und zur realen Funktionsweise. „Das Puppenspiel ist ein wichtiges Moment innerhalb der Entwicklung von Kindern.“ (Ammon 1982, S. 60) Isaacs (1933) bezeichnet die Symbolbildung als die tiefste Wurzel kindlichen psychischen Lebens, reale Gegenstände und Ereignisse sind im Vergleich dazu nur von relativer Bedeutung. Beim kleinen Kind drückt sich in der Symbolbildung die Beziehung zu seinen Eltern in allen Facetten aus. Später wird die Gruppe der gleichaltrigen Kinder bedeutsam als Bündnispartner gegenüber der Übermacht der Erwachsenen. Im Spiel mit den Handpuppen verarbeiten Kinder ihre Sorgen. „Und auf der Bühne ist dann (fast) alles erlaubt und (fast) alles möglich: das unter Minderwertigkeitsgefühlen leidende kleine Mädchen wird zur schönsten Prinzessin. Der kleine unterdrückte und scheue Junge zum bösen Räuber. Die böse Königin darf alle negativen Gefühlsregungen offen äußern, der Seeräuber räubern soviel er will und die ganze tiefe Trauer über den Verlust oder ein unbewältigtes Ereignis kann sich in schwarze Raben verwandeln. Das Baby ist klein und hilflos und der freche Kaspar darf sowieso Dinge laut sagen, die man sich sonst nicht trauen würde zu äußern. Die Symbolsprache der Kinder kann sich voll und ungehindert entfalten - die Puppe bietet Schutz vor direktem Zugriff und doch gleichzeitig die Möglichkeit, alles auszudrücken.“ (Wüthrich/Gauda, 1990, S. 25 f.) In einer Integrationsklasse finden sich: gut begabte, psychisch ausgeglichene Kinder Kinder mit unterschiedlichen speziellen Bedürfnissen (sprachlich, körperlich, geistig ...) aggressive, depressive, misshandelte, ängstliche, neurotische, psychotische Kinder Kinder aus anderen Kulturkreisen Kreative Tätigkeiten wie Spielen, Gestalten, Darstellen, Formen, Malen, Musizieren, Märchen erzählen und/oder hören, sowie das Einbeziehen von Entspannungsübungen leisten wertvolle Hilfe zur Bewältigung vielfältiger Probleme. Mit der Einführung von Integrationsklassen hat sich rasch gezeigt, daß im Integrationsgedanken eine große Herausforderung liegt, die der Pädagogik neue Wege eröffnet. Das Miteinander in heterogenen Klassen führt zu einer Erweiterung und bedeutenden qualitativen Verbesserung der Entwicklungschancen jedes einzelnen Kindes, weil alle menschlichen Aspekte gefördert werden. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 49 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen 3.6 Wollen Wir nehmen mit dem humanistischen Psychologen Abraham Maslow (1977, 1973) an, daß jeder Mensch eine Tendenz zur „Selbstaktualisierung“ in sich trägt, oder, wie Carl R. Rogers (1984) diese bezeichnet, eine formative Tendenz (Rogers 1984). Nach den Biologen Humberto Maturana und Francisco J. Varela (1991) ist jeder Organismus durch Autopoiese gekennzeichnet. Nach Homöostase strebt nur ein Organismus, der sich in einem bedrohlichen Ungleichgewicht befindet. Sonst strebt er einen Zustand höheren Gleichgewichts an, d. h. er sucht neue Situationen auf. Das Wollen ist also darauf ausgerichtet, daß der Organismus zu seiner höchstmöglichen Ausformung kommt. Dabei ist er in der Lage, starke Gegenkräfte zu überwinden (Mierke 1980). Erhält das Kind entsprechend viel Raum für seine Selbsterfahrung, spürt es in sich die Möglichkeit, sein Leben eigenständig gestalten zu können. Zu seiner höchsten Ausformung kommt der Mensch, wenn er mit vollem Bewusstsein handelt, dass er sich in seinem Handeln, in seinem Tun im Idealfall dauernd gewahr ist und wenn er so Sicherheit spürt, dass er sich in diesem Gewahrsein seiner selbst von den Dingen „zentrieren“ lassen kann, um sie in ihrem Sosein zu erfassen (Jacoby 1991). Die Lenkung der Aufmerksamkeit ist von eminenter Bedeutung, allerdings nur, wenn das Kind von einer Sache selbst angezogen wird und nicht durch den Lehrer aufmerksam gemacht wird. Das Kind verdient auch insofern Achtung, als der Lehrer auf seine innere Entwicklung achtet, sie anerkennt und es auch in Ruhe lässt. Auch in der Schule, wie in jedem sozialen Zusammenhang braucht das Kind seinen eigenen Freiraum, um sich erfahren zu können und aus seinem eigenen Wollen tätig zu sein, zu lernen. Die „Polarisation der Aufmerksamkeit“ wie sie Maria Montessori (1972) beschreibt, hat eine nicht zu unterschätzende Funktion für den Erkenntnisprozess in all seinen Facetten und für die Entwicklung der Person. Mit Polarisation der Aufmerksamkeit meint Montessori ein bei Kindern auftretendes Phänomen äußerster Konzentration im Umgang mit einem für sie momentan interessanten Material. Folgendes Schlüsselerlebnis hat Maria Montessori die Bedeutung dieses Begriffs erkennen lassen. Sie beobachtete in ihrem ersten Kinderhaus „ein etwa dreijähriges Mädchen, das tief versunken war in der Beschäftigung mit einem Einsatz-Zylinderblock, aus dem es die kleinen Holzzylinder herauszog und wieder an ihre Stelle steckte. Der Ausdruck des Mädchens zeugte von so intensiver Aufmerksamkeit, daß es für mich eine außerordentliche Offenbarung war. Die Kinder hatten bisher noch nicht eine solche auf einen Gegenstand fixierte Aufmerksamkeit gezeigt. Und da ich von der charakteristischen Unstetigkeit der Aufmerksamkeit des kleinen Kindes überzeugt war, die rastlos von einem Ding zum anderen wandert, wurde ich noch empfindlicher für dieses Phänomen. Zu Anfang beobachtete ich die Kleine, ohne sie zu stören, und begann zu zählen, wie oft sie die Übung wiederholte, aber dann, als ich sah, daß sie sehr lange damit fortfuhr, nahm ich das Stühlchen, auf dem sie saß, und stellte Stühlchen und Mädchen auf den Tisch; die Kleine sammelte schnell ihr Steckspiel auf, stellte den Holzblock auf die Armlehnen des kleinen Sessels, legte sich die Zylinder in den Schoß und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Da forderte ich alle Kinder auf zu singen; sie sangen, aber das Mädchen fuhr unbeirrt fort, seine Übung zu wiederholen, auch nachdem das kurze Lied beendet war. Ich hatte vierundvierzig Übungen gezählt; und als es endlich aufhörte, tat es dies unabhängig von den Anreizen der Umgebung, die es hätte stören können; und das Mädchen schaute zufrieden um sich, als erwachte es aus einem erholsamen Schlaf.“ (zit. nach Oswald/Schulz-Benesch 1967, S. 17 f.) Diese psychische Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 50 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Reaktion auf eine adäquate Anregung, durch die eine Polarisation der Aufmerksamkeit möglich wird, kann durch äußere Bedingungen erleichtert werden. In der Entwicklung der Methode wurde daher nach Gegenständen gesucht, die diese Konzentration hervorrufen bzw. sollte eine Umgebung, die besonders günstige äußere Bedingungen für diese Konzentration bietet, geschaffen werden. Dazu gehört, dass das Kind nicht dazu gezwungen wird zu tun, was es von Erwachsenen angesagt oder anbefohlen bekommt. Die Ausbildung einer willkürlichen oder beständigen Aufmerksamkeit wird als Wurzel der Intelligenz- und Persönlichkeitsbildung bezeichnet. Die Aufrechterhaltung einer aktiven Reaktion ist eine Anregung zur inneren Bildung. In der Stärke des Wollens drückt sich die Freiheit aus, die demnach wiederum nur durch eigengesteuerte Aktivität erfahren werden kann. Der Erwachsene, der, statt das Kind bei seinen Aktivitäten zu unterstützen, sie durch seine Fertigkeiten ersetzen zu müssen glaubt, stört die Entwicklung des Kindes. Es wäre also darauf zu achten, daß die Kinder nicht durch die Aktivitäten von Erwachsenen gestört werden. Montessori findet dafür scharfe Worte: „Wer hätte je vermutet, daß jenes törichte >>dem Kind zu Hilfe kommen<< die erste Wurzel aller Verdrängungen und damit der gefährlichsten Schädigungen ist, die der Erwachsene dem Kinde zufügen kann?“ (1988, S. 96 f.). Man kann da nicht sensibel genug sein, um nicht das Kind durch den Erwachsenenwillen zu substituieren und damit zum Nichtdenken zu verurteilen. Es ist eine selbstverständliche Voraussetzung, daß jeder Organismus, um sich entwickeln zu können, einen gewissen Freiraum braucht. Die Schaffung von Entwicklungsfreiheit bedeutet die Befreiung von Hindernissen, die die normale Entwicklung hemmen könnten. Dem Kind wird ein dem Entwicklungsstand entsprechender Freiheitsradius gewährt. Dabei ist es wichtig, eine geeignete Umgebung zu schaffen, um den Kindern eine freiwillige Selbstregulierung und Selbstkontrolle zu ermöglichen und zwar immer in Abstimmung auf ihre sich entwickelnde innere Organisation. Auch die Möglichkeit zur spontanen Bewegung und zu spontanen Wahlmöglichkeiten innerhalb der organisierten Anregungsumwelt gehört zur Entwicklungsfreiheit. Montessori (1972) bezeichnet den Weg der Freiheit in der Entwicklung einen Normalisierungsprozess, gewissermaßen eine Genesung. „Das Hauptkennzeichen bleibt immer das gleiche: ‘Das Aufgehen in einer Arbeit’, einer interessanten, frei gewählten Arbeit, die die Kraft hat zu konzentrieren und, anstatt zu ermüden, die Energien, die geistigen Fähigkeiten und die Selbstbeherrschung erhöht. Um eine solche Entwicklung zu unterstützen, genügen nicht Gegenstände irgendwelcher Art, sondern es muss eine Umgebung von ‘progressiven Interessen’ gestaltet werden. Daraus ergibt sich dann eine Erziehungsmethode, die sich auf die Psychologie der Entwicklung des Kindes stützt.“ (Montessori, 1972, S. 185) Im Mittelpunkt der Methode aktiven Lernens steht die Freiarbeit. So kann jeder Schüler gleich nach Betreten der Klasse seine Arbeit wählen. Wichtig ist, daß die Umgebung, der Klassenraum bzw. die Funktionsräume, gut vorbereitet sind. Jedes Material hat seinen festen Platz. Gleichgültig ob in Einzel- oder Gruppenarbeit sollen spontane Äußerungen und eine individuelle Lebhaftigkeit gestattet sein und gefördert werden. Der Lehrer soll die Aktivität des Kindes in dem Sinne achten, daß es selbst weiß, was es im Moment braucht, um seinem inneren Entwicklungsplan zu folgen. Die Aktivität des Kindes wird sonst zerstört. Gelobt soll es nur werden, wenn es das wünscht. Ein Ziel ist allerdings „die Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 51 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Unabhängigkeit des Willens durch die eigene und freie Wahl; die Unabhängigkeit des Gedankens durch eine Arbeit, die ohne Unterbrechung von selbst geleitet wurde. Die Kenntnis der Tatsache, daß die Entwicklung des Kindes einen Weg aufeinander folgender Unabhängigkeitsgrade durchläuft, muß uns Richtlinie im Verhalten ihm gegenüber sein. Wir müssen dem Kind dazu verhelfen, von sich zu handeln, zu wollen und zu denken.“ (Montessori, 1972, S. 254) Diese Methode ist dann sichtbar erfolgreich, wenn die Kinder arbeiten, als wäre der Lehrer nicht vorhanden. Bei allem echten Lernen kann es nur darum gehen, den Kindern zu helfen, es selbst zu tun. Kinder, die selbst handeln dürfen, zeigen nicht nur ein intelligenteres Verhalten, sondern sind bei ihrer Arbeit auch genauer und disziplinierter. Im Besonderen zeigt sich dies beim sozialen und moralischen Handeln, bei dem ein Minimum an freier Selbstbestimmung geradezu vorausgesetzt ist, daß Menschen ihr Verhalten in einer konstruktiven Weise verändern. Mit dem Wollen entwickelt sich ein weiterer wesentlicher Bereich des Menschen, nämlich sein Werten. Unser Handeln ist von Trieben, Bedürfnissen und Werten motiviert. Zu häufig wird das Kind gezwungen sein inneres Spüren dessen, was für es gut ist, den Erwartungen Erwachsener opfern. Es wird so gezwungen, seine innere Bewertungsgrundlage aufzugeben. Die Folge ist, daß es sich nach den Erwartungen und Normen von außen richtet, die häufig seiner inneren Entwicklung entgegenstehen. Es wird so in die Heteronomie getrieben. So ist das von Piaget (1983) empirisch festgestellte Stadium der Heteronomie oder der konventionellen Moral nach Lawrence Kohlberg (Kohlberg/Turiel 1978) kein notwendiges Stadium kindlicher Entwicklung, sondern von Erwachsenen induziert. Mühsam müssen dann die Jugendlichen ihre Autonomie wieder zurückgewinnen, wollen sie sich nicht in neue Abhängigkeiten begeben. Ziel des gesamten Prozesses der Willensbildung ist, daß die Individuen zu einer eigenen Identität kommen und daß es ihnen gelingt, alle Erwartungen und Ansprüche von außen nach einem inneren Repräsentationssystem eigenständig ihrer Identität entsprechend zu gestalten. 3.7 Intuieren oder kreatives Denken Mit dieser psychischen Funktion sind alle unsere schöpferischen Fähigkeiten gemeint, all das, was mit bloßer Logik nicht zu machen ist, wo es um den kreativen Einfall geht. Die Intuition ist die komplementäre Seite des Denkens zum analysierenden Aspekt. Sie geht sinnvollerweise der Ausbildung des logischen, konvergenten Denkens voraus. Für den kreativen Prozess sind nicht nur Personmerkmale wie Neugier, Sensibilität, Flexibilität, Bereitschaft, sich mit Ideen anderer auseinanderzusetzen, Frustrationstoleranz, aber auch die Fähigkeit, sich von Dingen, Sachverhalten, Ereignissen ansprechen zu lassen, verantwortlich, sondern auch Umweltmerkmale von eminenter Bedeutung. Erwachsene können die Neugierde und das sensible Verhalten von Kindern fördern, indem sie viele nicht-dirigierende Tätigkeiten setzen oder zerstören, wenn sie lenkend eingreifen (Tausch/Tausch 1977, S. 162 f.). Zu den wesentlichsten Umweltfaktoren zählt wieder die Achtung, die Kinder von den Erwachsenen für ihre Aktivitäten - auch wenn manchmal etwas schief oder daneben geht -, erfahren. Dies hängt auch damit zusammen, ob Kinder fragen und Fehler machen dürfen. Jede unterdrückte Frage des Kindes und jede unechte Frage des Lehrers sind eine Missachtung der Würde des Schülers. Eine solche Frage ist jede, die nicht zugleich mit der Frage den Schüler selbst meint, in seiner Stellung zum befragten Gegenstand: Wie könnte er sich die Frage selbst beantworten? Welche Schritte logischer und emotionaler Art muss er setzen, d.h. welche Funktionen muss er erwerben, um die Antwort selbst geben zu können? Die Schüler müssen Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 52 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Fragende bleiben können, was sie in der Regel noch waren, bevor sie in die Schule kamen. Durch Missachtung und teilweise tägliche psychische Verletzungen, der Missachtung ihrer Bedürfnisse haben sie es aufgegeben zu fragen. Kinder sollen weniger funktionieren müssen als sich frei äußern können und sie sollen auch die Möglichkeit bekommen, ihren Freiraum in der Schule zu gestalten. Die Kraft der Gestaltung sollte erhalten bleiben. Der Gegensatz vom linkshirnigen Nachdenken und Grübeln ist es, still und offen dafür zu werden, ob etwas einfallen, auftauchen kann. Heinrich Jacoby, ein Meister der Förderung kreativer Prozesse zeigt, wie kontraproduktiv häufig das Denken ist. „Wenn man nur zu Erlauben braucht, daß einem etwas geschieht, ist es zweifellos unzweckmäßig, sich anzustrengen, etwas zu ‘machen’.“ (1991, S. 36) So ist es beim Schauen zweckmäßig, daß wir gelassen etwas auf uns einwirken lassen. „Wo es stimmt, wird der Mensch durch die Aufgabe, die er akzeptiert hat, konzentriert, durch sie verwandelt und sogar festgehalten! Es gehört zu den Begleiterscheinungen des wirklichen Kontaktes mit einer Aufgabe, daß die akzeptierte Aufgabe den Menschen zu konzentrieren vermag.“ (a. a. O., S. 42, gesperrt im Original) Diese Formulierungen erinnern an die genetische Methode von Martin Wagenschein, die ebenso das Ansprechen durch die Phänomene in den Vordergrund stellt. Wenn wir uns wirklich für eine Sache interessieren, dann kann sie uns in einer Weise gefangen nehmen, daß sie uns verwandelt, und daß sie uns darauf so einstellt, „wie wir sein müssen, damit ihre optimale Lösung gelingt“ (Jacoby 1991, S. 42). Setzt man sich wirklich mit einer Sache, mit einem Phänomen auseinander, dann erkennt man, daß die Beantwortung einer Frage immer nur weitere Fragen aufwirft. Wie arm ist ein Unterricht und wie verfehlt ein Lernen, das endgültige, abprüfbare Antworten gibt, und nicht den Fragehorizont erweitert. 3.8 Merken oder Erinnern Um diese Funktion beschreiben zu können, ist es wichtig, auch jene neurophysiologischen Vorgänge zu skizzieren, die das Speichern von Lerninhalten begleiten. Nach neueren Untersuchungen wird die Theorie des Gedächtnisses mehr mit Einbeziehung der selbständigen Verhaltensorganisation der Zellen und Zellpopulationen gesehen, aber es spielen auch psychische Befindlichkeiten eine wesentliche Rolle. Neurophysiologisch erfolgt der Speichervorgang in vier Stadien: „1. Entstehen zirkulierender Erregungen in Neuronennetzen; 2. hierdurch induzierte Synthese spezifischer Proteine und von RNS (Ribonukleinsäure) in den Neuronen und ihre strukturelle Umbildung; 3. Wachstum neuer und die Umbildung alter Synapsen; 4. Entstehung strukturell fixierter Neuronen-Konstellationen, auf denen neu bildende Systemreaktionen fußen.“ (Jantzen 1990, S. 86) Strukturveränderungen werden als Resultat wie Voraussetzung der Tätigkeit der Neuronen begriffen. Jede Aktivität von Nervenzellen führt zu einer Steigerung des RNS-Stoffwechsels, die RNSKonzentration nimmt also zu. Wenn die nervöse Aktivität etwa durch Narkose oder pharmakologische Einwirkungen herabgesetzt wird, kommt es zu einer Abnahme des RNSGehaltes der Zelle. Lernprozesse finden jedoch nur statt, wenn die RNS nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ verändert wird. Hydén konnte zeigen, daß bei Ratten, die längere Zeit Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 53 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen in einer Drehtrommel rotiert wurden, in der Schaltstation des Vestibulärsystems die RNS zunimmt, jedoch diese keine qualitative Veränderung zeigt. Also erst bei aktiven Lernprozessen kommt es zu einer Strukturveränderung in der RNS, nämlich der Mengenanteile der einzelnen Basen, nicht aber bei passiver Stimulation (Guttmann 1974, S. 219). Interessant ist auch, daß die Gliazellen, die rund um die Nervenzellen angeordnet sind, scheinbar im Lernprozess eine Rolle spielen. Nach der Stimulation einer Nervenzelle treten im Neuron und seinen benachbarten Gliazellen genau spiegelbildlich ablaufende biochemische Veränderungen auf: der RNS-Gehalt in der Nervenzelle nimmt zu und in den Gliazellen ab. In diesem Zusammenhang haben Untersuchungen ergeben, daß die Dicke der Hirnrinde bei Ratten, die in einem anregenden Milieu, das reiches Angebot an Aktivitäten und Gelegenheit zu Lernprozessen birgt, zunimmt (Guttmann 1974). 3.8.1 Synapsendifferenzierung als Grundlage des Gedächtnisses Als Beweis dafür, daß die Synapsendifferenzierung die hardware-Grundlage für ein Dauergedächtnis sein könnte, wird die Zunahme von Synapsenendigungen mit höherem Alter angesehen. Diese Differenzierung ist weniger eine entwicklungsbedingte Veränderung, als von einlaufenden Reizen abhängig. Wenn ein Sinnesgebiet von Geburt an ausgeschaltet wird, treten in seinem kortikalen Projektionsfeld viel geringere neuronale Strukturveränderungen als im Normalfall auf. Als neuronale Ursache der Konsolidierungsphase als Abschluss eines Lernprozesses wird eine Stärkung der Synapsenverbindungen angenommen. Die Grundlage für diese erhöhte Funktionsbereitschaft konnte eine Vergrößerung des Synapsenkopfes oder eine Vermehrung der bereitliegenden Transmittersubstanz sein (Guttmann 1974) 3.8.2 Die Makroebene - Das Zusammenspiel von Körper und Seele An Gedächtnisbildung, Wiedererkennen und Neuigkeitsverarbeitung sind sowohl die Großhirnrinde als auch subkortikale Strukturen beteiligt. Der Mechanismus des Wiedererkennens und der Gedächtnisbildung dürften unterschiedlich organisiert sein. Der Hippokampus ist eine wichtige Schaltstelle zur Übersetzung vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis. Er bewertet Wahrnehmungsmuster und steht in enger Verbindung zur Realisierung adäquater und inadäquater Erfolgs- und Vermeidungsstrategien. An diesem Ort wird entschieden, wie weit Information verarbeitet wird oder nicht. Über Verstärkermechanismen des limbischen Systems findet dann der Übergang ins Langzeitgedächtnis statt. Bei zu hohem Neuigkeitsgrad reagieren diese Mechanismen der subkortikalen Verarbeitung mit der emotionalen Note Furcht oder Angst (Jantzen 1990). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass kognitive Entwicklung aus neurophysiologischer Sicht ganz eng im Zusammenhang mit ständiger Aktivierung durch Anregung von außen und motivational von innen steht. Interzelluläre Strukturveränderungen, Ausbildung von Verzweigungen zwischen den Neuronen und das Schaffen von Verbindungen zwischen verschiedenen Gehirnteilen sind notwendig, um dem Kind eine positive Entwicklung auf kognitiver Ebene zu ermöglichen. Lernen sollte mehrkanalig erfolgen, d. h. ein und dieselbe Information sollte über mehrere psychische Funktionen laufen, z. B. das Sehen, Sprechen, Hantieren und Fühlen, damit sie in mehreren Hirnregionen gespeichert wird. Daher ist es für Speicherprozesse von Bedeutung darauf zu achten, wie weit die Aufnahme einer Information entweder durch psychische oder physische Faktoren gestört ist. So ist beispielsweise die Folge von Defekten des Visuellen eine Verminderung der Schreibleistung. Ist das auditive Gedächtnis Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 54 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen beeinträchtigt, werden bei mündlichen Übungen Schwierigkeiten auftreten. Das Kind kann etwa im Rechenunterricht bestimmte Zahlen nur schwer behalten, was ein verbales Schnellrechnen unmöglich machen kann. Da die Merkfähigkeit auf das Lernen bzw. die Reproduktion von Gelerntem auf allen Ebenen einen bedeutsamen Einfluss hat, ist es daher für die Beobachtung des Lernens der Kinder für den Lehrer von Bedeutung, die Gedächtnisleistung, also die Merkfähigkeit, individuell und differenziert zu betrachten. Mängel liegen meist nicht in allen Bereichen vor (Johnson/Myklebust 1980). Auf der psychischen Ebene ist für das Speichern und Abrufen von Informationen wesentlich, daß sie vorstellungsmäßig gut verankert sind. Dies ist dann selbstverständlich gegeben, wenn eine Information an Materialien erarbeitet bzw. wenn an den Phänomenen selbst gearbeitet wird. Andernfalls wäre es günstig, eine Information nicht nur digital, sondern auch analog, d. h. bildhaft zu speichern. Eine Information wird dann sowohl in der linken als auch in der rechten Hirnhälfte (Eccles 1989, S. 206 - 229) gespeichert. Jede Information, die nicht auch analog = bildhaft vorgestellt wird, gleicht einer sinnlosen Silbe, die zu lernen wir eine längere Zeit brauchen, bis wir sie auch wiedergeben können, als sinnhafte Silben (vgl. dazu Birkenbihl 1992, 1991). 4 Beobachtung der Entwicklungsdynamik als Grundlage der Lernplanung Bei der Beobachtung ist besonders darauf zu achten, wie die psychischen Funktionen aufeinander aufbauen und sich einander stützen. Innerhalb aller psychischen Funktionen werden im Entwicklungsprozess Schemata gebildet, über die wir die Welt und unsere Wahrnehmungen und Vorstellungen strukturieren. Ursprünglich sind Schemata ganz an Bewegungen und Wahrnehmungen gebunden und werden mit dem Erlernen von Symbolen für Dinge und Ereignisse immer komplexer. Sie verschachteln sich ineinander, ordnen sich hierarchisch an. Dies möge an einem Beispiel demonstriert werden. Für alle Schüler in gleichem Maße gilt, dass bei der Förderung von Lernprozessen jeder Art jeweils auf die diese fundierenden Operationen zurückgegriffen werden muss. Ein Fördern auf der Ebene der Schwierigkeiten greift zu kurz. Kann etwa ein Schüler beim Schreiben nicht die Zeile halten und schreibt er die Buchstaben unregelmäßig, dann hätte es keinen Sinn den Schüler durch Schreibaufgaben fördern zu wollen. Er würde nur weitere Misserfolge erleben und dies könnte sich auch auf seine Motivation und sein Verhalten negativ auswirken. Es muss auf die Ursachen zurückgegangen werden, die erfasst werden können, wenn eine Leistung nach den sie fundierenden Operationen analysiert wird. Dabei ist zunächst zu erfassen, welche Operationen für die Ausführung einer Leistung vorausgesetzt werden, welche Operationen z. B. beim Schreiben nötig sind, um die Zeile halten und die Buchstaben regelmäßig schreiben zu können: Abbildung 4: Für eine Leistung vorausgesetzte und sie fundierende Operationen für eine Leistung vorausgesetzte Operationen fundierende Operationen Bewegen ein klares Körperschema Denken Isolieren von GleichgePermanenz Bewegungen wicht halten, der Person sich selbst Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Wahrnehmen Fühlen Wollen Ur-Vertrauen, sich selbst zuwenden, Seite 55 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen wahrnehmen - Propriozeption Koordination von Auge und Hand Koordinieren Gliederung v. Bewegung von Wahrund Wahrnehmungen nehmung Fließen der Bewegung gute Raumwahrnehmung einzelne Bewegungsschemata als Gesamthandlung empfinden zwei Merkmale miteinander verbinden Ich-Bildung intentionales Erwartungen Aufmerksam Handeln haben -keit von Gegenständen Kombination Erwartungen (Zeichen) gevon Verhal- vorwegnehsteuert tensschemata men Permanenz des Objekts teilnehmen, sich einer Bezugsperson zuneigen sich Gegenständen zuwenden Verinnerlichung v. Bewegungsabläufen Innerhalb der Funktion des Sprechens, die in der Tabelle aus Platzgründen, und weil sie in diesem Zusammenhang weniger bedeutsam ist, nicht angeführt ist, fundiert das Schreiben: Silben bzw. Wörter nachsprechen und Gegenstände und Handlungen im freien Spiel mit Lauten und sprachlichen Symbolen begleiten zu können. Dazu kommt noch die Fähigkeit, sich der zu schreibenden Zeichen (Buchstaben) zu erinnern. Ideal wäre es, wenn nicht nur die Zeichen isoliert, sondern Wortkombinationen erinnert würden. Aus der Analyse soll deutlich geworden sein, wie sich die einzelnen Operationen gegenseitig stützen. Wer sich nicht selbst zuwenden kann, was einschließt, dass eine Person sich als solche erfassen kann (Permanenz der Person), dem wird es nicht gelingen, Gleichgewicht zu halten und Bewegungen zu isolieren. Andererseits kann sich eine Person ohne Propriozeption sich nicht selbst zuwenden. Eine Person aber, die kein Ur-Vertrauen erfahren hat, wird sich selbst weniger bis - im Extremfall von Deprivation - überhaupt weder Gegenständen noch Personen zuwenden, wird sich sprachlich nicht äußern, und somit kommt die Propriozeption nicht zur Anwendung. Diese trägt aber ihrerseits wieder dazu bei, sich selbst etwas zutrauen zu können und damit zur IchBildung. Dies gilt für alle weiteren fundierenden Operationen. Für die Förderung bedeutet dies, dass man auf jene Operationen zurückgreift, die zu einem gegebenen Zeitpunkt eine Person am besten aktivieren kann, und darauf vertraut, dass die sich stützenden Operationen latent geübt werden. Vielleicht braucht ein Kind zu einem gegebenen Augenblick nur vermehrt Zuwendung, um von sich absehen und sich Gegenständen zuwenden zu können, sprich den Schriftzeichen. Diese Zuwendung fördert auch die Verinnerlichung von Bewegungsabläufen und das Erinnern, d. h., was innen ist, auch nach außen (zur Darstellung) bringen zu können. Wegen des Raums, den ein Aufsatz einnehmen kann, muss auf weitere Beispiele verzichtet werden. Aber das Prinzip dürfte deutlich geworden sein, so dass jede/r Leser/in sich selbst helfen kann, Förderpläne zu entwickeln: Man analysiert die für die Durchführung einer Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 56 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen komplexen Tätigkeit oder Handlung vorausgesetzten Operationen und sieht dann im Entwicklungsschema der psychischen Funktionen nach, welche spezifischen die vorausgesetzten Operationen fundieren. Förderung setzt also bei den Operationen an, über die wir uns unsere Welt aneignen. Dies gilt generell für jede Person, für die mit Entwicklungshemmungen ebenso wie für einen Hochbegabten. Unterschiede kann man auf der Ebene der Inhalte, was ihre Menge und ihre Komplexität betrifft, planen. Grundsätzlich gilt dieses Fördermodell allgemein. Benützt man es und beachtet dabei zugleich auf der Interaktionsebene die entwicklungsfördernden Einstellungen (vgl. Rogers 1984, Tausch/Tausch 1977), kann Förderung professionell erfolgen. Auf der Basis einer genauen Beschreibung der Operationen, die ein Schüler zu einem gegebenen Zeitpunkt in unterschiedlichen Fachbereichen aktualisiert bzw. aktualisieren kann, erfolgt die Rückmeldung an den Schüler. Diese ist dann sehr differenziert, bleibt auf der Ebene der Beobachtung und ist so reiner Lernentwicklungsbericht ohne diskriminierende Äußerungen. 4.1 Planung von fächerübergreifendem Unterricht Das Merkmal „fächerübergreifend“ kann unter verschiedenen Gesichtspunkten gesehen werden. Der wohl bedeutsamste Aspekt ist der des ganzheitlichen Lernens als einer ganzheitlichen Auseinandersetzung mit unserer Welt mit all unseren Fähigkeiten. Diese lassen sich als psychische Operationen ausdrücken, womit wir wieder bei unserem Ausgangspunkt bzw. Ansatz für die Beschreibung von Lernen wären. Es kann sinnvoll sein, einen Gegenstand, ein Phänomen unter einem ganz bestimmten Gesichtspunkt zu betrachten, um ein besonderes Merkmal an ihm genauer in den Blick zu bekommen. Wir können dies wieder ganzheitlich tun oder aber unter einer bestimmten Abstraktion, wenn wir ein Merkmal isolieren wollen, um es messen oder deuten zu können. Jeder Versuch einer genauen Bestimmung eines Merkmals setzt eine bestimmte Methode voraus oder kreiert eine solche. Ein methodisches Arbeiten bedarf nun auch wieder bestimmter Operationen, die sich letztlich, mögen sie noch so komplex sein, in jene fundamentalen Operationen aufgliedern lassen, die im Entwicklungsraster enthalten sind. Zur Demonstration möge wieder das oben angeführte Beispiel des registrierenden Beobachtens und des Klassifizierens dienen. Dabei sind folgende drei Techniken, die für „wissenschaftliches Arbeiten“ in unterschiedlichen Fächern gebraucht werden: 1. Beobachten, 2. Registrieren und 3. Klassifizieren nach ihren grundlegenden psychischen Operationen zu analysieren. Abbildung 5: Für Beobachten, Registrieren und Klassifizieren fundierende Operationen Beobachten Bewegen Wahrnehmen Denken Sprechen Isolieren und feines Koordi- Isolieren und feines Koordi- Kombination von gegenstandsund Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Sozial-emotio- Wollen nales Handeln stabiles Gefühl Aufmerksamder keit von Seite 57 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen nieren von Bewegungen nieren v. Wahr- Verhaltenssche handlungsbezo Einheitlichkeit Gegenständen nehmungen mata genes Sprechen – Selbstgrenzen gesteuert BewegungsZentrieren der schemata als Wahrnehmung Gesamthandlun Merkmale g empfinden miteinander Beherrschen verbinden von komplexen Beziehungen Bewegungseines Systems abläufen gruppiert sehen intentionales Handeln Bewerten von Eigenschaften eigene Gedanken objektiv mitteilen Regeln wörtlich planen, befolgen entscheiden seine Wünsche aufschieben topologische Ordnung eine Sache zu Ende führen sich selbst strukturieren planen Reihenfolgen Registrieren Bewegen Wahrnehmen Denken Sprechen siehe oben siehe oben siehe oben siehe oben Raumwahrneh- sich mung vorstellungsmä ßig Gegleich genstände bleibende vergegenwärtig Einheiten en unabhängig von Merkmalen reversible erfassen Komposition Erhaltung des Ganzen Invarianz der Anzahl, der Substanz Ereignisfolgen berücksichtigendes Erzählen sozial-emotio- Wollen nales Handeln siehe oben siehe oben Regeln bilden Situationen in ihrem Kontext beschreiben zeitliche Sequentierung beachten Zahlbegriff Erfassen von Größenverhältnissen Erfassen von Mengen und Ordnungsverhältnissen Klassifizieren Bewegen Wahrnehmen Denken Sprechen siehe oben siehe oben siehe oben siehe oben sozial-emotio- Wollen nales Handeln siehe oben siehe oben vergleichen, Gegensätze bilden, sortieren Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 58 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen Es muss bewusst sein, dass bei jedem methodischen Herangehen an die Wirklichkeit eine bestimmte Abstraktion gesetzt wird, die Wirklichkeit also aus einem bestimmten Blickwinkel angesehen wird. Ein solches Vorgehen ist sinnvoll, um ein Phänomen genauer bestimmen zu können. Es muss nur klar sein, welche bestimmte Abstraktion es ist. Nach diesen Abstraktionen sind auch die unterschiedlichen Fachdisziplinen zu bestimmen. Für den fächerübergreifenden Unterricht wäre jeweils zu reflektieren, welche Operationen von Fach zu Fach übertragbar sind. Es ist hier die Frage zu stellen, an welchen Themen, bei welchen Fragestellungen und welchen methodischen Zugängen sich bestimmte Operationen exemplarisch für andere Zusammenhänge ergeben. Werden diese Fragen originär von den Schülern gestellt und wird mit ihnen auch die Methode besprochen, wie diese Fragen zu beantworten wären, bekommen sie unmittelbar mit, welcher Typ von Fragen welchem Fach zuzuordnen ist. Es sollten grundsätzlich alle Fragen zugelassen werden, weil dadurch der zu erkundende Sachverhalt unter verschiedenen Gesichtspunkten gesehen und untersuchbar wird. Ausgehend von den Fragen an den Sachverhalt kann erarbeitet werden, wie sie methodisch beantwortet werden können. Auf diese Weise können die Schüler/innen unmittelbar aus dem eigenen Fragen verstehen, was zusammenschauendes, vernetzendes Denken, „zusammenschauender Wissenserwerb“ bedeutet. Durch ein solches Vorgehen kann für die Schüler/innen „die Komplexität der realen Umwelt leichter begreifbar und analysierbar und damit rational zugänglicher“ werden.3 Im fächerübergreifenden Unterricht wäre also zu zeigen, welchen Ausschnitt der Wirklichkeit ein Fach wegen des Zugangs zu den Phänomenen wählt, um dadurch diese nicht zu verlieren. Letztlich sind es unsere Interessen, die unser Fragen leiten. Das Interesse an einer genauen Messung der Temperatur führte zur Erfindung des Thermometers, das Interesse um die Erforschung des Lebens und unserer Umwelt lässt uns chemische Analysen machen und Biotope erforschen. Die Komplexität unserer Welt wird nur erfassbar, wenn sie als solche erlebt wird, d. h. wenn die Schüler/innen mit realen Problemen ihrer Lebenswelt4 konfrontiert werden und nicht mit für den Fachunterricht zubereiteten Abstraktionen. Es sollte für die Schüler/innen deutlich werden, dass und wie an Situationen der Lebenswelt in unterschiedlicher Weise herangegangen werden kann, um sie zu begreifen. Das Wie des Herangehens differenziert die unterschiedlichen Fächer aus. Primär sind also nicht die Fächer und ihre Methoden, sondern die Situationen der Lebenswelt, an die eben in verschiedener Weise herangegangen werden kann. Rational erfassbar wird etwas durch das klare methodische Herangehen, indem die Operationen genau nachvollziehbar sind. Dadurch wird auch für die Schüler/innen ihre Welt klar und verständlich. Erfolgt Lernen auf diese Weise, dann ist gewährleistet, dass jede Behandlung einer Situation der Lebenswelt (= Themen des Unterrichts) weitere Fragen aufwirft. Ein solches Lernen ist genetisch in dem Sinn, dass jeweils fragend bis auf die Wurzeln zurückgegangen wird, so dass für die Schüler/innen Wissen vor ihren Augen durch ihr Fragen und Operieren entsteht. Ein anderer Aspekt des fächerübergreifenden Unterrichts bezieht sich darauf, dass für unterschiedliche Fächer gleiche Operationen, wenn auch jeweils spezifisch, gefragt sind. So werden Beobachten, Messen, Gruppieren, Klassifizieren in mehreren Fächern angewandt. Für den fächerübergreifenden Unterricht wäre jeweils zu reflektieren, welche dieser Operationen 3 Schulversuchsbeschreibung „Mittelschule“, Anhang, S. 1 4 lebensweltlicher Ansatz der Didaktik Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 59 / 65 K. Garnitschnig 75877963 Karl Garnitschnig (2004) Die Entwicklung der psychischen Operationen von Fach zu Fach übertragbar sind. Es ist hier die Frage bedeutsam, an welchen Themen, bei welchen Fragestellungen und welchen methodischen Zugängen sich bestimmte Operationen exemplarisch auf andere Zusammenhänge übertragen lassen. Ein dritter Aspekt bezieht sich auf die Unterrichtsmethoden, insofern manche Methoden ein größeres Naheverhältnis zu den beschriebenen Aspekten des fächerübergreifenden Unterrichts haben als andere. So wird z. B. bei projektartigen Formen des Unterrichts oder beim Teamteaching fächerübergreifendes Lernen wahrscheinlich mehr gefördert als bei einer fachbezogenen Lehrerdarbietung. Obwohl zu fordern ist, dass die Lehrer grundsätzlich fächerübergreifend unterrichten, werden auch diese durch die besagten Methoden dazu mehr angeregt. Werden Themen „projekthaft, ganzheitlich“ behandelt, werden sie „von mehreren Aspekten beleuchtet werden und tiefergreifende Auseinandersetzung der Schüler mit ihnen“ wird ermöglicht.5 Der Zugang zu den Phänomenen über Fragen und das Erkennen der Unterschiedlichkeit dieser Fragen, sofern sie zu ihrer Beantwortung unterschiedliche Methoden erfordern, ist entdeckendes Lernen. Forschen ist es dann, wenn sich die Schüler über diese Methoden mit den Phänomenen selbst auseinandersetzen, ihnen also Wissen nicht vorgekaut wird, sondern sie in den Prozess des Wissenserwerbs einbezogen werden. Literatur Altrichter, Herbert: Gerechte Noten für Schulen? Der zweite Versuch, die besten Schulen Österreichs herauszufinden.- In: Dazu: lernen, 1995, H. 4, S. 9 - 12 Altrichter, Herbert/Radnitzky, Edwin/Specht, Werner: Innenansichten guter Schulen. Portraits von Schulen in Entwicklung.- Bildungsforschung des BMfUK 6, Wien 1994 Arnold, Wilhelm u. a. (Hrsg.): Lexikon der Psychologie. 3. Bde.- Freiburg, Basel, Wien: Herder, 1991 7 Bach, Heinz: Sonderpädagogik im Grundriß.- Berlin: Carl Marhold, 1987 Baumgartner, Alex: Pädagogische Dimensionen strukturellen Lernens.- In: Päd. Rundschau, Jg. 48 (1994), S. 403 - 417 Bews, Susanna u. a.: Förderung von behinderten und nichtbehinderten Grundschulkindern in Integrationsklassen durch Lernmaterialien und Lernsituationen. 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Die Wissensstruktur eines Faches angeben und in psychische Operationen übersetzen. Erstellt: 2008-08-26 Update: 2016-05-13 Seite 65 / 65 K. Garnitschnig 75877963