Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Biowissenschaften Genetikdetektive spüren Krebsursachen auf Bis zu 50% der Krebserkrankungen sind durch ererbte genetische Defekte bedingt. In anderen Fällen wiederum verändern sich Gene aufgrund von Tumorwachstum. Diese beiden Szenarien zu erkennen ist üblicherweise ein erster Schritt zur Erforschung des Ablaufs, aber auch der Entstehungsweise dieser Krankheiten. Die Forscher des Projekts CANCERGENES haben beide Phänomene untersucht und die Entschlüsselung und das Klonen von Krebsgenen weiter vorangetrieben. Beispielsweise wurde ein neues Gen entdeckt, das Aufschluss darüber geben könnte, ob jemand zur Erkrankung an Darmkrebs neigt. Die Gemeinschaftsarbeit der Forscher umfasste die Identifikation dieses Gens, die klinische Untersuchung von Risikofamilien und Einzelpatienten, ergänzt durch Gewebeanalysen, mathematische Modellierung und Entwicklung von Krankheitsmodellen. Neben weiteren Errungenschaften hat ihre Arbeit zur Beschreibung von fünf oder sechs der insgesamt 80 bislang bekannten Prädispositionsgenen beigetragen. Der erste Erfolg des Projekts zeigte sich mit der Entschlüsselung und dem Klonen der für zwei Krankheiten – das Peutz-Jeghers-Syndrom und die Juvenile Polyposis (gutartige Polypen) – verantwortliche Gene, die in weiterer Folge Kolorektalkarzinome oder andere Krebsarten verursachen. Die an diesen Erkrankungen beteiligten Gene spielen bei vielen Tumorarten eine wesentliche Rolle. Die Forschungspartner entschlüsselten und identifizierten das für das erblich bedingte Syndrom der Leiomyomatose mit Nierenzellkarzinomen (HLRCC) verantwortliche Gen. Durch diese Untersuchungen konnten die Forscher eine bislang unbekannte Verbindung zwischen mangelhafter Energieproduktion und der Bildung von Tumoren aufzeigen. Darüber hinaus haben sie die klinischen und molekularen Merkmale des Darmkrebses beschrieben und umfangreiche Arbeit bei der Identifikation der genetischen Pfade zur Entstehung von sporadischen Kolorektalkarzinomen geleistet. Die Erkenntnisse dieses Projekts sind für die Bewertung von Risiken und zur Prävention von Krebs von besonderer Bedeutung. Unmittelbaren Nutzen bietet das Projekt CANCERGENES durch die Möglichkeit, Patienten und Familien mit der Veranlagung zu Krebserkrankungen zu testen, um ihre Krankheiten zu klassifizieren und ihr Risiko zu bewerten. Durch die Gegenüberstellung der Krankheitsgeschichte einer Familie und der Veränderungen bei einem speziellen Gen können Risikobewertungen auf der Grundlage molekularer Daten durchgeführt werden, die zuverlässiger sind als klinische Erkenntnisse allein. Somit können ScreeningProgramme besser individuell angepasst werden und Personen, die die veränderten Gene nicht geerbt haben, können unnötige Sorgen erspart werden. „Genetische Analysen können auch einen beachtlichen allgemeinen Einblick in die Mechanismen der Tumorentwicklung bieten, woraufhin mittels Studien die funktionellen Auswirkungen genetischer Veränderungen bestimmt werden können. Wir selbst haben solche Studien durchgeführt, aber es gibt noch genügend Perspektiven für andere, unsere Erkenntnisse zu erweitern. Dies ist unverzichtbar, wenn wir ein umfassenderes Verständnis der Tumorentstehung erhalten und therapeutische Strategien gegen die Zielgene, die wir identifiziert haben, entwickeln wollen“, so Prof. Ian Tomlinson vom London Research Institute. Titel des Projekts: CANCERGENES Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Ian Tomlinson, London Research Institute, Cancer Research UK (Vereinigtes Königreich), Prof. Lauri Antti Aaltonen, University of Helsinki (Finnland) Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Geowissenschaften Sammeln kalter Fakten zu einem heißen Thema Die Arktis ist eine einzigartige Region, die im globalen Klimasystem eine Schlüsselrolle spielt. Derzeit wird darüber diskutiert, ob die fortschreitende Erhöhung der bodennahen Lufttemperatur und das Schwinden der Eisdecke auf einen natürlichen Zyklus oder auf die durch menschliches Wirken verursachte Zunahme an Treibhausgasen zurückzuführen sind. Setzt sich dieser Trend fort, was auch immer die Ursache sein mag, würde sich dies maßgeblich auf das stark maritim beeinflusste Klima in Europa auswirken. Aus diesem Grund wurde ein hohes Maß an Arbeitsaufwand und an finanziellen Mitteln aufgebracht, um die dieser Entwicklung zugrunde liegenden Phänomene zu untersuchen. Im Rahmen des Projekts CECA wurden im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts zahlreiche interdisziplinäre Forschungsaktivitäten durchgeführt, die sich mit Umweltproblemen europaweiten Ausmaßes befassten. Die CECA-Arbeitsgemeinschaft, die norwegische und deutsche Institute umfasste, arbeitete eng mit einem russischen Partner zusammen. Dadurch erhielt das Team Zugang zu Daten über arktische Gebiete, die bislang für europäische Forscher nicht verfügbar waren. Die wissenschaftlichen Ziele der Forscherteams konzentrierten sich auf eine systematische und ganzheitliche Analyse diverser Beobachtungs- und Modelldatenbestände. Durch eine Kombination von Beobachtungen vor Ort, Satellitenerkundung und Computermodellierung konnten die Forscher wissenschaftliche Durchbrüche und neuartige Erkenntnisse erzielen, die unser Verstehen zahlreicher Aspekte des arktischen Klimasystems und seines Einflusses auf den europäischen Kontinent fördern. Darüber hinaus erforschte das Team den Einfluss vermehrter Treibhausgase auf die natürlichen Schwankungen des Wettersystems in der nordatlantischen und der arktischen Region, aber auch die Wechselwirkung mit diesen. Das CECA-Konsortium hat zahlreiche potentielle menschliche und sozioökonomische Folgen des - heute unbestrittenen - Schwunds der arktischen Meereisdecke erkannt, die nicht ausschließlich negativer Art sind. Dazu zählen: Minderung der Sonnenreflexion durch das Eis, die Tatsache, dass riesige Gebiete dem kalten, offenen Wasser des arktischen Ozeans ausgesetzt sind, Veränderungen des Verlaufs und der Ausbreitung von Schmelzwasser, weitreichende Veränderungen des maritimen Ökosystems, mildere Klimabedingungen in Höhenlagen und Verlängerung der eisfreien Periode bestimmter Wassergebiete und damit die Verkürzung der Reisen über den Ozean “Wir müssen unser Verstehen, die Messung und die Prognose der räumlichen Verteilung, der zeitlichen Entwicklung und der biogeochemischen Konsequenzen der durch den Mensch verursachten Verschmutzung - einschließlich jener, die durch nukleare Rückstände bedingt ist noch verbessern. Dazu wird die weitere Verwendung und die Verfeinerung der integrierten Methodik des Beobachtens und des numerischen Modellierens, die wir im Rahmen des CECA erprobt haben, erforderlich sein“, so Prof. Ola M. Johannessen vom Nansen Environmental and Remote Sensing Centre (NERSC) und dem geophysischen Institut der Universität Bergen. Titel des Projekts: CECA Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Ola M.Johannessen, Nansen Environmental and Remote Sensing Centre (Norwegen), Prof. Lennart Bengtsson, Max-Planck-Institut für Meteorologie, (Deutschland), Dr. Leonid Bobylev, Nansen International Environmental and Remote Sensing Centre (Russland) 2 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Biowissenschaften Studien über das Immunsystem versprechen Heilung für Krankheiten Das Projekt EURO-PID konzentrierte sich auf eine Gruppe von über 130 seltenen, genetisch bedingten Krankheiten, die unter der Bezeichnung „primäre Immundefekte“ (PID) bekannt sind. PIDs verursachen bei den Betroffenen, vorwiegend Kindern, eine Neigung zu Infektionen, zur Vermehrung von Lymphzellen sowie Autoimmunstörungen. Die Untersuchung von PIDs ist äußerst schwierig, da sie sehr selten auftreten. Das erschwert das Sammeln geeigneter Daten bzw. die Kontaktaufnahme mit einer ausreichenden Zahl der weit verstreuten Betroffenen, um eine aussagekräftige Probe für Analysen und Tests zu erhalten. Im Rahmen dieses Projekts kombinierte eine Arbeitsgemeinschaft von sieben europäischen Forschungsteams klinische Immunologie mit wissenschaftlichen Grundlagenstudien, um diese Schwierigkeiten zu überwinden und die molekularen Mechanismen, die bestimmten Erkrankungen zugrunde liegen, zu begreifen. Die Arbeit der Forscher konzentrierte sich auf sechs Schwerpunktbereiche: Erforschung der Entstehungsprozesse und der Entwicklungsdefekte bei T-Lymphozyten, Zellen, die maßgeblichst bei der Bekämpfung schwerer Krankheiten beteiligt sind, insbesondere jener, die durch Viren verursacht werden; Analyse der Entstehung von Defekten, die die Funktionsweise der BLymphozyten, nämlich die Produktion von Antikörpern, beeinträchtigen; Identifikation molekularer Defekte in Phagozyten, die eine angeborene Immunität gegen Bakterien gewährleisten und abgestorbene Zellen beseitigen; Untersuchung der Zerstörungsprozesse infizierter und tumoröser Zellen durch T- und NK-Lymphozyten (natürliche Killerzellen) und deren Ursachen; Bestimmung des Charakters ererbter und erworbener Defekte im Apoptoseprozess, der ein Absterben überschüssiger oder fehlgesteuerter Lymphozyten bewirkt (ein Versagen dieses Mechanismus liegt den Autoimmunerkrankungen zugrunde); Erforschung der Gentherapie als Grundlage für neue Behandlungsformen bei lebensbedrohlichen Immunstörungen. Nach jahrelanger Forschungsarbeit ist es den Partnern schließlich gelungen, eine vielversprechende Gentherapie für einen Typus schwerer kombinierter Immundefizienz (SCID) zu entwickeln. Darüber hinaus konnte bei einer Gruppe von 17 Patienten, die alle an dieser Erkrankung litten, eine klinische Studie durchgeführt werden. Diese Bemühungen förderten eine Fülle an Informationen darüber zutage, inwieweit sich die Zellen des Immunsystems voneinander unterscheiden, aber auch wie sie ihre speziellen Funktionen erfüllen und die Immunantwort steuern. Im Verlauf des Fünfjahresprojekts beschrieben die EURO-PID-Forscher ferner Defekte bei 20 wichtigen Schutzgenen. Laut Einschätzung der Forscher werden die Erkenntnisse des Projekts den Patienten weiterhin durch die Entwicklung neuer diagnostischer, prognostischer und therapeutischer Werkzeuge von Nutzen sein. Zweites Ziel des Forscherteams ist es, auf ihrer Erfahrung weiter aufzubauen und in der kommenden Zeit an der Entwicklung sicherer Vektoren für Gentransfer-Behandlungen bei weiteren ähnlichen Erkrankungen zu arbeiten. Für die nächsten Jahre ist bereits die Untersuchung von mindestens drei weiteren PIDs geplant. “Ich bin überzeugt, dass unsere Erkenntnisse langfristig den Grundstock für Strategien zur Milderung und Heilung vieler weiterer häufiger Erkrankungen bilden werden, selbst wenn diese komplexere genetische Ursachen haben“, prophezeit Prof. Alain Fischer vom INSERM, Frankreichs nationalem Institut für Gesundheit und medizinische Forschung, und Koordinator des EURO-PID Projekts. Titel des Projekts: EURO-PID Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Alain Fischer, Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale (Frankreich), Prof. Jean-Laurent Casanova, René-Descartes-Universität (Frankreich), Prof. C.I. Edvard Smith, Karolinska Institutet (Schweden), Prof. Luigi Daniele Notarangelo, Università degli Studi di Brescia (Italien), Prof. Adrian Trasher, University College London (Vereinigtes Königreich), Dr. Anna Villa, CNR Istituto di Tecnologie Biomediche (Italien) 3 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Physik Chemische Theorie fördert Muster in der Welt der Lebewesen zutage 1952 erklärte der britische Mathematiker Alan Turing, dass die Synergie zwischen Reaktion und Diffusion in ursprünglich gleichförmigen Chemikalienmischungen spontan zu anhaltenden räumlichen Konzentrationsmustern führen kann. Ein solcher Mechanismus könnte für gewisse Form- und Musterentwicklungen in biologischen Systemen - von der Entwicklung von Embryonen bis hin zu Mustern auf der Haut von Säugetieren und Fischen - verantwortlich sein. Der Beweis dafür, dass sich solche Muster in realen Systemen entwickeln können, sollte erst 40 Jahre später erbracht werden, als die Gemeinschaftsforschung des TURING-Projektteams diesen bereits seit langer Zeit erwarteten eindeutigen experimentellen Nachweis der Turing-Muster lieferte. Die Forscher des TURING-Projekts haben Geräte entwickelt, mit denen es möglich ist, den theoretischen Erfordernissen gerecht zu werden und Störeffekte, die frühere Ansätze scheitern ließen, zu vermeiden. Das Team füllte Tankreaktoren ständig auf und verrührte den Inhalt, um dann eine dünne Hydrogel-Platte mit dem Tankinhalt in Kontakt zu bringen. Dabei entstanden Systeme, in denen der Reaktions-Diffusions-Prozess isoliert und in bestimmter Entfernung vom Gleichgewicht gehalten werden konnte. Mittels dieser “Reaktoren des offenen Raums“ und der Wahl der geeigneten Reaktion entstand im Verlauf eines Partnertreffens von historischer Bedeutung im Dezember 1989 in Bordeaux das lang ersehnte stationäre Punktemuster. Eine Weiterführung dieser Arbeit brachte zusätzliche Gewissheit, als durch unterschiedliche experimentelle Bedingungen sowohl statische als auch dynamische Muster entstanden und daraus weitere theoretische Ansätze entwickelt werden konnten. Der nächste Schritt bestand darin, statt des Gels weiche, Spaghetti-ähnliche Stäbchen in die Lösung im Tank zu tauchen. Je nach Säuregehalt dehnten sich die Stäbchen aus oder zogen sich zusammen. “Man könnte sagen, dass wir ursprünglich mit Malerei begannen und mittlerweile zur Bildhauerei übergegangen sind. Durch die Veränderung der Form oder der Eigenschaften dieser Materialien, beispielsweise Porosität oder Oberflächenspannung, konnten wir die verschiedenen Arten von Reaktionen, die sich bei Bewegung und Form zeigen, nachahmen - so, wie sie sich in vielen lebenden Systemen abspielen“, erklärt Dr. Patrick De Kepper. Die Forschungsergebnisse des Teams sind die ersten deutlichen experimentellen Nachweise dafür, dass Turing-Muster tatsächlich in natürlichen Systemen agieren. Die Turing-Theorie, die einst unbeachtet blieb, spielt heute auf zahlreichen Gebieten – von der Biologie bis hin zur Astronomie - eine bedeutende Rolle. Die gegenwärtige Arbeit wirft nicht nur neues Licht auf die Mechanismen der biologischen Entwicklung; sie kann auch Wege zu neuen Kategorien „intelligenter“ weicher Materialien und weicher Mikroroboter eröffnen, die in flüssiger Umgebung arbeiten können. Titel des Projekts: TURING Projektteams – Kontaktpersonen: Dr. Patrick De Kepper, Centre de Recherche Paul Pascal (Frankreich), Dr. Pierre Borckmans, Université Libre de Bruxelles (Belgien) 4 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Biowissenschaften Forscher decken Geheimnisse der Zellkerne auf Tausende verschiedene Chemikalien, die Krankheiten und genetische Anomalien auslösen können, gelangen über die Nahrungsmittelkette und aus diversen anderen Quellen in den menschlichen Körper. Diese Chemikalien agieren häufig über Rezeptoren, die in den Kernen der Körperzellen zu finden sind und in zelluläre Prozesse eingreifen. Ziel der Arbeitsgemeinschaft PATHFINDER war es, die Rolle dieser Kernrezeptoren zu erfassen. Die Reaktionen der Zellen auf Kernrezeptor-Aktivatoren sind sehr komplex und spielen sich auf vielen unterschiedlichen Ebenen ab. Daher war es unverzichtbar, dass das PATHFINDER-Team zahlreiche Wissenszweige und Infrastrukturen einbezog, geeignete Tiermodelle entwickelte und modernste Methoden anwandte, um den erforderlichen Einblick zu erhalten. Die Gemeinschaftsarbeit konzentrierte sich auf die Erforschung der Biologie dreier bedeutender Kernrezeptorsysteme. Diese gehören zu einer Familie von 48 Kernrezeptoren, von denen viele erwiesenermaßen an Entwicklungsprozessen und Krankheiten maßgeblich beteiligt sind. Die drei untersuchten Systeme sind: spezielle Östrogenrezeptoren, die mit der Sexualentwicklung, aber auch der Entwicklung des Gehirns und des Immunsystems in Verbindung stehen; Schilddrüsenhormonrezeptoren, die sich auf den Stoffwechsel und die frühe Entwicklung auswirken; und Rezeptoren der Leber, die den Zwischenstoffwechsel beeinflussen und neurodegenerative Erkrankungen und Immunerkrankungen bedingen. Gemeinsam haben die Forschungspartner eine Reihe beachtenswerter Durchbrüche erzielt, beispielsweise die Bestätigung der Wechselwirkung zwischen Östrogenrezeptoren und ERR (Estrogen-receptor related) bindenden Rezeptoren. In weiterer Folge beschrieben sie die Rolle der Rezeptoren bei der Entstehung von Prostatakrebs und jene der Leber-X-Rezeptoren im Fettsäurestoffwechsel und in der Fettbildung. Im Rahmen des Projekts Pathfinder wurden wichtige Informationen erarbeitet, die zum Schutz der Bevölkerung vor einer Beeinträchtigung durch diese Kontaminanten beitragen können und durch den Nachweis der Unbedenklichkeit europäischer Lebensmittel für den Konsumenten die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken. Aber auch für die Beschreibung und Entwicklung neuer pharmazeutischer Präparate, die für die europäische Wirtschaft sehr wertvoll sein können, sind die Erkenntnisse von großer Bedeutung. Prof. Jan-Ake Gustafsson vom schwedischen Karolinska-Institut betont, dass die Arbeit des Projektteams zahlreiche neue Gemeinschaftsinitiativen ins Rollen brachte, von denen viele immer noch in Gang sind. “Die anschließende Einführung unserer Partner in dieses Projekt brachte eine kohärente und spezialisierte Gruppe hervor, die die Forschung durch bedeutende Fortschritte bei der Ergründung der Biologie und der Funktion von Kernrezeptoren wesentlich beeinflusst hat“, so der Professor. Titel des Projekts: PATHFINDER Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Jan-Ake Gustafsson, Karolinska Institutet (Schweden), Prof. Vincent Laudet, Ecole Normale Supérieure de Lyon (Frankreich), Prof. Barbara Demeneix, Centre National de la Recherche Scientifique (Frankreich), Ass. Prof. Hilde Nebb, Universität Oslo (Norwegen), Dr. Sari Mäkelä, Universität Turku (Finnland), Prof. Edison Liu, Genome Institute of Singapore (Singapur) 5 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Biowissenschaften Blinde „be-greifen“ 3-D-Grafiken Werkzeuge wie Braille-Tastaturen und Sprachsynthese-Software erleichtern heute den Sehbehinderten die Integration in die Informationsgesellschaft. Das Projekt GRAB wurde mit dem Anliegen ins Leben gerufen, Sehbehinderten ein Verständnis der Formen und Objekte der Welt der dreidimensionalen Computergrafik zu ermöglichen. Durch die Verwendung einer Benutzeroberfläche mit zwei Roboterarmen kombinierte das GRABTeam haptische (tastende) Interaktion mit Stimmen- und Ton-Rückmeldungen, um den Benutzern den Eindruck zu vermitteln, virtuelle 3D-Objekte durch das „Ertasten“ zu erforschen: entweder mit Daumen und Zeigefingerspitze einer Hand oder auch mit den Zeigefindern beider Hände. Dabei stellten die Forscher fest, dass die freiwilligen Testpersonen generell die beidhändige Methode vorzogen. Laut Koordinatorin Teresa Gutierrez von der spanischen Fundacion Labein sei dies dadurch zu begründen, “dass sie so mit der einen Hand einen Orientierungspunkt festmachen konnten, während sie die andere über das gesamten Objekt wandern lassen konnten, um dessen geometrische Form und andere Merkmale wie Größe, Gewicht, Beschaffenheit und räumliche Trennung von anderen Elementen zu bestimmen“. Während der haptischen Erforschung erhält der Benutzer gesprochene Hinweise und Tonsignale und kann mittels Stimme, durch Tippen auf das Zielobjekt oder durch Eingabe über die Computertastatur Befehle geben. Ein zusätzlicher Videobildschirm bot den Beobachtern die Möglichkeit, den Ablauf zu verfolgen und zu bewerten, wie einfach das System zu bedienen ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Forschungsarbeit bestand darin, zu bestimmen, welche Haptikund Tonsignale die beste Orientierung boten, und diejenigen zu beseitigen, die lediglich eine unnötige Ablenkung oder Verwirrung auslösten. Zum Testen des Systems verwendeten die Forscher drei Simulatoren: Ein Abenteuerspiel, bei dem sich die Benutzer in einem Haus mit vielen Räumen zurechtfinden und eine virtuelle Bombe deaktivieren müssen; ein System zur Erforschung von Grafikdaten, mittels dessen ExcelLiniendiagramme und Tortendiagramme, die über Konturen mit „magnetischer“ Anziehungskraft und über eine Sprachansage der Schlüsselwerte verfügen, mit den Fingerspitzen gelesen werden können, und ein System zur Erforschung von Landkarten, mit dessen Hilfe sich die Benutzer mit einem bestimmten Gebiet vertraut machen und vor einem geplanten Besuch die genaue Lage wichtiger Einrichtungen und Ziele bestimmen können. Zwar wäre es derzeit zu kostenaufwändig, das GRAB-System in einem Markt, der immer begrenzt bleiben wird, zu vertreiben, jedoch könnte ein jährlicher Absatz von rund 100 Einheiten, aus handelsüblichen industriellen Komponenten gefertigt, die Kosten auf rund 3000 € pro Stück senken. Die Forscher sehen beachtliche Möglichkeiten in diesem System als integrierte Plattform für die Gestaltung und Entwicklung audio-haptischer Anwendungen auf unterschiedlichen Gebieten, beispielsweise Architektur, Kunst, Luftfahrt und Medizin. Titel des Projekts: GRAB Projektteams – Kontaktpersonen: Teresa Gutierrez, Fundacion Labein, Parque Tecnologico de Bizkaia (Spanien), Dr. Carlo Alberto Avizzano, Scuola Superiore di Studi Universitari e di Perfezionamento S. Anna (Italien), Jose Luis Fernandez, CIDAT-ONCE (Spanien), Steven Tyler, Royal National Institute for the Blind (Vereinigtes Königreich), Blaithin Gallagher, National Council for the Blind of Ireland (Irland), Fiona Slevin, Haptica Ltd, Trinity Enterprise Centre (Irland) 6 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Physik Linkshändige Materialien brechen die Gesetze der Physik Das EXEL-Forschungsteam erfand und entwickelte eine neuartige Kategorie künstlicher Meta-Materialien, genannt linkshändige Materialien (LHM) oder Materialien mit negativem Brechungsindex, die viele der allgemein bekannten Eigenschaften des Lichts umkehren können. Vor rund 40 Jahren brachte Victor Veselago die Idee der Entwicklung solcher Materialien auf, die grundsätzlich in der Natur nicht existieren. Dreißig Jahre später legte der britische theoretische Physiker Sir John Pendry Entwürfe für zwei künstliche Meta-Materialien vor, die aus einem Geflecht von nicht-magnetischen metallischen Drähten beziehungsweise aus Split-RingResonatoren (SRR) bestanden und die Kriterien für Materialien mit negativem Brechungsindex erfüllten. Als Prof. David Smith und seine Kollegen SRRs und Drähte miteinander kombinierten, um die erste Struktur zu schaffen, die den experimentellen Beweis für das Vorhandensein eines negativen Brechungsindexes erbringen sollte, war der Grundstein für weitere Pionierarbeit der EXEL-Arbeitsgemeinschaft gelegt. Die am EXEL-Projekt beteiligten Forscher konnten die reale Existenz dieser Materialien sowie ihren Einklang mit den Grundgesetzen der Physik demonstrieren. “Nach der Erforschung und der Erörterung der grundlegenden physikalischen Eigenschaften sind wir zum Entwurf abgewandelter Strukturen übergegangen, die einfacher zu produzieren, kompakter und in einer Reihe von Anwendungen einsetzbar sind“, so EXEL-Koordinator Prof. Costas Soukoulis. Ein spannender Aspekt im Verhalten der Materialien mit negativem Brechungsindex ist, dass ein Block solcher Materialien als flache „Superlinse“ wirken kann. Herkömmliche gekrümmte Linsen, die divergente elektromagnetische Einfallsstrahlen an einem bestimmten Brennpunkt wieder vereinen, weisen eine bedeutende Einschränkung auf: Sie können Details, die feiner sind als die Wellenlänge der Strahlung selbst (bekannt als „Beugungsgrenze“), nicht auflösen. Das ist darauf zurückzuführen, dass sie nur die sogenannten Fernfeld-Anteile bündeln, während die NahfeldStrahlung - die innerhalb der Entfernung von rund einer Wellenlänge von ihrem Ausbreitungspunkt zerfällt - dabei verloren geht. Im Prinzip leisten Linsen aus Materialien mit negativem Brechungsindex hier Abhilfe: Sie können perfekt detaillierte Bilder von Objekten produzieren, die sich weniger als eine Wellenlänge von ihrer Oberfläche entfernt befinden. Eine Weiterentwicklung dieser Eigenschaft könnte Brennpunktgrößen von nur wenigen Nanometern zur Realität werden lassen - beinahe zwei Größenordnungen kleiner als bei gewöhnlichen Linsen. Wird dieses Ziel erreicht, kann die Menge an Informationen, die auf DVDs gespeichert werden kann, um ein Vielfaches vergrößert werden; auch bei Transistoren mit nur 10 nm könnte die optische Lithographie zum Einsatz kommen. Mit dieser Arbeit hat das EXEL-Team den Weg zur Entwicklung völlig neuer Anwendungen geebnet. Das Team hat bereits gezeigt, wie die Fokussierung von Radiowellen kleinere und leistungsfähigere Magnetresonanztomographie(MRT)-Geräte ermöglicht. Einen weiteren möglichen Nutzen bietet die Verwendung miniaturisierter Materialien mit negativem Brechungsindex zu Herstellung von Antennen und Wellenleitern, die um ein Hundertfaches kleiner und wesentlich leichter als die derzeit eingesetzten Geräte sind. Dadurch könnten Mobilkommunikationsgeräte, Luftfahrtsysteme und Geräte anderer strategischer Sektoren eine völlig neue Gestalt erhalten. Titel des Projekts: EXEL Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Costas Soukoulis, Institute of Electronic Structure and Laser, Foundation for Research and Technology (Griechenland), Prof. Ekmel Ozbay, Universität Bilkent (Türkei), Prof. John Brian Pendry, Imperial College of Science, Technology and Medicine (Vereinigtes Königreich), Prof. Martin Wegener, Universität Karlsruhe/DFG-Zentrum für funktionale Nanostrukturen (Deutschland), Prof. David R. Smith, Duke University ( USA) 7 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Sozioökonomik Neue Maßstäbe für die Messung gesellschaftlicher Veränderungen Die Untersuchung sich wandelnder gesellschaftlicher Haltungen und Werte in ganz Europa, die wesentlich für das Verstehen moderner Gesellschaften sind, ist dem, was man in einem allgemein gut dokumentierten Zeitalter erwarten kann, bisher nicht gerecht geworden. Der Lösung dieses Problems standen scheinbar unüberwindliche kulturelle, kontextuelle und methodische Hindernisse im Weg. Als Reaktion darauf gründete die European Science Federation 1995 eine Expertengruppe, um den „Sprung“ über diese Hürden zu erleichtern. Die Schlussfolgerungen daraus sollten die Grundlage der ESS-Initiative bilden, einer groß angelegten gemeinschaftlichen Arbeit zur erstmaligen Entwicklung und Validierung einer einheitlichen Methode für länderübergreifende Studien. Der Fragebogen umfasst zwei komplementäre Teile: Ein zentraler „Top-Down“-Teil befasst sich mit Veränderung und Gleichbleiben einer Reihe gesellschaftlicher und demographischer Merkmale, Gesinnungen und Verhaltensweisen - einschließlich Aspekte wie Vertrauen in die Institutionen, gesellschaftspolitische Werte, moralische und gesellschaftliche Werte, religiöse Zugehörigkeit, soziales Wohlergehen und Sicherheit sowie subjektive Lebensqualität. Ergänzt wird dieser Teil durch einen „Bottom-Up“-Teil, bestehend aus wechselnden, themenspezifischen Modulen, die in jeder Arbeitsrunde mittels Auswahlwettbewerb unter verschiedenen multinationalen Gruppen von Sozialwissenschaftlern aus der EU festgelegt werden. Dadurch ist eine vertiefende Untersuchung bestimmter jahresspezifischer Themen möglich, beispielsweise die Haltung gegenüber Immigration und Staatsbürgerschaft oder der Ausgleich zwischen Arbeit und Familie. Zusätzlich werden kontextuelle Schwankungen zwischen Ländern und einflussreiche Ereignisse, beispielsweise Wahlen oder Naturkatastrophen, erfasst, um Datenanalysten bei der Erklärung beobachteter Unterschiede zu unterstützen. “Unsere Absicht ist es, nicht nur einen kurzen Einblick in das Thema zu bieten, sondern auf der Grundlage eines Gesamtkonstrukts aus Umfragen einen einzigartigen Langzeitbericht über die Veränderung und Entwicklung in der sozialen Struktur des modernen Europas bereitzustellen“, betont Prof. Roger Jowell von der Londoner City University, die mit der Projektkoordination betraut ist. Nach erfolgreichem Abschluss der wichtigsten Vorbereitungsphasen (Erstellung der Fragebögen, Übersetzung, Durchführung der Befragungen) wurde im Herbst 2002 der erste Datensatz zusammengetragen, und im September 2003 wurden dann die Ergebnisse aus 22 Ländern publiziert. Seitdem sind die Feldforschungen der zweiten Runde im Gang, diesmal unter Beteiligung von bereits 26 Ländern. Forschern zufolge könnte der ESS einen bedeutenden Einfluss auf die europäische Regierungsführung haben. Die Initiative hat bereits gezeigt, dass eine präzise, länderübergreifende Messung der Haltung der Bevölkerung trotz enormer Hürden möglich ist. Mit dem ESS besitzt Europa erstmals eine maßgebliche und präzise Datenquelle über die Veränderung der gesellschaftlichen Werte. Diese wiederum stellt Informationen für den wissenschaftlichen und politischen Diskurs bereit und dient der EU als Mittel zur Messung des Wertewandels bei seinen Bürgern. Innerhalb von 18 Monaten nach Veröffentlichung der Daten des ersten Projektabschnitts haben bereits 6000 registrierte Benutzer begonnen, die Inhalte zu analysieren und Zeitschriftenartikel, Dissertationen und Bücher zu verfassen. Titel des Projekts: ESS Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Roger Jowell, City University (Vereinigtes Königreich), Prof. Peter Mohler, Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (Deutschland), Ineke Stoop, Sociaal en Cultureel Planbureau (Niederlande), Prof. Willem Saris, Universiteit van Amsterdam (UvA) (Niederlande), Prof. Jaak Billiet, Katholieke Universiteit Leuven (Belgien), Bjorn Henrichsen, Norwegian Social Science Data Services (Norwegen), Dr. Henk Stronkhorst, European Science Foundation (Frankreich) 8 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Physik Die Entdeckung des Heiligen Grals der Astrophysik Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, oft als 'kosmische Uhren" bezeichnet, deren Beobachtung die einzigartige Gelegenheit bietet, einige der extremsten physikalischen Bedingungen im Universum zu untersuchen. Durch gemeinsame Nutzung ihrer Ressourcen und Austausch ihrer Ergebnisse sind europäische Wissenschaftler in die vorderste Reihe dieses astronomischen Forschungsbereichs aufgestiegen. Im Jahr 2003 machten sie eine Entdeckung, die als einer der größten Fortschritte in der Astrophysik begrüßt wurde. Die Beobachtung von Pulsaren bietet die einzigartige Gelegenheit, einige der extremsten physikalischen Bedingungen des Universums zu untersuchen. Die Beobachtung erkennbarer Schwankungen bei den Pulsraten ermöglicht das Testen der Relativitätstheorien, die präzise Verfolgung der Bewegung von Pulsaren im Weltall sowie die Erforschung der Festkörperphysik superdichter Materie und vieles mehr. Da die Herstellung und der Einsatz der für die wissenschaftliche Untersuchung dieser Sterne erforderlichen technischen Ausrüstung kostenaufwändig sein kann, sind Forscher aus ganz Europa zusammengekommen, um das europäische Pulsarnetzwerk (EPN) ins Leben zu rufen. In Gemeinschaftsarbeit mit der Australian Telescope National Facility haben EPN-Mitglieder neue Instrumente und Computerprogramme erarbeitet, Beobachtungsprogramme koordiniert und ein gemeinsames Datenformat sowie eine Gesamtdatenbank für den gesamten Rückfluss von Beobachtungsinformationen entwickelt. Bereits unmittelbar nach der Gründung der Partnerschaft begann das Team, nach Pulsaren zu suchen, die bei ihren früheren Niederfrequenz-Untersuchungen nicht erkennbar waren. Innerhalb von fünf Jahren konnten die Forscher über 850 Pulsare ausfindig machen - weit mehr, als man in den vorhergehenden 30 Jahren insgesamt entdeckt hatte. Darüber hinaus brachte die intensive Suche des Teams nach Kugelsternhaufen (gravitativ gebundene Ansammlungen von rund 100 000 Sternen sehr hohen Alters, von denen es in unserer Galaxie rund 200 gibt) noch weitere bedeutende Erkenntnisse zutage, die zahlreiche Forschergruppen auf der ganzen Welt zu Untersuchungen angeregt haben. Der größte Erfolg dieser Forschungsarbeit ist zweifellos die Entdeckung des ersten Doppelpulsars. Das Vorhandensein eines derartigen Systems ist außergewöhnlich, da seine beiden Komponenten eine doppelte Supernova-Explosion überstanden haben müssen. Neben der Eröffnung weiterer spannender Perspektiven lässt diese Entdeckung erneut auf das Auffinden von Gravitationswellen hoffen, feinen Kräuselungen in der Raumzeit, die von Einstein vorhergesagt wurden. Der Doppelpulsar ist auch ein einzigartiges „Labor“ zur Untersuchung der Elektrodynamik und der Plasmaphysik unter den extremsten Bedingungen. “Unsere Arbeit erweitert das menschliche Wissen über einige die physikalischen Grundgesetze des Universums“, erklärt Prof. Andrew Lyne vom Jodrell Bank Observatory der britischen Universität Manchester. “Diese Ergebnisse sind nicht nur für heutige Wissenschaftler von Bedeutung. Sie regen auch das Interesse junger Menschen an der Astronomie, der Physik und der Grundlagenforschung an und bilden damit ein wichtiges Fundament für eine Gesellschaft, in der Wissenschaft und Forschung ein immer größerer Platz zuteil wird.“ Titel des Projekts: PULSE Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Andrew Lyne, Universität Manchester, Jodrell Bank Observatory (Vereinigtes Königreich), Prof. Nicolo D’amico, INAF Osservatorio Astronomico di Cagliari, (Italien), Dr. Axel Jessner, Max-Planck-Institut für Radioastronomie (Deutschland), Dr. Ben Stappers, ASTRON (Niederlande), Prof. Ioannis Seiradakis, Universität Thessaloniki (Griechenland) 9 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Technik Musterbildung: Mehr Daten auf Laufwerken mit extrem hoher Speicherdichte Die Speicherkapazität von Computer-Festplattenlaufwerken konnte in jüngster Zeit jährlich mehr als verdoppelt werden. Zurückzuführen ist dieser Trend auf die zunehmende Nachfrage aufgrund datenintensiver Computeranwendungen und eines wachsenden Marktes für Geräte außerhalb des PCs, beispielsweise Set-Top-Boxen, Kameras, Laserdrucker und Satelliten-Navigationssysteme. Dennoch stößt das Potential der heutigen Technologie, noch mehr digitale Informationen in immer kleinere Formate zu packen, mittlerweile an seine physikalischen Grenzen. Ziel des Projekts HIDEMAR war es, mit der Entwicklung magnetischer Speichermedien mit Nanostrukturen für hohe Aufzeichnungsdichte (200 Gbits/in2) unter Verwendung von Nanolithographie-Techniken und umweltfreundlicher chemischer Selbstorganisation von Nanopartikeln eine Lösung anzubieten. Strukturierte Medien, die aus regelmäßigen Arrays eindomäniger Nanomagneten - getrennt durch eine nichtmagnetische Matrix - bestehen, gelten weithin als der zukunftsträchtigste Weg zur Vergrößerung des Speicherplatzes. Dadurch kann nicht nur die superparamagnetische Grenze überschritten werden, bei deren Erreichen ein Medium üblicherweise instabil werden und Informationsinhalte verlieren kann - diese strukturierten Materialien bieten auch eine Reihe weiterer Vorteile: verbessertes Signal-Rausch-Verhältnis; einfachere Beschreibbarkeit sowie vollständige Kompatibilität mit der gegenwärtig verfügbaren Laufwerk-Technologie (für nanolithographische Produktionsverfahren). Für das Projekt HIDEMAR schlossen sich vier nationale Forschungsinstitute, zwei Universitäten und zwei Industrieunternehmen zu einer multidisziplinären Arbeitsgemeinschaft zusammen. Sechs EU-Mitgliedsstaaten waren insgesamt darin vertreten. Die Herausforderung, die sich den Forschern dabei stellte, bestand darin, die Materialien an sich zu verbessern und kostengünstigere industrielle Fertigungsverfahren zu entwickeln. Mit Projektende im April 2005 war es den Partnern gelungen, mittels industriellem Sputterverfahren großflächige Co/Pd-Vielfachschichten mit hoher senkrechter Anisotropie auf Speicherplatten aufzubringen. Auch bei der Entwicklung der Nanostrukturierung mit magnetischer Anisotropie (MAN), einer neuen Technik zur Musterbildung durch Ionenimplantation, konnte man beachtliche Fortschritte verzeichnen. Ziel des Projekts war die Herstellung einer Demo-Festplatte mit der gewünschten Speicherdichte, die Bewertung ihrer Leistung und die industrielle Nutzung der Ergebnisse. Das Endprodukt dieses Projekts soll den Märkten der Informationsspeichermedien, insbesondere der Plattenlaufwerkindustrie, neue Impulse verleihen. “Durch den Einsatz in Kombination mit Geräten für wärmeunterstützte Magnetspeichertechnik (HAMR) könnte es bereits in wenigen Jahren Minimedien mit Dutzenden von Terabits (ein Terabit entspricht einer Billion Dateneinheiten) pro Quadratzoll geben“, prophezeit Dr. Dino Fiorani. “Die Übernahme unserer bisherigen Ergebnisse durch die Industrie wird Europa zu einer Spitzenposition in einem zweifellos enormen Markt verhelfen.“ Titel des Projekts: HIDEMAR Projektteams – Kontaktpersonen: Dr. Dino Fiorani, Consiglio Nazionale delle Ricerche (Italien), Dr. Dimitrios Niarchos, National Centre of Scientific Research ‘Demokritos’ (Griechenland), Dr. Elizabeth Tronc, Université Pierre et Marie Curie (Frankreich), Dr. Fernando Briones, Consejo Superior de Investigaciones Cientificas (Spanien), Dr. Giancarlo Fiani, Laboratoire de Photonique et de Nanostructures (Frankreich), Prof. Josef Fidler, Technische Universität Wien (TUW) / Institut für Festkörperphysik (Österreich), Hartmut Rohrmann, Unaxis Balzers AG (Liechtenstein), Dr. Giorgio Betti, STMicroelectronics SRL (Italien) 10 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Physik Euro-afrikanische Partnerschaft nimmt 100 Jahre altes Rätsel der kosmischen Strahlung unter die Lupe Kosmische Strahlen sind hochenergetische Teilchen, die im Weltall entstehen und durch verschiedene Prozesse nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Hochenergetische Gammastrahlen sind Nebenprodukte dieser kosmischen Teilchenbeschleunigung, die sich in geraden Linien quer durch das Universum fortpflanzen und schließlich wieder ihre Quelle ansteuern. Bis vor kurzem konnten aufgrund mangelnder technischer Ausrüstung nur wenige Beschleunigungsorte ausfindig gemacht werden, und ein noch geringerer Anteil wurde umfassend untersucht. Das Projekt H.E.S.S., zu dem eine große Arbeitsgemeinschaft von Forschungspartnern aus europäischen und afrikanischen Ländern zusammengekommen ist, wurde 1998 ins Leben gerufen, um diese Wissenslücke zu füllen. Der Schwerpunkt der Forschungsarbeit bestand darin, ausgehend von bewährter Technologie und etablierten Ansätzen ein leistungsfähiges neues Mehrfach-Teleskopsystem zu entwerfen. Mittels dieses Systems konnten die extremsten Objekte des Universums unter die Lupe genommen werden. Die H.E.S.S.-Installation umfasst vier abbildende atmosphärische Cherenkov-Teleskope (IACT), die auf einem Plateau in Namibia, Afrika, in 1800 m Höhe über dem Meeresspiegel aufgestellt wurden. An diesem Ort ist der Himmel klar und frei von Niederschlägen und Lichtverschmutzung ein idealer Rahmen für die Himmelsbeobachtung. Darüber hinaus bietet seine Lage auf der südlichen Erdhalbkugel den Forschern Ausblick auf das Zentrum der Galaxie. Mitte des Jahres 2005 hatte das H.E.S.S.-Team bereits 24 höchstenergetische Gammastrahlenquellen ausfindig gemacht. Kaum mehr als ein Jahr davor war lediglich die Existenz von sechs derartigen Objekten bekannt. 20 der als Gammastrahlenquellen bestätigten Orte sind Neuentdeckungen, und einige bilden möglicherweise eine neue Kategorie von Beschleunigern kosmischer Strahlen. Durch die Ergebnisse dieses Projekts wurde ein völlig neues Verständnis unseres Universums, so, wie es durch Gammastrahlenerfassung beobachtbar ist, geschaffen. Erstmals wurden Gammastrahlenbilder von astronomischen Objekten erstellt und die ersten Aufnahmen eines weitläufigen Gebiets rund um das Zentrum unserer Galaxie gemacht. “Angesichts der bislang hohen Erfolgsquote kann man auch kϋnftig mit einer Fülle an neuen physikalischen Erkenntnissen rechnen. Die H.E.S.S.-Zusammenarbeit verhilft den EU-Astronomen zu einer weltweit führenden Position; so werden sie auch die Früchte dieses Erfolgs ernten können“, erklärt Heinrich Völk, Direktor Emeritus am Max-Planck-Institut für Kernphysik, einer der wissenschaftlichen Initiatoren der Zusammenarbeit. Titel des Projekts: H.E.S.S. Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Stavros Katsanevas, Centre National de la Recherche Scientifique (Frankreich), Dr. Michael Punch, Institut National de Physique Nucléaire et de Physique des Particules (Frankreich), Prof. Werner Hofmann, Max-Planck-Institut für Kemphysik (Deutschland), Dr. Paula Chadwick, University of Durham (Vereinigtes Königreich), Prof. Thomas Lohse, Humboldt-Universität zu Berlin (Deutschland), Dr. Philippe Goret, Commissariat à l'Energie Atomique, Centre de Saclay (Frankreich), Prof. Goetz Heinzelmann, Universität Hamburg (Deutschland), Prof. Stefan Wagner, Universität Heidelberg (Deutschland), Dr. Hélène Sol, Institut National des Sciences de l'Univers (Frankreich), Prof. Reinhard Schlickeiser, Ruhr-Universität Bochum (Deutschland), Prof. Luke O'Connor Drury, Dublin Institute for Advanced Studies (Irland), Prof. Ladislav Rob, Institute of Particule and Nuclear Physics, Karls- Universität (Tschechische Republik), Prof. Ocker Comelis de Jager, North-West University (Südafrika) 11 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Sozioökonomik Was macht einen Europäer zu einem Europäer? Zu ergründen, ob es eine gemeinsame Auffassung über die europäische Identität gibt oder nicht, und falls ja, wie sich die Veränderung der Europäischen Union auf diese Identität auswirkt, wird ein wesentlicher Teil der Aufzeichnung der Demokratieentwicklung in diesem Erdteil sein. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, wurde 2002 eine spezielle Studiengruppe mit dem Namen IRICE (Identitäten, Internationale Beziehungen und Zivilisationen Europas) gegründet. Mit dem Projekt IDEE möchte die Gruppe, deren Forschungspartner 14 europäische Länder vertreten, die Zusammenhänge zwischen nationaler und europäischer Identität sowie dem Demokratisierungsprozess in Europa untersuchen, insbesondere, ob im Kontext der europäischen Integration ein neues Gleichgewicht im Entstehen begriffen ist. In früheren Arbeiten hatte das Forschungsnetzwerk erkannt, dass es eine „alte“ europäische Identität gab, die mit dem Gefühl der Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Kultur verbunden war. Diese Gefühle führten jedoch nicht zwangsläufig zu einer politischen Einheit. Das europäische Bewusstsein wurde als eine bedeutendere und weitaus jüngere Entwicklung betrachtet, die aus Erkenntnissen infolge der beiden Weltkriege erwuchs. Dieses Bewusstsein spielte im anschließenden europäischen Integrationsprozess eine wesentliche Rolle. Die “europäische Gesinnung” oder der “europäische Patriotismus”, beruhend auf Emotionen, blieb schwach und war weniger emotional behaftet, als es bei Gefühlen der nationalen Identität üblich ist. Mit dem Gefühl, zur Europäischen Gemeinschaft (1958-1992) bzw. zur Europäischen Union (ab 1992) zu gehören, war eine neue politische Identität geboren. Diese Identität jedoch brachte wiederum ihre speziellen praktischen Probleme in Bezug auf Entscheidungsprozesse mit sich. An die Stelle des klassischen Machtgleichgewichts zwischen Staaten trat ein Machtgleichgewicht zwischen den Institutionen. Dieses neue Gleichgewicht jedoch ist zerbrechlich und schürt einen Konkurrenzkampf zwischen den Bürgern. Was die - vorwiegend kleineren - Angelegenheiten auf nationaler Ebene angeht, so haben die einzelnen Bürger viel Macht, auf europäischer Ebene hingegen, wo über bedeutende Dinge entschieden wird, haben sie nur wenig Einfluss. Diese Situation, so wird es aus der Studie erkennbar, könnte im europäischen Demokratiesystem eine Krise verursachen. Allerdings könnte eine solche Krise auch ein neues europäisches Bewusstsein fördern, ein Bedürfnis nach der Etablierung von stabileren Institutionen auf europäischer Ebene und damit von mehr Demokratie. Die Beobachtungen der Gruppe zeigen Einflüsse auf, die die Bürger beim Versuch, ihre Staatszugehörigkeit mit dem Begriff einer „Europäität“ zu vereinbaren, in ein Dilemma bringen können. Ihre jüngste Untersuchung hat folgendes Paradox zutage gefördert: Im Vergleich zu früheren Zeiten, als man noch von einer Vereinigung träumte, ist das Gefühl der europäischen Identität während des Aufbaus der Europäischen Gemeinschaft zurückgegangen. Zudem folgerte man, dass während der Phase der europäischen Integration das Bewusstsein einer Mehrfachidentität entstanden ist. Ein neues Gleichgewicht ist an die Stelle des einstigen Konflikts zwischen nationaler und europäischer Identität getreten. Seit 2000 haben die IDEE-Teilnehmer 14 gemeinsame Bücher verfasst. Ihre Erkenntnisse sind eine wichtige Quelle zuverlässiger Informationen zu wichtigen Themen, die das Verstehen der europäischen Integration erleichtern und dürften für Experten, Journalisten, Staatsbedienstete und Politiker, die sich für europäische Angelegenheiten interessieren, von Bedeutung sein. Titel des Projekts: IDEE Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Robert Frank, Unité Mixte de Recherche "Identités, Relations Internationales et Civilisations de l'Europe" (Frankreich), Prof. Hartmut Kaelble, Humboldt Universität, Berlin (Deutschland) 12 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Biowissenschaften Blocker entzündlicher Zellen wenden Krankheiten ab Chronisch entzündliche Erkrankungen sind Krankheiten, die zur Entwicklung anhaltender oder häufig wiederkehrender Entzündungen in verschiedenen Bereichen des Körpers führen. Dazu gehören beispielsweise Arthritis, Lupus (eine Krankheit, bei der der Körper die eigenen Gewebe angreift), oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Die Untersuchung dieser Krankheiten und die Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten ist für unsere Gesellschaft von großer Bedeutung. Das PITCID-Forschungsteam entwickelte einen neuen Ansatz zur Behandlung dieser Krankheitstypen, der auf der Identifikation und Neutralisation der Enzyme der PI3-Kinase-Familie beruht – Proteine, die die Zellen des Körpers aktiv werden lassen. Es ist bekannt, dass diese Enzyme an der Entwicklung von entzündlichen Erkrankungen beteiligt sind. Erreichen diese Erkrankungen ein bestimmtes Stadium, werden die weißen Blutkörperchen, die üblicherweise Bakterien im Körper zerstören, übermäßig aktiviert und greifen die körpereigenen Gewebe an. Frühere Forschungsarbeit hat bereits gezeigt, dass PI3-Kinasen im Krankheitsverlauf eine maßgebliche Rolle spielen können. Heute weiß man, dass diese Enzyme an zahlreichen zellulären Prozessen beteiligt sind. Sie verursachen nicht nur entzündliche und allergische Erkrankungen; auch bei der Herzfunktion sind sie involviert. Die Forscher haben herausgefunden, dass durch die Ausschaltung des Gens, das die PI3-Kinase bildet, eine Abschwächung der Entzündungsreaktion erreicht werden kann. “Unsere Überlegung war folgende: Wenn wir durch Deaktivierung der PI3-Kinase die Zellmigration zum Zielgewebe blockieren können, so könnte dies ausreichen, um Entzündungen zu verhindern“, so Prof. Wymann. “Wäre diese Annahme richtig, so hätten wir ein mögliches Mittel gegen chronisch entzündliche und Autoimmunerkrankungen wie Asthma, rheumatoide Arthritis, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Arteriosklerose, chronisch entzündliche Darmerkrankung, multiple Sklerose und noch weitere gefunden.“ Im Rahmen des Projektes wurden ein umfangreicher Bestand an biologischen Daten sowie kleine Moleküle als Inhibitoren geschaffen, die in Modellen von rheumatoider Arthritis und Lupus erfolgreich getestet wurden. Darüber hinaus wurden durch die Arbeit des Forschungsteams neue Zielmoleküle für pharmakologische Wirkstoffe gegen entzündliche, allergische, Herz-Gefäß- und Autoimmunerkrankungen validiert. “Angesichts der ernormen Auswirkungen chronisch entzündlicher Erkrankungen in Bezug auf menschliches Leiden und wirtschaftliche Kosten ist deren Minderung ein vorrangiges Anliegen der Ärzteschaft“, betont PITCID-Projektleiter Matthias Wymann, Professor an der Schweizer Universität Basel. Eine große Herausforderung besteht jedoch darin, effiziente Medikamente ohne unerwünschte Nebenwirkungen zu entwickeln. Pharmakonzerne haben Interesse an den publizierten Daten des Projekts gezeigt, und Forscher aus ganz Europa arbeiten derzeit an der Umwandlung der Ergebnisse des PITCID-Projekts in handelsfähige Produkte. Titel des Projekts: PITCID Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Matthias P. Wymann, Universität Basel (Schweiz), Prof. Reinhard Wetzker, Klinikum der Universität Jena (Deutschland), Prof. Emilio Hirsch, Dipartimento di Genetica, Biologia e Biochimica (Italien), Prof. Bart Vanhaesebroeck, Ludwig Institute for Cancer Research (Vereinigtes Königreich), Dr. Christian Rommel, Serono Pharmaceutical Research Institute, Serono International S.A. (Schweiz), Prof. Ana C. Carrera, Consejo Superior de Investigaciones Cientificas (CSIC) (Spanien) 13 Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005 Forschungsgebiet: Technik Klebstoffe auf Rindenbasis für gesünderes Wohnen In Westeuropa werden gegenwärtig rund 3,2 Millionen Tonnen Klebstoffe für die Fertigung von Holzplatten verbraucht. Die im Produktionsprozess verwendeten synthetischen Materialien, in erster Linie Formaldehyd, können jedoch die Gesundheit beeinträchtigen. Natürliche Tannine, die aus Baumrinde gewonnen und mit Formaldehyd ausgehärtet werden, können zwar als äußerst wirksame Klebstoffe dienen, aber als unreagierte Rückstände in den fertigen Platten vorhanden bleiben und so deren Attraktivität für den Markt beeinträchtigen. Das Projekt TANNIN-KLEBSTOFFE hat eine Reihe von Entdeckungen in Bezug auf die Reaktion dieser natürlichen Tannine mit den verschiedensten Vernetzern ergeben. Die Wissenschaftler haben neue chemische Vorgänge aufgezeigt, die nicht nur den Verzicht auf Formaldehyd als einem der wichtigsten Stoffe zur Erzeugung einer chemischen Reaktion ermöglichen, sondern auch dessen Entstehung als sekundärem Nebenprodukt verhindern. Den ersten Durchbruch verzeichnete die dreiköpfige Partnerschaft mit dem Nachweis, dass Tannin ohne Zusatz von Formaldehyd oder einem anderen Aldehyd beim Vorhandensein katalytischer Mengen an gelöster Kieselsäure oder an Silikaten polymerisiert. Dazu kommt, dass diese Reaktion sehr rasch erfolgte und damit erhöhte Produktivität und ein besseres wirtschaftliches Potential ermöglicht. Da die Tanninreaktion je nach Baumart, aus der es gewonnen wird, unterschiedlich ist, wurde durch das katalysierte Verfahren die Herstellung von Platten ermöglicht, die über die aktuellen Standards für den Innenbereich hinausgehen. Bei anderen Tanninen reichte die katalytische Wirkung der Zellulose aus Holzfasern selbst aus, um eine Tannin-Polymerisation auszulösen und damit ausreichend Haftfestigkeit bei Holzbrettern für den Innenbereich zu gewährleisten. Ein dritter Vorgang, der von der Arbeitsgemeinschaft gezeigt wurde, war der Einsatz von Hexamethylentetramin (Hexamin) als Härter. Wenngleich sich hierbei unter bestimmten Umständen als Zwischenprodukt der Reaktion Formaldehyd bilden kann, konnten die Partner beweisen, dass dies bei den schnellhärtenden Tanninen nicht der Fall ist. Dem Team ist es zwar gelungen, zu beweisen, dass die von ihm entwickelten Verfahren umweltfreundlich und für Europa wirtschaftlich praktikabel sind, dennoch konnten sie zunächst keinen Plattenhersteller zum Verzicht auf die etablierten Herstellungspraktiken bewegen. Ein japanisches Unternehmen war angesichts einer strengen nationalen Gesetzgebung, die den Einsatz von Formaldehyd praktisch verbietet, zu einer Partnerschaft bereit – und ebnete damit den Weg zur Veränderung. Das TANNIN ADHESIVES-Team stellte dem Unternehmen die TanninHexamin-Klebstofftechnologie zur Verfügung. Diese ließen in den Presszyklus zusätzlich ein Dampfinjektionsverfahren einfließen. Die Maschine, die aus dieser „Paarung“ entstanden ist, wird derzeit bereits vermarktet. Weitere Unternehmen sind diesem Beispiel gefolgt – unter anderem das größte japanische Bauunternehmen, das jährlich unter Verwendung von Platten, hergestellt mit Tannin aus Italien, 10 000 Häuser errichtet. Aber auch ein großer schwedischer Möbelhersteller und ein bedeutendes Papier- und Zellstoffunternehmen errichten derzeit eine neue Produktionsstätte - wenngleich ohne Verwendung der Dampfinjektion. Das für die Fertigungsprozesse benötigte Tannin soll aus der Rinde lokaler Fichtenbestände gewonnen werden. “Der Mehrwert, der sich aus dem Einsatz von Tannin ergibt, wird einen Anreiz für die Gründung kleiner Unternehmen in ländlichen Regionen bieten; die verbrauchte Rinde kann hier als Mulch weiterverkauft oder zur Energiegewinnung verbrannt werden. Die umweltfreundliche Beschaffenheit der Endprodukte wird einen vermehrten Einsatz erneuerbarer Materialien im Bausektor bewirken - und die Familien können sich in einer gesünderen Wohnumgebung beruhigt zurücklehnen“, so TANNIN ADHESIVES-Koordinator Prof. Antonio Pizzi. 14 Titel des Projekts: TANNIN-KLEBSTOFFE Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Antonio Pizzi, Ecole Nationale Superieure des Technologies des Industries du Bois (Frankreich), Dr. Frederic Pichelin, Hochschule für Architektur, Bau und Holz (Schweiz), Dr. Gianpaolo Benevento, Silvachimica S.r.l (Italien), Dr. Masafumi Nakatani, Sekisui Chemical Co (Japan) 15