Nominiert für den EU-Descartes

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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Biowissenschaften
Genetikdetektive spüren Krebsursachen auf
Bis zu 50% der Krebserkrankungen sind durch ererbte genetische Defekte bedingt. In
anderen Fällen wiederum verändern sich Gene aufgrund von Tumorwachstum. Diese
beiden Szenarien zu erkennen ist üblicherweise ein erster Schritt zur Erforschung des
Ablaufs, aber auch der Entstehungsweise dieser Krankheiten. Die Forscher des Projekts
CANCERGENES haben beide Phänomene untersucht und die Entschlüsselung und das
Klonen von Krebsgenen weiter vorangetrieben. Beispielsweise wurde ein neues Gen
entdeckt, das Aufschluss darüber geben könnte, ob jemand zur Erkrankung an Darmkrebs
neigt.
Die Gemeinschaftsarbeit der Forscher umfasste die Identifikation dieses Gens, die klinische
Untersuchung von Risikofamilien und Einzelpatienten, ergänzt durch Gewebeanalysen,
mathematische Modellierung und Entwicklung von Krankheitsmodellen. Neben weiteren
Errungenschaften hat ihre Arbeit zur Beschreibung von fünf oder sechs der insgesamt 80 bislang
bekannten Prädispositionsgenen beigetragen.
Der erste Erfolg des Projekts zeigte sich mit der Entschlüsselung und dem Klonen der für zwei
Krankheiten – das Peutz-Jeghers-Syndrom und die Juvenile Polyposis (gutartige Polypen) –
verantwortliche Gene, die in weiterer Folge Kolorektalkarzinome oder andere Krebsarten
verursachen. Die an diesen Erkrankungen beteiligten Gene spielen bei vielen Tumorarten eine
wesentliche Rolle. Die Forschungspartner entschlüsselten und identifizierten das für das erblich
bedingte Syndrom der Leiomyomatose mit Nierenzellkarzinomen (HLRCC) verantwortliche Gen.
Durch diese Untersuchungen konnten die Forscher eine bislang unbekannte Verbindung zwischen
mangelhafter Energieproduktion und der Bildung von Tumoren aufzeigen. Darüber hinaus haben
sie die klinischen und molekularen Merkmale des Darmkrebses beschrieben und umfangreiche
Arbeit bei der Identifikation der genetischen Pfade zur Entstehung von sporadischen
Kolorektalkarzinomen geleistet.
Die Erkenntnisse dieses Projekts sind für die Bewertung von Risiken und zur Prävention von
Krebs von besonderer Bedeutung. Unmittelbaren Nutzen bietet das Projekt CANCERGENES
durch die Möglichkeit, Patienten und Familien mit der Veranlagung zu Krebserkrankungen zu
testen, um ihre Krankheiten zu klassifizieren und ihr Risiko zu bewerten. Durch die
Gegenüberstellung der Krankheitsgeschichte einer Familie und der Veränderungen bei einem
speziellen Gen können Risikobewertungen auf der Grundlage molekularer Daten durchgeführt
werden, die zuverlässiger sind als klinische Erkenntnisse allein. Somit können ScreeningProgramme besser individuell angepasst werden und Personen, die die veränderten Gene nicht
geerbt haben, können unnötige Sorgen erspart werden.
„Genetische Analysen können auch einen beachtlichen allgemeinen Einblick in die Mechanismen
der Tumorentwicklung bieten, woraufhin mittels Studien die funktionellen Auswirkungen
genetischer Veränderungen bestimmt werden können. Wir selbst haben solche Studien
durchgeführt, aber es gibt noch genügend Perspektiven für andere, unsere Erkenntnisse zu
erweitern. Dies ist unverzichtbar, wenn wir ein umfassenderes Verständnis der Tumorentstehung
erhalten und therapeutische Strategien gegen die Zielgene, die wir identifiziert haben, entwickeln
wollen“, so Prof. Ian Tomlinson vom London Research Institute.
Titel des Projekts: CANCERGENES
Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Ian Tomlinson, London Research Institute, Cancer
Research UK (Vereinigtes Königreich), Prof. Lauri Antti Aaltonen, University of Helsinki (Finnland)
Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Geowissenschaften
Sammeln kalter Fakten zu einem heißen Thema
Die Arktis ist eine einzigartige Region, die im globalen Klimasystem eine Schlüsselrolle
spielt. Derzeit wird darüber diskutiert, ob die fortschreitende Erhöhung der bodennahen
Lufttemperatur und das Schwinden der Eisdecke auf einen natürlichen Zyklus oder auf die
durch menschliches Wirken verursachte Zunahme an Treibhausgasen zurückzuführen
sind. Setzt sich dieser Trend fort, was auch immer die Ursache sein mag, würde sich dies
maßgeblich auf das stark maritim beeinflusste Klima in Europa auswirken. Aus diesem
Grund wurde ein hohes Maß an Arbeitsaufwand und an finanziellen Mitteln aufgebracht, um
die dieser Entwicklung zugrunde liegenden Phänomene zu untersuchen. Im Rahmen des
Projekts CECA wurden im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts zahlreiche interdisziplinäre
Forschungsaktivitäten durchgeführt, die sich mit Umweltproblemen europaweiten
Ausmaßes befassten.
Die CECA-Arbeitsgemeinschaft, die norwegische und deutsche Institute umfasste, arbeitete eng
mit einem russischen Partner zusammen. Dadurch erhielt das Team Zugang zu Daten über
arktische Gebiete, die bislang für europäische Forscher nicht verfügbar waren. Die
wissenschaftlichen Ziele der Forscherteams konzentrierten sich auf eine systematische und
ganzheitliche Analyse diverser Beobachtungs- und Modelldatenbestände. Durch eine Kombination
von Beobachtungen vor Ort, Satellitenerkundung und Computermodellierung konnten die Forscher
wissenschaftliche Durchbrüche und neuartige Erkenntnisse erzielen, die unser Verstehen
zahlreicher Aspekte des arktischen Klimasystems und seines Einflusses auf den europäischen
Kontinent fördern. Darüber hinaus erforschte das Team den Einfluss vermehrter Treibhausgase
auf die natürlichen Schwankungen des Wettersystems in der nordatlantischen und der arktischen
Region, aber auch die Wechselwirkung mit diesen.
Das CECA-Konsortium hat zahlreiche potentielle menschliche und sozioökonomische Folgen des
- heute unbestrittenen - Schwunds der arktischen Meereisdecke erkannt, die nicht ausschließlich
negativer Art sind. Dazu zählen:
 Minderung der Sonnenreflexion durch das Eis,
 die Tatsache, dass riesige Gebiete dem kalten, offenen Wasser des arktischen Ozeans
ausgesetzt sind,
 Veränderungen des Verlaufs und der Ausbreitung von Schmelzwasser,
 weitreichende Veränderungen des maritimen Ökosystems,
 mildere Klimabedingungen in Höhenlagen und
 Verlängerung der eisfreien Periode bestimmter Wassergebiete und damit die Verkürzung
der Reisen über den Ozean
“Wir müssen unser Verstehen, die Messung und die Prognose der räumlichen Verteilung, der
zeitlichen Entwicklung und der biogeochemischen Konsequenzen der durch den Mensch
verursachten Verschmutzung - einschließlich jener, die durch nukleare Rückstände bedingt ist noch verbessern. Dazu wird die weitere Verwendung und die Verfeinerung der integrierten
Methodik des Beobachtens und des numerischen Modellierens, die wir im Rahmen des CECA
erprobt haben, erforderlich sein“, so Prof. Ola M. Johannessen vom Nansen Environmental and
Remote Sensing Centre (NERSC) und dem geophysischen Institut der Universität Bergen.
Titel des Projekts: CECA
Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Ola M.Johannessen, Nansen Environmental and
Remote Sensing Centre (Norwegen), Prof. Lennart Bengtsson, Max-Planck-Institut für
Meteorologie, (Deutschland), Dr. Leonid Bobylev, Nansen International Environmental and
Remote Sensing Centre (Russland)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Biowissenschaften
Studien über das Immunsystem versprechen Heilung für Krankheiten
Das Projekt EURO-PID konzentrierte sich auf eine Gruppe von über 130 seltenen, genetisch
bedingten Krankheiten, die unter der Bezeichnung „primäre Immundefekte“ (PID) bekannt
sind. PIDs verursachen bei den Betroffenen, vorwiegend Kindern, eine Neigung zu
Infektionen, zur Vermehrung von Lymphzellen sowie Autoimmunstörungen. Die
Untersuchung von PIDs ist äußerst schwierig, da sie sehr selten auftreten. Das erschwert
das Sammeln geeigneter Daten bzw. die Kontaktaufnahme mit einer ausreichenden Zahl
der weit verstreuten Betroffenen, um eine aussagekräftige Probe für Analysen und Tests zu
erhalten. Im Rahmen dieses Projekts kombinierte eine Arbeitsgemeinschaft von sieben
europäischen Forschungsteams klinische Immunologie mit wissenschaftlichen
Grundlagenstudien, um diese Schwierigkeiten zu überwinden und die molekularen
Mechanismen, die bestimmten Erkrankungen zugrunde liegen, zu begreifen.
Die Arbeit der Forscher konzentrierte sich auf sechs Schwerpunktbereiche: Erforschung der
Entstehungsprozesse und der Entwicklungsdefekte bei T-Lymphozyten, Zellen, die maßgeblichst
bei der Bekämpfung schwerer Krankheiten beteiligt sind, insbesondere jener, die durch Viren
verursacht werden; Analyse der Entstehung von Defekten, die die Funktionsweise der BLymphozyten, nämlich die Produktion von Antikörpern, beeinträchtigen; Identifikation molekularer
Defekte in Phagozyten, die eine angeborene Immunität gegen Bakterien gewährleisten und
abgestorbene Zellen beseitigen; Untersuchung der Zerstörungsprozesse infizierter und tumoröser
Zellen durch T- und NK-Lymphozyten (natürliche Killerzellen) und deren Ursachen; Bestimmung
des Charakters ererbter und erworbener Defekte im Apoptoseprozess, der ein Absterben
überschüssiger oder fehlgesteuerter Lymphozyten bewirkt (ein Versagen dieses Mechanismus
liegt den Autoimmunerkrankungen zugrunde); Erforschung der Gentherapie als Grundlage für
neue Behandlungsformen bei lebensbedrohlichen Immunstörungen.
Nach jahrelanger Forschungsarbeit ist es den Partnern schließlich gelungen, eine
vielversprechende Gentherapie für einen Typus schwerer kombinierter Immundefizienz (SCID) zu
entwickeln. Darüber hinaus konnte bei einer Gruppe von 17 Patienten, die alle an dieser
Erkrankung litten, eine klinische Studie durchgeführt werden. Diese Bemühungen förderten eine
Fülle an Informationen darüber zutage, inwieweit sich die Zellen des Immunsystems voneinander
unterscheiden, aber auch wie sie ihre speziellen Funktionen erfüllen und die Immunantwort
steuern. Im Verlauf des Fünfjahresprojekts beschrieben die EURO-PID-Forscher ferner Defekte
bei 20 wichtigen Schutzgenen.
Laut Einschätzung der Forscher werden die Erkenntnisse des Projekts den Patienten weiterhin
durch die Entwicklung neuer diagnostischer, prognostischer und therapeutischer Werkzeuge von
Nutzen sein. Zweites Ziel des Forscherteams ist es, auf ihrer Erfahrung weiter aufzubauen und in
der kommenden Zeit an der Entwicklung sicherer Vektoren für Gentransfer-Behandlungen bei
weiteren ähnlichen Erkrankungen zu arbeiten. Für die nächsten Jahre ist bereits die Untersuchung
von mindestens drei weiteren PIDs geplant. “Ich bin überzeugt, dass unsere Erkenntnisse
langfristig den Grundstock für Strategien zur Milderung und Heilung vieler weiterer häufiger
Erkrankungen bilden werden, selbst wenn diese komplexere genetische Ursachen haben“,
prophezeit Prof. Alain Fischer vom INSERM, Frankreichs nationalem Institut für Gesundheit und
medizinische Forschung, und Koordinator des EURO-PID Projekts.
Titel des Projekts: EURO-PID
Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Alain Fischer, Institut National de la Santé et de la
Recherche Médicale (Frankreich), Prof. Jean-Laurent Casanova, René-Descartes-Universität
(Frankreich), Prof. C.I. Edvard Smith, Karolinska Institutet (Schweden), Prof. Luigi Daniele
Notarangelo, Università degli Studi di Brescia (Italien), Prof. Adrian Trasher, University College
London (Vereinigtes Königreich), Dr. Anna Villa, CNR Istituto di Tecnologie Biomediche (Italien)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Physik
Chemische Theorie fördert Muster in der Welt der
Lebewesen zutage
1952 erklärte der britische Mathematiker Alan Turing, dass die Synergie zwischen Reaktion
und Diffusion in ursprünglich gleichförmigen Chemikalienmischungen spontan zu
anhaltenden räumlichen Konzentrationsmustern führen kann. Ein solcher Mechanismus
könnte für gewisse Form- und Musterentwicklungen in biologischen Systemen - von der
Entwicklung von Embryonen bis hin zu Mustern auf der Haut von Säugetieren und Fischen
- verantwortlich sein. Der Beweis dafür, dass sich solche Muster in realen Systemen
entwickeln können, sollte erst 40 Jahre später erbracht werden, als die
Gemeinschaftsforschung des TURING-Projektteams diesen bereits seit langer Zeit
erwarteten eindeutigen experimentellen Nachweis der Turing-Muster lieferte.
Die Forscher des TURING-Projekts haben Geräte entwickelt, mit denen es möglich ist, den
theoretischen Erfordernissen gerecht zu werden und Störeffekte, die frühere Ansätze scheitern
ließen, zu vermeiden. Das Team füllte Tankreaktoren ständig auf und verrührte den Inhalt, um
dann eine dünne Hydrogel-Platte mit dem Tankinhalt in Kontakt zu bringen. Dabei entstanden
Systeme, in denen der Reaktions-Diffusions-Prozess isoliert und in bestimmter Entfernung vom
Gleichgewicht gehalten werden konnte. Mittels dieser “Reaktoren des offenen Raums“ und der
Wahl der geeigneten Reaktion entstand im Verlauf eines Partnertreffens von historischer
Bedeutung im Dezember 1989 in Bordeaux das lang ersehnte stationäre Punktemuster. Eine
Weiterführung dieser Arbeit brachte zusätzliche Gewissheit, als durch unterschiedliche
experimentelle Bedingungen sowohl statische als auch dynamische Muster entstanden und
daraus weitere theoretische Ansätze entwickelt werden konnten.
Der nächste Schritt bestand darin, statt des Gels weiche, Spaghetti-ähnliche Stäbchen in die
Lösung im Tank zu tauchen. Je nach Säuregehalt dehnten sich die Stäbchen aus oder zogen sich
zusammen. “Man könnte sagen, dass wir ursprünglich mit Malerei begannen und mittlerweile zur
Bildhauerei übergegangen sind. Durch die Veränderung der Form oder der Eigenschaften dieser
Materialien, beispielsweise Porosität oder Oberflächenspannung, konnten wir die verschiedenen
Arten von Reaktionen, die sich bei Bewegung und Form zeigen, nachahmen - so, wie sie sich in
vielen lebenden Systemen abspielen“, erklärt Dr. Patrick De Kepper. Die Forschungsergebnisse
des Teams sind die ersten deutlichen experimentellen Nachweise dafür, dass Turing-Muster
tatsächlich in natürlichen Systemen agieren.
Die Turing-Theorie, die einst unbeachtet blieb, spielt heute auf zahlreichen Gebieten – von der
Biologie bis hin zur Astronomie - eine bedeutende Rolle. Die gegenwärtige Arbeit wirft nicht nur
neues Licht auf die Mechanismen der biologischen Entwicklung; sie kann auch Wege zu neuen
Kategorien „intelligenter“ weicher Materialien und weicher Mikroroboter eröffnen, die in flüssiger
Umgebung arbeiten können.
Titel des Projekts: TURING
Projektteams – Kontaktpersonen: Dr. Patrick De Kepper, Centre de Recherche Paul Pascal
(Frankreich), Dr. Pierre Borckmans, Université Libre de Bruxelles (Belgien)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Biowissenschaften
Forscher decken Geheimnisse der Zellkerne auf
Tausende verschiedene Chemikalien, die Krankheiten und genetische Anomalien auslösen
können, gelangen über die Nahrungsmittelkette und aus diversen anderen Quellen in den
menschlichen Körper. Diese Chemikalien agieren häufig über Rezeptoren, die in den
Kernen der Körperzellen zu finden sind und in zelluläre Prozesse eingreifen. Ziel der
Arbeitsgemeinschaft PATHFINDER war es, die Rolle dieser Kernrezeptoren zu erfassen.
Die Reaktionen der Zellen auf Kernrezeptor-Aktivatoren sind sehr komplex und spielen sich auf
vielen unterschiedlichen Ebenen ab. Daher war es unverzichtbar, dass das PATHFINDER-Team
zahlreiche Wissenszweige und Infrastrukturen einbezog, geeignete Tiermodelle entwickelte und
modernste Methoden anwandte, um den erforderlichen Einblick zu erhalten.
Die Gemeinschaftsarbeit konzentrierte sich auf die Erforschung der Biologie dreier bedeutender
Kernrezeptorsysteme. Diese gehören zu einer Familie von 48 Kernrezeptoren, von denen viele
erwiesenermaßen an Entwicklungsprozessen und Krankheiten maßgeblich beteiligt sind. Die drei
untersuchten Systeme sind:
 spezielle Östrogenrezeptoren, die mit der Sexualentwicklung, aber auch der Entwicklung
des Gehirns und des Immunsystems in Verbindung stehen;
 Schilddrüsenhormonrezeptoren, die sich auf den Stoffwechsel und die frühe Entwicklung
auswirken; und
 Rezeptoren der Leber, die den Zwischenstoffwechsel beeinflussen und neurodegenerative
Erkrankungen und Immunerkrankungen bedingen.
Gemeinsam haben die Forschungspartner eine Reihe beachtenswerter Durchbrüche erzielt,
beispielsweise die Bestätigung der Wechselwirkung zwischen Östrogenrezeptoren und ERR
(Estrogen-receptor related) bindenden Rezeptoren. In weiterer Folge beschrieben sie die Rolle der
Rezeptoren bei der Entstehung von Prostatakrebs und jene der Leber-X-Rezeptoren im
Fettsäurestoffwechsel und in der Fettbildung.
Im Rahmen des Projekts Pathfinder wurden wichtige Informationen erarbeitet, die zum Schutz der
Bevölkerung vor einer Beeinträchtigung durch diese Kontaminanten beitragen können und durch
den Nachweis der Unbedenklichkeit europäischer Lebensmittel für den Konsumenten die
Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken.
Aber auch für die Beschreibung und Entwicklung neuer pharmazeutischer Präparate, die für die
europäische Wirtschaft sehr wertvoll sein können, sind die Erkenntnisse von großer Bedeutung.
Prof. Jan-Ake Gustafsson vom schwedischen Karolinska-Institut betont, dass die Arbeit des
Projektteams zahlreiche neue Gemeinschaftsinitiativen ins Rollen brachte, von denen viele immer
noch in Gang sind. “Die anschließende Einführung unserer Partner in dieses Projekt brachte eine
kohärente und spezialisierte Gruppe hervor, die die Forschung durch bedeutende Fortschritte bei
der Ergründung der Biologie und der Funktion von Kernrezeptoren wesentlich beeinflusst hat“, so
der Professor.
Titel des Projekts: PATHFINDER
Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Jan-Ake Gustafsson, Karolinska Institutet (Schweden),
Prof. Vincent Laudet, Ecole Normale Supérieure de Lyon (Frankreich), Prof. Barbara Demeneix,
Centre National de la Recherche Scientifique (Frankreich), Ass. Prof. Hilde Nebb, Universität Oslo
(Norwegen), Dr. Sari Mäkelä, Universität Turku (Finnland), Prof. Edison Liu, Genome Institute of
Singapore (Singapur)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Biowissenschaften
Blinde „be-greifen“ 3-D-Grafiken
Werkzeuge wie Braille-Tastaturen und Sprachsynthese-Software erleichtern heute den
Sehbehinderten die Integration in die Informationsgesellschaft. Das Projekt GRAB wurde
mit dem Anliegen ins Leben gerufen, Sehbehinderten ein Verständnis der Formen und
Objekte der Welt der dreidimensionalen Computergrafik zu ermöglichen.
Durch die Verwendung einer Benutzeroberfläche mit zwei Roboterarmen kombinierte das GRABTeam haptische (tastende) Interaktion mit Stimmen- und Ton-Rückmeldungen, um den Benutzern
den Eindruck zu vermitteln, virtuelle 3D-Objekte durch das „Ertasten“ zu erforschen: entweder mit
Daumen und Zeigefingerspitze einer Hand oder auch mit den Zeigefindern beider Hände. Dabei
stellten die Forscher fest, dass die freiwilligen Testpersonen generell die beidhändige Methode
vorzogen. Laut Koordinatorin Teresa Gutierrez von der spanischen Fundacion Labein sei dies
dadurch zu begründen, “dass sie so mit der einen Hand einen Orientierungspunkt festmachen
konnten, während sie die andere über das gesamten Objekt wandern lassen konnten, um dessen
geometrische Form und andere Merkmale wie Größe, Gewicht, Beschaffenheit und räumliche
Trennung von anderen Elementen zu bestimmen“.
Während der haptischen Erforschung erhält der Benutzer gesprochene Hinweise und Tonsignale
und kann mittels Stimme, durch Tippen auf das Zielobjekt oder durch Eingabe über die
Computertastatur Befehle geben. Ein zusätzlicher Videobildschirm bot den Beobachtern die
Möglichkeit, den Ablauf zu verfolgen und zu bewerten, wie einfach das System zu bedienen ist.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Forschungsarbeit bestand darin, zu bestimmen, welche Haptikund Tonsignale die beste Orientierung boten, und diejenigen zu beseitigen, die lediglich eine
unnötige Ablenkung oder Verwirrung auslösten.
Zum Testen des Systems verwendeten die Forscher drei Simulatoren: Ein Abenteuerspiel, bei
dem sich die Benutzer in einem Haus mit vielen Räumen zurechtfinden und eine virtuelle Bombe
deaktivieren müssen; ein System zur Erforschung von Grafikdaten, mittels dessen ExcelLiniendiagramme und Tortendiagramme, die über Konturen mit „magnetischer“ Anziehungskraft
und über eine Sprachansage der Schlüsselwerte verfügen, mit den Fingerspitzen gelesen werden
können, und ein System zur Erforschung von Landkarten, mit dessen Hilfe sich die Benutzer mit
einem bestimmten Gebiet vertraut machen und vor einem geplanten Besuch die genaue Lage
wichtiger Einrichtungen und Ziele bestimmen können.
Zwar wäre es derzeit zu kostenaufwändig, das GRAB-System in einem Markt, der immer begrenzt
bleiben wird, zu vertreiben, jedoch könnte ein jährlicher Absatz von rund 100 Einheiten, aus
handelsüblichen industriellen Komponenten gefertigt, die Kosten auf rund 3000 € pro Stück
senken.
Die Forscher sehen beachtliche Möglichkeiten in diesem System als integrierte Plattform für die
Gestaltung und Entwicklung audio-haptischer Anwendungen auf unterschiedlichen Gebieten,
beispielsweise Architektur, Kunst, Luftfahrt und Medizin.
Titel des Projekts: GRAB
Projektteams – Kontaktpersonen: Teresa Gutierrez, Fundacion Labein, Parque Tecnologico de
Bizkaia (Spanien), Dr. Carlo Alberto Avizzano, Scuola Superiore di Studi Universitari e di
Perfezionamento S. Anna (Italien), Jose Luis Fernandez, CIDAT-ONCE (Spanien), Steven Tyler,
Royal National Institute for the Blind (Vereinigtes Königreich), Blaithin Gallagher, National Council
for the Blind of Ireland (Irland), Fiona Slevin, Haptica Ltd, Trinity Enterprise Centre (Irland)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Physik
Linkshändige Materialien brechen die Gesetze der
Physik
Das EXEL-Forschungsteam erfand und entwickelte eine neuartige Kategorie künstlicher
Meta-Materialien, genannt linkshändige Materialien (LHM) oder Materialien mit negativem
Brechungsindex, die viele der allgemein bekannten Eigenschaften des Lichts umkehren
können.
Vor rund 40 Jahren brachte Victor Veselago die Idee der Entwicklung solcher Materialien auf, die
grundsätzlich in der Natur nicht existieren. Dreißig Jahre später legte der britische theoretische
Physiker Sir John Pendry Entwürfe für zwei künstliche Meta-Materialien vor, die aus einem
Geflecht von nicht-magnetischen metallischen Drähten beziehungsweise aus Split-RingResonatoren (SRR) bestanden und die Kriterien für Materialien mit negativem Brechungsindex
erfüllten. Als Prof. David Smith und seine Kollegen SRRs und Drähte miteinander kombinierten,
um die erste Struktur zu schaffen, die den experimentellen Beweis für das Vorhandensein eines
negativen Brechungsindexes erbringen sollte, war der Grundstein für weitere Pionierarbeit der
EXEL-Arbeitsgemeinschaft gelegt. Die am EXEL-Projekt beteiligten Forscher konnten die reale
Existenz dieser Materialien sowie ihren Einklang mit den Grundgesetzen der Physik
demonstrieren.
“Nach der Erforschung und der Erörterung der grundlegenden physikalischen Eigenschaften sind
wir zum Entwurf abgewandelter Strukturen übergegangen, die einfacher zu produzieren,
kompakter und in einer Reihe von Anwendungen einsetzbar sind“, so EXEL-Koordinator Prof.
Costas Soukoulis.
Ein spannender Aspekt im Verhalten der Materialien mit negativem Brechungsindex ist, dass ein
Block solcher Materialien als flache „Superlinse“ wirken kann. Herkömmliche gekrümmte Linsen,
die divergente elektromagnetische Einfallsstrahlen an einem bestimmten Brennpunkt wieder
vereinen, weisen eine bedeutende Einschränkung auf: Sie können Details, die feiner sind als die
Wellenlänge der Strahlung selbst (bekannt als „Beugungsgrenze“), nicht auflösen. Das ist darauf
zurückzuführen, dass sie nur die sogenannten Fernfeld-Anteile bündeln, während die NahfeldStrahlung - die innerhalb der Entfernung von rund einer Wellenlänge von ihrem Ausbreitungspunkt
zerfällt - dabei verloren geht. Im Prinzip leisten Linsen aus Materialien mit negativem
Brechungsindex hier Abhilfe: Sie können perfekt detaillierte Bilder von Objekten produzieren, die
sich weniger als eine Wellenlänge von ihrer Oberfläche entfernt befinden. Eine Weiterentwicklung
dieser Eigenschaft könnte Brennpunktgrößen von nur wenigen Nanometern zur Realität werden
lassen - beinahe zwei Größenordnungen kleiner als bei gewöhnlichen Linsen. Wird dieses Ziel
erreicht, kann die Menge an Informationen, die auf DVDs gespeichert werden kann, um ein
Vielfaches vergrößert werden; auch bei Transistoren mit nur 10 nm könnte die optische
Lithographie zum Einsatz kommen.
Mit dieser Arbeit hat das EXEL-Team den Weg zur Entwicklung völlig neuer Anwendungen
geebnet. Das Team hat bereits gezeigt, wie die Fokussierung von Radiowellen kleinere und
leistungsfähigere Magnetresonanztomographie(MRT)-Geräte ermöglicht. Einen weiteren
möglichen Nutzen bietet die Verwendung miniaturisierter Materialien mit negativem
Brechungsindex zu Herstellung von Antennen und Wellenleitern, die um ein Hundertfaches kleiner
und wesentlich leichter als die derzeit eingesetzten Geräte sind. Dadurch könnten
Mobilkommunikationsgeräte, Luftfahrtsysteme und Geräte anderer strategischer Sektoren eine
völlig neue Gestalt erhalten.
Titel des Projekts: EXEL
Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Costas Soukoulis, Institute of Electronic Structure and
Laser, Foundation for Research and Technology (Griechenland), Prof. Ekmel Ozbay, Universität
Bilkent (Türkei), Prof. John Brian Pendry, Imperial College of Science, Technology and Medicine
(Vereinigtes Königreich), Prof. Martin Wegener, Universität Karlsruhe/DFG-Zentrum für funktionale
Nanostrukturen (Deutschland), Prof. David R. Smith, Duke University ( USA)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Sozioökonomik
Neue Maßstäbe für die Messung gesellschaftlicher
Veränderungen
Die Untersuchung sich wandelnder gesellschaftlicher Haltungen und Werte in ganz Europa,
die wesentlich für das Verstehen moderner Gesellschaften sind, ist dem, was man in einem
allgemein gut dokumentierten Zeitalter erwarten kann, bisher nicht gerecht geworden. Der
Lösung dieses Problems standen scheinbar unüberwindliche kulturelle, kontextuelle und
methodische Hindernisse im Weg. Als Reaktion darauf gründete die European Science
Federation 1995 eine Expertengruppe, um den „Sprung“ über diese Hürden zu erleichtern.
Die Schlussfolgerungen daraus sollten die Grundlage der ESS-Initiative bilden, einer groß
angelegten gemeinschaftlichen Arbeit zur erstmaligen Entwicklung und Validierung einer
einheitlichen Methode für länderübergreifende Studien.
Der Fragebogen umfasst zwei komplementäre Teile: Ein zentraler „Top-Down“-Teil befasst sich
mit Veränderung und Gleichbleiben einer Reihe gesellschaftlicher und demographischer
Merkmale, Gesinnungen und Verhaltensweisen - einschließlich Aspekte wie Vertrauen in die
Institutionen, gesellschaftspolitische Werte, moralische und gesellschaftliche Werte, religiöse
Zugehörigkeit, soziales Wohlergehen und Sicherheit sowie subjektive Lebensqualität. Ergänzt wird
dieser Teil durch einen „Bottom-Up“-Teil, bestehend aus wechselnden, themenspezifischen
Modulen, die in jeder Arbeitsrunde mittels Auswahlwettbewerb unter verschiedenen
multinationalen Gruppen von Sozialwissenschaftlern aus der EU festgelegt werden. Dadurch ist
eine vertiefende Untersuchung bestimmter jahresspezifischer Themen möglich, beispielsweise die
Haltung gegenüber Immigration und Staatsbürgerschaft oder der Ausgleich zwischen Arbeit und
Familie.
Zusätzlich werden kontextuelle Schwankungen zwischen Ländern und einflussreiche Ereignisse,
beispielsweise Wahlen oder Naturkatastrophen, erfasst, um Datenanalysten bei der Erklärung
beobachteter Unterschiede zu unterstützen. “Unsere Absicht ist es, nicht nur einen kurzen Einblick
in das Thema zu bieten, sondern auf der Grundlage eines Gesamtkonstrukts aus Umfragen einen
einzigartigen Langzeitbericht über die Veränderung und Entwicklung in der sozialen Struktur des
modernen Europas bereitzustellen“, betont Prof. Roger Jowell von der Londoner City University,
die mit der Projektkoordination betraut ist.
Nach erfolgreichem Abschluss der wichtigsten Vorbereitungsphasen (Erstellung der Fragebögen,
Übersetzung, Durchführung der Befragungen) wurde im Herbst 2002 der erste Datensatz
zusammengetragen, und im September 2003 wurden dann die Ergebnisse aus 22 Ländern
publiziert. Seitdem sind die Feldforschungen der zweiten Runde im Gang, diesmal unter
Beteiligung von bereits 26 Ländern. Forschern zufolge könnte der ESS einen bedeutenden
Einfluss auf die europäische Regierungsführung haben. Die Initiative hat bereits gezeigt, dass eine
präzise, länderübergreifende Messung der Haltung der Bevölkerung trotz enormer Hürden möglich
ist.
Mit dem ESS besitzt Europa erstmals eine maßgebliche und präzise Datenquelle über die
Veränderung der gesellschaftlichen Werte. Diese wiederum stellt Informationen für den
wissenschaftlichen und politischen Diskurs bereit und dient der EU als Mittel zur Messung des
Wertewandels bei seinen Bürgern. Innerhalb von 18 Monaten nach Veröffentlichung der Daten
des ersten Projektabschnitts haben bereits 6000 registrierte Benutzer begonnen, die Inhalte zu
analysieren und Zeitschriftenartikel, Dissertationen und Bücher zu verfassen.
Titel des Projekts: ESS
Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Roger Jowell, City University (Vereinigtes Königreich),
Prof. Peter Mohler, Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (Deutschland), Ineke Stoop,
Sociaal en Cultureel Planbureau (Niederlande), Prof. Willem Saris, Universiteit van Amsterdam
(UvA) (Niederlande), Prof. Jaak Billiet, Katholieke Universiteit Leuven (Belgien), Bjorn Henrichsen,
Norwegian Social Science Data Services (Norwegen), Dr. Henk Stronkhorst, European Science
Foundation (Frankreich)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Physik
Die Entdeckung des Heiligen Grals der Astrophysik
Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, oft als 'kosmische Uhren"
bezeichnet, deren Beobachtung die einzigartige Gelegenheit bietet, einige der
extremsten physikalischen Bedingungen im Universum zu untersuchen. Durch
gemeinsame Nutzung ihrer Ressourcen und Austausch ihrer Ergebnisse sind
europäische Wissenschaftler in die vorderste Reihe dieses astronomischen
Forschungsbereichs aufgestiegen. Im Jahr 2003 machten sie eine Entdeckung, die
als einer der größten Fortschritte in der Astrophysik begrüßt wurde.
Die Beobachtung von Pulsaren bietet die einzigartige Gelegenheit, einige der extremsten
physikalischen Bedingungen des Universums zu untersuchen. Die Beobachtung erkennbarer
Schwankungen bei den Pulsraten ermöglicht das Testen der Relativitätstheorien, die präzise
Verfolgung der Bewegung von Pulsaren im Weltall sowie die Erforschung der Festkörperphysik
superdichter Materie und vieles mehr. Da die Herstellung und der Einsatz der für die
wissenschaftliche Untersuchung dieser Sterne erforderlichen technischen Ausrüstung
kostenaufwändig sein kann, sind Forscher aus ganz Europa zusammengekommen, um das
europäische Pulsarnetzwerk (EPN) ins Leben zu rufen. In Gemeinschaftsarbeit mit der Australian
Telescope National Facility haben EPN-Mitglieder neue Instrumente und Computerprogramme
erarbeitet, Beobachtungsprogramme koordiniert und ein gemeinsames Datenformat sowie eine
Gesamtdatenbank für den gesamten Rückfluss von Beobachtungsinformationen entwickelt.
Bereits unmittelbar nach der Gründung der Partnerschaft begann das Team, nach Pulsaren zu
suchen, die bei ihren früheren Niederfrequenz-Untersuchungen nicht erkennbar waren. Innerhalb
von fünf Jahren konnten die Forscher über 850 Pulsare ausfindig machen - weit mehr, als man in
den vorhergehenden 30 Jahren insgesamt entdeckt hatte. Darüber hinaus brachte die intensive
Suche des Teams nach Kugelsternhaufen (gravitativ gebundene Ansammlungen von rund 100
000 Sternen sehr hohen Alters, von denen es in unserer Galaxie rund 200 gibt) noch weitere
bedeutende Erkenntnisse zutage, die zahlreiche Forschergruppen auf der ganzen Welt zu
Untersuchungen angeregt haben.
Der größte Erfolg dieser Forschungsarbeit ist zweifellos die Entdeckung des ersten Doppelpulsars.
Das Vorhandensein eines derartigen Systems ist außergewöhnlich, da seine beiden Komponenten
eine doppelte Supernova-Explosion überstanden haben müssen. Neben der Eröffnung weiterer
spannender Perspektiven lässt diese Entdeckung erneut auf das Auffinden von Gravitationswellen
hoffen, feinen Kräuselungen in der Raumzeit, die von Einstein vorhergesagt wurden. Der
Doppelpulsar ist auch ein einzigartiges „Labor“ zur Untersuchung der Elektrodynamik und der
Plasmaphysik unter den extremsten Bedingungen.
“Unsere Arbeit erweitert das menschliche Wissen über einige die physikalischen Grundgesetze
des Universums“, erklärt Prof. Andrew Lyne vom Jodrell Bank Observatory der britischen
Universität Manchester. “Diese Ergebnisse sind nicht nur für heutige Wissenschaftler von
Bedeutung. Sie regen auch das Interesse junger Menschen an der Astronomie, der Physik und
der Grundlagenforschung an und bilden damit ein wichtiges Fundament für eine Gesellschaft, in
der Wissenschaft und Forschung ein immer größerer Platz zuteil wird.“
Titel des Projekts: PULSE
Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Andrew Lyne, Universität Manchester, Jodrell Bank
Observatory (Vereinigtes Königreich), Prof. Nicolo D’amico, INAF Osservatorio Astronomico di
Cagliari, (Italien), Dr. Axel Jessner, Max-Planck-Institut für Radioastronomie (Deutschland), Dr.
Ben Stappers, ASTRON (Niederlande), Prof. Ioannis Seiradakis, Universität Thessaloniki
(Griechenland)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Technik
Musterbildung: Mehr Daten auf Laufwerken mit extrem hoher
Speicherdichte
Die Speicherkapazität von Computer-Festplattenlaufwerken konnte in jüngster Zeit jährlich
mehr als verdoppelt werden. Zurückzuführen ist dieser Trend auf die zunehmende
Nachfrage aufgrund datenintensiver Computeranwendungen und eines wachsenden
Marktes für Geräte außerhalb des PCs, beispielsweise Set-Top-Boxen, Kameras,
Laserdrucker und Satelliten-Navigationssysteme. Dennoch stößt das Potential der heutigen
Technologie, noch mehr digitale Informationen in immer kleinere Formate zu packen,
mittlerweile an seine physikalischen Grenzen. Ziel des Projekts HIDEMAR war es, mit der
Entwicklung
magnetischer
Speichermedien
mit
Nanostrukturen
für
hohe
Aufzeichnungsdichte (200 Gbits/in2) unter Verwendung von Nanolithographie-Techniken
und umweltfreundlicher chemischer Selbstorganisation von Nanopartikeln eine Lösung
anzubieten.
Strukturierte Medien, die aus regelmäßigen Arrays eindomäniger Nanomagneten - getrennt durch
eine nichtmagnetische Matrix - bestehen, gelten weithin als der zukunftsträchtigste Weg zur
Vergrößerung des Speicherplatzes. Dadurch kann nicht nur die superparamagnetische Grenze
überschritten werden, bei deren Erreichen ein Medium üblicherweise instabil werden und
Informationsinhalte verlieren kann - diese strukturierten Materialien bieten auch eine Reihe
weiterer Vorteile: verbessertes Signal-Rausch-Verhältnis; einfachere Beschreibbarkeit sowie
vollständige Kompatibilität mit der gegenwärtig verfügbaren Laufwerk-Technologie (für
nanolithographische Produktionsverfahren).
Für das Projekt HIDEMAR schlossen sich vier nationale Forschungsinstitute, zwei Universitäten
und zwei Industrieunternehmen zu einer multidisziplinären Arbeitsgemeinschaft zusammen. Sechs
EU-Mitgliedsstaaten waren insgesamt darin vertreten. Die Herausforderung, die sich den
Forschern dabei stellte, bestand darin, die Materialien an sich zu verbessern und kostengünstigere
industrielle Fertigungsverfahren zu entwickeln. Mit Projektende im April 2005 war es den Partnern
gelungen, mittels industriellem Sputterverfahren großflächige Co/Pd-Vielfachschichten mit hoher
senkrechter Anisotropie auf Speicherplatten aufzubringen. Auch bei der Entwicklung der
Nanostrukturierung mit magnetischer Anisotropie (MAN), einer neuen Technik zur Musterbildung
durch Ionenimplantation, konnte man beachtliche Fortschritte verzeichnen.
Ziel des Projekts war die Herstellung einer Demo-Festplatte mit der gewünschten Speicherdichte,
die Bewertung ihrer Leistung und die industrielle Nutzung der Ergebnisse. Das Endprodukt dieses
Projekts
soll
den
Märkten
der
Informationsspeichermedien,
insbesondere
der
Plattenlaufwerkindustrie, neue Impulse verleihen. “Durch den Einsatz in Kombination mit Geräten
für wärmeunterstützte Magnetspeichertechnik (HAMR) könnte es bereits in wenigen Jahren
Minimedien mit Dutzenden von Terabits (ein Terabit entspricht einer Billion Dateneinheiten) pro
Quadratzoll geben“, prophezeit Dr. Dino Fiorani. “Die Übernahme unserer bisherigen Ergebnisse
durch die Industrie wird Europa zu einer Spitzenposition in einem zweifellos enormen Markt
verhelfen.“
Titel des Projekts: HIDEMAR
Projektteams – Kontaktpersonen: Dr. Dino Fiorani, Consiglio Nazionale delle Ricerche (Italien),
Dr. Dimitrios Niarchos, National Centre of Scientific Research ‘Demokritos’ (Griechenland), Dr.
Elizabeth Tronc, Université Pierre et Marie Curie (Frankreich), Dr. Fernando Briones, Consejo
Superior de Investigaciones Cientificas (Spanien), Dr. Giancarlo Fiani, Laboratoire de Photonique
et de Nanostructures (Frankreich), Prof. Josef Fidler, Technische Universität Wien (TUW) / Institut
für Festkörperphysik (Österreich), Hartmut Rohrmann, Unaxis Balzers AG (Liechtenstein), Dr.
Giorgio Betti, STMicroelectronics SRL (Italien)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Physik
Euro-afrikanische Partnerschaft nimmt 100 Jahre altes Rätsel der
kosmischen Strahlung unter die Lupe
Kosmische Strahlen sind hochenergetische Teilchen, die im Weltall entstehen und durch
verschiedene Prozesse nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden.
Hochenergetische Gammastrahlen sind Nebenprodukte dieser kosmischen Teilchenbeschleunigung, die sich in geraden Linien quer durch das Universum fortpflanzen und
schließlich wieder ihre Quelle ansteuern. Bis vor kurzem konnten aufgrund mangelnder
technischer Ausrüstung nur wenige Beschleunigungsorte ausfindig gemacht werden, und
ein noch geringerer Anteil wurde umfassend untersucht. Das Projekt H.E.S.S., zu dem eine
große Arbeitsgemeinschaft von Forschungspartnern aus europäischen und afrikanischen
Ländern zusammengekommen ist, wurde 1998 ins Leben gerufen, um diese Wissenslücke
zu füllen.
Der Schwerpunkt der Forschungsarbeit bestand darin, ausgehend von bewährter Technologie und
etablierten Ansätzen ein leistungsfähiges neues Mehrfach-Teleskopsystem zu entwerfen. Mittels
dieses Systems konnten die extremsten Objekte des Universums unter die Lupe genommen
werden.
Die H.E.S.S.-Installation umfasst vier abbildende atmosphärische Cherenkov-Teleskope (IACT),
die auf einem Plateau in Namibia, Afrika, in 1800 m Höhe über dem Meeresspiegel aufgestellt
wurden. An diesem Ort ist der Himmel klar und frei von Niederschlägen und Lichtverschmutzung ein idealer Rahmen für die Himmelsbeobachtung. Darüber hinaus bietet seine Lage auf der
südlichen Erdhalbkugel den Forschern Ausblick auf das Zentrum der Galaxie. Mitte des Jahres
2005 hatte das H.E.S.S.-Team bereits 24 höchstenergetische Gammastrahlenquellen ausfindig
gemacht. Kaum mehr als ein Jahr davor war lediglich die Existenz von sechs derartigen Objekten
bekannt. 20 der als Gammastrahlenquellen bestätigten Orte sind Neuentdeckungen, und einige
bilden möglicherweise eine neue Kategorie von Beschleunigern kosmischer Strahlen.
Durch die Ergebnisse dieses Projekts wurde ein völlig neues Verständnis unseres Universums, so,
wie es durch Gammastrahlenerfassung beobachtbar ist, geschaffen. Erstmals wurden
Gammastrahlenbilder von astronomischen Objekten erstellt und die ersten Aufnahmen eines
weitläufigen Gebiets rund um das Zentrum unserer Galaxie gemacht.
“Angesichts der bislang hohen Erfolgsquote kann man auch kϋnftig mit einer Fülle an neuen
physikalischen Erkenntnissen rechnen. Die H.E.S.S.-Zusammenarbeit verhilft den EU-Astronomen
zu einer weltweit führenden Position; so werden sie auch die Früchte dieses Erfolgs ernten
können“, erklärt Heinrich Völk, Direktor Emeritus am Max-Planck-Institut für Kernphysik, einer der
wissenschaftlichen Initiatoren der Zusammenarbeit.
Titel des Projekts: H.E.S.S.
Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Stavros Katsanevas, Centre National de la Recherche
Scientifique (Frankreich), Dr. Michael Punch, Institut National de Physique Nucléaire et de
Physique des Particules (Frankreich), Prof. Werner Hofmann, Max-Planck-Institut für Kemphysik
(Deutschland), Dr. Paula Chadwick, University of Durham (Vereinigtes Königreich), Prof. Thomas
Lohse, Humboldt-Universität zu Berlin (Deutschland), Dr. Philippe Goret, Commissariat à l'Energie
Atomique, Centre de Saclay (Frankreich), Prof. Goetz Heinzelmann, Universität Hamburg
(Deutschland), Prof. Stefan Wagner, Universität Heidelberg (Deutschland), Dr. Hélène Sol, Institut
National des Sciences de l'Univers (Frankreich), Prof. Reinhard Schlickeiser, Ruhr-Universität
Bochum (Deutschland), Prof. Luke O'Connor Drury, Dublin Institute for Advanced Studies (Irland),
Prof. Ladislav Rob, Institute of Particule and Nuclear Physics, Karls- Universität (Tschechische
Republik), Prof. Ocker Comelis de Jager, North-West University (Südafrika)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Sozioökonomik
Was macht einen Europäer zu einem Europäer?
Zu ergründen, ob es eine gemeinsame Auffassung über die europäische Identität gibt oder
nicht, und falls ja, wie sich die Veränderung der Europäischen Union auf diese Identität
auswirkt, wird ein wesentlicher Teil der Aufzeichnung der Demokratieentwicklung in
diesem Erdteil sein. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, wurde 2002 eine spezielle
Studiengruppe mit dem Namen IRICE (Identitäten, Internationale Beziehungen und
Zivilisationen Europas) gegründet. Mit dem Projekt IDEE möchte die Gruppe, deren
Forschungspartner 14 europäische Länder vertreten, die Zusammenhänge zwischen
nationaler und europäischer Identität sowie dem Demokratisierungsprozess in Europa
untersuchen, insbesondere, ob im Kontext der europäischen Integration ein neues
Gleichgewicht im Entstehen begriffen ist.
In früheren Arbeiten hatte das Forschungsnetzwerk erkannt, dass es eine „alte“ europäische
Identität gab, die mit dem Gefühl der Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Kultur verbunden war.
Diese Gefühle führten jedoch nicht zwangsläufig zu einer politischen Einheit. Das europäische
Bewusstsein wurde als eine bedeutendere und weitaus jüngere Entwicklung betrachtet, die aus
Erkenntnissen infolge der beiden Weltkriege erwuchs. Dieses Bewusstsein spielte im
anschließenden europäischen Integrationsprozess eine wesentliche Rolle. Die “europäische
Gesinnung” oder der “europäische Patriotismus”, beruhend auf Emotionen, blieb schwach und war
weniger emotional behaftet, als es bei Gefühlen der nationalen Identität üblich ist.
Mit dem Gefühl, zur Europäischen Gemeinschaft (1958-1992) bzw. zur Europäischen Union (ab
1992) zu gehören, war eine neue politische Identität geboren. Diese Identität jedoch brachte
wiederum ihre speziellen praktischen Probleme in Bezug auf Entscheidungsprozesse mit sich. An
die Stelle des klassischen Machtgleichgewichts zwischen Staaten trat ein Machtgleichgewicht
zwischen den Institutionen. Dieses neue Gleichgewicht jedoch ist zerbrechlich und schürt einen
Konkurrenzkampf zwischen den Bürgern. Was die - vorwiegend kleineren - Angelegenheiten auf
nationaler Ebene angeht, so haben die einzelnen Bürger viel Macht, auf europäischer Ebene
hingegen, wo über bedeutende Dinge entschieden wird, haben sie nur wenig Einfluss. Diese
Situation, so wird es aus der Studie erkennbar, könnte im europäischen Demokratiesystem eine
Krise verursachen. Allerdings könnte eine solche Krise auch ein neues europäisches Bewusstsein
fördern, ein Bedürfnis nach der Etablierung von stabileren Institutionen auf europäischer Ebene
und damit von mehr Demokratie.
Die Beobachtungen der Gruppe zeigen Einflüsse auf, die die Bürger beim Versuch, ihre
Staatszugehörigkeit mit dem Begriff einer „Europäität“ zu vereinbaren, in ein Dilemma bringen
können. Ihre jüngste Untersuchung hat folgendes Paradox zutage gefördert: Im Vergleich zu
früheren Zeiten, als man noch von einer Vereinigung träumte, ist das Gefühl der europäischen
Identität während des Aufbaus der Europäischen Gemeinschaft zurückgegangen. Zudem folgerte
man, dass während der Phase der europäischen Integration das Bewusstsein einer
Mehrfachidentität entstanden ist. Ein neues Gleichgewicht ist an die Stelle des einstigen Konflikts
zwischen nationaler und europäischer Identität getreten.
Seit 2000 haben die IDEE-Teilnehmer 14 gemeinsame Bücher verfasst. Ihre Erkenntnisse sind
eine wichtige Quelle zuverlässiger Informationen zu wichtigen Themen, die das Verstehen der
europäischen Integration erleichtern und dürften für Experten, Journalisten, Staatsbedienstete und
Politiker, die sich für europäische Angelegenheiten interessieren, von Bedeutung sein.
Titel des Projekts: IDEE
Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Robert Frank, Unité Mixte de Recherche "Identités,
Relations Internationales et Civilisations de l'Europe" (Frankreich), Prof. Hartmut Kaelble,
Humboldt Universität, Berlin (Deutschland)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Biowissenschaften
Blocker entzündlicher Zellen wenden Krankheiten ab
Chronisch entzündliche Erkrankungen sind Krankheiten, die zur Entwicklung anhaltender
oder häufig wiederkehrender Entzündungen in verschiedenen Bereichen des Körpers
führen. Dazu gehören beispielsweise Arthritis, Lupus (eine Krankheit, bei der der Körper
die eigenen Gewebe angreift), oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Die
Untersuchung dieser Krankheiten und die Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten ist
für unsere Gesellschaft von großer Bedeutung. Das PITCID-Forschungsteam entwickelte
einen neuen Ansatz zur Behandlung dieser Krankheitstypen, der auf der Identifikation und
Neutralisation der Enzyme der PI3-Kinase-Familie beruht – Proteine, die die Zellen des
Körpers aktiv werden lassen.
Es ist bekannt, dass diese Enzyme an der Entwicklung von entzündlichen Erkrankungen beteiligt
sind. Erreichen diese Erkrankungen ein bestimmtes Stadium, werden die weißen Blutkörperchen,
die üblicherweise Bakterien im Körper zerstören, übermäßig aktiviert und greifen die
körpereigenen Gewebe an.
Frühere Forschungsarbeit hat bereits gezeigt, dass PI3-Kinasen im Krankheitsverlauf eine
maßgebliche Rolle spielen können. Heute weiß man, dass diese Enzyme an zahlreichen
zellulären Prozessen beteiligt sind. Sie verursachen nicht nur entzündliche und allergische
Erkrankungen; auch bei der Herzfunktion sind sie involviert. Die Forscher haben herausgefunden,
dass durch die Ausschaltung des Gens, das die PI3-Kinase bildet, eine Abschwächung der
Entzündungsreaktion erreicht werden kann. “Unsere Überlegung war folgende: Wenn wir durch
Deaktivierung der PI3-Kinase die Zellmigration zum Zielgewebe blockieren können, so könnte dies
ausreichen, um Entzündungen zu verhindern“, so Prof. Wymann. “Wäre diese Annahme richtig, so
hätten wir ein mögliches Mittel gegen chronisch entzündliche und Autoimmunerkrankungen wie
Asthma, rheumatoide Arthritis, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Arteriosklerose,
chronisch entzündliche Darmerkrankung, multiple Sklerose und noch weitere gefunden.“
Im Rahmen des Projektes wurden ein umfangreicher Bestand an biologischen Daten sowie kleine
Moleküle als Inhibitoren geschaffen, die in Modellen von rheumatoider Arthritis und Lupus
erfolgreich getestet wurden. Darüber hinaus wurden durch die Arbeit des Forschungsteams neue
Zielmoleküle für pharmakologische Wirkstoffe gegen entzündliche, allergische, Herz-Gefäß- und
Autoimmunerkrankungen validiert.
“Angesichts der ernormen Auswirkungen chronisch entzündlicher Erkrankungen in Bezug auf
menschliches Leiden und wirtschaftliche Kosten ist deren Minderung ein vorrangiges Anliegen der
Ärzteschaft“, betont PITCID-Projektleiter Matthias Wymann, Professor an der Schweizer
Universität Basel. Eine große Herausforderung besteht jedoch darin, effiziente Medikamente ohne
unerwünschte Nebenwirkungen zu entwickeln.
Pharmakonzerne haben Interesse an den publizierten Daten des Projekts gezeigt, und Forscher
aus ganz Europa arbeiten derzeit an der Umwandlung der Ergebnisse des PITCID-Projekts in
handelsfähige Produkte.
Titel des Projekts: PITCID
Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Matthias P. Wymann, Universität Basel (Schweiz), Prof.
Reinhard Wetzker, Klinikum der Universität Jena (Deutschland), Prof. Emilio Hirsch, Dipartimento
di Genetica, Biologia e Biochimica (Italien), Prof. Bart Vanhaesebroeck, Ludwig Institute for
Cancer Research (Vereinigtes Königreich), Dr. Christian Rommel, Serono Pharmaceutical
Research Institute, Serono International S.A. (Schweiz), Prof. Ana C. Carrera, Consejo Superior
de Investigaciones Cientificas (CSIC) (Spanien)
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Nominiert für den EU-Descartes-Preis 2005
Forschungsgebiet: Technik
Klebstoffe auf Rindenbasis für gesünderes Wohnen
In Westeuropa werden gegenwärtig rund 3,2 Millionen Tonnen Klebstoffe für die Fertigung
von Holzplatten verbraucht. Die im Produktionsprozess verwendeten synthetischen
Materialien, in erster Linie Formaldehyd, können jedoch die Gesundheit beeinträchtigen.
Natürliche Tannine, die aus Baumrinde gewonnen und mit Formaldehyd ausgehärtet
werden, können zwar als äußerst wirksame Klebstoffe dienen, aber als unreagierte
Rückstände in den fertigen Platten vorhanden bleiben und so deren Attraktivität für den
Markt beeinträchtigen. Das Projekt TANNIN-KLEBSTOFFE hat eine Reihe von
Entdeckungen in Bezug auf die Reaktion dieser natürlichen Tannine mit den
verschiedensten Vernetzern ergeben. Die Wissenschaftler haben neue chemische
Vorgänge aufgezeigt, die nicht nur den Verzicht auf Formaldehyd als einem der wichtigsten
Stoffe zur Erzeugung einer chemischen Reaktion ermöglichen, sondern auch dessen
Entstehung als sekundärem Nebenprodukt verhindern.
Den ersten Durchbruch verzeichnete die dreiköpfige Partnerschaft mit dem Nachweis, dass
Tannin ohne Zusatz von Formaldehyd oder einem anderen Aldehyd beim Vorhandensein
katalytischer Mengen an gelöster Kieselsäure oder an Silikaten polymerisiert. Dazu kommt, dass
diese Reaktion sehr rasch erfolgte und damit erhöhte Produktivität und ein besseres
wirtschaftliches Potential ermöglicht. Da die Tanninreaktion je nach Baumart, aus der es
gewonnen wird, unterschiedlich ist, wurde durch das katalysierte Verfahren die Herstellung von
Platten ermöglicht, die über die aktuellen Standards für den Innenbereich hinausgehen. Bei
anderen Tanninen reichte die katalytische Wirkung der Zellulose aus Holzfasern selbst aus, um
eine Tannin-Polymerisation auszulösen und damit ausreichend Haftfestigkeit bei Holzbrettern für
den Innenbereich zu gewährleisten. Ein dritter Vorgang, der von der Arbeitsgemeinschaft gezeigt
wurde, war der Einsatz von Hexamethylentetramin (Hexamin) als Härter. Wenngleich sich hierbei
unter bestimmten Umständen als Zwischenprodukt der Reaktion Formaldehyd bilden kann,
konnten die Partner beweisen, dass dies bei den schnellhärtenden Tanninen nicht der Fall ist.
Dem Team ist es zwar gelungen, zu beweisen, dass die von ihm entwickelten Verfahren
umweltfreundlich und für Europa wirtschaftlich praktikabel sind, dennoch konnten sie zunächst
keinen Plattenhersteller zum Verzicht auf die etablierten Herstellungspraktiken bewegen. Ein
japanisches Unternehmen war angesichts einer strengen nationalen Gesetzgebung, die den
Einsatz von Formaldehyd praktisch verbietet, zu einer Partnerschaft bereit – und ebnete damit den
Weg zur Veränderung. Das TANNIN ADHESIVES-Team stellte dem Unternehmen die TanninHexamin-Klebstofftechnologie zur Verfügung. Diese ließen in den Presszyklus zusätzlich ein
Dampfinjektionsverfahren einfließen. Die Maschine, die aus dieser „Paarung“ entstanden ist, wird
derzeit bereits vermarktet. Weitere Unternehmen sind diesem Beispiel gefolgt – unter anderem
das größte japanische Bauunternehmen, das jährlich unter Verwendung von Platten, hergestellt
mit Tannin aus Italien, 10 000 Häuser errichtet.
Aber auch ein großer schwedischer
Möbelhersteller und ein bedeutendes Papier- und Zellstoffunternehmen errichten derzeit eine
neue Produktionsstätte - wenngleich ohne Verwendung der Dampfinjektion. Das für die
Fertigungsprozesse benötigte Tannin soll aus der Rinde lokaler Fichtenbestände gewonnen
werden.
“Der Mehrwert, der sich aus dem Einsatz von Tannin ergibt, wird einen Anreiz für die Gründung
kleiner Unternehmen in ländlichen Regionen bieten; die verbrauchte Rinde kann hier als Mulch
weiterverkauft oder zur Energiegewinnung verbrannt werden. Die umweltfreundliche
Beschaffenheit der Endprodukte wird einen vermehrten Einsatz erneuerbarer Materialien im
Bausektor bewirken - und die Familien können sich in einer gesünderen Wohnumgebung beruhigt
zurücklehnen“, so TANNIN ADHESIVES-Koordinator Prof. Antonio Pizzi.
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Titel des Projekts: TANNIN-KLEBSTOFFE
Projektteams – Kontaktpersonen: Prof. Antonio Pizzi, Ecole Nationale Superieure des
Technologies des Industries du Bois (Frankreich), Dr. Frederic Pichelin, Hochschule für
Architektur, Bau und Holz (Schweiz), Dr. Gianpaolo Benevento, Silvachimica S.r.l (Italien), Dr.
Masafumi Nakatani, Sekisui Chemical Co (Japan)
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